AAA Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 2014 Heft 1: Herausgeber: Kettemann, Bernhard 9783823395904, 9783823385905, 3823395904


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German Pages 108 [695] Year 2014

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Titelseite
Impressum
Vorwort und Danksagung
Inhalt
A. Einleitung
I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext
1. Zu Olympiodors Leben
2. Die platonische Bildung in der justinianischen Epoche
3. Olympiodors Werke
4. Die Spezifik des Kommentar-Korpus von Olympiodor
II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung
III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar
IV. Die Fragestellung und Aufbau der Arbeit
B. Untersuchung des Kommentars
I. Der strukturelle Aufbau
1. Der Titel
2. Die Abschnitte des Dialogs
3. Das Unterrichtskonzept als Praxis
4. Kreisförmige Erzählstruktur
5. Zusammenfassung der formalen Anlage
II. Theoretische Grundlagen
1. Sprachphilosophische Ansätze
1.1 Aufgabe der Exegese
1.2 Die Rede als Lebewesen
1.3 Das exegetische Fragenregister
1.3.1 Die Absicht (σκοπός)
1.3.2 Der Nutzen (χρήσιμον)
1.3.3 Die Stellung (τάξις) und die Gliederung (διαίρεσις)
1.3.4 Die Bedeutung des Skopos für die exegetische Praxis
1.4 Sprache als Werkzeug der Exegese
2. Ethische Ansätze
2.1 Die Tugendgrade bei Olympiodor
2.2 Die politische Tugend
2.3 Die kathartische Tugend
2.3.1 Katharsis und Tod
2.3.2 Die sokratische Katharsis
2.4 Übergänge der Tugenden
3. Erkenntnistheoretische Ansätze
3.1 Die göttliche und menschliche Erkenntnis
3.2 Sinneswahrnehmungen in der platonischen Philosophie
3.3 Selbsterkenntnis und Sinneswahrnehmung im Alkibiades
3.4 Olympiodors Betrachtungen zu Sinneswahrnehmungen
3.5 Zwei Wege der Erkenntnis
III. Exegetische Vorgehensweise
1. Sprachorientierte Exegese
2. Performanz und Wahrnehmung des platonischen Dialogs
3. Gebrauch von Wahrnehmungswörtern
IV. Olympiodor als Lehrer der platonischen Philosophie
C. Text und Übersetzung
I. Die Textüberlieferung
II. Editionen
1. Die Editio princeps
2. Westerinks kritische Edition
III. Olympiodors Platon-Text
IV. Die Gestaltung des vorliegenden Texts
1. Liste der abweichenden Textstellen
2. Die Editionen antiker Texte
V. Zur Übersetzung
1. Überblick bisheriger Übersetzungen
1.1 Übersetzungen des Alkibiades-Kommentars
1.2 Übersetzung des platonischen Alkibiades
2. Die Vorgehensweise der Übersetzung
2.1 Methodischer Ansatz
2.2 Interpunktion und Textstrukturierung
VI. ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ – Kommentare zu Platons Alkibiades
ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ
KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES
Πρᾶξις σὺν θεῷ β´
Unterricht 2 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ γʹ
Unterricht 3 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ δʹ
Unterricht 4 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ εʹ
Unterricht 5 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ϛʹ
Unterricht 6 mit Gottes Hilfe
ΑΡΧΗ ΤΟΥ ΠΡΩΤΟΥ ΤΜΗΜΑΤΟΣ
Πρᾶξις σὺν θεῷ ζʹ
ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS
Unterricht 7 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ηʹ
Unterricht 8 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ θʹ
Unterricht 9 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιʹ
Unterricht 10 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιαʹ
Unterricht 11 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιβʹ
Unterricht 12 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιγʹ
Unterricht 13 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιδʹ
Unterricht 14 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιεʹ
Unterricht 15 mit Gottes Hilfe
ΑΡΧΗ ΤΟΥ Βʹ ΤΜΗΜΑΤΟΣ
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιϛʹ
ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS
Unterricht 16 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιζʹ
Unterricht 17 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιηʹ
Unterricht 18 mit Gottes Hilfe
ΑΡΧΗ ΤΟΥ Γʹ ΤΜΗΜΑΤΟΣ
Πρᾶξις σὺν θεῷ ιθʹ
Unterricht 19 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ κʹ
Unterricht 20 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ καʹ
Unterricht 21 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ κβʹ
Unterricht 22 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ κγʹ
Unterricht 23 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ κδʹ
Unterricht 24 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ κεʹ
Unterricht 25 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ κϛʹ
Ἀποσημειώσεις
Unterricht 26 mit Gottes Hilfe
Zusammenfassung
Πρᾶξις σὺν θεῷ κζʹ
Unterricht 27 mit Gottes Hilfe
Πρᾶξις σὺν θεῷ κηʹ
Unterricht 28 mit Gottes Hilfe
D. Anmerkungen
Anmerkungen
Anhang
1. Daimonion/Daimon
2. Seelenwagen (ὄχημα)
3. Üblicher Sprachgebrauch (συνήθεια)
4. Teilung des Kosmos
5. Engel (ἅγγελος)
6. Bewusstsein (συνειδός)
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Mit Autor und Jahr zitiert:
Abgekürzt zitiert:
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AAA Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 2014 Heft 1: Herausgeber: Kettemann, Bernhard
 9783823395904, 9783823385905, 3823395904

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www.narr.de

ISBN 978-3-8233-8590-5

  Olympiodor – Alkibiades Cagla Umsu-Seifert

Der Neuplatoniker Olympiodor (6. Jh. n. Chr.) fand in der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten als Philosoph Beachtung. Cagla Umsu-Seifert diskutiert in diesem Band aktuelle Forschungsthesen zu Olympiodor und erklärt die zentralen Aspekte seiner Philosophie. Die Autorin legt darüber hinaus erstmals eine Übersetzung von Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades ins Deutsche vor, die mit umfangreichen Anmerkungen erläutert wird. Die Philosophie Olympiodors wird dabei im Kontext der platonischen Tradition, der antiken Literatur und anderer Bildungsbereiche wie der Medizin in Alexandria beleuchtet. So bietet der Band eine umfassende Darstellung der Philosophie Olympiodors und zeigt, dass seine Exegese keineswegs hinter der des Proklos zurücksteht, sondern sich durch das pädagogische Ziel und die Aufgabe auszeichnet, die Vorzüge der platonischen Philosophie hervorzuheben.

Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades Untersuchung, Text, Übersetzung und Erläuterungen

von Cagla Umsu-Seifert

Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades

CLASSICA MONACENSIA Münchener Studien zur Klassischen Philologie Herausgegegeben von Martin Hose und Claudia Wiener Band 59 · 2023

Cagla Umsu-Seifert

Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades Untersuchung, Text, Übersetzung und Erläuterungen

Umschlagabbildung: Marmorsphinx als Basis. Neapel, Museo Nazionale, Inv. 6882. Guida Ruesch 1789. H: 91 cm INR 67. 23. 57. Su concessione del Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo – Museo Archeologico Nazionale di Napoli. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Zugleich Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München. DOI: https://www.doi.org/10.24053/9783823395904

© 2023 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: [email protected] Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach CPI books GmbH, Leck ISSN 0941-4274 ISBN 978-3-8233-8590-5 (Print) ISBN 978-3-8233-9590-4 (ePDF)

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Vorwort und Danksagung Die vorliegende Arbeit stellt eine leicht überarbeitete Fassung meiner im Juli 2021 an der Philosophischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereichten Dissertation vor. Ziel dieser Studie ist es, Olympiodors Kommentar zum Alkibiades im Lichte des aktuellen Forschungsstandes darzustellen. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: A. Einleitung B. Untersuchung des Kommentars C. Text und Übersetzung D. Anmerkungen Mein großer Dank gilt Prof. Dr. Martin Hose, der meine Arbeit über diesen langen Zeitraum unterstützt und mit vielen Inspirationen bereichert hat. Meinem Zweitbetreuer, Prof. Dr. Andreas Schwab, danke ich für seine Geduld und die Zeit, die er sich für Korrekturen und Kommentare zur eingereichten Version genommen hat. Mein besonderer Dank gilt meinem Mann, Karsten Seifert, und meiner Schwester, Buket Umsu, die mir mit viel Verständnis und Engagement zur Seite standen. Während der Arbeit an meiner Dissertation erhielt ich hilfreiche Anregungen von den Mitarbeitern des Instituts für Gräzistik der LMU, Annamaria Peri, Christina Abenstein, Manuela Wunderl und Oliver Schelske, denen ich ebenfalls sehr dankbar bin. Meinem Kollegen Paul Sommer-Weisel danke ich für die stilistischen Hinweise. Herrn Tillmann Bub und Frau Barbara Landwehr vom Narr-Verlag danke ich für die angenehme Zusammenarbeit. München, im März 2023

Cagla Umsu-Seifert

Inhalt Vorwort und Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

A. Einleitung I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu Olympiodors Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die platonische Bildung in der justinianischen Epoche . . . . . . . . . 3. Olympiodors Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Spezifik des Kommentar-Korpus von Olympiodor . . . . . . . . . .

12 12 13 17 19

II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar . . . . . . . . . . .

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IV. Die Fragestellung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Untersuchung des Kommentars I. Der strukturelle Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abschnitte des Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Unterrichtskonzept als Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kreisförmige Erzählstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung der formalen Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 36 38 41 44 46

II. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sprachphilosophische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Aufgabe der Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Rede als Lebewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Das exegetische Fragenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Die Absicht (σκοπός) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Der Nutzen (χρήσιμον) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Die Stellung (τάξις) und die Gliederung (διαίρεσις) 1.3.4 Die Bedeutung des Skopos für die exegetische Praxis 1.4 Sprache als Werkzeug der Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48 51 54 56 59 61 62 63 65

8

Inhalt

2.

3.

Ethische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Tugendgrade bei Olympiodor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die politische Tugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die kathartische Tugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Katharsis und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Die sokratische Katharsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Übergänge der Tugenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkenntnistheoretische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die göttliche und menschliche Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Sinneswahrnehmungen in der platonischen Philosophie . . 3.3 Selbsterkenntnis und Sinneswahrnehmung im Alkibiades . 3.4 Olympiodors Betrachtungen zu Sinneswahrnehmungen . . 3.5 Zwei Wege der Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 71 73 74 76 78 82 83 83 86 89 90 93

III. Exegetische Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Sprachorientierte Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Performanz und Wahrnehmung des platonischen Dialogs . . . . . . 105 3. Gebrauch von Wahrnehmungswörtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Olympiodor als Lehrer der platonischen Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . 113 C. Text und Übersetzung I. Die Textüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Die Editio princeps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Westerinks kritische Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Olympiodors Platon-Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 IV. Die Gestaltung des vorliegenden Texts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Liste der abweichenden Textstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Die Editionen antiker Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 V. Zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick bisheriger Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Übersetzungen des Alkibiades-Kommentars . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Übersetzung des platonischen Alkibiades . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 128 128 129

Inhalt

9

2.

Die Vorgehensweise der Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.1 Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.2 Interpunktion und Textstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

VI. ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ – Kommentare zu Platons Alkibiades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 D. Anmerkungen Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672

A.

Einleitung

I.

Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext

1. Zu Olympiodors Leben Über Olympiodors1 Leben sind nur spärliche Daten überliefert. Aufgrund eigener Hinweise auf Ammonios als seinen Lehrer2 und auf Alexandria als die Stadt, in der er lebte,3 kann geschlossen werden, dass er im 6. Jh. n. Chr. in Alexandria als Philosoph tätig war. Wie Simplikios und Philoponos, war auch Olympiodor ein Schüler von Ammonios, der Kommentare zu Aristoteles verfasste und ungefähr zwischen 440 und 520 n. Chr. lebte.4 Ammonios war der Sohn des alexandrinischen Philosophen Hermeias und studierte in Athen Philosophie. Nach seiner Rückkehr nach Alexandria übernahm Ammonios, wie sein Vater Hermeias, einen öffentlich finanzierten Lehrstuhl in der alexandrinischen Bildungsstätte.5 Olympiodor gilt als Philosoph, der in seiner Lehrtätigkeit an Ammonios anknüpfte; daher wird angenommen, dass er als dessen Nachfolger die Leitung der alexandrinischen Philosophenschule übernahm.6 Ammonios’ Tod kann auf 1

2

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4 5

6

Der Platoniker im 6. Jh. n. Chr. wird auch als Ὀλυμπιόδωρος ὁ Νεώτερος (der Jüngere) bezeichnet, um ihn von dem ebenfalls alexandrinischen Philosophen gleichen Namens, der am Anfang des 5. Jh. lebte, zu unterscheiden. Zur Identität des ‚älteren‘ Olympiodor siehe Saffrey 2005. Olympiodor erwähnt Ammonios als „unseren Philosophen“ im Kommentar zu Aristoteles’ Meteorologie (Olymp. in Mete. 6,23; 51,29–30) und zu Platons Gorgias (ὁ φιλόσοφος ὁ ἡμέτερος Ἀμμώνιος, Olymp. in Grg. 40.5,27). Obwohl Olympiodor woanders Ammonios als seinen Vorfahren bezeichnet (πρόγονος, Olymp. in Mete. 153,7), erklärt Westerink (1990, S. 328) dazu, dass dieser Ausdruck nicht im einfachen Sinne „Großvater“ bedeute, sondern darauf hinweise, dass zwischen Ammonios’ und Olympiodors Lehrtätigkeit einige Zeit und möglicherweise ein anderer ‚Scholarch‘ lag. Olympiodor nennt Alexandria „unsere Stadt“ (Olymp. in Mete. 169,34) und erwähnt Hephaistos, einen Archon von Alexandria (um 546 n. Chr.), mit der Aussage: „hier wurde er Archon“ (Olymp. in Alc. 2,80–82). Für eine ausführlichere Darstellung der ‚Ammonios-Schule‘ siehe Griffin 2016b und Blank 2010. Watts 2006, S. 209–210. Diese Feststellung beruht sowohl auf der Überlieferung bei Damaskios (Dam. Isid. Fr. 124 [Zintzen]) als auch auf anderen Zeugnissen über die Bildung in Alexandria. Zu den archäologischen Befunden über den Schulkomplex in Alexandria siehe Majcherek 2010. Den Umfang der gelehrten Fächer in der alexandrinischen Schule des 6. Jh. n. Chr. erläutert Sorabji 2014. Einige Zeugnisse erwähnen jedoch Eutokios, einen anderen Schüler des Ammonios, als seinen Nachfolger. Eutokios soll Mathematik und aristotelische Logik gelehrt haben. Der

I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext

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die Zeit zwischen 517 und 526 n. Chr. datiert werden.7 Das späteste von Olympiodor erhaltene Werk ist der Kommentar zur aristotelischen Meteorologie aus dem Jahre 565 n. Chr.8 Dies legt nahe, dass Olympiodor wahrscheinlich in diesem Jahr noch als Philosophielehrer tätig war. Über sein späteres Leben und seinen Tod ist nichts bekannt. Demzufolge korrespondiert Olympiodors Karriere mit der Zeit der Herrschaft des Kaisers Justinian (527–565 n. Chr.).

2. Die platonische Bildung in der justinianischen Epoche Die justinianische Epoche wurde in der früheren Forschung mit dem Niedergang der antiken Philosophietradition identifiziert, der durch die sogenannte Schließung der athenischen Akademie, ausgehend von einem Edikt im Jahre 529, eingeleitet wurde. Alan Cameron vertrat dagegen die Auffassung, dass eine ‚Schließung‘ in diesem Sinne wahrscheinlich nicht stattgefunden habe, sondern dass die Beschlagnahmung des Besitzes der Akademie um 560 n. Chr. noch nicht vollständig vollzogen war.9 Außerdem, so Cameron, demonstrieren Zeugnisse,

7 8 9

alexandrinische Exeget Elias weist auf die Vorlesungen des Eutokios zu Porphyrios’ Isagoge hin (Elias in APr. 134,4–5). Dies wird auch durch die erhaltenen Kommentare bestätigt, die Eutokios zu den Schriften des Archimedes und des Apollonios von Perge geschrieben hat. Zu den Werken des Eutokios siehe Folkerts 1998. Vgl. dazu Wildberg 2005, S. 320. Einer weit akzeptierten Forschungsmeinung zufolge soll Olympiodor nach Eutokios die Philosophielehre als ‚Scholarch‘ übernommen haben, da seine Kommentare ihn als einen „großen Philosophen“ bezeichnen. Dieser Ausdruck findet sich beispielsweise am Anfang des Alkibiades-Kommentars (ἀπὸ φωνῆς Ὀλυμπιοδώρου τοῦ μεγάλου φιλοσόφου). Folglich kann Olympiodor nach Opsomer (2010, S. 697) nicht später als 505 n. Chr. geboren worden sein. Dieses Datum kann durch die Erwähnung eines Kometen (Olymp. in Mete. 52,31) festgestellt werden, der 565 n. Chr. gesichtet wurde; vgl. Westerink 1976, S. 21. Cameron 1969, S. 11. Hier verweist Cameron auch auf Olympiodors Bemerkung, dass bis zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Kommentars das Stiftungsvermögen (τὰ διαδοχικά, was auch die finanzielle Ausstattung der Lehrer bezeichnet) der Akademie behalten wurde, obwohl viele Beschlagnahmungen stattfinden würden (Olymp. in Alc. 141,2–3: διὸ καὶ μέχρι τοῦ παρόντος σῴζονται τὰ διαδοχικά, καὶ ταῦτα πολλῶν δημεύσεων γινομένων). Ausgehend von der Datierung des Alkibiades-Kommentars um 560 n. Chr. scheint es, dass die Gesetzgebung Justinians im Jahr 529 nicht zu einer unmittelbaren Einstellung der Aktivitäten der athenischen Akademie geführt hatte. Zur ausführlichen Erklärung dieser Datierung siehe Westerink 1962, S. XIV–XV und im Folgenden Anm. 25. Watts (2004, S. 178–179) zeigt außerdem, dass die Textbelege, einschließlich desjenigen von Malalas, die auf ein Verbot der Philosophie hindeuten, größtenteils falsch interpretiert werden und dass Justinians Edikt nur den Philosophieunterricht in der Form verbieten würde, wie er zu dieser Zeit in Athen durchgeführt wurde, während es nicht gegen den Philosophieunterricht an sich gerichtet war. Darüber

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A. Einleitung

dass die athenische Akademie nach einer Krise in den vorangegangenen Jahrzehnten unter der Leitung von Damaskios wiederbelebt wurde.10 In der gegenwärtigen Forschung wird weitestgehend akzeptiert, dass Justinians Herrschaftszeit kein abruptes Ende der Beschäftigung mit der antiken Philosophie, sondern eine vielfältige und lebendige Übergangsperiode darstellt, die sich an der späteren ‚byzantinischen Philosophie‘ manifestiert.11 Olympiodors philosophische Tätigkeit ist zunächst aufgrund seiner sozialgeschichtlichen Umstände auf besonderes Interesse gestoßen: Ausgehend von der Annahme, dass pagane Philosophen zur Zeit Justinians unter politischem Druck große Schwierigkeiten erleben mussten, fand Olympiodor als „letzter paganer Philosoph“ der Spätantike Beachtung.12 Die Namen seiner Nachfolger, Elias und David, unterstützten überdies die Interpretation, dass die Philosophie in Alexandria nach Olympiodor von einem christlichen Gesellschaftskreis praktiziert wurde.13 Gegen diese Annahmen spricht die Tatsache, dass Olym-

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hinaus begründet Watts (2006, S. 137), dass die heidnische Lehre in Athen nach 532 n. Chr. fortgesetzt wurde, wenn auch nicht in großem Umfang. Im Gegensatz dazu, so Watts (ebd.), passten die alexandrinischen Lehrer ihren Unterricht besser an die soziopolitischen Gegebenheiten an, obwohl auch sie Heiden waren. Vgl. ebd. S. 29. Diese Krisenzeit geht aus verschiedenen Quellen hervor. Zum einen verweist Cameron (1969, S. 14) auf Simplikios, der in Athen lehrte und in seinen Werken die Spannungen zwischen ‚Tyrannei‘ und Politik erwähnte. Zum anderen gibt es den Bericht des Historikers Agathias über die sieben Philosophen, die Athen nach dem Edikt Justinians in Richtung Persien verließen (ebd. S. 7). Es ist jedoch plausibel, wie auch Cameron hervorhebt, dass sich diese Zeugnisse nur auf den Zeitraum zwischen 529 und 532 n. Chr. beziehen und zu vage sind, um ein Ende der Akademie mit Justinians Edikt in Verbindung zu bringen. Zur Gegenthese von Tardieu über eine neuplatonische Schule des Simplikios in Harrān siehe im Folgenden Anm. 16. Vgl. Wildberg 2005, S. 317–320. Zum Begriff der byzantinischen Philosophie siehe Ierodiakonou/Zografidis 2010. In der Forschung wurde Olympiodor als „der letzte pagane Philosoph“ bezeichnet, beispielsweise von Armstrong 1966, S. 124. Zuletzt wurde auch von Bohle (2020, S. 18) geäußert, dass Olympiodor „der letzte pagane Lehrer in Alexandrien“ war. Diese Ansicht ist jedoch umstritten. Westerink (1962, S. XXII) vertritt die These, dass Elias, ausgehend von seinem Namen und seinem sozialen Status, christlich gewesen sein muss. Dabei betont Westerink, dass Elias seine philosophische Tätigkeit von religiösen Ansichten nicht beeinflussen ließ, sondern vielmehr der platonischen Tradition verbunden war. Nach Opsomer (2010, S. 697) deuten die Namen Elias und David entweder auf die christliche Identität dieser Philosophen oder darauf, dass sie ihre Namen an die herrschende christliche Kultur angepasst hatten. Wildberg (2005, S. 334) stellt die Gegenthese auf, dass die Kommentare von Elias und David durchaus von paganen Ansichten geprägt sind und wahrscheinlich von zwei paganen Platonikern stammen, deren Namen verloren sind und die die Namen Elias und David in der Überlieferung erhalten haben. Während diese These nicht erklärt, warum die Namen verloren sein sollten, ist die Ansicht dennoch vertretbar, dass Elias und David in ihrer Philosophie keinen überwiegenden Einfluss der christlichen Lehre erkennen lassen.

I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext

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piodor seine philosophische Tätigkeit noch im späten 6. Jh. ohne Einschränkungen ausüben konnte.14 Während gesellschaftliche und politische Konflikte unter anderem auch die Lebensumstände der Philosophen beeinträchtigten,15 wurde die Lehre des klassischen Bildungskonzepts (παιδεία) bis ins 7. Jh. fortgeführt.16 In der Antike galt die Paideia als ideale Erziehung, die die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Menschen durch Literatur, Gym-

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Westerink (1990, S. 336) bietet hierzu als Erklärung an, dass die philosophische Lehre mit paganen Inhalten zu Olympiodors Lebzeiten eine Freiheit erlebt haben muss, da die christlichen Intellektuellen mit dem monophysitischen Schisma intensiv beschäftigt waren. Dabei ist es unklar, inwiefern Olympiodor als ein paganer Philosoph oder Elias und David als Christen zu definieren sind. Die Kommentare aller drei Philosophen verdeutlichen vielmehr ihre Zugehörigkeit zur Tradition der platonischen Exegese. Nach Wildberg (2005, S. 333–334) bieten Elias und David keine Hinweise darauf, dass sie gegen pagane oder für christliche Ansichten eintreten. Die Konflikte in Athen und Alexandria seit dem 4. Jh. n. Chr. werden von Watts (2010) insbesondere in Bezug auf die Bildungsinstitutionen ausführlich behandelt. Es handelt sich dabei um die Fortführung eines pädagogischen Konzepts, das die antike Philosophie aus heidnischer Perspektive lehrt. Dieser Ansatz findet sich später in der Lehre des Stephanos wieder, die eine wesentliche Rolle in der Konzeption der byzantinischen Bildung einnahm. Für die Existenz und Nutzung des alexandrinischen Schulkomplexes nach der persischen (615/16 n. Chr.) und arabischen Eroberung (640 n. Chr.) lassen sich nach derzeitigem Stand der Forschung keine eindeutigen Aussagen treffen. Ein Hinweis für den späteren Einfluss der alexandrinischen Philosophie ist die Erwähnung von Olympiodors Kommentaren über Aristoteles’ De generatione et corruptione und Platons Sophistes in den arabischen Quellen. Beide Kommentare sind nicht erhalten; vgl. Peters 1968, S. 37. Auch wird über syrische Fassungen seiner Kommentare berichtet, die ebenfalls nicht überliefert sind; Gätje 1982, S. 11. Kontrovers diskutiert wurde die These von Tardieu, der von einer bis ins 10. Jh. n. Chr. andauernden neuplatonischen Schule in Harrān ausgeht, die von Simplikios nach seiner Abreise aus Athen aufgrund des Edikts von Justinian im Jahr 529 n. Chr. gegründet worden sein soll. Siehe dazu Tardieu 1986, S. 24; Ders. 1990, S. 161–163. Tardieu vermutet die Lehrtätigkeit des Simplikos in Harrān auf der Grundlage verschiedener, vor allem arabischer Quellen, obwohl die Ähnlichkeiten zwischen syrischen und griechischen Autoren auch auf anderem Rezeptionswege zustande gekommen sein könnten. So glaubt er, dass der Kalender in Harrān ein Hinweis auf den Einfluss des Simplikos ist; Tardieu 1987, S. 55. Ferner verließen die sieben Philosophen Athen nach Tardieu (1990, S. 130–132) deshalb in Richtung Harrān, da diese Stadt außerhalb des byzantinischen Gebiets lag und unter persischer Kontrolle stand. Die neuplatonische Lehrtätigkeit in Harrān lässt sich Tardieu zufolge an der Rolle dieser Stadt als Bildungszentrum in der Folgezeit ablesen. Auch Hadot ([Ilsetraut] 1987, S. 13–14) vertritt Tardieus These über die neuplatonische Schule des Harrān von Simplikios. Nach Golitsis (2015, S. 65) beruht diese These auf einer Interpretation der Textbelege, die eine Identifikation der Bezeichnungen für Griechen und Platoniker erzwingt. Eine umfassende Widerlegung von Tardieus Thesen findet sich in einer überarbeiteten Fassung des Aufsatzes von Cameron 1969 in Cameron 2016, S. 232–234. Zu weiteren Kritikern von Tardieu siehe Sorabji 2005, S. 29.

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A. Einleitung

nastik und Musik fördert.17 In späteren Epochen gewann dieses Bildungskonzept eine andere Bedeutungsdimension: Nach der Kaiserzeit wurde die Zugehörigkeit zur griechischen Paideia und Kultur, wie dargelegt von Martin Hose, als ein Identitätsmerkmal der politischen Elite angesehen.18 Obwohl bis in die Spätantike hinein kein einheitlicher Bildungsbegriff definiert werden kann, gehörten im 6. Jh. n. Chr. Bereiche wie Rhetorik und „klassische“ Literatur weiterhin zur Paideia in der alexandrinischen Bildungseinrichtung.19 Die Lehre der Philosophie stellte dabei in engem Kontakt mit anderen Wissenschaften wie Mathematik, Medizin und Astronomie ein wesentliches Element der höheren Bildung dar.20 Der neuplatonische Philosophieunterricht in der Spätantike hatte nach Ilsetraut und Pierre Hadot zwei feste Bestandteile.21 Zunächst gab es eine Vorbereitung auf die platonische Philosophie, die durch die Lektüre von Aristoteles erfolgte.22 Die aristotelische Logik diente hierbei (neben anderen Bereichen wie Mathematik) der Lehre der richtigen Argumentation. Es folgte der zweite Teil für die fortgeschrittenen Schüler, in dem eine kanonische 17 18 19

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Zum Begriff παιδεία im Hinblick auf das Bildungsverständnis in der antiken Literatur siehe Jaeger 1973. Hose 2012, S. 157–158. Nach Hose (ebd. S. 162–167) dienten einige ‚Konstanten‘ der Bildung zur Identitätskonstruktion in der Kaiserzeit. In diesem Sinne weist Hose zufolge die ‚griechische Bildung‘ in der Spätantike keine radikale konzeptionelle Änderung auf (ebd. S. 184–187). Zur Kontinuität des klassischen Bildungskonzepts im spätantiken Ägypten siehe Cribiore 2001. So war Alexandria als Ort der exakten Wissenschaft bekannt, und erzielte auch in den Literaturwissenschaften große Fortschritte. Die Zusammenarbeit verschiedener Wissensgebiete zeigt sich am Beispiel der Rhetorik, die Teil der alexandrinischen Philosophie war, wie Olympiodor in seinem Kommentar zu Platons Gorgias darlegt. Die neuplatonische Bildung in Alexandria unterschied sich in dieser Hinsicht von den einzelnen Philosophenschulen und kooperierte mit anderen Fächern im Konzept einer Allgemeinbildung (ἐγκύκλιος παιδεία). Es wird auch argumentiert, dass diese Haltung der alexandrinischen Philosophielehrer nicht nur konzeptionell, sondern prinzipiell auch monetär motiviert war. Tarrant (1998, S. 38) vertritt beispielsweise die Ansicht, dass Olympiodor eine positive Darstellung der Rhetorik aufgrund der von den Schülern, die eine politische Laufbahn anstreben, erzielten Einnahmen befürwortete. Vgl. dazu Bohle 2021, S. 145. Diese Ansicht geht auf Westerink (1964, S. 176-177) zurück, der auf die finanziellen Schwierigkeiten der Philosophielehrer in der Spätantike hinweist. Nach Westerink war dies der Grund, warum Syrianos Rhetorik lehrte, Philoponos zeitlebens „Grammatiker“ blieb und in Alexandria möglicherweise Philosophie- und Medizinunterricht zusammengelegt wurden. Für die Interpretation der archäologischen Funde zu Fächern wie der Astronomie in der alexandrinischen Bildungseinrichtung siehe Sorabji 2014, S. 35–38. Hadot 2004, S. 48. Hadot 2004, S. 48–49 erläutert den „aristotelischen Zyklus“ und den Kanon der platonischen Dialoge in der spätantiken philosophischen Lehre.

I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext

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Auswahl der platonischen Dialoge gelesen und erläutert wurde. Dieses Lehrkonzept hob die Aufgabe der Philosophie hervor, die Bedeutung von Begriffen wie Tugend und Erkenntnis durch die Interpretation der platonischen Dialoge zu vermitteln. Die Kommentare Olympiodors sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung, weshalb sie zugleich als Zeugnisse platonischer Bildung in der Spätantike behandelt werden müssen.

3. Olympiodors Werke Alle von Olympiodor überlieferten Werke bestehen aus Kommentaren zu Platon und Aristoteles, die im Zuge seines Unterrichts ‚von der Stimme‘ (ἀπὸ φωνῆς) oder ‚wie vorgetragen‘23 entstanden sind. Insgesamt sind von Olympiodor drei Kommentare zu den Dialogen Platons überliefert: Die Kommentare zum Alkibiades und Gorgias sind vollständig erhalten, der Kommentar zum Phaidon hingegen umfasst nicht den gesamten Dialog, sondern nur die Lemmata ab 61c bis 79e. Darüber hinaus sind von Olympiodor zwei Kommentare zu den Werken des Aristoteles, Meteorologie und Kategorien, erhalten. Die Urheberschaft von Olympiodor an zwei weiteren Werken bleibt umstritten: Der erste ist der Kommentar zu Aristoteles’ De Interpretatione, der nach Leonardo Tarán (1978, S. XIII) von einem anderen anonymen Kommentator verfasst worden sein muss. Der zweite ist der „Kommentar zur Energeia des Zosimos von Panopolis“. Cristina Viano argumentiert für eine Identifikation des Olympiodors ‚des Alchemisten‘, der als Autor dieses Kommentars gilt, mit dem Neuplatoniker Olympiodor, der somit auch der Autor eines ‚alchemistischen‘ Werkes sein könnte.24 Aufgrund seiner kontinuierlichen Lehrtätigkeit ist es anzunehmen, dass Olympiodor diese philosophischen Werke in seinem Unterricht mehrmals zu verschiedenen Zeiten behandelt hat. Die erhaltene Fassung des AlkibiadesKommentars kann auf etwa 560 n. Chr. datiert werden.25 Der Gorgias-Kom23

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Zur Entwicklung des platonischen Kommentars „in der Form von Schülernachschriften“ siehe Dörrie/Baltes 1993, S. 193. Eine ausführliche Erklärung der Bezeichnung ἀπὸ φωνῆς bietet Richard 1950, S. 191–222. Richard geht von der These aus, dass die Kommentare von Ammonios innerhalb des alexandrinischen „Schulbetriebes“ in Form der Mitschriften von den Schülern abgefasst wurden. Dies erläutert Schwab am Beispiel von Ammonios’ Kommentar zu den Kategorien des Aristoteles, der als eine „Vorlesungsnachschrift“ zu sehen ist und ebenfalls den Titelzusatz „nach dem Lehrvortrag des Ammonios“ trägt; Schwab/Gaeb 2011, S. 117. Ursprünglich in Viano 2006, zuletzt auch in Viano 2021, S. 28. Zuerst datierte Creuzer (1821, S. XIV) den Kommentar in die Zeit vor 529, da Olympiodor an einer Stelle die Besitztümer der athenischen Akademie erwähnt (Olymp. in Alc.

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A. Einleitung

mentar ist der Einzige, der zu diesem Dialog überliefert ist und folgt dem Alkibiades.26 Derjenige zum Phaidon wurde nach dem Gorgias-Kommentar verfasst; das Datum der überlieferten Fassung kann jedoch nicht bestimmt werden.27 Ähnlich verhält es sich mit dem Kommentar zu den Kategorien, der eine umfassende Einführung in die Logik beinhaltet.

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141,1–3), die nach Justinians Edikt in 529 beschlagnahmt sein sollten. Dagegen steht die Argumentation von Cameron (1969, S. 11–13), dass der Text nicht früher als 550 entstanden sein kann, da Olympiodor darin Anatolios erwähnt, der durch Hephaistos’ Amtsantritt in 545/546 berühmt geworden sein soll (Olymp. in Alc. 2,80–81). Auch Watts (2004, S. 180) stimmt mit Cameron überein, wobei er aufgrund der Wahrscheinlichkeit, dass die Angabe über Hephaistos nachträglich hinzugefügt worden sein kann, als Datum das Jahr 531 n. Chr. postuliert. Westerink (1976, S. 21) hingegen datiert den AlkibiadesKommentar nicht viel früher als 560. Olympiodors Hinweis legt nahe, dass Anatolios bereits eine Weile berühmt war, weshalb das Datum des Kommentars vermutlich auf eine Zeit nach Hephaistos’ Archonschaft um das Jahr 560 festgelegt werden kann; siehe dazu Opsomer 2010, S. 698. Zu den chronologischen Unstimmigkeiten und Argumenten bezüglich der Datierung des Kommentars siehe Westerink 1990, S. 329–331. Obwohl Olympiodor im Alkibiades-Kommentar darauf hinweist, dass Gorgias nach diesem Dialog untersucht wird (vgl. Olymp. in Alc. 39,15–20; 46,17), wird die erhaltene Fassung des Gorgias-Kommentars einem früheren Datum zugeordnet. Westerink (1976, S. 21) datiert diesen Kommentar auf den Anfang von Olympiodors Karriere um 525 n. Chr. Tarrant (1998, S. 15–16) bekräftigt die gleiche Datierung vor 529 n. Chr. Opsomer (2010, S. 698) plädiert dagegen für ein späteres Datum, obwohl seiner Meinung nach der Gorgias-Kommentar dennoch vor dem Alkibiades-Kommentar geschrieben worden sein müsste. Anhand des Inhalts des Gorgias-Kommentars lässt sich nicht feststellen, ob dieser vor 529 n. Chr. oder danach geschrieben wurde. Die Datierung um 525 n. Chr. bestätigt nicht das Argument, so Tarrant (1998, S. 3–4), dass Gorgias-Kommentar eine inhaltliche ‚Unreife‘ in Olympiodors früherer Karriere demonstriere: Er habe sich bei seinen Kommentaren zu Alkibiades und Gorgias auf ganz andere Vorbilder in der platonischen Tradition gestützt. Ferner bedürfen die Themen beider Dialoge Tarrant zufolge einer differenzierten Betrachtungsweise. Dementsprechend bezieht Olympiodor sich im Gorgias-Kommentar kein einziges Mal auf Damaskios, während er im AlkibiadesKommentar viele Verweise aus der gesamten platonischen Tradition angibt. Bereits Cameron (1969, S. 27–28) hob hervor, mit Verweis auf Westerink (1962, S. XV), dass Olympiodor in seinem frühen Werk von Ammonios geprägt war, während er in späteren Kommentaren Damaskios als Vorbild nahm, wodurch sich nach Cameron eine Überlegenheit der athenischen Akademie zeigt. Ähnlich argumentiert Watts (2006, S. 234), dass das Fehlen von Verweisen auf Damaskios, die für Olympiodors spätere Kommentare charakteristisch sind, den Gorgias-Kommentar zu seinem ersten erhaltenen Werk machen sollte. In dieser Richtung stellt Tarrant (2021, S. 217) fest, dass Olympiodor sich in späteren Werken mit Proklos zunehmend kritischer auseinandersetze. Tarrant zufolge zeigt sich der Wandel der philosophischen Position Olympiodors auch in der Terminologie der Inspiration, die im Gorgias-Kommentar nicht belegt ist, aber in den Kommentaren zu Alkibiades und Phaidon eine zentrale Rolle spielt. Ausgehend von Olympiodors ausführlicher Beschäftigung mit den Positionen des Proklos und des Damaskios ist es plausibel, den Kommentar zum Phaidon nahe der Entstehung des Alkibiades-Kommentars einzuordnen; siehe dazu Filippi 2017, S. XX.

I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext

19

4. Die Spezifik des Kommentar-Korpus von Olympiodor Zuvor hatte Harold Tarrant hervorgehoben, dass Olympiodors Kommentare innerhalb der platonischen Exegese besondere Merkmale aufweisen.28 Diese Merkmale von Olympiodors Werken lassen sich meiner Meinung nach wie folgt zusammenfassen: Erstens besteht die zentrale Eigenschaft der erhaltenen Texte darin, dass sie in Form eines Unterrichts gestaltet sind und viele sprachliche Ausdrücke, die spezifisch für eine mündliche Kommunikation sind, beinhalten.29 Zweitens stellt der Schwerpunkt der Kommentare eine Besonderheit dar, da sie sich überwiegend auf die sprachlichen Erläuterungen konzentrieren, ausführliche theoretische Exkurse dagegen meist vermeiden. Drittens ist zu erwähnen, dass Olympiodor in seinen Kommentaren die Dialoge Platons behandelt, zu denen kein weiteres Werk aus dem Umfeld der spätantiken alexandrinischen Exegeten erhalten ist.30 Im Einzelnen sollen diese Aspekte näher erläutert werden:

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Was die Besonderheit von Olympiodor angeht, so weist Tarrant (1998, S. 4) darauf hin, dass er seine philosophischen Interessen durch seine Dialogauswahl demonstriert. Olympiodors Eigenheit besteht nach Tarrant im Wesentlichen darin, dass kein anderer Kommentar einen Dialog untersucht, der durch die Anwendung der sokratischen Methode der Widerlegung (ἔλεγχος) gekennzeichnet ist (ebd. S. 5). Über den Philosophieunterricht der hellenistischen Zeit erklärt Marrou (1957, S. 308–309), dass dessen Charakteristikum in der Lektüre kanonischer Texte und in Gesprächen mit persönlichem, familiärem Ton bestand. Diese Merkmale könnten sich auch auf die spätantike philosophische Lehre beziehen, wobei im Hellenismus ein anderes Konzept der philosophischen Praxis üblich war. Diesbezüglich stellt Hadot, ([Pierre] 1987, S. 15–16) fest, dass die Stoiker den Philosophieunterricht weder als Lehre von abstrakten Theorien noch als Kommentierung der Texte verstanden. Stattdessen stand die geistige Übung, in Hadots Terminologie „exercices spitiruels“, an der Spitze der hellenistischen Philosophie. Die Neuplatoniker der Spätantike sahen die Methode dieser Übungen jedoch darin, die Texte früherer Philosophen im Unterricht zu erklären, woraus auch die schriftlichen Kommentare hervorgingen; vgl. hierzu Hadot ([Ilsetraut] 2002, S. 184. Viele Kommentare der spätantiken Philosophen gehen auf deren Lehre zurück. Ob die Philosophielektionen gleichzeitig ‚diktiert‘ oder später verfasst worden sind, bleibt jedoch unklar. Meist scheinen die Kommentare „Gedächtnisprotokolle“ (ὑπομνήματα) zu sein. In diesem Zusammenhang gibt Ammonios bei seinem Kommentar zu Aristoteles’ De interpretatione an, dass er aus dem Gedächtnis nach dem Unterricht des Proklos entstanden sei (vgl. Ammon. in Int. 1–11). In einigen Fällen liegt eine lange Zeitspanne zwischen dem Unterricht und der Zusammenstellung des Textes. Dies zeigen die Kommentare des Philoponos, bei denen er einerseits den Ausgangspunkt in der Lehre des Ammonios findet, jedoch im Text nicht Ammonios’ Unterricht wiedergibt, sondern sich vielmehr argumentativ damit auseinandersetzt. Beziehungsweise von der ‚Ammonios-Schule‘, abgesehen von Ammonios’ Vater Hermeias, der einen Kommentar zu Platons Phaidros verfasste; vgl. Westerink 1962, S. XLVI.

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A. Einleitung

1) Bevorzugung eines mündlichen Unterrichtsansatzes: Der erste spezifische Aspekt zeigt sich in Form und Inhalt von Olympiodors Kommentaren. Wie im folgenden Kapitel erläutert wird (B. I. Der strukturelle Aufbau), verwendet Olympiodor bestimmte Elemente in wiederkehrender Weise. Seine Erzählstruktur sieht vor, dass die Abschnitte von Platons Text und einige Zitate öfters wiederholt werden. Diese Wiederholungen sind in einem Lehrvortrag angemessen und verstärken somit die Annahme, dass Olympiodors Kommentare die mündliche Unterrichtssituation möglichst exakt wiedergeben. Hinzu kommen Anreden in der zweiten Person, die eine Art von Gespräch imitieren. Darüber hinaus beinhalten Olympiodors Kommentare zum größten Teil paraphrasierte Zitate, was darauf hindeutet, dass diese Texte eher auf mündlicher Unterweisung als auf schriftlicher Bearbeitung beruhen. 2) Schwerpunkt auf sprachliche Erläuterungen: Für Olympiodor stehen der kommentierte Text und seine Erläuterung unter grammatikalischen und lexikalischen Gesichtspunkten im Vordergrund der Exegese. Ein derartiger exegetischer Ansatz führt nicht selten zu der Annahme, dass der Exeget nichts inhaltlich Neues zum Verständnis des Originaltextes beiträgt, sondern lediglich sprachliche Beobachtungen macht. Folglich wird die Originalität solcher Kommentare nicht gewürdigt und der Wert ihrer philosophischen Inhalte in Frage gestellt. Dies wird oft damit begründet, dass die Auslegung anderer Philosophen einen eigenen Beitrag der Exegeten nur in bestimmten Grenzen zulassen würde. Entgegen dieser Ansicht steht eine Auffassung der Kommentierung als philosophische Tätigkeit. Von diesem Blickpunkt her kann die Rolle des Kommentars nach Andreas Schwab und Sebastian Gaeb als „Medium der Philosophie“ betrachtet werden.31 Demnach hat die Praxis der philosophischen Exegese nicht nur die Funktion, die Vorlesungen der Lehrer in der Philosophenschule zu dokumentieren, sondern ermöglicht es, auf diese Weise eine eigene philosophische Lehre als Teil einer Tradition zum Ausdruck zu bringen. Zudem können zahlreiche Unterschiede in der platonischen Philosophie gerade durch die verschiedenen Interpretationen in den Kommentaren erklärt werden: Ein Beispiel dazu ist die differierende Auffassung des Begriffs ‚Daimon‘ (δαίμων) bei Proklos, Damaskios und Olympiodor.32 Gerade deshalb bietet ein Kommentar, der im Umfeld der philosophischen Schule entstanden ist, wesentliche Einblicke in die Bestandteile des philosophischen Unterrichts. Darüber hinaus zeichnet Olympiodor ein konkretes Bild von der Rezeption antiker Literatur in

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Auch Damaskios, von dem ein Kommentar zum Phaidon überliefert ist, wird nicht unmittelbar zu den Mitgliedern der Ammonios-Schule gezählt. Schwab/Gaeb 2011, S. 129–131. Zu den relevanten Stellen des Kommentars über den Begriff des Daimons siehe Olymp. in Alc. 15,1–23,17 und Erläuterungen.

I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext

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der spätantiken Bildung, indem er Platons Dialoge mit Verweisen auf antike Werke wie Homer und auf deren sprachliche Besonderheiten erläutert. 3) Von früherer Tradition abweichende Dialogauswahl: Die Exegeten der ‚Ammonios-Schule‘ behandeln überwiegend Aristoteles, während Olympiodor mit seinen Kommentaren zu Platons Dialogen eine Ausnahme darstellt. Überdies ist sein Kommentar zum Gorgias die einzige erhaltene exegetische Behandlung dieses Dialogs in der platonischen Tradition. Ferner stellen alle platonischen Dialoge, zu denen ein Kommentar von Olympiodor überliefert ist, eine ‚frühe‘ Phase der platonischen Bildung dar.33 Als Erstes wird im Gorgias die Gerechtigkeit behandelt und auf diese Weise der Weg zur politischen Tugend aufgezeigt.34 An zweiter Stelle greift der Alkibiades dieses Thema auf, der so zur Selbsterkenntnis ermuntert. Letztere besteht darin, zu erkennen, dass der Mensch die Seele ist, die den Körper als Werkzeug benutzt. Als Drittes folgt die Befreiung der Seele von den körperlichen Affekten und die kathartische Tugend im Phaidon. Da Olympiodor die tiefgründige Behandlung der ersten Tugendstufen hervorhebt, verfolgt sein Werk auch ein pädagogisches Ziel: die Schüler für eine Bildung der‚höheren‘ Philosophie auszustatten. Das Thema der politischen Tugend lenkt anschließend das Augenmerk auf die gesellschaftliche Relevanz der platonischen Philosophie. Charakteristisch für Olympiodors Werke ist auch, dass er Dialoge wie den Timaios, die im Platonismus eine wichtige ontologische Stellung haben, nicht aufnimmt.35 Stattdessen fordert Olympiodor, durch eine Betrachtung der ‚früheren Dialoge‘ dazu auf, den Wert der Grundlagen der platonischen Philosophie für das Wesen des Menschen zu erkennen. Folglich sind Olympiodors Kommentare zu Platons Dialogen insgesamt von einem anthropologischen Interesse geprägt.

33 34 35

Das bezieht sich nicht auf die Datierung der platonischen Dialoge, sondern auf ihre Reihenfolge in der philosophischen Bildung. Griffin (2015, S. 39–40) sieht in dieser Betonung der Tugendstufen die Besonderheit von Olympiodors Annäherung an die platonische Philosophie. Olympiodors Schwerpunkt deckt sich also nicht mit dem von Proklos, der auch Platons Timaios, Politeia und Parmenides dargelegt hat; vgl. Tarrant 1998, S. 5. Das Thema der politischen Tugend wird bei Olympiodor konkret auf das soziale Leben beschränkt. Proklos hingegen stellt in den Dialogen wie dem Timaios die politischen Dimensionen der kosmischen Ordnung dar. Zu den Grundlagen bei Platon siehe Schäfer 2005, S. 15–23.

II.

Der Alkibiades in der platonischen Bildung

Das ideale Bildungskonzept (παιδεία) in Platons Politeia zielt auf eine Harmonie der menschlichen Seele, indem die Begierde und die Willenskraft sich der Vernunft unterordnen.36 Dabei steht die Philosophie, die Dialektik genannt wird, über allen Fachwissenschaften, und die anderen Bereiche stellen ihre Ergebnisse der Dialektik zur Verfügung.37 Platon bewertet somit Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Harmonik als die Vorbereitung zur Philosophie.38 In diesem Sinne betrachtet er auch die Beschäftigung mit der Dichtung und insbesondere mit Hymnen als nützlich für pädagogische Zwecke.39 Dieses Bildungskonzept wurde bei den Platonikern als ideal empfunden und jeweils an die verschiedenen Kontexte angepasst. Im Rahmen des Platonismus in der Spätantike hatte die Philosophie eine Art individuell gestaltete und höhere Bildung zum Ziel.40 Ihr Schwerpunkt lag auf der Aneignung der Tugenden durch die exegetische Beschäftigung mit den philosophischen Texten. Die Rettung des Menschen aus der materiellen Welt wurde durch den Aufstieg der Seele innerhalb der einzelnen ‚Tugendgrade‘ beschrieben. Dementsprechend wurden platonische Dialoge nach ihren jeweiligen Tugendgraden geordnet. Die Platoniker beziehen sich dabei auf Jamblich, der eine Reihenfolge der Dialoge festgestellt und den Alkibiades als ersten und grundlegenden Dialog bestimmt hat.41 Dieser Meinung waren auch andere Platoniker: 36 37 38 39 40 41

Vgl. Plat. Rep. 788b–823d. Zu der Reformation der alten Paideia im 4. Jh., insbesondere bei Platon, siehe Jaeger 1973, S. 786–845. Siehe hierzu Erler 2009. Vgl. Plat. Rep. 534d. Vgl. Plat. Rep. 606e–607a. Siehe dazu Cribiore 2001, S. 3. Vgl. Marrou 1957, S. 305–319. Die Belege hierzu finden sich in zwei späteren Quellen: bei Proklos (Procl. in Alc. 11,11–15) und in den anonymen Prolegomena (Anon. Proll. 26,10–20). Die Stelle bei Proklos wird von Dillon (1973, S. 229–231) als Iamb. in Alc. Fr. 1 aufgefasst und interpretiert. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Vorstellung vom Alkibiades als erstem Dialog auch bei den Mittelplatonikern oder sogar in der früheren Tradition vorhanden war. Als eine frühere Quelle dient Albinos, der in seiner Einführung zur platonischen Philosophie diesen Dialog als Anfang definierte (vgl. Albinos, Isag. 5,15–16: ἄρξεται ἀπὸ τοῦ Ἀλκιβιάδου). Griffin (2015, S. 20–21) nennt Zeugnisse nach dem 2. Jh. n. Chr., die belegen, dass der Alkibiades eine etablierte und bedeutende Schrift war. Allerdings war die Stellung des Dialogs vor den Neuplatonikern noch nicht festgelegt, da zum Teil auch der Phaidros als einleitender Dialog behandelt wurde. Siehe dazu Dörrie/Baltes 1990, S. 360–364.

II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung

23

So empfand Proklos den Alkibiades als eine Quelle der gesamten platonischen Philosophie wie „in einem Samenkorn“.42 Der Begriff „Samen“ (σπέρμα) kann im Kontext von Proklos’ Theorie über die Entfaltung (ἀνέλιξις) einer verborgenen Seinsfähigkeit (δύναμις) verstanden werden.43 So scheint Proklos’ Beschreibung der platonischen Philosophie eine Art ontologischen oder biologischen Prozess zu evozieren, als eine natürliche Kraft, die nicht unter menschlicher Kontrolle steht, sondern sich nach ihren eigenen Gesetzen entfaltet. Olympiodor wiederum bezeichnete den Alkibiades in Analogie zu den Mysterienkulten als die „Eingangstüre des Tempels“ (προπύλαια), so dass der Zugang zur platonischen Philosophie notwendigerweise durch den Alkibiades erfolgen muss.44 Das Bemerkenswerte an Olympiodors Metapher ist, dass er die platonische Philosophie mit einem Tempel und damit einem Ort vergleicht, in dem Menschen und Götter zusammenkommen: Denn einerseits gehören die Tempel den Gottheiten oder stehen unter dem Schutz göttlicher Mächte, andererseits kann ein Tempel als menschliches Konstrukt aufgefasst werden und sich damit auf das menschliche Sozialleben beziehen. Der Grund für den herausragenden Status des Alkibiades liegt nicht nur in seiner Stellung am Anfang des platonischen Kanons, sondern auch darin, dass dieser Dialog die zentrale Rolle der Selbsterkenntnis als Schlüssel zu allen anderen Erkenntnissen bekräftigt. Ein weiterer Grund ist, dass der Alkibiades Andeutungen auf viele andere platonische Dialoge enthält und dadurch von Friedrich Schleiermacher zu Recht als eine Art „platonisches Handbuch“ bezeichnet wurde.45 Auf dieser Grundlage hielten die Platoniker den Alkibiades 42

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Vgl. Procl. in Alc. 11,14: ὥσπερ ἐν σπέρματι. Mit diesem Gleichnis weist Proklos darauf hin, dass im Alkibiades die wichtigsten Themen der platonischen Philosophie in komprimierter Form behandelt werden, die in anderen Dialogen im Einzelnen dargestellt werden. Vgl. Procl. Inst. 93,9–12: κἂν εἰσίῃ πάντα εἰς αὐτό, ἀλλ’ ἔχει τι κρύφιον τοῖς δευτέροις καὶ ἀκατάληπτον· κἂν ἐξελίττῃ τὰς ἐν αὐτῷ δυνάμεις, ἀλλ’ ἔχει τι δι’ ἕνωσιν ἀνυπέρβλητον, συνεσπειραμένον, ἐκβεβηκὸς τῆς ἐκείνων ἀνελίξεως. „Und auch wenn alle Seienden in dieses Unendliche eingehen, behält es etwas, das für die späteren Seienden verborgen und ungreifbar ist; und selbst wenn die Seienden die im Unendlichen enthaltenen Vermögen entfalten, behält es etwas, das wegen seiner Vereinung unbesiegbar ist, sich in sich zusammengezogen hat und der Entfaltung jener Vermögen entkommen ist.“ (Übers. von Onnasch/Schomakers 2015). Zur Entfaltung bei Proklos siehe MacIsaac 2002, S. 79. Vgl. Olymp. in Alc. 11,1–6. Das Wort προπύλαια ist im spätantiken Platonismus recht selten belegt (nur einmal bei Iamb. VP 30.185,4–5; dagegen keine Erwähnung bei Proklos, Damaskios, Simplikios, Ammonios und Philoponos). In den Schriften der ‚Mittelplatoniker‘ wie Philon (De som. 233,3; De praem. 75,4) oder Plutarch (Per. 13.12,1; Mor. 499a10) begegnet man diesem Vokabular, allerdings nicht mit der von Olympiodor zitierten Metapher. Schleiermacher 1809, S. 291.

24

A. Einleitung

für eine geeignete Einführung in die Philosophie.46 Darüber hinaus stellt Griffin fest, dass die wesentliche Bedeutung dieses Dialogs für die Neuplatoniker darin bestehe, den Aufstieg von der natürlichen Tugend zur politischen Tugend zu beschreiben, die die erste philosophische Tugend ist.47 Über Jamblichs Kommentar zum Alkibiades, der nicht überliefert ist, kann nur vermutet werden, dass er Proklos als Vorbild diente. Proklos’ Kommentar hingegen ist erhalten, wenn auch nicht vollständig. Von Olympiodors Alkibiades-Kommentar wird angenommen, dass er darin zum größten Teil der prokleischen Interpretation treu geblieben ist.48 Proklos beginnt seinen Kommentar mit der Feststellung, dass der sicherste Anfangspunkt für die Philosophie die Bestimmung unseres Wesens ist (τὴν τῆς ἑαυτῶν οὐσίας διάγνωσιν), da wir hierdurch das Gute und das Böse für uns erfahren und entsprechend handeln können.49 Das menschliche Wesen wird im Alkibiades ausgelegt; folglich muss die Lehre der Philosophie mit diesem Dialog anfangen.50 Proklos hebt im Alkibiades einerseits die Erläuterung der Tugenden und den Einstieg in die philosophische Tugend hervor, andererseits die ‚Rückwendung auf sich selbst‘ (ἐπιστροφή) als die wesentliche Tätigkeit der Seele.51 Durch diese bewirkt die Seele den Aufstieg in die intelligible Ebene, die bei Plotin als das Ziel des Menschen festgesetzt wurde.52 Nach Griffin thematisiert Proklos deutlich die Identifizierung der Philosophieschüler mit Alkibiades, in 46 47 48

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Zu den Zeugnissen hierzu siehe Anm. 40. Griffin 2015, S. 18–19. Westerink (1976, S. 18) ist der Ansicht, dass Olympiodor in seinen Kommentaren Proklos als primäre und beinahe einzige Quelle verwendet hat. Nach Griffin (2015, S. 3) geht es auch aus vielen Stellen des Alkibiades-Kommentars hervor, dass Olympiodor darin Proklos folgt. Vgl. Procl. in Alc. 1,1–5. Vgl. Procl. in Alc. 6,4–9. Auf dieser Grundlage betonte Foucault (2005, S. 206–208) die Bedeutung der Rückwendung auf sich selbst (ἐπιστροφή) für den platonischen Selbstbegriff. Im 1. und 2. Jh. n. Chr. hingegen habe sich das Verständnis der Selbstrückwendung vom platonischen Konzept von ἐπιστροφή differenziert und eine Transformation erfahren. Foucault (ebd. S. 209–210) identifiziert diesbezüglich drei Hauptunterschiede: 1. Während die platonische Rückwendung von der materiellen Welt zur Welt der Ideen gerichtet war, verstehe die hellenistische und römische Kultur die Rückwendung als eine Bewegung von dem, was nicht von uns abhängt, zu dem, was von uns abhängt. 2. Die spätere Bedeutung der Rückwendung zeige, anders als die platonische Befreiung vom Körper, die Herstellung eines perfekten Verhältnisses zwischen Körper und Seele. 3. Die Erkenntnis, die in der platonischen Rückwendung zentrale Stellung einnimmt, überlasse ihren Platz in der späteren Rezeption dem Konzept der Übung (ἄσκησις). Zur Bedeutung von Foucault für die Rezeption des platonischen Alkibiades siehe das folgende III. Forschungsstand. Vgl. Plot. III.8.11,1–11; V. 3.11,10; VI.7,15.

II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung

25

dessen Lage sich die Schüler versetzen können und wie dieser sich von der materiellen Welt zugunsten der Selbsterkenntnis abwenden.53 Diese Themen tragen auch für Olympiodors Kommentar eine zentrale Bedeutung.

53

Griffin 2015, S. 30–31.

III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar Die Platon-Forschung des 19. Jh. wird häufiger als ein Wendepunkt bezeichnet, wobei gleichzeitig die Frage nach der Einheit des platonischen Denkens vielfältige Diskussionen veranlasste. Ausgehend von seiner Ansicht, dass platonische Dialoge jeweils in sich selbst und miteinander eine Einheit bilden würden, begründete Schleiermacher eine „natürliche Folge“, zu der einige platonische Dialoge aufgrund ihres Stils nicht passen würden.54 Obwohl Schleiermacher in diesem Rahmen auch eine gelungene Übersetzung des platonischen Alkibiades veröffentlichte, argumentierte er in seiner Einleitung zur Übersetzung gegen die Echtheit dieses Dialogs und vertrat die These, dass der Alkibiades aufgrund der sprachlichen und inhaltlichen Besonderheiten von einem Schüler Platons verfasst worden sein könnte, der einen Entwurf seines Lehrers ausgearbeitet habe.55 Im Gegensatz zu diesem umstrittenen Status des platonischen Alkibiades demonstrierte die Editionsphilologie im 19. Jh. ein großes Interesse an den Werken der Platon-Exegeten. So haben etwa die Erstausgaben der Werke von Proklos56 die Rahmenbedingungen des Platonismus der Spätantike in den Vordergrund der Forschung gestellt. In diesem Zusammenhang wies Friedrich Creuzer darauf hin, dass die moderne Philosophie die Untersuchung der 54

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Schleiermacher 1804, S. 16–22. Es ist nicht das Ziel der vorliegenden Einleitung, die Diskussion um Schleiermachers Platon-Bild im gesamten Umfang darzustellen. An dieser Stelle sei lediglich auf folgende Studien hingewiesen: Szlezák (1985, S. 1–7) gibt einen Überblick über die zentralen Positionen und richtet die Kritik insbesondere gegen Schleiermachers Theorie des Dialogs und die Annahme einer „Einheit von Form und Inhalt“, während er Schleiermachers Forschung dennoch als „Wendepunkt“ betrachtet (vgl. Szlezák 2004). Eine umfassende Darstellung zu den Ansichten der „postmodernen Wende“ in der Platon-Forschung bietet Radke 2006, S. 1–62. Schleiermacher 1809, S. 298. Zu dieser Ansicht über den Alkibiades siehe Döring 2016, S. 166. Auch Wilamowitz-Moellendorff nahm an, dass Alkibiades nur von einem talentlosen Schüler Platons geschrieben worden sein kann; (vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1959, S. 84 Anm. 3; S. 296 Anm. 1). Demgegenüber vertrat Friedländer (1921, S. 38) die These, dass im Alkibiades eine „Eroslinie“ den Dialog vom Anfang bis zum Ende beherrscht und damit seine Einheit begründet. Diese Einheitlichkeit und auch die Parallelen zu den anderen platonischen Dialogen sprachen nach Friedländer für die Originalität des Alkibiades (ebd. S. 26–38). Zu derselben Linie der Editionen von Jean-François Boissonade und Victor Cousin zählt Creuzer auch seine Edition des Alkibiades-Kommentars von Proklos; vgl. Creuzer 1836, S. 122–123.

III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar

27

Neuplatoniker57 für ein besseres Verständnis der christlichen Gedankenwelt benötige.58 Zu diesem Zweck veröffentlichte er Editionen der Neuplatoniker, zu denen die erste Ausgabe von Olympiodors Alkibiades-Kommentar im Jahre 1821 zählt.59 Eine grundlegende Änderung in der Bewertung des platonischen Alkibiades sowie der neuplatonischen Kommentare hat in der Postmoderne stattgefunden. Aufgrund der neuen Sichtweise der Subjektivität in dieser Zeit erfuhr der platonische Alkibiades eine zunehmende Popularität. Besonders einflussreich in dieser Hinsicht war die Interpretation von Michel Foucault, die den Begriff des Selbst im Alkibiades und seine neuplatonischen Interpretationen in den Mittelpunkt stellte.60 Begleitet wurde diese philosophische Sichtweise durch die Forschung von Ilsetraut und Pierre Hadot, die in den neuplatonischen Kommentaren Aspekte der spätantiken Philosophie und Bildung aufdeckten.61 In der 57

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60 61

Zum Begriff des ‚Neuplatonismus‘ sei darauf hingewiesen, dass dieser in der vorliegenden Arbeit als eine Forschungskonvention verwendet wird. Obwohl der‚Neuplatonismus‘ bisweilen durch die negative Konnotation geprägt ist, dass diese Philosophen das platonische Denken nicht in ursprünglicher Form darstellten, ist die Bezeichnung ‚Neuplatoniker‘ für die Platoniker nach Plotin in der Forschung etabliert. Zur geschichtlichen Entwicklung dieses Begriffs weist Lemanski (2011, S. 51–52) zwar darauf hin, dass bei Augustin derAusdruck „recentiores Platonici“ zu finden ist, dessen Bedeutung jedoch nicht geklärt werden kann. Nach Baltes (2000, S. 294) wird der Gebrauch von Begriffen wie denen des Mittel- und Neuplatonismus dadurch unterstützt, dass „schon die Neuplatoniker ‚die alten Exegeten‘ vor Plotinos von ‚den neuen‘ unterschieden haben“. Zum Hintergrund dieser Position vgl. Halfwassen 1999, S. 15–17. Als besonderes Motiv nennt Halfwassen die Auseinandersetzung mit der Philosophiegeschichte der Aufklärung, wie sie u. a. von Jacob Brucker vertreten wurde: Diese Sichtweise stellte den Neuplatonismus als ein falsches Verständnis von Platon dar, das der christlichen Lehre nicht standhalten konnte. Der wohl bekannteste Gegner dieser Auffassung war Hegel, der in seinen Werken den ideellen Wert des Neuplatonismus konstant hervorhob. In dieser Linie argumentierte Creuzer (1836, S. 126), dass die christlichen Gelehrten und Neuplatoniker der Spätantike viele Überschneidungen aufwiesen und daher in ihren gegenseitigen Bezügen untersucht werden sollten. Darüber hinaus hatte Creuzer mit seinem Werk Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen (Leipzig/ Darmstadt, 1812) einen Einfluss auf Hegels Aufwertung der neuplatonischen Religionsphilosophie; vgl. Halfwassen ebd. S. 150 Anm. 197. Folglich zeigte Hegels Philosophie eine besondere Nähe zum Neuplatonismus und speziell zu Proklos, die nach Halfwassen (ebd. S. 18) von seinen Zeitgenossen und Freunden Friedrich Creuzer und Victor Cousin mit historisch-kritischen Ausgaben Plotins und des Proklos unterstützt wurde. Creuzer hat vier Editionen unter dem Titel „Initia Philosophiae ac Theologiae ex Platonis Fontibus Ducta sive Procli Diadochi et Olympiodori Platonis Alcibiadem Commentarii“ zwischen 1820 und 1825 veröffentlicht: 1) Proklos’ Alkibiades-Kommentar, 1820; 2) Olympiodors Alkibiades-Kommentar, 1821; 3) Proklos’ Institutio Theologiae, 1822, und 4) Nicolae Methonensis Refutatio instituionis theologicae Procli Platonici, 1825. In seinen Vorlesungen von 1981–82 (Foucault 2005). Insbesondere zu Simplikios vgl. Hadot [Ilsetraut] 1978 und Hadot [Pierre] 1987.

28

A. Einleitung

Folge wurden die modernen und antiken Konzepte des Selbst, insbesondere in Bezug auf Alkibiades, in mehreren Studien dargelegt.62 In der zweiten Hälfte des 20. Jh. erschienen auch kritische Editionen sowie Übersetzungen mehrerer spätantiker Kommentare. Die Grundlagen für die Textforschung zu Olympiodor wurden von Leendert Gerrit Westerink durch Textausgaben63 und die erste Übersetzung eines seiner Werke in eine moderne Sprache gelegt.64 Dabei vertrat Westerink die Ansicht, dass Olympiodors Kommentare nicht in allen Fällen theoretische Substanz besitzen.65 Folglich etablierte sich in der Forschung die These, dass Olympiodor im Vergleich zu Proklos weder bedeutende Theorien hervorgebracht noch selbstständige philosophische Werke verfasst habe.66 Lediglich aufgrund der sozialgeschichtlichen Umstände seiner Zeit wurde Olympiodor als interessant angesehen, da seine Kommentare in Bezug auf die Religionskonflikte zwischen Paganismus und Christentum im spätantiken Alexandria untersucht wurden.67 Dieser Annäherung lag die These von Karl Praechter zugrunde, der zu den Differenzen zwischen dem athenischen und dem alexandrinischen Platonismus argumentierte, indem er die Ansichten der Alexandriner aufgrund christlicher Dominanz als sehr vorsichtig und dadurch wenig originell bezeichnete.68 Seine These hat folglich in der Forschung Kritik erfahren, obwohl weiterhin den alexandrinischen Exegeten eine ‚vereinfachende‘ und ‚vorsichtige‘ Erklärung der theo-

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Besonders erwähnenswert ist Gill 2006. Spezifisch zur Selbsterkenntnis bei Olympiodor vgl. Renaud 2009. Der erste von Westerink herausgegebene Kommentar von Olympiodor war derjenige zum Alkibiades; Westerink, L. G. (1956): Olympiodorus, Commentary on the first Alcibiades of Plato. Amsterdam. Diese Edition wird nachfolgend ausführlicher dargestellt (siehe Kapitel C. II.2. Westerinks kritische Edition). Die Übersetzung von Olympiodors Kommentar zum Phaidon in Westerink 1976. Westerink 1962, S. XV. Dodds (1957, S. 356) vertrat die Ansicht, dass Olympiodors Alkibiades-Kommentar nichts Originales beinhalte, sondern die Interpretationen von Proklos und Damaskios zusammenstelle. Ähnlich schrieb Cameron (1969, S. 27) zu Olympiodors Kommentaren: „it is universally agreed that they are philosophically worthless“. Zuletzt bezeichnete Wildberg (2005, S. 321) Olympiodor als einen „zahnlosen Platoniker“. Diese sozialgeschichtliche Interpretation Olympiodors lässt sich vor allem in Westerinks Einleitung zu den anonymen Prolegomena erkennen (Westerink 1962). Hier kommentiert Westerink den Sprachgebrauch in Olympiodors Kommentaren und einige Begriffe, die eine religiöse Bedeutung haben könnten. Dabei vertritt er dieThese, ebenso wie Cameron (1969, S. 15), dass Olympiodor die christliche Bevölkerung vermutlich durch eine besondere Interpretation in seine Lehre integrieren wollte. Für Beispiele dazu siehe in der Übersetzung Anmerkungen zu δαίμων (15,1) und συνήθεια (21,11). VGl. Praechter 1912; dazu Filippi 2017, S. XV.

III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar

29

retischen Inhalte zugeschrieben wurde, die im Gegensatz dazu insbesondere bei Proklos in ihrem gesamten komplexen Umfang dargelegt werden.69 In der neueren Forschung zu den Platonikern in der Spätantike sind weitere Studien zu Olympiodor erschienen. Darunter sind insbesondere Beiträge von Harold Tarrant zu erwähnen, in denen er Olympiodor im Zusammenhang mit dem platonischen Bildungskonzept und der Tradition der platonischen Exegese behandelt.70 In der ersten Übersetzung Olympiodors in eine moderne Sprache – die Übersetzung des Gorgias-Kommentars – behandeln Robin Jackson, Kimon Lycos und Harold Tarrant zahlreiche Aspekte der exegetischen Vorgehensweise Olympiodors.71 Besonders in Bezug auf die Interpretation der Mythen im Gorgias vertritt Tarrant die These, dass Olympiodors Ansichten nicht prinzipiell als Antwort auf die christliche Lehre konstruiert sind.72 Indem er eigenständige Elemente von Olympiodors Kommentaren aufdeckt, hat Tarrant einen singulären Beitrag zur Forschung geleistet. Vor diesem Hintergrund gewann vor allem Olympiodors Alkibiades-Kommentar an Bedeutung. Es folgten Übersetzungen dieses Kommentars von Michael Griffin (2015/16) und Francesca Filippi (2017).73 Die aktuellen Forschungen zum Neuplatonismus behandeln weitere Gesichtspunkte in Olympiodors Werken und vergleichen seine Interpretation der sokratischen Methode mit Proklos.74 Auch im Rahmen der Studien über Genderaspekte im Neuplatonismus findet Olympiodor Aufmerksamkeit.75 Einen ganzheitlichen Überblick über Olympiodors methodische Perspektive bietet Bettina Bohle durch eine Analyse des Gorgias-Kommentars.76 Weitere Studien und Übersetzungen der erhaltenen 69

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Die Vertreter dieser Kritik weisen auf die formalen Differenzen der Schulen in den beiden Städten hin. Für einen Überblick siehe Haake 2018, S. 40–44. Dagegen hat sich die Position, dass die beiden Schulen nur formale Unterschiede aufwiesen, in der zweiten Hälfte des 20. Jh. etabliert. Das alexandrinische Mouseion übertraf in der hellenistischen Zeit Athen durch einen größeren Umfang aller Disziplinen, so Marrou 1957, S. 401–403. Zu einer Revision von Praechters These vgl. Hadot [Ilsetraut] 1978, S. 9–14. Trotz formaler Unterschiede betont Hadot die Überschneidungen der Themen und Inhalte der Bildung in beiden Städten. Nach Vinzent (2000) wird in der gegenwärtigen Forschung zunehmend die Auffassung vertreten, dass diese Bildungsorte nicht in einem Vergleich bewertet werden sollten. Tarrant/Renaud 2015. Jackson/Lycos/Tarrant 1998. Tarrant 1998, S. 8–11. In Bezug auf Paganismus in der Spätantike vgl. Tarrant 1997. Diese Übersetzungen werden ausführlicher dargestellt im Kapitel C.V.1. Überblick bisheriger Übersetzungen. Renaud 2014. Beispielsweise bei Layne 2021. Bohle 2020. Die Thesen von Bohle und Tarrant werden im Folgenden Abschnitt zur Fragestellung ausführlicher vorgestellt.

30

A. Einleitung

Kommentare werden eine systematische Darstellung von Olympiodors Philosophie ermöglichen.

IV. Die Fragestellung und Aufbau der Arbeit Die aktuelle Forschung zu Olympiodor betont zunehmend seine Stellung als eigenständiger Platoniker. Dennoch bleibt die Frage offen, bezüglich welcher Positionen Olympiodor sich Proklos anschließt, und ob er dessen Theorie erweitert oder verwirft. In dieser Hinsicht besteht dahingehend ein Forschungsdesiderat, die Aspekte von Olympiodors Exegese zu identifizieren, die als Ausdruck einer eigenständigen Vorgehensweise angesehen werden können. Die Frage nach der Originalität von Olympiodors Ansatz, der ihn von anderen Platonikern wie Proklos unterscheidet, wurde von Harold Tarrant in einem kürzlich erschienenen Beitrag untersucht.77 Demnach liege Olympiodors neue Interpretation daran, dass er den platonischen Diskurs als inspiriert definiere.78 Olympiodor sehe die Inspiration nicht unbedingt als einen Einfluss, der von außen auf die materielle Welt einwirken muss. In dieser Hinsicht, so Tarrant, unterscheide sich Olympiodor vor allem von Proklos, da er die platonische Inspiration als eine Erfahrung betrachte, die nicht ausschließlich aus göttlicher Quelle stamme, sondern auch aus philosophischem Streben.79 Damit idealisiere er Platons Inspirationen und festige gleichzeitig den Anspruch, dass die platonische Philosophie die inspirierte Erkenntnis vermittelt.80 Hier geht Tarrant davon aus, dass Olympiodors inspirierte Charakterisierung der platonischen Philosophie bedeutete, dass er keine weitere göttliche Inspirationsquelle benötigte und sich so über theurgische Erklärungen hinwegsetzen konnte, so dass seine Philosophie sowohl die Position des Platonismus stärkte als auch eine größere Akzeptanz in der christlichen Bevölkerung erzeugte. Als Implikation dieser These kann Olympiodor eine Strategie zugeschrieben 77 78

79 80

Tarrant 2021. Ebd. S. 211–212. Zu diesem Aspekt erklärt Tarrant, dass Olympiodors Vorgänger wie Proklos und Hermeias Platons Stil als ἰσχνός (schlicht, schmucklos, eventuell auch kurzgefasst) bezeichnen, während sie die Sprache der Poesie und der Mythen als ἁδρός (reif, komplex und gewichtig) betrachten. Der Begriff ἁδρός entspreche wiederum der inspirierten Rede. Folglich identifiziere Olympiodor die platonische Philosophie genau mit dem Stil, den Proklos von Platon abgrenzte und als eine Eigenheit des poetischen und mythischen Diskurses darstellte. Ebd. S. 216–217. Ebd. S. 219. Diese Haltung, so argumentiert Tarrant, ermöglicht Olympiodor gleichzeitig, seine Philosophie besser an ein christliches Umfeld anzupassen, da sie es ihm erlaubt, den neuplatonischen theologischen Diskurs zu umgehen und Inspiration als ein Ergebnis der Beschäftigung mit der Philosophie zu definieren.

32

A. Einleitung

werden, die dazu diente, den Status der platonischen Bildung zu manifestieren und zu verstärken. Diesem Ansatz von Tarrant folgend, stelle ich die Frage nach den unabhängigen und strategischen Aspekten der exegetischen Methode Olympiodors. Ein weiterer Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung findet sich im Diskurs über Form und Inhalt, der seit Friedrich Schleiermacher die Platonforschung maßgeblich geprägt hat. Diese Frage wurde von Bettina Bohle an die neuplatonischen Kommentare gerichtet, mit der Begründung, dass deren Verständnis von Form und Inhalt der platonischen Dialoge die modernen Interpretationen bereichern würde.81 Bohles Studie belegt die These an Olympiodors Gorgias-Kommentar, dass Olympiodor eine Einheit der Darstellungsweise des Dialogs und des philosophischen Inhalts nachweise.82 Bohle zufolge gibt Olympiodor den Darstellungselementen wie den Charakteren im Gorgias als Träger einer symbolischen Bedeutung und im allgemeinen Sinne des Inhalts den Vorrang vor der Form.83 Dennoch sei die Form des Gesprächs nach Olympiodor der angemessene Ausdruck des philosophischen Gehalts.84 Insbesondere als didaktisches Vorgehen besitze die Dialogform bei Olympiodor und bei den Neuplatonikern eine funktionale Rolle.85 Vor diesem Hintergrund kommt Bohle zu dem Schluss, dass bei Olympiodor die Dialogform und deren Inhalt aneinander gebunden sind. In dieser Arbeit werde ich Bohles Ergebnis grundsätzlich zustimmen, jedoch gleichzeitig zeigen, dass Olympiodor nicht die Dialogform an sich, sondern bestimmte Merkmale des Dialogs als Vermittler philosophischer Theorien betrachtet. Olympiodors Kommentare widersprechen in zweierlei Hinsicht 81 82 83 84

85

Bohle 2020, S. 13. Ebd. S. 117–118. Ebd. S. 260. Ebd. S. 114. In dieser Hinsicht wird die Form des Gesprächs als entscheidend für die Entstehung der platonischen Erkenntnis bewertet. Radke (2006, S. 13–15) betont, dass Schleiermachers Theorie über die Einheit von Form und Inhalt der platonischen Dialoge und seine Beschäftigung mit dem Dialog als Medium die postmoderne Interpretation Platons maßgeblich geprägt hat. So zeige die postmoderne Interpretation ein Interesse an der Form, die das Wesen der platonischen Philosophie entschlüsseln soll (ebd. S. 17). Deshalb gelte die Dialogform nach wie vor als der Zugang und Schlüssel zur Philosophie Platons (ebd. S. 61). In diesem Zusammenhang hebt Radke hervor, dass postmoderne Interpretationen eine absolute Autarkie der sprachlichen Form suggerieren, während Proklos diese Autarkie einschränke und auf den konkreten Inhalt beziehe (ebd. S. 553–554). Schließlich ist die wesentliche Rolle der Dialogform für die Neuplatoniker sowohl nach Radke als auch nach Bohle unbestritten. In diesem Sinne ist die Form nach Bohle (2020, S. 116–118) dem Inhalt nachgeordnet, wobei sie als die Methode für die Ausbildung des menschlichen Erkenntnisvermögens bezeichnend ist.

IV. Die Fragestellung und Aufbau der Arbeit

33

der These, dass sich der Sinn der platonischen Philosophie aus ihrer Dialogform erschließen lässt. 1. In Olympiodors Lehrkonzept ist die Dialogform keine strikte Voraussetzung für die Äußerung platonischer Philosophie. Während Olympiodor die wesentlichen Eigenschaften der Dialogform bei Platon hervorhebt, die zu einer effektiven Vermittlung philosophischer Theorien beitragen, stellt seine Exegese diese Eigenschaften in Prosa dar. 2. Die Betonung der Darstellung des Gesprächs als Wiedergabe des Inhalts besteht nach Olympiodor nicht nur in der symbolischen Deutung der formalen Elemente. Der Dialog dient laut Olympiodor zwar der Sinnvermittlung, erzielt aber auch eine darüber hinausgehende Wirkung. In der vorliegenden Untersuchung verfolge ich daher die Auffassung, dass Olympiodor das Verhältnis von Form und Inhalt der platonischen Philosophie im Hinblick auf seine Wirksamkeit bewertet. Zu diesem Zweck gehe ich davon aus, dass Olympiodors Position zur Zusammenwirkung von formalen und inhaltlichen Elementen in seinem methodischen Ansatz deutlich wird. Dabei ist es unerlässlich, eine Erläuterung vorzunehmen, die sich mit Olympiodors philosophischen Standpunkten auseinandersetzt. Bislang fehlt jedoch eine ausführliche Untersuchung der theoretischen Grundlagen seiner Exegese. Um einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten, wird in der vorliegenden Untersuchung das Ziel verfolgt, die Spezifik der Exegese Olympiodors am Beispiel des Alkibiades-Kommentars zu erarbeiten. Zur Differenzierung von Olympiodors exegetischer Methode sollen die besonderen Merkmale in diesem Kommentar untersucht und die Zusammenhänge zwischen seinen theoretischen Standpunkten und seiner Vorgehensweise ermittelt werden. Berücksichtigung findet hierbei das Verhältnis von Olympiodors Position zur Tradition der platonischen Exegese. Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, ob bei Olympiodor im Vergleich zu anderen Platonikern eine unterschiedliche philosophische Annäherung an Platon stattfindet und wodurch sich diese auszeichnet. Zur Beantwortung der genannten Forschungsfragen ist die vorliegende Arbeit in vier Teile gegliedert: Nach der Einführung (Teil A) erläutere ich zunächst im Teil B die formalen Elemente sowie die Grundkonzepte des Kommentars (Kapitel B. I). Danach erfolgt eine Darlegung der theoretischen Grundlagen, die für Olympiodors exegetische Vorgehensweise relevant sind (Kapitel B. II). Anschließend untersuche ich die meiner Studie zugrunde gelegte Forschungsfrage, wie Olympiodor seine exegetische Vorgehensweise gestaltet (Kapitel B. III). Diese Untersuchung schließt mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse sowie einem Ausblick auf die weitere Forschung (Kapitel B. IV).

34

A. Einleitung

Teil C enthält einleitende Bemerkungen zum Text und zur Übersetzung, gefolgt von diesen und den Anmerkungen. An dieser Stelle ist es angebracht, auf einige thematische Einschränkungen hinzuweisen. Im Rahmen dieser Arbeit wird keine umfassende systematische Analyse des Kommentars vorgenommen, sondern eine Erklärung der theoretischen Grundlagen, die für Olympiodors exegetisches Verfahren wesentlich sind. Andere relevante Themen werden aus diesem Grund erst in den Erläuterungen zur Übersetzung des Kommentars adressiert. Da Olympiodor diese theoretischen Grundlagen nicht nur als Erklärungshilfen betrachtet, sondern bei seiner Auslegung auch methodisch anwendet, sind sie für seine exegetische Vorgehensweise von besonders großer Bedeutung.

B.

Untersuchung des Kommentars

I.

Der strukturelle Aufbau

Anhand des Aufbaus und der Grundkonzepte des Alkibiades-Kommentars lässt sich der Rahmen von Olympiodors Annäherung an Platons Alkibiades klarer darstellen. Die formale Gestaltung des Kommentars spiegelt einen spezifischen Lehransatz wider und verweist zugleich auf die theoretischen Positionen zur Exegese. Unter der Struktur ist einerseits Olympiodors Definition der Form und Gliederung des platonischen Dialogs zu verstehen, andererseits der Aufbau seines Kommentars. Diese beiden Aspekte sind jedoch nicht nur formaler Natur, sondern auch thematisch bestimmt. Die Einteilung des platonischen Dialogs in Abschnitte wird von Olympiodor durch die sokratische Methode charakterisiert, die in jedem dieser Teile des Dialogs angewendet wird. Zudem scheint die Struktur seines Kommentars in Form von Praxeis dem Umfang der einzelnen Unterrichtseinheiten zu entsprechen und jeweils einen thematischen Zusammenhang zu bilden. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Olympiodor auf diesen beiden Ebenen – Formbestimmung des platonischen Dialogs und seines eigenen Kommentars – eine gezielte Strukturierung vornimmt, die seinem exegetischen Lehrkonzept einen höheren Rang einräumt als der individuellen Lektüre der philosophischen Texte.

1. Der Titel In der Überlieferung trägt Olympiodors Alkibiades-Kommentar den Titel „ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ“. Der Begriff ‚Scholia‘ (σχόλια, der Plural von σχόλιον) deutet in der geschichtlichen Entwicklung auf verschiedene Aspekte der Kommentierung. Neben einer Diskussion unter Gelehrten sind Scholia auch schriftliche Notizen zu einem Autor oder Randbemerkungen in Handschriften.86 Als eine Unterrichtsform deutet die Bezeichnung ‚Scholia‘ auf eine exegetische Untersuchung von Texten. Folglich nennt Olympiodor seine Kommentare ‚Schulexegese‘ der platonischen Dialoge.87 86 87

Vgl. dazu Dyck 2001. Das ist in allen überlieferten Kommentaren von Olympiodor der Fall, außer dem Kommentar zum Phaidon, bei dem der Titel verloren zu sein scheint; vgl. hierzu Westerink 1976, S. 28.

I. Der strukturelle Aufbau

37

Das Ziel einer derartigen Exegese besteht überwiegend darin, die Texte sprachlich sowie inhaltlich zu erklären, um sie verständlicher zu machen. Demgegenüber heißt Proklos’ Kommentar zum Alkibiades nicht ‚Scholia‘, sondern „Von Proklos dem Nachfolger zu Platons Erstem Alkibiades“ (ΠΡΟΚΛΟΥ ΔΙΑΔΟΧΟΥ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΠΡΩΤΟΝ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ). Eine andere Bezeichnung für Kommentare, die von Philoponos verwendet wird, ist „Schulnotizen“ (ΣΧΟΛΙΚΑΙ ΑΠΟΣΗΜΕΙΩΣΕΙΣ).88 Dieser Begriff hebt den Charakter der Schrift als ‚zusammenfassende Unterrichtsnotizen‘ (ἀποσημείωσις) eines Schülers hervor, während Olympiodor diesen Titel nur für einen Teilbereich seines Kommentars im Sinne einer Zusammenfassung verwendet.89 Durch den Titel „Scholia“ weicht Olympiodor von der Standardbezeichnung für Kommentare bei den spätantiken Exegeten wie Ammonios ab, die den Titel „Gedächtnisprotokoll“ (ΥΠΟΜΝΗΜΑ) bevorzugen.90 Diese Schriften stellen für die Veröffentlichung überarbeitete und ergänzte Kommentare dar, während Scholia als unbearbeitete ‚Lektürevorlage‘ zu betrachten sind.91 Auf der sprachlichen Ebene verdeutlichen Scholia die mündliche Kommunikation im Unterricht, während ὑπομνήματα konzeptionell schriftlich sind. Demnach ist ein ὑπόμνημα eindeutig als eigenständiges Werk eines Exegeten zu betrachten – auch wenn es sich auf dem Unterricht eines anderen Philosophen stützt.92 Scholia halten sich dagegen näher an den im Unterricht oder im Text verwendeten Wortlaut und geben diesen wieder. Aus diesem Grund sind die Kommentare mit dem Titel ὑπόμνημα oftmals nicht in Unterrichtseinheiten (πράξεις) geteilt,93 während die Scholia diese Teilung beibehalten.

88

89 90 91 92 93

Zu dieser Bezeichnung in den Kommentaren von Ammonios’ Schülern siehe Schramm 2018, S. 2010. Der Titel von Philoponos’ Kommentar zu Aristoteles’ De anima wird bei Schwab/Gaeb (2011, S. 123) wiedergegeben als „die Vorlesungsmitschriften des Johannes aus Alexandria zu Aristoteles’ De anima, basierend auf den Seminaren des Ammonios, Sohn des Hermeias, mit einigen Zusätzen von ihm selbst“. Van der Eijk (2005, S. 15) übersetzt diesen Titel bei Philoponos mit „lecture notes“. Dazu vgl. Phlp. in Arist. APr. 1,2T; in APo. 1,2T; in de An. 1,2T. Mit ἀποσημείωσις betont Philoponos, dass er diese Kommentare ausgehend von Ammonios’ Exegese verfasst hat, wobei er einige andere Kommentare mit Scholia betitelt, wie es auch bei Olympiodor der Fall ist (vgl. Phlp. in Cat. 1,1T; in GA 1,1T). Siehe Olymp. in Alc. 209,23. Vgl. Ammon. in Int. 1T. Für ausführliche Erklärung der Kommentar-Titel siehe Lamberz 1987, S. 2–4. Nach Blank (1996, S. 3) „school explanations of a text“. So sind Ammonios’ Kommentare zu Aristoteles’ De Interpretatione seine ὑπομνήματα ausgehend von Proklos’ Unterricht, wobei er selbst als der Verfasser des Kommentars gilt. Dieses Konzept wird im Folgenden ausführlicher erklärt (Kapitel B. I.3. Das Unterrichtskonzept als Praxis).

38

B. Untersuchung des Kommentars

2. Die Abschnitte des Dialogs Neben der Gliederung in Praxeis erwähnt Olympiodor auch eine inhaltliche Aufteilung des platonischen Alkibiades (Olymp. in Alc. 11,7 spricht von κεφάλαια, „die Hauptteile“ oder „Kapitel“). Nach Olympiodor demonstriert dieser Dialog im größeren Rahmen drei sokratische Methoden, die jeweils eine ‚Phase‘ der Argumentation bilden: Die Widerlegung, die Ermunterung und die philosophische Geburtshilfe (in Alc. 11,8: ἐλεγκτικόν, προτρεπτικόν, μαιευτικόν). Die damit korrespondierenden Teile des Kommentars sind jeweils als Abschnitt (τμῆμα) bezeichnet. Zusammen mit der Einführung gliedern sich die drei Abschnitte des Dialogs nach Olympiodor wie folgt: – Einführung (προοίμιον): Vom Anfang bis Plat. Alc. 106b. Der Kommentar beginnt mit Platons Leben. Danach folgen eine allgemeine Einleitung zum Alkibiades sowie Kommentare zum Anfang des Dialogs. – 1. Abschnitt = Widerlegung (ἐλεγκτικόν): Plat. Alc. 106c–119a. Nach der Einführung schließt sich der Abschnitt des Dialogs an, in dem Sokrates die Thesen von Alkibiades widerlegt (ἔλεγχος), um ihm zu zeigen, dass dieser die Dinge nicht weiß, die er zu wissen behauptet. – 2. Abschnitt = Ermunterung (προτρεπτικόν): Plat. Alc. 119a–124a. Nachdem Alkibiades seine Unwissenheit eingestanden hat, ermutigt Sokrates ihn weiter, um ihm Mut zu machen, seine Forschungen fortzusetzen. – 3. Abschnitt = Philosophische ‚Geburtshilfe‘ (μαιευτικόν): Plat. Alc. 124a–135d. Ausgehend von der ‚sokratischen Hebammenkunst‘, die auch als Mäeutik (μαιευτική) bekannt ist, benennt Olympiodor den abschließenden Teil des Dialogs, in dem Alkibiades zur ‚Geburt‘ der Erkenntnis gebracht wird. Olympiodors Gliederung unterscheidet sich von Proklos’ Interpretation zur Aufteilung des Alkibiades. In seinem Kommentar stellt Proklos sein Konzept über die Teile des Dialogs anderen Exegeten gegenüber (vgl. Procl. in Alc. 12,1–13,15). Es gibt einige, erklärt Proklos ohne explizite Nennung der Namen, die ihre Gliederung auf den sprachlichen Ausdruck stützen (12,1: κατὰ τὸ λεκτικόν). So verwenden sie Begriffe wie Lob und Tadel bzw. Widerlegung (12,2: ἔπαινον καὶ ἔλεγχον), Ermunterung und Abwendung sowie ‚Hebammenkunst‘ (12,2–3: προτροπὴν καὶ ἀποτροπήν…μαιείαν). Proklos zufolge wird eine derartige Gliederung den Inhalten des Dialogs nicht gerecht: Ihr Ansatz sei zwar in einigen Aspekten richtig, führe aber dazu, dass unwichtige Details in den Vordergrund gerückt würden, so dass der Gegenstand des Gesprächs nicht zur Sprache komme (12,13–14: τῆς δὲ τῶν πραγμάτων ἀπολείπονται διαρθρώσεως). Diese Kritik ist indes nicht ganz klar formuliert, kann jedoch

I. Der strukturelle Aufbau

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in der Weise gedeutet werden, dass Proklos die genannten Begriffe als zu formale und starre Bestimmungen ansieht. Wenn die Teile des Dialogs a priori mit bestimmten Termini gekennzeichnet sind, konzentrieren sich die Exegeten laut Proklos darauf, die Merkmale dieser Begriffe in den sprachlichen Details zu suchen, anstatt den eigentlichen Inhalt des Gesprächs zu erklären. Proklos führt weiter aus, dass es andere Exegeten gibt, die über den sprachlichen Ausdruck hinausgehen und auf die Ebene der syllogistischen und demonstrativen Aspekte des Dialogs steigen (12,16–17: ἀνάγονται δὲ ἐπὶ τὸ συλλογιστικὸν τοῦ διαλόγου καὶ ἀποδεικτικόν). Nach dieser Auffassung ist der Dialog in zehn Syllogismen geordnet (12,18–13,11): 1. Der Beweis, dass Alkibiades nicht weiß, was gerecht ist. 2. Feststellung, dass die Mehrheit nicht in der Lage ist, zu lehren, was gerecht ist. 3. Schlussfolgerung, dass bei Frage und Antwort der Sprecher derjenige ist, der antwortet, und nicht etwa derjenige, der fragt. 4. Die These, dass die gleiche Erkenntnis notwendig ist, um eine Person oder viele zu überzeugen. 5. Folgerung, dass das, was gerecht ist, auch nützlich ist und 6. das, was edel ist, gut ist. 7. Der Beweis, dass Alkibiades doppelt unwissend ist und weder sich selbst kennt noch politische Angelegenheiten versteht. 8. Der Vorwurf, Alkibiades habe nicht einmal überlegt, wer seine Gegner sind. 9. Die Aufzeigung, dass Alkibiades die richtige Bedeutung von ‚Sorge‘ oder ‚Bemühung‘ um sich selbst nicht kennt (τῆς ὀρθῆς ἐπιμελείας). 10. Das Argument, das unser Wesen reinigt und seine Dreiteilung sowie die ‚Behandlung‘ (θεραπεία) für jeden dieser Teile festlegt. Proklos hält diese Auffassung für richtiger, obwohl auch in diesem Fall keine der Form des Gegenstands entsprechende (πραγματειώδη) Unterteilung erfolgt, sondern eine sekundäre Differenzierung gemacht wird, die sich nicht völlig von der Beschäftigung mit den Instrumenten (ὄργανα) lösen kann (13,11–15). Diese Schlussfolgerungen sind nach Proklos insofern als Instrumente und nicht als essentielle Aspekte der Argumentation zu betrachten. Gegen diese Standpunkte stellt Proklos seinen Entwurf, den er ausgehend von Jamblichs Position ausarbeitet. Er führt aus, dass Jamblich drei Hauptteile (κεφάλαια) des Dialogs bestimmt hat, denen er den Gegenstand selbst zugrunde legte (Procl. in Alc. 13,16–20). Jamblichs Analyse verbinde stilistische und syllogistische Elemente, denn das Sekundäre und das Instrumentale (d. h. die Schlussfolgerungen) müsse sich dem Primären (d. h. drei Hauptteilen) unterordnen (13,20–14,1: δεῖ γὰρ ἀεὶ τὰ δεύτερα καὶ τὰ ὀργανικὰ τῶν πρώτων καὶ

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B. Untersuchung des Kommentars

κυρίων μερῶν ἀντέχεσθαι). Daher fragt Proklos, wie der Dialog in seine unmittelbaren und im wahrsten Sinne des Wortes in seine Teile zerlegt werden kann (14,1–2: πῶς οὖν φαμὲν τὸν διάλογον εἰς τὰ προσεχῆ καὶ κυριώτατα μέρη διαιρεῖσθαι;). Der ersteTeil sei also (κεφάλαιον ἕν), in dem die Unwissenheit aus der Vernunft entfernt und die Hindernisse für den Erwerb von Wissen beseitigt werden (14,8–11). Der zweite Teil des Dialogs beweist, dass die körperlichen Vorteile nicht dazu führen dürfen, dass das Streben nach vollkommener Tugend vernachlässigt wird (14,11–14). Im dritten Teil geht es um die Rückbesinnung auf unser wahres Wesen und das Herausfinden der richtigen Anstrengung (14,14–15: ἀνάμνησιν πορίζον τῆς ἀληθινῆς ἡμῶν οὐσίας καὶ τῆς ἐπιμελείας τῆς ὀρθῆς τὴν εὕρεσιν), womit der Dialog zu einem angemessenen Abschluss kommt. Die zehn Syllogismen des Dialogs, die sich in der zweitgenannten Gliederungsvariante befinden, sind nach Proklos jeweils auf einen dieser drei Teile zu beziehen und auf diesem Hintergrund zu verstehen (14,16–24). Betrachtet man Olympiodors Gliederung, so scheinen seine Bestimmungen von ἐλεγκτικόν, προτρεπτικόν und μαιευτικόν genau die Begriffe zu verwenden, die Proklos an der ersten von ihm aufgeführten Stelle kritisierte (vgl. Procl. in Alc. 12,2–3: ἔλεγχος, προτροπή, μαιεία). Proklos verwendet zwar diese Begriffe in seinem Kommentar, doch identifiziert er sie nicht mit den Teilen des Dialogs. Auch die Bestimmung der Einführung (προοίμιον), die keinen Abschnitt im eigentlichen Sinne darstellt, ist bei Proklos unklar: als Einführung nennt er an einer Stelle Plat. Alc. 103a (Procl. in Alc. 19,11–20,1), an einer anderen 113b–c (Procl. in Alc. 129,2–131,11). Dies ist jedoch kein Hinweis auf Inkonsequenz, sondern darauf, dass derartige stilistische Begriffe bei Proklos keine interpretationsbestimmende Rolle spielen. Weder greift Proklos bei der Gliederung des Kommentars auf diese Begriffe zurück, noch teilt er seinen Kommentar entsprechend den drei Hauptabschnitten. Im Gegensatz dazu ist der Kommentar von Olympiodor übersichtlich nach der Gliederung der Abschnitte geordnet und inhaltlich ausgerichtet. Olympiodor nimmt also eine grundlegend andere Position zu den Umrissen des Alkibiades ein. Hier stellt sich die Frage, ob die von Olympiodor erwähnten Abschnitte des Dialogs Vorbilder bei den früheren Exegeten haben. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, ob gerade Jamblich, auf den sich Proklos für seinen Gegenentwurf stützte, die drei Hauptteile mit gleichen Begriffen wie Olympiodor benannte. In jedem Fall ist es im Rahmen der pythagoreischen Lehre bezeichnend, dass Jamblich einen ‚Aufruf zur Philosophie‘ (Προτρεπτικός) schreibt; die anderen Adjektive ἐλεγκτικός und μαιευτικός sind in den erhaltenen Schriften Jamblichs nicht vorhanden. Es ist dennoch nicht auszuschließen, dass Proklos’ Einwand gegen stilistische Begriffe unberechtigt war, da gerade Jamblich ebenfalls diese Begriffe ver-

I. Der strukturelle Aufbau

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wendet haben könnte. Denn Proklos erklärt nicht, wie Jamblich die drei Hauptteile genannt hat. Diese Frage lässt sich anhand des Textes nicht klären. Es ist jedoch anzumerken, dass Olympiodor bewusst die Begriffe verwendet, die von Proklos abgelehnt wurden. Ferner erwähnt Olympiodor keine Aufteilung des Dialogs in zehn Syllogismen. Doch welche Vorteile bringen diese Abweichungen von Proklos für die Gestaltung seines Kommentars? Diesbezüglich können einige Überlegungen angestellt werden: Olympiodor scheint den Dialog in etwa gleich lange Abschnitte zu unterteilen, wodurch eine klare Struktur zwischen den drei Hauptteilen erkennbar wird. Diese Strukturierung kann mit der Rolle von Olympiodor als Lehrer in Verbindung gebracht werden. Wahrscheinlich wurden dadurch bestimmte Abschnitte des Dialogs als Etappen des philosophischen Unterrichts gekennzeichnet. Folglich könnte in jedem Abschnitt eine andere sokratische Methode behandelt und abgeschlossen werden, so dass die Schüler durch das Erreichen kleinerer Ziele für die folgenden Teile motiviert werden. Denkbar wäre auch, dass Olympiodor eine Art Interpretationshilfe mit einer klaren Gliederung in Abschnitte bietet und von vornherein auf das prägende Motiv der jeweiligen Textstelle hinweist. So sind seine pädagogischen Ziele in der Gestaltung seines Kommentars vordergründig.

3. Das Unterrichtskonzept als Praxis Die oben genannten Abschnitte sind weiter in Unterrichtseinheiten (πράξεις / Praxeis) unterteilt, die jeweils eine bestimmte Passage des Dialogs behandeln. Eine Strukturierung der exegetischen Schriften nach der Länge der Textstellen und Unterrichtseinheiten ist in der Spätantike üblich. Dabei werden verschiedene Begriffe für dieTeile der Kommentare verwendet. Der Begriff ‚Praxis‘ (πρᾶξις) für den Unterricht bietet einen Hinweis darauf, wie Olympiodor seine Kommentare konzipiert.94 Praechter zufolge weist der Titel ‚Praxis‘ in den spätantiken Kommentaren auf einen „Vortrag“ hin.95 Der Begriff leitet sich vom Verb πράττειν ab, das im Kontext der Philosophenschule „exegetisch behandeln“ und im „absoluten Sinne“, so nach Praechter, „Exegese treiben“ oder schlichtweg „Exegese“

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In allen seinen platonischen Kommentaren betitelt Olympiodor die Unterrichtseinheiten mit dem Begriff Praxis (πρᾶξις). Diese Unterteilung der Kommentare in Praxeis ist speziell bei Olympiodor und seinen Nachfolgern (Elias und David), während diese Bezeichnung bei den alexandrinischen Philosophen vor Olympiodor nicht belegt zu sein scheint. (siehe dazu Kapitel B. I.1. Der Titel). Praechter 1909, S. 532.

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B. Untersuchung des Kommentars

bedeutet.96 Diese Art von Exegese unterteilt Praechter in „dialogische“ und „akroamatische“ Formen, von denen die erste den „Übungen“ und die zweite den „Vorlesungen“ im modernen akademischen Lehrbetrieb entsprechen würden.97 Dabei ist die Gleichsetzung einer exegetischen Praxis der Neuplatoniker mit den modernen Lehrkonzepten fraglich. Im Hinblick auf den Philosophieunterricht ist es zutreffender, von einer Praxis zu sprechen, die sich prinzipiell auf die Exegese konzentriert. Die Benennung von einem Unterricht als Praxis findet sich außer bei Olympiodor noch bei Philoponos, Elias, David und Stephanos,98 die alle zeitgleich mit oder nach Olympiodor ihre Kommentare verfasst haben. Dagegen bezeichnet Proklos einen philosophischen Unterricht als „Zusammenkunft“ (συνουσία)99 oder als eine „gemeinsame Lesung“ (συνανάγνωσις).100 In der handschriftlichen Überlieferung ist der Alkibiades-Kommentar in 28 Praxeis unterteilt, die – mit Ausnahme der ersten – „mit Gottes Hilfe“ bzw. „in Begleitung Gottes“ (σύν θεῷ, wörtlich „mit Gott“) beginnen.101 Als Unterrichtseinheit besteht eine Praxis aus zwei Teilen: der ‚Theorie‘ (θεωρία) und der ‚Redeweise‘ (λέξις).102 Am Anfang des Unterrichts steht die theoretische Untersuchung (θεωρία), in der die maßgebenden Ansichten des zu behandelnden Textabschnitts erläutert werden. Dieser Teil beginnt mit einem Lemma aus dem Originaltext, das bis zum Anfang des folgenden Unterrichts erläutert wird. Der Abschluss der theoretischen Erklärungen wird bei Olympiodor in einigen, jedoch nicht in allen Fällen durch die Formulierung „Daraus besteht dieTheorie“ (ἐν οἷς ἡ θεωρία) bzw. „das hat die Theorie“ (ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία) gekennzeichnet.103 Nach Theoria folgen kurze Erklärungen bestimmter Sätze oder Wörter aus dem Lemma, das vorher aus theoretischer Hinsicht betrachtet wurde. Dieser Teil wird als λέξις bezeichnet, die als ‚Redeweise‘ oder‚sprachliche Ausdrucksweise‘ aufgefasst werden kann. Konkreter kann λέξις auf die Wortwahl einer Rede bzw. 96 Praechter 1909, S. 532, Anm. 1. 97 Vgl. ebd. S. 533. Ähnlich verwendet auch Hadot „Vorlesung“ für πρᾶξις; vgl. Hadot [Ilsetraut] 2002, S. 184. 98 Siehe Elias in Porph. 1,2T; David. Proll. 1,3T; Stephanos in Int. 1,3T. Bei Philoponos befindet sich derAusdruck πρᾶξις nicht als Titel, jedoch verteilt an verschiedenen Stellen seiner Kommentare (vgl. Phlp. in Cat. 11,12–13: ἐντεῦθεν οὖν ἄρχεται ἡ πρᾶξις; in de An. 462,23: ἐν οἷς ἡ πρᾶξις). 99 Übersetzt als „lecture“ von Blank 1996, S. 2. Siehe dazu die Bezeichnung für die „ungeschriebene Lehre“ (ἐν ταῖς ἀγράφοις συνουσίαις, Procl. Theol. Plat. I.42,13). 100 Beispielsweise auf dem Titel von Proklos’ Kommentar zu Platons Politeia, Procl. in Rep. I.5,3. Vgl. Marinos, Vita Procli 10; Elias in Cat. 107,25. 101 Siehe dazu in der Übersetzung 9,21. 102 Vgl. Hadot [Ilsetraut] 2002, S. 184 „inhaltliche Interpretation“ für θεωρία und „Worterklärung“ für λέξις. 103 Die erste Variante ist seltener (vgl. 46,9 im 5. Unterricht).

I. Der strukturelle Aufbau

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eines Texts oder auf den Text selbst hinweisen.104 Im Rahmen eines Unterrichts kann dieser Teil ‚sprachliche Erläuterung‘ genannt werden. Diese Erklärungen befassen sich mit der Bedeutung einzelner Wörter sowie mit der Interpretation syntaktischer und grammatischer Einzelheiten bestimmter Aussagen. Die sprachliche Erläuterung befindet sich immer am Ende eines Unterrichts und enthält mehrere Lemmata aus der Stelle des Dialogs, die im jeweiligen Unterricht behandelt wurde. Diese Lemmata sind entsprechend der Reihenfolge des Dialogs geordnet, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Originaltext in diesem Teil des Unterrichts gelesen wurde.105 Nach diesen Erläuterungen beginnt ein neuer Unterricht mit einer theoretischen Untersuchung. Einige wenige Praxeis bestehen nur aus einem theoretischen Teil, wie Olympiodors Einleitung am Anfang des Kommentars, die mit der Aussage „daraus besteht“ bzw. „damit endet der Unterricht“ (ἐν οἷς ἡ πρᾶξις) endet.106 Der konkrete Rahmen von Olympiodors Unterricht lässt sich aus dem bisher erläuterten Schema einer Praxis ablesen. Es muss jedoch erwähnt werden, dass der genaue Zeitrahmen der einzelnen Praxeis nicht rekonstruiert werden kann. Die Länge und Aufteilung der Praxeis lassen keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Länge der Unterrichtstage zu.107 Anhand des Kommentartextes lässt sich 104 Siehe dazu Olymp. in Alc. 69,3; 177,11; 192,14; 204,3. 105 In dieser Hinsicht kann λέξις auch als eine gründliche ‚Lesung‘ des Texts betrachtet werden. Nach Tarrant (1998, S. 15 Anm. 61) scheint die Aufteilung der Kommentare in eine allgemeine Diskussion (theoria) und eine sprachliche Erläuterung (lexis) eine besondere Art von Unterrichtssituation mit einer formalen Lehrer-Schüler-Trennung vorauszusetzen. Ich interpretiere diese „Lehrer-Schüler-Trennung“ dahingehend, dass die Lehrer für die theoretische Erklärung alleine zuständig sein könnten, während die Schüler an der sprachlichen Erklärung teilgenommen haben. Demgegenüber ist nach Hadot [Ilsetraut] (2002, S. 184) die Reihenfolge von Kommentar und Lektüre eine andere: „Auf die Lehrern und Schülern gemeinsame Lektüre eines Abschnittes eines philosophischen Traktats folgte der Kommentar des Lehrers…Oder aber der Lehrer ließ zunächst einen Schüler einen Textabschnitt lesen und erklären, um danach selbst eine korrigierte Interpretation zu liefern.“ Für beide Verfahren, bei denen der Text am Ende kommentiert wird, führt Hadot Epiktets ‚Unterredungen‘ (Dissertationes / Διατριβαί) als Beleg an, die jedoch nicht als Beispiel auf die spätantike alexandrinische Philosophenschule übertragen werden können. 106 Olymp. in Alc. 9,19. Dieser erste Teil trägt in der Überlieferung nicht den Titel ‚Unterricht‘, jedoch wird angenommen, dass es sich hierbei um den ersten Unterricht handelt, da der Kommentar danach mit dem zweiten Unterricht fortfährt. 107 Dennoch können einige Versuche genannt werden, die Dauer der Vorlesungen anhand der erhaltenen Texte zu schätzen. Westerink (1976, S. 25) formuliert es wie folgt: Alle Kommentare von Olympiodor enthalten 40 bis 50 Praxeis. Bei täglichem Unterricht und unter Berücksichtigung der Feiertage, so Westerink, wären fünf Texte pro Jahr und Kurs fertig. Daraus folge (ebd. S. 25–26), dass zwei bis drei Jahre für den jamblicheischen Kanon der 12 platonischen Dialoge und etwa die gleiche Zeit für den aristotelischen Kanon benötigt werden müsste. Ähnlich folgert Griffin (2015, S. 46) ausgehend von

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B. Untersuchung des Kommentars

hier lediglich feststellen, dass die Form der Praxis auf eine besondere Art der Textauslegung hinweist, die eine wiederholte Behandlung derselben Passagen aus verschiedenen Perspektiven erfordert. Diese Methode soll im folgenden Abschnitt näher erläutert werden.

4. Kreisförmige Erzählstruktur Zu Beginn und am Ende jeder Praxis behandelt Olympiodor Aussagen aus Platons Text in einer Reihenfolge, die eine kreisförmige inhaltliche Gestaltung erkennen lässt. In der Tat kann man den Stil von Olympiodor nicht exakt als Ringkomposition bezeichnen, die Van Otterlo dadurch definiert, dass am Anfang und am Ende eines Textabschnitts „Sätze gleichen Inhalts und mehr oder weniger ähnlichen Wortlauts“ vorhanden sein müssen.108 Doch in den meisten Unterrichtseinheiten hält sich Olympiodor an eine Erzählstruktur, die inhaltlich an den Anfang am Ende anknüpft und durch bestimmte thematische Komponenten vereinheitlicht wird. Dass diese Erzählform für Olympiodor eine durchdachte Strategie ist, macht er durch einige Bemerkungen deutlich: Erstens verbindet sich nach Olympiodors Auffassung der Anfang des Dialogs mit dem Ende durch die Themen der Liebe (ὁ ἔρος: 12,17–13,8) und der Gegenliebe (ὁ ἀντέρως: 227,1–9). Zweitens gibt er das Konzept des „wiederherstellenden Arguments“ (λόγος…ἀποκαταστατικός: 37,11–12) an, das die Rückwendung (ἡ ἐπιστροφή) der Seele auf sich selbst unterstützt, und wie diese Rückwendung eine in sich selbst wiederkehrende Natur hat. Schließlich lassen sich diese Konzepte mit der Auffassung vereinbaren, dass der Unterricht bzw. die Exegese seinen Zweck erfüllt (πληροῦσθαι, vgl. πεπλήρωται: 62,16; πληροῦται: 165,11). So versteht Olympiodor seinen Kommentar als eine in sich geschlossene Einheit, deren Elemente in Bezug zueinander erklärt werden können, wodurch die vorherigen Punkte entsprechend wiederholt werden. Die kreisförmige Struktur, die bei den meisten spätantiken alexandrinischen Kommentatoren zu finden ist, unterscheidet sich sowohl von den früheren Platonikern, als auch von den neuplatonischen Kommentaren des Proklos. In einem Hinweis im vierten Unterricht (πρώην in 34,8) auf den dritten Unterricht (14,20–6), dass alle Unterrichtseinheiten sich ungefähr über einen Zeitraum von 10 Wochen erstreckt haben könnten. Dies wird jedoch durch die anderen Aussagen Olympiodors bezüglich πρώην nicht bestätigt (siehe dazu Anm. 325 zu der Übersetzung). 108 Van Otterlo 1944, S. 3. Zu den Elementen einer Ringkomposition vgl. Engels 2007, der auch auf die Definition von Van Otterlo hinweist. Zum Kompositionsstil der Kommentare vgl. im Folgenden Anm. 116 die Bezeichnung bei Golitsis (von Évrard): „doppelte Exegese“.

I. Der strukturelle Aufbau

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der Forschung wurde der „fortlaufende philosophische Kommentar“ dahingehend definiert, dass ein Text von Anfang bis Ende in der richtigen Reihenfolge oder Zeile für Zeile erklärt wird.109 In den fortlaufenden Kommentaren findet sich nach Ilsetraut Hadot häufig die Abfolge von θεωρία und λέξις.110 Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder fortlaufende Kommentar dieser Struktur entspricht: Im Gegenteil, es gibt fortlaufende Kommentare, die gegen diese Form ausgelegt sind. Ein Beispiel dafür sind nach Federico M. Petrucci die „mittelplatonischen“ Kommentare, die zwar als „fortlaufend“ gelten, sich aber entschieden gegen Wiederholungen und gegen eine lückenlose Erklärung des Textes wenden.111 Petrucci hält daher auch ihre Definition als „fortlaufend“ für unzureichend und schlägt stattdessen den Begriff „wellenartig“ vor.112 Demnach unterscheidet sich diese Art der Textgestaltung von den neuplatonischen Kommentaren, für die Proklos als Paradigma herangezogen wird.113 Die Kommentare des Proklos ihrerseits sind unterschiedlich aufgebaut und weisen im Vergleich zu den alexandrinischen Kommentaren meist keine klare Abfolge von Theoria und Lexis auf.114 Olympiodors Kommentare sind, wie die anderen spätantiken Kommentare mit Theoria und Lexis, nicht nur fortlaufend, sondern sie erklären den Original109 Petrucci 2018, S. 210. Die Bezeichnung „fortlaufender Kommentar“ wird auch für die neuplatonischen Kommentare verwendet, zum Beispiel von Bohle (2021, S. 145: „running commentary“) zum Gorgias-Kommentar des Olympiodor. 110 Hadot [Ilsetraut] 2002, S. 184. 111 Nach Petrucci wählten die Mittelplatoniker einige Kernpassagen aus, die die Hauptargumentation des Dialogs illustrieren. Dabei gingen sie „selektiv“ vor, was dem Prinzip des fortlaufenden Kommentars widerspricht (Petrucci 2018, S. 219). Darüber hinaus lehnten sie Wiederholungen strikt ab und ließen Textabschnitte unbehandelt, die zu Wiederholungen im Hauptargument führen würden (ebd. S. 220). Außerdem, so Petrucci, erheben die Mittelplatoniker keinen Anspruch auf eine lückenlose Erklärung des Textes, die bei fortlaufenden Kommentaren der Fall ist (ebd. S. 215). Dagegen verweist Petrucci u. a. auf Sedley für eine Bezeichnung der mittelplatonischen Kommentare als fortlaufend (vgl. Sedley 1997, S. 114). 112 Petrucci (2018, S. 222) unterscheidet den mittelplatonischen Kommentar vom ‚zeilenweise fortlaufenden‘ und dem ‚spezialisierten‘ Kommentar dadurch, dass die Mittelplatoniker ausgewählte, zentrale Textstellen in wechselnder, variierender Länge behandeln. 113 Für die wiederum die Kriterien „thematisch“ und „selektiv“, mit denen Petrucci (2018, S. 217–219) die mittelplatonischen Kommentare definiert, zweifellos zutreffen, da Proklos bestimmte Passagen nach seinen Interessen auswählt, während er andere unerwähnt lässt. Dabei merkt Petrucci (ebd. S. 218) an, dass Proklos die Teile des Timaios kommentierte, die die Mittelplatoniker für unwichtig hielten. Dies zeige den neuplatonischen Anspruch auf Vollständigkeit und damit die Unterschiede zwischen mittelplatonischen und neuplatonischen Kommentaren. 114 Zum Inhalt von Theoria und Lexis siehe das vorherige Kapitel 3. Das Unterrichtskonzept als Praxis.

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B. Untersuchung des Kommentars

text vollständig und wiederholen bestimmteTeile sowohl in der Theoria als auch in der Lexis. Diese Textstruktur wird als ein typisches Anzeichen dafür betrachtet, dass ein Kommentar zu Bildungszwecken geschrieben wurde.115 Die Abfolge von Theoria und Lexis, die den Kommentaren von Philoponos, Olympiodor, Elias, David und Stephanos gemeinsam ist, wurde auch als ‚doppelte Exegese‘ bezeichnet, weil dieselben Textstellen auf zwei verschiedene Arten erläutert werden.116 Dabei werden diese Textpassagen nicht ziellos wiederholt, sondern zunächst aus theoretischer, dann aus sprachlicher und grammatikalischer Sicht diskutiert. Dieser Methode liegt das Hauptargument der Skopos-Theorie zugrunde, dass sich das Theoretische im Linguistischen manifestiert.117 Schließlich führen diese ‚Wiederholungen‘, wie im vorigen Kapitel erwähnt, zu einer Art kreisförmiger Erzählung, die bestimmte Teile des Textes in ihren wechselseitigen Bezügen immer wieder aufgreift.

5. Zusammenfassung der formalen Anlage Der Alkibiades-Kommentar zeigt sowohl durch den Titel „Scholia“ als auch durch die Unterteilung in Praxeis, wie Olympiodor diesen Dialog im philosophischen Unterricht erläutert. Dieser Aufbau entspricht stärker einer Verschriftlichung des Unterrichts als einer für die Veröffentlichung bearbeiteten Abhandlung. Dementsprechend werden viele Elemente der mündlichen Kommunikation bewahrt, die auch den Leser des Kommentars in diese Unterrichtssituation versetzen können. Aus dieser Sicht lädt Olympiodors Exegese des Alkibiades nicht nur zum Lesen ein, sondern geradewegs zu einer Beteiligung an der Erläuterung des Dialogs.118 Dieses Vorgehen ist in Übereinstimmung mit der sokratischen Methode im Dialog, bei dem Sokrates Alkibiades auffordert, sich gemeinsam zu beraten (κοινὴ βουλή, auch geäußert von Alkibiades in Plat. Alc. 119b1; vgl. 124b10 und dazu Olymp. in Alc. 146,16), um gemeinsam zur Erkenntnis geführt zu werden (συνανάγεσθαι, Olymp. in Alc. 88,8; vgl. 192,8; und ἀνάγεσθαι in 156,7–8; 217,19–20). 115 Papachristou (2021, S. 4) zufolge zeigt die ‚theoria-lexis-Form‘ in den Kommentaren des Philoponos die Art und Weise, wie die Kommentatoren der alexandrinischen Schule Philosophie lehrten. 116 Golitsis (2008, S. 23) zitiert hierzu die Bezeichnung von Évrard, „technique de la double exégèse“. 117 Siehe dazu im Folgenden Kapitel II.1.3.1. Die Absicht (σκοπός). 118 Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass Olympiodor die Teilnahme der Schüler bei der Exegese vorausgesetzt hat, da darüber keine Kenntnisse vorliegen. Es ist vielmehr als eine Einstellung zu betrachten, die Olympiodor seinen Schülern empfiehlt, damit sie die Vorgehensweise des platonischen Dialogs besser verstehen können.

I. Der strukturelle Aufbau

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Insgesamt ist Olympiodors Alkibiades-Kommentar, wie auch seine übrigen Kommentare, ein zeilenweise fortlaufender Kommentar mit kreisförmigen kompositorischen Abläufen, dessen Aufbau der Reihenfolge der einzelnen Passagen im Originaltext folgt.119 Dies beinhaltet die wiederholte Behandlung derselben Textabschnitte, sowohl in einer wiederkehrenden Abfolge von Theoria und Lexis in jedem Unterricht als auch in einer Verbindung von Argumenten am Anfang und Ende des gesamten Kommentars. Die strenge Orientierung am Text des Dialogs verfolgt Olympiodor auch im Hinblick auf die Inhalte, die in erster Linie ausgehend vom Text erläutert werden. Die zentrale Stellung des Originaltextes erfordert seine sprachliche Erklärung in Form von grammatikalischen und lexikalischen Erklärungen. Folglich zeichnet sich der Kommentar zum Alkibiades durch einen sprachlichen Schwerpunkt aus. Die theoretischen Grundlagen für diese exegetische Annäherung sollen im Weiteren in Bezug auf die platonische Philosophie und die Tradition der platonischen Exegese erläutert werden.

119 Zur Erklärung des fortlaufenden Kommentars und der Ringkomposition siehe den vorherigen Kapitel 4.

II.

Theoretische Grundlagen

Bei der Exegese des Alkibiades legt Olympiodor einige Themen und Positionen der platonischen Philosophie zugrunde. Seine theoretischen Ausführungen stehen nicht unmittelbar in einem Zusammenhang, sondern werden auf verschiedene Stellen des Kommentars verteilt und meistens kurzgehalten, damit die Erläuterung der sprachlichen Einzelheiten fortgesetzt werden kann. Zur Erklärung Olympiodors exegetischer Vorgehensweise müssen daher die theoretischen Grundlagen aus seinen Kommentaren extrahiert werden. Dabei handelt es sich um Überlegungen zur Bedeutung von Sprache und sprachlichen Strukturen, zu den ethischen Dimensionen der platonischen Bildung und zu kognitiven Perspektiven der Entstehung von Erkenntnis. Im Folgenden werden diese Grundlagen daher in sprachphilosophische, ethische und erkenntnistheoretische Ansätze unterteilt und erläutert.

1. Sprachphilosophische Ansätze In Übereinstimmung mit anderen Neuplatonikern betrachtet Olympiodor den Alkibiades als Anfang der philosophischen Bildung.120 Er rechtfertigt diese Vorrangstellung des Dialogs damit, dass man die sokratische Philosophie (wörtlich „Worte des Sokrates“: τὰ Σωκράτους, sc. λόγους) auf sokratische Weise lernen müsse (Olymp. in Alc. 11,1–2: δεῖ Σωκρατικῶς τὰ Σωκράτους μανθάνειν). Da Sokrates durch den Ausspruch „Erkenne dich selbst“ (γνῶθι σεαυτόν) zur Philosophie gelangt sei, müsse die Philosophie mit dem platonischen Dialog anfangen, in dem die Bedeutung dieser Aussage offenbart werde (11,1–5). Das gibt der Exegese des Alkibiades die Aufgabe, diese Bedeutung herauszufinden. Zu diesem Zweck muss erklärt werden, wie im Dialog zum Erwerb von Erkenntnis durch Anwendung der sokratischen Methode vorgegangen wird und wie Platon diesen Prozess sprachlich darstellt.121 Dazu geht Olympiodors 120 Die Zeugnisse stimmen darin überein, dass diese Ansicht sich im Neuplatonismus nach Jamblich etabliert hat (siehe Kapitel A. II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung und Anm. 41). Bei Plotin hingegen wird der Alkibiades an keiner Stelle erwähnt. 121 An dieser Stelle muss der Unterschied zwischen dem platonischen Dialog und der schriftlichen Abfassung des Dialogs als Text erwähnt werden. Dieser Unterschied besteht grundsätzlich darin, dass einerseits der Dialog mithilfe der Vorstellungskraft rekon-

II. Theoretische Grundlagen

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Exegese zuerst von der Auffassung der Selbsterkenntnis im Gespräch aus.122 Folglich werden die philologischen Aspekte des Dialogs in den Mittelpunkt gestellt, um die philosophischen Inhalte zu vermitteln, ohne vertiefte Kenntnisse der neuplatonischen Theorien vorauszusetzen. Eine derartige Auffassung der Philosophie als sprachliche Erklärung des platonischen Dialogs begründet Olympiodors exegetische Vorgehensweise. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf einige Unterschiede in der Anwendung der sprachphilosophischen Positionen innerhalb der platonischen Tradition hinzuweisen. Eine bedeutende Methode der neuplatonischen Exegese, die sich ebenfalls auf die sprachlichen Erklärungen stützt, ist die Allegorese. Olympiodors Herangehensweise an die Sprache unterscheidet sich zum Teil von der allegorischen Exegese. Patrizia Marzillo definiert die methodische Allegorese im Neuplatonismus als „die Praxis, einen Text so zu lesen, als ob der Autor ihn allegorisch gemeint habe, auch wenn dies gar nicht der Fall war.“123 Diese Methode, die vor allem bei der Interpretation von Gedichten angewandt wurde, zeichnet sich dadurch aus, dass sprachliche Aussagen in ihren symbolischen Bedeutungen entfaltet werden.124 Dabei, so Marzillo, bemühen sich die Neuplatoniker auch um die Bewahrung des Literalsinns.125 Daraus entstehen viele Bedeutungsebenen eines sprachlichen Ausdrucks, worauf Olympiodor auch öfters hinweist.126 In Olympiodors Exegese wird bei diesen Bedeutungen jedoch nicht zwischen wörtlicher und symbolischer Sichtweise unterschieden. Vielmehr geht es darum, einen technischen oder spezifischen Sinn von anderen, allgemeineren zu differenzieren. Olympiodor verwendet mitunter auch Elemente der etymologischen Allegorese, bei denen er sich hauptsächlich auf Platon und Proklos bezieht.127 In den meisten Fällen ist jedoch der Wortsinn der Aussagen, von dem Olympiodor ausgeht, entscheidend. Der Wortsinn ist für

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struiert wird, während der Text dem Exegeten als ein Medium zum Sehen und Hören vorliegt. Siehe dazu Kapitel B. III.3. Gebrauch von Wahrnehmungswörtern. Die uns folglich die Erkenntnis aller Seienden bringt; Olymp. in Alc. 10,1–11. Marzillo 2010, S. X. Beispielsweise bei Proklos über Hesiod, wie Marzillo (2010, S. XV–XVI und XXVI–XXXII) aufschlussreich zeigt. Das bezeichnet Marzillo (ebd. S. XIV) als „komplementäre Allegorese“. Beispiele dazu sind am Anfang des Kommentars die „Mehrdeutigkeit“ von Homer und Platon (πολλαχῶς: 2,161); die zweifache Bedeutung der Wahrsagung (eine göttlich, andere technisch; διττὴ ἡ μαντεία: 192,1–3) oder die dreifache Bedeutung der Besonnenheit (τριττὴ ἡ σωφροσύνη: 215,3–12). Zur etymologischen Allegorese siehe Marzillo 2010, S. XXVI–XXVII. Vgl. Olympiodor zur Ableitung des Schönen und Guten (122,8–12); zum Wort ‚Götter‘ (159,14–15) und zur Liebe (220,6–10).

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B. Untersuchung des Kommentars

Olympiodor also kein Beiwerk, sondern geradewegs die Grundlage der Interpretation. Dies lässt sich anhand der Gewandmetapher verdeutlichen: Olymp. in Alc. 106,23–107,13128: [Plat. Alc. 113e9–10] Ὡς τῶν προτέρων οἶον σκευαρίων κατατετριμμένων: τὰ ‘σκευάρια’ οὐ τὰ σκεύη, ὡς ἡ συνήθεια, δηλοῦται ὑπὸ Πλάτωνος, ἐπάγει γὰρ ‘καὶ οὐκέτ’ ἂν αὐτὰ ἀμπίσχοιο’, ἀλλὰ ‘σκευάρια’ φησὶν τὰς σκευὰς τὰς τῶν κωμικῶν καὶ τῶν τραγικῶν. εἰ δ’ ἄρα βούλει καὶ περὶ τῶν σκευῶν ἐκλαβεῖν τὸν λόγον, γʹ δηλοῖ τὰ σκευάρια παρὰ Πλάτωνι· ἢ τὰ σκεύη ἢ τὰ ἐνδύματα (δι’ ὧν ἐπάγει ‘καὶ οὐκ ἂν αὐτὰ ἀμπίσχοιο’) ἢ τὴν τρυφήν, πολλῇ γὰρ τρυφῇ ἐκέχρητο ὁ Ἀλκιβιάδης, ὡς πολλοὺς πολύστιχα βιβλία γράψαι περὶ τῆς τρυφῆς τῆς Ἀλκιβιάδου· καὶ ταῦτα γὰρ ὡς τῶν ἐκτὸς ὄντα σκευαί εἰσιν. ἀλλὰ τί δήποτε ἐφίεται ἡ ψυχὴ τῆς σκευῆς τῆς ἔξωθεν τῶν ἱματίων; ἢ ἄλλων ἐφίεται καὶ περὶ ἄλλα ἐνειλεῖται· ἔννοιαν γὰρ ἔχουσα τῶν ἔνδοθεν χιτώνων αὐτῆς, τοῦ αὐγοειδοῦς καὶ τοῦ πνευματικοῦ καὶ τοῦ ὀστρεΐνου, ἐφίεται διὰ τῆς φαινομένης στολῆς ταύτης καθαροὺς ἔχειν τοὺς ἔνδον χιτῶνας (οὕτω καὶ ὁ ποιητὴς ‘εἵματά τ’ ἀμφιέσαι’)· ἔξω οὖν σπίλων βούλεται τούτους ἔχειν. Als wären die früheren wie abgenutzte Kleidungsstücke: Dass die „Kleidungsstücke“ nicht die Ausrüstungen [sind], wie üblicher Gebrauch [des Wortes], macht Platon deutlich, denn er fügt hinzu: „die du dir nicht mehr anziehen würdest“; stattdessen benutzt er „Kleidungsstücke“ über die Kostüme der Komödien- und Tragödiendarsteller. Wenn du aber auch das Argument über die Kostüme verstehen willst, verdeutlichen die Kleidungsstücke drei Bedeutungen bei Platon: Entweder Ausrüstungen, oder Gewänder (daher sagt er: „die du dir nicht mehr anziehen würdest“), oder Üppigkeit, denn Alkibiades lebte in großer Üppigkeit, sodass viele [Autoren] mehrbändige Bücher über die Üppigkeit des Alkibiades schrieben. Auch diese sind im gewissen Sinne Kostüme, da sie sich außen [am Körper] befinden. Aber warum denn verlangt die Seele nach den Kostümen von außen, nach den Kleidern? In der Tat verlangt sie andere Sachen, und ist mit anderen Sachen umwickelt: Denn sie hat ein Konzept von ihren inneren Umhüllungen, der lichtförmigen [Umhüllung], der pneumatischen und der schalenartigen; durch diese sichtbare Stola bezweckt sie, ihre inneren Umhüllungen rein zu behalten. (So auch der Dichter: „und dir Kleider anzutun“). [Die Seele] will also diese [sc. innere Umhüllungen] fern von Flecken halten.

Hier führt Olympiodor eine Erklärung des Verhältnisses zwischen Körper und Seele an, indem er die platonische Theorie der Seelenwagen am Beispiel der Gewänder als Umhüllungen des Körpers erläutert. Zu Beginn geht er von der allgemeinen Bedeutung des Wortes σκευάρια aus; dann präzisiert er diese Bedeutung als Kleidung. Anschließend zieht er drei Bedeutungen dieses Wortes in den platonischen Dialogen heran, die letztlich alle als Kostüme im Sinne von 128 Die Textstellen aus Olympiodors und Proklos’ Kommentaren werden im Folgenden nach Editionen von Westerink zitiert und von mir übersetzt.

II. Theoretische Grundlagen

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äußeren Dingen angesehen werden können. Es folgt die Erläuterung, dass auch die Seele, wie der Körper, Hüllen hat, mit denen sie sich schützt. Die allegorische Ebene ergibt sich schließlich aus der Analogie zwischen Körper und Seele, die am Anfang nicht als symbolische Deutung gegeben ist. Ähnlich verfährt Olympiodor in den Fällen, bei denen er die philosophische Bedeutung ausgehend von dem wörtlichen Sinn der Aussagen begründet.129 Sein Verständnis von Exegese beruht in erster Linie auf der Interpretation von sprachlichen Merkmalen als Vermittler philosophischer Theorien, wobei er sich nicht auf symbolische Bedeutungsebenen konzentriert. Die Gründe dafür sind vor allem in den Spezifika des kommentierten Textes zu verorten. Platons Alkibiades ist kein poetischer Text mit mythologischer und symbolischer Sprache, und es besteht auch keine Notwendigkeit, missverständliche Interpretationen zu vermeiden. Diese Annahme leitet Olympiodor im Wesentlichen dazu an, die Interpretation des Alkibiades durch eine grundsätzlich wörtliche Erklärung des Textes zu gestalten. Dazu tragen einige weitere sprachphilosophische Prinzipien bei, die in den folgenden Kapiteln erläutert werden sollen. 1.1 Aufgabe der Exegese Olympiodor zufolge hat die Exegese die Verantwortung, die Erkenntnis in den philosophischen Schriften zu offenbaren und für jeden Rezipienten auf geeignete Weise verständlich zu vermitteln. Bei seiner Definition über den Umfang der Exegese verleiht Olympiodor den Exegeten eine gottgleiche Rolle, indem er sie wie Apollon als die Urheber der Rettung für die Menschen darstellt: Olymp. in Alc. 175,2–6: Ἔχεις ἐξηγήσασθαι; παντὸς γὰρ μᾶλλον ἔοικας: εὐφυῶς ὁ νέος ἀπεκρίνατο· ἐξηγητὴν γὰρ αὐτὸν καλεῖ, διότι ἐτιμᾶτο Ἀθήνησιν ὁ Ἀπόλλων ὡς ἐξηγητής, διότι διὰ τῆς τῶν χρησμῶν ἐξηγήσεως σωτηρίας αἴτιος ὑπῆρχεν τοῖς Ἕλλησιν. ὡς οὖν συντάξαντα ἑαυτὸν τῷ θεῷ ‘ἐξηγητὴν’ αὐτὸν εἶπεν. Hast du eine Erklärung? Denn du scheinst mir voll und ganz: Mit natürlicher Begabung antwortete der Jüngling: Denn er nennt ihn [sc. Sokrates] einen Erklärer, weil Apollon in Athen als ein Erklärer geehrt wurde, da er durch die Erklärung [seiner] Orakelsprüche Urheber der Rettung für die Griechen wurde. Da er [sc. Sokrates] sich selbst mit dem Gott auf die gleiche Ebene stellt, bezeichnet er [sc. Alkibiades] ihn als „Erklärer“. 129 Vgl. die Spezifizierung der Bedeutung durch zusätzliche Wörter (88,13–21; 102,25–103,2), was letztlich auch Platon praktiziert (111,15–112,10), dazu die Eindeutigkeit der Negation durch Partikel (97,14–18).

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B. Untersuchung des Kommentars

An der entsprechenden Stelle des Dialogs erzählt Sokrates über die Erziehung der Perser und Spartaner (Plat. Alc. 121a–124b). Am Ende seiner Rede stellt Sokrates fest, dass Alkibiades seine Gegner nur mithilfe von Selbstsorge und Fachwissen (ἐπιμελείᾳ γε ἂν καὶ τέχνῃ, Plat. Alc. 124b) besiegen kann. Daraufhin fragt Alkibiades: Plat. Alc. 124b7–9130: ΑΛ. τίνα οὖν χρὴ τὴν ἐπιμέλειαν, ὦ Σώκρατες, ποιεῖσθαι; ἔχεις ἐξηγήσασθαι; παντὸς γὰρ μᾶλλον ἔοικας ἀληθῆ εἰρηκότι. ALK. In welcher Weise muss ich mich also bemühen, Sokrates? Kannst du mir das erläutern? Denn du scheinst mir voll und ganz die Wahrheit gesagt zu haben (Übers. Döring 2016)

Die Frage nach der richtigen Selbstsorge (oder‚Bemühung‘) wird an dieser Stelle dadurch motiviert, dass Alkibiades einen Weg finden will, um seine Gegner zu übertreffen. Vor diesem Hintergrund lässt sich diese Textstelle nicht direkt mit dem Begriff der Exegese verbinden. Vielmehr ist das Thema eine ‚Erklärung‘ oder ‚Erläuterung‘, die Alkibiades von Sokrates über die richtige ‚Bemühung‘ verlangt. Olympiodor hingegen legt die wörtliche Bedeutung des Infinitivs ἐξηγήσασθαι (erläutern, erklären, ausdeuten, kommentieren) zugrunde und baut darauf seine Annahme auf, dass Alkibiades an dieser Stelle Sokrates als einen Ausleger bzw. Exegeten bezeichnet. Die Betrachtung des Sokrates als Exegeten deutet auf den Zusammenhang zwischen der Philosophie Platons und der Platon-Exegese. Für Olympiodor ist die Exegese eine philosophische Tätigkeit, mit der selbst Sokrates und Platon sich befasst haben. Ferner wird eine Exegese von Platons Philosophie aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit benötigt (Olymp. in Alc. 2,158–9). Deshalb bezieht Olympiodor sich oft auf die Exegeten der platonischen Tradition (9,22; 15,5; 22,14), auch ohne diesen Begriff zu verwenden.131 Die Bezeichnung als Exeget ist in diesem Sinne allgemein für diejenigen geeignet, die sich mit der platonischen Philosophie beschäftigen. Auf der anderen Seite geht die Auffassung des Philosophen als Exegeten darauf zurück, dass Platon von Apollon abstammen soll (2,21–24). An mehreren Stellen des Kommentars wird der Bezug zwischen Platon und Apollon thematisiert (2,29–31; 173,21–174,5). Für die Philosophie ist Apollon noch bedeutender durch den Spruch in Delphi, „erkenne dich selbst“ (γνῶθι σεαυτόν), der im Alkibiades als Grundlage für Selbsterkenntnis be130 In der vorliegenden Arbeit wird Platons Alkibiades nach der Edition von Carlini (1964) zitiert. 131 Beispielsweise durch den Ausdruck ἀποροῦσι, „sie rätseln darüber“ (Olymp. in Alc. 161,19; 163,17; 197,16; 23).

II. Theoretische Grundlagen

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handelt wird (Plat. Alc. 124a9–b1). Ausgehend von den Darstellungen in den platonischen Dialogen erwähnt Olympiodor die Bedeutung dieses Spruchs, da Sokrates dadurch zur Philosophie geleitet wurde (Olymp. in Alc. 4,6–7). Indem Apollon durch diesen Spruch den Menschen auf sich selbst zurückwendet, erscheint er als der Urheber der Philosophie und der Exegese. Neben diesem Bezug auf die Exegese berücksichtigt Olympiodor auch den politischen Kontext an der entsprechenden Stelle des Dialogs. Im Hinblick auf die Frage, wie Alkibiades seine Gegner übertreffen kann, rückt die polisbezogene Bedeutung Apollons in den Vordergrund. Die Exegese ist in diesem Fall für Olympiodor deshalb wichtig, weil sie auf die Deutung des Apollon-Orakels und dadurch auf die Hilfe bei den staatlichen Entscheidungen hinweist. Da Sokrates Alkibiades die richtige Selbstsorge erklärt und ihm dadurch den Weg zur wahren Macht zeigt, lässt sich diese Aussage mit der Rolle der Orakelsprüche verbinden. Darin werden zwei wichtige Eigenschaften Apollons offenbart: Zum einen ist er der Gott der Philosophie, zum anderen herrscht er über die Verteilung der politischen Macht. In beiden diesen Bereichen symbolisiert Apollon eine Rettung (σωτηρία) durch die Exegese, die Olympiodor in der oben aufgeführten Textstelle (175,2–6) betont: einerseits die Rettung der Seele durch Selbsterkenntnis, andererseits die Unterstützung der Polis bei Herausforderungen. Durch die Anspielung auf philosophische und politische Bedeutungen von Apollon stellt Olympiodor eine Parallele zwischen beiden Bereichen her. Wie eine Exegese in konkreten Situationen in der Politik und im Allgemeinen im Leben Hilfe bieten kann, so ist ihre philosophische Bestimmung auf der theoretischen Ebene zu betrachten. Apollon herrscht über diese beiden Bereiche, damit ein Übergang ausgehend vom Politischen ins Philosophische sinnvoll erscheint. Da der Alkibiades nach Olympiodor genau diesen Übergang auf der Stufe der Tugenden formuliert, dass man ausgehend von der politischen Tugend zur Selbsterkenntnis gelangt, erweisen sich die beiden Bedeutungen der Exegese als relevant für das Verständnis dieses Dialogs. Olympiodor stellt die Auslegung der Orakel von Delphi als vergleichbar mit der Exegese der platonischen Philosophie dar. Dadurch übernimmt die PlatonExegese die Aufgabe, die Menschen zur Erkenntnis, die in den platonischen Dialogen enthalten ist, zu führen und dadurch ihre Seele zu retten. Das beginnt mit dem Alkibiades, denn dort erkennt man sich selbst „als die vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt“ (Olymp. in Alc. 4,15–20). Daraus ergibt sich die Definition des politischen Menschen, der das Thema dieses Dialogs ist. Die Bestimmung des Nutzers und des Werkzeugs (ὄργανον) ist in dieser Hinsicht wesentlich. Wie die Seele den Körper als Werkzeug benutzt, so benutzt sie auch die Sprache als Werkzeug, um zur Erkenntnis zu gelangen. Genau wie

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B. Untersuchung des Kommentars

in einem platonischen Dialog die richtige Verwendung der Sprache zu richtigen Ergebnissen führt, so ist auch für einen Exegeten des Dialogs eine zutreffende Deutung sprachlicher Ausdrücke der Schlüssel zu der darin enthaltenen Erkenntnis. Damit ein Exeget mit dieser Arbeitsweise vorgehen kann, setzt Olympiodor eine bestimmte Annäherung an den platonischen Dialog voraus. Dieser Annäherung liegt eine Betrachtung des Dialogs als eines Lebewesens zugrunde, die im Weiteren in Bezug auf die platonische Philosophie erläutert werden wird. 1.2 Die Rede als Lebewesen Für eine Deutung des Dialogs ist es Olympiodor zufolge notwendig, zunächst einige Richtlinien festzulegen. Diese dienen sowohl der allgemeinen Bestimmung des Wesens des Dialogs als auch der Einordnung seiner Bestandteile. An mehreren Stellen des Alkibiades-Kommentars beschäftigt Olympiodor die Frage, warum der Dialog auf eine bestimmte Art und Weise gestaltet ist. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Grundvoraussetzung, dass ein Dialog durch Aufeinanderfolge von Frage und Antwort fortschreiten muss. Folglich bedarf es einer Erklärung, was Sokrates dazu veranlasst, Alkibiades aufzufordern, seine Fragen zu beantworten. Dazu bietet Olympiodor verschiedene Argumente, indem er auch die Ansicht erörtert, dass Sokrates dadurch den Dialog lebendiger machen wolle: Olymp. in Alc. 56,14–22: ἤ, ὥς φησιν ἐν τῷ Φαίδρῳ, ‘δεῖ τὸν λόγον ἐοικέναι ζῴῳ’· καὶ τὸν οὖν ἄριστα κατεσκευασμένον λόγον δεῖ τῷ ἀρίστῳ τῶν ζῴων ἐοικέναι. ἄριστον δὲ ζῷον ὁ κόσμος· ὥσπερ οὖν οὗτος λειμών ἐστι ποικίλων ζῴων, οὕτω δεῖ καὶ τὸν λόγον εἶναι πλήρη παντοδαπῶν προσώπων. καὶ ἄλλως ὅτι, καθάπερ ἐν τούτῳ πάντα φθέγγεται καὶ ἐνεργεῖ (αἱ γὰρ τῶν πραγμάτων ἐνέργειαι οἱονεὶ φωναὶ αὐτῶν εἰσίν), οὕτω δὲ κἀν τῷ λόγῳ προσήκει πάντα λαλεῖν τὰ ἐν αὐτῷ πρόσωπα καὶ ὥσπερ πάντας ἐνεργεῖν. Oder, wie er im Phaidros sagt: „Ein Dialog soll einem Lebewesen gleichen.“ Dementsprechend muss der bestmöglich konstruierte Dialog dem besten Lebewesen gleichen. Und das beste Lebewesen ist der Kosmos. Wie dieser [sc. Kosmos] eine Weide für viele verschiedene Lebewesen ist, so müssen auch in einem Dialog viele verschiedene Personen vorhanden sein. Auch in anderen Fällen [ist es so], dass, genau wie in diesem [sc. Kosmos] alle sprechen und wirken (denn die Wirksamkeiten der Dinge sind wie ihre Stimmen), so ist es dann in einem Dialog angebracht, dass alle Personen darin etwas sagen, wie auch alle wirken sollen.

Olympiodor betont durch diese Darstellung, dass die Personen im platonischen Dialog etwas sagen und handeln, und nicht, dass die Leser sich das vorstellen.

II. Theoretische Grundlagen

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Dies demonstriert, dass er nicht nur den Text des Dialogs, sondern den Dialog selbst als ein Ereignis behandelt. Wie Olympiodor hierzu erklärt, stammt diese Ansicht aus dem platonischen Phaidros. In diesem Dialog bezieht sich die Auffassung von λόγος auf die Rede des Lysias und folglich allgemein auf die philosophischen Gespräche. Sokrates äußert dazu diese Feststellung: Plat. Phdr. 264c2–5: Σωκράτης ἀλλὰ τόδε γε οἶμαί σε φάναι ἄν, δεῖν πάντα λόγον ὥσπερ ζῷον συνεστάναι σῶμά τι ἔχοντα αὐτὸν αὑτοῦ, ὥστε μήτε ἀκέφαλον εἶναι μήτε ἄπουν, ἀλλὰ μέσα τε ἔχειν καὶ ἄκρα, πρέποντα ἀλλήλοις καὶ τῷ ὅλῳ γεγραμμένα. (Ed. Burnet 1901) SOKRATES: Aber das wirst du doch zugeben, denke ich: dass jede Rede wie ein Lebewesen organisch aufgebaut sein und ihren eigenen Leib haben muss, sodass sie weder ohne Kopf noch ohne Füße ist, sondern Mitten und Enden hat, die so geschrieben sind, dass sie zueinander und zu dem Ganzen in einem passenden Verhältnis stehen? (Übers. Rufener 1958)

Platon behandelt an dieser Stelle die Rede als sprachliche Konstruktion (συνεστάναι, „aufgebaut sein“). Im Unterschied dazu bezieht sich Olympiodors oben aufgeführte Interpretation explizit auf den platonischen Dialog als Gespräch. Diese konkrete Bezugnahme auf den platonischen Dialog, dessen ‚Text‘ exegetisch behandelt wird, führt zu einer Bezeichnung dieserAnnäherung im Sinne von „Text als Lebewesen“.132 Dabei wäre die Betrachtung von λόγος als Text bei Olympiodor genauso wie bei Platon einschränkend, denn sie weisen vielmehr auf eine literarische Komposition hin, die mündlich sowie schriftlich aufgefasst werden kann.133 Aufgrund seiner selbstständigen Existenz kann ein Dialog Olympiodor zufolge genauso wie der Kosmos als ein organisches Ganzes, als ein lebendes Wesen behandelt werden. Diese Betrachtung im Phaidros beruht auf dem Verhältnis zwischen der Sprache und dem Wesen des Sprechenden sowie des Adressaten. 132 Zu diesem Thema in Bezug auf Hermeias siehe Bernard 1997, S. 23–26. Zum „LebewesenBild“ bei Olympiodor vgl. Bohle 2020, S. 135–136, „Der Vergleich: Text – lebender Organismus“. 133 Das deutet Platon an der oben zitierten Stelle des Phaidros mit γεγραμμένα an. Im Allgemeinen scheint Platon der mündlichen Aussage einen höheren Rang als der schriftlichen Ausarbeitung zu verleihen (vgl. Plat. Phdr. 274b–275c). Dieser Gegensatz hat in der Forschung Anlass zu unterschiedlichen Deutungen gegeben, auf die im Umfang der vorliegenden Untersuchung nicht näher eingegangen wird. Zu einer Darstellung verschiedener Positionen siehe Heitsch 1993, S. 188–212.

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B. Untersuchung des Kommentars

Darauf baut Sokrates dieThese auf, dass für jede Persönlichkeit eine geeigneteArt der Rede verwendet werden müsse (Plat. Phdr. 271b–272b; Olymp. in Alc. 24,10–15), da die Seelen von verschiedenen Gottheiten beherrscht würden (Plat. Phdr. 252c–257b; Olymp. in Alc. 20,5–21,1). Wenn die Sprache als Vermittler der Wahrheit diene, müsse die Redekunst die Wahrheit begriffen haben, denn sonst würde sie aufgrund der Unwissenheit über das Gute und das Schlechte die Menschen zu schlechten Handlungen verleiten (Plat. Phdr. 259e–260e). Deshalb müssten die Redner wissen, was für die Seelen der Zuhörer gut sei; folglich auch, was die Seele sei (266d–274b). Ausgehend von derTheorie der Rede als Lebewesen gelangt Platon auf diese Weise zu der Notwendigkeit der Erkenntnis der Seele. Daraufhin vergleicht er die Seele mit Pferden (246a–b). Auf diesen Vergleich und auf die Erklärung der drei Seelenteile durch die Metapher des Pferdegespanns geht auch Olympiodor im Alkibiades-Kommentar ein (Olymp. in Alc. 226,15–20). Die Notwendigkeit der Erkenntnis der Seele im Phaidros bildet eineAnalogie zum Alkibiades und lässt sich von dem delphischen Spruch „erkenne dich selbst“ (γνῶθι σεαυτόν) ableiten (10,18–11,5; 172,10–15). Darin zeigt sich eine Gemeinsamkeit dieser beiden Dialoge, dass sie ausgehend von einer richtigen Deutung dieses Spruchs zu der Erkenntnis der Seele und dem darauffolgenden Aufstieg der Seele führen wollen. In diesem Zusammenhang tragen die richtige Anwendung und das gründliche Verständnis der Sprache dem Aufstieg der Seele bei. Der Zusammenhang zwischen der Rede bzw. Sprache und dem Aufstieg der Seele im Phaidros wurde in der platonischen Exegese mehrfach behandelt. Von den Kommentaren zu diesem Dialog ist lediglich einer von Hermeias überliefert. In diesem Kommentar setzt Hermeias sich mit einigen Theorien auseinander und bezeichnet alle als teilhaftig (Herm. in Phdr. 8–11). Dagegen stellt er die These heraus, dass die Rede im Phaidros wie ein Lebewesen sei und daher auch dieser Dialog wie ein Lebewesen angesehen werden müsse. Daraus resultiert, dass ein einziges, einheitliches Element den Dialog dominiert und seine Bestandteile zusammenhält, wie es auch für ein Lebewesen ein bestimmtes Ziel gibt. Diese Lebewesen-Metapher prägt, wie im Weiteren dargelegt werden wird, Olympiodors Behandlung der exegetischen Fragen und darin insbesondere der Absicht des Dialogs. 1.3 Das exegetische Fragenregister In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurden ausgehend vom Alkibiades-Kommentar einige allgemeine theoretische Überlegungen angestellt. Darüber hinaus gibt es eine weitere wesentliche Grundlage, die Olympiodor aus der exegetischen Tradition übernimmt: den interpretativen Fragenkatalog der spätantiken philosophischen Kommentare. Diese ‚einführenden‘ Aspekte der

II. Theoretische Grundlagen

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Textauslegung, die unter dem Begriff „schema isagogicum“ zusammengefasst werden,134 stammen aus dem Bereich der Rhetorik. Eine Liste der zentralen Fragen wird in einem undatierten anonymen Traktat aus der Spätantike wie folgt wiedergegeben: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Die Absicht (ὁ σκοπός)135 Der Nutzen (τὸ χρήσιμον) Die Authentizität (τὸ γνήσιον) Die Stellung im Zusammenhang der anderen Werke (ἡ τάξις τῆς ἀναγνώσεως) Die Begründung des Titels (ἡ αἰτία τῆς ἐπιγραφῆς) Die Aufgliederung in Kapitel oder Teile (ἡ εἰς τὰ μέρη διαίρεσις) Die Lehrmethode (ὁ διδασκαλικὸς τρόπος) Die Bestimmung des Genres (ἡ ὑπό τι μέρος ἀναφορά).136

Diese Themen wurden erst im Rahmen der Aristoteles-Kommentare in der philosophischen Exegese untersucht (vgl. Alex. Aphr. in APr. 42,23–25; Simp. in Cael. 1,2–3). Ausgehend von späteren Zeugnissen wird vermutet, dass zuerst Andronikos von Rhodos die Kategorien des Aristoteles nach diesen Fragen analysiert hat, wobei die ‚Erfindung‘ dieses ‚Fragenkatalogs‘ von Andronikos umstritten bleibt.137 In den spätantiken Kommentaren bildet dieses Schema einen integralen Bestandteil der Textuntersuchung.138 Insgesamt elf Aspekte werden in den anonymen Prolegomena aufgeführt (Anon. Proll. 28,1–16). Diese Liste, die das 134 Mansfeld 1994, S. 10–11. 135 Da σκοπός dem Verb σκοπεῖν zuzuordnen ist, meint dies die Betrachtung eines Ziels auf dem Weg dahin. Im exegetischen Kontext ist es „der Gegenstand, das Ziel des Buches“; Schwab/Gaeb 2011, S. 121. Ferner kann Skopos nach Bohle (2020, S. 116) auch mit „Hauptthema“ wiedergegeben werden. Auf dieser Linie erklärt Griffin (2015, S. 33) Skopos als „subject-matter“, während er bei der Übersetzung „target“ (ebd. S. 77; „purpose or target“, S. 16) bevorzugt, das bereits von Westerink vorgeschlagen wurde (siehe dazu Tarrant 1998, S. 23). Eine andere Übersetzung dieses Begriffs ist „aim“ (Van den Berg 2008, S. 96). Im Deutschen wird Skopos auch mit „Ziel“ wiedergegeben; vgl. Seils 1995. Angesichts dieser unterschiedlichen Interpretationen behält Bernard (1997, S. 23) den Begriff „Skopos“ bei. In der vorliegenden Untersuchung wird Skopos als ‚Absicht‘ aufgefasst, da dieses Wort den Aspekt des ‚Sehens‘ beinhaltet und dadurch den Blick auf die Bestandteile sowie auf das gesamte Ziel des Dialogs betont. Dadurch kommt m. E. ‚Absicht‘ im Deutschen der Bedeutung von σκοπός im Griechischen am nächsten. 136 Rhetorica anonyma (Walz) 728,5–729,14. 137 Mansfeld 1994, S. 40–42. 138 Vgl. Procl. in Ti. I.4,6–7, in Rep. I.9,2–16; Simp. in Cat. 8,9–12; Ammon. in Cat. 7,15–8,10; Ascl. in Metaph. 1,6–7; Olymp. in Cat. 113,22–25; Phlp. in Cat. 7,1–8,6; Anon. Proll. 28,1–16; Elias in Porph. 35,5–9; David in Porph. 80,12–14.

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B. Untersuchung des Kommentars

späteste Textzeugnis aus dem Umfeld der alexandrinischen Platon-Kommentatoren bietet, erstreckt sich von der Lebensgeschichte des Philosophen (ἱστορία τοῦ φιλοσόφου) bis zu seinen Lehrmethoden (πόσοις τρόποις κέχρηται διδασκαλίας).139 Im Unterschied dazu findet sich am Anfang des Kategorienkommentars von Ammonios eine andere Auflistung von zehn Aspekten.140 Somit variiert die Anzahl und Inhalt der Interpretationsfragen innerhalb der exegetischen Tradition. Im Alkibiades-Kommentar geht Olympiodor nur auf die folgenden einleitenden Fragen ein: 1. 2. 3. 4.

Die Absicht (σκοπός: 3,3–9,19), darunter die Begründung des Titels (3,5–8) Der Nutzen (χρήσιμον: 9,21–10,17) Die Stellung im Zusammenhang der anderen Werke (τάξις: 10,18–11,6) Die Unterteilung bzw. Aufgliederung in Kapitel oder Teile (εἰς τὰ κεφάλαια ἤτοι μέρη διαίρεσις: 11,7–13,8).

Vor diesen Fragen stellt Olympiodor das Leben Platons vor, das nach oben aufgeführten Anon. Proll. die erste Auslegungsfrage ist.141 Olympiodor scheint es jedoch als eigenständiges Thema zu betrachten und beginnt seine Textuntersuchung mit der Absicht, die er auch am ausführlichsten erläutert. Olympiodors Auffassung von der Absicht des Dialogs steht im Kontext der 139 Nach Westerink (1962, S. L) wird diese Abhandlung auf das spätere 6. Jh. n. Chr. datiert und wurde wahrscheinlich von einem Schüler Olympiodors verfasst oder von ihm inspiriert. Zum exegetischen ‚Fragenkatalog‘ siehe Mansfeld 1994, S. 2–7 und 10–39. 140 Zu, siehe Schwab/Gaeb 2011, S. 118–121. 141 Diese Einleitung mit dem Leben Platons, bekannt als Vita Platonis, ist eine Besonderheit von Olympiodors Alkibiades-Kommentar. Obwohl die vorbereitenden Lektüren eine Schlüsselrolle in der platonischen Bildung spielten, sind nur wenige Einführungstexte überliefert. In den anonymen Prolegomena wird „die Lebensgeschichte des Philosophen“ (τὴν ἱστορίαν τοῦ φιλοσόφου, Anon. Proleg. 28,3) als Ausgangspunkt für die Bewunderung der Philosophie Platons erwähnt. Da es sich bei den anonymen Prolegomena um eine eigenständige Abhandlung handelt, bietet Olympiodor mit Platons Leben das einzige Beispiel für eine Biographie Platons, die am Anfang eines Kommentars steht. Zur These einer verlorenen einleitenden Abhandlung des Proklos siehe Mansfeld 1994, S. 28–30. Auch wenn Textzeugnisse fehlen, kann davon ausgegangen werden, dass die Lektüre zu Aristoteles und Platon jeweils mit der Biographie dieser Philosophen begann; vgl. hierzu Hadot 2004, S. 59. Ob sich Proklos dabei auch mit dem Leben Platons auseinandergesetzt hat, lässt sich nicht feststellen. Westerink (1962, S. XLI) ist derAnsicht, dass das Leben des Philosophen nicht von Proklos abgeleitet ist. Zur Biographie als Widerspiegelung der philosophischen Doktrinen siehe Motta 2021, S. 36. Damit steht Olympiodor wie viele andere Platoniker in der Tradition der hellenistischen Bildung, die nach Marrou (1957, S. 309) einen Philosophen nicht nur als Lehrer, sondern als geistigen Anführer betrachtete. In diesem Zusammenhang stehen Philosophenbiografien wie Jamblichs „Über das pythagoreische Leben“, Porphyrios’ „Leben des Pythagoras“ sowie „Über Plotins Leben und die Anordnung seiner Schriften“. Anschließend verfasste Marinos das Leben des Proklos, Damaskios „Das Leben des Philosophen Isidoros“.

II. Theoretische Grundlagen

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platonischen Theorie der Sprache als Lebewesen, das auf einem Skopos (Absicht, Ziel und grundlegendes verbindendes Element) beruht. 1.3.1 Die Absicht (σκοπός) Gilt der platonische Dialog als ein lebendiges Wesen, so muss seine Existenz einen Sinn und Zweck haben. Wie Olympiodor öfter erwähnt, ist nichts in der Natur vergeblich und ohne Grund (in Alc. 58,5–6; in Grg. 50.2,30–3,1; in Phd. 6.10,4–5). Alle Bestandteile eines Lebewesens erfüllen ihre Funktion für den gesamten Organismus. Demzufolge tragen auch bei einem Dialog alle Einzelheiten zu der Erfüllung einer bestimmten Absicht (σκοπός) bei. Die Untersuchung der Absicht beruht auf der Theorie der Rhetorik, die das Ziel und zugleich das Thema einer Rede mit dem Skopos-Begriff auffasst.142 Nach dieser Theorie besitzt jeder Bestandteil in einer Rede eine Funktion und trägt zu der Erfüllung derAbsicht bei. Bei der bereits erwähnten Reihenfolge der platonischen Dialoge berücksichtigt Jamblich diese mit ihrer entsprechenden Absicht in den Tugendgraden, die ein aufsteigendes Schema darstellen.143 Die Erläuterungen bezüglich der Absicht und Vorgehensweise der platonischen Dialoge wurden von späteren Exegeten wie Hermeias und Proklos ausführlich behandelt.144 An dieseTradition anknüpfend nimmt die Skopos-Theorie auch bei Olympiodor eine wichtige Stellung ein.145 Folglich steht Alkibiades nach Olympiodor am Anfang der philosophischen Tugenden und dient der Absicht, die politische Tugend zu bewirken: Olymp. in Alc. 4,15–21: Ὁ δὲ Δαμάσκιος ἀκριβέστερον καὶ ἀληθέστερον παραδιδοὺς τὸν σκοπὸν οὐχ ἁπλῶς φησὶν αὐτὸν εἶναι περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτόν, ἀλλὰ περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτόν. 142 Zur Begriffserklärung insbesondere im Zusammenhang mit Platon siehe Stoellger 2007. Zur Bedeutung von σκοπός siehe Anm. 135. 143 Siehe dazu Tarrant 1998, S. 23 und Van den Berg 2008, S. 96. Jamblichs Position wird von Hermeias überliefert, der sich zur Absicht des Phaidros auf Jamblich bezieht. Hermeias vertritt die These, dass die Absicht des Phaidros das Schöne in allen Bereichen sei, beginnend mit dem irdisch Schönen bis hin zur Schönheit auf der göttlichen Ebene (vgl. Herm. in Phdr. 9,9ff.; siehe dazu Bernard 1997, S. 24). 144 In dieser Hinsicht haben die deutliche Verknüpfung des Lebewesen-Bildes mit der Absicht bei Hermeias (vgl. Herm. in Phdr. 11,24–12,3) und Proklos’ Ausführungen über die Absicht verschiedener Dialoge (Procl. in Cra. 1,1–9; in Alc. 9,7) eine besondere Bedeutung für Olympiodor. Olympiodors Lehrer Ammonios (Ammon. in Cat. 93,9) und andere alexandrinische Exegeten wie Damaskios (Dam. in Prm. 220,20) liefern ebenfalls Erklärungen zur Absicht verschiedener Texte. 145 Bohle (2020, S. 135–136) weist auf den Gebrauch des Lebewesen-Bildes auch bei Hermeias hin, dessen Kommentar zum Phaidros wohl einer der wichtigsten Grundlagen der Skopos-Theorie unter den späteren alexandrinischen Exegeten war.

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B. Untersuchung des Kommentars

τοῦτο δὲ κατασκευάζει ἐκ τοῦ ὁρίζεσθαι τὸν ἄνθρωπον ἐν τῷ διαλόγῳ τούτῳ ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ κεχρημένην τῷ σώματι· μόνος δὲ ὁ πολιτικὸς ὀργάνῳ κέχρηται τῷ σώματι, δεόμενος ἔστιν ὅτε θυμοῦ, ὡς ὑπὲρ πατρίδος, ἀλλὰ καὶ ἐπιθυμίας τοῦ εὖ ποιῆσαι τοὺς πολίτας. οὔτε δὲ ὁ καθαρτικὸς οὔτε ὁ θεωρητικὸς δεῖται τοῦ σώματος. Damaskios aber gab die Absicht [des Dialogs] genauer und richtiger an, indem er sagt, dass diese nicht das Erkennen des Selbst schlechthin ist, sondern das Erkennen des Selbst auf politische Weise. Diesen Schluss zieht er daraus, dass der Mensch in diesem Dialog als vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, definiert wird. Denn nur der politische Mensch benutzt den Körper als Werkzeug, da er manchmal Mut braucht, um für sein Vaterland [zu kämpfen], aber auch Antrieb, um den Mitbürgern gute Taten zu erweisen. Weder der kathartische Mensch noch der theoretische Mensch braucht den Körper.

An dieser Stelle kommentiert Olympiodor, dass die Absicht des Alkibiades von Damaskios exakter festgestellt wurde, wobei er im Folgenden erklärt, dass auch Proklos diese Ansicht vertrete, auch wenn er dazu eine andere Ausdrucksweise verwende (5,15–6,5). Proklos’ Erläuterung der Absicht des Dialogs steht am Anfang seines Alkibiades-Kommentars. Darin hält Proklos fest, dass sowohl der Anfang der Philosophie als auch der der platonischen Bildung in der Selbsterkenntnis liege (Procl. in Alc. 5,13–14: Αὕτη τοίνυν ἔστω καὶ φιλοσοφίας ἀρχὴ καὶ τῆς Πλάτωνος διδασκαλίας, ἡ ἑαυτῶν γνῶσις·). Deshalb müsse die Lehre der Philosophie damit anfangen, in welchem Dialog Platon diese Absicht am besten darstelle (6,4–5: καὶ ζητητέον, ἐν τίνι μάλιστα τῶν διαλόγων ὁ Πλάτων τοῦτον ἔχει σκοπόν). Diesen bestimmt Proklos in der Folge als den Alkibiades (6,7–9: ἆρ’οὖν ἄλλον τινὰ ἂν ἔχοιμεν εἰπεῖν πρὸ τοῦ Ἀλκιβιάδου καὶ τῆς ἐν τούτῳ παραδεδομένης τοῦ Σωκράτους συνουσίας;). Proklos scheint hierbei die Absicht als „Erkennen des Selbst“ (ἡ ἑαυτῶν γνῶσις) zu definieren, das Olympiodor zufolge spezifischer ausgedrückt werden müsste. Der Auffassung von Proklos (in Alc. 3,3–4,14) stellt Olympiodor die Interpretation des Damaskios entgegen. Schließlich harmonisiert er die Absicht bei Damaskios und Proklos, indem er beide Interpretationen als richtig betrachtet (5,17–6,7): Zwar gehe es im Alkibiades im Allgemeinen darum, sich selbst zu erkennen, die Art dieser Selbsterkenntnis werde aber durch den Zweck des Gesprächs als Alkibiades’ Vorbereitung auf eine politische Karriere bestimmt. Aus diesem Grund habe Damaskios die Absicht des Dialogs als die Erkenntnis des politischen Menschen genauer formuliert (4,15–17), die als „die Absicht vorwiegend“ (6,1: ὁ σκοπὸς προηγουμένως) des Dialogs angesehen werden sollte.146 146 Vgl. hierzu die Übersetzung dieses Abschnitts. Ob es sich bei der Aussage „Absicht vorwiegend“ um Olympiodors Schlussfolgerung in Anlehnung an Damaskios oder einen

II. Theoretische Grundlagen

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Vor diesem Hintergrund stellt Olympiodor fest, dass der Alkibiades die Erkenntnis des politischen Menschen behandelt. Die kathartischen und theoretischen Tugenden bezeichnen die Menschen, die sich von einer Abhängigkeit vom Körper befreien. Dagegen ist für ein Leben als ‚politischer Mensch‘, das heißt, als ein in der Gesellschaft lebender und handelnder Mensch, der Gebrauch des Körpers notwendig. Für den politischen Menschen besteht daher die wichtigste Aufgabe der Philosophie darin, die Definition des Menschen als Seele und des Körpers als deren Werkzeug zu bestimmen. 1.3.2 Der Nutzen (χρήσιμον) Die Feststellung über die Absicht des Dialogs steht nach Olympiodor in klarem Zusammenhang mit seinem Nutzen, da sie die Gleichheit zwischen dem Selbst des Menschen und seiner Seele begründet. Die Betonung des Nutzens der platonischen Philosophie wird von Olympiodor gleich zu Beginn des Kommentars aufgeführt: Alle Menschen würden Platons Philosophie anstreben, weil sie einen Nutzen aus ihr ziehen wollen (1,7–8: χρηστὸν παρ’αὐτῆς ἅπαντες ἀρύσασθαι βουλόμενοι). Im Zusammenhang mit den Auslegungsfragen definiert Olympiodor genauer, worin dieser Nutzen besteht. Der Nutzen des Alkibiades sei, wie seine Absicht, dreifach: Wie es eine Absicht nach Proklos, eine nach Damaskios und eine nach den Exegeten gibt (9,22), so ergeben sich nach Olympiodor drei Nutzen aus diesem Dialog (10,1–17): 1. Die Unsterblichkeit der Seele und ihre Ewigkeit (τὴν ἀθανασίαν τῆς ψυχῆς καὶ τὸ ἀΐδιον), denn wir erkennen uns selbst durch die Rückwendung auf uns. Alles, was sich auf sich selbst zurückwendet, ist ewig und unsterblich. 2. Die Erkenntnis aller Seienden (τὴν γνῶσιν πάντων τῶν ὄντων), da diese in der Erkenntnis der Seele besteht. 3. Die Erkenntnis dessen, was gut und was schlecht für die Seele ist (τὸ γνῶναι τί ἀγαθὸν τῇ ψυχῇ καὶ τί κακόν), die sich aus der Erkenntnis dessen ergibt, was die Vollkommenheit (τελειότης) der Seele und damit ihre Tugend oder Schlechtigkeit ist. Dies führt letztlich zum Glück, denn Glückseligkeit und Unglück entstehen aus der Tugend oder Schlechtigkeit der Seele. Diese drei Aspekte versprechen einen umfangreichen Nutzen für diejenigen, die sich mit dem Alkibiades beschäftigen. Bemerkenswert ist hier der ethische anderen ungenannten Exegeten handelt, macht der Text an dieser Stelle nicht deutlich. Die argumentative Nähe zu Damaskios’ These legt hier m. E. die Identifizierung des Subjekts mit Damaskios nahe. Joosse (2021, S. 1) ist dagegen der Meinung, dass mit diesem Ausdruck nicht Damaskios, sondern Olympiodor gemeint ist, auf den der SchülerVerfasser sich hier bezieht.

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B. Untersuchung des Kommentars

Bezug aller drei Nutzen. Keiner der aufgeführten Punkte besagt, dass die Menschen aus diesem Dialog Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sie eine erfolgreiche politische Karriere gestalten können. Vielmehr konzentrieren sich diese nützlichen Aspekte auf den Bereich der politischen Tugend. Die Erkenntnis der Unsterblichkeit der Seele deutet daraufhin, dass Menschen ihr Handeln nicht nur nach dem praktischen Nutzen in ihrem gegenwärtigen Leben ausrichten sollten, sondern nach dem Nutzen der Seele. Im Alkibiades wird prinzipiell die Pflege und Kultivierung (ἐπιμέλεια) der Seele vorausgesetzt, um Wissen und Glückseligkeit zu erlangen. Der zweite Aspekt, dass wir durch die Erkenntnis der Seele zur Erkenntnis des gesamten Seins gelangen, bleibt relativ abstrakt. Wahrscheinlich wird damit das Prinzip der Verwirklichung des ‚wahren Seins‘ erfasst: Wer die Seele in sich selbst erkennt, kann nach diesem Prinzip die wahre Identität allen Seins herausfinden. Der wichtigste Vorteil besteht schließlich darin, dass durch die Erkenntnis der Seele auch die Erkenntnis ihrer Vollkommenheit und ihrer Tugenden gegeben ist. Demnach werden Menschen erst dann im wahren Sinne tugendhaft und damit glücklich, wenn sie ihre Seele kennen. Nach Olympiodor birgt der Alkibiades also in allen wesentlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Nutzen. 1.3.3 Die Stellung (τάξις) und die Gliederung (διαίρεσις) Nach den ersten beiden Interpretationsfragen, die die Absicht und den Nutzen des Dialogs betreffen und somit die Bedeutung des Alkibiades unterstreichen, untersucht Olympiodor zwei eher‚technische‘ Aspekte: Die Stellung des Dialogs im platonischen Korpus (10,18–11,6) und die Untergliederung des Dialogs in Hauptteile (κεφάλαια ἤτοι μέρη; 11,7). Diese Aspekte sind insofern als ‚sprachphilosophisch‘ zu betrachten, als sie die Interpretation des sprachlichen Ansatzes des Dialogs betreffen. Zunächst prägt die Stellung des Dialogs die Interpretation seiner Rolle in der philosophischen Bildung. Wie zu Beginn dieses Kapitels erläutert, betont Olympiodor, dass der Alkibiades als erster platonischer Dialog gelernt werden muss, da die Selbsterkenntnis für den Menschen eine Priorität ist (10,19–20) und dieser Dialog den sokratischen Weg zum Erlernen der Philosophie darstellt (11,1–2). Folglich hat der Alkibiades methodisch eine grundlegende Bedeutung und dient zugleich als Schlüssel der platonischen Philosophie.147 Auf dieser Grundlage, so Olympiodor, ist derAnsatz des Alkibiades programmatisch für die platonische Bildung und manifestiert sich in der Position des Dialogs.

147 Olymp. in Alc. 11,5: „Eingangstüre des Tempels“ (προπύλαια). Siehe dazu Kapitel A. II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung.

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Die Gliederung des Dialogs in Hauptteile (11,7–13,8), die bereits im Hinblick auf die formale Gestaltung erläutert wurde,148 möchte ich hier kurz zusammenfassen. Abgesehen von der Einleitung (προοίμιον) sind die drei Hauptteile Widerlegung (ἐλεγκτικόν), Ermunterung (προτρεπτικόν) und philosophische ‚Geburtshilfe‘ (μαιευτικόν). Was die sprachlichen Konsequenzen dieser Teile betrifft, so lässt sich Folgendes feststellen: Nach Olympiodor folgt Platon in jedem Abschnitt einer sprachlichen Ausdrucksweise, die im Allgemeinen dessen ‚Natur‘ entspricht. So häufen sich die Syllogismen im widerlegenden Teil.149 Ferner sind Imperative in der Ermutigung vorherrschend.150 Schließlich besteht der größte Teil des Gesprächs in der ‚philosophischen Geburtshilfe‘ aus Fragen und Antworten und nicht aus theoretischen Ausführungen.151 Auf diese Weise unterstreicht Olympiodor den unterschiedlichen Charakter der drei Hauptteile auch auf sprachlicher Ebene. 1.3.4 Die Bedeutung des Skopos für die exegetische Praxis Alle vier Interpretationsfragen, die Olympiodor erläutert – Absicht, Nutzen, Stellung und Gliederung – begründen die Besonderheit des Alkibiades für die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Kontext. Darüber hinaus erhält die Absicht eine weitere Bedeutungsebene, da sie Lebewesen und damit sowohl den Menschen als auch den Dialog betrifft und sie in eine Analogie zueinander bringt. Olympiodor betont mehrmals die Definition des Menschen im Alkibiades als die Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. Diese Definition beruht auf den Stellen des Dialogs, an denen Sokrates die ‚Werkzeug-Nutzer-Problematik‘ untersucht und dabei insbesondere sich selbst und Alkibiades als diejenigen definiert, die im Dialog die Sprache als Werkzeug benutzen.152 Auf diese Weise macht die Exegese von der Sprache als Werkzeug Gebrauch, um die Absicht des Dialogs zu erforschen. Folglich wird die Exegese eines platonischen Dialogs auf die gleiche Ebene wie die Gesprächsführung im Dialog selbst gestellt und als ein Weg angesehen, den Menschen als Seele zu erkennen. Olympiodor betrachtet im Alkibiades dieses sorgfältig geplante Geflecht der Sprache, das zu einer Absicht führt:

148 149 150 151 152

Kapitel B. I.2. Die Abschnitte des Dialogs. Vgl. Olymp. in Alc. 64,19–65,5; 68,26–69,8. Z. B. εὔελπις ἔσο, „sei guter Hoffnung“; Olymp. in Alc. 142,10. Olymp. in Alc. 180,15–181,7. Vgl. Plat. Alc. 129b–131a.

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Olymp. in Alc. 4,2–4: καὶ πάλιν ἐκ τοῦ μετὰ τὸ δεῖξαι ἐν τῷ πέρατι τοῦ διαλόγου ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος καταπαῦσαι τὸν λόγον, ὡς πάντων τῶν προειλημμένων πρὸς τὴν τούτου κατασκευὴν προλεχθέντων. Und wiederum [folgt es] daraus, dass er [sc. Sokrates] seine Rede beendet, nachdem er am Ende des Dialogs aufzeigt, dass die Seele der Mensch ist, sodass alles, was zuvor angenommen wurde, für die Erstellung dieses [Arguments] im Voraus geäußert wurde.

Durch das Wort ‚Erstellung‘ (κατασκευή) im Zusammenhang mit dem Verb κατασκευάζειν im Sinne von „bauen, konstruieren“ verweist Olympiodor auf die ‚Konstruktion‘ des Dialogs. In dieser Hinsicht werden Argumente und Thesen im Dialog als die Bestandteile der Hauptargumentation betrachtet. Die Elemente des Dialogs werden wie Werkzeuge für eine Baustelle verwendet, damit am Ende die Absicht des Dialogs wie ein Gebäude vor Augen steht. Olympiodor identifiziert diese Absicht mit der Feststellung, dass die Seele der Mensch ist. Dies wird dadurch begründet, weil diese Aussage ganz am Ende des Dialogs geäußert wird (Plat. Alc. 130c–e).153 Die Absicht wird durch alles, das vorher angenommen wurde (πάντων τῶν προειλημμένων), aufgebaut, weshalb nicht nur Thesen und Argumente, sondern alle sprachlichen Einzelheiten des Dialogs darin einbezogen werden. Diese Äußerungen wurden vorher gemacht (προλεχθέντων), damit der Dialog an dieser Stelle zu seinem Schluss gelangt, der gleichzeitig seine Absicht ist. Angesichts dieserAbsicht gewinnt jedes Detail im Dialog rückblickend einen Sinn. Die Skopos-Theorie ausgehend von Platons Phaidros bezeichnet die sprachlichen Eigenschaften einer Rede als Widerspiegelung ihrer Absicht. Dementsprechend wird die Ausdrucksweise eines platonischen Dialogs als Darstellung der darin enthaltenen Erkenntnis angesehen. Auf dieser Grundlage wird ein angemessener Gebrauch der Sprache als der Weg zur Erkenntnis aufgefasst. Hinsichtlich der Absicht des Alkibiades, den Menschen und dadurch alle Seienden zu erkennen, kommt der Exegese eine wichtige Aufgabe zu. Diese Aufgabe kann die Exegese nur erfüllen, wenn alle Einzelheiten im platonischen Dialog sorgfältig untersucht werden. Platons Betrachtung der Sprache als Werkzeug (ὄργανον)154 im Dialog interpretiert Olympiodor dahingehend, dass 153 Sokrates beendet an dieser Stelle seine Rede nicht, sondern geht im Anschluss darauf ein, welcher Teil der Seele der Mensch sei und was die richtige Selbstsorge sei (Plat. Alc. 131a–135e). Olympiodor betrachtet es wahrscheinlich deshalb als das Ende der Rede, da Sokrates feststellt, dieses Ergebnis solle für jetzt ausreichend sein, da diese weiteren Themen eine ausführlichere Behandlung benötigen würden (130d3–6). 154 Vgl. Plat. Alc. 129b–131a.

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die sprachliche Ausdrucksweise des Dialogs als ein Mittel dient, um die darin vermittelte Erkenntnis zu erfassen. Daraus resultiert eine sprachorientierte Perspektive bei der Erklärung der philosophischen Inhalte. Diese Annäherung an die Sprache als ein Werkzeug der Erkenntnis wird durch andere sprachphilosophische Positionen in der platonischen Exegese unterstützt. Grundlegend dazu ist Platons Kratylos und dessen Interpretation bei Proklos, auf die im folgenden Kapitel eingegangen werden wird. 1.4 Sprache als Werkzeug der Exegese Das Verhältnis zwischen den sprachlichen Ausdrücken und ihrem Wahrheitsgehalt behandelt Platon ausführlicher im Kratylos, auf den Olympiodor auch im Alkibiades-Kommentar verweist.155 In diesem Dialog findet sich eine weitere Betrachtung der Sprache als eines Werkzeugs nicht nur als ein ‚Mittel‘ für die Gesprächsführung, sondern für Erwerb und Vermittlung von Wissen: Plat. Cra. 388b13–c1: Σωκράτης ὄνομα ἄρα διδασκαλικόν τί ἐστιν ὄργανον καὶ διακριτικὸν τῆς οὐσίας ὥσπερ κερκὶς ὑφάσματος. SOKRATES: Der Name ist also ein Werkzeug, das man braucht zur Belehrung, und ein Hilfsmittel zur Sonderung der Wesensart, so wie es das Weberschiffchen mit dem Gewebe macht.156

Platon stellt hierbei die These auf, dass die Namen (ὀνόματα) als ein „Werkzeug der Lehre“ (διδασκαλικόν ὄργανον) zu betrachten seien. Diese Auffassung über 155 In Bezug auf die etymologische Erklärung der Wörter bezieht Olympiodor sich auf Kratylos (Olymp. in Alc. 88,19–21) und Phaidros (227,5–8). Ausgehend von diesen Dialogen bilden die etymologischen Verhältnisse zwischen Wörtern und ihrem Wahrheitsgehalt ein bedeutendes Thema der platonischen Exegese, wie Proklos im Kommentar zum Kratylos (siehe Van den Berg 2008, S. 173–191) und Hermeias im Kommentar zum Phaidros darstellen (siehe dazu Bernard 1997, S. 50–55). 156 Zur Interpretation dieses Satzes siehe Van den Berg (2008, S. 3–4), der καί nicht kopulativ, sondern explikativ auffasst. Er übersetzt wie folgt: „So, a name is a tool for giving instruction, that is to say for dividing being, just as a shuttle is a tool for dividing warp and woof “. Nach dieser Interpretation wäre eine andere Übersetzung möglich: „Ein Name ist also ein Werkzeug der Lehre, und zwar eines, das das Wesen aussondert, wie das Weberschiffchen das Gewebe.“ Dabei geht es aus dem Zusammenhang nicht eindeutig hervor, ob der Satzteil καὶ διακριτικὸν τῆς οὐσίας („ein Wesen sonderndes“) eine andere Funktion der Sprache nennt oder die erste Funktion erläutert. Auch Schleiermacher (1824) betrachtet καί als kopulativ und übersetzt wie folgt: „Das Wort ist also ein belehrendes Werkzeug und ein das Wesen unterscheidendes und sonderndes, wie die Weberlade das Gewebe sondert.“. Eine Klärung dieser Auslegungsfrage kann jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vorgenommen werden.

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die ‚Namen‘, die spezifisch auf die Begriffe deuten können, wird bei den Neuplatonikern insgesamt auf die Sprache bezogen. Dies verdeutlicht Proklos in seinem Kratylos-Kommentar durch die Feststellung, dass die Definition eines Gegenstands seinem Wesen entspreche und daher das Wissen der Namen gleichzeitig die Erkenntnis des Wesens bedeute.157 Obwohl Platon im Kratylos gegenüber der Wahrheit aller sprachlichen Ausdrücke ambivalent bleibt,158 betrachtet Proklos die Wahrheit der Sprache als gegeben: Diese kann nur von den Eigenschaften des erfassten Gegenstands oder von der Eigenschaft des Erkennenden beeinflusst werden.159 Solange die Namen der Dinge gemäß ihren Ideen festgelegt werden, ist die Sprache nach Proklos ein Ausdruck der Wahrheit.160 Proklos wendet diese Sichtweise in seiner Exegese an und betrachtet die sprachlichen Elemente als Widerspiegelung des wahren Wesens und als Instrumente der Dialektik.161 Da die Sprache als Vermittler der Wahrheit dient, sollen sich die Inhalte der philosophischen Aussagen in ihrer literarischen Komposition wiederfinden. Folglich wird die Sprache bei Proklos auch zu einem Werkzeug der Exegese, die auf der Suche nach der Erkenntnis richtig verwendet werden muss. Hier zeigt sich wieder der Einsatz eines Werkzeuges von Nutzern, wie auch im Fall von Seele und Körper für den politischen Menschen, als Vorteil: Der Körper hilft dem politischen Menschen, sinnvolle Taten in der Gesellschaft zu vollbringen, und die Sprache hilft dem Menschen, zu philosophischem Wissen zu gelangen.162 Während in diesen beiden Fällen die Beziehung zwischen Nutzer und Werkzeug nicht wesentlich ist, werden die Werkzeuge 157 Siehe hierzu Marzillo 2010, S. XXVI–XXVII. 158 Das wird insbesondere daran deutlich, dass Sokrates hinterfragt, wie die ersten Namensgeber ohne Namen die Dinge gewusst haben könnten und folgert, dass es besser sei, die Dinge nicht mit ihren Namen, sondern durch sie selbst zu erkennen (Plat. Cra. 439b4–9). 159 Proklos vertritt die Annahme, dass vergängliche Entitäten sprachlich nicht richtig erfasst werden, während die sprachliche Darstellung der göttlichen Wesen ihrer Realität entspricht (vgl. Procl. in Alc. 95–96). 160 Vgl. Van den Berg 2008, S. 131–132. 161 Proklos führt zu diesem Zweck Sokrates’ Verwendung von Begriffen bzw. Namen (ὀνόματα) im dialektischen Verfahren an; vgl. ebd. S. 159; vgl. Procl. in Cra. 67–68. 162 In diesem Zusammenhang weist Proklos darauf hin, dass es verschiedene Arten des „Nutzens“ gibt, die differenziert werden müssen: Wenn der Dialektiker die Tätigkeit des Gesetzgebers nutzt, obwohl er überlegen ist, dasselbe Gesetz aber auch vom Richter genutzt wird, der ihm unterlegen ist, ist das nach Proklos kein Widerspruch: Die geteilte Seele benutze einerseits den Daimon im Sinne eines Aufsehers, andererseits den Körper im Sinne eines Werkzeugs. Procl. in Cra. 63,1-5: Εἰ τῷ τοῦ νομοθέτου ἔργῳ χρῆται μὲν καὶ ὁ διαλεκτικὸς ὡς κρείττων, χρῆται δὲ καὶ ὁ δικαστὴς ὡς χείρων, ἄτοπον φαίνεται. ἧ ὁ μὲν ὡς ὀργάνῳ χρῆται, ὁ δὲ ὡς ἀρχῇ καὶ θέσει; καὶ γὰρ ἡ μεριστὴ ψυχὴ τῷ μὲν δαίμονι χρῆται ὡς ἄρχοντι καὶ ἐφόρῳ, τῷ δὲ σώματι ὡς ὀργάνῳ·

II. Theoretische Grundlagen

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als hilfreiche Mittel angesehen, solange sie in dem Bewusstsein benutzt werden, dass sie nicht zum Wesen gehören – wohl aber Anhaltspunkte zum Begreifen von Wesen sind. Proklos’ Ansichten über Sprache sind wesentlich für Olympiodor, da er die Untersuchung der sprachlichen Einzelheiten bei der Exegese auf Proklos zurückführt.163 An einer Stelle des Alkibiades-Kommentars erläutert Olympiodor zwei exegetische Annäherungen, von denen die eine die von Damaskios in der alexandrinischen Exegese vor Olympiodor vorherrschende Vorgehensweise war, die andere dagegen die von Proklos herrührende jetzt bei Olympiodors Exegese bedeutender ist. Olymp. in Alc. 204,15–205,7: καὶ ἔοικεν ὁ μὲν Δαμάσκιος ἐπιστημονικώτερον λέγειν, ὁ δέ γε φιλόσοφος Πρόκλος ἐξηγηματικώτερον τῆς λέξεως. συμφωνεῖ γὰρ αὐτῷ ἡ λέξις· ἀρχόμενος γάρ φησιν ὅτι, ἐὰν εὑρεθῇ ‘αὐτὸ τὸ αὐτό’, δεῖ ζητῆσαι καὶ τί ‘αὐτὸ τὸ αὐτὸ ἕκαστον’. πρόκειται δὲ ἐνταῦθα παραδοῦναι οὐ καθαρτικόν, οὐ θεωρητικόν, ἀλλὰ τὸν πολιτικὸν ἄνθρωπον· διὸ καὶ οὕτως ὁρίζεται αὐτόν, ‘ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι’. ὥστε ὁ μὲν τοῖς πράγμασι προσέσχεν, ὁ δὲ τῇ λέξει. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία. Und Damaskios scheint sich mehr mit Blick auf die Fachkenntnis auszudrücken, der Philosoph Proklos dagegen mehr mit Blick auf die Auslegung der Sprachausdrücke. Denn der Text ist in Übereinstimmung mit ihm. Er sagt nämlich am Anfang, dass, wenn „das Selbst selbst“ gefunden werden soll, es auch notwendig ist, zu untersuchen, was „jedes einzelne Selbst selbst“ ist. Er nimmt sich hier also vor, weder den kathartischen noch den theoretischen Menschen als Beispiel anzugeben, sondern den politischen. Auch deshalb definiert er diesen als „vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt“. Folglich widmete der eine [sc. Damaskios] seine Aufmerksamkeit dem Gegenstand, der andere [sc. Proklos] dagegen der sprachlichen Ausdrucksweise. Daraus besteht die Theorie.

Zuerst scheint Olympiodor zwei Gegensätze zu unterscheiden, die allerdings vielmehr Alternativen zueinander sind. Einerseits bezeichnet er Damaskios’ Annäherung als „auf erkenntnisbezogenere Weise“ (ἐπιστημονικώτερον), andererseits Proklos’ Weg als „auf exegetischere Weise“ (ἐξηγηματικώτερον). Diesen Unterschied wiederholt Olympiodor am Ende der Textstelle mit anderen 163 Diese sprachorientierte Annäherung geht auch aus der alexandrinischen Platon-Exegese hervor, wie Hermeias im Phaidros-Kommentar darstellt (siehe dazu Bernard 1997, S. 27). Obwohl Olympiodor sich an dieser Stelle nicht auf Hermeias bezieht, kann seine Auffassung zu Olympiodors Interpretation beigetragen haben. Bei der Untersuchung seiner exegetischen Vorgehensweise im Folgenden (Kapitel B. III) werden mehrere Ähnlichkeiten von Olympiodors Exegese mit Hermeias und Ammonios gezeigt. Andererseits liegt Olympiodors besonderer Fokus auf Proklos teilweise auch daran, dass er sich in erster Linie mit seinen Quellen im Bereich der Alkibiades-Kommentare auseinandersetzt.

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B. Untersuchung des Kommentars

Wörtern: dass Damaskios πράγματα in den Vordergrund stelle, Proklos dagegen λέξις. Beide Begriffe besitzen ein breites Bedeutungsspektrum. Folglich ermöglichen sie unterschiedliche Interpretationen, wie λέξις in dem oben zitierten Abschnitt zuerst als ‚Sprachausdruck‘, danach spezifisch als ‚Text‘ des platonischen Dialogs und am Ende allgemein als ‚sprachliche Ausdrucksweise‘ aufgefasst wurde. Wie konkret oder allgemein Olympiodor dieses Wort an der jeweiligen Stelle verwendet, kann ausgehend vom Kontext nicht eindeutig bestimmt werden. Auch die Bedeutung von πράγματα, die bei Damaskios im Vordergrund stehen sollen, ist schwer zu rekonstruieren. Den Gebrauch dieses Wortes erörtert William O’Neill anhand von Beispielen aus Proklos’ AlkibiadesKommentar.164 Darin bestimmt er unterschiedliche Bedeutungen von τὰ πράγματα, die sich von konkreten Gegenständen und Angelegenheiten bis zu den Wesen und Wahrheiten auf der intelligiblen Ebene erstrecken. Für die oben zitierte Textstelle ist insbesondere der Aspekt ‚Gegenstand der Diskussion‘ (nach O’Neill: „subject-matter“) als relevant zu betrachten. So kritisiert Proklos in Bezug auf die Gliederung des Dialogs, dass einige Exegeten nicht darauf achten, wie der Gegenstand der Diskussion zur Sprache kommt (12,13–14: τῆς δὲ τῶν πραγμάτων ἀπολείπονται διαρθρώσεως). Er bezeichnet dagegen Jamblichs Theorie als „ausgehend von dem Gegenstand selbst“ (13,17–18: ὁ ἀπ’ αὐτῶν ὁρμώμενος τῶν πραγμάτων).165 In dieser Hinsicht entsprechen τὰ πράγματα dem Gegenstand der Diskussion, der über die formalen Elemente hinausgeht. Obwohl Proklos hierbei die Aussprache bzw. die Ausdrucksweise (τὸ λεκτικόν) mit dem Gegenstand (τὰ πράγματα) kontrastiert, schreibt Olympiodor die Annäherung ausgehend von der wörtlichen Ausdrucksweise (λέξις) Proklos zu, dagegen die Zugrundelegung der thematischen Zusammenhänge Damaskios. Dabei ist zu beachten, dass Proklos hier die Voranstellung von τὸ λεκτικόν aus dem Grund kritisiert, dass viele aufgrund einer Klassifizierung der Dialogteile nach ihrem literarischen Stil die hauptsächliche Argumentation nicht berücksichtigen würden. Unter diesem Gesichtspunkt stellt Olympiodor den Ansatz von Proklos als „exegetischer“ dar, da dieser mit seiner Betonung derAusdrucksweise, der Wortwahl oder des ‚Textes‘ (λέξις) den sprachlichen Inhalt über formale Kriterien stellt. Wie Proklos diese Methode anwendet, kann in Hinblick auf seinen Alkibiades-Kommentar gezeigt werden. Proklos beschäftigt sich mit der Bedeutung einzelner Wörter sowohl im Hinblick auf die theoretische Untersuchung (θεωρία) als auch auf Worterklärungen (λέξις).166 Dabei findet sich mehrmals 164 O’Neill 1965, S. 237–247. 165 Zur Erläuterung dieser Stelle siehe Kapitel B. I.2. Die Abschnitte des Dialogs. 166

II. Theoretische Grundlagen

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eine Aufeinanderfolge von Themen (πράγματα), Gedanke (διάνοια) oder Schlussfolgerung (συλλογισμός) und der Sprache (λόγος), Wortwahl bzw. sprachliche Ausdrucksweise (λέξις) oder Wörter (ῥήματα).167 Diese Erklärungen bei Proklos befassen sich mit dem Gebrauch bestimmter Wörter in Bezug auf die Argumentation168 oder mit ihrer Etymologie.169 Da auch Proklos seine Erläuterung des Alkibiades mit der Absicht des Dialogs beginnt, setzt er dementsprechend einen Akzent auf den Sprachgebrauch im Dialog. Als Beispiel dazu können seine Erklärungen herangezogen werden, bei denen auf die einzelnen Worte eingegangen wird. Zu einer Stelle des Dialogs (Plat. Alc. 104a4–b3) kommentiert Proklos wie folgt: Procl. in Alc. 107,7–12: Ἔτι τοίνυν καὶ τῶν ῥημάτων ἕκαστον θεασώμεθα. τὸ μὲν δὴ ‘οἴει’ πρόσκειται ἐν τοῖς ἐκκειμένοις ῥήμασιν ἱκανὸς ἔλεγχος τῆς ψευδοῦς ὑπολήψεως. τί γὰρ ἄλλο διὰ τῆς προσθήκης ἐνδείκνυται ταύτης ἢ ὅτι οἴει μέν, οὐ μέντοι ἔχει ταῦτα οὕτως; καὶ πρόσεστι καὶ τὸ ἀλαζονικὸν καὶ τὸ φορτικόν, αὐτὸν εἶναι τὸν κήρυκα τῆς εὐδαιμονίας, αὐτὸν τὸν κηρυττόμενον, αὐτὸν τὸν ἐπαινέτην, αὐτὸν τὸν ἐπαινούμενον. Weiterhin sollen wir jedes einzelne Wort betrachten. Der [Ausdruck] „du glaubst“ ist den Wörtern hinzugefügt, die aufgestellt worden sind, da er dafür geeignet ist, eine falsche Annahme zu widerlegen. Denn worauf sonst wird durch diese Zugabe hingewiesen, als ‚du glaubst das, aber das ist nicht so‘? Ferner ist dabei eine stolze und grobe Art, indem [Alkibiades] selbst sowohl Verkünder seines eigenen Glücks als auch das Objekt der Verkündigung ist, also selbst der Lobende und Gelobte ist.

Die Betrachtung der einzelnen Worte (τῶν ῥημάτων ἕκαστον θεασώμεθα) ist nach Proklos eine Herangehensweise, die sich an mehreren Stellen des Dialogs als hilfreich erweist. So ist der Ausdruck ‚du glaubst‘ Proklos zufolge an dieser Stelle wesentlich, um zu begründen, dass es zur Widerlegung der folgenden Annahme dient.170 Darüber hinaus geht Proklos auf die Bedeutung des Verbs οἴομαι als „glauben“ ein, das darauf deutet, dass die Realität anders ist als jemand ‚glaubt‘. Am Ende des Abschnitts stellt er fest, dass der Dialog Alkibiades’ stolzen Charakter ausdrückt, indem dieser über sein eigenes Glück redet und somit sowohl das Objekt als auch das Subjekt der Rede ist. Bei diesen

167 168 169 170

Diese Teile werden in den Kommentaren von Proklos nicht formal differenziert. Siehe dazu Kapitel B. I.3. Das Unterrichtskonzept als Praxis. Vgl. Procl. in Alc. 185,17–19; 207,19–208,2; 237,13–17; 252,3–5; 330,15–16. Vgl. Procl. in Alc. 265,4–10; 272,13–15. Vgl. Procl. in Alc. 206,1–2; 328,11–14. Auch Olympiodor betont den Gebrauch des Ausdrucks „du glaubst“ an dieser Stelle als einen Hinweis für die Widerlegung (Olymp. in Alc. 30,11–31,6; 35,9–10 und 36,10–15).

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B. Untersuchung des Kommentars

Erklärungen setzt Proklos bei den sprachlichen Einzelheiten des Dialogs an, die die philosophischen Inhalte widerspiegeln. In vielen ähnlichen Fällen liegt Proklos’ Betonung bei den Wörtern auf ihrer argumentativen Kraft. Er beschäftigt sich ferner mit sprachlichen Ausdrücken hinsichtlich ihrer Stelle im Dialog und der damit verbundenen platonischen Auffassung. Das wird auch an seinen Kommentaren zu einer anderen Stelle des Dialogs (Plat. Alc. 105a) deutlich: Procl. in Alc. 160,13–161,1: Καὶ δὴ καὶ ἐπισημαντέον πάλιν ἐν τούτοις, ὅπως ὁ Σωκράτης ἐν τάξει προῆλθε. πρὸ μὲν γὰρ τῶν λόγων τούτων αὐτός φησι προμηθεῖσθαι τοῦ Ἀλκιβιάδου (‘ᾧ καὶ γνώσῃ ὅτι προσέχων γέ σοι τὸν νοῦν διατετέλεκα’) · διὰ δὲ τῶν λόγων τούτων τὴν δύναμιν αὐτῷ ταύτην αὐτὸς παραδώσειν· ἐπὶ δὲ τοῖς λόγοις τούτοις (161) καὶ τοῦ θεοῦ τὴν πρόνοιαν ἐξέφηνε τῷ νεανίσκῳ. Ferner muss darin erneut erkannt werden, wie Sokrates in einer Ordnung vorgeht. Denn vor diesen Worten sagt er, dass er sich vorher in Gedanken mit Alkibiades beschäftigt habe („woran du auch erkennen wirst, dass ich dich dauerhaft in Gedanken behalten habe“). Durch diese Worte [erklärt er], dass er selbst ihm genau diese Macht übermitteln wird. Am Ende dieser Rede dann erleuchtete er dem jungen Mann die Vorsehung des Gottes.

Wie Proklos an dieser Stelle erklärt, liefern Sokrates’ Ausdrücke Hinweise auf die theoretischen Grundlagen in Platons Dialogen und geben in einer bestimmten Reihenfolge eine argumentative Struktur wieder. Folglich lässt sich Sokrates’ Aussage, dass er sich in Gedanken bereits vorher mit Alkibiades beschäftigt habe, als ein Ausdruck von göttlicher Vorsehung interpretieren. Das begründet im weiteren Verlauf des Dialogs die Erlaubnis des Daimons für ein Gespräch zwischen Sokrates und Alkibiades.171 So erklärt Proklos den Bezug zwischen den sprachlichen Ausdrücken und dem theoretischen Inhalt, der durch die Skopos-Theorie bestimmt wird. Auf dieser Grundlage der platonischen Philosophie und ihrer Exegese verfolgt Olympiodor eine sprachorientierte Vorgehensweise, um die Bedeutung der platonischen Dialoge darzulegen. Dieses Verfahren wird nach Olympiodor auch durch weitere theoretische Zusammenhänge unterstützt, die sich auf die Praxis der theoretischen Grundlagen und auf den ethischen Bereich der menschlichen Handlungen beziehen. Denn die Sprache, die Philosophie und dieTugend bilden in Olympiodors Denken eine Einheit.

171 Bei Olympiodor deutet die gleiche Stelle des Dialogs darauf, dass Sokrates die Wahrheit über Alkibiades besser weiß als dieser selbst. Ferner hat es Olympiodor zufolge mit der Liebe zu tun, dass Sokrates dauerhaft an Alkibiades denkt (Olymp. in Alc. 49,10ff.).

II. Theoretische Grundlagen

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2. Ethische Ansätze Im ethischen Bereich stützt sich die Untersuchung des platonischen Alkibiades auf die neuplatonische Lehre von den Tugenden. Um Olympiodors Standpunkt zur moralischen Aufgabe der platonischen Philosophie zu erläutern, soll im Folgenden eine Darlegung der Tugendgrade in Bezug auf Alkibiades vorgenommen werden. 2.1 Die Tugendgrade bei Olympiodor Im Zuge der neuplatonischen Bildung wurde, wie bei der Kanonisierung der platonischen Dialoge, auch eine Tugendordnung aufgestellt. Eine differenzierte Betrachtung der Tugenden findet sich gar in der Philosophie Platons (vgl. Plat. Rep. 434d–445b; Phdr. 263d2; Ti. 71e8). Die sukzessive Unterteilung (Iamb. de An. 12: τῶν ἀρετῶν σύστασιν) der vollkommenen und unvollkommenen Tugenden (vgl. Iamb. de An. 17) setzt sich dagegen erst nach Jamblich durch. Plotin hat die Systematisierung der Tugendgrade in ihrem Kern bereits angelegt, indem er die Unterschiede zwischen den Tugenden behandelt, wobei er die „politischen Tugenden“ (πολιτικάς) und die „Katharsis“ (καθάρσεις; Plot. I.2.3,5–14) hervorhebt.172 Dabei geht es Plotin vor allem um die Frage, ob der tugendhafte Mensch (σπουδαῖος) auch noch die politische Tugend besitzt (Plot. I.2.7) – eine wesentliche Frage in Bezug auf die gesellschaftliche Rolle der Philosophie. Nach Julia Annas vertritt Plotin die Ansicht, dass der Mensch in höheren Tugenden die politischen Tugenden immer noch besitzt. Plotin stelle jedoch nicht die These auf, so Annas, dass der tugendhafte Mensch die politischen Tugenden nicht aktiv einsetzt, sondern dass der Philosoph auch im politischen Bereich tätig ist, ohne diesen Bereich als sein eigentliches Leben zu betrachten.173 Sebastian Gertz schließt dabei den Widerspruch zwischen politischer und kathartischer Tugend nicht aus. Nach Gertz unterscheiden sich der kathartische und der politische Mensch nicht in ihrer Seele, wobei ihre Tätigkeitsbereiche und ihre Ziele essenziell unterschiedlich sind: Der eine muss den Körper gebrauchen, der andere muss sich vom Körper lösen. Dennoch erlaubt die dreifache Bewegung der Seele im Neuplatonismus174, wie Gertz erläutert, dem gereinigten Philosophen, nach seinem Aufstieg nochmal in die politische Ebene abzusteigen, um anderen Menschen zu helfen – wie Sokrates die Menschen mit seinen Gesprächen empfängt. 172 Zu kathartischen Tugenden bei Plotin siehe Hammann 2020, S. 305–319. 173 Annas 1999, S. 67–69. 174 Vgl. Gertz 2011, S. 64–65 mit dem Hinweis auf die drei Bewegungen der Seele abwärts, aufwärts und einwärts.

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B. Untersuchung des Kommentars

Diese Unvereinbarkeit von Körper und Seele sowie von Politik und Katharsis wird zum zentralen Paradoxon der spätantiken Platoniker. Olympiodor zeigt auch die Konsequenzen dieses Diskurses sowie einige Lösungsversuche auf, die ich in den folgenden Kapiteln zu seiner Definition der Katharsis vorstellen werde. Zunächst ist es angebracht, eine Zusammenfassung darüber zu geben, wie Olympiodor sich das System der Tugendgrade vorstellt.175 In seinem Kommentar zu Platons Phaidon gibt er einen Überblick über die Tugenden („Schritte der Tugend“, βαθμοὶ τῶν ἀρετῶν, Olymp. in Phd. 8.2,2). Demnach stehen in der untersten Stufe die Tugenden, die allen Tieren zuteilwerden, nämlich die physischen (φυσικαὶ ἀρεταί). Diese benötigen keine besondere Leistung, sondern Menschen besitzen sie von Geburt an, wie etwa Schönheit oder eine gute Familie. Danach kommen ethische Tugenden (ἠθικαὶ ἀρεταί), die durch Übung und Gewohnheit erreicht werden, wie Ernährung (vgl. Olymp. in Alc. 161,1–10). Solche Tugenden betreffen jeweils nur einen Teil der Seele, während dieTugenden, die sich der Vernunft bedienen (εἰ δὲ λόγῳ χρῷντο αἱ ἀρεταί), alle drei Teile der Seele benutzen: Entweder zielen sie auf eine Mäßigung der Affekte, wie die politischen Tugenden (τοῖς πάθεσι μεμετρημένοις, ὡς αἱ πολιτικαί); oder fliehen sie von den Affekten (τὰ πάθη φεύγουσι), wie die kathartischen Tugenden (αἱ καθαρτικαί); oder sind sie von Affekten bereits entflohen (πεφεύγασιν) wie die theoretischen (αἱ θεωρητικαί). Olympiodor fügt hinzu, dass es noch weitere Tugenden nach Plotin gibt, die er paradigmatische Tugenden nennt (Plot. I.2,7.2-6: παραδειγματικαὶ ἀρεταί).176 Hieraus ergibt sich das folgende Schema: φυσικαὶ ἀρεταί ἠθικαὶ ἀρεταί Philosophische Tugenden (εἰ δὲ λόγῳ χρῷντο αἱ ἀρεταί): αἱ πολιτικαί αἱ καθαρτικαί αἱ θεωρητικαί Darüber hinaus bei Plotin [I 2,7.2–6]: παραδειγματικαὶ ἀρεταί

Nach Olymp. in Phd. 8,2:

175 Zu diesem Thema sei an dieser Stelle auf die Studien von Griffin verwiesen, in denen er die neuplatonischen Tugenden im Allgemeinen und bei Olympiodor im Speziellen aufschlussreich darlegt, wie zuletzt Griffin 2021. Auch in der Einleitung zur Übersetzung des Kommentars gibt Griffin (2015) einen detaillierten Überblick über die neuplatonischen Tugenden und stellt diese in Form eines Schemas dar. 176 In der Stufe der theoretischen Tugend ist der Mensch noch getrennt von der Quelle der Tugend, die betrachtet und als eine Erleuchtung wahrgenommen werden kann. Wenn der Mensch sich mit dieser Quelle vereint, wird die paradigmatische Tugend erreicht. Diese Tugendebene wird bei Olympiodor jedoch nie ausführlich behandelt, da er diese Stufe nicht als Teil der platonischen Bildung angesehen hat.

II. Theoretische Grundlagen

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Diese Tugenden werden bei Olympiodor jeweils mit den Arten der Menschen identifiziert, die ihr Leben gemäß der entsprechenden Tugend führen. Der politische Mensch ist mit einem Leben in der Polis verbunden. Daher braucht er für die Handlungen in der Gesellschaft sowie für politische Aktivitäten den Körper. Da der Mensch als vernunftbegabte Seele in diesem Schritt den Körper als Werkzeug benutzt, bezeichnet dieser Tugendgrad in Olympiodors Philosophie die erste philosophische Tugend. Auch Proklos und Damaskios geben diese Reihenfolge der Tugenden an: Die politische Tugend wird von der kathartischen (καθαρτική) und der theoretischen (θεωρητική) gefolgt (vgl. Procl. in Rep. I.12,25–13,11; Dam. in Phd. 1,138–51). Ab der kathartischen Tugendstufe beginnt der Mensch, sich vom Körper zu lösen. Dieser Prozess wird bei der theoretischen Tugend vervollständigt (siehe 209,10–15; vgl. Procl. in Rep. I.208,5–10; Dam. in Phd. 161,3–6). Insbesondere zwei von diesen Tugenden nehmen im Alkibiades-Kommentar zentrale Stellung ein: die politische Tugend und die kathartische Tugend. Diese sollen im Folgenden auch in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet werden. 2.2 Die politische Tugend Die erste philosophische Tugend ist die politische Tugend, die in der neuplatonischen Bildung mit Platons Alkibiades identifiziert wird. Wie im Kapitel über die Absicht (B. II.1.3.1) dargelegt wurde, handelt derAlkibiades nach Olympiodor von dem politischen Menschen und damit von der politischen Tugend. Bei der Erläuterung über dieAbsicht des Dialogs (in Alc. 4,15–21) illuminiert Olympiodor auch einen zentralen Aspekt der politischen Tugend: Der Mensch sei in diesem Dialog als vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, definiert. Dies sei aber nur beim politischen Menschen der Fall, der in bestimmten Kontexten den Körper benötigt, um seine Tugend auszuführen: So braucht der politische Mensch Mut, um sein Land gegen Feinde zu verteidigen, und er braucht auch Antrieb, um Handlungen in der Gesellschaft zu vollziehen. Olympiodor verweist damit auf die Notwendigkeit des Körpers für den politischen Menschen. Aus dieser Darstellung geht hervor, dass der politische Mensch die Affekte braucht und sie für den Nutzen der Gemeinschaft einsetzen kann. Der Körper ist für die Seele notwendig, wenn diese ein Leben in der Gemeinschaft führt. In dieser Hinsicht definiert die politische Tugend alle notwendigen Züge, die ein Mensch haben muss, um sich als einen tugendhaften Menschen zu erweisen und folglich darauf Lernbereitschaft zu zeigen, weiter in die philosophischen Tugendgraden aufzusteigen. Wesentlich ist dabei der Nutzen der politischen Tugend, der dazu beiträgt, dass das menschliche Leben in Gemeinschaft funktioniert.

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B. Untersuchung des Kommentars

Auf dieser Grundlage wird die politische Tugend durch ihre gesellschaftliche Notwendigkeit und durch den Gebrauch des Körpers definiert. Eine weitere Bestimmung über die Essenz dieser Tugend wird nirgendwo angegeben. Die Bedeutung des Gebrauchs von Körper impliziert jedoch nicht, dass die politische Tugend den Menschen ein Leben im Sinne von Affekten erlaubt, die mit dem Körper verbunden sind. Diesen Aspekt verdeutlicht Olympiodor auch im Kommentar zum Phaidon, als er die politische Tugend als Mäßigung der Affekte darstellt (in Phd. 8,2: χρῷντο τοῖς πάθεσι μεμετρημένοις, ὡς αἱ πολιτικαί). Ferner bedeutet die Notwendigkeit des Körpers für den politischen Menschen, wie Olympiodor bei der Absicht erklärt (in Alc. 4,15–21), nur für den Nutzen der Gesellschaft einzusetzen und nicht für eigene Begierden. Daraus ergibt sich eine Verantwortung, die der politische Mensch trägt, der Gemeinschaft zu dienen. Diese Position kommt dem Konzept der Wächter in der platonischen Politeia nahe.177 Insgesamt lässt sich die politische Tugend als Lebenseinstellung auffassen, die mit dem Charakter der Menschen zu identifizieren ist, die in der Gesellschaft leben, sich politisch engagieren sowie durch Handlungen mit anderen Menschen in gewissen Verhältnissen stehen.178 2.3 Die kathartische Tugend Die Bezeichnung „kathartisch“ bzw. „Katharsis-bewirkende“ für die auf die Reinigung der Seele gerichteten Praktiken wird erst bei Jamblich in Bezug auf die Pythagoreer verwendet (vgl. ἡ καθαρτικὴ παρ’ αὐτῷ ἄσκησις, Iambl. VP 16,1). Während die Kommentatoren der vorherigen Generation wie Syrianos diesen Begriff nicht besonders prägen (nur einmal bei Syrian. in Met. 26,9), taucht er bei den späteren Platonikern wie Proklos und Damaskios häufiger auf.179 Dies zeigt eine zunehmende Beschäftigung mit den Katharsisvorstellungen in der Epoche der Philosophie, an die sich Olympiodor unmittelbar anschloss. 177 Vgl. Plat. Rep. 375a–376a besonders mit dem Beispiel der Hunde, die auch Olympiodor im Kommentar erwähnt (189,5–10). 178 Diese Beschreibung der politischen Tugend entspricht der ‚sozialen‘ Dimension der politischen Tugend, neben der Joosse (2021, S. 119–120) noch weitere Dimensionen entdeckt, die damit teilweise in Widerspruch geraten. Joosse spricht hier von einer Dimension der politischen Tugend, die sich mit den Affekten beschäftigt („affective dimension“) und einer weiteren, die das individuelle Handeln der Menschen betrifft („particularist dimension“). Darüber hinaus gibt es nach Joosse (ebd. S. 126) eine dritte, persönliche Dimension. So zeigt Joosse, dass einerseits der politische Philosoph für Olympiodor als wahrer Philosoph anzuerkennen ist, und andererseits der politische Mensch, soweit er mit den Affekten des Körpers verbunden ist, nicht als Philosoph gelten kann. 179 Eine Suche im TLG ergibt insgesamt bei Proklos 52, bei Damaskios 55 Stellen.

II. Theoretische Grundlagen

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Zu den zahlreichen seit der antiken Philosophie bezeugten Konzepten der Katharsis gibt es bereits mehrere instruktive Studien, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde, da der Schwerpunkt meiner Betrachtung auf Olympiodor liegen soll. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die Untersuchung zur Katharsis in der antiken bis spätantike Philosophie bei Christoph Hammann (2020). Bei der Forschungsüberblick stellt Hammann das folgende Problem fest: Die bisherigen Studien zur Katharsis konzentrieren sich meistens auf die aristotelische Katharsis und ihre Rezeption.180 Dies weist auf eine Forschungslücke in Bezug auf andere Konzepte der Katharsis hin, einschließlich des platonischen. Die Platoniker der Spätantike beschäftigten sich ausführlich mit Platons Darstellung der Katharsis, die in der platonischen Bildung eine der zentralen Themen war. Auch Olympiodor, als Lehrer und Exeget der platonischen Philosophie, behandelt die Ansichten über Katharsis an vielen Stellen seiner Kommentare. Was verstehen die Neuplatoniker unter platonischer Katharsis? Schließlich gehört Katharsis nicht zu den vordergründigen Themen der platonischen Philosophie. Doch es gibt insbesondere eine berühmte Stelle in den platonischen Dialogen, an der es um die Katharsis geht. Es ist kein Zufall, dass der Dialog, in dem diese Passage zu finden ist, sowohl von Olympiodor als auch von Damaskios kommentiert wurde: nämlich Platons Phaidon. Dort begründet Sokrates die These, dass ein Philosoph vom Sterben nichts zu befürchten hat (Plat. Phd. 67c5–e3). Die Definition der Katharsis, die hierbei dargelegt wird, stellt sich wie folgt: Erstens ist die Katharsis die Absonderung der Seele vom Körper (τὸ χωρίζειν ὅτι μάλιστα ἀπὸ τοῦ σώματος τὴν ψυχὴν), sodass sie von ihren Fesseln befreit wird (ἐκλυομένην ὥσπερ ἐκ δεσμῶν ἐκ τοῦ σώματος). Daraufhin macht Sokrates eine Definition des Todes, und zwar, als Erlösung und Absonderung der Seele von dem Körper (Οὐκοῦν τοῦτό γε θάνατος ὀνομάζεται, λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος, Phd. 67d5). Damit ist die Definition der Katharsis und die Definition des Todes dasselbe, und zwar: Befreiung und Absonderung der Seele vom Körper (λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος). Diese Darlegung im Phaidon hat indes zu der Interpretation geführt, dass für eine vollständige Katharsis der Tod notwendig sei. Mit dieser Fragestellung befasst sich Olympiodor in seinem Kommentar zum Phaidon: Wenn Katharsis die Befreiung der Seele vom Körper ist, muss ein Philosoph den Tod suchen? Darauf entwickelt er einige Lösungsvorschläge, auf die ich im Folgenden eingehen werde. 180 Vgl. Hammann 2020, S. 13–21. Dennoch verfolgt auch Hammann das Thema nicht nach dem 4. Jahrhundert n. Chr., so dass die platonische Katharsis im 5. bis 7. Jh. n. Chr. ein Forschungsdesiderat bleibt.

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B. Untersuchung des Kommentars

2.3.1 Katharsis und Tod Ausgehend von der Dialogstelle im Phaidon, an der Katharsis mit dem Tod identifiziert wurde, widmet sich Olympiodor im Kommentar der Frage, ob Katharsis nur durch Tod zu erreichen sei: Olymp. in Phd. 7.2,7–15: Ἐφ’ οἷς ὁρίζεται τὸν θάνατον κάθαρσιν ψυχῆς ἀπὸ σώματος. καὶ διὰ τί καὶ πάλαι ὁρισάμενος τὸν θάνατον καὶ νῦν τοῦτο ποιεῖ; ἢ πάλιν ἀπὸ τοῦ καθολικωτέρου ἐπὶ τὸ μερικώτερον προῆλθεν· πάλαι μὲν γὰρ ὡρίζετο τὸν θάνατον χωρισμὸν ψυχῆς ἀπὸ σώματος καὶ σώματος ἀπὸ ψυχῆς (καὶ ἐλέγομεν ὅτι οὐ μάτην τῶν δύο ἐμνημόνευσε), νῦν δὲ τὸν θάνατον ὁρίζεται κάθαρσιν μόνον ψυχῆς ἀπὸ σώματος·καὶ καθολικώτερος ὁ θάνατος τῆς καθάρσεως, διότι ὁ μὲν καθαιρόμενος πάντως καὶ ἀποθνῄσκει, οὐ μὴν ὁ ἀποθνῄσκων καὶ καθαίρεται διὰ τὰς φιλοσωμάτους ψυχὰς περὶ τοὺς τάφους καὶ μετὰ τὸν θάνατον εἱλουμένας. καὶ οὕτως ἠλευθερώσαμεν αὐτὸν ἀδολεσχίας. Als nächstes definiert Sokrates den Tod als Reinigung der Seele vom Körper.181 Warum aber definiert er den Tod, nachdem er ihn zuvor definiert hat182, jetzt erneut? Auch hier geht er vom Allgemeinen zum Spezifischen über: vorher definierte er den Tod als Trennung der Seele vom Körper und des Körpers von der Seele (und wir haben gesagt, dass er einen guten Grund hatte, beides zu erwähnen); hier aber definiert er den Tod nur als Reinigung der Seele vom Körper. Nun ist der Tod allgemeiner als die Reinigung, denn wer gereinigt wird, stirbt notwendigerweise auch, während derjenige, der stirbt, nicht notwendigerweise gereinigt ist, wie die körperliebenden Seelen bezeugen, die auch nach dem Tod um ihre Gräber schweben. Damit haben wir ihn [sc. Sokrates] von [dem Vorwurf] der Redundanz freigesprochen.

Hier wird die Frage erläutert, ob die Trennung des Körpers von der Seele durch Suizid ein geeigneter Weg für Katharsis ist. Olympiodors Schlussfolgerung lautet, dass der Tod keine Katharsis mit sich bringt: Denn wer gereinigt wird, erklärt Olympiodor, stirbt notwendigerweise auch, während derjenige, der stirbt, nicht notwendigerweise gereinigt ist (ὁ μὲν καθαιρόμενος πάντως καὶ ἀποθνῄσκει, οὐ μὴν ὁ ἀποθνῄσκων καὶ καθαίρεται). Hierbei ist es wesentlich, wie der Tod definiert wird. Sokrates stellt an der kommentierten Stelle den Tod als Rettung der Seele vor: Olympiodor zufolge ist damit nicht die Trennung des Körpers von der Seele gemeint, sondern dieTrennung der Seele von dem Körper. Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Trennung der Seele und des Körpers wurde im Neuplatonismus mehrfach aufgeführt. Diese Arten von Reinigung der Seele äußern den Unterschied zwischen Suizid und Freitod. Olympiodors Lehrer Ammonios befasst sich mit diesem Thema und unter181 Vgl. Plat. Phd. 67c5–d6. 182 Vgl. Plat. Phd. 64c4–8.

II. Theoretische Grundlagen

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scheidet diese beiden Prozesse strikt voneinander: Zum einen gibt es den physischen Tod (φυσικός), der eine Absonderung des Körpers von der Seele ist. Zum anderen gibt es den willentlichen (προαιρετικός) Tod, der eine Befreiung der Seele von dem Körper ist.183 Diesbezüglich argumentiert Olympiodor in den obigen Ausführungen, dass Sokrates nicht den Selbstmord, sondern eine Reinigung der Seele vom Körper befürwortete. Folglich bringt der Sturz in den Tod keine Katharsis, sondern es ist wichtig, den Tod freiwillig zu akzeptieren und bereit zu sein, wenn er unumgänglich ist. Die Katharsis-Definition als Rettung der Seele von dem Körper greift Olympiodor auch im Alkibiades-Kommentar auf. In unmittelbarer Folge nach der Absicht des Dialogs und der politischen Tugend unternimmt er eine Darstellung der kathartischen Tugend: Olymp. in Alc. 4,21–5,5: καθαρτικὸς μὲν γάρ ἐστι ψυχὴ ἀπολυομένη τοῦ σώματος, τῶν δεσμῶν μέντοι μενόντων καὶ μὴ λυομένων, καθάπερ τοῦ Ἀμπρακικοῦ μειρακίου, ἀλλὰ διὰ τοῦ συμπαθοῦς λυομένων· ἔστιν γὰρ καὶ ἐνταῦθα ὄντας ἄνω εἶναι διά τινα συμπάθειαν θεωρητικῶς καὶ ἄνω ὄντας ἐνταῦθα εἶναι, τῆς ψυχῆς πτερορρυούσης καὶ κατιούσης ἐνταῦθα καὶ ἐπτοημένης περὶ αὐτὰ διὰ τὸ φιλοσώματον. Der kathartische Mensch ist die Seele, die sich vom Körper loslöst, obwohl ihre Fesseln noch bleiben und nicht gelöst sind – wie die [Fesseln] des ambrakischen Jungen – sondern aufgrund der Sympathie gelöst werden. Denn es ist auch für die Wesen hier durch eine Sympathie möglich, auf eine theoretische Weise oben zu sein und für die Wesen oben [ist es auch möglich] hier zu sein, wenn die Seele, nachdem sie ihr Gefieder abwirft, hierher absteigt und wegen ihrer Körperliebe von diesen [Dingen hier] begeistert wird.

Wie Olympiodor hier erklärt, ist der kathartische Mensch, anders als der politische Mensch (dem er mit καθαρτικὸς μὲν γάρ eventuell adversativ gegenübergestellt wird), eine sich vom Körper lösende Seele (ψυχὴ ἀπολυομένη τοῦ σώματος). Dazu fügt er die Bemerkung, dass die Fesseln der Seele bestehen bleiben (τῶν δεσμῶν μέντοι μενόντων καὶ μὴ λυομένων), wie bei dem ambrakischen Jungen. Gemeint ist damit Kleombrotos von Ambrakia. Diese Figur ist in der Philosophie mit einem oberflächlichen Verständnis von Platons 183 Vgl. Ammon. in Porph. 5,9–18: ἰστέον ὅτι τοῦ ἀνθρώπου συνθέτου ὄντος ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος καὶ ὁ σύνδεσμος διττὸς καὶ ἡ τῆς ψυχῆς λύσις διττή· ἔστι γὰρ ὁ φυσικὸς λεγόμενος δεσμός, καθ’ ὃν τῇ ψυχῇ δέδεται τὸ σῶμα καὶ ζωοποιεῖται ἐξ αὐτῆς, ἔστι καὶ ὁ προαιρετικὸς δεσμός, καθ’ ὃν ἡ ψυχὴ τῷ σώματι δέδεται δουλεύουσα αὐτῷ κεκρατημένη ὑπ’αὐτοῦ. διττὴ οὖν καὶ ἡ λύσις, ἡ μὲν τοῦ σώματος ἀπὸ τῆς ψυχῆς, ἡ δὲ τῆς ψυχῆς ἀπὸ τοῦ σώματος. καὶ ὁ θάνατος διττός, ὁ μὲν φυσικός, καθ’ ὃν πάντες οἱ ἄνθρωποι ἀποθνήσκομεν, τοῦτ’ ἔστι καθ’ ὃν χωρίζεται τὸ σῶμα ἀπὸ τῆς ψυχῆς, ὁ δὲ προαιρετικός, καθ’ ὃν οἱ φιλόσοφοι μελετῶσι χωρίζειν τὴν ψυχὴν ἀπὸ τοῦ σώματος.

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B. Untersuchung des Kommentars

Phaidon verbunden: In einem Epigramm von Kallimachos wird dargestellt, dass sich Kleombrotos von einer hohen Mauer in den Tod stürzt, nachdem er Platons Dialog über die Seele (d. h. Phaidon) gelesen hat.184 Damit macht Olympiodor eine Andeutung auf das für die Platoniker bekannte Problem, dass Platons Phaidon im Sinne von Notwendigkeit des Todes für die Katharsis interpretiert wird und damit die sozialen Dimensionen der Tugenden vollkommen außer Acht gelassen werden. Mit diesem Verständnis der Rettung der Seele vom Körper widerspricht sich die politische Tugend, da ihre Durchführung den Körper benötigt. Auch wenn Olympiodor den Tod nicht als Voraussetzung für die Reinigung der Seele ansieht, so erfordert die Katharsis doch, dass man sich so weit wie möglich von den Affekten des Körpers distanziert und die Affekte unter vollständiger Kontrolle hält. In dieser Hinsicht erkennt Olympiodor an, dass nur sehr wenige Menschen dazu in der Lage sind. Er setzt sich deshalb intensiv mit einer Begründung über die Wirkung der Philosophie auch für eine Katharsis des Menschen auseinander, die über die politische Tugend hinausgeht. Diese Begründung betrifft nicht nur theoretische Aspekte, sondern ist auch wesentlich für den Anspruch der philosophischen Bildung, eine Rettung für die Seele zu bieten. Zu diesem Zweck erläutert Olympiodor die „sokratische Katharsis“, mit der er einen philosophischen Begriff der Katharsis einführt. 2.3.2 Die sokratische Katharsis Olympiodor erläutert die sokratische Katharsis an mehreren Stellen des Alkibiades-Kommentars, vor allem indem er sie anderen Arten der Katharsis gegenüberstellt oder sie sogar ‚negativ‘ definiert. So legt er dar, was die sokratische Katharsis nicht bietet und woran die anderen Katharsiskonzeptionen scheitern, um zu zeigen, was die sokratische Katharsis auszeichnet. Bei einer dieser Ausführungen (in Alc. 54,9–55,14) geht Olympiodor von der Frage aus, warum Sokrates Alkibiades eine Macht verleihen will, wenn er ihn doch von den Affekten befreien wollte. Folglich vergleicht er diese Vorgehensweise mit den Ärzten, die auch eine Krankheit nie in ihrem Höhepunkt bekämpfen, sondern wenn die Beschwerden unter Kontrolle sind. So gehe auch Sokrates vor, um die Affekte unter Kontrolle zu nehmen. Folglich nennt Olympiodor weitere Arten der Katharsis, die es nicht auf diese Weise praktizieren. Es gebe, so an dieser Stelle des Kommentars, drei Arten der Katharsis: 1. Pythagoreische, 2. Sokratische und 3. Peripatetische oder Stoische (τρεῖς εἰσὶ τρόποι καθάρσεως, Πυθαγορικός, Σωκρατικός, Περιπατητικὸς ἤτοι Στωϊκός). Die stoische Katharsis heile die Gegensätze durch Gegensätze; die pythago184 Vgl. Call. Epigr. 23.

II. Theoretische Grundlagen

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reische hingegen empfehle, den Affekten ein kleines Zugeständnis zu machen. Deshalb seien diese beiden Arten wirkungslos, „denn die eine [sc. die stoische] heilt ein Übel mit einem anderen Übel, da ein Affekt mit [einem anderen] Affekt [geheilt wird]; wobei die andere [sc. die pythagoreische] der Seele nicht erlaubt, makellos zu bleiben, da sie mit den Affekten in Berührung kommt.“ (in Alc. 55,12–14: ὁ μὲν γὰρ κακῷ τὸ κακὸν ἰᾶται, εἴγε πάθος πάθει, ὁ δὲ οὐκ ἐᾷ τὴν ψυχὴν ἀκηλίδωτον διὰ τῆς ἐπαφῆς τῶν παθῶν). Eine ähnliche Zusammenstellung verschiedener Katharsis-Auffassungen findet sich weder bei Proklos noch bei Damaskios, so dass dies Olympiodors originelle Interpretation zu sein scheint. Wenngleich diese Auflistung von Katharsisvorstellungen und darin die Identifizierung der stoischen Katharsis mit der peripatetischen einige Fragen aufwirft, sind Olympiodors Erklärungen nicht deutlich genug, um die Gründe für diese Erklärungen herauszuarbeiten. Darüber hinaus ist es denkbar, dass es Olympiodor hier nicht darum geht, diese einzelnen Katharsisarten in ihrer Authentizität darzustellen, sondern sie sollen als Kontrastfolie für die sokratische Katharsis dienen, damit deren Vorzüge deutlicher sichtbar werden. So erklärt er folglich die Vorgehensweise der sokratischen Katharsis: Olymp. in Alc. 55,8–12: ὁ δὲ Σωκρατικὸς τρόπος τῆς καθάρσεως ἀπὸ τῶν ὁμοίων ἐπὶ τὰ ὅμοια μετάγει· εἰμέν τίς ἐστι φιλοχρήματος, λέγων ‘μάθε τίς ἡ ὄντως αὐτάρκεια’· εἰ δὲ φιλήδονος, ‘τίς ἡ θεία ῥᾳστώνη’, καὶ ἁπλῶς ὅσα προείρηται. κρείττων δὲ ὁ τοιοῦτος τρόπος τῶν ἄλλων· Die sokratische Art der Katharsis dagegen überträgt Gleiches zu Gleichem. Wenn jemand Geld liebt, sagt er, „Lerne, was die wahre Selbstgenügsamkeit ist.“ Wenn er aber Vergnügung liebt, [sagt er] „[lerne,] was die göttliche Unbeschwertheit ist“, und das alles, was bereits erwähnt wurde. Daher ist diese Methode wirksamer als die anderen.

Der letzte Satz verdeutlicht zugleich auch den Zweck dieser Darstellung – zu zeigen, dass die sokratische Katharsis die beste Vorgehensweise hat. Die Elemente der sokratischen Katharsis lassen sich wie folgt auflisten: 1. Verwendung der gleichen Mittel: Olympiodor übernimmt ein stoisches Konzept, die Oikeiosis, um das Prinzip der sokratischen Katharsis zu erklären.185 Dass Sokrates von dieser Methode Gebrauch macht, wird bei

185 Zu verschiedenen Definitionen von Oikeiosis in der Stoa siehe Bees 2004, S. 65–68. Oikeiosis ist auch eng verbunden mit dem Konzept der Sympathie (ebd. S. 157- 159), das Olympiodor in Alc. 4,21–5,5 verwendet.

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B. Untersuchung des Kommentars

Proklos begründet.186 Demnach funktioniert sokratische Katharsis nach Prinzip der Gleichheit, stellt die Oikeiosis („Zueignung“) des Menschen mit sich selbst und mit der Natur her. 2. Individuell ausgerichtet: Sokrates gestaltet seine Vorgehensweise jeweils nach Charakter und Affekten der Menschen. In diesem Aspekt stellt sich eine Parallele zu aristotelischen Konzepten der „Mäßigung“ (μετριοπάθεια / μεσότης) dar. In der Nikomachischen Ethik zeichnet Aristoteles den Weisen dadurch aus, dass er einen Mittelweg zwischen den extremen Antrieben einschlägt (ὁ δὲ σώφρων μέσως μὲν περὶ ταῦτ᾽ ἔχει, Arist. EN 1119a11–12; vgl. 1106b27–28: μεσότης τις ἄρα ἐστὶν ἡ ἀρετή). Nach Olympiodor sieht die sokratische Katharsis vor, dass die individuellen Affekte kultiviert und abgemildert und nicht sofort beseitigt werden. 3. Platonische Elemente: Olympiodor führt die Fragen des Philosophen an und zeigt, dass die Katharsis durch die Dialektik erreicht wird. Weiterhin verweist er auf die Erkenntnis der Ideen (τίς ἡ ὄντως αὐτάρκεια: was die Autarkie selbst ist); daraus folgt die Selbsterkenntnis und die Reinigung von den Affekten (jedoch nicht vom Körper insgesamt). Hier zeigt sich auch ein Zusammenspiel der politischen und kathartischen Tugenden: Der Philosoph, der sich auf der Ebene der kathartischen und theoretischen Tugend befindet, weist anderen mit Fragen den Weg, der zu höheren Tugenden führt. Einige Aspekte der sokratischen Katharsis weisen also stoische und aristotelische Züge auf, während Olympiodor die sokratische Art der Reinigung zu Beginn als das genaue Gegenteil dieserAuffassungen beschrieb. Die inhaltlichen Widersprüche fallen an dieser Stelle aufgrund der durchdachten Gestaltung der Erzählstruktur jedoch kaum auf. Die Hervorhebung der sokratischen Katharsis ist auf der sprachlichen Ebene zu beobachten: Olympiodor verwendet Imperfekt für Stoiker (54,18: ἰᾶτο „heilten sie“; 55,1: ἐπετήδευον „sie machten zur Gewohnheit“) und Pythagoreer bzw. Mediziner (55,4: ἔλεγον „sagten sie“), während die sokratische Methode im Präsens vorgestellt wird (55,9: μετάγει „überträgt“). Dabei scheint Olympiodor verschiedene Thesen aus der platonischen Tradition kombiniert zu haben, um schließlich die sokratische Katharsis hervorzuheben. Die zweite Strategie der Übernahme anderer Begriffe ist keine neue Entwicklung bei Olympiodor, sondern hat ihren Ursprung bereits in der

186 Vgl. Procl. in Alc. 151,16–152,20; 298,10–22. Proklos verwendet die Oikeiosis nicht im Zusammenhang mit der Stoa und zieht auch keinen Vergleich zwischen der sokratischen Oikeiosis und den anderen Methoden, wie es bei Olympiodor der Fall ist.

II. Theoretische Grundlagen

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platonischen Tradition. Das Besondere an Olympiodors Darstellung ist jedoch, dass er nicht nur Konzepte der Stoiker wie die Oikeiosis dem Platonismus zuordnet, sondern auch deren Katharsis als Heilung durch Gegensätze darstellt. Dadurch zeigt er, wie die Exegeten die Interpretation des Platonismus und anderer philosophischen Richtungen gestalten können. Schließlich wird die sokratische Katharsis als die wirksamste Methode ermittelt, wodurch gleichzeitig die Wirkung der platonischen Bildung zur Katharsis verstärkt wird. Auf diese Weise bestätigt Olympiodor die Überlegenheit der sokratischen Katharsis, da diese den Menschen beibringt, die Affekte, wie die Krankheiten, unter Kontrolle zu haben. Dies steht im Einklang mit Olympiodors Aussage, dass die Katharsis eine Mäßigung der Affekte ist: Olymp. in Alc. 5,13–16: οὐκοῦν περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτὸν ὁ σκοπός, εἴγε καὶ ἐμποδὼν τῷ καθαρτικῷ καὶ θεωρητικῷ γίνεται τὸ σῶμα, γνωρίζεται δὲ ὁ μὲν καθαρτικὸς τῇ μετριοπαθείᾳ, ὁ δὲ θεωρητικὸς τῇ ἀπαθείᾳ. οὕτω μὲν ὁ Δαμάσκιος. Folglich ist die Absicht [des Dialogs] sich selbst auf politische Weise zu erkennen, zumal wenn der Körper dem kathartischen und dem theoretischen Menschen ein Hindernis wird, und der kathartische Mensch wird durch seine Mäßigung in den Affekten erkannt, der theoretische aber durch seine Affektlosigkeit.

Olympiodor betont an dieser Stelle, dass der Körper ein Hindernis auf dem Weg zu höheren Tugenden sein kann. Interessant ist hierbei die Bemerkung, dass der kathartische Mensch mit μετριοπάθεια, der theoretische hingegen mit ἀπάθεια charakterisiert wird: Der erste wird mit einem aristotelischen Konzept, der andere mit einem stoischen bezeichnet. Beide Begriffe wurden in der platonischen Tradition im Zusammenhang mit den Tugenden herangezogen. Nach Christoph Hammann verwendet Plotin das stoische Konzept der Apathie als Bedingung der höchsten Tugend.187 Jamblich hingegen stelle den Begriff der Harmonie in den Vordergrund und ziele auf eine Metriopathie der Affekte.188 Folglich sind diese Begriffe für Olympiodor bereits als platonisch zu betrachten. Auffällig ist an dieser Stelle auch der Widerspruch in Olympiodors Definition der Katharsis als Metriopathie, während im Kommentar zum Phaidon die politische Tugend in diesem Sinne dargestellt wurde (Olymp. in Phd. 8,2: τοῖς πάθεσι μεμετρημένοις, ὡς αἱ πολιτικαί). Die Mäßigung der Affekte bezeichnet also bei Olympiodor sowohl eine Eigenschaft der politischen als auch der kathartischen Tugend. Wenn er damit

187 Hammann 2020, S. 316. 188 Ebd. S. 515.

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B. Untersuchung des Kommentars

die kathartischen und politischen Tugenden einander gleichstellt, würde dies auch die ebenfalls zentrale Rolle der kathartischen Tugend im AlkibiadesKommentar erklären. Dies zeigt, dass Olympiodor sich nicht auf die Unterschiede der Tugenden konzentriert, sondern auf ihre Gemeinsamkeiten und auf die Idee der Tugend als Einheit. 2.4 Übergänge der Tugenden Die Katharsis im Phaidon-Kommentar, die auf eine Loslösung der Seele vom Körper abzielt, will also genau das Gegenteil der politischen Tugend bewirken. Olympiodors Beschreibung der sokratischen Katharsis im Alkibiades-Kommentar als Mäßigung derAffekte (Metriopathie) kommt dagegen der politischen Tugend nahe. Wie sind diese widersprüchlichen Definitionen der Katharsis bei Olympiodor zu interpretieren? In diesem Zusammenhang ist Griffins These von Bedeutung, dass sowohl Alkibiades als auch Platon im Alkibiades-Kommentar als Allegorie für den Übergang von einer Stufe der Tugend zu einer anderen dienen.189 Dies deutet darauf hin, dass die Tugenden im Olympiodor keinen ‚festen‘ Zustand beschreiben, sondern eine Phase der Transformation darstellen. So befindet sich der Philosophiestudent nach Griffin in einem permanenten Fortschritt, in einer Art Reise innerhalb der Tugendgrade. Damit scheinen die Grenzen zwischen den verschiedenen Tugenden zu verschmelzen. Um das Verhältnis zwischen kathartischer und politischer Tugend bei Olympiodor zu konzeptualisieren, kann außerdem die These von Albert Joosse herangezogen werden, wonach die Darstellung der politischen Tugend im Olympiodor einen Übergangscharakter hat.190 Olympiodors Ansichten über die politische Tugend, wie zu den Tugenden insgesamt, sind nach Joosse ambivalent und weisen mehrere Dimensionen auf.191 Aus diesen Grundlagen geht hervor, dass Olympiodor die Grenzen der Tugenden bewusst unbestimmt lässt. In seiner Philosophie ist die Idee der persönlichen Entwicklung des Menschen von größerer Bedeutung als die Festlegung von ‚starren‘ Richtlinien für die Tugenden. Dies wird in seiner Darstellung der sokratischen Katharsis aufgegriffen, indem Sokrates die Bedürfnisse jedes Einzelnen berücksichtigt und dann die Methode der „gleichen Mittel“ anwendet. Insgesamt lässt sich in Olympiodors Auffassung von den Tugenden erkennen, dass er auch hier einen Anspruch seines Bildungskonzepts erhebt. 189 Griffin 2015, S. 44–45. 190 Vgl. Joosse 2021, S. 138. 191 Vgl. ebd. S. 135.

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Die Betonung der politischen und kathartischen Tugenden macht Alkibiades zu einem besonderen Dialog für Olympiodor, durch den die Wirkung der platonischen Bildung für den Erwerb der Tugenden zur Sprache gebracht wird.

3. Erkenntnistheoretische Ansätze Platons Philosophie beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie der menschliche Verstand die intelligiblen Ideen begreifen kann. Platons Unterscheidung zwischen dem Bereich der Ideen und der sinnlich wahrnehmbaren Welt führt im Neuplatonismus zu einer differenzierten Betrachtung der göttlichen und menschlichen Ebenen. Insbesondere bei Jamblich ist der Unterschied göttlicher und menschlicher Wesen und dementsprechend ihrer Erkenntniskapazitäten grundlegend. Über eine durch Sprache vermittelbare und aussprechbare Erkenntnis hinaus erstreckt sich der Bereich des Göttlichen, dessen Erfassen bei den Neuplatonikern ein komplexes Themenfeld darstellt. In diesem Zusammenhang rücken Platons Erläuterungen in den Vordergrund, die eineArt höhere und rein intelligible Erkenntnis beschreiben.192 Genau darin besteht die Hauptfrage im Alkibiades: die Frage nach der Erkenntnis der vernunftbegabten Seele jenseits des Körpers. Diese Erkenntnis richtet sich auf eine intelligible Welt, die sich sprachlich schwer vermitteln und erfassen lässt. Ausgehend von dieser Problematik zieht Olympiodor im Alkibiades-Kommentar einige Konzepte heran, um seine Auffassung der höheren Erkenntnis zu begründen. Diese Konzepte dienen zum einen der Erklärung der Existenz des göttlichen Wissens bei den Menschen (Gemeinbegriffe), zum anderen der Übertragung dieses Wissens auf die Menschen von den Göttern (durch Inspiration und Liebe). 3.1 Die göttliche und menschliche Erkenntnis Ein genauerer Blick auf Olympiodors Darstellung der Erkenntnis beleuchtet weitere Aspekte, die über eine sprachliche Erfassung der Theorien hinaus gehen. Gleich am Anfang stellt Olympiodor die These auf, dass alle Menschen darauf abzielen würden, von platonischen Inspirationen erfüllt zu werden:

192 Die Seele ist nach Platon zu der Erkenntnis der wahrhaft Seienden jenseits der sinnlich wahrnehmbaren Welt fähig, da diese Wahrheit auf die Seele strahlt, wie das Sonnenlicht auf die Sinnesobjekte. Dagegen kann die Seele über die Welt des Werdens keine ‚Erkenntnis‘ im wahren Sinne haben, denn über diese Dinge existieren viele verschiedene ‚Meinungen‘ (Plat. Rep. 508e; vgl. 508a–509a). Zum Konzept der ‚Erkenntnis‘ bei Platon siehe Meixner 2007.

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B. Untersuchung des Kommentars

Olymp. in Alc. 1,3–9: Ὁ μὲν Ἀριστοτέλης ἀρχόμενος τῆς ἑαυτοῦ θεολογίας φησίν· ‘πάντες ἄνθρωποι εἰδέναι ὀρέγονται φύσει, σημεῖον δὲ ἡ τῶν αἰσθήσεων ἀγάπησις’· ἐγὼ δὲ τῆς τοῦ Πλάτωνος φιλοσοφίας ἀρχόμενος φαίην ἂν τοῦτο μειζόνως, ὅτι πάντες ἄνθρωποι τῆς Πλάτωνος φιλοσοφίας ὀρέγονται, χρηστὸν παρ’ αὐτῆς ἅπαντες ἀρύσασθαι βουλόμενοι καὶ κάτοχοι τοῖς ταύτης νάμασιν εἶναι σπουδάζοντες καὶ τῶν Πλατωνικῶν ἐνθουσιασμῶν πλήρεις ἑαυτοὺς καταστήσοντες. Aristoteles sagt am Anfang seiner Theologie: „Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen, Zeichen dafür ist die Vorliebe zu den Sinneswahrnehmungen“. Ich würde aber am Anfang von Platons Philosophie umso mehr sagen, dass alle Menschen nach Platons Philosophie streben, da sie einen Nutzen daraus ziehen wollen; sowohl indem sie danach eifern, von deren Quellen gefesselt zu werden, als auch indem sie sich darauf einstellen, mit den platonischen Inspirationen erfüllt zu werden.

Bei dieser Feststellung deutet Olympiodor auf das Konzept des Wissenserwerbs als Erfüllung, das Platon im Phaidros behandelt.193 In diesem Dialog vergleicht Platon die Inspiration mit der Liebe und der Philosophie (vgl. Plat. Phdr. 241e; 249d–e; 263d), die auch nach Olympiodors Auffassung einige Kernaspekte des Alkibiades darstellen. Wie Olympiodor in seiner Einleitung feststellt, findet sich im Phaidros die dritte platonische Inspiration, weil Sokrates darin die Liebe erörtert (Olymp. in Alc. 2,5–10). In dem Begriff der Liebe (ἔρως) sieht Olympiodor das Hauptmotiv des Dialogs zwischen Sokrates und Alkibiades: Olymp. in Alc. 13,12–13: Ἐπειδὴ ἐρωτικὸς ὁ διάλογος, διὰ τοῦ προοιμίου τρεῖς διαφορὰς ἡμῖν παραδίδωσιν ἐνθέου ἐραστοῦ πρὸς τὸν φορτικὸν ἐραστήν. Da der Dialog auf den Eros zielt, gibt er [sc. Platon] uns in der Einleitung drei Unterschiede zwischen dem göttlich inspirierten Liebhaber und dem gemeinen Liebhaber.

Der Alkibiades wird hier als ein Dialog definiert, der durch Eros geprägt ist (ἐρωτικὸς ὁ διάλογος). Im Phaidros referiert Sokrates über zwei Arten der Liebe, von denen die eine den göttlich inspirierten (ἔνθεος) Liebhaber bezeichnet und die andere den groben (φορτικός) Liebhaber (vgl. Plat. Phdr. 238e–241d). Durch die höhere Art der Liebe, die ἔνθεος genannt wird, knüpft Olympiodor an die göttliche Inspiration (ἐνθουσιασμός) an. Ferner lassen sich die Inspiration und die Liebe in Bezug auf Erkenntnis auch von einem anderen Standpunkt 193 Plat. Phdr. 235c9–d1: λείπεται δὴ οἶμαι ἐξ ἀλλοτρίων ποθὲν ναμάτων διὰ τῆς ἀκοῆς πεπληρῶσθαί με δίκην ἀγγείου. „So bleibt denn nur, glaube ich, dass ich aus irgendwelchen anderen Quellen durch das Gehör erfüllt worden bin, ähnlich wie ein Gefäß.“ (Übers. Rufener 1958).

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betrachten, da Liebe (im Sinne eines Elements des Universums oder von Eros als Gottheit) die Menschen miteinander und mit den Göttern verbindet: Olymp. in Alc. 22,6–10: Καὶ τὸν Ἔρωτα δὲ ἐν τῷ Συμποσίῳ ποτὲ μὲν θεόν, ποτὲ δὲ μέγαν καλεῖ δαίμονα. καὶ διὰ τί μὲν θεόν, σαφές· δαίμονα δὲ ὡς μέσον αὐτὸν προσαγορεύει, μέσος γάρ ἐστιν ὁ Ἔρως οὐσίας καὶ ἐνεργείας καὶ ἐρωμένου καὶ ἐραστοῦ· μέγαν δέ, ἐπειδὴ ὑπὲρ αἴσθησιν καὶ νοερῶς ἐνεργει ͂. Außerdem nennt er [sc. Platon] Eros an einer Stelle im Symposion einen Gott, aber an einer anderen Stelle einen großen Daimon.194 Nun, warum er ihn als Gott [bezeichnet], ist klar: Als Daimon aber spricht er ihn an, da er als Vermittler [agiert], denn Eros ist Vermittler zwischen dem Wesen und seiner Verwirklichung und zwischen dem Geliebten und dem Verliebten. Groß [nennt er ihn], weil er jenseits der Sinneswahrnehmung und auf eine vernunftgemäße Weise wirkt.

Olympiodor äußert dabei eine erkenntnistheoretische Annahme, dass die Liebe „jenseits der Sinneswahrnehmung“ (ὑπὲρ αἴσθησιν) handele. Wie die Inspiration, stellt auch Liebe bzw. Eros eine Bindung zwischen den Menschen und der Gottheit her, die die menschliche Sinneswahrnehmung und Vorstellungskraft übertrifft.195 Das deutet darauf, dass der Aufstieg zu einer intelligiblen Erkenntnis jenseits der sinnlich wahrnehmbaren Welt mithilfe der Liebe (oder Eros als Gottheit) geschieht. Mit der Aussage, dass die Liebe „auf vernunftbezogene Weise“ (νοερῶς) wirkt, spielt Olympiodor auf die Vernunft in der Seele an. Zur Erkenntnis führt die Liebe, indem sie die Rückwendung (ἐπιστροφή) auf sich selbst und dadurch auf die Gemeinbegriffe (κοιναὶ ἔννοιαι) in der Seele bewirkt: Olymp. in Alc. 217,18–19: καὶ διὰ μὲν τῆς τοῦ νοῦ ἐλλάμψεως ἔχομεν τὰς κοινὰς ἐννοίας, διὰ δὲ τῆς τοῦ θεοῦ τοὺς ἐνθουσιασμούς. Und einerseits haben wir die Gemeinbegriffe durch die Erleuchtung der Vernunft, andererseits haben wir Inspirationen durch die [Erleuchtung] des Gottes.

In Platons Philosophie deutet das Adjektiv κοινός auf die den Menschen gemeinsame Vernunft.196 Die Verwendung dieses Adjektivs in Verbindung mit ἔννοια stammt vor allem aus der stoischen Philosophie, die im Neuplato194 Vgl. dazu Plat. Smp. 178a; 189c; 195a; 202d; Olymp. in Alc. 8,10–14. 195 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Olympiodor an dieser Stelle die Inspiration den Sinneswahrnehmungen bei Aristoteles gegenüberstellt. Dieses Thema wird im folgenden Kapitel behandelt werden. Die Vorstellungskraft ist im Rahmen der Erkenntnisse aus den physischen Sinneswahrnehmungen notwendig, dagegen bei der Wahrnehmung des Göttlichen unnötig. 196 Vgl. Plat. Prt. 358a; Lg. 633a: κοινὸς … λόγος.

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B. Untersuchung des Kommentars

nismus weithin rezipiert wurde. Bei den Neuplatonikern bezeichnen die Gemeinbegriffe die Erkenntnisse in der Seele, die bei allen Menschen gleich sind. Diese beinhalten die unveränderbaren Wahrheiten, die nicht durch logisches Vorgehen, sondern durch die Rückwendung auf die Seele gefunden werden.197 Deshalb erläutert Olympiodor an dieser Stelle, dass die Menschen diese Gemeinbegriffe „durch die Erleuchtung der Vernunft“ (τῆς τοῦ νοῦ ἐλλάμψεως) haben. Das Wort ‚Erleuchtung‘ (ἔλλαμψις) bezeichnet auch die Erscheinung der Götter auf der menschlichen Ebene. Die Menschen erhalten die ‚Inspirationen‘ (ἐνθουσιασμούς) durch die Erleuchtung, die von den Göttern ausgeht. Folglich stellt Olympiodor die Erkenntnis durch die Vernunft in der menschlichen Seele der Erkenntnis durch die göttlichen Inspirationen gleich: Zu diesen beiden Bereichen kann der Mensch nur mithilfe der Seele und der Vernunft (νοῦς) gelangen, die über die körperlichen Sinneswahrnehmungen hinausgehen. Olympiodor zufolge werden die Konzepte der Liebe, Rückwendung und Inspiration im Sinne von höherer Erkenntnis im Alkibiades verknüpft. Er vertritt die Auffassung, dass Platon in diesem Dialog durch die Anwendung der Liebe die Rückwendung auf sich selbst bewirke, damit die Erkenntnis in der Seele gefunden werde. Ferner geben die Götter aufgrund der Liebe den Menschen Inspirationen, die durch Erleuchtung eine höhere Erkenntnis verleihen. Diese beiden Wege zeigt Olympiodor für die Erkenntnis der höheren Bereiche: zum einen durch Rückwendung die Erkenntnis in der Seele zu entdecken, zum anderen durch Götter inspiriert zu werden. Da göttliche Inspirationen nicht im Ermessen der Menschen liegen, widmet sich der Alkibiades der Rückwendung des Menschen auf sich selbst. Das spricht jedoch nicht dagegen, dass die Entdeckung der Erkenntnis in der Seele als parallel zu einer göttlichen Inspiration zu denken ist. Olympiodors Darstellung der Erleuchtung deutet auf diese Parallele zwischen den beiden Arten der Erkenntnis hin. 3.2 Sinneswahrnehmungen in der platonischen Philosophie Die Auffassung der Erkenntnis als Erfüllung stellt den Wert des Wissens, das von der sinnlich wahrnehmbaren Welt ausgeht, zur Debatte. Wenn ein zuverlässiges Wissen nur mithilfe einer höheren Quelle – der Seele oder der Götter – gewonnen werden kann, dann können die Eindrücke der Sinnesobjekte, wenn sie nicht durch Vernunft geprüft werden, in der Konsequenz nur täuschen. 197 Olymp. in Alc. 18,3–4; 40,20; in Grg. 44,7. Vgl. Procl. in Alc. 247,2–3; 274,1; Inst. 64; in Cra. 28,22–26; in Ti. I.360,30; 438,29–30; II.144,15; Simp. in Cat. 12,26–13,4.

II. Theoretische Grundlagen

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Folglich befassen sich die Neuplatoniker mit der Bestimmung der Zusammenhänge zwischen Sinneswahrnehmung und Kognition. Die Stellung der Sinneswahrnehmung ist in der platonischen Philosophie nicht eindeutig, da sie ein ambivalentes Verhältnis zur Erkenntnis aufweist.198 Während der ästhetische Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Welt ein Abbild der Ideen im intelligiblen Bereich bildet, stellt Platon die Verlässlichkeit der Sinneswahrnehmungen infrage.199 Dennoch besitzen diese die Eigenschaft einer Analogie, den Erkenntnisprozess in der Vernunft zu erklären. Durch die Analogie zwischen den sinnlich wahrnehmbaren und den intelligiblen Ebenen beschreibt Platon die Erkenntnis dieser beiden Bereiche häufiger als parallele Wahrnehmungen: Während das körperliche Sehen durch das Auge die sinnlich wahrnehmbaren Dinge betrifft, bildet dieses Sehvermögen gleichzeitig ein Beispiel für das Verfahren, durch das die intelligible Welt der Ideen betrachtet wird. Die Neuplatoniker gründen auf dieser Ambivalenz der Sinneswahrnehmungen deren grundsätzlich differenzierten zwei Ebenen: Obwohl die körperlichen Sinnesorgane in den platonischen Dialogen häufig als Fehlerquelle behandelt werden, ist ihr metaphorischer Sinn im Neuplatonismus unterschiedlich zu betrachten. Nicht in allen Fällen ist von einem körperlichen Sehen und von einem Hören die Rede, sondern auch die höheren Erkenntnisstufen werden in Analogie zu diesen Prozessen erläutert. Diesbezüglich wird im Neuplatonismus die Frage diskutiert, wie das Hören von Daimones durch eine Stimme (φωνή) zustande komme. Hermeias gibt dabei als Plotins Ansicht an, dass es nicht unangemessen wäre, wenn die Daimones in der Luft Stimmen ertönen ließen. Diese Auffassung beruht auf der Definition, dass ein Ton ein „Schlag in der Luft“ sei (vgl. Plat. Ti. 67b: ὑπ’ἀέρος … πληγήν; Olymp. in Alc. 53,3–4). Demzufolge bezeichnet Plotin die Gedanken als ‚Eindrücke‘ oder ‚Abdrücke‘ (πληγαί) der Sinneswahrnehmungen (vgl. Plot.V.5.1,24–25). Mit Bezug auf diese Theorie beschreibt Hermeias den Ton als einen Schlag in die Luft, den es im ganzen

198 In der vorliegenden Arbeit wird dieses Verhältnis nicht näher analysiert. Einen Überblick bietet Perkams 2007. Zum Begriff der Wahrnehmung bei Platon muss grundsätzlich angenommen werden, wie Perkams erläutert, dass αἴσθησις bei Platon nicht nur das sinnliche und körperliche Wahrnehmen, sondern auch allgemein das Erfassen eines Erkenntnisgegenstands einbezieht. Bei den Neulatonikern wird die Sinneswahrnehmung nach Perkams übewiegend auf die körperlichen Sinneswahrnehmungen bezogen und somit von einer geistigen Erfassung abgegrenzt. Zu verschiedenen Auffassungen über Wissen in platonischen Dialogen siehe Szaif 2009. Zum Begriff αἴσθησις bei Olympiodor siehe Lautner 2021. 199 Diese Problematik wird am ausführlichsten im Theaitetos behandelt, wo die Wahrnehmung von der Erkenntnis differenziert wird (vgl. Plat. Tht. 186d–e).

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Kosmos gebe. Folglich können nach Hermeias auch die Götter Sinneswahrnehmungen haben, wobei sie diese in einerArt des Erkenntniszustands (γνῶσις) besitzen, die Menschen dagegen nur die Art der Wahrnehmung durch Affekte haben (πάθος, vgl. Herm. in Phdr. 72,13–73,6). Darin findet sich die neuplatonische Theorie wieder, dass die Begriffe auf der menschlichen und göttlichen Ebene verschiedene Inhalte tragen. So ist das Wort ‚Sinneswahrnehmung‘ Hermeias zufolge im Fall der Götter als eine Erkenntnis zu verstehen. Auf dieser Grundlage stellt Proklos die Instabilität der körperlichen Sinneswahrnehmungen auf der menschlichen Ebene fest, während die Erkenntnis nur in der Seele zu finden sei: Procl. in Alc. 250,5–8: ἐκ δὴ τούτων φανερὸν ὅτι τὰς γνώσεις οὐκ ἀπὸ τῶν αἰσθητῶν ἀθροίζουσιν αἱ ψυχαί, οὐδὲ ἀπὸ τῶν μερικῶν καὶ διῃρημένων πραγμάτων τὸ ὅλον εὑρίσκουσι καὶ τὸ ἕν, ἀλλ’ὡς ἔνδοθεν τὴν μάθησιν προβάλλουσι καὶ ἐπανορθοῦνται τὸ ἀτελὲς τῶν φαινομένων. Daraus leuchtet hervor, dass die Seelen weder die Erkenntnisse aus den Sinnesobjekten sammeln noch ausgehend von den anteiligen und geteilten Dingen etwas Ganzes und Einheitliches herausfinden, sondern die Kenntnis von innen hervorbringen und die Unvollkommenheit der sinnlichen Erscheinungen korrigieren.

Proklos gibt hier die Begründung dafür, warum die Seelen keine Erkenntnisse nur ausgehend von Sinnesobjekten erlangen: Da die sinnlich wahrnehmbaren Dinge unvollkommen und geteilt seien, könnten sie keine ungeteilte Erkenntnis begründen. Deshalb müsse der Mensch aus dem sinnlich wahrnehmbaren Bereich zu den Gemeinbegriffen in der Seele zurückgeführt werden, um die Hindernisse des Körpers und der physischen Sinneswahrnehmungen zu überwinden. Proklos erklärt den Grund dafür wie folgt: Procl. in Alc. 235,8–14: τὸ δὲ αἴτιον, ὅτι ἡ ἀνθρωπίνη ψυχὴ σώματι συνεζύγη καὶ ζῇ τὴν μετὰ τοῦ σώματος ζωὴν τὴν κοινὴν καὶ ἐπιπροσθεῖται ὑπὸ τοῦ σώματος καὶ δεῖται τῶν ἔξωθεν αὐτὴν ἀνακινῆσαι δυναμένων. ὁ γὰρ ἀτελὴς νοῦς ὑπὸ τοῦ τελείου ποδηγεῖται, καθάπερ δὴ καὶ ἡ ἀτελὴς φύσις ὑπὸ τῆς τελείας κατ’ ἐνέργειαν ἤδη τελεσιουργεῖται. ψυχὴ οὖν εἰς ἄλλην ὁρῶσα ψυχὴν ἐν τῷ συγγενεῖ τὴν ἑαυτῆς γνῶσιν ὁρᾷ καὶ οὕτω δὴ τὸ ἐλλεῖπον εἰς τὸ τέλειον περιάγει καὶ τὴν ἄγνοιαν εἰς γνῶσιν· Der Grund dafür ist, dass die menschliche Seele an einen Körper gebunden ist und ein gemeinsames Leben mit dem Körper lebt, und deshalb wird sie verhindert und erfordert externe Kräfte, um sie zu wecken. Die unvollkommene Vernunft wird vom Vollkommenen geleitet, so wie die unvollkommene Natur durch die Tätigkeit des Vollkommenen tatsächlich zur Vollkommenheit gebracht wird. Also nimmt eine Seele,

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wenn sie eine andere Seele ansieht, das Wissen über sich selbst in dem verwandten Wesen wahr und verwandelt so Mangel in Vollkommenheit und Unwissenheit in Wissen.

Mit dieser Erläuterung beschreibt Proklos den Erkenntnisprozess im Alkibiades: Da der Mensch ein Leben im Körper führe, müsse seine Seele „auf eine andere Seele schauen“ (εἰς ἄλλην ὁρῶσα ψυχήν), um die Erkenntnis des Selbst wahrzunehmen (wörtlich „sehen“, τὴν ἑαυτῆς γνῶσιν ὁρᾷ). Dieses ‚Sehen‘ einer anderen Seele ist kein ‚physisches‘ Sehen, sondern ein kognitiver Prozess, der im platonischen Dialog entwickelt wird. Wenn zwei Menschen im Dialog einander anblicken, stellt dies eine Parallele dazu dar, dass eine Seele durch die Betrachtung einer anderen Seele zur Erkenntnis gelangt. Folglich argumentiert Proklos, dass der Gegensatz der Sinneswahrnehmungen zu der Erkenntnis der Seele lediglich den Unterschied zwischen den sinnlich wahrnehmbaren und den intelligiblen Ebenen betreffe. DieAnalogie der Sinneswahrnehmungen zur Wahrnehmung der Seele, wie bei der platonischen Philosophie, bleibt auch bei Proklos unverändert. Olympiodor baut seine Annäherung auf diesen Parallelen zwischen der Wahrnehmung der sinnlichen und intelligiblen Bereiche auf, wie bei derAnalyse seiner exegetischen Vorgehensweise (Kapitel B. III) dargelegt werden wird. 3.3 Selbsterkenntnis und Sinneswahrnehmung im Alkibiades Die oben aufgeführte Darstellung der Sinneswahrnehmungen muss im Fall des Alkibiades weiter präzisiert werden. Im Hinblick auf die Erkenntnis von „einer Sache selbst“ konzipiert Platon in diesem Dialog die Wahrnehmung eines Gegenübers als Schlüssel zum Verständnis des eigenen Seins: In einem viel diskutierten Abschnitt stellt Sokrates zuerst die Frage, auf welche Weise man eine Sache selbst herausfinden kann (Plat. Alc. 129b: τίν᾽ἂν τρόπον εὑρεθείη αὐτὸ τὸ αὐτό;). Daraufhin stellt er fest, dass sich zwei Seelen in einem Gespräch als diejenigen erkennen, die die Sprache und damit den Körper als Werkzeug benutzen.200 Dieser Gedankengang wird gegen Ende des Dialogs nochmal aufgegriffen und mit dem Beispiel konkretisiert, dass ein Auge, das in ein anderes Auge blickt, sich selbst darauf sieht.201 Bei dieser Darstellung über die Entstehung der Selbsterkenntnis besitzen die Sinneswahrnehmungen eine 200 Plat. Alc. 130d: οὐκοῦν καλῶς ἔχει οὕτω νομίζειν, ἐμὲ καὶ σὲ προσομιλεῖν ἀλλήλοις τοῖς λόγοις χρωμένους τῇ ψυχῇ πρὸς τὴν ψυχήν; „Es ist also doch wohl richtig, davon überzeugt zu sein, dass, wenn ich und du miteinander kommunizieren, indem wir uns der Wörter bedienen, die eine Seele mit der anderen kommuniziert?“ (Übers. Döring 2016). 201 Plat. Alc. 133b: ὀφθαλμὸς ἄρ᾽εἰ μέλλει ἰδεῖν αὑτόν, εἰς ὀφθαλμὸν αὐτῷ βλεπτέον, καὶ τοῦ ὄμματος εἰς ἐκεῖνον τὸν τόπον ἐν ᾧ τυγχάνει ἡ ὀφθαλμοῦ ἀρετὴ ἐγγιγνομένη: ἔστι δὲ τοῦτό που ὄψις; „Wenn also ein Auge sich selbst sehen will, muss es in ein Auge blicken

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wesentliche Rolle, indem sie zu Analogien anregen und über die Betrachtung des Sichtbaren zum Begreifen des Unsichtbaren führen. Die Verknüpfung von Sinneswahrnehmungen und der Selbsterkenntnis im Alkibiades wurde bei den Neuplatonikern weiterverfolgt. Nach Olympiodor handelt der Alkibiades nicht nur über die Selbsterkenntnis im allgemeinen Sinne, sondern davon, „sich selbst als politischen Menschen zu erkennen“ (Olymp. in Alc. 4,15–20). Diese theoretische Grundlage definiert den Menschen als eine vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. Weder der kathartische Mensch noch die höheren Tugendstufen, die weiter vom Körper entfernt sind, stellen das Thema des Alkibiades dar. In diesem Aspekt entsteht für die Neuplatoniker die Frage, warum Platon die Erkenntnis des Menschen als einer Seele, die sich des Körpers bedient, als Anfang der Philosophie betrachtet haben soll. Olympiodor erläutert dazu, dass der Gebrauch des Körpers im Leben des politischen Menschen in gesellschaftlichen Belangen und politischen Handlungen wohl unverzichtbar sei (Olymp. in Alc. 4,20–5,1). Um ein Land im Krieg zu verteidigen oder gute Taten zu ermöglichen, benutze die Seele den Körper als Werkzeug. Folglich könne die Seele auch von den Sinneswahrnehmungen Gebrauch machen, um die Erkenntniskapazität des politischen Menschen im weitesten Sinne zu entfalten. Wenn der Mensch mit politischer Tugend die Analogie zwischen dem körperlichen Wahrnehmungsprozess und der Erleuchtung der höheren Erkenntnis herstellen könne, würde er ausgehend von der guten Ordnung der Seele die notwendige Erkenntnis für die gute Ordnung und das Glück auf der politischen Ebene erreichen. Diese Überlegungen führen zum Schluss, dass im Alkibiades die Sinneswahrnehmungen den Ausgangspunkt der Erkenntnis des Menschen auf der Ebene der politischen Tugend bilden. Das besondere Verhältnis des politischen Menschen zu den Sinneswahrnehmungen erfordert eine Berücksichtigung der Wahrnehmungen nicht nur auf der theoretischen Ebene, sondern auch auf der sprachlichen Vorgehensweise der philosophischen Exegese. 3.4 Olympiodors Betrachtungen zu Sinneswahrnehmungen Es wurde bereits dargelegt, dass Olympiodor am Anfang des AlkibiadesKommentars sein Vorhaben deutlich macht, den physischen Sinneswahrnehmungen die Wahrnehmung des Göttlichen gegenüberzustellen.202 So beginnt und zwar in jenen Bereich des Auges, in dem die Tüchtigkeit des Auges angesiedelt ist, das Sehvermögen?“ (Übers. Döring ebd.). 202 Siehe dazu oben das Thema der Inspirationen im Kapitel II. 2.1. Göttliche Erkenntnis: Inspiration, Liebe und Gemeinbegriffe.

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Olympiodor vor seiner Erörterung der platonischen Inspirationen mit einer Bemerkung zu Aristoteles und den Sinneswahrnehmungen: Olymp. in Alc. 1,3–5: Ὁ μὲν Ἀριστοτέλης ἀρχόμενος τῆς ἑαυτοῦ θεολογίας φησίν· ‘πάντες ἄνθρωποι εἰδέναι ὀρέγονται φύσει, σημεῖον δὲ ἡ τῶν αἰσθήσεων ἀγάπησις’· Aristoteles sagt am Anfang seiner Theologie: „Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen, Zeichen dafür ist die Vorliebe zu den Sinneswahrnehmungen“.

Dieses Zitat entnimmt Olympiodor der aristotelischen Metaphysik, wobei er auf den Sinn des Satzes nicht näher eingeht. Dadurch dient seine Einleitung dazu, auf den (aus platonischer Sicht widersprüchlichen) Gedankengang hinzuweisen, dass Aristoteles in der „Theologie“ (sc. Metaphysik) Sinneswahrnehmungen – und nicht die Götter – als Anfang der menschlichen Erkenntnis definiert. Gegenüber dieser Interpretation muss angemerkt werden, dass Aristoteles mit diesem Satz nicht eindeutig feststellt, dass die Menschen prinzipiell durch Sinneswahrnehmungen zur Erkenntnis gelangen würden. Vielmehr ist es als eine axiomatische Behauptung über die menschlichen Fähigkeiten zu verstehen, die keine weitere Begründung benötigt. Da die Sinneswahrnehmung von Natur allen Menschen gegeben ist, stuft Aristoteles diese als die grundlegende Fähigkeit des Bewusstseins ein (vgl. Arist. Metaph. 980a21–982a5). Darin sieht Olympiodor eine negative Bewertung der physischen bzw. körperlichen Sinneswahrnehmungen, die er im Alkibiades-Kommentar mehrmals betont.203 Insbesondere bedient sich Olympiodor dabei der Vorstellung der Assoziation der körperlichen Wahrnehmung mit der affektvollen Willenskraft in der platonischen Philosophie.204 So ist der Wunsch nach αἴσθησις ein Zeichen des groben Liebhabers, der einen Gegensatz zum göttlich inspirierten (ἔνθεος) Liebhaber darstellt: Olymp. in Alc. 14,4–5: ὁ δὲ φορτικὸς ἐραστὴς πάρεστι τοῖς παιδικοῖς κατὰ τὴν αἴσθησιν βουλόμενος ἐνεργεῖν τοῦ σώματος, καὶ ταύτην κατὰ τὴν ἐσχάτην, τουτέστι τὴν ἁφήν. Der gemeine Liebhaber dagegen ist bei seinem Liebling gemäß der sinnlichen Wahrnehmung und mit dem Wunsch, im Bereich des Körpers aktiv zu werden – und zwar durch die niedrigste [der Wahrnehmungen], das heißt durch das Berühren. 203 Vgl. 22,9–10; 32,14–15. 204 Diese negative Deutung ist auch bei Proklos häufiger zu finden, ebenso wie die Assoziation der Geldliebe mit der Vorstellungskraft und den Sinneswahrnehmungen (Procl. in Alc. 315,20–316,8). Hier stellt Proklos fest, dass geldliebende Menschen das sinnliche Wahrnehmen der Vernunft vorziehen (316,7–8: αὐτοὶ δὲ ἅτε φαντασίαν καὶ αἴσθησιν νοῦ καὶ ἐπιστήμης προστησάμενοι).

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B. Untersuchung des Kommentars

Während der göttlich inspirierte Liebhaber die Seele des Geliebten beachtet – und Sokrates daher bei Alkibiades bleibt, nachdem alle anderen Liebhaber ihn verlassen haben –, ist das Motiv des groben Liebhabers die Aktivität im Bereich des Körpers (ἐνεργεῖν τοῦ σώματος). Durch den Körper wird der Mensch zu den untersten Bereichen (κατὰ τὴν ἐσχάτην) der menschlichen Handlungen gebracht und von seinem Aufstieg abgehalten. Überdies betont Olympiodor, dass die körperlichen Sinneswahrnehmungen ein täuschendes Bild von den Ideen darstellen. Die Vorstellungskraft (φαντασία) bietet den Menschen Eindrücke ausgehend von den Sinneswahrnehmungen. Das führt dazu, dass falsche Erscheinungen als Erkenntnis angesehen werden. Gegenüber der Wahrnehmung dieser Erscheinungen steht die göttliche Inspiration, die keine Vorstellungskraft braucht: Olymp. in Alc. 8,12–14: διὰ τοῦτο γὰρ καὶ οἱ παῖδες μᾶλλον καὶ οἱ ἐν ἀγροῖς διατρίβοντες, ὡς ἀφελεῖς καὶ ἁπλοῖ, ἐνθουσιῶσιν· ἀφαντασίαστος γὰρ ὁ ἐνθουσιασμός, διὸ καὶ φαντασίᾳ λύεται ὡς ἐναντίᾳ οὔσῃ. Deswegen werden meistens Kinder und diejenigen, die auf den Feldern beschäftigt sind, inspiriert, da sie schlichte und einfache Menschen sind. Denn die Inspiration benötigt keine Vorstellungskraft, weshalb sie sich durch die Vorstellungskraft auflöst, da diese ihr Gegensatz ist.

An dieser Stelle zeigt die von den Göttern herrührende Inspiration einen Gegensatz zu den Eindrücken der Sinnesobjekte. Auf dem Weg zu höheren Erkenntnisebenen werden die Menschen zu falschen Vorstellungen verleitet, wenn sie nur körperliche Sinneswahrnehmungen als Grundlage nehmen. Deshalb weist Olympiodor darauf hin, dass häufiger einfache Menschen von den Göttern inspiriert werden, da sie die Götter nicht wie ein Sinnesobjekt durch Vorstellungskraft, sondern auf eine andere Weise – durch Inspiration und Erleuchtung – wahrnehmen. Diese Art von Wahrnehmung ist notwendig, um die Erkenntnis der göttlichen Ebene in Analogie zur Wahrnehmung auf der menschlichen Ebene zu verstehen: Olymp. in Alc. 59,9–12: Νῦν ἀτοπώτερος αὖ φαίνῃ205: παραδοξότερος καὶ θαυμασιώτερος. εἰκότως δὲ νῦν ἐπειδὴ διηλέχθη ὁ Σωκράτης θαυμασιώτερος τῷ Ἀλκιβιάδῃ δοκεῖ ἤπερ σιωπῶν. καὶ γὰρ καὶ ἡμεῖς τὸ θεῖον τότε μᾶλλον τεθήπαμεν ὅτε αἰσθητῶς ἐλλαμπόμεθα καὶ ἐνθουσιῶμεν ἤπερ ὅτε μή.

205 Plat. Alc. 106a3–4.

II. Theoretische Grundlagen

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Jetzt erscheinst du mir noch außergewöhnlicher: [Das bedeutet,] paradoxer und bewundernswerter. Selbstverständlich jetzt, nachdem Sokrates mit ihm gesprochen hat, scheint er für Alkibiades bewundernswerter zu sein, als wenn er schwieg. In der Tat sind wir auch eher dann über das Göttliche erstaunt, wenn wir durch die Sinneswahrnehmung erleuchtet und inspiriert sind, als wenn es nicht [geschieht].

Aus diesem Abschnitt geht hervor, dass Olympiodor die Sinneswahrnehmungen nicht vollständig verwirft, sondern ihre metaphorische Stellung für die Wahrnehmung der höheren Erkenntnisse betont. Es ist jedoch besser für die Menschen, durch eine Wahrnehmung des Göttlichen erleuchtet und inspiriert zu werden (αἰσθητῶς ἐλλαμπόμεθα καὶ ἐνθουσιῶμεν). Dabei ist zu beachten, dass Sokrates für Alkibiades bewundernswerter erscheint, wenn er mit ihm spricht, genau wie die Götter für Menschen bewundernswerter sind, wenn sie wahrgenommen werden. In dieser Hinsicht entspricht die Art der Wahrnehmung, die in einem Dialog stattfindet, der Wahrnehmung durch die Inspiration. Im Alkibiades geht Platon nach Olympiodors Interpretation ausgehend von den sinnlichen Wahrnehmungen zu einer Wahrnehmung der Erkenntnis über. Alkibiades wird zuerst mithilfe der Sinneswahrnehmungen auf Sokrates gelenkt, damit er durch eine Wahrnehmung in der Seele Erkenntnis erwirbt. 3.5 Zwei Wege der Erkenntnis Olympiodors erkenntnistheoretischen Ausführungen im Alkibiades-Kommentar liegt die platonische Theorie der Erkenntnis und der Sinneswahrnehmung zugrunde. Deutlich wird dies durch seine Annahme, dass Sokrates den Daimon nicht im Sinne einer physischen Stimme gehört habe, sondern der Daimon sich ihm durch eine Erleuchtung offenbarte, die Sokrates für eine Stimme gehalten habe.206 Dadurch erörtert Olympiodor die geistige Auffassung einer höheren Erkenntnis in Anlehnung an die Sinneswahrnehmung. Eine derartige ‚Erleuchtung‘ folgt keinem logischen Argumentationsprozess, sondern geschieht als eine Art göttliche Inspiration, die auf die menschliche Seele einwirkt, wie die Wahrnehmungsobjekte auf die Sinnesorgane. In Bezug auf die Erkenntnis werden im Neuplatonismus zwei Wege differenziert, wie Proklos im Alkibiades-Kommentar erklärt: Procl. in Alc. 176,18–23: ἀλλὰ,πᾶς ὁ ἐπιστήμων ὁτουοῦν πράγματος ἢ διὰ μαθήσεως ἀνέλαβε τὴν ἐπιστήμην ταύτην ἢ δι’εὑρέσεως· οὐ γὰρ ἄλλη τις ὁδὸς εἰς κτῆσιν ὑπολείπεται φρονήσεως, ἀλλ’ἢ μαθεῖν δεῖ τὸ ἀγνοούμενον ἢ εὑρεῖν, ἢ πρὸς ἑαυτοὺς ἡμᾶς ἐπιστρέφοντας καὶ 206 Zur Diskussion dieser Ansicht in der platonischen Tradition, insbesondere bei Hermeias, siehe in der Übersetzung Olymp. in Alc. 21,9–11.

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B. Untersuchung des Kommentars

δι’ἑαυτῶν τὸ ἀληθὲς ἀνευρίσκοντας ἢ παρ’ἄλλων βοηθουμένους εἰς τὴν τῆς ἐπιστήμης ἀνάληψιν.

ἀνακινουμένους

καὶ

Aber jeder, der über Wissen in irgendeinem Fachgebiet verfügt, hat dieses Wissen entweder durch Lernen oder durch Finden wiedererlangt: Denn es gibt keinen anderen Weg zum Erwerb von Weisheit, sondern wir müssen lernen oder finden, was wir nicht wissen; entweder indem wir uns auf uns selbst zurückwenden und die Wahrheit ausgehend von uns selbst wiederfinden oder indem wir von anderen wiederangeregt und unterstützt werden, um Wissen wiederzuerlangen.

Proklos definiert hier die zwei Wege zur Erkenntnis: das Lernen (μάθησις) und das Finden (εὕρησις). Das Lernen geschieht dadurch, dass die Seelen in einem höheren Erkenntnisstand (entweder die Seelen von Göttern oder von den Philosophen wie Sokrates) den anderen die Erkenntnis vermitteln. Einen anderen Weg stellt das Finden dar, das auch als „Herausfinden“ (ἐξευρίσκειν)207 oder (wie bei Proklos hier) als „Wiederfinden“ (ἀνευρίσκειν) beschrieben wird, wenn es sich um Gemeinbegriffe handelt, die in der Seele angesiedelt sind und daher ausgehend von Menschen selbst wiederentdeckt werden (δι’ἑαυτῶν). Das Erkennen auf diese beiden Weisen wird auf Grundlage der Bewegungstheorie erklärt. Demnach geschieht Lernen durch Fremdbewegung, Herausfinden dagegen durch Selbstbewegung: Olymp. in Alc. 82,4–7: αἱ δὲ εὐφυέστεραι τῶν ψυχῶν ὡς αὐτοκίνητοι μᾶλλον εὑρίσκουσι καὶ ἀποτίκτουσιν ἤπερ μανθάνουσιν, ὥσπερ καὶ τὸ ἀνάπαλιν αἱ ἀφυέστεραι ὡς ἑτεροκίνητοι μᾶλλον μανθάνουσιν ἤπερ εὑρίσκουσι. Die von Natur aus begabteren Seelen, da sie sich von selbst bewegen, finden eher selbstständig [Erkenntnis] und bringen diese hervor, als dass sie lernen; so wie umgekehrt die weniger begabten Seelen von anderen bewegt werden und deshalb eher lernen, als dass sie finden.

An dieser Stelle betont Olympiodor, dass die „natürlich begabteren“ (εὐφυέστεραι) Seelen die Erkenntnis selber hervorbringen (wörtlich „gebären“: ἀποτίκτουσιν), statt von anderen zu lernen. Folglich kann nur im Fall der göttlichen Träume die Fremdbewegung beim Lernen bevorzugt werden (Olymp. in Alc. 63,19–64,1). Denn in diesem Fall erteilen die Götter den Menschen die Erkenntnisse. Dagegen liegt es an der menschlichen Kraft, die Erkenntnis durch selbstbewegte Untersuchung herauszufinden. Obwohl der Unterschied zwischen von Natur aus begabten und anderen Seelen impliziert, dass einige 207 So ist der Gebrauch von Platon im Alkibiades 106d5–6 (οὐκοῦν ταῦτα μόνον οἶσθα, ἃ παρ᾽ ἄλλων ἔμαθες ἢ αὐτὸς ἐξηῦρες;). Auch Olympiodor verwendet ἐξεῦρεν bei der Erläuterung dieser Stelle (Olymp. in Alc. 67,25).

II. Theoretische Grundlagen

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Menschen die Erkenntnis nicht selbstständig herausfinden, ist diese Fähigkeit bei allen Seelen vorhanden. Sich darauf einzulassen, dass eigene Argumente im Dialog widerlegt werden, stellt eine selbstbewegende Suche nach der Erkenntnis dar. Das erwartet Sokrates von Alkibiades (Olymp. in Alc. 61,2–17), damit er auf diese Weise durch die sokratische ‚Geburtshilfe‘ die Erkenntnis selbst erreicht: Olymp. in Alc. 12,5–8: Τὸ δὲ μαιευτικόν ἐστιν ἐν ᾧ ὁ Σωκράτης διὰ τῶν προσφυῶν ἐρωτήσεων ποιεῖ τὸν Ἀλκιβιάδην ἀποφήνασθαι ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος, ὥστε αὐτὸν ἑαυτοῦ διδάσκαλον εἶναι· Die Geburtshilfe ist [der Teil], in dem Sokrates Alkibiades durch seiner Natur passenden Fragen dazu bringt, zu erklären, dass die Seele der Mensch ist, sodass er sein eigener Lehrer wird.

Das für Alkibiades verwendete Verb ἀποφήνασθαι (hier als ‚erklären‘ aufgefasst) findet sich in den platonischen Dialogen im Sinne von „etwas darlegen“ (Plat. Plt. 272d1). Doch in Bezug auf die sokratische ‚Geburtshilfe‘ ist es wahrscheinlich, dass Olympiodor auf die Grundbedeutung von ἀπο-φαίνω als „hervorbringen, ans Licht bringen“ und konkret als „gebären“208 eingeht. Die sokratische Methode beruht auf dem Prinzip, dass Sokrates nichts ‚lehrt‘ (ὁ λέγων ἀεὶ μηδὲν εἰδέναι, μηδένα διδάσκειν, Olymp. in Alc. 53,1–2), sondern nur die vorhandene Erkenntnis zum Vorschein bringt. Das geschieht nicht nur durch die Methode der Dialektik, sondern auch durch die Verknüpfung der Wahrnehmungen mit der Erkenntnis in der Seele. Am deutlichsten ist dies im Fall der Selbsterkenntnis dargestellt, wie Olympiodor die Rede des Sokrates (Plat. Alc. 132d–133b) paraphrasiert: Olymp. in Alc. 217,6–15: ‘ὥσπερ εἰ προσέταττεν τῇ κόρῃ ὁ Πύθιος “ἴδε σεαυτήν”’ (καὶ οἰκεῖον τὸ προστάττον τῷ προσταττομένῳ, διότι ὥσπερ ὁ ἥλιος πηγὴ φωτός, οὕτω καὶ ἡ ὄψις ἡλιοειδὴς οὖσα ἀναλογεῖ ἡλίῳ) ‘κἀκείνη πεισθεῖσα τῷ προστάττοντι ὡς οἰκείῳ ἡγεμόνι καὶ μὴ δυναμένη εἰς ἑαυτὴν ἐπιστρέψαι διὰ τὸ ἑτεροκίνητον, πάντως ἂν ἢ εἰς ἄλλην ἀφεώρα ἢ εἰς κάτοπτρον, ἐξ τὸ ἑτεροκίνητον, πάντως ἂν ἢ εἰς ἄλλην ἀφεώρα ἢ εἰς κάτοπτρον, ἐξ οὗ δύναται ἑαυτὴν θεάσασθαι· οὕτω καὶ σύ, ἐπειδὴ ἐξετύφλωσας τὸ ἐν σοὶ αὐτοκίνητον καὶ ἑτεροκινήτως ἐνεργεῖς, μὴ δυνάμενος εἰς ἑαυτὸν ἐπιστρέψαι ἴδε εἰς τὴν ἐμὴν ψυχήν, καὶ γνώσῃ δι’ αὐτῆς καὶ τὴν σήν. „Genauso, als ob der pythische Gott der Pupille [des Auges] befohlen hätte, ‚sieh dich selbst‘“ (und dieser Befehl ist dem Befohlenen angemessen, denn die Sonne ist die 208 Vgl. LSJ ἀποφαίνω A.

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B. Untersuchung des Kommentars

Quelle des Lichts, so auch das Sehvermögen, das sonnenförmig ist, ist in einer Analogie mit der Sonne), „und diese [Pupille] dem Befehlenden als ihrem eigenen Herrscher gehorchte, doch aufgrund ihrer von außen bewegten Natur sich nicht auf sich selbst zurückwenden könnte, würde sie sicherlich auf eine andere [Pupille] oder auf einen Spiegel schauen, von dem aus sie sich selbst beobachten könnte. Ebenso du, da du die Selbstbewegung in dir abgestumpft hast und von außen bewegt handelst, indem du nicht in der Lage bist, dich auf dich selbst zurückzuwenden, blicke nun auf meine Seele und erkenne durch sie deine eigene [Seele].“

Die Entstehung der Sehwahrnehmung wird hier anhand des Verhältnisses zwischen der Sonne als Quelle des Lichts und dem Auge als Sehorgan erläutert. Genauso können Menschen nicht sofort selbstbewegt handeln, sondern sollen auf andere Menschen blicken, um sich auf sich selbst zurückzuwenden. In der sokratischen Gesprächsführung wirkt diese Voraussetzung, auf andere Menschen zu blicken, konkreter: Indem Alkibiades seine Argumente wie ein Spiegelbild vorgehalten werden, wird er selbst zur Prüfung seiner Ansichten gebracht. Für Alkibiades leistet die gegenseitige Betrachtung im Dialog mit Hilfe der Analogie der Sinneswahrnehmungen einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Erkenntnis. Dagegen besteht im philosophischen Unterricht eine Distanz zwischen dem Betrachter und dem Text des Dialogs. Diese Distanz kann überwunden werden, wenn der Dialog, der den Sinneswahrnehmungen eine derart große Bedeutung verleiht, wiederum mit Hilfe dieser als aktuelles Geschehen vor Augen geführt werden kann. Wie Alkibiades mit seinen Argumenten konfrontiert wird, so muss ein Exeget in eine direkte Konfrontation mit dem platonischen Dialog treten. Vor diesem Hintergrund widmet Olympiodor seine Aufmerksamkeit dem Verhältnis von Wahrnehmungen und Erkenntnis im Alkibiades. Dazu geht er nicht nur auf die theoretische und inhaltliche Ebene der Wahrnehmungen ein, sondern ermöglicht durch seinen Sprachgebrauch im Kommentar ein Erleben des platonischen Dialogs. Mit den Merkmalen dieser exegetischen Vorgehensweise befasst sich das folgende Kapitel.

III. Exegetische Vorgehensweise In diesem Kapitel werde ich die Untersuchung auf die exegetische Vorgehensweise im Alkibiades-Kommentar ausdehnen, um zu zeigen, wie Olympiodor die bisher erörterten sprachphilosophischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen in die Praxis umsetzt. Der Grundsatz, dass die sokratische Philosophie auf sokratische Weise erlernt werden müsse, veranlasst Olympiodor nicht nur dazu, den theoretischen Inhalt des Dialogs zu beschreiben, sondern er wendet diese Theorien auch in seinen Ausführungen an. Im Folgenden wird dies durch eine nähere Betrachtung der sprachlichen Einzelheiten des Kommentars verdeutlicht.

1. Sprachorientierte Exegese Wie an den theoretischen Grundlagen gezeigt wurde, bestimmt Olympiodor drei sprachphilosophische Grundkonzepte im Alkibiades-Kommentar: erstens die Betrachtung des Dialogs als eines Lebewesens, zweitens die daraus folgende Erklärung einzelner Bestandteile durch die Absicht (Skopos) des Dialogs, und schließlich die Rolle der Sprache als Werkzeug für Erkenntnis. Seine Annäherung begründet einen engen Zusammenhang zwischen der sprachlichen Ausdrucksweise und dem philosophischen Inhalt des Dialogs. Folglich gewinnen die Wörter, die Platon verwendet, eine Bedeutung dadurch, dass sie die theoretischen Positionen hervorheben. Aus diesem Grund stellt Olympiodor eine Erläuterung der grammatischen Merkmale in den Vordergrund, um an den philosophischen Gehalt des Dialogs heranzuführen. Da sein Schwerpunkt auf den sprachlichen Aspekten des Dialogs liegt, handelt es sich dabei um einen sprachorientierten Ansatz. Mit Blick auf die platonische Tradition lässt sich eine Betonung der Sprache auch bei Proklos darin finden, dass er bestimmte Wörter im Alkibiades als Hinweis auf einen philosophischen Standpunkt betrachtet. Darin spiegelt Proklos eine allegorisierende Exegese wider, die sich auf die symbolische Bedeutung der sprachlichen Ausdrücke konzentriert.209 Während Olympiodor sich bei der vorrangigen Stellung der ‚sprachlichen Ausdrucksweise‘ (λέξις) zwar an Proklos orientiert, erweitert er diese Erklärungen jedoch über ihre 209 Zur methodischen Allegorese siehe Kapitel II.1. Sprachphilosophische Ansätze.

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B. Untersuchung des Kommentars

argumentative Bedeutung hinaus und spricht die grammatischen Kenntnisse seiner Adressaten an. Anhand eines Beispiels lässt sich verdeutlichen, dass Olympiodors Vorgehensweise in diesem Aspekt von Proklos abweicht. Wie unterschiedlich beide Exegeten die gleiche Stelle des Dialogs auslegen, zeigt die Erläuterung des Ausdrucks „durch dich“ (διὰ σοῦ, Plat. Alc. 106a9): Procl. in Alc. 168,17–169,8: Καὶ μὴν καὶ τὸ ‘διὰ σοῦ’ πάνυ θαυμαστῶς ὁ νεανίσκος ἐπινενόηκεν. ἀκούσας γὰρ τοῦ Σωκράτους λέγοντος ὅτι ‘παραδώσω σοι τὴν δύναμιν ἧς ἐπιθυμεῖς, μετὰ τοῦ θεοῦ μέντοι’, συνοῖδεν ὅτι τὸ μὲν πρώτως ποιητικὸν τῷ θείῳ προσήκει νέμειν, τῷ δὲ Σωκράτει τὸ ὀργανικόν. ἔστι δὲ τὸ μὲν ποιοῦν αἴτιον ὡς τὸ ὑφ’οὗ, τὸ δὲ ὄργανον ὡς τὸ δι’οὗ· καθάπερ δὴ καὶ τὸ μὲν τέλος εἴωθε καλεῖσθαι (169) δι’ὅ, τὸ δὲ παράδειγμα πρὸς ὅ· καὶ τὸ μὲν εἶδος καθ’ὅ, τὸ δὲ ὑλικὸν αἴτιον, ὡς μὲν Ἀριστοτέλης φησὶν ἐξ οὗ, ὡς δὲ ὁ Τίμαιος ἐν ᾧ. προσήκει δὴ οὖν τὸ ὄργανον οὕτως αἴτιον λέγειν ὡς τὸ δι’οὗ. καὶ οὖν καὶ ὁ Σωκράτης ὄργανον ὑπάρχων τοῦ θείου τὸν δι’οὗ λόγον ἐπέχει, καὶ εἰκότως ὁ νεανίσκος φησὶ τὸ ‘διὰ σοῦ μοι ἔσται’ καὶ τὸ ‘ἄνευ σοῦ οὐκ ἄν μοι γένοιτο’. καὶ γὰρ τὰ ὄργανα τὸν ὧν οὐκ ἄνευ λόγον πρὸς τὸ γιγνόμενον ἔχουσιν, ἐπειδὴ τὰ κυρίως αἴτια ἄλλα εἰσί· τὸ τελικόν, τὸ παραδειγματικόν, τὸ ποιητικόν. Außerdem bedachte der junge Mann [den Ausdruck] „durch dich“ auf sehr bewundernswerte Weise. Denn er hörte Sokrates sagen: „Ich werde dir die Macht übergeben, die du verlangst, allerdings mit Gottes Hilfe“, und begriff, dass es sich gehört, zuerst die Wirkursache dem Göttlichen zuzuschreiben, und dann die instrumentale Ursache dem Sokrates. Denn Ursache ist einerseits der Erschaffer, als das Von-Wem; andererseits das Werkzeug, als das Wodurch. Ebenso ist es üblich, das Ziel ‚aufgrund dessen‘ zu nennen, und das Paradigma (169) ‚auf das‘. Ferner [wird] zwar die Form ‚nach dem‘ [genannt], die materielle Ursache aber, wie Aristoteles sagt, ‚aus dem‘ oder, wie Timaios [sagt], ‚in dem‘. Es gehört sich folglich, das Werkzeug auf diese Weise eine Ursache zu nennen, als das Wodurch [etwas geschieht]. In der Tat existiert Sokrates als Werkzeug des Göttlichen, das über das Wodurch-Verhältnis verfügt, dementsprechend sagt der junge Mann ‚durch dich mir zuteilwerden‘ und ‚ohne dich mir nicht geschehen können‘. Denn die Werkzeuge besitzen das Verhältnis der notwendigen Mittel gegenüber dem Geschehenen, da die wahren Ursachen andere sind: die Zielursache, die paradigmatische Ursache und die Wirkursache.

Proklos behandelt an dieser Stelle Alkibiades’ Frage, wie die Macht ihm durch Sokrates zuteilwerden könne: Plat. Alc. 106a8–10: εἰ δὲ δὴ ὅτι μάλιστα ταῦτα διανενόημαι, πῶς διὰ σοῦ μοι ἔσται καὶ ἄνευ σοῦ οὐκ ἂν γένοιτο; Sollte ich diese Dinge also noch so sehr beabsichtigt haben, wie wird ihre Verwirklichung durch dich zustande kommen und ohne dich wohl nicht?

III. Exegetische Vorgehensweise

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An Alkibiades’ Frage erkennt Proklos den Ausdruck einer instrumentalen Ursache (ὀργανικόν, sc. αἴτιον), indem er Sokrates’ Rolle mit „durch dich“ (διὰ σοῦ) beschreibt. Das weist nach Proklos auf Sokrates’ frühere Aussage hin, dass er Alkibiades die Macht nur „mit Hilfe des Gottes“ (μετὰ τοῦ θεοῦ) verleihen könne. Folglich sieht Alkibiades ein, dass Sokrates bei dieser Vermittlung der Macht nur als ein Werkzeug des Göttlichen handelt, während der Gott die Wirkursache (ποιητικόν) darstellt. Auf diese Weise geht Proklos von den Wörtern im Dialog auf die Theorie der Ursachen ein. Die Ursachen erklärt er im Hinblick auf ihr Verhältnis zu einer Sache und bezieht sich dabei auf Aristoteles. An erster Stelle steht die Wirkursache, die die Frage ‚von wem‘ (ὑφ’οὗ) erklärt, während die instrumentale Ursache eine Erklärung für ‚wodurch‘ (δι’ὅ) angibt. Diese Interpretation betrachtet die Funktion der Ursachen im Satz als einen Ausdruck ihrer Stellung auf der Wahrheitsebene. Folglich wird das Paradigma (παράδειγμα) dadurch gedeutet, zu welchem Vorbild etwas sich zurückführen lässt, während das Ziel (τέλος) mit ‚deswegen‘ erklärt wird. Obwohl die instrumentale Ursache die Mittel und Wege beschreibt, die die Wirkung einer schaffenden Ursache ermöglichen, gehört sie nach Proklos nicht zu den Ursachen im strikten Sinne (τὰ κυρίως αἴτια): Denn diese veranlasst nicht die Entstehung einer Sache, sondern bestimmt nur die geeigneten Mittel für diese Entstehung. Daher ist es richtig, die instrumentale Ursache dem Sokrates zuzuordnen, während die Wirkursache dem Göttlichen zugeschrieben werden muss. Proklos interpretiert auf diese Weise den Gebrauch der Wörter im Dialog dahingehend, dass sie das Verhältnis von Sokrates und Alkibiades gemäß der Theorie der Ursachen ausdrücken. Bei Olympiodor beziehen sich die gleichen Wörter auf dieselben Ursachen wie bei Proklos: Olymp. in Alc. 59,22–60,12: Πῶς διὰ σοῦ μοι ἔσται;210 ἐνταῦθα γενόμενος ὁ φιλόσοφος Ἰάμβλιχος ἠπόρησεν ὅτι φαίνεται ὁ Ἀλκιβιάδης τελειότερος ὢν τοῦ Σωκράτους. (60) οὗτος μὲν γὰρ εἶπεν ὅτι ‘διὰ σοῦ’ πρόσρημα ὀργανικῆς αἰτίας, ἐκεῖνος δὲ ὅτι ‘μετὰ τοῦ θεοῦ’, πρόσρημα ποιητικῆς αἰτίας, καὶ συνέταξεν ἑαυτὸν τῷ θεῷ, οὗτος δὲ ὡς ὀργάνου ὄντος τῷ θεῷ τοῦ Σωκράτους εἶπεν ‘διὰ σοῦ’. ἔλυσε δὲ αὐτὸς παγκάλως λέγων ὅτι ἐν ἑτέροις φησὶν ὁ Πλάτων ὅτι αἱ μὲν τελειότεραι ψυχαὶ συνεπιτροπεύουσι τὰ τῇδε τῷ θεῷ καὶ συνδιοικοῦσιν, αἱ δὲ ἀτελέστεραι ὡς ὄργανόν εἰσι καὶ οὕτως χρῆται αὐταῖς ὁ θεὸς πρὸς τὰ ἐνταῦθα· οὐ μόνον δὲ ταῖς ἀτελεστέραις, ἀλλ’ ἔστιν ὅτε καὶ ταῖς κακαῖς, οἷον φονεῦσιν πρὸς τὸ δίκην ἀξίαν δοῦναι τοὺς ὀφείλοντας. ὁ μὲν οὖν Σωκράτης πρὸς τὰς τελειοτέρας αὑτοῦ δυνάμεις ἀποβλέψας εἶπεν ‘μετὰ τοῦ θεοῦ’· ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης πρὸς

210 Plat. Alc. 106a9.

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B. Untersuchung des Kommentars

τὰς ἀτελεστέρας, διὸ ‘διὰ σοῦ’ εἶπεν καὶ ἐπήγαγεν πάλιν ‘καὶ ἄνευ σοῦ’, πρόσρημα ὕλης. Wie werden sie mir durch dich gelingen? Als er zu dieser Stelle kam, stellte der Philosoph Jamblich den Widerspruch vor, dass Alkibiades vollkommener zu sein scheint als Sokrates. Er sagt nämlich: „durch dich“ – [mit einer] Präposition der instrumentalen Ursache –, er [sc. Sokrates] dagegen: „mit Gottes Hilfe“ – [mit einer] Präposition der Wirkursache –, und [damit] stellte er sich auf die gleiche Ebene mit dem Gott; er [sc. Alkibiades] aber sagt „durch dich“, als wäre Sokrates ein Werkzeug des Gottes. Er [sc. Jamblich] bietet dazu eine durchaus schöne Lösung, indem er erklärt, dass Platon in anderen Dialogen sagt, dass die vollkommeneren Seelen zusammen mit dem Gott über die Dinge im Diesseits wachen und sie zusammen verwalten, die unvollkommenen [Seelen] dagegen wie Werkzeuge sind und Gott sie auf diese Weise für die [Angelegenheiten] hier verwendet. Nicht nur die unvollkommenen [Seelen], sondern es gibt Fälle, wo sogar die schlechten [Seelen gebraucht werden], zum Beispiel die der Mörder, um den Schuldigen eine geeignete Strafe zu erteilen. Folglich sagte Sokrates im Hinblick auf seine eigenen vollkommeneren Fähigkeiten „mit Gottes Hilfe“. Alkibiades aber [blickte auf seine] unvollkommenen [Fähigkeiten], daher sagte er „durch dich“ und fügte hinzu „und ohne dich“, [eine] Präposition der Materie.

In diesem Teil des Unterrichts, der λέξις genannt wird, befasst sich Olympiodor mit einer tiefergehenden Erläuterung der sprachlichen Ausdrucksweise. Dabei zitiert er zuerst ein Lemma aus dem Dialog und gibt dann einen kurzen Überblick über die Fragestellung. Diese besteht darin, dass Alkibiades die Zuordnung des Sokrates zu einer entsprechenden Ursache exakter gemacht zu haben scheint, während Sokrates auf die Wirkursache Bezug nimmt. Das Problem sei, so Olympiodor, bereits von Jamblich diskutiert und auch auf „durchaus schöne Weise“ (παγκάλως) gelöst: Demnach spiegeln die Aussagen von Sokrates und Alkibiades ihren jeweiligen Erkenntnisstand wider. Alkibiades nimmt an, dass Sokrates ein Werkzeug des Gottes sei, dagegen würden die vollkommeneren Seelen (αἱ τελειότεραι ψυχαί) zusammen mit dem Gott handeln, weshalb Sokrates sich auf die Wirkursache und nicht auf die instrumentale Ursache berufe. Bei diesem Aspekt tritt ein Unterschied zu Proklos hervor, da Olympiodor nicht nur die instrumentale, sondern auch die Wirkursache dem Sokrates zuordnet: Da vollkommenere Seelen die Verwaltung der Dinge im Diesseits zusammen mit dem Gott teilen (συνεπιτροπεύουσι τὰ τῇδε τῷ θεῷ καὶ συνδιοικοῦσιν), stelle ihr Zusammenwirken mit dem Gott kein Werkzeug-Verhältnis dar, sondern entspreche auch der Wirkursache. Dagegen dienen die unvollkommeneren Seelen als Werkzeuge des Gottes, weshalb Alkibiades, ausgehend von seinem unvollkommenen Seelenzustand, Sokrates als ein Werkzeug bezeichnet. Olympiodor fordert daher eine Deutung der

III. Exegetische Vorgehensweise

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sprachlichen Ausdrücke ausgehend von der Perspektive des Sprechers, da nicht jeder in jedem Erkenntnisstand die Sprache richtig verwenden könne. Darauf aufbauend behandelt er die Wörter wie ‚durch‘ und ‚mit‘ nicht nur hinsichtlich ihrer philosophischen Bedeutung, sondern auch in ihrer syntaktischen Rolle als Präpositionen (προσρήματα).211 Nachfolgend bietet er zwei Erklärungen für die Präpositionen ‚durch‘ und ‚mit‘, von denen eine aus der Ursachenlehre, die andere aus der Vollkommenheit der Seele abgeleitet wird.212 Ausgehend von der Ursachenlehre betrachtet Olympiodor ‚durch‘ (διά) als Präposition der instrumentalen Ursache (πρόσρημα ὀργανικῆς αἰτίας), während ‚mit‘ (μετά) eine Präposition der Wirkursache (πρόσρημα ποιητικῆς αἰτίας) ist. Zum Schluss bezeichnet Olympiodor ‚ohne‘ (ἄνευ) bei der Aussage „und ohne dich“ (καὶ ἄνευ σοῦ, Plat. Alc. 106a9) als die Präposition der Materie (πρόσρημα ὕλης) bzw. der materiellen Ursache. Diese Interpretation geht Olympiodor zufolge auf Jamblichs Darstellung der Ursachenlehre in Bezug auf die Vollkommenheit der Seele zurück. Obwohl auch Proklos’ Interpretation auf derselben Ursachenlehre beruht, bietet Olympiodor eine weitere Erläuterung der Ursachen in Bezug auf die Sprecher selbst und auf die Rolle der Präpositionen. Der philologische Ausgangspunkt seiner Exegese manifestiert sich darin, dass er die Erklärung als Präposition am Anfang erwähnt und dann auf die Lösung von Jamblich eingeht. Dabei ist der theoretische Inhalt nicht selbsterklärend, sondern gewinnt auf der Grundlage der sprachlichen Analyse eine Bedeutung. Mit der expliziten Erwähnung der Präpositionen verleiht Olympiodor den sprachlichen Einzelheiten eine besondere Stellung. Er löst einige der wichtigsten Fragen im Alkibiades durch die grammatischen Erklärungen. Ein geeignetes Beispiel hierfür ist Olympiodors Interpretation des Ausdrucks ‚unserer selbst‘ durch die ‚Verdopplung‘ im Sinne von ‚das Selbst selbst‘: Olymp. in Alc. 222,3–6: Ἀλλὰ πειρῶ ἐξηγεῖσθαι213: ἰδοὺ πάλιν σημεῖον τοῦ ἀντέρωτος, λιπαρεῖ γὰρ αὐτὸν διδάξαι. τὸ δὲ ‘ἡμῶν αὐτῶν’ δηλοῖ διὰ τοῦ διπλασιασμοῦ τὸ αὐτὸ τὸ αὐτό, τὸν καθαρτικὸν βίον καὶ τὸν θεωρητικόν· μέχρι γὰρ τῶν ἐνταῦθα ὁ πολιτικὸς βίος. 211 Bei diesem Wort muss beachtet werden, dass es nicht nur auf Präposition deutet, sondern auch alle Arten von Wörtern umfasst, die im Zusammenhang mit einem Verb (ῥῆμα) verwendet werden. Ein geläufiger Begriff für Präpositionen ist πρόθεσις (vgl. Pollux Onom. I.66,7). Bei den spätantiken alexandrinischen Exegeten bezeichnet πρόσρημα auch Pronomen (Olymp. in Alc. 3,12) und Adverbien (Olymp. in Alc. 125,14 für εὖ, vgl. Phlp. in Ph. 456,20 χρονικὰ προσρήματα – „Zeitadverbien“). 212 Alternative Erklärungen anzubieten, von denen alle gleichermaßen richtig sind, ist eine Herangehensweise der neuplatonischen Exegese. In Alexandria wird diese Methode insbesondere von Hermeias vertreten, siehe dazu Bernard 1997, S. 26–28. 213 Plat. Alc. 132b5.

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B. Untersuchung des Kommentars

Aber versuch es zu erläutern: Siehe einen weiteren Hinweis auf die Gegenliebe, als er ihn bittet, zu lehren. Und der Ausdruck „unserer selbst“ weist durch Verdopplung auf das Selbst selbst, auf das kathartische und auf das theoretische Leben hin. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war das politische Leben [das Thema].

Zu Beginn dieses Abschnitts weist Olympiodor auf die Stelle des Alkibiades hin, an der die Frage nach der Selbstsorge gestellt wird.214 Mit dieser Frage leitet der Dialog eine nähere Bestimmung des Selbst als eine vernunftbegabte Seele ein (Plat. Alc. 132b–133d). Olympiodor zufolge befindet sich an dieser Stelle ein Hinweis auf das Selbst selbst. Dieser besteht in der Aussage ‚unserer Selbst‘ (ἡμῶν αὐτῶν), die Olympiodor als eine Verdopplung (διπλασιασμός) betrachtet. Mit diesem grammatischen Begriff wird eine Reduplikation der Buchstaben, Silben oder Wörter bezeichnet, wobei Olympiodor hier vielmehr auf eine semantische Verdopplung hinweist: Demnach stellen die Wörter ‚unserer‘ (ἡμῶν) und ‚selbst‘ (αὐτῶν) eine Verdopplung dar, da wir das Gleiche mit unserem Selbst sind. Folglich deutet Olympiodor die Erwähnung von unserem Selbst dahingehend, dass der Dialog sich ab jetzt mit dem ‚Selbst selbst‘, das heißt mit dem kathartischen und theoretischen Leben (καθαρτικὸν βίον καὶ τὸν θεωρητικόν), auseinandersetzen werde. Diese Lebensarten stellen die vernunftbegabte Seele ohne Bezug auf den Körper dar, jedoch werden sie im Alkibiades nicht behandelt. Mit der Feststellung des Selbst als die vernunftbegabte Seele endet der Dialog. Die Differenzierung zwischen verschiedenen Stufen dieses Selbst beruht auf der neuplatonischen Philosophie. Olympiodor beschreibt den kathartischen Menschen als denjenigen, der sich vom Körper entfernt habe, während der theoretische Mensch vom Körper vollständig losgelöst sei (Olymp. in Alc. 5,1–10). Auf dieser Grundlage ist es wahrscheinlich, dass Olympiodor die Behandlung des Selbst als die vernunftbegabte Seele als einen Ausdruck für den Übergang in diese höheren Tugendgrade bewertet. An anderen Stellen betrachtet Olympiodor den Gebrauch der Pluralform (πληθυντικῶς) als eine Andeutung auf das Selbst selbst215 oder als einen Ausdruck des Gegensatzes zwischen der Einheit von ‚dem Gott selbst‘ (ὁ αὐτὸς θεός) und den ‚Angelegenheiten‘ (πράγματα) von Alkibiades.216 In Anbetracht ähnlicher grammatischer Erklärungen zeichnet sich bei Olympiodor die Herstellung einer Verbindung zwischen den theoretischen Ausführungen und ihrem wörtlichen Ausdruck im Unterschied zu Proklos ausgeprägter ab. Ferner 214 Der Sprecher an dieser Stelle ist Alkibiades. Plat. Alc. 132b5–7: ἀλλὰ πειρῶ ἐξηγεῖσθαι ὅντιν’ ἂν τρόπον ἐπιμεληθεῖμεν ἡμῶν αὐτῶν. „Doch versuch mir zu erklären, auf welche Weise wir uns um uns selbst bemühen können.“ (Übers. Döring 2016). 215 Olymp. in Alc. 222,17–18. 216 Olymp. in Alc. 51,19–21. Zu einem ironischen Gebrauch des Plurals siehe 165,18–20. Ferner wird Plural nach Olympiodor auch für Lob verwendet (166,1–2).

III. Exegetische Vorgehensweise

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nimmt Olympiodor häufiger auf die Grundbedeutung der Aussagen im Dialog Bezug, um diese in einer semantischen Hinsicht zu erläutern. Auf diese Weise erweitert er Proklos’ Annäherung, indem er das Geschehen im Dialog durch die Erläuterung seiner sprachlichen Elemente vor Augen führt. Während etymologische Erklärungen in der platonischen Philosophie häufig verwendet werden, behandelt Olympiodor an vielen Stellen des Alkibiades-Kommentars weitere Ableitungen und Metaphern. Seine Darstellung der Aussage, dass Sokrates Alkibiades belästige (Plat. Alc. 104d), kann hierfür als Beispiel dienen: Olymp in Alc. 40,6–13: οὐ γὰρ ὅμοιον τὸ νῦν ‘ἐνοχλεῖς’ τῷ ἄνω εἰρημένῳ ‘δι’ ὄχλου’. ἐκεῖ μὲν γὰρ ἐπὶ τῶν φορτικῶν ἐραστῶν εἰπὼν τὸ ‘δι’ ὄχλου’, οἵτινες ἁπτικῶς εἰς αὐτὸν ἠβούλοντο ἐνεργεῖν, νῦν δὲ τὸ ‘ἐνοχλεῖς’ ἀντὶ τοῦ ‘ἀπορεῖν με ποιεῖς’ εἴρηται, ἐκ μεταφορᾶς τῶν ἐν ὄχλῳ βαδιζόντων καὶ ἀπορούντων προβαίνειν καὶ οἱονεὶ δεσμωτῶν ὄντων. δεσμὸς γάρ τις τῆς ψυχῆς ἡ ἀπορία, διὸ καὶ ἡ ταύτης ἴασις, ὥσπερ καὶ ἡ τοῦ δεσμοῦ, ἐπίλυσις λέγεται. Denn dieses „du belästigst“ (enochleis) hier ist nicht das Gleiche wie „zur Last“ (di’ochlou), das oben erwähnt wurde: Er [sc. Sokrates] sagte dort nämlich „zur Last“ über die gemeinen Liebhaber, [das heißt] diejenigen, die auf den [Geliebten] auf physische Weise wirken wollen; hier aber sagt er „du belästigst“ (enochleis) anstelle von „du bringst mich zum Zweifeln“, ausgehend von der Metapher derer, die in der Menschenmenge (en ochlō) gehen und daran zweifeln, einen Schritt nach vorne zu machen und dabei den Gefesselten ähneln. Der Zweifel ist nämlich wie eine Fessel für die Seele, aus diesem Grund wird ihre Heilung – wie [die Rettung] von Fesseln – Loslösung genannt.

In dieser Erklärung verwendet Olympiodor eine Metapher, die sich auf den Wortsinn stützt. Zuerst legt er den Unterschied zwischen den Ausdrücken ‚belästigst‘ (ἐνοχλεῖς) und ‚zur Last‘ (δι’ὄχλου) dar, die beide das Wort ‚Menschenmenge‘ (ὄχλος) beinhalten. Während ersteres negativ konnotiert ist, steht das Zweite für „du bringst mich zum Zweifeln“ (ἀπορεῖν με ποιεῖς). Zu dieser Stelle weist Bettina Bohle auf den Zusammenhang zwischen der Aporie und der Fessel hin und interpretiert diesen Abschnitt dahingehend, dass Olympiodor die Aporie als Anfang dazu betrachte, „sich mit den eigenen Ansichten auseinanderzusetzen“.217 Die Anwesenheit einer Aporie führe auf diese Weise nach Bohle zu einer Lösung. Der Begriff ἀπορία kann allgemein auf eine Frage bzw. ein ‚Hinterfragen‘ deuten, das aus einem Widerspruch hervorgeht. Diese Interpretation wird dadurch unterstützt, dass dieser Ausdruck sich ganz am Anfang des Dialogs in der ersten Rede von Alkibiades befindet. 217 Bohle 2020, S. 122–123.

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B. Untersuchung des Kommentars

Andererseits scheint Olympiodor hier ἀπορία nicht in erster Linie mit dieser allegorischen Bedeutung der philosophischen Fragestellung zu akzentuieren, sondern eher deren Literalsinn als Ratlosigkeit und Zweifel hervorzuheben. Damit wird die Frage zuerst als unlösbar (ἄ-πορος) vorgestellt, warum Sokrates ihn überall verfolge, da Alkibiades dafür keinen plausiblen Grund sieht. Dass der Zweifel eine Fessel für die Seele sei, verbildlicht Olympiodors Metapher ausgehend von den sprachlichen Parallelen der Wörter ‚Belästigung‘ (ἐνόχλησις) und ‚Menschenmenge‘ (ὄχλος). Wie die Menschen in der Menge nicht klar entscheiden können, in welche Richtung sie gehen, so ist ein Mensch im Zustand der Aporie im Zweifel über sein weiteres Vorgehen. Dadurch stellt Olympiodor Alkibiades’ Ratlosigkeit als eine ‚Fessel für die Seele‘ (δεσμὸς τῆς ψυχῆς) dar, die gelöst werden muss – ähnlich wie bei Gefangenen (οἱονεὶ δεσμωτῶν ὄντων), die befreit werden müssen. Mithilfe dieser Darstellung gestaltet Olympiodor ein lebhaftes Bild des Dialogs, indem Alkibiades einem Gefangenen ähnelt und in eine hilflose Lage versetzt wird, während Sokrates als Schlüssel für die ‚Loslösung‘ (ἐπίλυσις) benannt wird. Auf diesem Weg begleitet Sokrates Alkibiades zu einer Lösung, wie die philosophische Exegese die Lösung der Widersprüche anbieten kann. Das steht im Einklang mit Proklos’ Interpretation, dass diese Aporie eine Fessel (δεσμός) und ein Hindernis (κώλυσις) für die Seele sei: Procl. in Alc. 126,22–127,4: Τὸ δὲ ‘ἐνοχλεῖς με’ οὐκ ἔστι τοιοῦτον οἷον τὸ πρόσθεν εἰρημένον τὸ ‘δι’ ὄχλου ἐγένοντό σοι’· ἀλλ’ ὥς φησιν ὁ θεῖος Ἰάμβλιχος, (127) ἶσον δύναται τῷ ‘εἰς ἀπορίαν με καταβάλλεις ζητοῦντα τὴν αἰτίαν καὶ τὸ τέλος τῆς σιωπῆς καὶ τῆς συντόνου ταύτης παρακολουθήσεως’. καὶ γάρ ἐστιν ὄντως τὸ ἀπορεῖν δεσμός τις τῆς ἀπορούσης ψυχῆς καὶ κώλυσις τῆς ἐνεργείας καὶ οἷον ὄχλησις. DerAusdruck „du belästigst mich“ ist nicht das Gleiche wie das vorher gesagte „dir zur Last geworden“, sondern, wie der göttliche Jamblich sagt, das Gleiche bedeutet wie „du nötigst mich zum Zweifel, indem ich versuche, den Grund und das Ziel deines Schweigens und deiner leidenschaftlichen Begleitung zu finden.“ Denn sicherlich ist zu zweifeln wie eine Fessel für die zweifelnde Seele, ein Hindernis der Aktivität und eine Art Belästigung.

Die Verknüpfung der Aussage ‚du belästigst‘ (ἐνοχλεῖς) mit dem Begriff ἀπορία geht Proklos zufolge auf Jamblich zurück. Proklos nennt dafür die Begründung, dass dieses ‚Belästigen‘ zu einem Hinterfragen des Grundes und des Ziels (τὴν αἰτίαν καὶ τὸ τέλος) führe. Da Sokrates Alkibiades dauerhaft verfolgt, ohne ihn anzusprechen, wird darin ein Widerspruch festgestellt. Dies bringt Alkibiades nicht nur zu einer Frage, sondern auch fesselt ihn und verhindert die Aktivität seiner Seele, bevor dieser Widerspruch zu einer Lösung kommt. Durch die

III. Exegetische Vorgehensweise

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Widersprüche der Philosophie wird die Seele in eine schwierige Situation gebracht, deren Hindernisse (κώλυσις) sie überwinden muss, um sich von ihren Fesseln zu befreien. Hier tritt Proklos’ allegorisierende Interpretation deutlich hervor: Einerseits zitiert er Jamblichs Deutung, dass die Aporie den Zweifel am Grund des Schweigens ausdrückt; andererseits steht das Zweifeln (τὸ ἀπορεῖν) für eine Art Behinderung und Belästigung der Seele. In beiden Fällen steht Aporia für etwas anderes, ohne dass der konkrete Zusammenhang zwischen den beiden allegorisierten Begriffen erklärt wird. Im Gegensatz dazu erläutert Olympiodor den gleichen Gedankengang über das Zweifeln und die Belästigung der Seele, wie oben gesehen, durch die Metapher des Zweifelns beim Gehen in der Menschenmenge (ὄχλος). So bietet er eine etymologische Ableitung von Belästigung (ἐνόχλησις) von Menge (ὄχλος) an, weshalb dieses Wort dasselbe wie Zweifel ausdrücken soll. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass Olympiodor das Geschehen im Dialog ausgehend von dem wörtlichen Sinn und mit eindrucksvollen Metaphern erläutert, auch wenn sein Gedankengang grundsätzlich mit Proklos übereinstimmt. Olympiodor führt durch eine bildliche Darstellung der sprachlichen Äußerungen zu einer imaginären Inszenierung und Rekonstruktion der Dialogerfahrung. Um das Element der Anschaulichkeit deutlicher hervorzuheben, greift Olympiodor auch den Themenbereich der Sinneswahrnehmungen auf. Für Olympiodors Exegese sind die Sinneswahrnehmungen nicht nur ein Diskurs der platonischen Philosophie, sondern auch ein Stilmittel, um eine sprachorientierte Exegese als wahrgenommenes Erlebnis des platonischen Dialogs zu konstruieren. Wie Olympiodor im Alkibiades-Kommentar von diesem Stilmittel Gebrauch macht, wird im Weiteren erläutert werden.

2. Performanz und Wahrnehmung des platonischen Dialogs Olympiodors Einladung zu Interaktion und Kommunikation ist Ausdruck dafür, dass sein exegetischer Ansatz auf einer aktuellen Wahrnehmung des Dialogs gründet. Diese Wahrnehmung erfolgt auf zwei Ebenen: Erstens wird der platonische Dialog als eine Aufführung präsentiert, die erneut inszeniert wird. Auf diese Weise können Exegeten und Unterrichtsteilnehmer anhand des Textes mit dem platonischen Dialog interagieren. Zweitens erfordert sein sprachorientierter Ansatz eine Betrachtung des Dialogs als Gegenstand der Sinneswahrnehmung. Diese Wahnehmung wird durch die direkte Kommunikation zwischen dem Exegeten und den Adressaten angeregt. Im Hinblick auf die Anforderung, den wörtlichen Ausdruck des Dialogs zu verstehen, erweist sich

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B. Untersuchung des Kommentars

eine Wahrnehmung der Aussagen durch ‚Hören‘ und ‚Sehen‘ als angemessener Ausgangspunkt. Der performative Charakter des platonischen Dialogs wird in der gegenwärtigen Forschung verstärkt hervorgehoben.218 Alle literarischen Werke enthalten einen Aufführungsaspekt (vor allem des Autors), da die Texte, wie Therese Fuhrer es treffend formuliert, eine Art Bühne darstellen, auf der die Figuren eines Textes als Rollenträger verstanden werden können.219 Diese Art der Inszenierung hat nach Fuhrer unter anderem die praktische Funktion, Informationen über den Verfasser selbst zu liefern und seine Kompetenz als Experte zu verdeutlichen.220 Eine weitere Funktion der Inszenierung von Autorenpersönlichkeit sieht Fuhrer darin, dass diese den Verfasser eines Textes in Kontexte mit ideoologischen Konnotationen stellen kann, die durch konkurrierende Lehrmeinungen oder Lehrmethoden geprägt sein können.221 Auf diesen Aspekt können insbesondere die neuplatonischen Exegeten in ihrer Identität als Lehrer der Philosophie, zu denen auch Olympiodor gehört, bezogen werden. Die Performanz und Inszenierung in diesem Sinne zeigen sich also bei den Neuplatonikern darin, dass sie diese Strategie auf Platon zurückführen und betonen, dass durch diverse narrative und dramatische Elemente die Performanz des Wissens in den platonischen Dialogen deutlich ausgeprägt ist. Wie Michael Erler zeigt, sind in den platonischen Dialogen der performative und der argumentative Aspekt miteinander verbunden: So legt Platon nicht nur seinen philosophischen Diskurs dar, sondern zeigt dabei auch, wie die Nachahmung des Vorbilds von Sokrates in der Praxis zu vollziehen ist.222 In dieser Hinsicht war bereits bei Platon nicht nur der Wissensinhalt, sondern auch dessen Performanz in den Dialogen wesentlich. Einerseits wird durch diese Inszenierung Sokrates und mit ihm die platonische Philosophie zum Vorbild genommen, andererseits wird durch die performativen Effekte ein gewisses Element der ästhetischen Wahrnehmung hinzugefügt.223 Damit wird die Erfahrung der Philosophie und ihre sinnliche Wahrnehmung als eine Art ästhetischer Genuss in den Vordergrund gestellt. Ähnliche Aspekte waren bei den neuplatonischen Exegeten vertreten: Sie erkannten die Bedeutungsebenen der platonischen Dialoge im Hinblick auf das darin dargestellte Philosophenmodell und ihren ästhetischen Rahmen. Darüber hinaus waren sie bestrebt, diese Elemente selbst 218 219 220 221 222 223

Vgl. hierzu Erler 2017 und 2021. Fuhrer 2012, S. 130. Ebd. S. 136-137. Ebd. S. 142. Erler 2021, S. 48. Vgl. Erler 2017, S. 216–218, der als Beispiel hierzu besonders Platons Symposion und Alkibiades’ Auftritt in diesem Dialog hervorhebt.

III. Exegetische Vorgehensweise

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in gleicher Weise zu praktizieren. In Olympiodors Exegese ist die Betonung von Inszenierung und Wahrnehmung vor diesem Hintergrund zu analysieren. In seinem Sprachgebrauch macht Olympiodor deutlich, dass die Anweisungen der Exegeten eine entscheidende Rolle für die Wahrnehmung der Dialogperformanz einnehmen. Über den gesamten Alkibiades-Kommentar verteilt sind Ausdrücke der Kommunikation zu finden, die einen Dialog zwischen Olympiodor und seinen Adressaten darstellen. Dieser Aspekt der direkten Kommunikation mit den Adressaten wird durch die Anrede der zweiten Person offenbar. In der philosophischen Exegese verwendete bereits Proklos eine Art von Aufruf und Beteiligung für die zweite Person. An einigen Stellen seines Alkibiades-Kommentars vermittelt Proklos den Eindruck, ein Gespräch mit den Lesern zu führen oder sie zu einer bestimmten Betrachtung aufzufordern: Procl. in Alc. 142,17–20: εἰ δὲ βούλει καὶ τοῦτο εἰπέ, ὅτι διὰ τούτων ὁ Σωκράτης μέλλει τῶν λόγων ἑαυτῷ συνάπτειν τὸν νεανίσκον ἐνδειξάμενος ὅτι παντὸς ἄξιός ἐστιν αὐτῷ καὶ ὅτι τῶν οἰκείων ἐφετῶν οὐκ ἄν ποτε κρατήσειε Σωκράτους ἄνευ· Wenn du willst, sag auch, dass Sokrates durch diese Worte den jungen Mann mit sich selbst verbinden will, indem er ihn darauf hinweist, dass er für ihn alles wert ist und dass er über seine eigenen Verlangensobjekte niemals ohne Sokrates herrschen könnte.

Von dem Ausdruck ‚wenn du willst‘ (εἰ βούλει) macht auch Olympiodors Lehrer Ammonios Gebrauch.224 Im Einklang mit dieser exegetischen Tradition wendet Olympiodor sich an seine Schüler mit diesen Worten: Olymp. in Alc. 107,1–3: εἰ δ’ ἄρα βούλει καὶ περὶ τῶν σκευῶν ἐκλαβεῖν τὸν λόγον, γʹ δηλοῖ τὰ σκευάρια παρὰ Πλάτωνι· Wenn du aber auch das Argument über die Kostüme (skeuōn) verstehen willst, verdeutlichen die Kleidungsstücke (skeuaria) drei Bedeutungen bei Platon.

Auf ähnliche Weise wird der Ausdruck ‚du hast‘ (ἔχεις) bereits von Ammonios verwendet.225 Bei Proklos deutet dieser Ausdruck auf einen bestimmten platonischen Standpunkt hin: Procl. in Alc. 159,5–6: καὶ ἔχεις πάλιν ἐνταῦθα τὴν σειρὰν τῶν ἀγαθοειδῶν αἰτίων ἐκφαινομένην. „Und du hast hier wiederum die Erscheinung einer Kette gutartiger Ursachen.“ 224 Vgl. Ammon. in APr. 13,25. 225 Vgl. Ammon. in Int. 83,33.

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B. Untersuchung des Kommentars

Auf dieselbe Weise spricht Olympiodor seine Adressaten direkt mit ἔχεις an und erklärt, dass an einer bestimmten Stelle des Dialogs eine „platonische Lehre“226 beobachtet bzw. verstanden werden kann: Olymp. in Alc. 140,16–18: καὶ ἔχεις ἐκ τούτου ὅτι πρῶτος Πλάτων ἐπετήδευσεν ἀμισθίαν, εἴγε σύγχρονος γέγονεν Ζήνωνι εἰσπραττομένῳ μισθούς. Daraus hast du auch [das Ergebnis], dass zuerst Platon sich um die unbezahlte Lehre bemühte, obgleich er Zeitgenosse des Zenon war, der Lohn forderte.

Einen weiteren Ausdruck der direkten Ansprache verwendet Olympiodor mit dem Hinweis ‚siehe‘ (ἰδού) in allen seinen Kommentaren.227 Diese Ausdrucksweise wird in der alexandrinischen Exegese vor Olympiodor von Hermeias228 und Ammonios229 verwendet. Dagegen ist es bei Olympiodors explizit genannten Quellen im Alkibiades-Kommentar, nämlich bei Proklos und Damaskios, nicht belegt. Eine bemerkenswerte Parallele findet sich bei dem christlichen Exegeten Origenes, der in seinen Kommentaren häufiger die Aufforderung ἰδού verwendet.230 Daraus lässt sich schließen, dass diese Aufforderung zur Interaktion mit dem Text und zur Kommunikation mit den Adressaten ein gängiges Stilmittel spätantiker (insbesondere alexandrinischer) Exegeten war. Bereits in der früheren Forschung erhielten die sprachlichen Merkmale des Alkibiades-Kommentars Aufmerksamkeit. Westerink begründete den Gebrauch von ‚siehe‘ dadurch, dass Olympiodor dieses Werk nicht selbst verfasst habe, sondern die Schrift apo phones ausgehend von seinem Unterricht entstanden sei. Folglich seien die Stellen mit ‚siehe‘ als Anmerkungen eines „Schüler-Verfassers“ zu betrachten.231 Somit kann der Imperativ ‚siehe‘ (ἰδού) im Sinne eines Hinweises ‚siehe‘ als editorische Angabe interpretiert werden. Dagegen lässt sich einwenden, dass der Anteil dieses Verfassers an der sprachlichen Ausdrucksweise des Kommentars nicht eindeutig beurteilt werden kann. Die Art der Veröffentlichung als ‚Unterrichtsnotizen‘ stellt eine übliche Praxis in der Spätantike dar. Aus diesem Grund ist es naheliegend, dass der erhalteneText des Kommentars Olympiodors Ausdrucksweise während des Unterrichts recht originalgetreu wiedergibt und dass es Olympiodors bewusste Entscheidung war, den Kommentar nicht in einer für die Veröffentlichung bearbeiteten 226 227 228 229 230 231

Dies nennt er an einigen Stellen Πλατωνικὸν δόγμα, vgl. 89,19; 145,6; 213,18. Vgl. Olymp. in Mete. 19,17; in Cat. 33,30; in Grg. 1.5,1; in Phd. 8.14,1. Vgl. Herm. in Phdr. 2.120,32; 3. 271,29. Vgl. Ammon. in Porph. 97,3; 99,12; 105,8; 121,9; in Cat. 28,9; 31,25; 40,15; 69,17; in APr. 41,8. Vgl. Orig. Cel. 1.34,13, 2.9,63; Pr. 3.1.9,11; Comm. in Joan. 1.1.3,3; 1.12.76,2. Siehe dazu Westerink 1982, S. VIII. Über die Identität dieses „Verfassers“ lässt sich nichts weiter feststellen.

III. Exegetische Vorgehensweise

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Version darzulegen. Dies ermöglicht eine Rekonstruktion der Vorgehensweise, die Olympiodor in seiner philosophischen Lehre verfolgt hat. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass Olympiodor den Verweis ἰδού im mündlichen Vortrag verwendete, um dadurch auf einen komplexeren Sachverhalt in der platonischen Philosophie einzugehen. Neben der direkten Kommunikation mit den Adressaten stellt die Aufforderung zum Sehen auch einen Bezug zur visuellen Wahrnehmung her. Damit werden zwei performative Ebenen angesprochen: Die visuelle Wahrnehmung betont die Visualisierung und Inszenierung des Dialogs, während die kommunikative Sprache, ausgehend von der Interaktion des Exegeten mit den Schülern, deren eigene Interaktion mit dem Text anregt. Olympiodors Betonung der Performanz und der Wahrnehmungsebene stellt somit den platonischen Dialog als eine Erlebnisform dar. Dies wird im Folgenden anhand seiner Verwendung des Vokabulars für Sinneswahrnehmung näher erläutert.

3. Gebrauch von Wahrnehmungswörtern Die Sinneswahrnehmungen werden bei Platon, wie bereits dargestellt, öfters für eine Erklärung des Vorgangs zur Erkenntnis als Analogie eingesetzt. Das Sehvermögen ist die Sinneswahrnehmung, die am meisten in Bezug auf die Erkenntnistheorie behandelt wird.232 In den platonischen Dialogen spielt das Element der Anschaulichkeit eine bedeutende Rolle: Dies zeigt sich sowohl an den Beschreibungen des Ortes und der Teilnehmer der Dialoge als auch durch zahlreiche Vergleiche mit dem Sehvermögen. Einerseits erscheint der platonische Dialog insgesamt als eine visuelle Aufführung, andererseits nutzt Platon auf der theoretischen Ebene den Aufstieg von der Sehwahrnehmung durch das Auge zum ‚geistigen Schau‘ der Ideen. Indes ist das Sehen bei Platon dafür verantwortlich, ausgehend von der Schau der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ein Erkennen ihrer intelligiblen Ideen zu ermöglichen.233 Aus dieser Sicht betrachtet, gewinnt Olympiodors Gebrauch des Imperativs ἰδού eine weitere Dimension: Durch diesen Hinweis fordert er seine Adressaten auf, bestimmte sprachliche Merkmale zu beachten, die zu einem genaueren Verständnis der behandelten Textstelle beitragen. Meistens geht Olympiodor

232 Alleine ausgehend von sprachlichen Hintergründen sind Erkenntnis und Sehvermögen verknüpft, da εἶδον (ich sah) im Aorist und οἶδα (ich weiß) als präsentisches Perfekt beide aus dem Verb εἰδῶ hervorgehen. Demnach beschreibt Snell (1955, S. 183) das Wissen in diesem Kontext als „ein Gesehen-haben“. 233 Vgl. Plat. Phd. 59a; Smp. 210a–212b.

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B. Untersuchung des Kommentars

nach dem Hinweis ‚siehe‘ konkret auf die wörtliche Ausdrucksweise des Dialogs ein, so auch an der folgenden Stelle: Olymp. in Alc. 48,10–12: Ὦ ἀγαθὲ λέγε· ἀκούσομαι γάρ234: ἰδοὺ καὶ ἐπὶ λέξεως ἀγαθὸν αὐτὸν καλεῖ, καὶ οὐ μόνον διὰ τοῦ ‘βούλει’ τὴν οὐσίαν αὐτοῦ ὡς ἀγαθοειδῆ τεθαύμακεν. Rede, mein Guter, ich werde zuhören: Siehe, dass er ihn [sc. Sokrates] auch im Wortlaut gut nennt und nicht nur durch den Ausdruck „du beabsichtigst“ seine Wesenheit bewunderte, da sie dem Guten ähnlich ist.

Durch die Aufforderung zum Sehen lenkt Olympiodor die Aufmerksamkeit auf den Wortlaut (λέξις), das heißt auf die Wortwahl und auf den ‚Text‘. Die Zuhörer und Leser werden angeleitet, den Text des Dialogs zuerst zu ‚sehen‘ und dessen Einzelheiten zu betrachten. Folglich kann geprüft werden, ob die Auslegung des Exegeten mit der Ausdrucksweise Platons übereinstimmt. Olympiodors Gebrauch der Sehwahrnehmung bleibt nicht nur auf der Stufe der Betrachtung sprachlicher Äußerungen, sondern führt zu einer Konzeption des Dialogs als Aufführung. Das Element der Inszenierung wird durch die anschaulichen Beschreibungen einiger Aussagen deutlich, obwohl dabei der Hinweis ‚siehe‘ nicht unbedingt vorkommt: Olymp. in Alc. 83,18–19: Ἀλλ’ οὐ πάνυ ἔχω235: τοῦτο ἐγκαταδυομένου ἐστὶ καὶ ἐρυθριῶντος ἐφ’ οἷς ἀπορεῖ περὶ ὧν ἐπαγγέλλεται σύμβουλος εἶναι. Aber das kann ich überhaupt nicht: Das ist der Ausdruck desjenigen, der heruntersinkt und schamrot wird, [selber] über die Dinge ratlos zu sein, für die er sich als einen Berater anpreist.

Mit dieser Beschreibung führt Olympiodor Alkibiades’ Zustand vor Augen, indem er die Elemente der Gefühlswahrnehmung wie ‚rot werden‘ (ἐρυθριᾶν) verdeutlicht. Diese bildliche Darstellung des Gesprächspartners tritt auch in den platonischen Dialogen auf.236 Auf dieser Grundlage legt Olympiodor eine Betonung auf die ästhetische Wahrnehmung der platonischen Philosophie und lässt seine Adressaten als Beobachter an dem Dialog mit Alkibiades und Sokrates teilnehmen.

234 Plat. Alc. 104e3. 235 Plat. Alc. 108e5. 236 Vgl. Plat. Ly. 204c; Prt. 312a. Olympiodor zufolge verwendet Sokrates diese Methode, als er Alkibiades fragt, was er auf der Rednertribüne vor den Athenern sagen würde und dabei ihm eine Bühne und die Zuhörer vorstellt (Olymp. in Alc. 67,14–19).

III. Exegetische Vorgehensweise

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Neben der Sehwahrnehmung werden auch andere Sinneswahrnehmungen in Olympiodors Exegese betont. Ein bemerkenswerter Gebrauch von Wahrnehmungsvokabular findet sich im Beispiel der Hörwahrnehmung. Olympiodor fasst das Verb ἀκούειν nicht nur im Sinne von ‚hören‘, sondern auch als ‚verstehen‘ auf. Bereits am Anfang des Kommentars beschreibt Olympiodor die Exegeten, die platonische Dialoge ‚verstehen‘, mit dem Verb ἀκούειν: Olymp. in Alc. 2,159–162: ἰξευταῖς γὰρ ἐοίκασι οἱ ἐξηγηταὶ τὰς ἐννοίας τῶν ἀρχαίων θηρᾶσθαι πειρώμενοι, ἄληπτος δέ ἐστιν ἐπειδὴ καὶ φυσικῶς καὶ ἠθικῶς καὶ θεολογικῶς καὶ ἁπλῶς πολλαχῶς ἐστὶν ἀκούειν τῶν αὐτοῦ, καθάπερ καὶ τῶν Ὁμήρου. Denn die Exegeten gleichen den Jägern, die versuchen, die Gedanken der früheren Menschen zu erjagen; und er [sc. Platon] ist ungreifbar, da es möglich ist, seine Worte sowohl physisch als auch ethisch und theologisch und überhaupt mehrdeutig zu verstehen, genauso wie die des Homer.

Mit dem Verb ἀκούειν weist Olympiodor hier darauf hin, dass man Platons Aussagen unterschiedlich ‚hören‘, das heißt, ‚verstehen‘ oder ‚auffassen‘ kann. Deshalb vergleicht Olympiodor die Exegeten mit den Jägern (ἰξευταῖς γὰρ ἐοίκασι οἱ ἐξηγηταὶ): Genau wie diese nach Beute jagen, so versuchen die Exegeten, den richtigen Sinn von Platons Aussagen (τῶν αὐτοῦ) zu verstehen. An anderen Stellen erklärt Olympiodor, dass ‚Hören‘ im Sinne von ‚Verstehen‘ eine Handlung sei, die die Exegeten vornehmen.237 Olympiodors Interpretation beruht auf der platonischen Theorie der Sinneswahrnehmungen. Dass Sokrates die göttliche Stimme ‚hört‘, wird in den platonischen Dialogen explizit erwähnt.238 Bei verschiedenen Zusammenhängen setzt Platon die Sinneswahrnehmungen durchaus im Sinne einer höheren Erkenntnis ein. Im spätantiken Platonismus wird diese Position insbesondere von Proklos vertreten. Obwohl Proklos im Alkibiades-Kommentar der Hörwahrnehmung keine zentrale Bedeutung verleiht,239 entfaltet er die metaphorischen Ebenen des Hörens in anderen Kommentaren. Dabei thematisiert er ἀκούειν im Sinne von Verstehen der sprachlichen Ausdrücke oder des Texts.240

237 Beispielsweise Proklos ‚versteht‘ das Selbst auf bestimmte Weise (Olymp. in Alc. 222,9–11) oder im Sinne von ‚den Text verstehen‘ (220,14–15). 238 Vgl. Plat. Ap. 19d; Phdr. 242c; Thg. 128d–129c. 239 Proklos behandelt die Hörwahrnehmung im Alkibiades nur ausgehend von zwei Lemmata (Plat. Alc. 106b und 113e), bei denen Sokrates selbst das Zuhören von Rednern und von einem neuen Argument thematisiert (vgl. Procl. in Alc. 169,9; 172,13; 298,1). 240 Vgl. Procl. in Rep. 2.316,26–29; 328,28–30; in Ti. 3.107,23–25.

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B. Untersuchung des Kommentars

Ferner interpretiert Proklos das ‚Hören‘ in der Politeia als das richtige Verständnis von Mythen.241 Auf dieser Grundlage der platonischen Exegese beschreibt Olympiodor die Wahrnehmung als einen kognitiven Vorgang. Das zeigt sich an Sokrates’ Hörwahrnehmung im Fall der Stimme des Daimons (Olymp. in Alc. 21,9–10). Darüber hinaus betrachtet Olympiodor die Hörwahrnehmung, wie den Gebrauch von λόγος (Vernunft/Sprache), als eine grundlegende menschliche Fähigkeit: Olymp. in Alc. 205,18–19: ‘ἀλλὰ δὴ καὶ ὁ ἀκούων Ἀλκιβιάδης ἐστίν, καὶ τοῦτο δὲ ἴδιον ἀνθρώπου, τὸ ἀκούειν’. „darüber hinaus auch derjenige, der zuhört, Alkibiades ist, und dies eine Eigenheit des Menschen ist, zu hören“.

Aufgrund dieser Verknüpfung des Hörens und des Denkens spricht das Verb ἀκούειν drei Ebenen an: Erstens bezieht es sich auf das ‚physische‘ Hören der Exegese im Philosophieunterricht, zweitens ermöglicht es das Hören des platonischen Gesprächs in der Vorstellungskraft und drittens ist es ein Ausdruck für das geistige ‚Hören‘, das die Wahrnehmung des Göttlichen in der Seele auffasst. Folglich bildet die Hörwahrnehmung eine Art der Sinneswahrnehmung, die sowohl mit der Vernunft und dem logischen Diskurs als auch mit der göttlichen Inspiration verbunden wird. Daher eignet sich die Hörwahrnehmung für die Menschen als Einstieg in die platonische Philosophie, damit sie durch die Hörwahrnehmung und das Verstehen erst zum Gespräch und danach zur göttlichen Inspiration gelangen. Olympiodor gebraucht die Hörwahrnehmung im Sinne von ‚verstehen‘ des platonischen Dialogs auch in anderen Kommentaren242 und verknüpft sie mit der Vernunft.243 Die Anwendung der Sinneswahrnehmungen im Prozess der Exegese erweitert ihre Bedeutung über die platonische Wahrnehmungstheorie hinaus: Die Sinneswahrnehmungen werden dabei nicht nur als eine Analogie zur höheren Erkenntnis behandelt, sondern auch als ein Werkzeug für das Verständnis des platonischen Dialogs eingesetzt. Dies ermöglicht auch die Erkenntnis des platonischen Dialogs mittels einer richtigen Wahrnehmung aller seiner Bestandteile.

241 Vgl. Procl. in Rep. 1.110,15–17; 1.159,8. 242 Olymp. in Cat. 125,2: ἀκούειν τοῦ ῥητοῦ. 243 Olymp. in Phd. 3.10,5: ἐμπόδιον γὰρ γίνεται οὐ μόνον τῷ διαλέγεσθαι, ἀλλὰ καὶ τῷ ἀκούειν καὶ ἁπλῶς πάσῃ λογικῇ ἐνεργείᾳ.

IV. Olympiodor als Lehrer der platonischen Philosophie Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass Olympiodor im AlkibiadesKommentar eine durchdachte Vorgehensweise verfolgt, um den platonischen Dialog als eine sinnlich wahrnehmbare Inszenierung darzustellen. Sein Schwerpunkt liegt nicht allein auf dem Gespräch selbst, sondern vielmehr auf der Interaktion und den Auswirkungen des Gesprächs, die auf verschiedene Weise erreicht werden können. Die Aufführung des Dialogs wie auch seine ästhetische Erfahrung beruhen nicht auf einer allegorischen Interpretation, sondern gehen vom Wortsinn aus. Dieser Vorgang baut auf drei Grundlagen auf: Erstens veranlasst Olympiodor durch eine sprachorientierte Annäherung eine Prüfung der grammatischen Merkmale des Dialogs. Zweitens fordert er seine Adressaten mit direkten Ansprachen auf, den Text durch Sehen und Hören wahrzunehmen. Drittens geht er durch die Betonung der Wahrnehmungsebene über die Deutung der sprachlichen Elemente hinaus und unterstützt eine Inszenierung der Dialogsituation in der Vorstellung. Der Ausgangspunkt für die Exegese besteht nach Olympiodor darin, zuerst die grammatischen Erläuterungen des Dialogs vorzunehmen. Die Absicht bzw. die philosophische Ansicht findet sich in den Einzelheiten der Aussagen im Gespräch wieder. Folglich wird der Dialog zu einem Wahrnehmungsobjekt, bei dem eine genaue Untersuchung seiner Bestandteile vorgenommen wird. Ausgehend von sinnlichen Wahrnehmungen stellt Olympiodor den Ablauf des Gesprächs vor. Diese Interpretation trägt zu der geistigen Auffassung der theoretischen Inhalte bei, indem der Dialog als eine Erfahrung dargestellt wird. Bei der Gesamtheit dieser Schritte der Exegese steht der Dialog selbst im Mittelpunkt. In seinem exegetischen Vorgehen hebt Olympiodor den Zusammenhang zwischen den sprachlichen und inhaltlichen Aspekten der Wahrnehmung im Alkibiades hervor. Er deutet die Dialogform als eine literarische Strategie, um die Philosophie eindrucksvoller zu vermitteln. Die Elemente seines exegetischen Vorgehens deuten darauf hin, dass die Wirkung des platonischen Dialogs nach Olympiodor nicht primär über die symbolische Bedeutung der formalen Elemente erzielt wird. Nach Olympiodor steht eine kraftvolle Kommunikation des philosophischen Inhalts über der allegorischen Interpretation der sprachlichen Ausdrücke. Folglich ahmt er in seiner Exegese den platonischen Sprachgebrauch nach, um seineAdressaten an den platonischen Dialog heranzuführen, ähnlich wie Sokrates seinen Gesprächspartnern die philosophische Argumen-

114

B. Untersuchung des Kommentars

tation nahebringt. Olympiodor bemüht sich nicht nur darum, eine philosophische Deutung des Dialogs anzubieten, sondern ist ebenfalls bestrebt, dass seine Rezipienten den philosophischen Inhalt verstehen und den Zugang zum Dialog finden. Durch diese didaktische Orientierung zeigt Olympiodor besondere Aufmerksamkeit für sein gegenüber, bzw. für seine Schüler. Diese Annäherung kann überspitzt als eine ‚Inklusion des Adressaten‘ betrachtet werden. Olympiodor scheint dabei nicht von seinem eigenen Wissensstand auszugehen, sondern überlegt sich Wege und Strategien, um die platonische Philosophie aus der Sicht seiner Schüler oder Leser effektiver zu vermitteln. Olympiodors Methode, eine sprachliche Erläuterung und Wahrnehmung des Dialogs selbst als Prinzip der Exegese aufzustellen, wirft weiterführende Fragen zu den Gründen und Konsequenzen dieser Annäherung auf. Insbesondere wäre der Sachverhalt zu untersuchen, ob Olympiodor durch eine zentrale Stellung der sprachlichen Aussagen sein Verfahren gegenüber anderen exegetischen Vorgehensweisen kontrastiert. Dies lässt sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die sich auf den Alkibiades-Kommentar beschränkt, nicht klären. Doch ergibt sich daraus weiterer Forschungsbedarf im Hinblick auf Olympiodors methodisches Vorgehen in seinen übrigen Kommentaren. Weiterführende Untersuchungen im Bereich der Platon-Exegese sind notwendig, damit die Merkmale verschiedener exegetischer Annäherungen deutlicher bestimmt werden können.

C. Text und Übersetzung

I.

Die Textüberlieferung

Die älteste Handschrift von Olympiodors Alkibiades-Kommentar ist Cod. Marc. gr. 196 (ca. 900 n. Chr.), die nach Leendert G. Westerink der Archetyp aller vorhandenen Handschriften ist.244 Dieser Codex besteht aus zwei Bänden, von denen der erste Olympiodors Kommentare zu den Dialogen Gorgias, Alkibiades und Phaidon, der zweite die anonymen Kommentare zum Phaidon und zum Philebos enthält.245 Auf diesen Codex lassen sich Westerink zufolge zwei Abschriften zurückführen, die nicht älter als das 14. Jh. sind: Eine davon ist die Marc. gr. 197, die aus der Bibliothek von Bessarion stammt und somit etwa im 15. Jh. entstanden ist.246 Der zweite Codex, Vat. gr. 1106, der sich im Besitz von Barlaam von Kalabrien befand, besteht ebenfalls aus zwei Teilen, die unterschiedlich datiert sind.247 Der erste Teil mit Olympiodors Kommentaren scheint zu Barlaams Lebzeiten und damit im 14. Jh. entstanden zu sein.248 Von diesem Codex wiederum existiert eine Kopie, die im 17. Jh. für Lukas Holste angefertigt wurde (Hamb. philol. 30).249 Diese Handschrift diente als Vorlage für die Erstausgabe von Friedrich Creuzer.250 Die handschriftliche Tradition zeigt also, dass es zahlreiche Textgrundlagen für die Kommentare Olympiodors gibt. Es lässt sich jedoch auch ein Muster 244 Siehe dazu Westerink 1982, S. VII und 1976, S. 30–31. 245 Diese werden als Damaskios’ Kommentare identifiziert; Westerink 1977, S. 15. 246 Nach Westerink (1959, S. XI) ist diese Handschrift eine Kopie von Cod. Marc. gr. 196 aus dem 15. Jh., die Anmerkungen von Bessarion enthält. 247 Norvin (1913, S. VIII) und Westerink (1959, S. XI) datieren diese Handschrift auf das 16. Jh. Dagegen sind andere Forscher der Ansicht, dass die Handschrift, da sie aus der Bibliothek von Barlaam von Kalabrien (14. Jh.) stammt, zu seinen Lebzeiten entstanden sein könnte. Zur Datierung von Vat. gr. 1106 siehe Gioffreda 2016. 248 Deshalb datiert Kolbaba (1995, S. 68) den Codex auf die Mitte des 14. Jh.. Nach Jugie (1940, S. 120) liegt das Entstehungsdatum in der ersten Hälfte des 14. Jh.. Die unterschiedliche Datierung wird damit begründet, dass dieser Codex aus zwei verschiedenen Bänden besteht; vgl. dazu Van Riel 2008, S. CXCV–CXCVI. Während die Entstehung des ersten Teils mit Olympiodors Kommentaren dem 14. Jh. zuzuordnen ist, könnte der zweite Teil mit Damaskios’ Kommentaren nach Van Riel Ende des 14. oder Anfang des 15. Jh. entstanden sein. Die Zusammenfügung und Katalogisierung der Handschrift in zwei Teilen ist wahrscheinlich im 16. Jh. geschehen, wodurch die Datierung bei Westerink begründet wird. 249 Zu dieser Sammlung der Handschriften siehe Brockmann 2013, S. 37–71. Westerink (1982, S. VII) weist darauf hin, dass alle anderen Handschriften von Marc. gr. 197 stammen. 250 Creuzer 1821, S. XX.

I. Die Textüberlieferung

117

erkennen: Zwischen dem 10. Jh., aus dem Cod. Marc. gr. 196 und der Zeit von 14. bis 16. Jh., aus der die späteren Texte stammen, gibt es eine Lücke in der Überlieferung.251 Das gibt einen Hinweis darauf, dass Olympiodor von späteren byzantinischen Autoren nicht in besonderem Maße rezipiert wurde, bis seine Schriften ab dem 14. Jahrhundert wiederentdeckt wurden.

251 Westerink (1982, S. VII) nennt eine Reihe von Handschriften, die aus dem Codex Vat. gr. 1106 stammen und damit nicht älter als 16. Jh. sind.

II.

Editionen

1. Die Editio princeps Friedrich Creuzer veröffentlichte 1821 die Erstausgabe des Alkibiades-Kommentars auf der Grundlage der oben erwähnten Hamburger Handschrift.252 Aufgrund ihrer spezifischen Vorlage enthält diese Ausgabe einige Lesarten, die in den anderen Handschriften nicht überliefert sind. Den platonischen Dialog vergleicht Creuzer mit den Editionen von Immanuel Bekker253 und Philipp Buttmann.254 Den Text des Kommentars hingegen behält er in der Form, in der ihn die Handschrift überliefert, und verweist auf seine Konjekturen in den Anmerkungen. Eine Ausnahme dazu bildet, dass Creuzer das Leben Platons am Anfang des Kommentars (Olymp. in Alc. 2,14–3,1) weglässt, da es bereits eine Veröffentlichung dieses Abschnitts auf Grundlage von Casaubons Schriften herausgegeben wurde.255 In der Mehrheit der Anmerkungen bezieht sich Creuzer auf den platonischen Text und auf Parallelen bei anderen Philosophen und literarischen Quellen. Im Hinblick auf den Sprachgebrauch des Textes weist er auf verschiedene Werke im Bereich der griechischen Lexikographie und Grammatik hin. Dabei erläutert er die seltenen Wörter, die in den zeitgenössischen Lexika nicht vorkommen.256 Diese Hinweise tragen zur sprachlichen Zuordnung des Kommentars bei, da das spätgriechische Vokabular identifiziert und vom klassischen Sprachgebrauch abgehoben wird.257

252 Diese in Frankfurt veröffentlichte Ausgabe (Creuzer 1821) trägt den Titel: Olympiodori in Platonis Alcibiadem Priorem Commentarii Primum Edidit Annotationemque Subjecit Fridericus Creuzer. 253 Bekker, Immanuel (1817) : Platonis Dialogi Graece et Latine, ex rec. I. Bekkeri. Partis secundae volumen tertium. Berlin. 254 Buttmann, Philipp (1811): Platonis Dialogi quattuor. Meno, Crito, Alcibiades uterque cum virorum doctorum animadversionibus. Curaverunt J. E. Biester et Ph. Buttmannus. Berlin. (= 3. Aufl. der Ausgabe von Biester, 1780). 255 Im Rahmen einer Ausgabe des Diogenes Laertios von Gilles Ménage (Casaubon 1692). Siehe dazu Creuzer 1821, S. XVIII und Westerink 1982, S. VIII. 256 Mit dem Vermerk „Vocabulum/vocem non habent Lexica“; vgl. Creuzer 1821, ad loc. in app. zu Olymp. in Alc. 17,10 über διερμηνευτικός und zu 54,23 über περιλυγίζω. 257 Siehe dazu ebd. Anmerkung 4 zu 63,14: „εὕρησις: In scriptione εὕρησις et εὕρεσις variatur per hos libros. Illud recentioris Graecitatis est. Contra εὕρεμα item κοινῆς.“

II. Editionen

119

Creuzers editorisches Bemühen zielt insbesondere darauf ab, die vielseitigen Bezüge zwischen christlichen und paganen Schriften zu zeigen.258 In dieser Hinsicht sind seine Anmerkungen, die auf inhaltliche Ähnlichkeiten dieser Textkorpora eingehen, besonders aufschlussreich.259 Bei der Erstausgabe des Kommentars bietet Creuzer umfangreiche Anmerkungen und Verweise von Homer bis Suidas. Sowohl diese Hinweise auf andere Werke als auch seine Konjekturen zum Text stellen für die Edition des Kommentars von Westerink eine wegweisende Grundlage dar.

2. Westerinks kritische Edition Mehr als ein Jahrhundert nach der Erstausgabe wurde eine kritische Edition des Kommentars von Leendert G. Westerink vorgenommen.260 Diese bildet seitdem die Grundlage für Untersuchungen zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar. Nach der Veröffentlichung dieser Ausgabe brachte Eric Dodds261 einige Verbesserungsvorschläge an, die in der zweiten Ausgabe der Edition im Jahre 1982 berücksichtigt wurden. Für diese kritische Edition hat Westerink die Mehrheit der relevanten handschriftlichen Zeugnisse herangezogen.262 Die Grundlage der Ausgabe ist Marc. gr. 196, die zugleich die älteste und mit größter philologischer Kompetenz korrigierte Textfassung bietet. In der Einleitung zu seiner Edition nimmt Westerink eine ausführliche Analyse der sprachlichen Eigenschaften des überlieferten Textes vor. Dabei weist er darauf hin, dass der Text einige offensicht258 Siehe dazu Kapitel A. III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar. 259 Als Beispiel kann der Vergleich einer Stelle im Alkibiades-Kommentar mit den Briefen des Apostels Paulus genannt werden. Zu Olymp. in Alc. 94,21–22 (πατὴρ γὰρ ἡμῶν καὶ πατρὶς ἀληθὴς ἄνω μόνον ἐστίν. – „Denn unser Vater und unser wahrhaftiges Vaterland ist nur oben.“) weist Creuzer auf zwei ähnliche Stellen bei Paulus hin (ebd. S. 94 Anm. 26: „Prope abest haec sententia a Pauli Apostoli effato Phil. 3,20 et Hebr. 11,13 sq.“). Auch dem Gebrauch von gleichen Metaphern bei den Platonikern und den christlichen Philosophen widmet Creuzer seine Aufmerksamkeit, wie etwa die ‚Storchmetapher‘ (in Olymp. in Alc. 110,7), die bei Arrian, Plutarch und Clemens von Alexandria zu finden ist (ebd. S. 110, Anm. 8). Ferner werden christliche Schriftsteller auch bezüglich des Sprachgebrauchs als Beispiel aufgeführt. So wird etwa der Gebrauch des Verbs ἀνέχεσθαι mit dem Infinitiv in Olymp. in Alc. 101,3 mit dem Gebrauch des gleichen Verbs bei Theodoret verglichen (ebd. S. 101, Anm. 3). 260 Westerink 1956. 261 Dodds 1957. 262 Einige Ausnahmen stammen aus dem 17. Jh., bei denen Westerink derAnsicht ist, dass sie keine bedeutenden Beiträge für die Edition beinhalten. Siehe dazu Westerink 1982, S. VI–VII.

120

C. Text und Übersetzung

liche Fehler enthalte, die einerseits dem „Schüler als Editor“ des Kommentars, andererseits aber auch auf Olympiodors eigentümliche summarische Gedankengänge zurückzuführen seien.263 In jedem Fall jedoch biete die Überlieferung durch Marc. gr. 196 einen sorgfältig gestalteten und korrigierten Text.264 Bei der Analyse der sprachlichen Besonderheiten unterscheidet Westerink zwischen Unregelmäßigkeiten, die aus der handschriftlichen Überlieferung entstanden sein könnten,265 und den Strukturen, die möglicherweise zum Original gehören und von besonderem grammatikalischem Interesse sind.266 Ein bedeutender Beitrag seiner Edition besteht darin, dass er die Scholia aus den Handschriften einbezieht, die beträchtliche Erklärungen zum Kommentar bieten. Die Unterschiede zwischen den Ausgaben von Friedrich Creuzer und Leendert G. Westerink beruhen darauf, dass die Überlieferungen in beiden Fällen auf verschiedene Weise berücksichtigt werden. An vielen Textstellen schlägt Creuzer eine andere Interpunktion vor;267 dennoch gibt er den Text seiner Handschrift meist nicht nur im Wortlaut, sondern auch in deren Interpunktion wieder. Westerinks Vorlage Marc. gr. 196 beinhaltet in dieser Hinsicht wesentliche Abweichungen. Auch einige Verbesserungen von Westerink gegenüber Creuzer stammen aus der handschriftlichen Überlieferung, während Creuzer seine Konjekturen auf die sprachlichen Beobachtungen stützt.268 Dies erweist sich jedoch nicht immer als Mangel, denn es gibt des Öfteren Fälle, in denen Westerink eine Konjektur von Creuzer übernimmt.269 Ferner weist Westerink darauf hin, dass die Mehrzahl von Olympiodors Zitaten bereits von Creuzer identifiziert wurden.270 263 Letzteres gilt nach Ansicht von Westerink insbesondere für die Zitate, vgl. ebd. S. IX. Als Beispiel dazu gibt er die Erwähnung des Thrasymachos als einen Charakter im Gorgias an, da Olympiodor ihn wahrscheinlich in der gleichen Kategorie der Sophisten wie Polos und Kallikles sieht (siehe dazu Olymp. in Alc. 61,10; 86,2). 264 Westerink 1982, S. VIII: „lecture notes edited by a none too brilliant student“. 265 Westerink 1982, S. IX–X. 266 Ebd. S. XII–XV. 267 Vgl. dazu Creuzers Anmerkung 17 zu 200,1. Die unterschiedliche Kommasetzung bei Creuzer und Westerink ändert den Sinn des Textes beispielsweise in Olymp. in Alc. 30,2–3: ὥσπερ εἴρηται, πολλάκις ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καθαρσίοις μέλιτι δεδευμένοις (Creuzer) / ὡς γὰρ εἴρηται πολλάκις, ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καθαρσίοις μέλιτι δεδευμένοις (Westerink). 268 So weist Creuzer zu ἀφίστασθαι (in 55,5) darauf hin, dass es entweder als ἀφίστανται gelesen oder δύνανται hinzugefügt werden muss. Der erste Vorschlag (ἀφίστανται) trifft im Fall der Handschrift zu, die Westerink als Grundlage seiner Edition benutzt. 269 Zum Beispiel übernimmt Westerink in 51,6 τὸ von Creuzer, obwohl die Handschrift Marc. gr. 196 an der Stelle τοῦ hat. 270 Siehe Westerink 1982, S. VIII.

II. Editionen

121

Die Edition von Westerink stellt den Ausgangspunkt für jede Untersuchung des Kommentars dar. Doch bieten Vergleiche mit Creuzers Edition an etlichen Stellen des Textes wertvolle Erläuterungen in Bezug auf grammatische und inhaltliche Eigenschaften.

III. Olympiodors Platon-Text Olympiodor interpretiert Platons Alkibiades unter ständiger Bezugnahme auf den Text des Dialogs. Er zitiert diesen ‚Originaltext‘ in den Lemmata des Kommentars und verwendet in seinen Erörterungen direkte Zitate von Platon. Der Alkibiades-Kommentar hat daher den Rang einer sekundären PlatonÜberlieferung. Dies wirft die Frage nach dem von Olympiodor verwendeten Platon-Text auf. Denn es ist evident, dass der im Kommentar von Olympiodor zugrunde gelegte Alkibiades nicht nur von modernen kritischen Editionen des Platon-Textes271 abweicht, sondern auch von der Platon-Überlieferung, die sich für die Entstehungszeit der ältesten Handschrift des Kommentars ermitteln lässt.272 Diese These lässt sich daraus ableiten, dass in dieser OlympiodorHandschrift nachträgliche Änderungen des Platon-Textes vorgenommen worden sind, die unter anderem die Lemmata und die Zitate betreffen und diese an die byzantinische Platon-Tradition anpassen.273 Daher ist es für die Forschung von Interesse, welche Textgrundlage Olympiodor hatte, als er Platon zitierte. Indes ist im Hinblick auf Olympiodors Platon-Referenzen zu berücksichtigen, dass diese oftmals zusammenfassende Paraphrasen sind.274 Aus diesem Grund können Olympiodors Platon-Zitate nicht immer als Beweise für eine unterschiedliche Lesart aus einer anderen, verlorengegangenen Überlieferungslinie des Platon-Textes betrachtet werden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Kommentar die mündliche Kommunikation während des Unterrichts spiegelt und es grundsätzlich denkbar ist, dass die Platon-Zitate nicht wortwörtlich in den Text eingetragen wurden. Ungeachtet dieser Einschränkungen hat insbesondere Elizabeth Duke die Position vertreten, dass Olympiodors Platon-Lemmata die Evidenz für eine vom

271 Insbesondere die von Burnet (1901) und Carlini (1964). 272 Marc. gr. 196, siehe dazu Kapitel C. I. Zur Textüberlieferung. Nach Duke (1989, S. 27) sind sowohl die Lemmata als auch die Paraphrasen aus dem Alkibiades in dieser Handschrift anders als in der mittelalterlichen Überlieferung dieses Dialogs. Zur mittelalterlichen Überlieferung Platons siehe Carlini 1964, S. 11–12. 273 Nach Westerink (1982, S. X) wurden diese vom Kopisten des Marc. gr. 196 „korrigiert“. Eine detaillierte Auflistung dieser Änderungen befindet sich bei Duke 1989, S. 21. 274 Diese Besonderheit wird bereits bei Creuzer und Westerink in den Editionen betont. In einer Studie über die Rezeption des platonischen Alkibiades von Tarrant/Renaud (2015, S. 191) wird Olympiodors Zitierweise als eine dem Zitat sehr nahekommende Paraphrase bezeichnet, so dass es schwierig scheint, zwischen den beiden zu unterscheiden.

III. Olympiodors Platon-Text

123

textus receptus unterschiedliche Platon-Überlieferung bieten.275 Ein Beispiel dazu ist die folgende Textstelle: Plat. Alc. 111b12–c1: ἆρ’οὐ τὰ αὐτὰ ὁμολογοῦσιν, καὶ ἐπὶ ταὐτὰ ὁρμῶσιν276

Während Platon sich an dieser Stelle mit dem Neutrum (τὰ ἀυτά) auf die „gleichen Dinge“ bezieht, die die Menschen in derselben Weise benennen, führt Olympiodor dieses Lemma mit Femininum (ταύτην) an: Olymp. in Alc. 96,7: Οὐ ταύτην ὁμολογοῦσι καὶ ἐπὶ ταύτην ὁρμῶσι

Im Anschluss erläutert Olympiodor, dass sich „übereinstimmen“ (ὁμολογοῦσι) auf „Erkenntnis“ (γνῶσις) und „sich begeben“ (ὁρμῶσι) auf das „Leben“ (ζωή) beziehe (Olymp. in Alc. 96,7–8). An dieser Stelle weicht Olympiodors Lesart von der gesamten sonstigen Platon- Überlieferung ab.277 Gestützt auf weitere ähnliche Fälle278 zieht Elizabeth Duke den Schluss, dass die Lemmata im Alkibiades-Kommentar aus einer Platon-Überlieferung stammen, die sich von dem textus receptus unterscheidet.279 Diese Überlieferungslinie ist heute nicht mehr rekonstruierbar. Möglich ist hingegen ein Vergleich mit der Platon-Überlieferung aus derselben Zeit, aus der die älteste erhaltene Handschrift des Alkibiades-Kommentars (Marc. gr. 196) stammt, da auch eine Textfassung der platonischen Dialoge aus dem 9. Jh. überliefert ist (Codex Clarkianus 39).280 Diesen Vergleich unternimmt Duke und stellt dabei fest, dass es mehrere Ähnlichkeiten zwischen dieser AlkibiadesÜberlieferung und den im Marc. gr. 196 durchgeführten Änderungen in

275 Das betrifft auch Olympiodors Kommentar zum Phaidon, der ebenfalls im Marc. gr. 196 überliefert wurde. Siehe dazu Duke 1989, S. 20–24. 276 Nach Edition von Carlini (1964). 277 Nach Carlini ad loc. in app. 278 Zu einer Auflistung der Stellen, an denen Olympiodors Zitat aus dem Alkibiades für eine bestimmte umstrittene Lesart als unterstützendes Argument dient, siehe Tarrant/Renaud 2015, S. 241–243. Als Beispiel hierzu nennen sie die Zeile 105d1, in der Burnet sieben Wörter athetiert hat (ὃν ἔφησθα ἐρεῖν, διὸ ἐμοῦ οὐκ ἀπαλλάττῃ;), dessen Entscheidung auch von weiteren Herausgebern angenommen wurde. Diese Wörter führt Olympiodor in Alc. 57,6–7 als Lemma auf. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass die modernen Textkritiker ausgehend von gewissen Annahmen über Platons Sprache die Wiederholungen im Text als unecht betrachten. Dagegen sind diese bei den Exegeten wie Olympiodor belegt und werden als zum wiederholenden Charakter des Dialogs passend bewertet. 279 Siehe Duke 1989, S. 20. 280 Codex Oxoniensis Clarkianus 39 oder Codex Bodleianus MS E. D. Clarke 39. Eine ausführliche Beschreibung der Handschrift findet sich bei Schanz 1871, S. 105–118. Dieser Codex stammt von Ende des 9. Jh. n. Chr. und wurde in Konstantinopel für Arethas aus Patras (später Bischof von Caesarea) im Jahre 895 angefertigt.

124

C. Text und Übersetzung

Olympiodors Lemmata gibt.281 Ausgehend von dieser Beobachtung ist es plausibel, dass der Cod. Clarkianus 39 sowie die ‚Korrekturvorlage‘, die für die Platon-Zitate im Marc. gr. 196 verwendet wurde, aus einer gemeinsamen, heute verlorenen Textvorlage hervorgegangen sind. Diese Theorie hat zur Folge, dass die Textvorlage dieser beiden Handschriften einer früheren Zeit als dem 9. Jh. zugeordnet werden muss. Auf dieser Linie argumentiert auch Maurice Croiset, dass Cod. Clarkianus 39 und Parisinus 1807, die beide vom Ende des 9. oder Anfang des 10. Jh. stammen und platonische Dialoge überliefern, auf einen heute verlorenen Archetyp aus dem 6. Jh. zurückzuführen seien.282 Wenn diese These zutrifft, dann sollte sich diese Textfassung Platons von Olympiodors Platon-Text unterscheiden, denn Olympiodors Platon-Zitate und Lemmata wurden im Marc. gr. 196 dementsprechend geändert. Hieraus kann geschlossen werden, dass in der Zeitstellung Olympiodors unterschiedliche Überlieferungen der platonischen Dialoge vorhanden waren, von denen eine Olympiodor benutzte, während andere in die byzantinische Platon-Überlieferung einflossen und letztlich zum textus receptus führten. Die bisherigen Studien gehen davon aus, dass Olympiodor mit unterschiedlichen Textüberlieferungen der platonischen Dialoge vertraut war.283 In Olympiodors Kommentaren findet sich zwar keine Erklärung für die Auswahl seiner Textgrundlagen, doch für eine Kommentierung muss ein kritisch durchgesehener Platon-Text vorhanden gewesen sein. Dies wird durch den Inhalt des Kommentars deutlich, wenn Olympiodor Ausdrücke wie „der Text in der Hand“ und „an dieser Stelle“ verwendet.284 Daher scheint es möglich, dass es eine handschriftliche Überlieferung des Platon-Textes in der alexandrinischen Philosophenschule gab, die – durch Olympiodor – auch in die spätere Überlieferung eingeflossen ist und heute nicht mehr in extenso rekonstruiert werden kann.

281 Siehe dazu Duke 1989, S. 26–29. 282 Siehe Croiset 1966, S. 14–15. 283 Tarrant und Renaud sind der Ansicht, dass Olympiodors philologische Sorgfalt seine Beschäftigung mit verschiedenen Platon-Fassungen zeige (siehe Tarrant/Renaud 2015, S. 241). 284 Vgl. Olymp. in Alc. 192,14 (ἡ μετὰ χεῖρα λέξις); 69,3 (ἡ δὲ λέξις δύο μόνων μέμνηται); 177,11; 204,3 (φησιν ἡ λέξις).

IV. Die Gestaltung des vorliegenden Texts Der hier wiedergegebene Lesetext stellt eine bearbeitete Fassung der gemeinfreien Ausgabe von Westerink (1982) dar.285 Die Anpassungen an dieser Edition wurden ausgehend von Varianten bei Creuzer (1821) und Vorschlägen von Dodds (1957) und Griffin (2015 und 2016) vorgenommen, sofern sie für den Zusammenhang des Kommentars sinnvoller erschienen. An einer Stelle der Vita Platonis habe ich, Griffin (2015) folgend, Casaubons Version der von Westerink vorgezogen.286 Der Hauptzweck dieser Textversion besteht darin, den griechischen Kommentar in eine leicht lesbare Form zu bringen und eine Lesehilfe für die Übersetzung zu bieten. Eine „Neuausgabe“ und damit ein textkritischer Apparat wird hier nicht vorgenommen, da Westerinks Edition nach wie vor einen soliden wissenschaftlichen Zugang zum Text bietet. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird an den von Westerink athetierten Stellen (wenn ich sie übernehme) der griechische Text nicht angegeben und folglich auch nicht übersetzt. Dagegen sind Westerinks Ergänzungen, die ich beibehalte, aus dem kritischen Apparat in den Text eingefügt. Die Hervorhebung mit Sperrsatz bei einigen Zitaten und Begriffen stimmt mit Westerink überein. Im Text werden die Paginierungsnummer aus der Edition von Westerink angegeben, der diese – abgesehen von den Textstellen zwischen 2,14–167 (Vita Platonis) – von Creuzer übernommen hat. Die Fußnoten zum Text vergleichen die Zitate im Alkibiades-Kommentar mit den kritischen Editionen von Platon und anderen Werken aus der Antike. In einigen Fällen zitiert Olympiodor aus verschiedenen Werken nahezu wortwörtlich; dennoch sind dabei geringe Abweichungen festzustellen. Auf diese Unterschiede wird in den Fußnoten zum Text hingewiesen. In diesen Fußnoten wurden die üblichen lateinischen Abkürzungen verwendet.

285 Vgl. hierzu Filippi 2017, S. LXXVII. 286 In der Zeile 2,64, vgl. die untenstehende Liste. Zur Ausgabe der Vita Platonis von Casaubon in der Diogenes-Edition von Ménage siehe Anm. 255. Welche Handschriften Casaubon als Grundlage dienten, werden dabei nicht bekanntgebeben. Die Version im Codex Marc. gr. 196 (πνείων) wird von Westerink als richtig angenommen.

126

C. Text und Übersetzung

1. Liste der abweichenden Textstellen Die folgende Auflistung beinhaltet an erster Stelle die Version des vorliegenden Texts und zeigt den Vergleich zu den vorhandenen Editionen bzw. den Vorschlägen anderer Forscher. 2 20: ἐν δέκα = ἐν ιαʹ (Westerink) / ἐν [ἑν]δέκα (Dodds; Griffin). 2 62: ἴδον ἐν nach Olymp. in Phd. 1.5,16 und Griffin = εἶδον (Westerink). 2 64: πνέοντος nach Casaubon = πνείων (Westerink). 23 17: (Westerink, Addenda) nach Dam. in Phd. 271,2–3. 31 1: προπετῆ = Westerinks Konjektur für †προτρεπτὴν†. 55 16: οὖν = Westerink ad loc. in app. 91 1: ἀνατίθεται = Westerinks Konjektur für ἀντιτίθεται (vgl. 93,23–24 und 100,9–10). 92 8: δὲ add. Westerink in app. 93 23–24: ἀνατίθεται = Westerinks Konjektur für ἀντιτίθεται (vgl. 90,28–91,1 und 100,9–10) 24–25: οὐ… ταῦτα Zitat ohne Anführungszeichen bei Westerink. 99 5: οὐ λανθάνει add. Westerink in app. 12: ἀποκρίσεων = Westerinks Konjektur für ἐρωτήσεων im Text. 102 10: ἐρώτησις nach Westerink statt ἀπόκρισίς, vgl. 99,12. 17: post φήσεις add. δὲ nach Westerink. 112 17: Σωκράτη περὶ αὐτοῦ = Westerink athetiert, Griffin (2016, S. 161 Anm. 113) interpretiert als original. 120 21: ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν hinzugefügt nach Westerink in app.

IV. Die Gestaltung des vorliegenden Texts

127

164 12: χαλκᾶ = ⟦σιδηρᾶ⟧ χαλκᾶ Westerinks Korrektur nach Olymp. in Grg. 44.2,29–30.

2.

Die Editionen antiker Texte

Die Fußnoten im griechischen Text, die Olympiodors Zitate mit der Überlieferung der antiken Texte vergleichen, stützen sich auf die folgenden Editionen: Aristoteles: Metaphysik: Ross, W. D. Aristotle’s Metaphysics. A Revised Text with Introduction and Commentary. 2 Bde. Oxford. 1924 (Ndr. 1997). De Anima: Ross, W. D. Aristotle. De anima. Oxford 1961 (Ndr. 1967).

Diogenes Laertios: Dorandi, T. Diogenes Laertius: Lives of Eminent Philosophers. Edited with Introduction. [Cambridge Classical Texts and Commentaries]. Cambridge. 2013.

Euripides: Diggle, J. Euripidis fabulae. Tomus I: Cyclops, Alcestis, Medea, Heracleidae, Hippolytus, Andromacha, Hecuba. Oxford. 1984.

Hesiod: Solmsen, F. Hesiodi Theogonia, Opera et Dies. Scutum edidit Friedrich Solmsen, Fragmenta Selecta ediderunt R. Merkelbach et M. L. West. Oxford. 1970.

Homer: Ilias, Odyssee: West 1998/2000.

Platon: Alkibiades: Carlini 1964. Andere Dialoge: Burnet 1900–1903. Ilias, Odyssee: West 1998/2000.

Thukydides: Jones, H. S., Powell, J. E. Thucydidis Historiae. Oxford. 1938.

V.

Zur Übersetzung

1. Überblick bisheriger Übersetzungen 1.1 Übersetzungen des Alkibiades-Kommentars Die beiden vorhandenen Übersetzungen wurden von Michael Griffin (2015/16) und Francesca Filippi (2017) vorgenommen. Griffin hat die erste Übersetzung des Kommentars ins Englische auf Grundlage von Westerinks Edition angefertigt, wobei er auch einige Anpassungen am Text vorschlägt. In einer ausführlichen Einleitung adressiert Griffin einige relevante Aspekte der Forschung zu Olympiodor, beispielsweise dessen Verhältnis zum Christentum oder die neuplatonischen Tugendgrade. Ferner entwirft er eine Interpretation über den Zweck und die Zuordnung des Kommentars, die Olympiodor eine Strategie zuschreibt, Alkibiades mit jedem einzelnen Menschen selbst zu identifizieren, durch dessen Erkenntnis ein Wandel von der natürlichen zur politischen Tugend erreicht werde. In der Übersetzung zielt Griffin darauf, den Text für ein allgemeines Lesepublikum verständlich zu machen. Zu diesem Zweck gibt er auch Anmerkungen zu griechischen Göttern oder historischen Ereignissen und Persönlichkeiten, die nicht spezifisch die Erklärung der philosophischen Inhalte betreffen. Dies ist wahrscheinlich auch dadurch begründet, dass dieser Kommentar eine recht komplizierte sprachliche Ausdrucksweise verwendet. Um den Text in diesem Sinne verständlicher darzustellen, fügt Griffin einige Wörter in der Übersetzung hinzu, die er in eckigen Klammern setzt. Ausgehend von diesen Merkmalen zeichnet sich seine Übersetzung durch eine zielsprachenorientierte Vorgehensweise aus. Trotz einiger Abweichungen vom griechischen Text stellt Griffins Übersetzung ein grundlegendes Arbeitsinstrument für die vorliegende Übersetzung dar. Nicht zuletzt ist es für einen Gesamtblick auf den Kommentar und dessen Interpretation bedeutend. Filippis Übersetzung ins Italienische ist Teil einer zweibändigen Reihe der Übersetzungen aller Platon-Kommentare Olympiodors. Für den AlkibiadesKommentar nimmt Filippi die Edition von Westerink (Version 1956) ohne Änderungen als Grundlage. Inhaltlich zeichnet sich ihr Werk durch einen kontextualisierenden Schwerpunkt aus. Der Kommentar zum Alkibiades wird hierbei im Zusammenhang mit Olympiodors anderen platonischen Kommentaren sowie mit den anonym überlieferten Prolegomena zur platonischen Philosophie behandelt. Außerdem betont Filippi den Bedarf einer konsequenten

V. Zur Übersetzung

129

Übersetzung der philosophischen Begriffe der Spätantike, der durch ihre Arbeit gedeckt werden soll. Da in dieser Übersetzung einige zusätzliche Erklärungen in den Text eingefügt werden, ohne sie zu kennzeichnen, ist die Entsprechung dieser Passagen im griechischen Text nicht immer zu erkennen. Das ermöglicht andererseits einen ununterbrochenen Lesefluss. Durch diese Vorgehensweise gestaltet Filippi den Text in der Zielsprache verständlich und leicht lesbar. Die Kontinuität der theoretischen Standpunkte innerhalb der platonischen Philosophie besitzt zudem eine zentrale Rolle in Filippis Anmerkungen. Diese Erläuterungen bieten eine Hilfe für die vorliegende Übersetzung, da sie einen Vergleich bestimmter philosophischer Begriffe bei anderen Platonikern ermöglichen und auch biblische Bezüge herstellen. Wie bereits festgestellt wurde, ist die Übersetzung der philosophischen Terminologie mit einigen Mängeln behaftet. Da viele Begriffe im Platonismus der Spätantike von den früheren Platonikern nicht verwendet wurden, ist ihre Wiedergabe schwierig. Dazu können Vergleiche mit anderen Platonikern der Spätantike, insbesondere mit Proklos, hilfreich sein. Von diesen Philosophen sind jedoch wenige Übersetzungen in deutscher Sprache vorhanden: Proklos’ Grundlegung der Theologie, die Begriffe des spätantiken Platonismus prägnant darstellt, bildet hierzu eine Ausnahme mit mehreren Übersetzungen.287 Darüber hinaus ist nur ein ‚platonischer‘ Kommentar von Proklos (zum Parmenides) bisher ins Deutsche übersetzt worden, der zur Interpretation von dessen philosophischen Konzepten beiträgt. Eine weitere Übersetzung der spätantiken alexandrinischen Platon-Kommentare existiert von Hermeias’ Kommentar zum Phaidros, in dem viele platonische Positionen thematisiert werden, die Olympiodor im vorliegenden Kommentar diskutiert. Für die Bestimmung der philosophischen Begriffe im Alkibiades-Kommentar bieten diese vorgängigen Übersetzungen anderer Platoniker ebenfalls Orientierungspunkte. 1.2 Übersetzung des platonischen Alkibiades Die Übersetzungen des platonischen Alkibiades im deutschen Sprachraum würden eine eigene Studie erfordern. Für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse ist diejenige von Friedrich Schleiermacher288 – nicht nur aufgrund der ‚Echtheitsfrage‘, die er gestellt hat, sondern auch aufgrund seiner, der platonischen Sprache angemessenen Ausdrucksweise, auch wenn diese im Hinblick auf den aktuellen Sprachgebrauch veraltet erscheint. 287 Siehe Sonderegger 2004; Zurbrügg 2004 und Onnasch/Schomakers 2015. 288 Schleiermacher 1809. Siehe dazu Kapitel A. III: Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar.

130

C. Text und Übersetzung

Unter den aktuellen Beiträgen ist die Übersetzung von Klaus Döring289 hervorzuheben, die den Dialog mit einem Kommentar erläutert und einen für heutige Leser zeitgemäßen sprachlichen Ausdruck verwendet. Aus diesem Grund sind die Zitate Olympiodors aus Alkibiades in der vorliegenden Übersetzung überwiegend (außer an den Stellen, an denen Olympiodors Text von Platon abweicht) von Döring übernommen. In anderen Fällen ist eine eigene Übersetzung der Zitate erforderlich. Die Zitate aus anderen Dialogen und antiken Texten werden aus bereits vorhandenen und mit philologischer Sorgfalt angefertigten Übersetzungen übernommen.290 Weitere zitierte Übersetzungen aus anderen Texten sind an den entsprechenden Stellen vermerkt. Wo immer Olympiodors Zitate der Textfassung der jeweils führenden Editionen und damit den vorhandenen Übersetzungen nicht entsprechen, wurden letztere entsprechend angepasst.

2. Die Vorgehensweise der Übersetzung 2.1 Methodischer Ansatz Die vorliegende Übersetzung orientiert sich am griechischen Ausgangstext und zielt darauf ab, eine möglichst verständliche Übertragung von Olympiodors Sprachgebrauch ins Deutsche vorzunehmen. In erster Linie wird von einer wörtlichen Übertragung des griechischen Originals ausgegangen, während im zweiten Schritt die Bedeutung des Textes mit Zusätzen und Anpassungen klarer herausgestellt wird. Diese Vorgehensweise hat zum Ziel, einerseits den Lesern zu erleichtern, die Entsprechung der Übersetzung im griechischen Text aufzufinden, andererseits die Übersetzung auch ohne Vorliegen desselben in einer an sich verständlichen Weise darzubieten. Dabei werden die Zusätze in der Übersetzung auf ein Minimum reduziert. Insbesondere werden einige Wörter in der Übersetzung in eckigen Klammern angegeben, die im Griechischen als selbstverständlich angenommen und nicht explizit verwendet werden (wie das Verb ‚sein‘ oder die Erwähnung der Personen durch Pronomina). Die Erklärungen der von Olympiodor ausgelassenen Teile der Platon-Lemmata befinden sich in den Anmerkungen. An den Stellen, an denen der Text mehrdeutig aufgefasst werden kann, wird die bevorzugte Interpretation in der Übersetzung angegeben, während andere Möglichkeiten in den Anmerkungen erörtert werden.

289 Döring 2016. 290 Beispielsweise Homer-Zitate aus Schadewaldt 1958 und 1975.

V. Zur Übersetzung

131

Die Mehrzahl der Anmerkungen dient dazu, die Bedeutung der philosophischen Begriffe zu erklären und ihren Gebrauch bei anderen Philosophen mit Olympiodor zu vergleichen. Die Übersetzung der philosophischen Begriffe stellt sich, wie in anderen Übersetzungen des Alkibiades-Kommentars als das Grundproblem dar. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den verschiedenen Möglichkeiten der jeweiligen Sprachen, die Texte nahezu originalgetreu wiederzugeben. So werden in den englischen Übersetzungen die Verben οἶδα und γιγνώσκω beide mit ‚know‘ aufgefasst, während sie auf Deutsch als ‚wissen‘, ‚sehen‘, ‚einsehen‘, ‚kennen‘ und ‚erkennen‘ differenziert werden können. Auch der Begriff ἄτομον bezüglich des Selbst wird bei Griffin ‚individual‘ und bei Filippi ‚l’individuo‘. Diese Übersetzungen gehen zwar auf die lateinische Bedeutung dieses Wortes als ‚das Unteilbare‘ zurück, jedoch könnte dadurch ein anachronistisches Verständnis im Sinne des modernen Individuums begünstigt werden. Die vorliegende Übersetzung setzt sich zum Ziel, für die Wörter in solchen Fällen Entsprechungen zu finden, ohne moderne Konzepte aufzugreifen. Deshalb wird ἄτομον weder als ‚Individuum‘ noch ausgehend von der wörtlichen Bedeutung als ‚das Unteilbare/Ungeteilte‘, sondern als ‚Einzelwesen‘ übersetzt. Diese Bedeutung umfasst sowohl den Menschen als eine einzelne Person als auch das wahre Wesen der Seele als eine einzige Einheit und ist daher mit Olympiodors Verwendung des Begriffs vereinbar. Für weitere Konzepte wie θυμός (Willenskraft, Herz, Mut, Zorn) oder νοῦς (Vernunft, Geist, Denkvermögen), die in keine moderne Sprache in exakter Übereinstimmung übersetzt werden können, wurde im Vorliegenden eine Interpretation vorgeschlagen. In seltenen Fällen, wie bei δαίμων, wurde eine Transliteration der griechischen Schreibweise beibehalten, um eine irreführende Interpretation (etwa als ‚Dämon‘) zu vermeiden. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, den Kommentar textnah zu übersetzen, damit sich Olympiodors Betonung des akkuraten Sprachgebrauchs auch in der Übersetzung wiederfindet. 2.2 Interpunktion und Textstrukturierung Um Olympiodors Gedankengang dem griechischen Text entsprechend wiederzugeben, wird die griechische Satzstruktur in der Übersetzung weitgehend beibehalten. Die Satzzeichen in der Übersetzung entsprechen überwiegend der Interpunktion in Westerinks Edition. Wie in griechischen Texten üblich, wurde der Hochpunkt (·) mit dem Semikolon oder dem Doppelpunkt wiedergegeben, während das Semikolon (;) dem Fragezeichen entspricht. Die Zusätze, die nicht einer wörtlichen Übersetzung des Originaltextes entsprechen, stehen in eckigen Klammern. In Klammern und kursiv sind Wörter aus dem Griechischen oder deren Umschrift, die auch in der Übersetzung angegeben werden müssen, um

132

C. Text und Übersetzung

den Textinhalt deutlich darzustellen. Zitate und Paraphrasen wurden nur dann mit Anführungszeichen versehen, wenn dies auch in der Ausgabe von Westerink der Fall ist. Die Schlussfolgeungen sind auch entsprechend Westerink in Anführungszeichen gesetzt, obwohl diese keine Zitate sind.291 Auf eine Nummerierung der Sätze in einer Argumentation, wie sie Griffin vornimmt, wurde verzichtet. Stattdessen wurden diese mit einem Doppelpunkt oder Gedankenstrich getrennt und wie im Griechischen mit einem Komma aneinandergereiht. Hinsichtlich der Gestaltung der Abschnitte behält die vorliegende Übersetzung, wie auch Filippi, die Struktur von Westerinks Edition bei.

291 Vgl. dazu Anm. 614 in der Übersetzung.

VI. ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ – Kommentare zu Platons Alkibiades

1

ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ

ΑΠΟ ΦΩΝΗΣ ΟΛΥΜΠΙΟΔΩΡΟΥ ΤΟΥ ΜΕΓΑΛΟΥ ΦΙΛΟΣΟΦΟΥ

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2

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15

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Ὁ μὲν Ἀριστοτέλης ἀρχόμενος τῆς ἑαυτοῦ θεολογίας φησίν· ‘π ά ν τες ἄνθρωποι εἰδέναι ὀρέγονται φύσει, σημεῖον δὲ ἡ τ ῶ ν α ἰ σ θ ή σ ε ω ν ἀ γ ά π η σ ι ς ’· ἐγὼ δὲ τῆς τοῦ Πλάτωνος φιλοσοφίας ἀρχόμενος φαίην ἂν τοῦτο μειζόνως, ὅτι πάντες ἄνθρωποι τῆς Πλάτωνος φιλοσοφίας ὀρέγονται, χρηστὸν παρ’ αὐτῆς ἅπαντες ἀρύσασθαι βουλόμενοι καὶ κάτοχοι τοῖς ταύτης νάμασιν εἶναι σπουδάζοντες καὶ τῶν Πλατωνικῶν ἐνθουσιασμῶν πλήρεις ἑαυτοὺς καταστήσοντες. τέσσαρες δέ | εἰσιν οὗτοι παρ’ αὐτῷ ἐν τέτρασι διαλόγοις· εἷς μὲν ἐν Τιμαίῳ, ὃν ἐνθουσιᾷ θεόληπτος γενόμενος καὶ ὑποκρινόμενος τὸν δημιουργὸν πρὸς τὰ οὐράνια δημηγοροῦντα περὶ τῆς τῶν τῇδε διοικήσεως, οὓς ‘ν έ ο υ ς θ ε ο ὺ ς ’ καλεῖ· διὸ καὶ ὁ Ἰάμβλιχος ὑπομνηματίζων τὸν διάλογον ἐπέγραψεν ‘ε ἰ ς τ ὴ ν δ η μ η γ ο ρ ί α ν τ ο ῦ Δ ι ό ς ’. δεύτερος ἐνθουσιασμός ἐστιν ἐν τῇ Πολιτείᾳ, ἔνθα μουσόληπτος γεγονὼς ὑπεκρίθη τὰς Μούσας διεξιούσας τὴν λύσιν τῆς ὑπ’ αὐτοῦ συστάσης πολιτείας, ἔνθα φησίν· ‘π α ν τ ὶ γ ὰ ρ γ ε ν ο μ έ ν ῳ κ α ὶ φ θ ο ρ ὰ ἕ π ε τ α ι ἐ ξ ἀ ν ά γ κ η ς ’. τρίτος ἐνθουσιασμὸς ὁ ἐν Φαίδρῳ, ἔνθα ὑπὸ τὴν πλάτανον ὁ Σωκράτης φιλοσοφῶν περὶ τοῦ ἔρωτος ν υ μ φ ό λ η π τ ο ς ἐγένετο. τέταρτος ὁ ἐν Θεαιτήτῳ, ὅπου κατὰ φιλοσοφίαν ἐνεθουσίασε τὸν κ ο ρ υ φ α ῖ ο ν ὑποκρινάμενος φιλόσοφον, τουτέστι τὸν θεωρητικόν. τούτων τοίνυν ἕνεκεν ἅπαντες τῇ Πλάτωνος φιλοσοφίᾳ προστρέχουσι. Φέρε δὲ καὶ τὸ γένος εἴπωμεν τοῦ φιλοσόφου, | οὐ πολυηκοΐας χάριν, ἀλλ’ ὠφελείας καὶ παιδεύσεως μᾶλλον τῶν προσιόντων αὐτῷ· οὐ γάρ τις οὗτος Οὔτις, ἀλλὰ μᾶλλον πολλῶν ἐ π ί σ τ ρ ο φ ο ς ἦ ν ἀ ν θ ρ ώ π ω ν . λέγεται γὰρ ὁ Πλάτων υἱὸς γενέσθαι πατρὸς μὲν Ἀρίστωνος τοῦ Ἀριστοκλέους, ἀφ’ οὗ τὸ γένος εἰς Σόλωνα τὸν νομοθέτην ἀνέφερεν· διὸ καὶ κατὰ ζῆλον προγονικὸν Νόμους ἔγραψεν ἐν ιβʹ βιβλίοις καὶ Πολιτείας σύστασιν ἐν δέκα· μητρὸς δὲ προῆλθε Περικτιόνης, ἥτις ἀπὸ Νηλέως τοῦ Κόδρου κατήγετο. φασὶν οὖν ὅτι φάσμα Ἀπολλωνιακὸν συνεγένετο τῇ μητρὶ αὐτοῦ τῇ Περικτιόνῃ καὶ ἐν νυκτὶ φανὲν τῷ Ἀρίστωνι ἐκέλευσεν αὐτῷ μὴ μιγῆναι τῇ Περικτιόνῃ μέχρι τοῦ χρόνου τῆς ἀποτέξεως, ὁ δ’ οὕτω πεποίηκεν. καὶ γεννηθέντα τὸν Πλάτωνα λαβόντες

1, 4 Olymp. om. τοῦ post ἄνθρωποι, cf. Arist. Metaph. 980a21. 2, 14 – 3 1: Vita Platonis om. Creuzer.

KOMMENTARE1 ZU PLATONS ALKIBIADES

1

Wie vorgetragen2 von Olympiodor, dem großen Philosophen3 Aristoteles sagt am Anfang seiner Theologie4: „A l l e M e n s c h e n s t r e b e n v o n N a t u r a u s n a c h W i s s e n ; Z e i c h e n d a f ü r i s t d i e Vo r l i e b e z u d e n S i n n e s w a h r n e h m u n g e n “. Ich würde aber am Anfang 5 von Platons Philosophie umso mehr sagen, dass alle Menschen nach Platons Philosophie streben, da sie einen Nutzen5 daraus ziehen wollen; sowohl indem sie danach eifern, von deren Quellen6 gefesselt zu werden, als auch indem sie sich darauf einstellen, mit den platonischen Inspirationen erfüllt zu werden.7 Davon gibt es vier bei ihm in vier Dialogen.8 Die erste ist im Timaios, den er 2 inspiriert, als er von Gott ergriffen wird und den Demiurgen beim Reden an die Himmelswesen über die Verwaltung der Verhältnisse hier9 beschreibt, der diese [sc. Himmelswesen] „j u n g e G ö t t e r “ nennt.10 Das ist auch der Grund, warum Jamblich seine Kommentare zu diesem Dialog mit „Ü b e r d i e R e d e 5 d e s Z e u s “ überschrieben hat.11 Die zweite Inspiration findet sich in der Politeia, dort war er von Musen ergriffen und hat diese bei einer ausführlichen Erzählung über die Auflösung der von ihm gegründeten Politeia beschrieben,12 indem er sagt: „A l l e m E n t s t a n d e n e n f o l g t n o t w e n d i g e r w e i s e a u c h s e i n V e r d e r b e n “.13 Die dritte Inspiration ist im Phaidros, dort philosophierte Sokrates unter der Platane über die Liebe und war v o n 10 N y m p h e n e r g r i f f e n .14 Die vierte ist im Theaitetos, als er durch die Philosophie inspiriert wurde und den o b e r s t e n 15 Philosophen beschrieb, das heißt, den theoretischen [Philosophen].16 Aus diesen Gründen kommen alle zur Philosophie Platons.17 Wohlan denn, lass uns auch über die Herkunft18 des Philosophen berichten, nicht um der Vielwisserei19 willen, sondern vielmehr um denjenigen, die sich 15 ihm annähern wollen, zu helfen und sie zu bilden. Denn er ist kein Niemand,20 sondern vielmehr jemand, der viele M e n s c h e n b e k e h r t h a t .21 Man sagt nämlich, Platon sei der Sohn des Ariston, dessen Vater Aristokles war, von dem er sein Geschlecht auf Solon, den Gesetzgeber, zurückgeführt hat. Daher also hat er nach dem Vorbild seines Vorfahren Gesetze in 12 Büchern und die Anordnung 20 der Politeia in 10 Büchern geschrieben. Die Mutter andererseits, die ihn geboren hat, war Periktione, die von Neleos, dem Sohn des Kodros, abstammt.22 Man erzählt nun, dass Apollon in Gestalt eines Traumbildes mit seiner [sc. Platons] Mutter Periktione sich vereinigt habe und in jener Nacht dem Ariston erschienen sei und ihm befohlen habe, bis zur Zeit der Geburt sich mit Periktione nicht zu vereinigen, und er habe so getan. Nachdem er geboren

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C. Text und Übersetzung

οἱ γονεῖς βρέφος ὄντα τεθείκασιν ἐν τῷ Ὑμηττῷ, βουλόμενοι ὑπὲρ αὐτοῦ τοῖς ἐκεῖ θεοῖς Πανὶ καὶ Νύμφαις καὶ Ἀπόλλωνι νομίῳ θῦσαι. καὶ κειμένου αὐτοῦ μέλιτται προσελθοῦσαι πεπληρώκασιν αὐτοῦ τὸ στόμα κηρίων μέλιτος, ἵνα ἀληθὲς περὶ αὐτοῦ γένηται· ‘τ ο ῦ κ α ὶ ἀ π ὸ γ λ ώ σ σ η ς μ έ λ ι τ ο ς γ λ υ κ ί ω ν ῥ έ ε ν α ὐ δ ή ’.

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καλεῖ δὲ ἑαυτὸν πανταχοῦ καὶ τ ο ῖ ς κ ύ κ ν ο ι ς ὁ μ ό δ ο υ λ ο ν ὡς ἐξ Ἀπόλλωνος προελθών· Ἀπολλωνιακὸν γὰρ τὸ ὄρνεον. Ἐν ἡλικίᾳ δὲ γενόμενος πρῶτον μὲν ἐφοίτησε Διονυσίῳ τῷ γραμματιστῇ πρὸς μάθησιν κοινῶν γραμμάτων, οὗ καὶ ἐν Ἐρασταῖς μέμνηται, ἵνα μήτε Διονύσιος ὁ διδάσκαλος ἄμοιρος εἴη τῆς παρὰ Πλάτωνι μνήμης. εἶτα μετ’ ἐκεῖνον γυμναστῇ μὲν ἐχρήσατο διδασκάλῳ Ἀρίστωνι τῷ Ἀργείῳ, ὑφ’ οὗ καὶ Πλάτων ὥς φασι μετωνομάσθη, πρότερον Ἀριστοκλῆς λεγόμενος τῷ τοῦ πάππου ὀνόματι· ἐκλήθη δὲ οὕτως διὰ τὸ δύο μόρια τοῦ σώματος ἔχειν πλατύτατα, τό τε στέρνον καὶ τὸ μέτωπον, ὡς δηλοῦσι πανταχοῦ αἱ ἀνακείμεναι αὐτοῦ εἰκόνες οὕτω φαινόμεναι. ἄλλοι δέ φασι μὴ διὰ τοῦτο μετονομασθῆναι αὐτόν, ἀλλὰ διὰ τὸ πλατὺ καὶ κεχυμένον καὶ ἀναπεπταμένον τοῦ ἀνειμένου χαρακτῆρος, καθάπερ φασὶ καὶ Θεόφραστον οὕτω μετονομασθῆναι διὰ τὸ θεῖον τῆς φράσεως, πρότερον Τύρταμον λεγόμενον. μουσικῆς δὲ διδάσκαλον ἔσχε Δράκοντα τὸν Δάμωνος μαθητήν· μέμνηται δὲ τούτου ἐν τῇ Πολιτείᾳ. τρία δὲ ταῦτα ἐπαιδεύοντο οἱ ἐν Ἀθήνησι παῖδες, φημὶ δὲ γράμματα, μουσικήν, παλαίειν, οὐχ ἁπλῶς, ἀλλὰ γράμματα μὲν διὰ τὸ κοσμεῖν τὸν λόγον τὸν ἐν αὐτοῖς, μουσικὴν δὲ διὰ τὸ τιθασεύειν τὸν θυμόν, παλαίειν δὲ καὶ γυμνάζεσθαι διὰ τὸ ἀναρρωννύναι τὸ τῆς ἐπιθυμίας χαλαρόν. καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης δὲ παρ’ αὐτῷ τὰ τρία ταῦτα φαίνεται παιδευθείς, διὸ καί φησιν πρὸς αὐτὸν ὁ Σωκράτης ‘α ὐ λ ε ῖ ν δ έ γ ε ο ὐ κ ἠ β ο ύ λ ο υ ’ καὶ τὰ ἑξῆς. ἐφοίτησε δὲ καὶ παρὰ γραφεῦσι, παρ’ ὧν ὠφελήθη τὴν μίξιν τῶν χρωμάτων, ὧν ἐν Τιμαίῳ μέμνηται. μετὰ ταῦτα δὲ καὶ παρὰ τοῖς τραγικοῖς ἐπαιδεύθη παιδευταῖς ὀνομαζομένοις εἶναι τῆς Ἑλλάδος· προσῆλθε δὲ τούτοις διὰ τὸ ἀπὸ τῆς τραγικῆς γνωμικὸν καὶ σεμνὸν καὶ τὸ ἡρωϊκὸν τῶν ὑποθέσεων. καὶ τοῖς διθυράμβοις δὲ πρὸς τιμὴν τοῦ Διονύσου, ἐφόρου λεγομένου τῆς γενέσεως, ὡμίλησεν· τούτῳ γὰρ ὁ διθύραμβος ἀνέκειτο, ἀφ’ οὗ καὶ τὸ ὄνομα ἔσχεν, Διθύραμβος γὰρ ὁ Διόνυσος ὡς ἐκ δύο θυρῶν ἐξελθών, τῆς τε Σεμέλης καὶ τοῦ μηροῦ τοῦ Διός.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

137

wurde, nahmen seine Eltern Platon noch als Neugeborenes und brachten ihn auf den Berg Hymettos, weil sie seinetwegen den dortigen Göttern, – dem Pan, den Nymphen und Apollon dem Hirten23 – ein Opfer darbringen wollten. Als er dalag, kamen Bienen und füllten seinen Mund mit Wabenhonig, sodass über ihn mit Recht gesagt wird:

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„D e m a u c h v o n d e r Z u n g e s ü ß e r a l s H o n i g f l o s s d i e S t i m m e “.24

Und er nennt sich selbst überall auch einen D i e n e r s c h a f t s g e n o s s e n d e r S c h w ä n e , 25 da er aus Apollon hervorging. Dieser Vogel gehört nämlich zu Apollon. Als er ins angemessene Alter kam, ging er zuerst bei Dionysios dem Grammatiker in die Lehre, um Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben zu erwerben, den er im Erastai erwähnt,26 damit sein Lehrer Dionysios an der Erinnerung an Platon nicht ohne einen Anteil bleibt. Gleich nach ihm setzte er einen Lehrer aus dem Gymnasium ein, Ariston von Argos, von dem er, wie man sagt,27 in Platon umbenannt wurde, wobei er früher Aristokles hieß, nach dem Namen seines Großvaters28. Er wurde so genannt, weil zwei Teile seines Körpers besonders breit waren: seine Brust und seine Stirn, wie es daraus ersichtlich wird, dass seine Büsten, die überall errichtet wurden, so aussehen.29 Andere dagegen sagen,30 er sei nicht deswegen umbenannt worden, sondern aufgrund der Breite, des Umfangs31 und der Offenheit seines unabhängigen Charakters; genauso wie man auch sagt, dass Theophrastos umbenannt wurde, aufgrund der Göttlichkeit (theios) seiner Ausdrucksweise (phrastos), wobei er früher Tyrtamon32 hieß. Sein [sc. Platons] Musiklehrer war Drakon, der Schüler des Damon. Er erwähnt ihn in der Politeia.33 Athenische Jungen wurden diese drei Fächer gelehrt34 – ich meine Lesen und Schreiben, Musik, Ringen – nicht ohne Grund, sondern Lesen und Schreiben, um die ihnen innewohnende Vernunft zu formen; Musik, um ihre Willenskraft zu zähmen; Ringen und Gymnastik, um ihre Begierde wieder zu erregen, wenn sie nachgelassen hat.35 Auch Alkibiades, so scheint es, wurde in diesen drei gleichen Bereichen ausgebildet, deswegen sagt Sokrates ihm „A u l o s s p i e l e n w o l l t e s t d u o f f e n k u n d i g n i c h t “ und das Folgende.36 Er [sc. Platon] ging außerdem bei den Malern in die Lehre, die ihm die Mischung der Farben beigebracht haben, wie er es im Timaios37 erwähnt. Danach wurde er auch bei den Tragikern gelehrt, die als Lehrer von Griechenland bezeichnet werden.38 Er ging zu diesen aufgrund der gnomischen und gehobenen Sprache in den Tragödien und ihrer heroischen Themen. Ferner nahm er an den Dithyramben teil, die zu Ehren des Dionysos, des Aufsehers des Werdens, veranstaltet wurden.39 Denn diesem [Gott] war der Dithyrambos geweiht, von dem auch der Name stammt: Dionysos ist Dithyrambos, da er aus zwei Türen (duo thyrōn) hervorgeht, aus Semele und aus dem Schenkel des

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C. Text und Übersetzung

εἰώθεισαν δὲ οἱ ἀρχαῖοι τὰ αἰτιατὰ ὀνομάζειν τοῖς τῶν αἰτίων ὀνόμασι, καθάπερ καὶ τὸν οἶνον Διόνυσον καλοῦσιν· διὸ καὶ ὁ Πρόκλος περὶ τούτου φησίν· ‘ὅσσ’ ἴδον ἐν τεκέεσσιν ἐφημίξαντο τοκεῦσιν’.

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ὅτι δὲ καὶ τοὺς διθυράμβους ὁ Πλάτων ἤσκητο, δῆλον ἐκ τοῦ Φαίδρου τοῦ διαλόγου πάνυ πνέοντος τοῦ διθυραμβώδους χαρακτῆρος, ἅτε τοῦ Πλάτωνος τοῦτον πρῶτον γράψαντος διάλογον, ὡς λέγεται. ἔχαιρεν δὲ πάνυ καὶ Ἀριστοφάνει τῷ κωμικῷ καὶ Σώφρονι, παρ’ ὧν καὶ τὴν μίμησιν τῶν προσώπων ἐν τοῖς διαλόγοις ὠφελήθη. λέγεται δὲ οὕτως αὐτοῖς χαίρειν ὥστε καὶ ἡνίκα ἐτελεύτησεν εὑρεθῆναι ἐν τῇ κλίνῃ αὐτοῦ Ἀριστοφάνη καὶ Σώφρονα. καὶ ἐπίγραμμα δὲ τοιοῦτον εἰς Ἀριστοφάνην αὐτὸς πεποίηκεν· ‘αἱ Χάριτες τέμενός τι λαβεῖν τόπερ οὔτι πεσεῖται ζητοῦσαι ψυχὴν εὗρον Ἀριστοφάνους’.

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ἐκωμῴδησε δὲ αὐτὸν ἐν τῷ Συμποσίῳ τῷ διαλόγῳ ὡς κωμῳδίαν ὠφεληθείς· καὶ γὰρ ποιήσας αὐτὸν ὑμνοῦντα τὸν Ἔρωτα εἰσάγει αὐτὸν μεταξὺ λυγγὶ περιπεσόντα καὶ μὴ δυνάμενον πληρῶσαι τὸν ὕμνον. ἐποίησε δὲ καὶ τραγικὰ ποιήματα καὶ διθυραμβικὰ καὶ ἄλλα τινά, ἅπερ πάντα κατέκαυσε τῆς Σωκράτους πειραθεὶς διατριβῆς, εἰπών τι τοιοῦτον ἔπος· ‘Ἥφαιστε, πρόμολ’ ὧδε· Πλάτων νύ τι σεῖο χατίζει.’

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γραμματικὸς δέ τις Ἀνατόλιος ἐνταῦθά ποτε τὸ ἔπος εἰπὼν ηὐδοκίμησεν εἰς Ἥφαιστον ἄρχοντα ἐπιστάντα τῇ πόλει, εἶπεν δὲ αὐτὸ οὕτως· ‘Ἥφαιστε, πρόμολ’ ὧδε· Φάρος νύ τι σεῖο χατίζει.’ Φασὶ δὲ ὅτι ἡνίκα ὁ Σωκράτης ἤμελλεν δέχεσθαι, ὄναρ εἶδεν ὅτι κύκνος ἄπτερος ἐν τοῖς γόνασιν αὐτοῦ καθῆστο καὶ παραχρῆμα πτεροφυήσας ἀνέπτη εἰς τὸν ἀέρα καὶ ἔκλαγξέ τι λιγυρόν, ὡς πάντας θέλξαι τοὺς ἀκούοντας· τοῦτο δὲ ἐδήλου τὴν μέλλουσαν δόξαν τοῦ ἀνδρός. μετὰ δὲ τὴν τελευτὴν Σωκράτους διδασκάλῳ πάλιν ἐχρήσατο Κρατύλῳ τῷ

2, 71 Olymp. τόπερ οὔτι / ὅπερ οὐχὶ Diehl. 72 Olymp. ζητοῦσαι / ζηλοῦσαι Diehl.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

139

Zeus.40 Gewöhnlich benannten die Alten die verursachten Dinge nach den Namen ihrer Ursachen, wie sie den Wein Dionysos nannten. Deswegen sagt auch Proklos dazu:

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„W a s s i e a n K i n d e r n e r k a n n t e n , b e k u n d e t e n s i e d u r c h [ i h r e ] E l t e r n .“41

Dass Platon auch Dithyramben ausgearbeitet hat, wird deutlich aus dem Phaidros, einem durchaus von dithyrambischem Stil inspirierten Dialog42 – in Anbetracht dessen, dass dieser der erste Dialog war, den Platon geschrieben hat, wie man sagt.43 Er fand auch großes Vergnügen an Aristophanes, dem Komödiendichter,44 und an Sophron, von denen er auch für die Darstellung der Charaktere in seinen Dialogen Nutzen zog. Es wird erzählt, dass er sich so sehr an ihnen freute, dass man sogar bei seinem Tod [Werke] von Aristophanes und Sophron in seinem Bett fand. Außerdem hat er selbst ein solches Epigramm auf Aristophanes verfasst:

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„A l s d i e C h a r i t e n i r g e n d e i n e n h e i l i g e n W o h n s i t z z u n e h m e n suchten, der nie verfallen wird, fanden sie Aristophanes’ S e e l e . “45

Er hat ihn [sc. Aristophanes] ferner in seinem Dialog Symposion lustig dargestellt, weil er [von ihm] in der Komödie Nutzen zog: Denn als er ihn einen Hymnos auf den Eros besingen lassen hat, stellte er ihn so dar, dass er mittendrin einen Schluckauf hatte und den Hymnos nicht zu Ende bringen konnte.46 Er hat auch tragische und dithyrambische Gedichte und noch andere geschrieben, diese aber alle verbrannt, nachdem er die Art der sokratischen Unterredung kennengelernt hat, und dann hat er einen solchen Vers gesagt:

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„H e p h a i s t o s , k o m m d o c h h e r a u s ! P l a t o n b r a u c h t j e t z t d e i n e H i l f e ! “47

Ein Grammatiker namens Anatolios ist damals hier berühmt geworden, indem er dieses Gedicht für Hephaistos48 zitierte, der als Archon der Stadt eingesetzt wurde49; aber er sagte das wie folgt:

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„H e p h a i s t o s , k o m m d o c h h e r a u s ! P h a r o s b r a u c h t j e t z t d e i n e Hilfe!“

Man erzählt, dass Sokrates, als er ihn [sc. Platon] aufnehmen wollte, einen Traum hatte, dass ein Schwan ohne Flügel auf seinen Knien saß, der plötzlich Flügel bekam und in die Luft flog, dann einen angenehmen Schrei ausstieß, sodass alle, die ihn hörten, bezaubert wurden. Das soll ein Zeichen für den zukünftigen Ruhm dieses Mannes gewesen sein. Nach dem Tod des Sokrates hatte er zuerst Kratylos den Heraklitäer zum Lehrer,50 für den er einen Dialog

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Ἡρακλειτείῳ, εἰς ὃν καὶ διάλογον ὁμώνυμον ἐποίησεν, ἐπιγράψας ‘Κ ρ α τ ύ λ ο ς ἢ π ε ρ ὶ ὀ ρ θ ό τ η τ ο ς ὀ ν ο μ ά τ ω ν ’. μετὰ τοῦτον δὲ πάλιν στέλλεται εἰς Ἰταλίαν καὶ διδασκαλεῖον εὑρὼν ἐκεῖ τῶν Πυθαγορείων συνιστάμενον Ἀρχύταν πάλιν ἔσχε διδάσκαλον τὸν Πυθαγόρειον· φέρεται δὲ αὐτοῦ καὶ διάλογος ὁ Φίληβος Πυθαγορείου τινὸς ὁμώνυμος, ἔνθα καὶ Ἀρχύτου μέμνηται. Ἐπειδὴ δὲ δεῖ τὸν φιλόσοφον φιλοθεάμονα εἶναι τῶν τῆς φύσεως ἔργων, στέλλεται καὶ εἰς Σικελίαν θεασόμενος τοὺς κρατῆρας τοῦ πυρὸς τοὺς ἐν τῇ Αἴτνῃ, καὶ οὐ Σ ι κ ε λ ι κ ῆ ς τ ρ α π έ ζ η ς χάριν, ὦ γενναῖε Ἀριστείδη, ὡς σὺ φῄς. γενόμενος δὲ ἐν Συρακούσαις πρὸς Διονύσιον τὸν μέγαν τύραννον ὄντα ἐπειρᾶτο εἰς ἀριστοκρατίαν μεταβάλλειν τὴν τυραννίδα, διὸ καὶ πρὸς αὐτὸν ἀφίκετο. καὶ τοῦ Διονυσίου ἐρομένου αὐτὸν ‘τίνα νομίζεις ἐν ἀνθρώποις εὐδαίμονα εἶναι;’ ὡς δὴ νομίζων ὅτι περὶ αὐτοῦ φήσει ὁ φιλόσοφος κολακεύων αὐτόν, ὁ δὲ ἀπεκρίνατο ὅτι ‘Σωκράτην’. πάλιν ἐπανήρετο αὐτὸν ‘τί νομίζεις ἔργον ἀνδρὸς εἶναι πολιτικοῦ;’ ὁ δὲ ἀπεκρίνατο ‘τὸ τοὺς πολίτας βελτίους ποιεῖν.’ τρίτον αὐτὸν ἐπανήρετο ‘τί οὖν; τὸ ὀρθῶς δικάζειν σμικρόν σοι δοκεῖ;’ δόξαν γὰρ εἶχεν ὁ Διονύσιος ἐπὶ τῷ ὀρθῶς δικάζειν· ὁ δὲ ἀπεκρίνατο μηδὲν ὑποστειλάμενος ‘σμικρὸν μὲν οὖν καὶ μέρος ἔσχατον· ἀκεσταῖς γὰρ ἐοίκασιν οἱ ὀρθῶς δικάζοντες, οἵτινες τὰ διερρωγότα ἱμάτια ἀνυφαίνουσιν.’ τέταρτον αὐτὸν ἐπανήρετο ‘τὸ τύραννον εἶναι οὐκ ἀνδρεῖον;’ ‘πάντων μὲν οὖν’ ἔφη ‘δειλότατον, ὁπότε καὶ τὰ κουρευτικὰ μαχαιρίδια δέδοικεν, μὴ διὰ τούτων ἀπόληται.’ ἐπὶ τούτοις οὖν ὁ Διονύσιος ἀγανακτήσας προεῖπεν αὐτῷ ἡλίου ὄντος ὑπὲρ γῆς ἐκ τῶν Συρακουσῶν ἀπαλλάττεσθαι. καὶ οὕτως ἀτίμως ὁ Πλάτων ἀπὸ τῶν Συρακουσῶν ἐδιώχθη. Τῆς δὲ δευτέρας ὁδοῦ τῆς εἰς Σικελίαν αἰτία αὕτη. μετὰ τὸν θάνατον Διονυσίου τοῦ μεγάλου διαδέχεται τὴν τυραννίδα Διονύσιος ὁ Διονυσίου, μητρὸς ἀδελφὸν ἔχων τὸν Δίωνα, ὃς ἐκ τῆς πρώτης ὁδοῦ ὁμιλητὴς ἐγένετο Πλάτωνος. γράφει οὖν αὐτῷ ὁ Δίων ὅτι ‘ἐὰν παραγένῃ νῦν ἐλπίς ἐστι μεταβαλεῖν τὴν τυραννίδα εἰς ἀριστοκρατίαν.’ διὰ τοῦτο τοίνυν τὴν δευτέραν ὁδὸν ποιησάμενος καὶ διαβληθεὶς ὑπὸ τῶν δορυφόρων τοῦ Διονυσίου πρὸς αὐτόν, ὡς βουλεύεται τὴν ἀρχὴν περιποιῆσαι τῷ Δίωνι καὶ καταλῦσαι τὸν Διονύσιον, κρατηθεὶς ὑπ’ αὐτοῦ παρεδόθη Πόλλιδι τῷ Αἰγινήτῃ ἐμπορευομένῳ εἰς Σικελίαν πρὸς πρᾶσιν. ὁ δὲ ἀγαγὼν αὐτὸν εἰς Αἴγιναν εὗρεν Ἀννίκεριν ἐκεῖ τὸν Λίβυν μέλλοντα πλεῖν ἐπὶ τὴν Ἦλιν ἐφ’ ᾧ τεθρίππῳ ἀγωνίσασθαι. περιτυχὼν οὖν τῷ Πόλλιδι ὠνεῖται παρ’ αὐτοῦ τὸν Πλάτωνα, κρείττω τὴν δόξαν ταύτην

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mit dem gleichen Namen geschrieben hat und den er mit „K r a t y l o s o d e r Ü b e r d i e R i c h t i g k e i t d e r N a m e n “ überschrieben hat. Danach ging er nach Italien und als er da eine Schule fand, die von Pythagoreern gegründet worden war, ist Archytas der Pythagoreer sein nächster Lehrer geworden. Auch über seinen Dialog Philebos wird überliefert, dass er nach einem Pythagoreer mit dem gleichen Namen benannt sei, in dem er auch Archytas erwähnt.51 Da ein Weisheitsfreund (philo – sophos) gleichzeitig ein Freund des Betrachtens52 (philo – theamon) der Werke der Natur sein soll, ging er auch nach Sizilien, um die feuerspeienden Krater auf dem Ätna zu beobachten und nicht um der s i z i l i s c h e n T a f e l willen, wie du, verehrter Aristeides, behauptest.53 Er ist in Syrakus bei Dionysios dem Großen gewesen, als dieser Tyrann war und versuchte, die Tyrannis in eine Aristokratie zu verwandeln, weshalb er auch zu ihm gegangen ist. Als Dionysios ihn gefragt hat54: „Wen unter den Menschen schätzt du als glücklich55 ein?“ – er dachte nämlich, dass der Philosoph ihn beim Namen nennen würde, um ihm zu schmeicheln – antwortete er: „Sokrates“. Wiederum fragte er ihn: „Was bezeichnest du als die Aufgabe eines Politikers?“, und er antwortete: „Seine Bürger besser zu machen“56. Ein drittes Mal fragte er ihn: „Wie jetzt? Erscheint es dir etwa unwichtig, gerecht zu urteilen?“ Denn Dionysios war berühmt für gerechtes Urteilen. Er antwortete aber, ohne zurückzuweichen: „Eine unwichtige Sache und der niedrigsteTeil [derAufgaben des Politikers]: Denn diejenigen, die gerecht urteilen, sind wie Ausbesserer, die die zerrissenen Gewänder flicken“57. Eine vierte Frage stellte er: „Findest du einen Tyrannen nicht tapfer?“. „Er ist der feigste von allen“, sagte er, „Er hat sogarAngst vor dem Messer seines Barbiers, dass dieser ihn damit töten könnte“. Daraufhin wurde Dionysios wütend und verkündete ihm, dass er noch vor Sonnenuntergang aus Syrakus weggehen müsse. Derart entwürdigend wurde Platon aus Syrakus vertrieben. Der Grund seiner zweiten Reise nach Sizilien ist wie folgt: Nach dem Tod Dionysios des Großen übernahm sein Sohn Dionysios die Tyrannis, dessen Mutter Dion als Bruder hatte, der auf seiner ersten Reise ein Begleiter Platons gewesen ist. Also schrieb Dion ihm: „Wenn du jetzt bei [uns] wärst, besteht Hoffnung auf einen Wandel der Tyrannis in eine Aristokratie“. Nachdem er also aus diesem Grund die zweite Reise unternommen hatte und von den Leibwächtern des Dionysios diesem gegenüber beschuldigt wurde, dass er vorhätte, die Herrschaft Dion zu verschaffen und Dionysios abzusetzen, wurde er von ihm festgenommen und dem Pollis aus Ägina, der auf einer Handelsschifffahrt nach Sizilien war, zum Verkauf übergeben. Er aber, nachdem er ihn nach Ägina gebracht hat, fand dort Annikeris den Libyer, der eine Schifffahrt nach Elis plante, um am Wagenrennen teilzunehmen. So begegnete er Pollis und kaufte

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πάσης ἐν τεθρίππῳ νίκης ἀγωνισάμενος· περὶ οὗ καὶ Ἀριστείδης φησὶν ὅτι οὐδεὶς ἐγίνωσκεν Ἀννίκεριν, εἰ μὴ Πλάτωνα ἐπρίατο. Τῆς δὲ τρίτης ὁδοῦ πάλιν ἀφορμὴ γέγονεν τῆς εἰς Σικελίαν αὕτη. δημευθεὶς ὁ Δίων ὑπὸ τοῦ Διονυσίου καὶ ἀφαιρεθεὶς τῶν ὄντων ἐν δεσμωτηρίῳ ἐβλήθη. γράφει οὖν τῷ Πλάτωνι ὅτι ὑπέσχετο Διονύσιος ἀφεῖναι αὐτόν, εἰ Πλάτων αὖθις ἀφίξεται πρὸς αὐτόν· ὁ δὲ τῷ ἑταίρῳ βοηθήσων ἑτοίμως ὑπέστη καὶ τὴν τρίτην ὁδόν. καὶ ταῦτα μὲν περὶ τῆς ἀποδημίας τοῦ φιλοσόφου τῆς εἰς Σικελίαν. Ἰστέον δὲ ὅτι καὶ εἰς Αἴγυπτον ἀπῆλθεν πρὸς τοὺς ἐκεῖ ἱερατικοὺς ἀνθρώπους καὶ ἔμαθεν παρ’ αὐτῶν τὴν ἱερατικήν. διὸ καὶ ἐν τῷ Γοργίᾳ φησὶν ‘ο ὐ μ ὰ τ ὸ ν κ ύ ν α τ ὸ ν π α ρ ’ Α ἰ γ υ π τ ί ο ι ς θ ε ό ν ’· ὃ γὰρ παρὰ τοῖς Ἕλλησι δύναται τὰ ἀγάλματα, τοῦτο παρὰ τοῖς Αἰγυπτίοις τὰ ζῷα, σύμβολα ὄντα ἑκάστου τῶν θεῶν ᾧ ἀνάκεινται. βουλόμενος δὲ καὶ τοῖς μάγοις ἐντυχεῖν, διὰ τὸ κατ’ ἐκεῖνον τὸν καιρὸν ἐν Περσίδι συνεστάναι πόλεμον μὴ δυνηθεὶς παρ’ αὐτοὺς ἐλθεῖν ἀφίκετο εἰς τὴν Φοινίκην καὶ μάγοις ἐκεῖ ἐντυχὼν παρέλαβεν τὴν μαγικήν. διὸ καὶ ἐν τῷ Τιμαίῳ φαίνεται τῆς θυτικῆς ἔμπειρος ὤν, σημεῖά τε λέγων ἥπατος καὶ σπλάγχνων καὶ τοιαῦτά τινα. ἀλλὰ ταῦτα μὲν πρὸ τῶν αἰτίων τῶν εἰς Σικελίαν ἀφίξεων ἔδει ῥηθῆναι. Ἀφικόμενος δὲ εἰς τὰς Ἀθήνας διδασκαλεῖον ἐν Ἀκαδημίᾳ συνεστήσατο, μέρος τι τούτου τοῦ γυμνασίου τέμενος ἀφορίσας ταῖς Μούσαις. καὶ μόνῳ τῷ Πλάτωνι ἐνταῦθα Τίμων ὁ μισάνθρωπος συνῆν· πολλοὺς δὲ πάνυ πρὸς μάθησιν ἐφείλκετο καὶ ἄνδρας καὶ γυναῖκας ἀνδρείῳ σχήματι παρασκευάζων ἀκροᾶσθαι αὐτοῦ καὶ κρείττονα πάσης φιλοπονίας τὴν ἑαυτοῦ φιλοσοφίαν ἐπιδεικνύς. καὶ γὰρ καὶ τῆς Σωκρατικῆς εἰρωνείας ἀπήλλακτο καὶ τοῦ ἐν ἀγορᾷ καὶ ἐπὶ τῶν ἐργαστηρίων διατρίβειν καὶ τοὺς νέους θηρῶντα ποιεῖσθαι τοὺς λόγους· ἀπήλλακτο δὲ καὶ τοῦ σεμνοῦ ὄγκου τῶν Πυθαγορείων καὶ τοῦ ἀποκεκλεισμένας ἔχειν τὰς θύρας καὶ τοῦ ‘ α ὐ τ ὸ ς ἔ φ α ’, πολιτικώτερον ἑαυτὸν παρέχων πρὸς ἅπαντας. πολλοὺς τοίνυν ἐραστὰς αὑτοῦ καταστήσας καὶ πλείστους ὠφελήσας, μέλλων τελευτᾶν ἐνύπνιον εἶδεν ὡς κύκνος γενόμενος ἀπὸ δένδρου εἰς δένδρον μετέρχεται καὶ ταύτῃ πόνον πλεῖστον παρεῖχε τοῖς ἰξευταῖς. ὃ Σιμμίας ὁ Σωκρατικὸς ἔκρινεν, ὅτι ἄληπτος ἔσται τοῖς μετ’ αὐτὸν ἐξηγεῖσθαι βουλομένοις αὐτόν· ἰξευταῖς γὰρ ἐοίκασι οἱ ἐξηγηταὶ τὰς ἐννοίας τῶν ἀρχαίων θηρᾶσθαι πειρώμενοι, ἄληπτος δέ ἐστιν ἐπειδὴ

2, 136 Olymp. add. οὐ, cf. Plat. Grg. 482b5.

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Platon von ihm, und das brachte ihm einen größeren Ruhm als jeder Sieg für einen Teilnehmer beim Wagenrennen. Über diesen Mann sagt auch Aristeides, dass niemand von Annikeris gehört hätte, wenn er Platon nicht gekauft hätte.58 Der Anreiz für seine dritte Reise zurück nach Sizilien war Folgendes: Dions Vermögen wurde von Dionysios eingezogen, er wurde seiner Güter beraubt und ins Gefängnis geworfen. Deswegen schrieb er Platon, Dionysios habe versprochen, ihn freizulassen, wenn Platon zu ihm zurückkehren würde. Er hat freiwillig auch diese dritte Reise auf sich genommen, um seinem Freund zu helfen. Diese sind [die Berichte] über den Aufenthalt des Philosophen auf Sizilien. Man muss wissen, dass er auch nach Ägypten zu den dortigen Menschen ging, die sich mit heiligen Praktiken auskannten, und von ihnen die heilige Kunst59 erlernte. Deswegen sagt er im Gorgias: „N e i n , b e i d e m H u n d , d e m G o t t d e r Ä g y p t e r “.60 Denn was bei den Griechen die Statuen der Götter bewirken, [tun] bei den Ägyptern die Tiere, als Symbole der jeweiligen Götter, denen sie geweiht sind. Da er auch den Magern begegnen wollte, diese aber wegen des Krieges, der zu diesem Zeitpunkt in Persien durchgeführt wurde, nicht erreichen konnte, kam er nach Phönizien und als er dort Mager traf, erhielt er die Lehre der Mager. Aus diesem Grund scheint er im Timaios auch erfahren in der Opferkunde zu sein, als er über die Zeichen der Leber und der Innereien und über ähnliche Themen spricht.61 Aber diese Dinge hätten vor den Anlässen seiner Reisen nach Sizilien erzählt werden sollen.62 Nachdem er in Athen angekommen war, gründete er eine Schule an [dem Ort] der Akademie, von diesem Gymnasium grenzte er einen Teil den Musen als eine Kultstätte ab. Und nur Platon leistete hier Timon der Misanthrop63 Gesellschaft. Ziemlich viele Menschen hat er zum Lernen angeregt, Männer sowie Frauen, die bereit waren, in Männerkleidung64 ihm zuzuhören und er demonstrierte, dass seine Liebe zur Weisheit (philosophia) stärker als jede Liebe zur Mühe (philoponia)65 sei. Ferner nahm er von der sokratischen Ironie Abstand, sowohl sich auf der Agora und in den Läden aufzuhalten als auch die Jugendlichen zum Gespräch zu bewegen. Er nahm sowohl von dem überheblichen Stolz der Pythagoreer66 Abstand, als auch davon, die Türen verschlossen zu halten und von dem [Spruch] “e r s e l b s t h a t e s g e s a g t ”67, indem er sich gegenüber allen ziemlich politisch68 erwies. Nachdem er sich bei vielen beliebt gemacht und einer großen Anzahl [von Menschen] geholfen hat, stand er kurz vor dem Tod und träumte, dass er zu einem Schwan werde, der von einem Baum zu einem anderen fliegt und auf diese Weise den Jägern größte Mühe macht. Simmias69 der Sokratiker deutete [den Traum so], dass er für diejenigen ungreifbar sein wird, die nach ihm seine Werke erklären wollen. Denn die Exegeten gleichen den Jägern, die versuchen, die Gedanken der früheren Menschen zu erjagen;

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καὶ φυσικῶς καὶ ἠθικῶς καὶ θεολογικῶς καὶ ἁπλῶς πολλαχῶς ἐστὶν ἀκούειν τῶν αὐτοῦ, καθάπερ καὶ τῶν Ὁμήρου. δύο γὰρ αὗται ψυχαὶ λέγονται γενέσθαι παναρμόνιοι, διὸ παντοδαπῶς ἐστὶν ἀκούειν ἀμφοτέρων. ἀποθανόντος δὲ αὐτοῦ πολυτελῶς αὐτὸν ἔθαψαν οἱ Ἀθηναῖοι καὶ ἐπέγραψαν ἐν τῷ τάφῳ αὐτοῦ· ‘δ ύ ο Ἀ π ό λ λ ω ν φ ῦ σ ’ , Ἀ σ κ λ η π ι ὸ ν ἠ δ ὲ Π λ ά τ ω ν α , τὸν μὲν ἵνα ψυχήν, τὸν δ’ ἵνα σῶμα σόοι.’

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καὶ ταῦτα μὲν περὶ τοῦ γένους τοῦ φιλοσόφου, | λοιπὸν δὲ χωρητέον καὶ ἐπὶ τὸ προκείμενον. Ὁ τοίνυν σκοπὸς τοῦ παρόντος διαλόγου, ὡς ὁ Πρόκλος φησίν, ἐστὶν περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτόν· καὶ τοῦτο πιστοῦται διὰ πολλῶν ἐπιχειρημάτων. πρῶτον μὲν ἐκ τῆς ἐπιγραφῆς, ἐπιγέγραπται γὰρ ‘ Ἀ λ κ ι β ι ά δ η ς μ ε ί ζ ω ν ἢ π ε ρ ὶ ἀ ν θ ρ ώ π ο υ φ ύ σ ε ω ς ’ · ‘μείζων’ δέ, ἐπειδή ἐστιν ἄλλος αὐτῷ Ἀλκιβιάδης ὁ ἐλάττων, ὥσπερ Ἱππίας μείζων καὶ ὁ ἐλάττων. ἔπειτα δὲ καὶ ἀπὸ ῥησιδίων τινῶν ἐν τῷ διαλόγῳ λεγομένων κατασκευάζει τοιοῦτον εἶναι τὸν σκοπόν, λέγεται γὰρ ἐν αὐτῷ· ‘ Ἀ λ λ ’ , ὦ μακάριε, πειθόμενος ἐμοὶ καὶ τῷ ἐν Δελφοῖς γράμμ α τ ι , γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ . καὶ πάλιν ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ τὰ τρία ἐκεῖνα προσρήματα διακρίνεται· ἐγώ, τὸ ἐμόν, τὰ τοῦ ἐμοῦ. κἀκ τοῦ λέγεσθαι ὅτι πάντες ὅσοι τοῦ Ἀλκιβιάδου σώματος ἠράσθησαν, οὐκ Ἀλκιβιάδου ἠράσθησαν, ἀλλά τινος τῶν αὐτοῦ κτημάτων, μόνος δὲ Σωκράτης Ἀλκιβιάδου αὐτοῦ ἠράσθη. ἔτι δὲ κἀκ τοῦ παραδίδοσθαι τὸ δίκαιον ἐνταῦθα καὶ τὸ συμφέρον ἀντιστρέφοντα, ᾧ δῆλον ὅτι περὶ ψυχῆς ὁ λόγος· ταύτῃ γὰρ μόνῃ συμφέρει τὸ δίκαιον, οὐ γὰρ τῷ συναμφοτέρῳ· ὁ γὰρ | Μενοικέως θάνατος δίκαιος μέν, ὡς ὑπὲρ πατρίδος, οὐ συνήνεγκεν δὲ τῷ σώματι φθαρέντι. καὶ πάλιν ἐκ τοῦ μετὰ τὸ δεῖξαι ἐν τῷ πέρατι τοῦ διαλόγου ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος καταπαῦσαι τὸν λόγον, ὡς πάντων τῶν προειλημμένων πρὸς τὴν τούτου κατασκευὴν προλεχθέντων. καὶ ὅτι ὁ Σωκράτης οὐ μόνον ἀνάγειν σπουδάζει τὰ παιδικά, ἀλλὰ καὶ διὰ τῆς αὐτῆς ὁδοῦ ἧς καὶ αὐτὸς ἀνήχθη· λέγεται δὲ πρὸς φιλοσοφίαν ἐλθεῖν ἐτοῦ Πυθικοῦ γράμματος τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ . ἔτι δὲ κἀκ τοῦ παραδίδοσθαι ἐνταῦθα ῥησίδιον τοιοῦτον· ‘ α ὐ τ ό ’ , ‘ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ό ’ . τοῦτο

2, 166 Olymp. δύο Ἀπόλλων φῦσ’ / Φοῖβος ἔφυσε βροτοῖς D. L. III.45,7. 167 Olymp. σόοι: σάοι D. L. III.45,8.

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und er ist ungreifbar, da es möglich ist, seine Worte sowohl physisch als auch ethisch und theologisch und überhaupt mehrdeutig zu verstehen, genauso wie die des Homer.70 Denn diese zwei Seelen sollen mit allem im Einklang71 gewesen sein, daher kann man die beiden auf allen möglichen Weisen verstehen. Als er starb, bestatteten die Athener ihn großzügig und brachten diese Inschrift auf seinem Grab an:

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„Z w e i h a t A p o l l o n e r s c h a f f e n : A s k l e p i o s u n d P l a t o n , Den einen, um die Seele, den anderen, um den Körper zu h e i l e n .“72

Aber so viel zu der Herkunft73 des Philosophen, jetzt muss zum vorgenommenen 3 Thema übergegangen werden.74 Also geht die Absicht75 des gegenwärtigen Dialogs darum, wie Proklos sagt, sich selbst zu erkennen.76 Das wird auch durch viele erweiterte Argumente77 glaubhaft. Erstens durch den Titel, denn er ist überschrieben mit „d e r g r o ß e 5 A l k i b i a d e s o d e r ü b e r d i e N a t u r d e s M e n s c h e n “. „Groß“ also, da es von ihm [sc. Platon] einen anderen Alkibiades, den kleinen, gibt,78 genauso wie es einen großen und einen kleinen Hippias [gibt]. Zweitens leitet er [sc. Proklos] aus einigen auch im Dialog genannten Äußerungen ab, dass die Absicht [des Dialogs] so beschaffen sei, denn dort wird gesagt: „D a r u m , m e i n B e s t e r , h ö r a u f m i c h u n d a u f d e n S p r u c h i n D e l p h i , 10 e r k e n n e d i c h s e l b s t “.79 Ferner lassen sich im gegenwärtigen Dialog diese drei Bezeichnungen80 genau unterscheiden: ich, das Meinige und das, was dem Meinigen [gehört].81 Auch [geht es] daraus [hervor], dass es [im Dialog] gesagt wird, dass alle, die den Körper des Alkibiades lieben, nicht Alkibiades lieben, sondern eines seiner Besitztümer, und allein Sokrates Alkibiades selbst liebt. 15 Weiterhin daraus, dass es zugegeben wird, dass das Gerechte und das Nützliche hier [in diesem Dialog] einander entsprechen,82 wodurch es deutlich wird, dass es eine Diskussion über die Seele ist. Denn nur für die [Seele] ist das Gerechte nützlich, dagegen nicht für die Kombination von beidem [sc. Seele und Körper]. Der Tod des Menoikeus83 war zwar gerecht, da er fürs Vaterland geschah, aber er 4 war nicht nützlich für seinen Körper, weil dieser vernichtet wurde. Und wiederum [folgt es] daraus, dass er seine Rede beendet, nachdem er am Ende des Dialogs aufzeigt, dass die Seele der Mensch ist, sodass alles, was zuvor angenommen wurde, für die Erstellung dieses [Arguments] im Voraus geäußert wurde. Ferner, dass Sokrates sich nicht nur darum bemüht, seinen Liebling 5 hinaufzuführen84, sondern das auch durch denselben Weg [zu bewirken], durch den er selbst hinaufgeführt wurde. Man sagt nämlich, er [sc. Sokrates] sei zur Philosophie aufgrund der pythischen Inschrift „E r k e n n e d i c h s e l b s t “ gelangt. Des Weiteren [geht es] daraus [hervor], dass er hier eine solche

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δὲ ἄλλως μὲν ἀκούει ὁ Πρόκλος, ἄλλως δὲ ὁ Δαμάσκιος. ὁ μὲν γὰρ Πρόκλος ‘ α ὐ τ ό ’ φησιν τὴν τριμέρειαν τῆς ψυχῆς ἤτοι τὴν ἁπλῶς ψυχήν, ‘ α ὐ τ ὸ ’ δὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ τὴν λογικὴν ψυχήν· ὁ δὲ Δαμάσκιος οὐχ οὕτως, ἀλλ’ ‘ α ὐ τ ὸ ’ μέν φησι τὴν λογικὴν ψυχήν, ‘ α ὐ τ ὸ ’ δὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ τὸ ἀκρότατον καὶ νοερώτατον τῆς ψυχῆς. καὶ ὁ μὲν Πρόκλειος σκοπὸς οὗτος. Ὁ δὲ Δαμάσκιος ἀκριβέστερον καὶ ἀληθέστερον παραδιδοὺς τὸν σκοπὸν οὐχ ἁπλῶς φησὶν αὐτὸν εἶναι περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτόν, ἀλλὰ περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτόν. τοῦτο δὲ κατασκευάζει ἐκ τοῦ ὁρίζεσθαι τὸν ἄνθρωπον ἐν τῷ διαλόγῳ τούτῳ ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ κεχρημένην τῷ σώματι· μόνος δὲ ὁ πολιτικὸς ὀργάνῳ κέχρηται τῷ σώματι, δεόμενος ἔστιν ὅτε θυμοῦ, ὡς ὑπὲρ πατρίδος, ἀλλὰ καὶ ἐπιθυμίας τοῦ εὖ ποιῆσαι τοὺς πολίτας. οὔτε δὲ ὁ καθαρτικὸς οὔτε ὁ θεωρητικὸς δεῖται τοῦ σώματος. καθαρτικὸς μὲν γάρ ἐστι ψυχὴ ἀπολυο|μένη τοῦ σώματος, τῶν δεσμῶν μέντοι μενόντων καὶ μὴ λυομένων, καθάπερ τοῦ Ἀμπρακικοῦ μειρακίου, ἀλλὰ διὰ τοῦ συμπαθοῦς λυομένων· ἔστιν γὰρ καὶ ἐνταῦθα ὄντας ἄνω εἶναι διά τινα συμπάθειαν θεωρητικῶς καὶ ἄνω ὄντας ἐνταῦθα εἶναι, τῆς ψυχῆς πτερορρυούσης καὶ κατιούσης ἐνταῦθα καὶ ἐπτοημένης περὶ αὐτὰ διὰ τὸ φιλοσώματον. θεωρητικὸς δέ ἐστι ψυχὴ ἀπολελυμένη τοῦ σώματος, πάλιν ἐνταῦθα λύσιν νοούντων ἡμῶν κατὰ τὸ ἄσχετον· ἡ γὰρ τοῦ θεωρητικοῦ ψυχὴ κατὰ < τὸ > θειότατον ἐν αὐτῇ ἐνεργοῦσα, οὕτω τοῦ ὀστρεΐνου καὶ πνευματικοῦ ὀχήματος ἀπολύεται. περὶ ἧς φησὶν καὶ ὁ ποιητὴς ‘αὐτὰρ ὁ γυμνώθη ῥακέων πολύμητις Ὀδυσσεύς’·

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πολύμητις γὰρ ἀληθῶς ὁ θεωρητικὸς τῶν ῥακῶν τῶν τοιούτων ἀπαλλαγείς. οὐκοῦν περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτὸν ὁ σκοπός, εἴγε καὶ ἐμποδὼν τῷ καθαρτικῷ καὶ θεωρητικῷ γίνεται τὸ σῶμα, γνωρίζεται δὲ ὁ μὲν καθαρτικὸς τῇ μετριοπαθείᾳ, ὁ δὲ θεωρητικὸς τῇ ἀπαθείᾳ. οὕτω μὲν ὁ Δαμάσκιος. Εἰ δὲ δεῖ καὶ ἡμᾶς τῷ Πρόκλῳ συνηγοροῦντας εἰς σύμβασιν ἄγειν αὐτῷ τὸν Δαμάσκιον, φησὶν ὅτι περὶ μὲν τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτόν ἐστιν | ὁ σκοπὸς προηγουμένως. καὶ τοῦτο εἰκότως ῥητέον. ἐπειδὴ γὰρ

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Redewendung angibt: „S e l b s t “, „d a s S e l b s t s e l b s t “. Das versteht Proklos aber auf eine Weise und Damaskios auf eine andere. Proklos sagt einerseits,85 10 „S e l b s t “ sei die Dreiteilung der Seele oder die Seele schlechthin,86 „d a s S e l b s t “ aber „s e l b s t “ sei die vernunftbegabte Seele. Damaskios andererseits [versteht] es nicht so, sondern „S e l b s t “ sei die vernunftbegabte Seele, „d a s S e l b s t s e l b s t “ dagegen der höchste und intelligenteste [Teil] der Seele. Das ist also die Absicht [des Dialogs] nach Proklos. Damaskios aber gab die Absicht [des Dialogs] genauer und richtiger an, 15 indem er sagt, dass diese nicht das Erkennen des Selbst schlechthin ist, sondern das Erkennen des Selbst auf politische Weise.87 Diesen Schluss zieht er daraus, dass der Mensch in diesem Dialog als vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, definiert wird.88 Denn nur der politische Mensch benutzt den Körper als Werkzeug, da er manchmal Mut braucht, um für sein Vaterland [zu 20 kämpfen], aber auch Antrieb, um den Mitbürgern gute Taten zu erweisen.89 Weder der kathartische Mensch noch der theoretische Mensch braucht den Körper.90 Der kathartische Mensch ist die Seele, die sich vom Körper loslöst, 5 obwohl ihre Fesseln noch bleiben und nicht gelöst sind – wie die [Fesseln] des ambrakischen Jungen91 – sondern aufgrund der Sympathie gelöst werden. Denn es ist auch für die Wesen hier durch eine Sympathie möglich, auf eine theoretische Weise oben92 zu sein und für die Wesen oben [ist es auch möglich] hier zu sein, wenn die Seele, nachdem sie ihr Gefieder abwirft,93 hierher absteigt 5 und wegen ihrer Körperliebe von diesen [Dingen hier] begeistert wird. Der theoretische Mensch aber ist die Seele, die sich bereits vom Körper losgelöst hat, wobei wiederum die Loslösung hier in unserer denkenden Tätigkeit gemäß dem Unabhängigen [in der Seele geschieht].94 Die Seele des theoretischen Menschen wird durch ihre Aktivität gemäß dem Göttlichsten in ihr selbst auf diese Weise von ihrem schalenartigen und pneumatischen Wagen95 losgelöst. Darüber sagt 10 auch der Dichter: „E r a b e r e n t b l ö ß t e s i c h v o n d e n L u m p e n , d e r v i e l k l u g e O d y s s e u s “96

Daher ist der theoretische Mensch, der sich von solchen alten Lumpen97 befreit, in der Tat sehr klug.98 Folglich ist die Absicht [des Dialogs] sich selbst auf politische Weise zu erkennen, zumal wenn der Körper dem kathartischen und dem theoretischen Menschen ein Hindernis wird, und der kathartische Mensch wird durch seine Mäßigung in den Affekten erkannt, der theoretische aber 15 durch seine Affektlosigkeit. So ist es nach Damaskios. Wenn es aber auch unsere Aufgabe ist, die wir Proklos vertreten,99 Damaskios in Übereinstimmung mit ihm zu bringen, so sagt er100, die Absicht [des Dialogs] sei vorwiegend, sich selbst auf politische Weise zu erkennen. Das soll in 6

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C. Text und Übersetzung

ὁ Σωκράτης ἑώρα τὸν Ἀλκιβιάδην ᾄ τ τ ο ν τ α π ρ ὸ ς τ ὰ π ο λ ι τ ι κ ὰ πράγματα, ἐνόησεν ὅτι οὐχ ἑτοίμως ἀνέξεται τῆς περὶ τοῦ γνῶναι τὴν ψυχὴν καὶ ἑαυτὸν ζητήσεως, εἰ μὴ καὶ περὶ τῆς αὐτῷ προσούσης ἐπιθυμίας λόγον ποιήσεται. τοιαύτη γὰρ ἡ Πλάτωνος φιλοσοφία, πολλὴν ὑπερβολὴν ἔχουσα πρὸς τὰς ἄλλας· ἐοίκασι γὰρ αἱ Σωκρατικαὶ νουθετήσεις καθαρσίοις ἀλύποις καὶ φαρμάκοις μέλιτι δεδευμένοις. οὐ γὰρ διὰ τῶν ἐναντίων ἐπανορθοῦται τὰς ψυχάς, ὥσπερ Ἱπποκράτης κελεύει τὰ σώματα, λέγων τ ὰ ἐ ν α ν τ ί α τ ῶ ν ἐ ν α ν τ ί ω ν ἰ ά μ α τ α · οὐδ’ ὥσπερ Ἀριστοτέλης παρακελεύεται τὸν θυμὸν τῇ ἐπιθυμίᾳ παύειν, τὴν δὲ ἐπιθυμίαν τῷ θυμῷ, τουτέστι τοῖς ἐναντίοις· οὐδ’ ὡς οἱ Πυθαγόρειοι διὰ τῆς ἀπογεύσεως τῶν παθῶν καὶ τὸ λεγόμενον ἄ κ ρ ῳ δ α κ τ ύ λ ῳ . τὸν γὰρ τοῖς πάθεσι φλεγμαίνοντα οὐκ ἄν τις ἰάσαιτο, φασί, μὴ σμικρὸν αὐτοῖς ἐνδούς. διὸ καὶ παρὰ τῷ ποιητῇ πεποίηται ἡ Ἀθηνᾶ προτρέπουσα τὸν Πάνδαρον ἐπιορκεῖν, ὡς | ὠδίνοντα πρὸς τοῦτο· εἰ μὴ γὰρ οὕτω νοήσομεν, ἄτοπον ἔσται θεὸν νομίζειν ἐκκαλεῖσθαι πρὸς τὸ ἁμαρτάνειν· διὰ τοῦτο δὲ καὶ ὁ ποιητὴς τῇ γλώττῃ ποιεῖ αὐτὸν κολαζόμενον, εἰς ἣν καὶ ἐπιώρκησεν. ὁ οὖν Σωκράτης οὐχ οὕτως ἐπανορθοῦται τὰς ψυχάς, ὥσπερ οἱ προειρημένοι, ἀλλὰ διὰ τῶν ὁμοίων μᾶλλον· εἰ μέν τίς ἐστιν ἐρωτικός, λέγων ‘μάθε τίς ὁ τῶν καλῶν ἔρως’· εἰ δέ τις φιλοχρήματος, φαμὲν ‘μάθε τί τὸ αὔταρκες’· εἰ δὲ φιλήδονος, ‘τίς ἡ ἀληθῶς ῥᾳστώνη, ἣν καὶ θεοῖς ὁ ποιητὴς ἀνατίθησι, λέγων “ θ ε ο ὶ ῥ ε ῖ α ζ ώ ο ν τ ε ς ” ’. ὥστε καὶ πρὸς τὸν Ἀλκιβιάδην τοιοῦτος ὢν καὶ περὶ τοῦ πολιτικῶς ἑαυτὸν γνῶναι ποιεῖται τὸν λόγον, παρεμμέμικται δὲ καὶ περὶ τοῦ καθαρτικῶς καὶ θεωρητικῶς. φησὶ γὰρ ἐνταῦθα ὅτι ‘ὥσπερ εἰ ὁ δημιουργὸς προσέταξε τῷ ὄμματι “ἴδε σεαυτό”, διὰ τὸ μὴ εἶναι αὐτοκίνητον οὐκ ἂν ἐδύνατο τοῦτο ποιεῖν, ἀλλ’ εἰς ἕτερον ἂν ἀπέβλεπεν ὀφθαλμόν, καὶ τούτου οὐκ εἰς τυχὸν μέρος, ἀλλ’ εἰς τὸ τὴν ὀπτικὴν ἐμπεπιστευμένον ἐνέργειαν, ὃ καὶ κόρη καλεῖται διὰ τὸ | ἐν αὐτῷ φαίνεσθαι τὰ εἴδωλα, οὕτω καὶ σύ, ὦ Ἀλκιβιάδη, ἐπειδὴ τὸ ἐν σοὶ αὐτοκίνητον ἀπετύφλωσας ταῖς ἀλόγοις ἐνεργείαις ἐκδοὺς σεαυτόν, ἀπόβλεψον εἰς ἐμέ, τουτέστι τὴν Σωκρατικὴν ψυχήν, καὶ ταύτης μὴ εἰς τὸ τυχὸν μέρος, ἀλλ’ εἰς τὸ ἀκρότατον, καὶ ὄψει ἐν ἐμοὶ νοῦν καὶ θεόν’. διὰ μὲν οὖν τοῦ εἰπεῖν

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plausibler Weise erklärt werden. Denn als Sokrates Alkibiades beobachtete, wie er sich a u f d i e Angelegenheiten d e r P o l i s s t ü r z t , 101 wusste er, dass er [sc. Alkibiades] es nicht bereitwillig ertragen würde, über die Erkenntnis seiner Seele und über sich selbst befragt zu werden, wenn er [sc. Sokrates] nicht über sein gegenwärtiges Verlangen nach ihm redete. So ist nämlich die Philosophie 5 Platons, die eine große Überlegenheit gegenüber allen anderen besitzt: Denn die sokratischen Ermahnungen sind ähnlich wie schmerzlose Reinigungen und mit Honig verabreichte Medikamente. Er berichtigt die Seelen nämlich nicht durch die Gegensätze, wie Hippokrates sie für die Körper verschreibt, wenn er sagt, d i e G e g e n s ä t z e s i n d H e i l m i t t e l d e r G e g e n s ä t z e . 102 Noch [heilt er] wie Aristoteles empfiehlt,103 die Willenskraft durch Begierde, die 10 Begierde wiederum durch die Willenskraft, das heißt, [diese] mit ihren Gegensätzen auszulöschen. Auch nicht wie die Pythagoreer durch die Verkostung der Affekte, nämlich, wie man sagt, m i t d e n F i n g e r s p i t z e n 104: Denn sie sagen, niemand könne eine Person heilen, die von Affekten entflammt ist, ohne diesen ein kleines Zugeständnis zu machen. Daher wird also auch bei dem DichterAthene beschrieben, als sie Pandaros dazu treibt, den Eid zu brechen, der 7 danach trachtete.105 Wenn wir aber nicht so gedacht hätten, wäre es unangebracht zu denken, dass ein Gott zur Verfehlung auffordert. Deswegen lässt auch der Dichter [sc. Homer] ihn mit seiner Zunge bestrafen, in Anbetracht dessen, dass er auch [damit] den Meineid leistete.106 Sokrates nun berichtigt die Seelen nicht so, wie die vorhin genannten [Philosophen], sondern vielmehr durch die 5 gleichen [Mittel].107 Wenn also jemand verliebt ist, sagt er: „Lerne, was die Liebe des Schönen ist“.108 Wenn dagegen jemand geldverliebt ist, sagen wir: „Lerne, was die Selbstgenügsamkeit ist“. Wenn jemand Vergnügen liebt, [sagen wir]: „Lerne, was die wahrhafte Unbeschwertheit ist, die der Dichter auch den Göttern zuschreibt, indem er sagt: ‚G ö t t e r , d i e u n b e s c h w e r t l e b e n ‘109“. Auf diese Weise verhält er sich auch gegenüber Alkibiades und spricht darüber, sich selbst auf politische Weise zu erkennen, dazu wird aber [ein 10 Gespräch] über [die Selbsterkenntnis] auf kathartische und auf theoretische Weise beigemischt.110 Denn er sagt hier: „Genauso wie der Demiurg dem Auge befiehlt ‚Blicke auf dich selbst‘, das [Auge] aber, weil es nicht durch sich selbst bewegt ist,111 nicht in der Lage ist, dies zu tun, sondern auf ein anderes Auge blickt, und nicht auf irgendeinen beliebigen Teil von ihm, sondern auf den [Teil], dem das Sehvermögen anvertraut wird, – dies wird auch Pupille genannt, da 8 Abbilder in ihm erscheinen –, so auch du, Alkibiades, da du die Selbstbewegung in dir ausgeblendet hast, indem du dich unvernünftigen Aktivitäten widmest, blicke auf mich, das heißt auf die Seele von Sokrates, und davon nicht auf irgendeinen beliebigen Teil, sondern auf den Seelengipfel,112 und so wirst du in 5

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C. Text und Übersetzung

‘ἀπόβλεψον εἰς ἐμὲ’ δεδήλωκεν ὅτι περὶ τοῦ γνῶναι πολιτικῶς ἑαυτόν ἐστιν ὁ σκοπός· διὰ δὲ τοῦ εἰπεῖν ‘μὴ εἰς τὸ τυχόν’, ὅτι καὶ καθαρτικῶς, τοῦ γὰρ ἀκροτάτου τῆς ψυχῆς τὸ καθαίρειν ἑαυτόν· διὰ δὲ τοῦ ‘ὄψει ἐν ἐμοὶ νοῦν’, ὅτι καὶ θεωρητικῶς, πρέπει γὰρ τῷ θεωρητικῷ τὸ κατὰ τὸν νοῦν τοῖς πράγμασιν ὁμιλεῖν· διὰ δὲ τοῦ ‘καὶ θεόν’, ὅτι καὶ ἐνθουσιαστικῶς, κατὰ γὰρ τὸ ἐν ἡμῖν θεῖον ἐνθουσιῶμεν, ἁπλοῦν ὂν ὥσπερ καὶ τὸ θεῖον αὐτό. διὰ τοῦτο γὰρ καὶ οἱ παῖδες μᾶλλον καὶ οἱ ἐν ἀγροῖς διατρίβοντες, ὡς ἀφελεῖς καὶ ἁπλοῖ, ἐνθουσιῶσιν· ἀφαντασίαστος γὰρ ὁ ἐνθουσιασμός, διὸ καὶ φαντασίᾳ λύεται ὡς ἐναντίᾳ οὔσῃ. Ἐπειδὴ δὲ τοῦ Δελφικοῦ γράμματος ἐμνήσθημεν τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , ἰστέον ὅτι οὐ μάτην πρὸ τοῦ ναοῦ ἐγέγραπτο· ἀλλ’ ἐπειδὴ πάντας τοὺς ἀφικνουμένους ἐκεῖ ἑώρα ἢ περὶ παίδων ἐρωτῶντας, ὡς ὁ Λάϊος, ἢ περὶ ἀρχῶν, ὡς ὁ Κύλων, ἢ περὶ πολέμων, ὡς ὁ Κροῖσος, ἑαυτοῦ δὲ μηδένα λόγον ποιούμενον κατὰ τὸ Μεγαρικὸν ἐκεῖνο, διὰ τοῦτο ἐγράφη πρῶτον ἑαυτοῦ φροντίζειν καὶ γινώσκειν ἑαυτὸν καὶ τότε τὰ ἄλλα. διὰ δὲ τοῦ προστάγματος τὸ προσταχθὲν ἐδήλωσε, τουτέστιν | ὅτι ψυχὴ λογικὴ ὁ ἄνθρωπος. φησὶ γὰρ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , τοῦτο δὲ πρὸς τὴν γνωστικὴν εἶπεν ψυχήν. οὐ γὰρ τὸ σῶμα γινώσκει, ἀλλ’ οὐδὲ τὸ συναμφότερον κατὰ τὸ σῶμα· ἡ δὲ φυτικὴ οὐ γινώσκει. ἀλλ’εἴποι ἄν τις ὅτι εἰ καὶ μὴ αὕτη, ἀλλ’ οὖν ἡ ἄλογος· ἀλλ’ οὐ περὶ ταύτης φησίν, ἐπήγαγεν γὰρ ‘ σ α υ τ ό ν ’ · ἡ δὲ ἄλογος οὐχ ἑαυτὴν γινώσκει, οὔτε γὰρ ἐπιστρέφει πρὸς ἑαυτήν, ἀλλὰ μόνη ἡ λογική. ἀλλὰ καὶ τὰ οὐράνια καὶ γινώσκουσι καὶ ἑαυτὰ γινώσκουσιν ὡς ἐπιστρέφοντα· ἀλλ’ οὐδὲ τούτοις ἁρμόττει τὸ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , ἐξ ἀγνοίας γὰρ φησὶν ἐπὶ γνῶσιν μεταβεβλῆσθαι εἰπὼν ‘ γ ν ῶ θ ι ’ , ὅπερ τελειότης ἐστὶ τῆς ψυχῆς· ἐκεῖνα δὲ ἀεὶ γινώσκουσιν, ὥστε πρὸς τὴν λογικὴν μόνην φησίν. ὅπερ οὖν παρὰ

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mir die Vernunft und den Gott sehen“.113 Nun, durch die Aussage „blicke auf mich“ hat er verdeutlicht, dass es die Absicht [des Dialogs] ist, sich selbst auf politische Weise zu erkennen. Und durch dieAussage „nicht auf einen beliebigen Teil davon“, dass es auf kathartische Weise [Selbsterkenntnis ist], denn es ist die Aufgabe des Seelengipfels114, sie zu reinigen. Weiterhin durch die Aussage „du wirst in mir die Vernunft sehen“, dass es auf theoretische Weise [Selbsterkenntnis ist], denn sich mit den Gegebenheiten gemäß der Vernunft zu beschäftigen, gehört dem theoretischen Menschen. Schließlich durch [die Aussage] „auch den 10 Gott“, dass es auf inspirierte Weise115 [Selbsterkenntnis ist], denn durch das Göttliche in uns werden wir inspiriert, das so einfach ist wie auch das Göttliche selbst. Deswegen werden meistens Kinder und diejenigen, die auf den Feldern beschäftigt sind, inspiriert, da sie schlichte und einfache Menschen sind. Denn die Inspiration benötigt keine Vorstellungskraft,116 weshalb sie sich durch die Vorstellungskraft auflöst, da diese ihr Gegensatz ist. Da wir also die delphische Inschrift „E r k e n n e d i c h s e l b s t “ erwähnt 15 haben, muss man wissen, dass sie nicht vergeblich vor dem Tempel geschrieben worden war; sondern, weil [sie] alle, die dahin kommen – sei es um über ihre Kinder etwas zu erfragen wie Laios, sei es über die staatlichen Ämter, wie Kylon, sei es über die Kriegsführung, wie Kroisos – ansah, während sie sich in Gedanken nicht mehr mit sich selbst beschäftigen, nach jenem Megarischen Spruch117: Deswegen wurde [dort] geschrieben, man müsse sich zuerst auf sich 20 selbst besinnen und sich erkennen, danach die anderen [Dinge]. Durch diese Aufforderung hat sie [sc. die Inschrift] das Gebotene verdeutlicht, nämlich, dass 9 der Mensch eine vernunftbegabte Seele ist. Denn sie lautet „E r k e n n e d i c h s e l b s t “ und damit spricht sie die Seele an, die die Fähigkeit zum Erkennen besitzt. Weder ist es der Körper, der erkennt, noch ist es die Kombination von beidem, in Bezug auf den Körper. Auch die vegetative Seele kann nicht erkennen.118 Da mag uns aber jemand widersprechen, dass wenn nicht diese [sc. vegetative Seele] [erkennen könne], dann [könne das] die vernunftlose 5 Seele. Aber [die Inschrift] spricht nicht über diese [Seele], denn sie fügt „d i c h s e l b s t “ hinzu. Die vernunftlose [Seele] aber erkennt sich selbst nicht, denn sie kann sich nicht auf sich selbst zurückwenden, sondern nur die vernunftbegabte Seele [kann das].119 Ferner aber können die Himmelswesen sowohl erkennen als auch sich selbst erkennen, weil sie sich auf sich selbst zurückwenden. Dagegen bezieht sich das „E r k e n n e d i c h s e l b s t “ nicht auf diese [Wesen]: Denn man sagt, dass mit „e r k e n n e “ ein Übergang von Unwissenheit zur Erkenntnis 10 bezeichnet wird, was auch das Ziel der Seele ist. Jene [Himmelswesen] aber besitzen die Erkenntnis für immer, weshalb das nur in Bezug auf die vernunftbegabte [Seele] gemeint sein kann. Daher ist diese Inschrift auf dem [Tempel]

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μὲν τῷ Ἀπόλλωνι τὸ ἐπίγραμμα τοῦτο, παρὰ δὲ τοῖς Αἰγυπτίων ναοῖς τὰ κάτοπτρα, κείμενα μὲν πρὸ τῶν ἱερῶν, ταὐτὸν δὲ δυνάμενα τῷ Πυθικῷ γράμματι (πρὸς γὰρ τὸ γινώσκειν ἑαυτοὺς ἐτίθεσαν ταῦτα, δι’ αἰνιγμάτων ἀεὶ δηλοῦντες τὰ πράγματα καθάπερ οἱ Ἕλληνες διὰ γραμμάτων), καὶ αὖθις ὃ τῷ Πλωτίνῳ τὸ αʹ κεφάλαιον τὸ ἐν ταῖς Ἐννεάσι, τ ί τ ὸ ζ ῷ ο ν κ α ὶ τ ί ς ὁ ἄ ν θ ρ ω π ο ς , ἔνθα δείκνυσι ζῷον μὲν τὸ συναμφότερον, ἄνθρωπον δὲ τὴν ψυχήν, τοῦτο καὶ τῷ Πλάτωνι ὁ Ἀλκιβιάδης τοιοῦτον ἔχων σκοπόν. ἐν οἷς ἡ πρᾶξις.

Πρᾶξις σὺν θεῷ β´ 103A

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C. Text und Übersetzung

Ὦ παῖ Κλεινίου, οἶμαί σε θαυμάζειν.

Μετὰ τὸν σκοπὸν τριττὸν ὄντα, Πρόκλειον, Δαμάσκειον, ἐξηγητικόν (τουτέστι τὸν τοῖς ἐξηγηταῖς ἀρέσαντα), φέρε καὶ τὸ χρήσιμον τοῦ παρόντος διαλόγου πολυπραγμονήσωμεν, καὶ αὐτὸ τριττὸν ὑπάρχον. | συμβάλλεται γὰρ ἡμῖν ὁ παρὼν διάλογος πρῶτον μὲν πρὸς τὴν ἀθανασίαν τῆς ψυχῆς καὶ τὸ ἀΐδιον, εἰκότως· εἰ γὰρ ἐν τούτῳ περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτὸν διαλαμβάνει, διὰ δὲ τοῦ ἐπιστρέφειν πρὸς ἑαυτοὺς γινώσκομεν ἑαυτούς, δέδεικται δὲ μυρίαις γραμμικαῖς τοῖς φιλοσόφοις ὅτι πᾶν τὸ ἐπιστρέφον πρὸς ἑαυτὸ ἀΐδιον καὶ ἀθάνατον, γνωσόμεθα ἄρα ἐνταῦθα ὅτι ἀθάνατος ἡ ψυχή. δεύτερον ἡμῖν συμβάλλεται πρὸς τὴν γνῶσιν πάντων τῶν ὄντων· εἰ γὰρ γινώσκομεν τὴν ψυχήν, γνωσόμεθα καὶ οὓς ἔχει λόγους ἐν αὑτῇ, πάντων δὲ τῶν ὄντων ἔχει τοὺς λόγους καὶ τοὺς τύπους ὡς ἴνδαλμα τούτων οὖσα· συμβάλλεται ἡμῖν ἄρα ἡ αὐτῆς γνῶσις καὶ πρὸς τὴν τῶν ὄντων πάντων. τρίτον πρὸς τὸ γνῶναι τί ἀγαθὸν τῇ ψυχῇ καὶ τί κακόν· ὥσπερ γὰρ εἰ σῶμα ἦν ὁ ἄνθρωπος, τελειότης αὐτοῦ μέγεθος καὶ κάλλος, εἰ δὲ θυμὸς ἦν, τὸ φιλότιμον, εἰ δὲ ἐπιθυμία, τὸ φιλήδονον, οὕτως ἐπειδὴ λόγος ἐστίν, τουτέστι λογικὴ ψυχή, αὐτάρκης αὐτῷ καὶ πρὸς εὐδαιμονίαν ἡ ἀρετὴ καὶ πρὸς κακοδαιμονίαν ἡ κακία. ὡς γάρ φησιν ὁ Πλάτων, ἄπεισιν ἡ ψυχὴ ἐν ᾅδου μηδὲν ἔχουσα πλὴν ἀρετῆς καὶ κακίας. τοῦτο τὸ χρήσιμον.

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des Apollon wie die Spiegel in den ägyptischen Tempeln: Sie werden auch vor den heiligen Orten aufgestellt und besitzen die gleiche Kraft wie die pythische Inschrift (Denn sie haben diese aufgestellt, um die Selbsterkenntnis zu fördern, da sie die Gegebenheiten immer durch Rätsel erklären, wie die Griechen das durch geschriebene Worte machen.). Ferner, was die erste Abhandlung zu den Enneaden, W a s i s t d a s L e b e w e s e n u n d w a s i s t d e r M e n s c h 120 bei Plotin [bedeutet], in der er zeigt, dass die Kombination von beidem ein Lebewesen, der Mensch dagegen die Seele ist,121 das ist derAlkibiades bei Platon, der eine ähnliche Absicht hat. Damit endet der Unterricht.122

Unterricht123 2 mit Gottes Hilfe124 103A

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Sohn des Kleinias, ich glaube, du wunderst dich125:

Nach [der Erläuterung] über die Absicht [des Dialogs] auf drei [verschiedene] Weisen nach Proklos, nach Damaskios und exegetisch (das heißt, auf die unter Exegeten126 akzeptierte Weise), lass uns auch den Nutzen des gegenwärtigen Dialogs ausführlicher behandeln,127 der ebenfalls dreifach ist. Denn gewiss 10 bringt uns dieser Dialog in erster Linie die Unsterblichkeit der Seele und damit ihre Ewigkeit nahe. Wenn er128 darin das Erkennen von sich selbst erörtert und wir uns selbst durch Rückwendung auf uns selbst erkennen und ferner die Philosophen in zahlreichen Schriften gezeigt haben, dass alles, was sich auf sich 5 selbst zurückwendet, ewig und unsterblich ist, werden wir hierbei erkennen, dass die Seele unsterblich ist. Zweitens bringt er uns die Erkenntnis aller Seienden129 nahe: Denn, wenn wir die Seele erkennen, werden wir auch die Prinzipien130 kennen, die sie in sich hat – und sie hat [in sich] die Prinzipien aller Seienden und ihre Abdrücke131, da sie ihr geistiges Abbild132 ist. Daher trägt für 10 uns die Erkenntnis der Seele zu der [Erkenntnis] aller Seienden bei. Drittens [bringt es uns] zur Erkenntnis dessen, was für die Seele gut und was schlecht ist.133 Denn genau wie wenn der Mensch [nur] Körper wäre, seine Vollkommenheit134 Größe und Schönheit wäre; wenn er die Willenskraft wäre, [seine Vollkommenheit] die Ehrliebe; wenn [er] aber die Begierde [wäre], [seine Vollkommenheit] die Vergnügungsliebe [wäre]; so – da [der Mensch] in der Tat die Vernunft ist, das heißt die vernunftbegabte Seele – ist ihm ausreichend, 15 sowohl für die Glückseligkeit die Tugend, als auch für Unglückseligkeit die Schlechtigkeit.135 Denn wie Platon sagt, wird die Seele nichts Anderes außer ihrer Tugend und Schlechtigkeit in den Hades mitbringen. Das ist der Nutzen [des Dialogs].

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C. Text und Übersetzung

Περὶ δὲ τῆς τάξεως ῥητέον ὅτι πρῶτον αὐτὸν δεῖ τάττειν τῶν Πλατωνικῶν ἁπάντων. ὡς γὰρ ἐν Φαίδρῳ φησί, γελοῖόν ἐστι τὸν ἐπειγόμενον τὰ ἄλλα γινώσκειν ἑαυτὸν ἀγνοεῖν. | δεύτερον ὅτι δεῖ Σωκρατικῶς τὰ Σωκράτους μανθάνειν, λέγεται δὲ ὁ Σωκράτης ἐκ τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ὸ ν ’ ἐπὶ φιλοσοφίαν ἐλθεῖν. ἄλλως τε δεῖ νομίζειν ὅτι προπυλαίοις ἔοικεν οὗτος ὁ διάλογος, καὶ ὥσπερ ἐκεῖνα τῶν ἀδύτων προηγοῦνται οὕτω καὶ τὸν Ἀλκιβιάδην προπυλαίοις δεῖ ἀπεικάζειν, ἀδύτοις δὲ τὸν Παρμενίδην. Περὶ δὲ τῆς εἰς τὰ κεφάλαια ἤτοι μέρη διαιρέσεως ἰστέον ὅτι εἰς τρία διαιρεῖται ὁ διάλογος· ἐλεγκτικόν, προτρεπτικόν, μαιευτικόν. καὶ ἐν μὲν τῷ ἐλεγκτικῷ δείκνυσιν αὐτὸν διπλῇ ἀμαθῆ, ὅτι τε ἀγνοεῖ τὰ πολιτικὰ καὶ ὅτι νομίζει εἰδέναι. ἀγνοεῖ μὲν γὰρ ὡς μήτε παρὰ διδασκάλου μαθὼν μήτε ἀφ’ ἑαυτοῦ ζητήσας. διχῶς γὰρ ἡ γνῶσις προσγίνεται, ἢ διὰ μαθήσεως τῆς διὰ τῶν διδασκάλων ἢ διὰ ζητήσεως ἡμῶν αὐτῶν· κρεῖττον δὲ τὸ αὐτὸν ζητήσαντα γνῶναι ἢ παρ’ ἑτέρου μαθόντα, ὅσον καὶ τὸ αὐτοκίνητον τοῦ ἑτεροκινήτου, ὡς Ἀριστοτέλης ἐν Ῥητορικαῖς τέχναις φησίν, καὶ τὸ αὐτοφυὲς κρεῖττον τοῦ ἑτεροδιδάκτου. δείκνυσιν οὖν τὸν Ἀλκιβιάδην, ὡς εἴρηται, μήτε καθ’ ἕνα τρόπον γνόντα τὰ πολιτικά. οὔτε γὰρ διδασκάλοις ἐσχόλασεν· μόνον γὰρ γράμματα καὶ μουσικὴν καὶ παλαίειν ἔμαθεν, ἄλλως τε οὐδὲ χρόνος φαίνεται ἐν ᾧ νομίσας ἀγνοεῖν προσῆλθε διδασκάλῳ (παῖς γὰρ ὢν κομιδῇ καὶ νέος ἀστραγαλίζων ἔλεγεν πρὸς τοὺς ἄλλους ἐπομνύμενος ὅτι ‘ἀδικοῦμαι’, ὡς ἀκριβῶς εἰδὼς τὸ δίκαιον) · οὔτε δὲ ζητήσας φαίνεται. ὥστε ἐκ τούτων ἀγνοεῖ, τί τέλος τοῦ πολιτικοῦ, ὅτι τὸ δίκαιον, ὅτι τὸ συμφέρον, ἔτι καὶ τὸ καλόν. τοῦτο μὲν τὸ ἐλεγκτικόν. Τὸ δὲ προτρεπτικόν ἐστιν ἐν ᾧ προτρέπει αὐτὸν σοφίᾳ τοὺς ἀντιπάλους νικῆσαι· πάτριον γὰρ Ἀθηναίοις σοφίᾳ νικᾶν. ἐχθροὶ δὲ τῶν Ἀθηναίων Λακεδαιμόνιοι καὶ Πέρσαι, ὡς δηλοῦσι τὰ Πελοποννησιακὰ καὶ τὰ Περσικά. Τὸ δὲ μαιευτικόν ἐστιν ἐν ᾧ ὁ Σωκράτης διὰ τῶν προσφυῶν ἐρωτήσεων ποιεῖ τὸν Ἀλκιβιάδην ἀποφήνασθαι ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος, ὥστε αὐτὸν ἑαυτοῦ διδάσκαλον εἶναι· δόγμα γάρ ἐστιν ἐνταῦθα, ὅτι ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων. τοιοῦτος γὰρ ὁ Σωκράτης, τὰς ψυχὰς μαιευόμε-

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Über die Stellung136 [des Dialogs] muss man sagen, dass dieser vor allen platonischen [Dialogen] als erster gesetzt werden muss. Denn wie er im Phaidros sagt,137 ist es lächerlich für jemanden, der auf die Erkenntnis anderer Dinge drängt, sich selbst nicht zu kennen. Zweitens, weil man die sokratische 11 [Philosophie] auf sokratische Weise erlernen muss; und man sagt, dass Sokrates ausgehend von [dem Spruch] „E r k e n n e d i c h s e l b s t “ zur Philosophie gelangt ist. Ferner soll man sich diesen Dialog wie die Eingangstüre [eines Tempels] vorstellen: genau wie diese zu den inneren Kultstätten führen, so soll 5 man den Alkibiades mit den Eingangstüren vergleichen, dagegen den Parmenides mit dem Innern der Kultstätten.138 Über die Gliederung in Kapitel oder Teile muss man ferner wissen, dass dieser Dialog in drei geteilt wird: Die Widerlegung, die Ermunterung und die philosophische Geburtshilfe.139 In der Widerlegung140 zeigt er, dass er [sc. Alkibiades] zweifach ungebildet ist, weil er nichts über die politischen Angelegenheiten weiß, und weil er glaubt, das zu wissen. Er hat diese Erkenntnis nun 10 nicht, da er weder von einem Lehrer gelernt hat, noch hat er es von sich aus untersucht. Die Erkenntnis entsteht nämlich auf zweierlei Weise: entweder durch die Lehre, die von den Lehrern [ausgeht], oder durch die Untersuchung von uns selbst.141 Doch es ist besser zu erkennen, indem man sich selbst untersucht, als von anderen zu lernen, genauso wie das Selbstbewegende dem von außen Bewegten überlegen ist, wie Aristoteles in der Kunst der Rhetorik sagt,142 und das von sich aus Gewachsene dem von anderen Belehrten [über- 15 legen ist]. Somit zeigt er, dass Alkibiades, wie gesagt, die politischen Angelegenheiten nicht mal auf eine von diesen Weisen kennt. Denn das hat er nicht von den Lehrern gelernt. Stattdessen hat er nur Lesen und Schreiben, Musik und Ringkampf gelernt; ferner gab es keinen Zeitpunkt, wo er zu einem Lehrer ging, weil er dachte, dass er etwas nicht weiß (auch als er noch ein kleines Kind war und [später] als ein Junge, sagte er beim Würfelspiel den anderen schwörend: 20 „mir wurde Unrecht getan“, als hätte er genau gewusst, was gerecht ist.). Auch scheint er selber es nicht untersucht zu haben. Also wusste er aus diesen Gründen nicht, was das Ziel des politischen Menschen ist, nämlich das Gerechte, das Nützliche und dazu noch das Gute. Das ist also die Widerlegung. Die Ermunterung143 ist der Teil, in dem er ihn [sc. Alkibiades] ermuntert, seine 12 Gegner durch Weisheit zu besiegen. Denn es ist unter den Athenern ein Brauch der Vorfahren, durch Weisheit zu siegen.144 Die Feinde der Athener waren die Lakedaimonier und die Perser, wie die Peloponnesischen und Persischen Kriege zeigen. Die Geburtshilfe145 ist [der Teil], in dem Sokrates Alkibiades durch seiner 5 Natur passenden Fragen dazu bringt, zu erklären, dass der Mensch Seele ist, sodass er sein eigener Lehrer wird. Folglich ist hier der Grundsatz [zu finden],

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C. Text und Übersetzung

νος ἀποτίκτειν τοὺς λόγους· διὸ καὶ Φαιναρέτης λέγουσιν αὐτὸν υἱόν, μαίας οὔσης, καθάπερ ὁ Ἑρμῆς. ὥσπερ γὰρ ὁ ἰατρὸς τὰς λήμας ἀφαιρεῖ ἀπὸ τῶν ὀφθαλμῶν μόνον καὶ τὰ ἐμπόδια τῆς ὀπτικῆς ἐνεργείας, καὶ ὥσπερ αἱ μαῖαι φωσφοροῦσι μὲν τὰ ἔμβρυα, οὐκ ἐντιθέασι δὲ αὗται ταῦτα ταῖς τικτούσαις, οὕτω καὶ ὁ Σωκράτης τὰς ψυχὰς ἐμαιεύετο, οὐχ ὥσπερ ἐν ἀψύχοις ἀγγείοις ἐντιθεὶς τοῖς νέοις τὰ θεωρήματα. φησὶ δὲ καὶ αὐτὸς ἐν Θεαιτήτῳ ὅτι ‘ ὁ Θ ε ὸ ς μ α ι ε ύ ε σ θ α ι μ ὲ ν ἐ μ ὲ ἐπο ίησεν, ἀ πογεννᾶν δὲ κωλύει’. Ἐπὶ τέλει δὲ τοῦ διαλόγου λοιπὸν μεταμείβει τὸ σχῆμα τῆς τύχης, καὶ ποιεῖ ἑαυτὸν μὲν ἐρώμενον, πρότερον ἐρῶντα, τὸν δὲ Ἀλκιβιάδην ἐραστήν, πρότερον ἐρώμενον ὄντα. τοῦτο γὰρ τέλος τῆς ἐρωτικῆς, ὁ ἀντέρως. ἐρωτικὸς δὲ ὁ Σωκράτης, ὡς καὶ ἐν Φαίδρῳ πρὸς τὸν Ἔρωτά φησιν· ‘ τ ὴ ν δ ὲ ἐ ρ ω τ ι | κ ή ν , ἥ ν μ ο ι π α ρ έ σ χ ε ς , δ έ σ π ο τ α , μ ή με ἀφέλῃς μηδὲ πηρώσῃς δι’ ὀργήν τινα ἢ ἄλλην α ἰ τ ί α ν . ’ λέγεται δὲ καὶ ὁ Ἀλέξανδρος ἰδὼν στράτευμά τι καταπεπτωκὸς εἰπεῖν ‘κάκιστα ἀπόλοιτο ὁ τοιοῦτον πλῆθος οὕτω διαθείς’. ἐπὶ τέλει δὲ τοῖς πελαργοῖς ἀπεικάσας τὸν ἑαυτοῦ ἔρωτα κατέπαυσε τὸν λόγον· ἐπειδὴ καὶ οἱ πελαργοὶ πρότερον ὑπὸ τῶν γονέων τρεφόμενοι τελευταῖον αὐτοὺς γηροτροφοῦσιν, εἰς τὸ ἐναντίον κατὰ τοῦτο μεθιστάμενοι. ἐν τούτοις ἡ πρᾶξις.

Πρᾶξις σὺν θεῷ γʹ 10

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103A-B Ὦ παῖ Κλεινίου, οἶμαί σε θαυμάζειν ὅτι πρῶτος ἐραστής σου γενόμενος τῶν ἄλλων πεπαυμένων μόνος οὐκ ἀπαλλάττομαι. Ἐπειδὴ ἐρωτικὸς ὁ διάλογος, διὰ τοῦ προοιμίου τρεῖς διαφορὰς ἡμῖν παραδίδωσιν ἐνθέου ἐραστοῦ πρὸς τὸν φορτικὸν ἐραστήν. πρῶτον μὲν ὅτι ὁ μὲν φορτικὸς ἐραστὴς θαυμάζει τὰ παιδικά, ὁ δὲ ἔνθεος ἐραστὴς θαυμάζεται ὑπ’ αὐτῶν· καὶ τοῦτο δηλοῖ διὰ τοῦ εἰπεῖν, ‘ ὦ π α ῖ Κ λ ε ι ν ί ο υ , ο ἶ μ α ί σ ε θ α υ μ ά ζ ε ι ν ,’ τουτέστιν ‘ἐμέ’. δεύτερον δὲ ὅτι ὁ 12, 15 Olymp. ὁ Θεὸς μαιεύεσθαι μὲν ἐμὲ / μαιεύεσθαί με ὁ θεὸς Plat. Tht. 150c7. 16 Olymp. ἐποίησεν / ἀναγκάζει Plat. Tht. 150c7–8. 16 Olymp. ἀπογεννᾶν / γεννᾶν Plat. Tht. 150c7–8. 16 Olymp. κωλύει / ἀπεκώλυσεν Plat. Tht. 150c7–8.

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dass der Antwortgeber derjenige ist, der eine Behauptung macht.146 Denn Sokrates ist so einer, der den Seelen bei der Geburt derArgumente147 Hilfe leistet. Deswegen sagt man, er sei der Sohn von Phainerete, die Hebamme (maia) war, 10 wie Hermes [der Sohn von Maia ist].148 Wie etwa ein Arzt nur den Schleim aus den Augen entfernt und dadurch die Hindernisse vor dem Sehvermögen [beseitigt] oder [wie] die Hebammen die Neugeborenen ans Licht bringen, sie aber nicht selber in den Gebärenden reintun; so hilft Sokrates den Seelen mit der Geburt und stellt nicht die Theoremen in [den Köpfen] der Jünglinge, als wären sie Gefäße ohne Seele.149 In der Tat, er selber sagt im Theaitetos: „Z u 15 entbinden bringt mich der Gott, zu gebären aber hat er m i r v e r b o t e n .“150 Dann, gegen Ende des restlichen Dialogs, tauscht er die Darstellung ihrer Rollen aus und macht sich selbst, der bisher der Verliebte war, zu dem Geliebten; Alkibiades dagegen zu dem Verliebten, obwohl er vorher der Geliebte war. Das ist ja das Ziel der Liebeskunst, die Gegenliebe.151 Sokrates beherrscht die 20 Liebeskunst, wie er auch im Phaidros zu Eros sagt: „D i e K u n s t d e r 13 L i e b e , d i e d u m i r v e r l i e h e n h a s t , m e i n H e r r, n i m m m i r nicht wieder weg und schwäche sie nicht ab im Zorn oder a u s e i n e m a n d e r e n G r u n d . “152 Man sagt, dass auch Alexander, als er ein durchaus geschlagenes Heer sah, so sprach: „Möge derjenige, der so viele [Menschen] in diese Lage gebracht hat, das schlimmste Ende finden“.153 Am Ende, dann, vergleicht er seine Liebe zu den Störchen bevor er den Dialog 5 abschließt: Auch die Störche werden zuerst von ihren Eltern gefüttert, schließlich füttern sie die [Eltern] im Alter und so wechseln sie nach diesem Muster in die gegensätzliche [Rolle]. Damit endet der Unterricht.

Unterricht 3 mit Gottes Hilfe 103A–B Sohn des Kleinias, ich glaube, du wunderst dich, dass ich, als dein erster Liebhaber mich jetzt, nachdem alle Schluss gemacht haben, als einziger nicht von dir abwende.154 Da der Dialog auf den Eros zielt, gibt er uns in der Einleitung drei Unterschiede zwischen dem göttlich inspirierten Liebhaber und dem gemeinen Liebhaber.155 Erstens, der gemeine Liebhaber bewundert seinen Liebling, wobei der göttlich inspirierte Liebhaber von ihm bewundert wird. Das wird aus seiner Aussage deutlich: „S o h n d e s K l e i n i a s , i c h g l a u b e , d u w u n d e r s t d i c h “, das heißt „über mich“. Zweitens, die Liebe des gemeinen Liebhabers hängt mit der Jugendblüte zusammen und bald darauf verlässt er seinen Liebling, dagegen der göttlich inspirierte Liebhaber begleitet seinen Liebling

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C. Text und Übersetzung

μὲν φορτικὸς ἐραστὴς ὥσπερ ὀπώρᾳ τῇ ἡλικίᾳ παραμετρῶν τὸν ἔρωτα ταχέως τῶν παιδικῶν ἀπαλλάττεται, ὁ δὲ ἔνθεος ἐραστὴς ἐκ σπαργάνων μέχρι ταφῆς συμπαρομαρτεῖ τοῖς παιδικοῖς, εἰ τὰ φυσιογνωμονικὰ σημεῖα τὸ τεχθὲν ἀξιέραστον ὑπαγορεύσειαν· δηλοῖ δὲ ταύτην διὰ τοῦ ‘πρῶτος ἐραστής σου γενόμενος τῶν ἄλλων πεπαυμ έ ν ω ν μ ό ν ο ς ο ὐ κ ἀ π α λ λ ά τ τ ο μ α ι ’ , σημαίνων ὅτι καὶ πρὸ αὐτῶν καὶ μετ’ αὐτῶν καὶ μετ’ αὐτοὺς ἀκολουθεῖ τοῖς παιδικοῖς. Τρίτη δέ ἐστι διαφορὰ ὅτι ὁ μὲν ἔνθεος ἐραστὴς θεοειδῶς καὶ ἀπαρουσιάστως σύνεστι τοῖς παιδικοῖς· καθάπερ γὰρ τὸ θεῖον τῇ | μὲν ἐλλάμψει πανταχοῦ ἐστί, τῇ δὲ οὐσίᾳ οὐδαμοῦ, καθὸ οὐ περικλείεται ἐν τόπῳ, οὕτω καὶ ὁ ἔνθεος ἐραστὴς πάρεστι τὸν αὐτὸν τρόπον μιμούμενος· ὁ δὲ φορτικὸς ἐραστὴς πάρεστι τοῖς παιδικοῖς κατὰ τὴν αἴσθησιν βουλόμενος ἐνεργεῖν τοῦ σώματος, καὶ ταύτην κατὰ τὴν ἐσχάτην, τουτέστι τὴν ἁφήν. καὶ τοῦτο δεδήλωκεν ἐκ τοῦ λέγειν ‘ ὅ τ ι ο ἱ μ ὲ ν ἄ λ λ ο ι δ ι ’ ὄ χ λ ο υ σοι ἐγένοντο, ἐγὼ δὲ τοσούτων ἐτῶν οὐδὲ προσεῖπ ο ν ’ , δηλῶν ὅτι διὰ μὲν τοῦ σιωπᾶν ἄπεστιν, διὰ δὲ τοῦ συνακολουθεῖν καὶ ἐρᾶν πάρεστιν. καὶ αὗται μὲν αἱ διαφοραὶ ἐνταῦθα· φησὶ δὲ καὶ τετάρτην διαφορὰν ἐν τῷ Φαίδρῳ τοιαύτην, ὅτι ὁ μὲν φορτικὸς ἐραστὴς ἐπὶ λύμῃ τῶν παιδικῶν αὐτοῖς πάρεστιν καὶ κατὰ σῶμα καὶ κατὰ ψυχὴν καὶ κατὰ τὰ ἐκτός. κατὰ μὲν σῶμα, ὅτι θηλυπρεπῆ καὶ ἄνανδρον βούλεται ποιεῖν αὐτόν· κατὰ δὲ ψυχήν, ὅτι ἀνόητον αὐτὸν θέλει εἶναι πρὸς τὸ ἔχειν αὐτὸν πειθήνιον πρὸς ὃ βούλεται· κατὰ δὲ τὰ ἐκτός, ὅτι καὶ πένητα, ἵνα δεόμενος αὐτοῦ ἕτοιμος ᾗ πρὸς τὰς ἡδονάς· ἔτι δὲ καὶ ἀπάτορα καὶ ἀμήτορα καὶ ἄφιλον βούλεται αὐτὸν εἶναι, ἵνα μὴ ἔχῃ τοὺς ἀπείργοντας αὐτὸν τῆς πρὸς αὐτὸν συνουσίας. ὁ δὲ ἔνθεος ἐραστὴς οὐχ οὕτως, οὐδὲ ἐπὶ τοιούτοις ἀλλ’ ἐπ’ ἀγαθῷ πάρεστιν τοῖς παιδικοῖς, ἐπιστρέφων αὐτὰ πρὸς τὰ καλά. Ἐπεὶ τοίνυν ἔγνωμεν τὰς διαφορὰς τοῦ ἐνθέου ἐραστοῦ πρὸς τὸν φορτικὸν ἐραστήν, ζητητέον διὰ τί, εἰ τοσαύτην ἔχουσι πρὸς ἀλλήλους διαφορὰν καὶ ἐναντιότητα, ἑνὶ ὀνόματι ἄμφω προσαγορεύονται καὶ οὐ καθάπερ τὰ ἐναντία, οἷον σωφροσύνη καὶ ἀκολασία. φαμὲν οὖν ὅτι δι’ ὑπερβολὴν δυνάμεως ὁ ἔρως καὶ τὰ ἐναντία χρῶσαι ἐδυνήθη ἑαυτῷ. πᾶς γὰρ ἔρως σύντονός ἐστι μανία, καθὸ ἄμφω ἐν καλῷ βούλονται γεννᾶν, ὁ μὲν ἔνθεος ἐν ψυχῇ μαθήματα, ὁ δὲ φορτικὸς ἐν σώματι ζῷα.

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von den Windeln bis zum Grab, wenn die physiognomischen Zeichen156 des 20 Geborenen ihn als liebeswürdig bezeichnen. Er [sc. Sokrates] verdeutlicht das also mit [seiner Aussage]: „d a s s i c h , a l s d e i n e r s t e r L i e b h a b e r mich jetzt, nachdem alle Schluss gemacht haben, als e i n z i g e r n i c h t v o n d i r a b w e n d e “ und weist darauf hin, dass er sich sowohl vor ihnen als auch mit ihnen und auch nach ihnen sich zu seinem Liebling hält. Der dritte Unterschied ist, dass der göttlich inspirierte Liebhaber bei seinem Liebling auf eine göttliche Weise und ohne Körperlichkeit anwesend ist. Denn wie die Erleuchtung des Göttlichen überall ist, das Wesen dessen 14 dagegen nirgendwo, da sie nicht auf einen Ort beschränkt ist, so ist der göttlich inspirierte Liebhaber, nachahmend dieselbe Art und Weise [wie das Göttliche], anwesend. Der gemeine Liebhaber dagegen ist bei seinem Liebling gemäß der sinnlichen Wahrnehmung und mit dem Wunsch, im Bereich des Körpers aktiv zu werden – und zwar durch die niedrigste [der Wahrnehmungen], das heißt 5 durch das Berühren. Das auch verdeutlichte er [sc. Sokrates] mit der Aussage: „u n d d a s s d i e a n d e r e n d i r m i t i h r e n G e s p r ä c h e n z u r L a s t fielen, ich dich dagegen während so vieler Jahre nicht e i n m a l ü b e r h a u p t n u r a n g e s p r o c h e n h a b e “ 157, die deutlich macht, dass er, indem er schweigt, abwesend ist, indem er aber ihn [sc. Alkibiades] begleitet und ihn liebt, anwesend ist. Das sind also die Unterschiede hier [in diesem Dialog]: Er sagt im Phaidros,158 dass es einen vierten Unterschied 10 derart gibt, nämlich, dass die Anwesenheit des gemeinen Liebhabers für seinen Liebling Leid bringt, sowohl für seinen Körper als auch für seine Seele wie auch für seine äußeren [Güter]. Für den Körper, weil er ihn ‚weiblich‘ und unmännlich machen möchte.159 Für die Seele, weil er wünscht, dass er unverständig wird, um ihn davon, was er will, überzeugen zu können. Für seine äußeren [Güter], weil er wünscht, dass er auch so arm wird, damit er bedürftig von ihm ist und 15 bereit für seine Vergnügungen wird. In der Tat will er sogar, dass [sein Geliebter] ohne Vater und Mutter und ohne Freunde bleibt, sodass er niemanden hat, der ihn vom Zusammensein [des Liebhabers] abhalten könnte. Der göttlich inspirierte Liebhaber ist nicht so: nicht aus diesen Gründen, sondern aufgrund des Guten ist er bei seinem Liebling und führt ihn auf das Schöne160 zurück. Da wir jetzt die Unterschiede zwischen dem göttlich inspirierten Liebhaber 20 und dem gemeinen Liebhaber kennen, sollen wir untersuchen, warum sie, trotz eines so großen Unterschieds und Gegensatzes zueinander, beide mit demselben Namen genannt werden und nicht wie [sonst] bei Gegensätzen, beispielsweise Mäßigung und Nachsicht.161 Wir sagen nun dazu, dass die Liebe auch gegensätzliche Dinge durch die Überlegenheit ihres Vermögens162 für ihre Zwecke gestalten könnte. Denn alle Arten der beharrlichen Liebe ist ein Wahnsinn,163 25 insofern die beiden im Schönen zeugen164 möchten: Der göttlich inspirierte

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C. Text und Übersetzung

Τοῦ δὲ θεοειδῶς παρεῖναι καὶ μὴ προσειπεῖν μέχρι τοῦ παρόντος < τ ὸ α ἴ τ ι ο ν > ο ὐ κ ἀ ν θ ρ ώ π ε ι ό ν φησιν εἶναι, ἀ λ λ ά τ ι | δ α ι μ ό ν ι ο ν ἐ ν α ν τ ί ω μ α , καὶ τοῦτο εἰκότως. εἰ γὰρ τὸ αἰτιατὸν οὐκ ἀνθρώπειον, τουτέστι τὸ θεοειδῶς παρεῖναι, πόσῳ μᾶλλον τὸ αἴτιον τοῦ παρεῖναι οὐ θεῖόν ἐστιν; Ἐπειδὴ δὲ δαιμονίου ἐμνήσθη, ἀνάγκη γέγονε τοῖς ἐξηγηταῖς τὸν περὶ δαιμόνων λόγον περιεργάσασθαι. ἰστέον οὖν ὅτι τρεῖς εἰσὶ διαφοραὶ δαιμόνων· τῶν γὰρ δαιμόνων οἱ μὲν κατ’ ἀναλογίαν, οἱ δὲ κατ’ οὐσίαν, οἱ δὲ κατὰ σχέσιν. καὶ γνώμονες οἱ κατ’ οὐσίαν τῶν τε κατ’ ἀναλογίαν καὶ τῶν κατὰ σχέσιν ὑπάρχουσιν· οἱ μὲν γὰρ κρείττους τῶν κατ’ οὐσίαν λέγονται κατ’ ἀναλογίαν, οἱ δὲ χείρους κατὰ σχέσιν. κατ’ἀναλογίαν δὲ λέγονται ἐπειδὴ πρῶτοι ὄντες ἔχουσι τοὺς λόγους τῶν κατ’ οὐσίαν, τουτέστι κατ’ αἰτίαν αὐτοῖς ὑπάρχουσι δαίμονες, δεῖ γὰρ πρῶτον εἶναι τοῦ καθ’ ὕπαρξιν τὸ κατ’ αἰτίαν. ὅτι δὲ καὶ οὗτοι δαίμονες λέγονται δηλοῖ καὶ Ἰσοκράτης ὁ ῥήτωρ λέγων ‘ τ ί μ α τ ὸ δ α ι μ ό ν ι ο ν , ἀ ε ὶ μ έ ν , μ ά λ ι σ τ α δ ὲ μ ε τ ὰ τ ῆ ς π ό λ ε ω ς ’ · καὶ Ὅμηρος ‘ μ ε τ ὰ δ α ί μ ο ν α ς ἄ λ λ ο υ ς ’ · καὶ Ὀρφεὺς τὸν Δία ποιεῖ πρὸς τὸν οἰκεῖον πατέρα λέγοντα· ‘ὄρθου δ’ ἡμετέρην γενεήν, ἀριδείκετε δαίμων’

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ἐπὶ γὰρ τοῦ θείου ἐν τούτοις τὸ τοῦ δαίμονος ὄνομα τέτακται. κατὰ σχέσιν δὲ λέγονται δαίμονες αἱ ψυχαὶ τῶν εὖ βε|βιωκότων, οἷαί εἰσιν αἱ τοῦ χρυσοῦ γένους, αἵτινες σχετικῶς ἔχουσαι πρὸς τοὺς δαίμονας καὶ αὗται δαίμονες προσαγορεύονται, ὥς φησι καὶ Ἡσίοδος περὶ αὐτῶν· ‘οἱ μὲν δαίμονες ἁγνοὶ ἐπιχθόνιοι καλέονται, ἐσθλοί, ἀλεξίκακοι, φύλακες θνητῶν ἀνθρώπων.’

τριττὸν οὖν τὸ τοῦ δαίμονος ὄνομα, ὡς εἴρηται. Ζητητέον δὲ διὰ ποίαν αἰτίαν εἰς ἔννοιαν ἦλθον τοῦ δαίμονας εἰπεῖν εἶναι. φαμὲν οὖν ὅτι ὥσπερ ἡ ἡμετέρα ψυχὴ πηγάζουσα τῇ ζωῇ καὶ

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Liebhaber [erzeugt] die Erkenntnis der Seele, der gemeine Liebhaber dagegen die Lebewesen im Körper. Für [seine] gottgestaltige Anwesenheit und dafür, dass er [mit ihm] bisher nicht gesprochen hat, sagt er, dass d e r G r u n d n i c h t m e n s c h l i c h , s o n d e r n e i n d a i m o n i s c h e s H i n d e r n i s w a r , 165 und das ist auch 15 wahrscheinlich. Denn, wenn das Verursachte, nämlich die göttliche Anwesenheit, nichts Menschliches ist, wie kann es sein, dass die Ursache dieser Anwesenheit nicht noch göttlicher ist?166 Da [hier] [etwas] Daimonisches erwähnt wurde, war es für die Exegeten 5 notwendig, der Erklärung über die Daimones große Aufmerksamkeit zu widmen.167 Man muss also wissen, dass es drei Unterteilungen von Daimones gibt: Einige von den Daimones sind in Analogie, einige im Wesen und andere in Relation [Daimones].168 Und die [Daimones] im Wesen existieren als Maßstab für diejenigen in Analogie und diejenigen in Relation.169 Denn diejenigen, die den [Daimones] im Wesen überlegen sind, werden [Daimones] in Analogie 10 genannt; während andere, die unterlegen sind, in Relation [Daimones genannt werden]. Diejenigen in Analogie werden so genannt, denn als erste170 besitzen sie die Prinzipien171 der [Daimones] im Wesen; das heißt, diese existieren als Daimones in Ursache: Denn das, was der Ursache entspricht muss sich vor dem, was der Existenz entspricht,172 befinden. Auch Isokrates der Redner deutet darauf, dass diese Daimones genannt werden, indem er sagt: „E r w e i s e d e m D a i m o n i s c h e n i m m e r E h r e , d o c h t u e d i e s v o r w i e g e n d i m 15 K u l t d e r P o l i s “.173 Dazu sagt Homer „z u d e n a n d e r e n D a i m o n e s “.174 Und Orpheus lässt Zeus zu seinem eigenen Vater sagen: „F ü h r e u n s e r G e s c h l e c h t a u f d e n r e c h t e n W e g , g l o r r e i c h e r D a i m o n ! “175

Denn in diesen [Fällen] wurde dem Göttlichen der Name des Daimons zugeordnet. In Relation aber werden die Daimones genannt, die Seelen derjenigen sind, die ein gutes Leben geführt haben; wie die [Seelen] des 16 goldenen Geschlechts, die abhängig von Daimones sind und selber als Daimones angesprochen werden. So sagt auch Hesiod über sie: „w u r d e n s i e a l l e z u D a i m o n e s n a c h Z e u s , d e s e r h a b e n e n , Willen, freundlichen, die hier auf Erden die sterblichen Menschen 5 b e h ü t e n . “176

Drei Bedeutungen hat also der Begriff Daimon, wie bereits gesagt. Es muss also untersucht werden, aus welchem Grund sie [sc. die Exegeten] auf den Gedanken gekommen sind, zu sagen, dass Daimones existieren. Wir sagen nun dazu, wie unsere Seele mit Leben strömt, damit heraussprudelt und

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C. Text und Übersetzung

βλύζουσα ταύτῃ καὶ οὐ δυναμένη χωρὶς εἶναι τοῦ ζωοποιεῖν (κατὰ μὲν γὰρ τὰς γνωστικὰς ἔστιν ὅτε οὐκ ἐνεργεῖ, οἶον ὅτε ληθάργῳ κατέχεται, κατὰ δὲ τὸ ζωτικὸν οὐδαμῶς), ἐπειδὴ τὸ ὀστρέϊνον σῶμα οὐκ ἀεὶ ἦν αὐτῆς ἐξημμένον, ἐπενοήθη αὐτῇ τὸ ᾠοειδὲς ἤτοι αὐγοειδὲς ὄχημα (ἀμφοτέρως γὰρ λέγεται· ‘ᾠοειδὲς’ μὲν διὰ τὸ σχῆμα, οὐ γάρ ἐστι πάντῃ σφαιρικὸν ὡς τὰ οὐράνια ἀλλ’ ἧττον σφαιρικόν, διὸ καὶ διαστροφήν ποτέ φασιν | αὐτὸ πάσχειν, οὐ μὴν φθείρεσθαι· τῆς γὰρ αὐτῆς οὐσίας ἐστὶν τῶν οὐρανίων, τουτέστι τοῦ πέμπτου σώματος, διὰ τοῦτο καὶ ἀΐδιον· ‘αὐγοειδὲς’ δὲ λέγεται ἀπὸ τῆς οὐσίας ὡς διαφανὲς καὶ αἰθέριον)· καθάπερ οὖν τῇ ψυχῇ τὸ αὐγοειδὲς τοῦτο ἀποδεδώκασιν ὄχημα, ἵνα αὐτὸ ἀεὶ ζωοποιῇ ἐξημμένον αὐτῆς διὰ παντός, οὕτω καὶ ἐπὶ τῶν οὐρανίων, μὴ δυναμένων παύσασθαι τοῦ ἐνεργεῖν, ἐξῆψαν αὐτῶν τὸ δαιμόνιον γένος τοῦτο τὸ κατ’ οὐσίαν· αἱ γὰρ ἡμέτεραι ψυχαὶ οὐκ ἀεὶ ἦσαν αὐτῶν ἐξημμέναι διὰ τὸ πτερορρυεῖν καὶ κατιέναι εἰς γένεσιν. τοῦτο οὖν διερμηνευτικόν ἐστι τοῖς τῇδε τῶν ἀπὸ τῶν θεῶν ὡς μέσον ὄν. Ἀλλ’ ἐπειδὴ πάντα τὰ προσόντα τοῖς οὐρανίοις διερμηνεύει, ἓξ τινῶν ὄντων ἐν τοῖς οὐρανίοις, εἰς ἓξ καὶ αὐτὸ διῄρηται, λέγω δὴ τὸ τῶν δαιμόνων γένος τὸ κατ’ οὐσίαν. ἔστιν γὰρ ἐν τοῖς οὐρανίοις θεότης, νοῦς, ψυχὴ λογική, ψυχὴ ἄλογος, εἶδος, ὕλη· τοσαῦται οὖν καὶ τῶν δαιμόνων διαφοραί. οἱ μὲν γὰρ πρὸς τὸ θεῖον τῶν οὐρανί|ων συνδέοντες ἡμᾶς λέγονται θεῖοι, οἵτινες τοῖς ἐνθουσιασμοῖς ἐφεστήκασιν. οἱ δὲ τῷ νῷ συνάπτοντες ἡμᾶς νοεροί, οἵτινες ἐπὶ τῶν κοινῶν ἐννοιῶν εἰσί, δι’ ὧν ὑπὲρ ἀπόδειξιν ἐν ταῖς κοιναῖς ἐννοίαις τινὰ γινώσκομεν καὶ ἀναποδείκτως. οἱ δὲ τῇ λογικῇ ψυχῇ ψυχικοὶ λέγονται, περὶ ὧν φησὶν ὁ ποιητὴς ‘ἄλλα δὲ καὶ δαίμων ὑποθήσεται’

καὶ ‘φᾶρος μέν μοι πρῶτα ἐνέπνευσεν μέγα δαίμων’.

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nicht existieren kann, ohne Leben zu erzeugen177 (denn es gibt Zeiten, wo [die Seele] nicht gemäß den Erkenntnisfähigkeiten aktiv ist, zum Beispiel, wenn sie 10 von Müdigkeit überwältigt wird. Dagegen ist [die Seele] niemals [inaktiv] gemäß der Lebensfähigkeit), da der schalenartige Körper178 nicht dauerhaft an der [Seele] befestigt ist, haben sie [sc. die Götter] für die [Seele] den eiförmigen und lichtförmigen Wagen179 erdacht. (Auf diese beiden Arten wird [dieser Wagen] genannt: „eiförmig“ wegen seiner Gestalt, denn es ist nicht völlig kugelförmig wie die Himmelswesen, sondern weniger kugelförmig. Deswegen sagt man, dass es manchmal unter Zerstörung leidet, aber nie zerstört wird. 17 Denn es ist aus der gleichen Substanz wie die Himmelswesen, das heißt aus dem fünften Körper180 und daher auch unvergänglich. „Lichtförmig“ wird es genannt wegen seiner Substanz, die glänzend und ätherisch ist.). Genau wie sie [sc. die Götter] diesen lichtförmigen Wagen der Seele zugeordnet haben, damit er, an 5 der [Seele] vollkommen befestigt, immer Leben erzeugen kann; so haben sie dieses Geschlecht der Daimones im Wesen an den Himmelswesen befestigt, da sie auch mit ihrer Aktivität nicht aufhören können. Denn unsere Seelen sind nicht immer an diesen [sc. Himmelswesen] befestigt, da sie ihr Gefieder verlieren und in [die Welt des] Werdens absteigen. Dieses [Geschlecht der Daimones] dann ist der Deuter der [Botschaften] von den Göttern diesseits, da sie in der Mitte [zwischen Menschen und Göttern] sind.181 Aber da [diese Daimones] alle Attribute der Himmelswesen deuten, und es 10 sechs von diesen [Attributen] bei den Himmelswesen gibt, wird es auch – ich meine, das Geschlecht der Daimones im Wesen – in sechs geteilt. Denn bei den Himmelswesen gibt es Gottheit, Geist,182 vernunftbegabte Seele, unvernünftige Seele, Form, Materie.183 So viele sind auch die unterschiedlichen [Arten] der Daimones.184 Denn die [Daimones], die uns mit der Gottheit der Himmelswesen 18 verbinden, werden als göttlich bezeichnet, sie sind die, die den [göttlichen] Inspirationen vorgesetzt worden sind. Die [Daimones], die uns mit dem Denkvermögen verbinden, werden als gedanklich [bezeichnet], diese sind die, die den Gemeinbegriffen vorgesetzt wurden; durch diese [Daimones] jenseits der Beweisführung wissen wir einige der Gemeinbegriffe, auch wenn [sie] unbeweisbar185 [sind]. Die [Daimones], die uns mit der vernunftbegabten Seele 5 [verbinden], werden als seelisch bezeichnet. Über diese sagt der Dichter: „a n d e r e s w i r d a u c h d e r D a i m o n r a t e n “186

und: „Z u e r s t b l i e s m i r d e r D a i m o n i n d e n S i n n , e i n g r o ß e s G e w e b e a u f z u s t e l l e n “187

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C. Text und Übersetzung

οἱ δὲ πρὸς τὴν τῶν οὐρανίων ἄλογον συνάπτοντες ἡμᾶς ἄλογοι. οἱ δὲ πρὸς τὸ τῶν οὐρανίων εἶδος εἰδικοὶ ἢ εἰδητικοί. ὅτι γὰρ συνῆπται τοῖς τῶν οὐρανίων εἴδεσιν τὰ ἡμέτερα εἴδη, δῆλον ἐκ τοῦ συναύξεσθαι αὐτὰ καὶ συμμειοῦσθαι τοῖς οὐρανίοις, καὶ γὰρ καὶ οἱ χυμοὶ πρὸς τὴν σελήνην καὶ αὔξονται καὶ μειοῦνται καὶ αἱ τρίχες, διὸ τοὺς ἱερατικῶς ζῶντάς ἐστιν ἰδεῖν μὴ ἀποκειρομένους αὐξούσης τῆς σελήνης· δηλοῖ δὲ καὶ τὸ σεληνιακὸν πάθος, ἔτι δὲ καὶ τὰ ἡλιοτρόπια φυτὰ καὶ οἱ σεληνῖται λίθοι συναύξοντες καὶ συμμειού|μενοι πρὸς τὴν σελήνην· ὁμοίως δὲ καὶ τὰ ὄστρεα, καὶ σχεδὸν ἅπαντα, διὸ καλῶς εἴρηται· ‘αὔξεις αὐξομένη, μινύθουσα δὲ πάντα χαλέπτεις’

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εἰς σελήνην. ἀλλὰ μὴν καὶ ὑλῷοι λέγονται, οἱ τήνδε τὴν ὕλην ἐξάπτοντες τῆς τῶν οὐρανίων καὶ διὰ τούτου φρουροῦντες αὐτὴν καὶ μὴ συγχωροῦντες ῥευστὴν οὖσαν πάντῃ φθείρεσθαι. φησὶ γὰρ καὶ ὁ Ὀρφεύς· ‘ὕλης οὐρανίης καὶ ἀστερίης καὶ ἀβύσσου’,

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ὡς τῆς ὕλης τριττῆς οὔσης, καὶ τῆς μὲν οὐρανίας, ἥτις ταῖς ἑπτὰ σφαίραις ὑπόκειται, τῆς δὲ ἀστρῴας, ἥτις τοῖς ἄστροις, τῆς δὲ χθονίας, ἣν ἄβυσσον ἐκάλεσεν διὰ τὸ ἐσχάτην εἶναι καὶ ῥευστήν. Ἐπειδὴ δὲ πρῶτον εἶδος ἐν τοῖς οὐρανίοις ἔφαμεν εἶναι τὸ θεῖον, ἰστέον ὅτι τῶν θεῶν οἱ μὲν ὑπερκόσμιοι, ὧν αἱ ἡμέτεραι ψυχαί εἰσιν ἐξημμέναι καὶ οὐδέ τι σῶμα· οἱ δὲ ἐγκόσμιοι, ὧν τὰ σώματα μόνον ἐξῆπται. τῶν δὲ ἐγκοσμίων οἱ μέν εἰσιν οὐράνιοι, οἱ δὲ αἰθέριοι ἤτοι πύριοι, οἱ δὲ ἀέριοι, οἱ δὲ ἐνύδριοι, οἱ δὲ χθόνιοι, οἱ δὲ ὑποταρτάριοι, ὡς καὶ ὁ ποιητής· ‘τούς θ’ ὑποταρταρίους καλέουσιν.’

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τῶν δὲ | χθονίων οἱ μέν εἰσι κλιματάρχαι, οἱ δὲ πολιοῦχοι, οἱ δὲ κατοικίδιοι.

19, 17 Cf. Hom. Il. XIV,279: τοὺς ὑποταρταρίους οἳ Τιτῆνες καλέονται.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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Diejenigen nun, die uns mit der unvernünftigen Seele der Himmelswesen 10 verbinden, sind die vernunftlosen [Daimones]. Diejenigen aber, die [uns] mit der Gestalt der Himmelswesen [verbinden], sind die formalen oder formähnlichen [Daimones]. Dass unsere Formen an die Formen der Himmelswesen angehaftet sind, wird daraus deutlich, dass sie gemäß den Himmelswesen wachsen oder kleiner werden, und in der Tat werden die Körperflüssigkeiten abhängig vom Mond mal mehr, mal weniger und so auch die Haare, weshalb 15 man sieht, dass diejenigen, die ihr Leben nach heiligen Praktiken richten188, ihre Haare niemals beim zunehmenden Mond schneiden. Das verdeutlicht auch die Mondkrankheit189, ebenfalls die heliotropischen Pflanzen und die Mondsteine, die abhängig vom Mond kleiner und größer werden. So ist es auch bei den 19 Austern und bei allen anderen Sachen. Daher ist dieser Spruch passend an den Mond [gerichtet]: „Wa s w ä c h s t , w e n n d u z u n i m m s t , d a s v e r n i c h t e s t d u , w e n n d u a b n i m m s t “190

Gleichwohl werden einige [Daimones] als materiell bezeichnet, welche die Materie diesseits mit der [Materie] der himmlischen Wesen verbinden und deshalb diese [Materie] bewachen und nicht erlauben, dass sie wegen ihrer vergänglichen Beschaffenheit komplett zerstört wird. Denn auch Orpheus sagt:

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„D e r h i m m l i s c h e n M a t e r i e , d i e d e r S t e r n e u n d d e s t i e f e n A b g r u n d s “191,

Da die Materie in drei geteilt ist. Eine von denen ist die himmlische, die den sieben Sphären192 zugrunde liegt; eine andere [Materie] ist die gestirnte, die den Sternen zugrunde liegt und die [dritte ist] die irdische [Materie], die tiefer Abgrund genannt wird, weil es sich an der tiefsten [Ebene] befindet und vergänglich ist.193 Da wir aber gesagt haben, dass die erste Form unter den Himmelswesen das Göttliche194 ist, muss man wissen, dass von den Göttern einige jenseits des Kosmos195 sind, an denen unsere Seelen befestigt sind, aber kein Körper. Andere [Götter] sind im Kosmos, an die nur die Körper befestigt sind.196 Von den [Göttern], die sich im Kosmos befinden, sind einige in den himmlischen Gebieten, andere im Äther oder im Feuer, einige dagegen in der Luft, andere im Wasser oder in der Erde, oder einige [befinden sich] unten im Tartaros197, so wie auch der Dichter [sagt]:

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„S i e n e n n e n s i e d i e j e n i g e n [ G ö t t e r ] u n t e n i m T a r t a r o s . “198

Von den [Göttern] aber, die sich auf der Erde befinden, sind einige die Herrscher 20 der ländlichen Gebiete, während die anderen die Städte besitzen und andere sich in den Häusern befinden.

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C. Text und Übersetzung

Ζητητέον δὲ ποίους τῶν εἰρημένων ἓξ τῶν κατ’ οὐσίαν ε ἰ λ η χ ό τ α ς ἑκάστου φασίν. λέγουσι οὖν ὅτι οἱ μὲν κατ’ οὐσίαν ἑαυτῶν βιοῦντες καὶ ὡς πεφύκασι τὸν θεῖον δαίμονα ἔχουσιν εἰληχότα, διὸ καὶ εὐδοκιμοῦντάς ἐστιν αὐτοὺς ὁρᾶν ἐν οἷς ἐπιτηδεύουσι. κατ’ οὐσίαν δέ ἐστι ζῆν τὸ πρόσφορον αἱρεῖσθαι βίον τῇ σειρᾷ ὑφ’ ἣν ἀνάγεται· οἶον στρατιωτικὸν μέν, ἐὰν ὑπὸ τὴν Ἀρεϊκήν, λογικὸν δέ, ἐὰν ὑπὸ τὴν Ἑρμαϊκήν, ἰατρικὸν δὲ ἢ μαντευτικόν, ἐὰν ὑπὸ τὴν Ἀπολλωνιακήν, καὶ ἁπλῶς ὡς εἴρηται τὸ καθὼς πέφυκέ τι βιοῦν. εἰ δὲ μὴ τὸν κατ’ οὐσίαν τις βίον προβάληται ἀλλ’ ἕτερόν τινα παρὰ τοῦτον καὶ ἀλλοτριοπραγῇ τοῖς ἐπιτηδεύμασιν, τὸν νοερὸν αὐτῷ λέγουσιν ὑπάρχειν εἰληχότα, διὸ καὶ ὡς ἀλλοτριοπραγῶν ἐν ἐνίοις ἀποτυγχάνει. ἀλλὰ ταῦτα μὲν περὶ τοῦ ἑκάστου εἰληχότος δαίμονος. Περὶ δὲ τοῦ Σωκράτους εἰληχότος δαίμονος τρία τινά φασιν ὑπάρχειν ἐξαίρετα. πρῶτον μὲν ὅτι ἀεὶ αὐτὸν ἀπέτρεπεν, καὶ σύμβολον ἦν προτροπῆς τὸ ποτὲ μὴ ἀποτρέπειν. εὐεργετικὸς γὰρ ὢν ὁ Σωκράτης καὶ ἀεὶ σπουδάζων πάντας ὠφελεῖν δίκην ὀξέως ἵππου πρὸς δρόμον ἐπειγομένου χαλινοῦ καὶ οὐ μάστιγος ἐδέετο. δεύτερον ὅτι θεῖον εἶχε τὸν εἰληχότα δαίμονα, καὶ τοῦτο δηλοῖ· φησὶ γὰρ ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ ὅτι ‘ ὁ ἐ μ ὸ ς ἐ π ί τ ρ ο π ο ς κ ρ ε ί τ τ ω ν ἐ σ τ ὶ ν ἢ ὁ σ ό ς ’ , καὶ τοῦ νεανίου εἰπόντος ‘ τ ί ς ο ὗ τ ο ς ; ’ ἔφη ‘ θ ε ό ς , ὦ Ἀ λ κ ι β ι ά δ η , θ ε ό ς . ’ τρίτον ὅτι ὡς φωνῆς αὐτοῦ ἐδόκει ἀκούειν, οὐχ ὅτι ἐκεῖνος ἐλάλει, ἀλλ’ ἔλλαμψίς τις αὐτοῦ ἐγίνετο περὶ τὰ ἀκουστικὰ ὄργανα, καὶ φωνὴν ἐνόμιζεν εἶναι. οὕτω γὰρ καὶ νῦν ὁρῶμεν ἐν τῇ συνηθείᾳ τοὺς ἱερατικῶς ζῶντας εὐώδους ὀσφραινομένους ἄφνω καὶ λέγοντας ἀγγέλου παρουσίαν εἶναι, ἅτε ἐλλάμψεως καὶ αὐτοῖς γινομένης περὶ τὰ ὀσφραντικὰ ὄργανα. Ἀλλ’ ἐπειδὴ δαίμονας εἰληχότας εἰρήκαμεν, δεῖ γινώσκειν ὅτι καὶ παρὰ τῇ κοινῇ συνηθείᾳ συνέγνωσται ταῦτα, εἰ καὶ μὴ τοῖς αὐτοῖς ὀνόμασιν. ἀντὶ γὰρ τοῦ δαίμονος ἄγγελον ἑκάστου φασίν· ἀμέλει ἐστὶν αὐτῶν ἀκούειν ‘τὸν ἄγγελόν σου’, ἐπὶ τῶν μάλιστα θεοφιλῶς ζώντων. καὶ ὁ Πλάτων δὲ ἐμνημόνευσεν ἂν τοῦ τοιούτου ὀνόματος τοῦ ἀγγέλου, εἰ μὴ τὸ πλάτος τοῦτο τὸ ἀπὸ τῶν οὐρανίων μέχρι τῶν ὑποσελήνων

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

167

Jetzt muss es untersucht werden, über welche von diesen genannten sechs [Daimones] im Wesen man sagt, dass sie jedem einzelnen z u g e t e i l t werden.199 Man sagt nun, dass diejenigen, die entsprechend ihrem Wesen so leben, wie sie geschaffen wurden, den göttlichen Daimon zugeteilt bekom- 5 men,200 weshalb wir sehen, dass diese [Menschen] hochverehrt sind, welcher Beschäftigung sie auch immer nachgehen. Entsprechend dem Wesen zu leben bedeutet, das geeignete Leben für die Kette201, an die jemand verbunden ist, auszuwählen. Zum Beispiel, das militärische [Leben], wenn man an [den Ketten von] Ares gebunden ist; das Leben der Vernunft, wenn an [den Ketten von] Hermes oder ein Leben des Heilens und Wahrsagens, wenn an [den Ketten von] Apollon; und einfach gesagt, passend dazu zu leben, von welcher Natur jemand geschaffen wurde. Wenn jemand dagegen sich nicht das Leben entsprechend 10 seinem Wesen vornimmt, sondern stattdessen ein anderes Leben [führt] und sich in seinen Bemühungen der Fremdtuerei202 [widmet], sagt man, dass diesem Menschen der gedankliche203 Daimon zugeteilt wurde: Aus diesem Grund, da er sich mit Fremdtuerei beschäftigt, verfehlt er sein Ziel in einigen [Aspekten]. Doch diese [Erklärungen] über den jedem zugeteilten Daimon [sind genug]. Über den zugeteilten Daimon204 des Sokrates sagen [die Exegeten], dass es 21 drei Dinge gibt, die hervorgehoben werden sollen. Erstens, dass er ihn stets [von Handlungen] abgewendet hat und wann immer er ihn nicht abwendete, es ein Zeichen der Ermutigung war. Denn Sokrates war wohltätig und bemühte sich stets jedem zu helfen, wie ein temperamentvolles Pferd, das sich beim Wettrennen strebsam verhält, brauchte er Zaum und keine Peitsche.205 Zweitens, 5 dass sein zugeteilter Daimon göttlich war, was er auch zeigt. Denn er sagt im gegenwärtigen Dialog „M e i n V o r m u n d i s t b e s s e r a l s d e r d e i n e “ und als der Jüngling fragt „W e r i s t d e n n d a s ?“, antwortete er: „E i n G o t t , A l k i b i a d e s , e i n G o t t .“206 Drittens, dass er scheinbar die Stimme von ihm [sc. von dem Daimon] hörte: Nicht, weil er sprach, sondern weil es eine Erleuchtung207 von ihm um die Hörorgane gab, und er [sc. Sokrates] das für eine 10 Stimme hielt.208 Denn genauso sehen wir auch heutzutage im üblichen Sprachgebrauch209, dass diejenigen, die ihr Leben nach heiligen Praktiken richten210, plötzlich einen schönen Duft wahrnehmen211 und sagen, dass es die Anwesenheit eines Engels212 ist: also geschieht auch bei diesen [Menschen] eine Erleuchtung um die Geruchsorgane. Da wir über die zugeteilten Daimones geredet haben, muss man wissen, dass 15 diese auch im üblichen Sprachgebrauch213 bekannt sind, auch wenn nicht unter den gleichen Namen. Denn statt Daimon nennen sie diesen den Engel214 von jedem. Man kann ihnen zuhören, dass sie „dein Engel“ sagen über diejenigen, die ein Leben führen, in dem sie das Göttliche am meisten lieben.215 In der Tat würde auch Platon einen solchen Begriff des Engels216 erwähnen, wenn er diesen 22

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C. Text und Übersetzung

ἀδιαίρετον εἴασεν, οὐχ ὥσπερ οἱ Χαλδαῖοι τοῦτο διαιρῶν. ἐκεῖνοι γὰρ εἰς τρία τοῦτο διῄρουν, ἀγγέλους, δαίμονας, ἥρωας· καὶ τὸ μὲν πρὸς τοῖς κρείττοσιν ἔλεγον τοὺς ἀγγέλους ἔχειν, τὸ δὲ πρὸς ἡμᾶς τοὺς ἥρωας, τὸ δὲ μέσον τοὺς δαίμονας, μέσους ἐν μέσοις ὄντας. Καὶ τὸν Ἔρωτα δὲ ἐν τῷ Συμποσίῳ ποτὲ μὲν θεόν, ποτὲ δὲ μέγαν καλεῖ δαίμονα. καὶ διὰ τί μὲν θεόν, σαφές· δαίμονα δὲ ὡς μέσον αὐτὸν προσαγορεύει, μέσος γάρ ἐστιν ὁ Ἔρως οὐσίας καὶ ἐνεργείας καὶ ἐρωμένου καὶ ἐραστοῦ· μέγαν δέ, ἐπειδὴ ὑπὲρ αἴσθησιν καὶ νοερῶς ἐνεργεῖ. διό φησιν καὶ ὁ Ὀρφεύς· ‘ποιμαίνων πραπίδεσσιν ἀνόμματον ὠκὺν Ἔρωτα’·

ἀνόμματος γὰρ ὁ Ἔρως ὡς τῷ νῷ ὁρῶν καὶ ἀκούων, εἴγε εἴρηται· ‘νοῦς ὁρᾷ καὶ νοῦς ἀκούει’. 15

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Καὶ ταῦτα μὲν οἱ ἐξηγηταὶ περί τε δαιμόνων καὶ εἰληχότων· ἡμεῖς δὲ συμβιβαστικῶς τοῖς παροῦσι ταῦτα πειρασόμεθα διεξελθεῖν. καὶ γὰρ καὶ Σωκράτους κώνειον κατεψηφίσθη ὡς καινὰ δαιμόνια τοῖς νέοις εἰσηγουμένου καὶ θεοὺς νομίζοντος οὓς ἡ πόλις οὐχ ἡγεῖτο | θεούς. ῥητέον οὖν εἰληχότα δαίμονα τὸ συνειδὸς ὑπάρχειν, ὅπερ ἄ κ ρ ο ν ἄ ω τ ό ν ἐστι τῆς ψυχῆς καὶ ἀναμάρτητον ἐν ἡμῖν καὶ ἀκλινὴς δικαστὴς καὶ μάρτυς τῶν ἐνταῦθα γινομένων τῷ Μίνωϊ καὶ τῷ Ῥαδαμάνθυϊ. τοῦτο δὲ καὶ σωτηρίας ἡμῖν αἴτιον γίνεται ὡς ἀναμάρτητον ἀεὶ διαμένον ἐν ἡμῖν καὶ μὴ συγκαταψηφιζόμενον τοῖς ὑπὸ τῆς ψυχῆς ἁμαρτανομένοις, ἀλλὰ καὶ ἀνιλλόμενον ἐπὶ τούτοις καὶ ἐπιστρέφον αὐτὴν πρὸς τὸ δέον. καθάπερ δὲ παιδίον κλαυθμυρίζον ἀφ’ ὕπνου γίνεται φαντασίᾳ τινί, οὕτω καὶ τὴν ψυχὴν ἐπανάγει τὸ συνειδὸς ἀπὸ τῶν πλημμελημάτων, ἡνίκα φησίν· ‘τί χρῆμ’ ἀλύεις; τίς σ’ ἀπόλλυσι νόσος; ’

κἀκεῖνος λέγοι· ‘ἡ σύνεσι ς, ὅ τι σύνο ιδ α δ ε ίν ’ ε ἰργασμένος ’. 15

κἀκ τῶν ἐναντίων ὁ λυρικός· ‘ ἐ λ π ὶ ς δ ’ ἀ τ ά λ λ ο ι σ α κ α ὶ ἀ γ α θ ὴ γ η ρ ο τ ρ ό φ ο ς ’ . τὸ συνειδὸς οὖν εἰληχότα καλῶν δαίμονα οὐκ ἂν

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Bereich, der sich von den himmlischen Wesen zu den sublunaren Wesen ausdehnt, nicht ungeteilt gelassen hätte und sie wie die Chaldäer unterteilt hätte.217 Jene haben diesen [Bereich] in drei geteilt: Engel, Daimones und Heroen.218 Sie sagen, den [Bereich] nah zu den überlegeneren Wesen besitzen die Engel; denjenigen nah zu uns, dagegen, die Heroen und denjenigen in der Mitte, die Daimones, sodass sie als Vermittler in der Mitte sind. Außerdem nennt er Eros an einer Stelle im Symposion einen Gott, aber an einer anderen Stelle einen großen Daimon.219 Nun, warum er ihn als Gott [bezeichnet], ist klar: Als Daimon aber spricht er ihn an, da er als Vermittler [agiert], denn Eros ist Vermittler zwischen dem Wesen und dessen Verwirklichung und zwischen dem Geliebten und dem Verliebten. Groß [nennt er ihn], weil er jenseits der Sinneswahrnehmung und auf eine vernunftgemäße Weise wirkt. Deswegen sagt auch Orpheus:

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„U n s e r e n V e r s t a n d f ü h r e n d , a u g e n l o s u n d f l i n k , E r o s “220

Denn Eros ist augenlos, da er mit der Vernunft sieht und hört, so sagt man etwa: „D i e V e r n u n f t s i e h t u n d d i e V e r n u n f t h ö r t “221

Das ist also was die Exegeten über die Daimones und ihre Verteilung sagen. Wir werden versuchen, diese mit den gegenwärtigen [Ansichten] zu vereinbaren222, 15 indem wir Folgendes sagen: Schließlich wurde Sokrates zum Tode durch den Schierlingsbecher verurteilt, in der Annahme, dass er den Jugendlichen neue daimonische Wesen vorgestellt und an Götter geglaubt habe, welche die Polis nicht als Götter betrachtete. Daher soll gesagt werden, dass der zugeteilte 23 Daimon als das Bewusstsein223 existiert: Das ist d e r h ö c h s t e G i p f e l 224 der Seele, das Unfehlbare in uns, ein unbeirrbarer Richter und Zeuge dessen, was hier geschehen ist, vor Minos und Rhadamanthys.225 Das wird sogar zu dem 5 Grund unserer Erlösung, da es immer in uns unfehlbar bleibt; und es wird nicht aufgrund der Verfehlungen der Seele zusammen mit ihr verurteilt, sondern durch diese [Fehler wird es] stärker und wendet die Seele auf ihre Pflicht zurück. Wie ein Kind infolge eines Traums aufgrund eines Trugbilds weint, so führt das 10 Bewusstsein die Seele infolge ihrer Fehler hinauf, wie wenn es spricht: „W a s b e s t ü r z t d i c h ? W e l c h e K r a n k h e i t f i e l d i c h a n ? “

und er [sc. Orestes] sagt: „D a s G e w i s s e n , z u w i s s e n , d a s s i c h e t w a s S c h r e c k l i c h e s t a t “ 226

Und aus einem gegensätzlichen [Aspekt sagt] der Lyriker [sc. Pindar]: „H o f f n u n g , d i e T r ö s t e r i n u n d d i e g u t e B e g l e i t e r i n i m A l t e r “.227 Daher würdest du keinen Fehler machen, wenn du das Bewusstsein als den

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C. Text und Übersetzung

ἁμάρτοις. ἰστέον δὲ ὅτι τοῦ συνειδότος τὸ μὲν ἐπὶ ταῖς γνωστικαῖς ἡμῶν δυνάμεσι λέγεται συνειδὸς ὁμωνύμως τῷ γένει.

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103A Ὦ παῖ Κλεινίου: τριχῶς ἐστὶν ἐξηγήσασθαι τοῦτο. ἡ γὰρ ἐκ πατρὸς κλῆσις ἢ κατὰ ἀρχαϊσμὸν εἴρηται (ὡς ὁ ποιητής· π α τ ρ ό θ ε ν κικλήσκων ὀνομάζων ἐκ γενεῆς ἄνδρα ἕκαστον, πάντ α ς κ υ δ α ί ν ω ν ) · ἢ ὅτι φιλότιμος ὢν ὁ νέος καὶ σεμνυνόμενος | ἐπὶ τῷ πατρί, ἠριστευκότι ἐν τῇ ἐπὶ Κορωνείᾳ μάχῃ κἀκεῖ τελευτήσαντι, ἐβούλετο πρὸς ἔπαινον ἐντεῦθεν ὀνομάζεσθαι· ἢ ὅτι διεγηγερμένη ἡ πρὸς πατρὸς κλῆσις οἰκεία τοῖς ἐρωτικοῖς καὶ αὐτοῖς τοιούτοις οὖσι καὶ πολὺ ἔχουσι τὸ ἀρρενωπόν (ἔρως γὰρ ἢ παρὰ τὴν ῥῶσιν καὶ ῥωστικὸν αὐτὸν εἶναι ἢ παρὰ τὸ ἡρωϊκὸν λέγεται)· μόνον οὖν οὐχὶ βοᾷ διὰ τοῦ πατρόθεν αὐτὸν ὀνομάσαι, ‘μηδὲ γένος πατέρων αἰσχυνέμεν’, ἐπιστρέφων αὐτὸν ἐντεῦθεν πρὸς τὸ γνῶναι ἑαυτόν, οἶός ἐστι καὶ ἐκ τίνων, καὶ προτρέπων ἐπὶ τὸ καλόν. Οἶμαί σε: δοκεῖ τοῦτο μὴ ἄξιον εἶναι τῆς Σωκρατικῆς ἐπιστήμης, τὸ εὐθέως ἐν ἀρχῇ ἀμφιβάλλειν καὶ εἰκάζειν περὶ ὧν μέλλει λέγειν. Τί οὖν φαμέν; ὅτι ἀγνοίας τοῦτο σημεῖόν ἐστιν; οὐδαμῶς, ἀλλὰ καὶ τῆς ἄκρας ἐπιστήμης, τὸ μεθόδῳ τινὶ πρεπούσῃ προσιέναι τοῖς προσώποις. ἐπειδὴ γὰρ ἐνστατικὸν τὸ νέον ἅπαν καὶ φιλότιμον καὶ μάλιστα πρὸς τὰς βεβαίους ἀποφάνσεις, μετ’ εὐλαβείας αὐτῷ πρόσεισιν, ὥσπερ οἱ ὀρνιθοθῆραι μεθ’ ὑποστολῆς τοῖς ὀρνέοις προσέρχονται πρὸς τὸ μὴ ἀποσοβῆσαι τὴν θήραν. οὕτως οὖν καὶ ὁ Σωκράτης ἠθικῶς τὸν λόγον προαγαγὼν διὰ τοῦ διστακτικοῦ πειθόμενον αὑτῷ τὸν νέον ἔμελλεν ἔχειν καὶ οὐκ ἐναντιούμενον. Θαυμάζειν: πρόσφορος ἡ λέξις τῷ σκοπῷ, φ ι λ ο σ ο φ ί α ς γὰρ ἀ ρ χ ὴ τὸ θαῦμα. θαυμάσαντες γὰρ τὸ ὅτι ἐπὶ τὸ διότι ἐρχόμεθα· τοῦτο

23, 17 Cf. Westerink (1982) addenda ad loci: .

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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zugeteilten Daimon bezeichnest. Man muss aber wissen, dass [die Art des] Bewusstseins, die sich auf unsere Erkenntnisfähigkeiten bezieht, Aufmerksamkeit228 genannt wird; die [Art des Bewusstseins] dagegen, die sich auf unsere strebenden Fähigkeiten bezieht, wird Bewusstsein genannt, mit dem gleichen Namen wie die Gattung.229 103A Sohn des Kleinias: Das kann auf drei Weisen ausgelegt werden230: Entweder ist der Name des Vaters entsprechend dem Archaismus benutzt (wie der Dichter sagt: U n d n e n n e b e i m N a m e n j e d e n M a n n n a c h d e m 20 v ä t e r l i c h e n G e s c h l e c h t , u n d e h r e a l l e ) . 231 Oder, da der Jüngling ehrgeizig ist und sich seines Vaters rühmt, der sich in der Schlacht von Koroneia 24 ausgezeichnet hatte und dort gestorben war,232 wollte er für das Lob [verbunden mit seinem Namen] nach ihm [sc. seinem Vater] genannt werden. Oder, weil eine Anrede vom Vater her lebhaft und geeignet für die Liebenden ist, zumal wenn sie selber auch solche [Liebenden] sind und viel Mannhaftigkeit haben.233 5 (Eros wird entweder wegen seiner Stärke (rhōsis) und weil er selbst kräftig (rhōstikon) ist, oder wegen seines Heldentums (herōikon) so genannt).234 Daher macht er [sc. Sokrates], indem er ihn von seinem Vater her nennt, nichts Anderes als auszurufen: „U n d d e r V ä t e r G e s c h l e c h t n i c h t S c h a n d e z u m a c h e n “ 235

um ihn weg von hier auf die Erkenntnis seines Selbst und [die Erkenntnis] dessen, welche Beschaffenheit er hat und woher [er stammt], zurückzuführen und zu dem Schönen zu ermahnen. Ich glaube, du: Dieser [Ausdruck] scheint des sokratischen Wissens nicht würdig zu sein, da er bereits am Anfang zweifelt und eine Vermutung über die Dinge äußert, die er zu reden vorhat. Was sagen wir dazu? Dass es ein Zeichen der Unwissenheit ist? Auf keinen Fall, sondern [, dass es ein Zeichen] des Gipfels des Wissens ist, [verschiedene] Personen mit der jeweils für jeden [Menschen] geeigneten Methode anzusprechen.236 Da alle Jünglinge Auseinandersetzungen und die Ehre lieben – insbesondere, wenn sie große Ansprüche haben – nähert er [sc. Sokrates] sich ihm [sc. Alkibiades] mit Vorsicht, wie Vogelfänger sich den Vögeln annähern, während sie bereit sind, zurückzuweichen, damit sie ihre Beute nicht erschrecken. Genau das wollte auch Sokrates, indem er den Dialog wie gewohnt mit einem Zweifel beginnt, dass der Jüngling von ihm überzeugt wird und [seine Ansichten] nicht abstreitet. wunderst dich: Dieser Ausdruck ist passend zu der Absicht [des Dialogs], denn V e r w u n d e r u n g ist der A n f a n g der Philosophie.237 Wenn wir uns nämlich darüber wundern, dass etwas ist, kommen wir zu dem, warum es ist.

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C. Text und Übersetzung

δέ ἐστι τὸ φιλοσοφεῖν, τὸ τὰς αἰτίας τῶν | ὄντων ἀποδιδόναι, εἴγε ἐστὶ φιλοσοφία γνῶσις τῶν ὄντων ᾗ ὄντα ἐστί. καὶ ἄλλως δέ· φιλοσοφία γὰρ ἡ Ἶρις ὡς περὶ τῶν ὄντων ἐροῦσα, ταύτην δὲ Θαύμαντος θυγατέρα μυθεύουσιν οἱ ποιηταί. καὶ αὐτὴ δὲ ἡ Ἶρις ἐν τῷ ἀέρι φαινομένη θαυμαστή ἐστιν, πῶς ἐν ὕλῃ τοιαύτῃ μαθηματικὸν σχῆμα, τὸν κύκλον, ἀποτελεῖ. λέγεται δέ τι σχῆμα καὶ παρὰ τοῖς γραμμικοῖς καὶ γεωμέτραις θαῦμα. Ὅτι πρῶτος ἐραστής σου γενόμενος: ἑαυτὸν ἕ ν α καὶ π ρ ῶ τ ο ν καὶ μ ό ν ο ν φησίν, τοὺς δὲ ἄ λ λ ο υ ς καὶ π ο λ λ ο ὺ ς καὶ τ ε λ ε υ τ α ί ο υ ς καὶ ὄ χ λ ο ν . ἰστέον δὲ ὅτι ὁ μὲν δῆμος ἐπέκεινα τοῦ ὄχλου πρὸς τάξιν, ὁ δὲ χορὸς ἐπέκεινα τοῦ δήμου. εὐτακτότερος γὰρ ὁ μὲν δῆμος τοῦ ὄχλου (διὸ καὶ ὁ Παιανιεὺς πρὸς διαβολὴν τοῦ δήμου φησίν· ‘ ε ἴ γ ε ὁ μ ὲ ν δ ῆ μ ό ς ἐ σ τ ι ν ὄ χ λ ο ς , ἀ σ τ α θ μ η τ ό τ α τ ο ν ’ καὶ τὰ ἑξῆς, παραλαβὼν τὸν ὄχλον ἀντὶ τοῦ δήμου) · ὁ δὲ χορὸς εὐτακτότερος τοῦ δήμου, εἴγε πολλὴν ἕνωσιν ἔχει καὶ πρὸς ἕνα μόνον ὁρᾷ τὸν χοροδιδάσκαλον. οὕτως καὶ ὁ Σωκράτης, εἷς ὤν, πρὸς τῇ εὐταξίᾳ ἐστίν, ἐκείνους δὲ δι’ ὄχλου φησὶν εἶναι. καλῶς δ’ εἶπεν αὐτὸν θαυμάζειν ἐπὶ χρόνῳ τῷ πολλῷ καὶ τῷ πρῶτον ἐρασθέντα μήπω ἀπηλλάχθαι· οἱ γὰρ πολλοὶ οὐ πρὸς τὴν ἕξιν ἀποβλέποντες κρίνουσιν, ἀλλὰ πρὸς τὸν χρόνον. οὕτω γὰρ καὶ σοφοὺς νομίζουσι τοὺς πλεῖστον χρόνον ἐν διδασκάλου διατρίψαντας, οὐ τοὺς ὀλίγον, εἰ καὶ σοφώτεροι ὦσιν. φησὶν οὖν ὅτι ‘καὶ σὺ θαυμάζεις ἐκ τοῦ χρόνου στοχαζόμενος ὃν ἐρῶ σου, δῆλον ὅτι ὡς εἷς ὢν τῶν πολλῶν’. Ἐγὼ δὲ τοσούτων ἐτῶν οὐδὲ προσεῖπον: Ἀττικὸν τὸ σχῆμα, τὸ εἰπεῖν ‘ τ ο σ ο ύ τ ω ν ἐ τ ῶ ν ’ , δηλοῖ γὰρ ὅτι ‘ἐπὶ | τοσοῦτον χρόνον οὐδὲ προσεῖπον’. Τούτου δὲ τὸ αἴτιον οὐκ ἀνθρώπειον: τούτου τίνος; δῆλον ὅτι τοῦ ἀπαρουσιάστως ἐρᾶν· οὐ γὰρ τοῦ ἁπλῶς ἐρᾶν, ἀλλὰ τοῦ θεοειδῶς. φησὶ γὰρ ὅτι αἴτιον τοῦ ἐρῶντα μὴ προσειπεῖν, ὅπερ ἐστὶ θεοειδῶς ἐρᾶν, δαιμόνιόν τι καὶ οὐκ ἀνθρώπειον. εὐλόγως τοῦτό φησιν· τοῦ γὰρ αἰτιατοῦ θεοειδοῦς δῆλον ὅτι καὶ τὸ αἴτιον θεῖον. Οὗ σὺ τὴν δύναμιν καὶ ὕστερον πεύσῃ: τοῦ δαιμονίου. πρόσφορος δὲ ἡ λέξις πρὸς τὸν ἀκούοντα· ἐπειδὴ γὰρ οἶδεν αὐτὸν δυνάμεως ὀρεγόμενον, ὑποτίθησιν αὐτῷ ἐλπίδας ὡς περὶ οἰκείων αὐτῷ καὶ ὧν βούλε-

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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Das ist es, zu philosophieren, die Ursachen der Seienden zu erklären, wenn 25 nämlich die Philosophie Erkenntnis der Seienden als Seiende ist.238 Auch auf eine andere Weise [ist es so]: Denn Iris ist die Philosophie, wie sie über die Seienden untersucht, und die Dichter erzählen, dass sie die Tochter von Thaumas239 ist. Und Iris selbst, wenn sie in der Luft erscheint, ist wunderlich, 5 wie eine mathematische Figur, ein Kreis, in einer solchen Materie [wie Luft] entsteht. Ferner wird eine bestimmte Gestalt sowohl unter den Zeichnern als auch den Geometrikern Wunder genannt.240 dass ich als dein erster Liebhaber: Er äußert [die Wörter] e i n s , e r s t e r und e i n z i g e r für sich; für die a n d e r e n aber M e h r h e i t , l e t z t e und 10 M a s s e .241 Man muss nun wissen, dass das Volk höher im Rang ist als die Masse, und der Chor242 höher als das Volk. Denn das Volk ist besser organisiert als die Masse (aus diesem Grund also sagt auch Paianieus243, um das Volk zu beleidigen: „W e n n d a s V o l k e i n e M a s s e i s t , i s t e s d i e u n s i c h e r s t e S a c h e “ und Folgendes, indem er die Masse für das Volk hält). Der Chor ist dagegen besser organisiert als das Volk, denn er besitzt viel Einheit und 15 beachtet einen einzigen Chorlehrer. So ist auch Sokrates, da er eine [Person] ist und auf eine gute Ordnung abzielt, sagt er, dass die anderen sich wie Masse verhalten.244 Er sagt zutreffend, dass er [sc. Alkibiades] sich wundert, da es lange Zeit vorbeiging und sein erster Liebhaber ihn immer noch nicht verlassen hat. Denn die Mehrheit beurteilt [einen] nicht in Anbetracht seiner Veranlagung, sondern in Anbetracht der Zeit. So halten sie diejenigen für weise, die die meiste 20 Zeit in der Schule verbracht haben, nicht [diejenigen, die] weniger [Zeit verbracht haben], auch wenn die [letztere] weiser sind. Folglich sagt er [sc. Sokrates]: „Dass du dich wunderst, als du die [Länge der] Zeit vermutest, in der ich dich liebe, verdeutlicht, dass du wie eine Person aus der Mehrheit bist“.245 ich dich dagegen während so vieler Jahre nicht einmal überhaupt nur angesprochen habe: Es ist eine attische Redewendung, „w ä h r e n d s o v i e l e r J a h r e “246 zu sagen, denn es bedeutet „seit so langer Zeit habe ich 26 dich nicht angesprochen“. Die Ursache dafür war nicht eine menschliche247: Wessen [Ursache]? Deutlich ist es [die Ursache] der Liebe ohne physische Anwesenheit. Denn es geht nicht ums Lieben im Allgemeinen, sondern ums [Lieben] auf göttliche Weise. Er sagt nämlich, dass der Grund, warum der Liebende nicht spricht, 5 sofern es ums Lieben auf göttliche Weise geht, etwas Daimonisches und nicht Menschliches ist. Er sagt das gut überlegt: Denn es ist klar, dass der Grund von einem göttlichen Ergebnis auch göttlich sein muss. dessen Macht wirst du auch später erfahren248: [Die Macht] des Daimonions.249 Dieser Ausdruck kommt dem Zuhörer gelegen: Da er [sc. Sokrates] weiß, dass er [sc. Alkibiades] nach der Macht strebt, regt er bei ihm die 10

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C. Text und Übersetzung

ται διαλέξεται. τὸ δὲ ‘ κ α ὶ ὕ σ τ ε ρ ο ν ’ περιττεύει τῷ κ α ὶ συνδέσμῳ. οὐ γάρ ἐστιν ἐνταῦθα συμπλεκτικός, ἀλλὰ παραπληρωματικός· οὐδὲ γὰρ καὶ πρὸ τούτου ἐπύθετο τὴν δύναμιν αὐτοῦ, ἵνα μάθῃ καὶ ὕστερον. χρῆται δὲ τούτῳ καὶ ὁ ποιητὴς ἐν τῷ 15

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‘Εὔρυτος, ᾧ καὶ τόξον Ἀπόλλων αὐτὸς ἔδωκεν’

οὐ γὰρ ὡς καὶ ἄλλο τι παρασχόντος αὐτῷ κεῖται ὁ καί, ἀλλὰ μόνον παραπληρωματικός ἐστιν. ‘ ὕ σ τ ε ρ ο ν ’ δέ φησιν, ἐπειδὴ μικρὸν ὕστερον λέγει· ‘ ν ε ω τ έ ρ ῳ μ ὲ ν ο ὖ ν ὄ ν τ ι σ ο ι κ α ὶ π ρ ὶ ν τ ο σ α ύ τ η ς ἐλπίδος γέμειν, ὡς ἐμοὶ δοκεῖ, οὐκ εἴα ὁ θεὸς διαλέγεσθαι, ἵνα μὴ μάτην διαλεγοίμην· νῦν δὲ ἐφῆκε, νῦν γὰ ρ ἄν μου ἀκούσαις’. Νῦν δέ, ἐπειδὴ οὐκ ἐναντιοῦται: ζητητέον διὰ τί μὴ καὶ νῦν ἐναντιοῦται τὸ δαιμόνιον προσιέναι τῷ Ἀλκιβιάδῃ, εἴγε μέλλει μετὰ ταῦτα ἁμαρτάνειν. καὶ γὰρ πρὸς Λακεδαιμονίους αὐτομολήσας συνεβούλευσεν ἐπιτειχίσαι τῇ πατρίδι τὴν Δεκέλειαν καὶ πρὸ τούτου τὸν πόλεμον αὐτὸς εἰσηγήσατο τῷ Περικλεῖ κινῆσαι διὰ τοῦ γράψαι τὸ κατὰ Μεγαρέων ψήφισμα, ἵνα μὴ δῷ λόγον τῶν ἀνηλωμένων χρημάτων εἰς τὴν Φειδίου Ἀθηνᾶν· | ταύτῃ γὰρ αὐτὸς ἐφειστήκει. καὶ ἄλλο δέ· αἰτίαν γὰρ ἔσχεν τὰ μυστήρια μιμήσασθαι ἐν τῇ Πολυτίωνος οἰκίᾳ. πρὸς ταῦτα οὖν φαμὲν ὅτι, ὥσπερ ὁ ἥλιος οὐ διωρισμένως φωτίζει, ἀλλὰ καὶ τοὺς μὴ ὁρῶντας, εἰ καὶ ἐκεῖνοι διὰ τὴν οἰκείαν ἀνεπιτηδειότητα οὐκ ἀπολαύουσι τῆς ἐντεῦθεν ἀκτῖνος, οὕτως καὶ τὸ δαιμόνιον οὐκ ἐκώλυσε τὸν Σωκράτην, εἰ καὶ ἀνεπιτήδειος ὁ Ἀλκιβιάδης, διαλέγεσθαι. οἶμαι δὲ ὅτι ταύτῃ ἐναντιοῦται τὸ μέχρι τοῦ παρόντος ἐναντιοῦσθαι τὸ δαιμόνιον· πῶς γὰρ ἐξ ἀρχῆς οὐκ ἐπέτρεψεν; ἡ δὲ Ξενοφῶντος λύσις ῥητορικὴ μέν, ἔστιν δὲ αὕτη· ὅτι χείρων ἑαυτοῦ ἔμελλεν εἶναι ὁ Ἀλκιβιάδης, εἰ μὴ συνδιέτριψε Σωκράτει. τρίτη δὲ λύσις ἡ καὶ ἀληθεστέρα, ὅτι εἰ μὴ καὶ ἐν τῷ βίῳ τούτῳ ἔμελλον ὠφελήσειν τὰ παρὰ τοῦ Σωκράτους, ἀλλ’ οὖν ἐν ἑτέρῳ βίῳ τούτων ἀναμιμνῃσκόμενος ὠφελεῖτο ἐννοῶν ὡς ἀληθῆ πρότερον ἦσαν τὰ λεγόμενα καὶ μόνον οὐ λέγων·

26, 15 Olymp. Εὔρυτος / Πάνδαρος Hom. Il. II,827.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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Erwartung an, dass er über die ihm bekannten Themen und über seine Wünsche diskutieren möchte. [Im Ausdruck] „a u c h s p ä t e r “ ist das Verbindungswort a u c h überflüssig. Denn [dieses Wort] ist hier keine kopulative Konjunktion, sondern ein Füllwort.250 [Alkibiades] hat nämlich nicht auch vorher seine Macht erfahren, damit er das auch später lernen soll. Auch der Dichter gebraucht dieses [Wort] im [Folgenden]: „ E u r y t o s , d e m a u c h A p o l l o n s e l b s t d e n B o g e n g e g e b e n h a t - 15 t e . “ 251

Denn ist hier dieses ‚auch‘ nicht, weil [Apollon] ihm etwas Anderes [früher] geschenkt hatte, sondern es ist nur ein Füllwort. „S p ä t e r “ sagt er aber, weil er kurz darauf sagt: „S o l a n g e d u n u n n o c h j ü n g e r u n d n o c h n i c h t von so großer Hoffnung erfüllt warst, ließ der Gott das G e s p r ä c h m i t d i r , w i e m i r s c h e i n t , n i c h t z u , d a m i t i c h 20 nicht umsonst mit dir spräche. Jetzt aber hat er es ges t a t t e t , d e n n j e t z t w i r s t d u m i c h w o h l a n h ö r e n . “252 Nachdem es jetzt keinen Widerstand mehr leistet: Es muss untersucht werden, warum das Daimonion jetzt [ihn] nicht hindert, Alkibiades anzusprechen, zumal wenn er [sc. Alkibiades] danach Fehler begehen wird.253 Denn er lief über zu den Lakedaimoniern und beriet sie, Dekeleia in seiner Heimat zu 25 befestigen254 und davor drängte er selber Perikles zum Krieg, indem er ein Dekret gegen Megarer schrieb, damit er keine Rechenschaft über das verbrauchte Geld für [die Skulptur der] Athena von Pheidias geben muss. Das stand 27 nämlich unter seiner Verantwortung.255 Noch etwas Anderes: Er war der Verursacher für die pantomimische Darstellung der Mysterien im Haus des Polytion.256 Gegen diese [Anschuldigungen] sagen wir,257 wie die Sonne258 nicht unterschiedlich scheint, sondern sogar auf diese, die nicht sehen können – auch wenn diese wegen der eigenen Untauglichkeit259 die Lichtstrahlen von dort nicht nutzen können – so auch hinderte das Daimonion Sokrates nicht an einem 5 Dialog mit Alkibiades, auch wenn dieser [sc. Alkibiades] untauglich war. Ich glaube aber, dieser [Lösung] steht [die Tatsache] entgegen, dass das Daimonion bis zu diesem Zeitpunkt ihn verhindert hat: Wie hat es denn das am Anfang nicht erlaubt?260 Dazu hat Xenophon eine rhetorische Lösung, und die ist wie folgt: Dass Alkibiades noch schlimmer sein würde als er selbst, hätte er nicht zusammen mit Sokrates Zeit verbracht.261 Die dritte Lösung ist aber richtiger, 10 nämlich dass, auch wenn ihm die [Gespräche] mit Sokrates in diesem Leben nicht hilfreich sein sollten, würden sie ihm dennoch in einem anderen Leben helfen, wenn er sich daran erinnert und anerkennt, dass, was im Vergangenen gesprochen war, wahr ist, und nicht nur sagt:

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C. Text und Übersetzung

‘ἀλλ’ ἐγὼ οὐ πιθόμην· ἦ τ’ ἂν πολὺ κέρδιον ἦεν’· 15

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ὁπότε ὁρῶμεν καὶ ἐν τῷ αὐτῷ βίῳ τινὰς μετὰ τὴν λώφησιν τῶν παθῶν τοῦτο ποιοῦντας καὶ μόνον ἡνίκα φλεγμαίνουσιν αὐτοῖς ἐνδιδόντας. 103B Οὕτως προσελήλυθα: καίτοι διὰ παντὸς παρῆν· πῶς οὖν φησὶν ὅτι ‘νῦν προσελήλυθα, ἐπειδὴ οὐκ ἐναντιώθη τὸ δαιμόνιον’; ἢ λέγομεν ὅτι π ρ ο σ ε λ ή λ υ θ α δηλοῖ ἀντὶ τοῦ αἰσθητῶς καὶ οὐχ ὥσπερ πρότερον, μόνον θεοειδῶς καὶ ἀπαρουσιάστως. Εὔελπις δέ εἰμι καὶ τὸ λοιπόν: ἐρωτικὸν καὶ τοῦτο, τὸ τὴν ὠφέλειαν τοῦ νέου οἰκείαν εὐελπιστίαν ἡγήσασθαι. πρόσκειται δὲ τὸ μὲν ε ὖ διὰ τὸν Σωκράτην, τὸ δὲ ἐ λ π ὶ ς διὰ τὸν Ἀλκιβιάδην. ἀβέβαιον γὰρ ἡ ἐλ|πίς, καὶ ὥς φησιν ὁ Ἡρόδοτος, ἐ γ ρ η γ ο ρ ό τ ο ς ἐ ν ύ π ν ι ο ν . Μὴ ἐναντιώσεσθαι: εἰκότως· εἰ γὰρ πρὶν ἀκούσῃ τῶν τοῦ σωφρονοῦντος στόματος λόγων οὐκ ἐναντιώθη, δῆλον ὅτι μετὰ τὸ ἀκοῦσαι οὐκ ἐναντιωθήσεται.

Πρᾶξις σὺν θεῷ δʹ 103B-104C Σχεδὸν οὖν κατανενόηκα ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ σκοπούμενος: Δύο εἰπὼν ὁ Σωκράτης, ἓν μὲν ἀνθρώπειον, τὸ δὲ ἕτερον θεῖον, καὶ ἀνθρώπειον μὲν τὸ ἐρᾶν (κοινὸν γὰρ τοῦτο πάντων ἀνθρώπων), θεῖον δὲ τὸ ἀπαρουσιάστως ἐρᾶν, πρῶτον τοῦ δευτέρου τὴν αἰτίαν ἀπέδωκεν, θεὸν ἢ δαίμονα ταύτην εἰπών. κατὰ ἀρχαϊσμὸν δὲ τοῦτο πεποίηκεν, τὸ τὸ πέρας τῶν φθασάντων ἀρχὴν ποιεῖσθαι τῶν μελλόντων. οὕτω καὶ Ὅμηρος· ‘Ἱππόθοόν τε καὶ Λαοδίκην καὶ Λαοδάμειαν· Λαοδαμείῃ μὲν παρελέξατο μητίετα Ζεύς’·

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νυνὶ δὲ πρὸς τὸ πρῶτον ἐπάνεισι καὶ τὴν αἰτίαν τούτου φησί, λέγω δὲ τοῦ ἐρᾶν. ἐρᾷ γὰρ αὐτοῦ διότι τῶν ἄλλων ὑπερφρονεῖ, ὑπερφρονεῖ δὲ αὐτῶν διὰ δʹ τινα· διὰ κάλλος σώματος, δι’ εὐγένειαν, διὰ τοὺς φίλους

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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„A b e r i c h b i n n i c h t g e f o l g t – f r e i l i c h , e s w ä r e v i e l b e s s e r g e w e s e n ! “.262

Wir sehen an einigen [Menschen], dass sie, auch in demselben Leben, nach dem 15 Stillstand derAffekte so handeln und den [Affekten] nur dann nachgeben, wenn sie wütend sind.263 103B so bin ich [an dich] herangetreten264: In der Tat, er war die ganze Zeit anwesend. Wieso sagt er denn „Nun bin ich an dich herangetreten, da das Daimonion mich nicht mehr hindert“?265 Oder wir sagen, dass h e r a n g e t r e t e n b i n i c h offensichtlich auf seine wahrgenommene [Anwesenheit] hinweist und nicht wie früher, [auf seine] gottähnliche und immaterielle 20 [Anwesenheit]. und ich bin der guten Hoffnung, dass es auch künftig266: Auch das gehört zu der Liebe, anzunehmen, dass dem Jüngling zu helfen mit der guten Hoffnung verbunden ist. Das [Wort] g u t bezieht sich hier auf Sokrates, während H o f f n u n g [sich auf] Alkibiades [bezieht]. Denn die Hoffnung 28 ist unsicher, wie auch Herodot sagt: e i n T r a u m d e s E r w a c h e n d e n . 267 Keinen Widerstand mehr leisten wird268: Wahrscheinlich. Denn, wenn [Sokrates] nicht verhindert wurde, bevor [Alkibiades] die Wörter aus seinem weisen Mund269 hören konnte, ist es deutlich, dass er nicht verhindert wird, nachdem er diese gehört hat.270

Unterricht 4 mit Gottes Hilfe 103B–104C Während dieser Zeit nun habe ich beobachtet und dabei ziemlich genau gemerkt271: Während Sokrates hier von zwei Dingen redet, von denen das eine menschlich, das andere göttlich ist – und einerseits ist es menschlich, zu lieben (denn das haben alle Menschen gemeinsam), andererseits ist es göttlich, ohne physische Anwesenheit zu lieben – gibt er zuerst den Grund des Zweiten an, als er sagt, dass es ein Gott oder ein Daimon ist.272 Das gestaltet er nach dem archaischen Stil, das Ende des Vorherigen zu dem Anfang des Folgenden zu machen.273 So [sagt] auch Homer:

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„D e n H i p p o t h o o s u n d d i e L a o d i k e u n d d i e L a o d a m e i a . Z u L a o d a m e i a a b e r l e g t e s i c h d e r r a t s i n n e n d e Z e u s .“274

Jetzt aber kehrt er zurück zum Ersten und nennt den Grund dafür – ich meine, für das Lieben. Denn er liebt ihn, weil er die anderen verachtet und er verachtet sie aus vier bestimmten Gründen: Wegen der Schönheit seines Körpers, wegen seiner adligen Abstammung, weil er viele Freunde hat und weil er sich seines

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C. Text und Übersetzung

πολλοὺς ὄντας, διὰ τὸ Περικλεῖ ἐπιτρόπῳ σεμνύνεσθαι. ὅτι γὰρ καλὸς ἦν τῷ σώματι δῆλον ἐκ τοῦ κοινὸν ἐρώμενον αὐτὸν λέγεσθαι τῆς Ἑλλάδος, ἐκ τοῦ τοὺς Ἑρμᾶς Ἀθήνησι κατ’ εἰκόνα καὶ ὁμοίωσιν αὐτοῦ γράφεσθαι, ἐκ τοῦ τὸν Κυνικὸν Ἀντισθένην λέγειν περὶ αὐτοῦ, ‘ ε ἰ μ ὴ τ ο ι ο ῦ τ ο ς ἦ ν ὁ Ἀ χ ι λ λ ε ύ ς , ο ὐ κ ἦ ν ὡ ρ α ῖ ο ς ’ · περὶ οὗ φησὶν ὁ ποιητὴς βουλόμενος τὸν Νιρέα εἰς κάλλος ἐπαινέσαι· ‘Νιρεύς, ὃς κάλλιστος ἀνὴρ ὑπὸ Ἴλιον ἦλθεν τῶν ἄλλων Δαναῶν μετ’ ἀμύμονα Πηλείωνα’.

ἐπὶ | δὲ γένει μεγάλα ἐφρόνει, ἐπειδὴ ἐκ πατρὸς μὲν Αἰακίδης ἦν, ἐκ μητρὸς δὲ Ἀλκμαιωνίδης, ὅπερ μέγιστον καὶ πρῶτον γένος ἐν Ἀθήναις καὶ πάσῃ τῇ Ἑλλάδι ἐνομίζετο. ἐπὶ δὲ φίλοις μέγα ἐφρόνει, ἐπειδὴ κοινὸς ὢν ἐρώμενος τῆς Ἑλλάδος, ὡς εἴρηται, πλείστους ἐκ τούτου φίλους ἐκέκτητο. ἔτι δὲ καὶ ἐπὶ τῷ Περικλεῖ δικαίως ἐσεμνύνετο, ἐπιτρόπῳ ὄντι καὶ τὰ μέγιστα δυναμένῳ ἐν τῇ πατρίδι, περὶ οὗ φησὶν ὁ συγγραφεύς· ‘ ἐ γ ί ν ε τ ο δ ὲ λ ό γ ῳ μ ὲ ν δ η μ ο κ ρ α τ ί α , ἔ ρ γ ῳ δ ὲ ὑ π ὸ τ ο ῦ π ρ ώ τ ο υ ἀ ν δ ρ ὸ ς ἀ ρ χ ή ’ · καὶ ὁ κωμικὸς δὲ περὶ αὐτοῦ φησὶν ὡς ‘ἑκκαίδεκα ποδῶν ᾕρει λέγων τοὺς ῥήτορας’. καὶ ταῦτα μέν ἐστι δι’ ἅ φησι τὸν Ἀλκιβιάδην ὑπερφρονεῖν τῶν ἄλλων. Ἐπειδὴ δὲ τὸ νέον ἐπαινεῖν ὑπεροψίας αὐτῷ καθέστηκεν αἴτιον (αὐθαδέστερον γὰρ ἔτι μᾶλλον αὐτὸν ποιεῖ), τὸ δὲ καὶ παρόντα, κολακικοῦ σημεῖόν ἐστιν (κολακεύοντες γὰρ τοὺς παρόντας ἐπαινοῦσί τινες), τὸ δὲ καὶ ἐρώμενον ἐπαινεῖν πάλιν ὑπεροπτικὸν αὐτὸν ποιεῖ, πῶς ὁ Σωκράτης καὶ νέον καὶ παρόντα καὶ ἐρώμενον ἐπαινεῖ διὰ τούτων τὸν Ἀλκιβιάδην; ἢ λέγομεν πρὸς τοῦτο, ὅτι φαινόμενοι μέν εἰσιν ἔπαινοι τὰ παρὰ τοῦ Σωκράτους νῦν λεγόμενα, ἀληθεῖς δὲ ψόγοι καὶ ἔλεγχοι. ἔδει γὰρ αὐτὸν πρὸ τῶν ἀμιγῶν ἐλέγχων καὶ ἀποκεκαλυμμένων τοὺς συμμιγεῖς ἀποδοῦναι, πρὸς τὸ μὴ ἀνασοβῆσαι τὴν θήραν, ἀλλ’ ὥσπερ οἱ δεξιοὶ τῶν ἰξευτῶν ἀψοφητὶ τῇ θήρᾳ | προσελθεῖν. ἄλλως τε καὶ πρὸς τοῦ Σωκρατικοῦ ἤθους τὸ τοιοῦτον· ὡς γὰρ εἴρηται πολλάκις, ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καθαρσίοις μέλιτι δεδευμένοις καὶ οὐχ ὥσπερ αἱ τῶν ἄλλων ἰατρικαῖς τομαῖς καὶ καύσεσιν. ἔτι δὲ ὅτι καὶ φυσικὰς ἀρετὰς

29, 7 Olymp. ἐγίνετο δὲ / ἐγίγνετό τε Thucy. II.65,9 (Jones/Powell).

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Vormunds, des Perikles, rühmt. Denn, dass er im Körper schön war275, wird daraus deutlich, da man sagt, dass ganz Griechenland ihn liebte; aus der Gestaltung der Hermesstaue in Athen nach seinem Erscheinungsbild und [nach] der Ähnlichkeit zu ihm276; [und ferner,] da Antisthenes der Kyniker über ihn sagte: „W e n n A c h i l l e u s n i c h t d e r a r t w a r , d a n n w a r e r n i c h t z u s e i n e r R e i f e g e k o m m e n “.277 Über ihn [sc. Achilleus] sagt der Dichter, als er Nireus wegen seiner Schönheit loben wollte:

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„N i r e u s , d e r a l s d e r s c h ö n s t e M a n n n a c h I l i o s g e k o m m e n w a r , V o r d e n a n d e r e n D a n a e r n , n a c h d e m u n t a d l i g e n P e l e u s - 25 S o h n “ 278

Ferner war er auf seine Abstammung besonders stolz, da er väterlicherseits von 29 Aiakiden und mütterlicherseits von den Alkmaioniden abstammt, das als das größte und älteste Geschlecht in Athen und in ganz Griechenland galt.279 Außerdem war er auf seine Freunde stolz, denn, wie man sagt, wurde er in ganz Griechenland beliebt und gewann die meisten von ihnen als Freunde. 5 Darüber hinaus rühmte er sich zurecht des Perikles, der sein Vormund war und die größte Macht im Vaterland besaß, über den der Geschichtsschreiber sagt: „E s w a r d e m N a m e n n a c h e i n e V o l k s h e r r s c h a f t , i n W i r k l i c h k e i t e i n e H e r r s c h a f t d e s E r s t e n M a n n e s . “280 Und der Komödiendichter sagt über ihn: „B e i m R e d e n h o l t e e r d i e R e d n e r v o n s e c h z e h n F u ß [ E n t f e r - 10 n u n g ] e i n . “281

Das sind also die Gründe, warum [Sokrates] sagt, dass Alkibiades die anderen verachtet. Da aber einen Jüngling zu loben ihm einen Grund für seine Verachtung liefert (denn das macht ihn noch eigensinniger); zudem jemanden in seiner Anwesenheit [zu loben] ein Zeichen der Schmeichelei ist (denn einige loben die Anwesenden, während sie ihnen gleichzeitig schmeicheln); ferner den Gelieb- 15 ten zu loben ihn überheblich macht, warum lobt Sokrates Alkibiades, der jung, anwesend und beliebt ist, aus diesen Gründen?282 Dazu sagen wir, dass, was in diesen Aussagen des Sokrates wie Belobigung erscheint, in der Tat Tadel und Widerlegungen sind. Denn [Sokrates] fand es nötig, ihm einige gemischte Widerlegungen zu bieten, bevor er zu den ungemischten und enthüllten kommt, 20 damit er seine Beute nicht erschreckt, sondern sich – wie die erfahrenen Jäger – ohne Geräusche der Beute annähert.283 Außerdem ist ein solches Verhalten der 30 sokratischen Gesinnung passend. Denn, wie öfters erwähnt wurde,284 sokratische Ermahnungen gleichen mit Honig verabreichten kathartischen Sprüchen und nicht den [Arten der Katharsis] bei den anderen, die wie Schnitte und Verbrennungen derÄrzte sind. Darüber hinaus, wenn er bei seinen Lobesworten

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C. Text und Übersetzung

ἐν τοῖς ἐπαίνοις καταριθμεῖται, αὗται δὲ καὶ ἐπαινεταί εἰσι καὶ ψεκταί· ψεκταὶ μὲν ὡς ἐκ φύσεως καὶ οὐκ ἀσκήσεως προσγινόμεναι καὶ διὰ τοῦτο πολλάκις καὶ ἀνδραπόδοις προσοῦσαι, διὸ καὶ ἀ ν δ ρ α π ο δ ώ δ ε ι ς τὰς τοιαύτας ἀρετὰς ὁ Πλάτων ἐκάλεσεν· ἐπαινεταὶ δέ εἰσι καθὸ ἀρεταὶ καὶ αὗται λέγονται, πᾶσα γὰρ ἀρετὴ ἐπαινετή. ὅτι δὲ συμμιγεῖς τοῖς ἐπαίνοις οἱ ἔλεγχοι παραδίδονται, δῆλον ἐντεῦθεν. φησὶ γὰρ ἀρχόμενος τούτων ‘ὡς φ ῄ ς ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ὡς σὺ λέγεις καὶ οὐκ ἐγώ’, κατὰ τὸν τραγικόν, ‘σοῦ τάδε, κοὐκ ἐμοῦ κλύεις’.

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εἶτα δὲ ὅτι ‘καὶ λέγεις μ η δ ε ν ὸ ς ε ἰ ς ο ὐ δ ὲ ν δ ε ῖ σ θ α ι ’ ·| προπετῆ γὰρ αὐτὸν εἶναι διὰ τούτων αἰνίττεται, εἴγε ὑπερβαίνει τὴν ἀνθρωπίνην ἀσθένειαν τοῦτο, καὶ μάλιστα τὸν Ἀλκιβιάδην φιλότιμον ὄντα καὶ πρὸς ἅπαντας ὁρῶντα, μόνου γὰρ θεοῦ τὸ μὴ δεῖσθαι. τρίτον ὅτι φησί· ‘τ ὰ ὑ π ά ρ χ ο ν τ ά σ ο ι μ ε γ ά λ α νομίζεις ε ἶ ν α ι καὶ ἐπὶ τούτοις μεγάλα φρονεῖς’, ἀντὶ τοῦ ‘οὐκ ἐπὶ σαυτῷ σεμνύνῃ, ἀλλὰ ἐπὶ τοῖς ἔξωθεν, σαυτὸν ἐν οὐδενὶ λόγῳ κατὰ τὸ Μεγαρικὸν ποιησάμενος’. τέταρτον ὅτι ‘ἀπὸ τῶν σωματικῶν ἀγαθῶν ἀρξάμενος καὶ τελευτῶν εἰς τὰ ψυχικὰ μεγάλα φρονεῖς, ὅπερ οὐκ ἔδει. νομίζεις γάρ’, φησίν, ‘σαυτὸν εἶναι κάλλιστον, ἐπὶ κάλλει δ’, ὀπώρᾳ ὄντι, οὐ προσῆκεν σεμνύνεσθαι’. ἐπεὶ καὶ Πλάτων ἐν τῷ Λαΐδος ἐπιγράμματί φησιν· ‘τῇ Παφίῃ τὸ κάτοπτρον· ἐπεὶ τοίη μὲν ὁρᾶσθαι ο ὐκ ἐ θέλει, οἵ η δ ’ ἦ ν π ά ρ ος ο ὐ δ ύν α τ αι ’.

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δηλοῖ γὰρ ἐν τούτῳ μὴ δεῖν ὡς ἐπὶ μονίμῳ τῷ κάλλει μέγα φρονεῖν. πάλιν δέ φησιν ὅτι ‘καὶ ἐπὶ εὐγενείᾳ φρονεῖς’, ὡς εἰ ἔλεγεν, ‘ἐπὶ τοιούτῳ σεμνύνῃ ἐφ’ οὗ ἄδηλον εἰ ὁ προπάτωρ πρὸ κεʹ προγόνων δοῦλος ἦν’. ἄλλος δὲ ἔλεγχος ἐν οἷς φησὶν ὅτι ‘νομίζεις τοὺς φίλους ὑπηρέτας εἶναί σοι’· εἰ γὰρ κατὰ τοὺς Πυθαγορείους ‘ φ ι λ ό τ α ς ἰ σ ό τ α ς ’ καὶ κατὰ Ἀριστοτέλην ‘ φ ί λ ο ς ἄ λ λ ο ς ἐ γ ώ ’ , τί μᾶλλον ἡμῖν ὑπηρετήσουσιν ἐκεῖνοι ἤπερ ἡμεῖς αὐτοῖς; ‘ἐπὶ δὲ Περικλεῖ τῷ ἐπιτρόπῳ οὐκ εἰκότως φρονεῖς μέγα’, εἴγε ἐδείχθη οὗτος ἐν Γοργίᾳ μὴ ὢν πολιτικός. οὐδὲ γὰρ καλοὺς καὶ ἀγαθοὺς τοὺς πολίτας ἐποίησεν, ἀλλὰ τοὐναντίον χείρους· φρόνημα γὰρ αὐτοῖς φλεγμαίνουσιν ἐντέθεικεν νεώρια καὶ λιμένας καὶ

31, 13 Olymp. ἐθέλει / ἐθέλω Plat. Epigr. 15,4 (Anth. Gr. 6.1,4). 13 Olymp. δύναται / δύναμαι Plat. Epigr. 15,4 (Anth. Gr. 6.1,4).

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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die natürlichen Tugenden285 aufzählt, sind diese sowohl lobenswert als auch tadelnswert.286 Sie sind tadelnswert, denn diese [Tugenden] entstehen aus der Natur und nicht aus der Einübung287, daher gelingen sie öfters auch den Sklaven, weshalb Platon solcheTugenden s k l a v i s c h genannt hat.288 Andererseits sind sie lobenswert, insofern auch sie Tugend genannt werden, denn alle Tugenden sind lobenswert. Dass die [sokratischen] Widerlegungen gemischt mit Lobesworten übermittelt werden, wird hieraus deutlich. Er sagt nämlich am Anfang seiner [Rede] „wie d u s a g s t “289, anstelle von: „wie du sagst und nicht ich“290, wie der Tragödiendichter:

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„V o n d i r , n i c h t v o n m i r h ö r s t d u d a s . “291

Danach [sagt er]: „Du behauptest, d u h ä t t e s t k e i n e n e i n z i g e n M e n s c h e n f ü r i r g e n d e t w a s n ö t i g “292. Damit deutet er darauf, dass 31 er voreilig ist, da dies die menschlichen Kräfte überschreitet293, besonders die von Alkibiades, der ehrliebend ist und auf alle Menschen achtet294: Denn nur Gott benötigt nichts. Drittens, weil er sagt: „Du denkst nämlich, d a s s d i e 5 V o r z ü g e , ü b e r d i e d u v e r f ü g s t , s e i e n s o g r o ß und du bist sehr stolz auf diese“295, in dem Sinne wie: „Nicht deines Selbst, sondern der äußerlichen Dinge rühmst du dich, denn von dir selbst sprichst du in keinem Wort, wie nach dem megarischen Spruch296“. Viertens [sagt er]: „Auf deine Güter, angefangen mit den körperlichen und abschließend mit den seelischen, bist du besonders stolz, was du nicht tun solltest. Du glaubst nämlich“, sagt er, 10 „der Schönste zu sein; allerdings ist es nicht angemessen, sich der Schönheit zu rühmen, die vergänglich ist.“297 Denn auch Platon schreibt in dem Epigramm über Lais: „[weiht] s e i n e n S p i e g e l A p h r o d i t e , d e n n s i e w i l l s i c h n i c h t sehen so, wie sie jetzt ist, und kann sich nicht sehen, wie s i e e i n s t w a r .298“

Daraus wird deutlich, dass es sich nicht ziemt, auf die Beständigkeit der Schönheit stolz zu sein. Ferner sagt [Sokrates]: „Auch auf deine gute Abstam- 15 mung bist du stolz“, als ob er sagen wollte: „Du rühmst dich einer solchen Sache, aufgrund deren es nicht ganz unmöglich wäre, dass dein Vorfahre vor 25 Generationen ein Sklave war.“299 Eine weitere Widerlegung in seinen Aussagen ist: „Du denkst, deine Freunde sind deine Gehilfen“.300 Denn, wenn nach den Pythagoreern „F r e u n d s c h a f t G l e i c h h e i t “ 301 und nach Aristoteles „F r e u n d e i n a n d e r e s S e l b s t “ 302 ist, warum sollen sie [Freunde] unsere 32 Gehilfen sein, mehr als wir ihre? „Du bist nicht zurecht stolz auf Perikles, deinen Vormund“, zumal wenn es im Gorgias aufgezeigt wurde, dass dieser kein [richtiger] Politiker ist.303 Denn er hat die Bürger nicht zu edlen und tüchtigen [Menschen] gemacht, sondern im Gegenteil zu schlechteren: Er verlieh denen

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C. Text und Übersetzung

συμμάχους περιποιήσας αὐτοῖς· καὶ ὁ κωμικὸς δέ φησιν, Ἀριστείδην μόνον ἐπαινῶν ὡς μηδενὸς ἀγαθοῦ γενομένου μετ’ αὐτόν. Ἀλλ’ ἐπειδὴ πᾶσα ψευδὴς δόξα ἐξ ἀληθοῦς ἔχει τὴν ἀρχήν (ἀπόπτωσις γὰρ ὂν τὸ ψεῦδος τοῦ ἀληθοῦς παρυφίσταται αὐτῷ καὶ ἐξ αὐτοῦ ἤρτηται μὴ δυνάμενον αὐθυπόστατον εἶναι· τὸ γὰρ ἀληθὲς διὰ περιουσίαν δυνάμεως καὶ τὸ ἀντικείμενον ψεῦδος ἑαυτῷ ἔχρωσεν καὶ οὐδὲ παντελῶς ἀμαύρωσις ἐγένετο τῶν κοινῶν ἐννοιῶν), ῥητέον πόθεν ὁ Ἀλκιβιάδης τὸ φαινόμενον ἀγαθὸν μέγιστον ἐνόμιζεν εἶναι καὶ τούτῳ μεγάλα ἐφρόνει. φαμὲν οὖν ὅτι ἐπὶ κάλλει ἐμεγαλαύχει τὸ νοητὸν κάλλος ἐννοῶν καὶ φαντασίαν μὲν ἔχων αὐτοῦ, μὴ δυνάμενος δὲ ἀληθῶς ἐφικέσθαι περὶ τὸ αἰσθητὸν τοῦτο καὶ φαινόμενον ἐσκιαμάχει, κατὰ τὸ ποιητικὸν ‘ἀμφὶ δ’ ἄρ’ εἰδώλῳ Τρῶες καὶ δῖοι Ἀχαιοὶ δῄουν ἀλλήλοισιν ἐπὶ στήθεσσι βοείας ἀ σπί δας’.

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ἐπὶ εὐγενείᾳ δὲ πάλιν ἐσεμνύνετο, ἐπειδὴ καὶ ἐν τῷ παντὶ τὰ ἐξ εὐγενεστέρας αἰτίας προελθόντα τιμιώτερα καὶ κρείττω καθέστηκεν. οὕτω γὰρ καὶ ὁ Πλάτων τὰ μὲν ἐξ ἀκινήτου αἰτίας ἀΐδιά φησι καὶ ἄφθαρτα. ἐπὶ δὲ φίλοις, διότι καὶ ἡ τῶν πάντων ἀρχή, μία οὖσα | καὶ ἕν, ἥνωται· τοιαύτη δὲ καὶ ἡ φιλία, ἕνωσίς τις οὖσα, πρὸς τῷ ἑνί ἐστιν. ἐπὶ δὲ Περικλεῖ ἐπιτρόπῳ, ὡς ἔννοιαν ἔχων τοῦ εἰληχότος· ἐπιτροπεύει γὰρ κἀκεῖνος ἡμᾶς. τελευταῖον δέ φησιν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘καὶ πλούσιος ὤν, ὦ Ἀλκιβιάδη, ὡς ὑπερορῶν χρημάτων καὶ φιλότιμος ὢν οὐκ ἀξιοῖς ἐπὶ τῷ πλούτῳ μέγα φρονεῖν’. ὅτι γὰρ ὑπερορᾷ, δῆλον· λέγεται γὰρ ὅτι ποτὲ τῶν Ἀθηναίων ἐκκλησιαζόντων περὶ πόρου χρημάτων αὐτεπάγγελτος οἴκοθεν ἐπιδέδωκε δέκα τάλαντα. κρεῖττον δὲ τὸ φιλότιμον τοῦ φιλοχρημάτου καὶ φιληδόνου, ἐπειδὴ ὁ μὲν θυμός, ἐξ οὗ τὸ φιλότιμον, χωριστὸν ἔχει τέλος, ὄρεξις γάρ ἐστιν ἀντιλυπήσεως καὶ ἔφεσις τοῦ ἀμύνασθαι τὸν προαδικήσαντα· ἡ δὲ ἐπιθυμία, ὅθεν τὸ φιλοχρήματον καὶ φιλήδονον, οὐ χωριστὸν ἔχει τὸ τέλος, ἀλλ’ ἐγκατακέχωσται τῷ σώματι, ἢ τὸ λεῖπον ἀναπληροῦσα, οἶον σιτία καὶ ποτὰ καὶ τὰ τοιαῦτα ἔξωθεν ἐπεισάγουσα, ἢ τὸ περιττεῦον ἀποκρίνουσα, ὡς ἐν τοῖς ἀφροδι-

32, 18 Olymp. ἀλλήλοισιν / ἀλλήλων Hom. Il. V,452.

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nämlich Übermut, als sie wütend waren, indem er sie mit Schiffswerften, Häfen und Verbündeten versorgt hat.304 Außerdem sagt der Komödiendichter, indem er nur Aristeides lobt, dass nach ihm niemand ein guter [Politiker] gewesen ist.305 Da ja alle falschen Ansichten aus einer richtigen hervorgehen, (denn das Falsche, als eineAbweichung des Richtigen, entsteht als eine Folge davon und ist von ihm abhängig, da es nicht imstande ist, sich selbst zu behaupten. Die Wahrheit aber, durch den Überfluss ihres Vermögens306, beeinflusst sogar ihr Gegenteil, das Falsche, zu ihrem Zweck und es entsteht nicht etwas wie eine völlige Verfinsterung der Gemeinbegriffe307) müssen wir erklären, aus welchem Grund Alkibiades das scheinbar Gute für das größte hielt und darauf besonders stolz war.308 Dazu sagen wir, dass er die intelligible Schönheit in seinem Sinn hatte, als er mit seiner Schönheit prahlte und da er zwar eine Vorstellung davon besaß, zu ihr jedoch im wahren Sinne nicht gelangen konnte, führte er für diese Wahrnehmung und die Erscheinung einen Schattenkampf309 durch, wie im Gedicht:

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„U n d u m d i e s A b b i l d z e r h i e b e n e i n a n d e r d i e T r o e r und die göttlichen Achaier um die Brust die Rindshäute: D i e S c h i l d e “310

Erneut, er rühmte sich seiner guten Abstammung, denn auch im Universum 20 gelten die Dinge, die aus Gründen mit besserer Abstammung entstehen, als beachtlicher und überlegener. Dementsprechend sagt auch Platon, dass, was aus unbewegten Ursachen entsteht, ewig und unvergänglich ist.311 Seiner Freunde 33 [rühmte er sich], da die Ursache von allem, die Eins und einzeln ist, auch in sich vereint.312 So ist auch die Freundschaft, da sie als eine Art Vereinigung nach dem Einen gerichtet ist. Er [rühmte sich] seines Vormunds, des Perikles, als hätte er einen Begriff des zugeteilten [Daimons]. Denn auch dieser [sc. Daimon] ist ein Vormund für uns.313 Schließlich sagt Sokrates: „Du bist auch reich, Alkibiades, 5 aber da du auf das Geld herabblickst und ehrliebend bist, legst du keinen Wert darauf, auf den Reichtum stolz zu sein“. Denn es ist bekannt, dass er darauf herabblickt. Man erzählt nämlich, als die Athener eine Volksversammlung zur Beschaffung von Geldmitteln [für Polis] hielten, hat er freiwillig zehn Talente aus eigenem Haus ausgehändigt.314 Doch ist die Ehrliebe überlegen gegenüber der Geldliebe oder der Vergnügungsliebe,315 da die Willenskraft, woraus die Ehrliebe [entsteht], ein [von dem Körper] trennbares Ziel hat – nämlich das 10 Streben316, Leid zu vermeiden und den Trieb danach, uns gegen diejenigen zu verteidigen, die uns früher Unrecht getan haben. Das Ziel der Begierde aber, woraus die Geldliebe und Vergnügungsliebe entstehen, ist kein getrenntes [vom Körper], sondern wird vom Körper unterdrückt, entweder durch die Ausfüllung des Mangelnden, wie zum Beispiel Essen, Trinken und anderer ähnlicher Dinge,

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C. Text und Übersetzung

σίοις τὸ σπέρμα. καὶ ἄλλως δὲ ὁ θυμὸς ἐπιθυμίας τιμιώτερος· μαχομένου γὰρ τοῦ λόγου καὶ τῆς ἐπιθυμίας σύμμαχος τῷ λόγῳ γίνεται καὶ ὡς εὐγενὴς στρατιώτης καὶ γενναῖος ὑπὲρ αὐτοῦ κατὰ τῆς ἐπιθυμίας τὰ ὅπλα προβάλλεται.

103B Σχεδὸν οὖν κατανενόηκα: σύμφωνος ἡ λέξις τοῖς παρ’ ἡμῶν εἰρημένοις. πάρεστι γὰρ ὁ Σωκράτης διὰ τούτων τοῦ πρώτου τὴν αἰτίαν ἀποδιδούς, λέγω δὲ τοῦ ἐρᾶν· τὸ μὲν οὖν ‘ σ χ ε δ ὸ ν ’ εἴρηται διὰ τὸν Ἀλκιβιάδην, τὸ δὲ ‘ κ α τ α ν ε ν ό η κ α ’ δι’ αὐτὸν Σωκράτην. εἰ γὰρ μὴ οὕτως ἀκούσωμεν, ἐναντίον ἔσται πῶς ‘ σ χ ε δ ό ν ’ φησι καὶ ‘ κ α τ α ν ε ν ό η κ α ’ · τοῦτο γὰρ οὐκ ἐπιστημονικόν, τῷ δὲ Ἀλκιβιάδῃ νέῳ ὄντι ἁρμόζει τὸ | ‘ σ χ ε δ ό ν ’ . ἢ καὶ ἄλλως πρὸς πειθὼ μᾶλλον ἠθικῶς κεῖται, ὥσπερ ἄνω τὸ ‘ ο ἶ μ α ι ’ . Ὡς πρὸς τοὺς ἐραστὰς ἔσχες: σαφῶς ἐνταῦθα νοεῖν ἐστιν τὴν δευτέραν αἰτίαν, ὅτι διὰ τὸ καταφρονητικῶς ἔχειν πρὸς τοὺς ἄλλους ἐραστὰς τὸν Ἀλκιβιάδην φησὶν ὁ Σωκράτης ἐρᾶν. Πολλῶν γὰρ γενομένων καὶ μεγαλοφρόνων: ζητητέον πῶς ἐνταῦθα μ ε γ α λ ό φ ρ ο ν α ς ἐκάλεσε τοὺς φορτικοὺς ἐραστάς. ἢ λέγομεν ὅτι καθάπερ ἐπὶ τοῦ ἔρωτος πρώην εἰρήκαμεν, ὅτι διὰ περιουσίαν δυνάμεως καὶ τὸ ἀντικείμενον ἔχρωσεν, ὥστε καὶ ἑνὶ ὀνόματι ἄμφω προσαγορεύεσθαι ἐραστάς, οὕτω καὶ νῦν φαμέν, ὅτι ἡ μεγαλοφροσύνη καὶ τῷ ἐναντίῳ μεταδέδωκεν ἑαυτῆς, ὥστε καὶ τοὺς φορτικοὺς ἐραστὰς μ ε γ α λ ό φ ρ ο ν α ς ὀνομάζεσθαι. σημειωτέον δὲ ὅτι πανταχοῦ οἰκείοις ὀνόμασι τῷ νέῳ κέχρηται. ἐπειδὴ γὰρ οἶδεν αὐτὸν ἐπὶ τὰ κοινὰ σπαργῶντα παρελθεῖν καὶ στρατηγικῆς ἐφιέμενον, τοιαῦτα τίθησιν ὀνόματα δι’ ὧν ὁ νέος ἐλπίζει περὶ τῶν προσδοκωμένων αὐτῷ διαλήψεσθαι. νῦν γάρ φησι ‘ μ ε γ α λ ο φ ρ ό ν ω ν ’ , εἶτα ‘ ὑ π ε ρ β λ η θ ε ὶ ς τ ῷ φ ρ ο ν ή μ α τ ι ’ , πάλιν δὲ τὸ ‘ π έ φ ε υ γ ε ν ’ , ἅτινα πάντα πολιτικῷ πρέποντά ἐστιν.

104A Τὸν δὲ λόγον ᾧ ὑπερπεφρόνηκας ἐθέλω διελθεῖν: διὰ τούτων ἐθίζει τὸν νέον ὁ Σωκράτης κατ’ αἰτίαν ζῆν. ἴσως γὰρ ὁ Ἀλκιβιάδης οὐ διὰ σεμνότητα καὶ μεγαλοφροσύνην κατεφρόνησεν τῶν ἄλλων ἐραστῶν,

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die von außen [in den Körper] kommen, oder durch das Ausscheiden dessen, 15 was [im Körper] im Übermaß ist, wie Samen im Geschlechtsverkehr. Auch auf eine andere Art und Weise ist die Willenskraft ehrwürdiger als die Begierde. Denn, wenn die Vernunft und die Begierde miteinander kämpfen, wirkt die Willenskraft wie ein Verbündeter für die Vernunft und wie ein Soldat mit guter Abstammung und edlem Charakter, benutzt er seine Waffen an der Seite der Vernunft und gegen die Begierde.317 103B Nun habe ich ziemlich genau gemerkt318: Der Text ist in Übereinstimmung mit unseren Aussagen. Denn Sokrates ist dabei, durch diese Worte 20 den Grund des Ersten anzugeben, ich meine, des Liebens.319 Einerseits wird „z i e m l i c h g e n a u “ für Alkibiades gesagt, andererseits „g e m e r k t “ für Sokrates selbst. Wenn wir das nämlich nicht so verstanden hätten, wäre es umgekehrt, in welchem Sinne er „z i e m l i c h g e n a u “ und „g e m e r k t “ gesagt hat. Denn dieser [Ausdruck] gehört sich nicht zu einem Wissenden, aber für Alkibiades ist „z i e m l i c h g e n a u “ passend, da er jung ist. Oder 34 andersrum, es wird vielmehr im ethischen Sinne für Überzeugungskraft benutzt, wie oben bei „i c h g l a u b e “ 320. Wie du dich deinen Liebhabern gegenüber verhieltest321: Der zweite Grund [der Liebe] ist hier deutlich zu erkennen: Denn Sokrates sagt, dass er Alkibiades aufgrund seines verächtlichen Verhaltens gegenüber [seinen] an- 5 deren Liebhabern liebt.322 So zahlreich und stolz sie auch waren323: Es muss untersucht werden, warum er hier die gemeinen Liebhaber s t o l z nannte.324 Wir sagen wohl, dass es aus dem Grund, was wir über die Liebe vorhin325 gesagt haben, nämlich, dass sie dank Überfluss [ihres] Vermögens326 auch ihren Gegensatz beeinflussen kann, sodass beide [sc. der göttlich inspirierte und der gemeine] auch mit einem Namen als Liebhaber angesprochen werden. Genauso sagen wir auch jetzt, dass 10 der Stolz auch seinem Gegensatz einen Teil von sich abgibt, sodass auch die gemeinen Liebhaber als s t o l z bezeichnet werden. Bemerkenswert ist es, dass er dem Jüngling gegenüber in allen Fällen bekannte Begriffe327 gebraucht hat. Da er weiß, dass er danach trachtet, öffentliche Ämter anzutreten, und das Strategenamt erstrebt, hat er solche Begriffe genommen, durch die der Jüngling 15 hofft, dass er die [Aufgaben] einzeln besprechen wird, die ihn erwarten. Denn er sagt jetzt „s t o l z e M e n s c h e n “ und danach „v o n d e i n e m S e l b s t b e w u s s t s e i n b e z w u n g e n “ 328 und dann „d i e F l u c h t e r g r i f f e n “ 329, die alle passend zu einem Politiker sind. 104A Den Grund, weswegen du dich so hochmütig gebärdet hast, will ich dir darlegen330: Sokrates bringt dem Jüngling durch diese Worte bei, das 20 Leben nach einem Grund zu führen. Denn wahrscheinlich missachtete Alkibiades die anderen Liebhaber nicht aufgrund [seiner] Erhabenheit und

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ἀλλὰ διὰ χαυνότητα ψυχῆς· ὁ δὲ ὡς ἐκείνου μετὰ αἰτίας καταφρονήσαντος αὐτῶν, οὕτω φησίν, οὐκ ἀγνοίᾳ ἀλλὰ ἀπορρήτῳ μᾶλλον ἐπιστήμῃ, προσβιβάζων αὐτὸν κατ’ αἰτίαν , ὡς εἴρηται , ζῆν. λέγει γὰρ ὅτι ‘ τ ὸ ν λ ό γ ο ν κ α θ ’ ὃ ν ὑ π ε ρ π ε φ ρ ό ν η κ α ς ’ · οὐ πάντως δὲ λόγῳ τινὶ κατεφρόνησεν αὐτῶν. Οὐδενὸς φῄς: ἐντεῦθεν μὲν οἱ δοκοῦν|τες ἔπαινοι, συμμιγεῖς δὲ ἔλεγχοι παραδίδονται· πρῶτος γὰρ ‘ὡς σὺ φής’. Ἐνδεὴς εἶναι εἰς οὐδέν: δεύτερος ἔλεγχος· οὐ γὰρ ἀνθρωπίνης δυνάμεως τὸ μὴ δεῖσθαι μηδενὸς εἰς οὐδέν, καὶ μάλιστα τοῦ Ἀλκιβιάδου πολιτικοῦ καὶ δημαγωγοῦ βουλομένου εἶναι κἀντεῦθεν πολλῶν δεομένου. Τὰ γὰρ ὑπάρχοντα: τρίτος ἔλεγχος. Ἀπὸ τοῦ σώματος ἀρξάμενα: τέταρτος ἔλεγχος, εἴγε δείκνυται διὰ τούτου προτιμῶν τὰ σωματικὰ ἀγαθὰ τῶν ψυχικῶν. Οἴει γὰρ δὴ εἶναι: ‘οὐ γάρ’, φησίν, ‘ἀκριβῶς ἐπίστασαι, ἀλλὰ νομίζεις μόνον’. Πρῶτον μὲν κάλλιστός τε καὶ μέγιστος: τοῦτο πρῶτον τῶν κατειλεγμένων δʹ ἐν τῇ θεωρίᾳ ἐφ’ οἷς ὁ Ἀλκιβιάδης μέγα φρονῶν ὑπερεῖδεν τοὺς ἐραστάς, ὅτι καλός. Παντὶ δῆλον ἰδεῖν, ὅτι οὐ ψεύδῃ: λεληθότως ἐνταῦθα σκώπτει τὸν Ἀλκιβιάδην καὶ οὐχ ὥσπερ φαίνεται ἐπαινεῖ. ὥσπερ γὰρ τὸ ἐν τῷ θεῷ ἀγαθὸν ἄρρητόν ἐστιν, οὕτω δὴ καὶ τὸ ἐν ἡμῖν ἀγαθὸν μετέχει ἀρρήτου τινός. εἰ δὲ νῦν φησὶ περὶ τοῦ προσόντος τῷ Ἀλκιβιάδῃ ὅτι π α ν τ ὶ δ ῆ λ ο ν ἰ δ ε ῖ ν , δῆλον ὅτι φαῦλον τοῦτο καὶ οὐκ ἀληθῶς ἀγαθόν, ὥστε κἀν τούτοις ἔλεγχός ἐστιν. Ἔπειτα νεανικωτάτου γένους: δεύτερον τοῦτο ἐφ’ ᾧ φρονῶν ὁ Ἀλκιβιάδης ὑπεροπτικὸς τῶν ἄλλων ἐρα|στῶν ἐγένετο. εἰρήκαμεν δὲ κἀνταῦθα ἔλεγχον εἶναι· τί γὰρ εἰ πρὸ κεʹ γενεῶν προπάτωρ δοῦλος ἦν; Καὶ ἐνταῦθα πρὸς πατρός τέ σοι φίλους: τρίτον ἐστὶ τοῦτο δι’ ὃ τῶν ἄλλων κατεφρόνησεν. Οἳ εἴ τι δέοι ὑπηρετοῖεν ἄν σοι: κἀνταῦθα ἄλλος ἔλεγχος· οὐδὲν γὰρ ἧττον ἡμεῖς τοῖς φίλοις ὑπηρετήσομεν ἤπερ ἡμῖν ἐκεῖνοι, εἴγε

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Stolz, sondern wegen einer grundlosen Eitelkeit der Seele.331 Dagegen spricht er [sc. Sokrates] so, als ob er mit einem Grund die anderen missachtet und nicht aufgrund [seiner] Unwissenheit, sondern vielmehr aufgrund eines Wissens, das jenseits des Sagbaren ist332 – So bringt er ihn dazu, ein nach dem eigenen Zweck gestaltetes Leben zu führen, wie bereits erwähnt wurde.333 Denn er sagt: „d e n G r u n d , w a r u m d u d i c h s o h o c h m ü t i g g e b ä r d e t h a s t “. Er aber 25 missachtete die anderen durchaus ohne einen bestimmten Grund. Du sagst, niemanden334: [Diese Aussagen] hier scheinen wie Lobesworte, 35 sie sind aber gemischt mit Widerlegung übermittelt.335 Denn am Anfang [sagt er]: „wie du sagst“336. Du hättest keinen einzigen Menschen für irgendetwas nötig337: Die zweite Widerlegung: Denn es liegt nicht am menschlichen Vermögen, niemanden für irgendetwas zu brauchen, und am meisten [gilt es] fürAlkibiades, der ein Politiker und Volksredner werden möchte und daher Vieles338 nötig hat. 5 Denn die Vorzüge, über die du verfügst339: Die dritte Widerlegung. Vom Körper angefangen340: Die vierte Widerlegung, da er durch diese zeigt, dass er [sc. Alkibiades] die körperlichen Güter den seelischen bevorzugt. Denn du glaubst nämlich, dass [du] bist341: Er sagt: „Du weißt das aber nicht genau, sondern du vermutest nur.“342 10 Erstens der Schönste und Stattlichste343: Das ist der erste der vier Anklagepunkten in der theoretischen Untersuchung,344 aufgrund deren Alkibiades stolz war und auf seine Liebhaber herabblickte, nämlich [seine] Schönheit. Kann jedermann sehen, dass du nicht lügst345: Hier verspottet er Alkibiades heimlich und lobt ihn nicht, auch wenn es so scheint. Denn wie 15 das Gute im Gott jenseits des Sagbaren ist,346 so hat auch das Gute in uns einen Teil an etwas, das jenseits des Sagbaren ist. Wenn er jetzt über [das Gute], das Alkibiades zukommt, sagt, dass j e d e r e s d e u t l i c h s i e h t , leuchtet es ein, dass es ein geringes und nicht das wahrhaft Gute ist, sodass sich auch in diesen [Aussagen] eine Widerlegung befindet. Als nächstes [gehörst du] dem stärksten Geschlecht347: Das ist der 20 zweite [Grund], aufgrund dessen Annahme Alkibiades überheblich gegenüber 36 seinen anderen Liebhabern wurde. Wir haben bereits gesagt,348 dass es sich auch hier eine Widerlegung befindet. Denn was wäre, wenn sein Vorfahre vor 25 Generationen ein Sklave war? Und hier von der Seite deines Vaters Freunde [zu haben]349: Hier ist der dritte [Grund], warum er die anderen verachtet. 104B Die dir, falls erforderlich, beistehen würden350: Auch hier ist eine 5 andere Widerlegung: Denn nicht weniger kommen wir unseren Freunden zu

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C. Text und Übersetzung

‘ φ ι λ ό τ α ς ἰ σ ό τ α ς ’ κατὰ τοὺς Πυθαγορείους καὶ ‘ φ ί λ ο ς ἄ λ λ ο ς ἐ γ ὼ ’ κατὰ Ἀριστοτέλην. Ξυμπάντων δὲ ὧν εἶπον μείζω οἴει σοι δύναμιν: ἰδοὺ κἀνταῦθα ἀκολούθως τοῖς ῥηθεῖσιν οἰκείαν πάλιν τῷ νέῳ τέθεικεν λέξιν εἰπὼν ‘ ο ἴ ε ι σ ο ι δ ύ ν α μ ι ν ’ , ἥτις στρατηγικοῖς ἁρμόδιος· τούτων δὲ ὁ νέος ἐφίεται γενέσθαι. πολλάκις δὲ εἰρήκαμεν ὅτι ὁ Σωκράτης διὰ τῶν ὁμοίων πειρᾶται μετάγειν ἐπὶ τὰ δέοντα τοὺς προσδιαλεγομένους. διὰ γὰρ τούτου μόνον οὐ βοᾷ· ‘μάθε τίς ἡ ὄντως δύναμις, ὅτι ἡ ἐπιστήμη’. ὡς γὰρ ἐν Θεαιτήτῳ φησίν, ‘ ἐ π ι σ τ ή μ η ς δ ’ ἐ ν ο ύ σ η ς ἐ ν ψ υ χ ῇ δ υ ν α τ ώ τ ε ρ ο ν ο ὐ δ έ ν ’ · μόνη γὰρ αὕτη καὶ ἡ εὐζωΐα οὔτε ἁλίσκεται ὑπὸ τυράννων οὔτε ἀφαιρεῖται. Προσθήσω δ’ ὅτι καὶ τῶν πλουσίων: ταύτην δευτέραν αἰτίαν φησὶν ὁ Σωκράτης τοῦ ἐρᾶν Ἀλκιβιάδου μετὰ τὴν πρώτην, ἥτις εἰς δʹ διῄρητο· αὕτη δέ ἐστιν ὅτι καὶ πλούτῳ μέγας ὁ Ἀλκιβιάδης καὶ πολλῶν πλουσίων μείζων. ἀναιρεῖ δὲ αὐτὴν εὐθέως διὰ τῆς ἑξῆς λέγων· ‘ δ ο κ ε ῖ ς δ έ μ ο ι ἥ κ ι σ τ α ἐ π ὶ τ ο ύ τ ῳ μ έ γ α | φ ρ ο ν ε ῖ ν ’ . ‘οὐδαμῶς’ γάρ φησιν ‘διὰ πλοῦτον μέγα φρονεῖς, οὐ σεμνύνῃ γὰρ ἐπὶ τούτῳ, ἅτε μὴ ὢν φιλοχρήματος’. Κεκράτηκας τῶν ἐραστῶν: κἀν τούτοις πάλιν ὁ Σωκράτης δελεάζει τῇ τῶν ὀνομάτων οἰκειότητι τὸν νέον πρὸς τὸ ἀνέχεσθαι αὐτοῦ. φησὶ γὰρ ‘ κ ε κ ρ ά τ η κ α ς ’ καὶ αὖθις ‘ ὑ π ο δ ε έ σ τ ε ρ ο ι ὄ ν τ ε ς ἐ κ ρ α τ ή θ η σ α ν ’ · ταῦτα δὲ πάντα ὁ Ἀλκιβιάδης ἠσπάζετο. Καί σε ταῦτα οὐ λέληθεν: διὰ τούτων ἐπιστρέφει τὸν Ἀλκιβιάδην ὁ Σωκράτης πρὸς ἑαυτὸν καὶ πρὸς τὸ ἑαυτὸν γνῶναι, πρόσφορα ποιῶν τῷ τοῦ διαλόγου σκοπῷ. ἄλλως τε καθάπερ τὸ γνῶναι ἑαυτὸν ἀποκαταστατικόν ἐστιν, οὕτως καὶ ὁ λόγος διὰ τοῦ παρόντος ῥησιδίου καὶ τοῦ ἑξῆς ἀποκαταστατικός ἐστιν. ἐν μὲν γὰρ τῇ ἀρχῇ ἔφη ὅτι ‘ ο ἶ μ α ί σ ε θ α υ μ ά ζ ε ι ν ’ , καὶ νῦν δὲ τοῦτό φησιν ὅτι ‘οὐ λέληθέν σε’. Εἶτα συναγωγὴ τῶν Σωκράτους λόγων διὰ τοῦ ‘ὅθεν δ’ εὖ οἶδα ὅτι θαυμάζεις’· καὶ ἄξιον θαυμάσαι, πῶς ἐν ἀρχῇ μὲν πρὸ τῶν ἀποδείξεων ἐνδοιαστικῶς τέθεικεν τὸ ‘ θ α υ μ ά ζ ε ι ς ’ , τὸ ‘ ο ἶ μ α ι ’ προσθείς, νῦν δὲ μετὰ τὰς ἀποδείξεις ἀποφαντικῶς εἶπεν τὸ ‘ ε ὖ ο ἶ δ α ’ · προσφορώτατα γὰρ ἀμφοτέροις ἐχρήσατο.

36, 9 Olymp. ξυμπάντων / συμπάντων Plat. Alc. 104b4. 18 Olymp. δ’ ὅτι καὶ / δὲ καὶ ὅτι Plat. Alc. 104b9. 37, 1 Plat. ἥκιστα post ἐπὶ τούτῳ, cf. Plat. Alc. 104c1. 14 Olymp. δ’ / δὴ Plat. Alc. 104c5.

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Hilfe, als sie zu uns, zumal wenn „d i e F r e u n d s c h a f t G l e i c h h e i t “ nach den Pythagoreern und „F r e u n d e i n a n d e r e s S e l b s t “ nach Aristoteles ist.351 Du denkst, eine noch stärkere Macht als alle die, von denen ich gerade gesprochen habe, zu besitzen352: Siehe, dass er auch hier, folgend den vorher 10 Gesagten, eine dem Jüngling bekannte Wortwahl geliefert hat,353 indem er sagt: „D u d e n k s t , d a s s d u d i e M a c h t h a s t “, die den Strategen passend ist. Und der Jüngling zielte darauf ab, einer von denen zu werden. Mehrmals haben wir erwähnt,354 dass Sokrates durch die [ihnen] ähnlichen [Themen] versucht, seine Gesprächspartner in die notwendige Richtung zu bringen. Deswegen fehlt es hier nur, dass er ruft: „Lerne, was die wahre Macht ist, das heißt, das Wissen“. 15 Er sagt nämlich im Theaitetos wie folgt: „N i c h t s i s t m ä c h t i g e r a l s d a s W i s s e n , d a s s i c h i n d e r S e e l e b e f i n d e t “.355 Denn nur dies, und das glückliche Leben, können von Tyrannen weder beschlagnahmt noch entwendet werden. Ich werde dazu auch [deinen] Reichtum hinzufügen356: Sokrates gibt diesen zweiten Grund für seine Liebe für Alkibiades an, nach dem ersten, der in vier [Aspekte] geteilt wurde. Dieser [Grund] ist, dass Alkibiades auch in 20 Hinsicht auf den Reichtum groß ist und sogar größer als viele reiche Menschen. Er nimmt diesen [Grund] gleich infolge von dieser [Aussage] auf, indem er sagt: 104C „D u s c h e i n s t m i r d a r a u f a m w e n i g s t e n s t o l z z u s e i n “357. 37 Denn er sagt: „Auf gar keinen Fall rühmst du dich deines Reichtums, denn du bist stolz darauf, da du nicht geldliebend bist.“ Du hast deine Liebhaber besiegt358: Auch mit diesen [Worten] lockt Sokrates den Jüngling mit der Bekanntheit359 der Begriffe an, damit er ihn 5 erträgt. Denn er sagt: „D u h a s t b e s i e g t “ und wiederum: „S i e w u r d e n b e s i e g t , w e i l s i e n i e d r i g e r w a r e n [als du]“360. Alle diese [Bemerkungen] waren für Alkibiades angenehm. Und diese Dinge sind dir nicht entgangen: Durch diese [Worte] führt Sokrates Alkibiades auf sich selbst und zum Erkennen vom Selbst zurück, und so handelt er im Einklang mit der Absicht des Dialogs. Außerdem, genau wie sich 10 selbst zu erkennen eine Wiederherstellung bewirkt361, so ist das Argument im vorliegenden Satz und im Folgenden wiederherstellend.362 Denn ganz am Anfang sagte er: „I c h g l a u b e , d u w u n d e r s t d i c h “ 363 und jetzt sagt er das mit: „ist dir nicht entgangen“364. Danach kommen die Argumente von Sokrates zusammen in dem [Satz]: „Daher weiß ich sehr gut, dass du dich wunderst“365. Es ist ja auch 15 angebracht, sich darüber zu wundern, wie er am Anfang – vor den Beweisführungen – sich zweifelhaft ausgedrückt hat, indem er „i c h g l a u b e “ vor dem „d u w u n d e r s t d i c h “ setzt;366 nun aber nach den Beweisführungen

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ εʹ 20

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104C-105C Καὶ ἴσως γε, ὦ Σώκρατες, οὐκ οἶσθ’ ὅτι σμικρόν με ἔφθης. Ἐπειδὴ τοὺς Σωκράτους λόγους μεμαθή|καμεν, φέρε καὶ τὰς Ἀλκιβιάδου φωνὰς ἐξετάσωμεν. καλῶς δὲ τῷ μὲν Σωκράτει τοὺς ‘λόγους’ ἀποδεδώκαμεν, τῷ δὲ Ἀλκιβιάδῃ τὰς ‘φωνάς’. οἱ μὲν γὰρ λόγοι ἀνθρώποις πρέπουσιν, αἱ δὲ φωναὶ ἀλόγοις· ἐπειδὴ οὖν λογοειδέστερος ὁ Σωκράτης, ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης ἀλογώτερος, οὕτω ταῖς λέξεσιν ἐχρησάμεθα. δύο δέ τινα ἐν τοῖς Σωκρατικοῖς λόγοις μεμαθήκαμεν· πρῶτον μὲν ὅτι ἐρᾷ ὁ Σωκράτης Ἀλκιβιάδου, δεύτερον δὲ ὅτι θεοειδῶς ἐρᾷ, σιωπῇ παρομαρτῶν αὐτῷ· καὶ ὅτι ἀρχαϊκῷ τρόπῳ τοῦ βʹ πρῶτον εἶπεν τὴν αἰτίαν δαιμόνιον ἢ θεῖον ὑπάρχειν ἐναντίωμα, τοῦ δὲ πρώτου τελευταῖον δύο ἐπήγαγεν αἰτίας. μίαν μὲν ὅτι ὑπερφρονεῖ τῶν ἄλλων ἐραστῶν. ὃ διὰ δʹ τινα εἶπεν αὐτὸν ποιεῖν· κάλλος, εὐγένειαν, φίλους, ἐπίτροπον Περικλέα. δευτέραν δὲ ὅτι ἀνάλωτός ἐστι τῷ φιλοχρημάτῳ πάθει· τὸ γὰρ φιλοχρήματον, εἰ καὶ κρεῖττόν ἐστι τοῦ φιληδόνου (ἔσχατον γάρ ἐστι τοῦτο πάθος, φημὶ δὲ τὸ φιλήδονον), ἀλλ’ οὖν χεῖρον τοῦ φιλοτίμου. ὁ γὰρ φιλότιμος τὰ αὐτὰ ποιεῖ ἅπερ καὶ ὁ σπουδαῖος, ἀλλ’ ὁ μὲν φιλότιμος διὰ τιμήν, ὁ δὲ σπουδαῖος διὰ τὸ ἀγαθόν· ὥσπερ καὶ ὁ ἐμπειρικὸς ἰατρὸς τοσαῦτα ποιεῖ ὅσα καὶ ὁ λογικός, εἰ καὶ ὁ μὲν μετὰ λόγου, ὁ δὲ ἄνευ λόγου καὶ αἰτίας. Ἐπειδὴ τοίνυν ἐν τούτοις τοὺς Σωκράτους λόγους, ὡς εἴρηται, μεμαθήκαμεν, πολυπραγμονήσωμεν λοιπὸν καὶ τὰς Ἀλκιβιάδου φωνάς. αὗται μὲν οὖν τέσσαρά τινα τοῦ Σωκράτους θαυμάζουσιν· τὴν εὐκαιρίαν τῶν λόγων αὐτοῦ, τὴν οὐσίαν αὐτοῦ, τὴν δύναμιν, τὴν ἐνέργειαν. καὶ τὴν μὲν εὐκαιρίαν τῶν λόγων ἐν οἷς φησίν, ‘σ μ ι κ ρ ό ν μ ε ἔ φ θ η ς ,’ ὡς εἰ ἔλεγεν, ‘εἰ μὴ ὀλίγον με προέλαβες, ἐγώ σε πρῶτος εἶχον ἐρωτῆσαι, τί δή ποτέ μοι τοσοῦτον χρόνον ἀκολουθεῖς’. εἰ μὴ γὰρ τὸ δαι-

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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dieses „i c h w e i ß s e h r g u t “ kategorisch ausspricht. Denn er hat in beiden Fällen die [Sprache] verwendet, die sich am besten eignet.

Unterricht 5 mit Gottes Hilfe 104C–105C Doch wahrscheinlich weißt du nicht, Sokrates, dass du mir 20 nur ein bisschen zuvorgekommen bist367: Da wir die Argumente von Sokrates bereits gelernt haben, lass uns nun auch 38 die Laute von Alkibiades prüfen.368 Zutreffend haben wir dann die „Argumente“ Sokrates zugeordnet, dagegen die „Laute“ Alkibiades. Denn Argumente sind geeignet für Menschen, Laute dagegen für vernunftlose Wesen. Da nun Sokrates mehrÄhnlichkeit zur Vernunft hat und Alkibiades unvernünftiger ist, haben wir 5 die Wörter so gebraucht. Wir haben bereits zwei bestimmte Dinge in den Argumenten von Sokrates erfahren369: Erstens, dass Sokrates Alkibiades liebt; zweitens, dass er ihn auf eine göttliche Weise liebt, indem er ihn stillschweigend begleitet. [Wir haben] auch [erfahren], dass er über den Grund des Zweiten auf archaische Art und Weise370 zuerst sagte, dass diesem ein daimonisches oder göttliches Hindernis371 zugrunde liegt, für das Erste aber zum Schluss zwei 10 Gründe erläuterte. Der eine [Grund] ist, dass [Alkibiades] die anderen Liebhaber verachtet. Er [sc. Sokrates] sagt, dass er das wegen vier bestimmter [Gründe] macht: Schönheit, adlige Abstammung, Freunde und sein Vormund Perikles. Der zweite [Grund] ist, dass er gegen den Affekt der Geldliebe372 unbesiegbar ist. Denn die Geldliebe, auch wenn es besser als die Vergnügungsliebe ist (das ist nämlich der niedrigste Affekt, ich meine die Vergnügungsliebe), 15 ist es dennoch schlechter als die Ehrliebe. Denn der Ehrliebende macht dieselben Sachen wie der Tugendhafte373: Aber der Ehrliebende macht sie um des Ruhmes willen, der Tugendhafte dagegen um des Guten willen. Genau wie ein Arzt mit praktischer Erfahrung die gleichen Dinge macht wie [der Arzt] mit theoretischer Kenntnis;374 auch wenn der eine mit einer vernunftgemäßen Erklärung, der andere ohne Erklärung oder Begründung. Da wir in diesen Worten die Argumente des Sokrates, wie gesagt, gelernt haben, wollen wir uns ferner mit den Lauten von Alkibiades ausführlich 20 beschäftigen.375 Diese bewundern vier [Eigenschaften] an Sokrates: Seinen richtigen Zeitpunkt für das Gespräch, seine Wesenheit, sein Vermögen und seine Tatkraft.376 Nun, [die Bewunderung] für den richtigen Zeitpunkt des Gesprächs [findet sich] in seiner Aussage: „d u b i s t m i r n u r e i n b i s s c h e n z u v o r g e k o m m e n “ 377, als wollte er sagen: „Wenn du es mir nicht ein wenig vorweggenommen hättest, hätte ich dir die Frage zuerst gestellt, 25 warum du mich seit so langer Zeit verfolgst.“ Das heißt, wenn nicht das

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μόνιον καὶ τὸ θεῖον ἔδει προη|γεῖσθαι τοῦ ἀνθρωπίνου (τοῦτο δέ ἐστι τὸ προτραπῆναι τὸν Σωκράτην προσελθεῖν καὶ διαλεχθῆναι τῷ Ἀλκιβιάδη διὰ τοῦ μὴ ἀποτραπῆναι) καὶ εἰ μὴ τὸ ἐνεργείᾳ πρῶτον ἦν τοῦ δυνάμει. τῷ ἀξιώματι μέντοι (ἐνεργείᾳ δέ ἐστιν ὁ Σωκράτης, δυνάμει δὲ ὁ Ἀλκιβιάδης)· εἰ μὴ ταῦτα, φησίν, ἦν, οὐδὲ τὸ μικρὸν προελάμβανε τὸν Ἀλκιβιάδην. θαυμάζει οὖν τὴν εὐκαιρίαν διὰ τούτων· μέγιστα δὲ δύναται ἡ εὐκαιρία. ‘ ψ υ χ α ὶ ’ γὰρ ‘ τ ῶ ν θ ε ρ α π ε ι ῶ ν ο ἱ κ α ι ρ ο ί ’ · καὶ ὡς Ἀριστοτέλης φησί, ‘κ α ι ρ ό ς ἐ σ τ ι χ ρ ό ν ο ς π ρ ο σ λ α β ὼ ν τ ὸ δ έ ο ν ’ καὶ ‘χ ρ ό ν ο ς π ρ ο σ λ α β ὼ ν τ ὸ ε ὖ ’· καὶ ὅτι καθάπερ ἑκάστῳ σώματι τόπον οἰκεῖον ὥρισεν ἡ φύσις, οὕτω καὶ ἑκάστῃ πράξει λέγεται καιρός. ἔτι δὲ καὶ ὅτι δεῖ τὸ τελειωσόμενον οὕτως ἔχειν ἐπιτηδειότητος πρὸς τὸ τελειοῦν ὡς παρόντος αὐτοῦ, εἰ καὶ μὴ πάρεστιν· καὶ τὸ ἀνάπαλιν οὕτως ἔχειν τὸ τελειοῦν πρὸς τὸ τελειωσόμενον ὡς παρόντος αὐτοῦ, εἰ καὶ μὴ πάρεστι· τοῦτο δὲ ἐπιτηδειότητός ἐστιν, οὐ καιροῦ, τουτέστιν εὐκαιρίας. δεύτερον τὴν οὐσίαν αὐτοῦ θαυμάζει λέγων ‘ τ ί β ο ύ λ ε ι ’ · τὸ γὰρ βουλητὸν ἀγαθόν· διὰ τούτου οὖν τὸ ἀγαθοειδὲς τῆς οὐσίας αὐτοῦ τεθαύμακεν. πάντες γὰρ τὰ ἀγαθὰ βουλόμεθα· εἰ δὲ καὶ τὰ κακὰ πράττομεν, οὐχ ὡς βουλόμενοι ἀλλ’ ὡς δοκοῦντα ἡμῖν, ὥς φησιν ἐν τῷ Γοργίᾳ· ἔνθα καὶ τὴν διαφορὰν βουλητῶν καὶ δοκούντων γνωσόμεθα σὺν θεῷ. ἐφεξῆς δὲ καὶ ἐπὶ λέξεως καλεῖ αὐτὸν ἀ γ α θ ό ν . τρίτον τὴν δύναμιν | θαυμάζει λέγων ‘ ἐ π ι μ ε λ έ σ τ α τ α π α ρ ώ ν , ὅ π ο υ ἐ ὰ ν ὦ ’ · τοῦτο δὲ δυνάμεώς ἐστιν ἀγρύπνου καὶ ἀτρύτου, ὅθεν καὶ Ἀτρυτώνη ἡ Ἀθηνᾶ. σημεῖον οὖν μεγίστης δυνάμεως τὸ πανταχοῦ ἀεὶ παρεῖναι. τὴν δὲ ἐνέργειαν αὐτοῦ τέταρτον θαυμάζει διὰ τοῦ ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς μ ο ι ’ · τοῦτο δὲ ἀνεμποδίστου καὶ ἀπαύστου ἐνεργείας ἐστίν, λέγω τὸ οὕτως ἐνοχλεῖν. οὐ γὰρ ὅμοιον τὸ νῦν ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ τῷ ἄνω εἰρημένῳ ‘ δ ι ’ ὄ χ λ ο υ ’ . ἐκεῖ μὲν γὰρ ἐπὶ τῶν φορτικῶν ἐραστῶν εἰπὼν τὸ ‘ δ ι ’ ὄ χ λ ο υ ’ , οἵτινες ἁπτικῶς εἰς αὐτὸν ἠβούλοντο ἐνεργεῖν, νῦν δὲ τὸ ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ ἀντὶ τοῦ ‘ἀπορεῖν

40, 2 Olymp. ἐὰν / ἂν Plat. Alc. 104d4. 2 Plat. ὅπου ἂν ὦ ante ἐπιμελέστατα παρών, cf. Plat. Alc. 104d3–4. 5 Olymp. μοι / με Plat. Alc. 104d3.

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Daimonische und das Göttliche vor dem Menschlichen eintreten müssten (dies 39 ist nämlich, dass Sokrates dazu ermahnt wurde, auf Alkibiades zuzugehen und sich mit ihm zu unterreden, indem er nicht davon abgehalten wurde), und wenn nicht das, was [sich] mit der Tatkraft [verbindet], das erste vor dem Vermögen wäre.378 Dennoch ist es [so] gemäß einem angenommenen Grundsatz379 (Und in der Tatkraft ist Sokrates, im Vermögen dagegen Alkibiades).380 Wenn das alles 5 nicht so wäre, sagt er, hätte er Alkibiades nicht im Mindesten vorweggenommen.381 Nun bewundert er den richtigen Zeitpunkt [des Gesprächs] aus diesen Gründen: Der richtige Zeitpunkt hat nämlich eine sehr große Wirkung. Denn „d i e r i c h t i g e n A u g e n b l i c k e s i n d d i e S e e l e n d e r B e h a n d l u n g e n “382. Und wie Aristoteles sagt: „R i c h t i g e r Z e i t p u n k t i s t d i e Z e i t , d i e d a s n ö t i g e M o m e n t e r g r e i f t “ 383, und „Z e i t , d i e d a s G u t e e r g r e i f t “: Und genau wie die Natur jedem einzelnen Körper einen 10 geeigneten Platz bestimmt hat, so kann auch für jede Handlung von einem günstigen Zeitpunkt gesprochen werden.384 Außerdem, das, was sich vervollständigen will, soll sich gegenüber dem, was es vervollständigt, so angemessen verhalten, als wäre es anwesend, auch wenn es nicht anwesend ist. Andersrum, das, was vervollständigt, soll sich gegenüber dem, was sich vervollständigen will, so verhalten, als wäre es anwesend, auch wenn es nicht anwesend ist.385 Das ist aber Ausdruck angemessenen Verhaltens und nicht des günstigen Zeit- 15 punkts, das heißt, der Rechtzeitigkeit. Zweitens, er [sc. Alkibiades] zeigt Bewunderung für seine Wesenheit, als er sagt „w a s d u b e a b s i c h t i g s t “ 386. Denn das Beabsichtigte ist gut.387 Aus diesem Grund, dann, bewundert er [sc. Alkibiades] die Ähnlichkeit seiner Wesenheit zu dem Guten. Denn wir alle beabsichtigen gute Dinge. Wenn wir auch schlechte Handlungen vollziehen, geschieht es nicht, weil wir sie wollen, sondern weil sie uns [wünschenswert] erscheinen, wie er im Gorgias sagt.388 Dort werden wir, 20 mit Gottes Hilfe389, den Unterschied zwischen den Gewünschten und den wünschenswert Scheinenden erkennen.390 Darauf bezeichnet er [sc. Alkibiades] ihn [sc. Sokrates] auch im Text als g u t . Drittens bewundert er sein Vermögen, 40 indem er sagt: „i n d e m d u m i t g r ö ß t e m E i f e r d o r t a n w e s e n d b i s t , w o i c h i m m e r b i n “ 391. Das gehört zu einem nie schlafenden und unermüdlichen Vermögen, daher [wird] auch Athene die Unermüdliche392 [genannt]. Es ist also ein Zeichen des größten Vermögens, überall und immer anwesend zu sein. Seine Tatkraft bewundert er als Viertes, indem er sagt: „d u 5 l ä s s t m i c h n i c h t i n R u h e “ 393. Das auch ist Zeichen einer ungehemmten und unaufhörlichen Tatkraft, sage ich, auf diese Art und Weise keine Ruhe zu geben. Denn dieses „d u b e l ä s t i g s t “ (enochleis) hier394 ist nicht das Gleiche wie „z u r L a s t “ (di’ochlou), das oben erwähnt wurde395: Er sagte dort nämlich „z u r L a s t “ über die gemeinen Liebhaber, [das heißt] diejenigen, die auf den

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με ποιεῖς’ εἴρηται, ἐκ μεταφορᾶς τῶν ἐν ὄχλῳ βαδιζόντων καὶ ἀπορούντων προβαίνειν καὶ οἱονεὶ δεσμωτῶν ὄντων. δεσμὸς γάρ τις τῆς ψυχῆς ἡ ἀπορία, διὸ καὶ ἡ ταύτης ἴασις, ὥσπερ καὶ ἡ τοῦ δεσμοῦ, ἐπίλυσις λέγεται. φησὶ δὲ καὶ ἐν τῷ Περὶ ἑρμηνείας ὁ Ἀριστοτέλης· ‘ κ α ὶ τοσαῦτα μὲν λέγεται πρὸς τὰς σοφιστικὰς ἐνοχλήσ ε ι ς ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ἀπορίας’· ἐκ μεταφορᾶς τοῦ ὄχλου καὶ αὐτὸς ὄχλησιν εἶπεν τὴν ἀπορίαν. ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ οὖν ‘ἀπορεῖν ποιεῖς’. ταῦτα μὲν ὁ Ἀλκιβιάδης. Ἐπὶ τούτοις δὲ ὁ Σωκράτης τὸν κορυφαῖον μιμούμενος φιλόσοφον ἐλαχίστων λόγων δεόμενον διὰ τὸ ἐξ ἀνυποθέτων ποιεῖσθαι τὰς ἀρχάς, ἀπὸ γὰρ τῶν κοινῶν ἐννοιῶν, αἵτινες ὡμολόγηνται – αἱ γὰρ ἄλλαι τέχναι ὡς ἐξ ὑποθέσεως ἔχουσαι τὰς ἀρχὰς πολλῶν δέονται κατασκευῶν· οἶον ἡ ἰατρικὴ ἐξ ὑποθέσεως ἄρχεται ὅτι ἐκ τῶν δʹ στοιχείων τὰ ἀνθρώπινα σώματα· τοῦτο δέ, πρῶτον μὲν ὅτι δʹ, εἶτα ὅτι ἐκ τούτων εἰσὶ τὰ σώματα ἡμῶν, τοῦ πρώτου φιλοσόφου | ἐστὶ δεῖξαι· – μιμούμενος οὖν ὁ Σωκράτης τὸν κορυφαῖον φιλόσοφον, ὡς εἴρηται, τὸν ἐξ ἀνυποθέτων ποιούμενον τὰς ἀρχάς, ὀλίγα αἰτεῖ παρὰ τοῦ Ἀλκιβιάδου, καὶ ταῦτα εὐτελῆ· πρῶτον μὲν ἀκροάσασθαι τῶν αὐτοῦ ῥημάτων, ἔπειτα ἀποκρίνασθαι πρὸς τὰ ἐρωτώμενα. εἶτα κατανεύσαντος τοῦ νέου ποιήσειν ταῦτα φησὶν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘ἐὰν οὕτω ποιῇς, δύναμαί σοι δύναμιν περιποιῆσαι ἣν οἱ ἄλλοι ἐρασταὶ οὐκ ἠδυνήθησαν’. Μετὰ ταῦτα δὲ δέον ἐπαγαγεῖν τὴν γʹ αἰτίαν δι’ ἣν αὐτοῦ ἐρᾷ, ὡς ἐρωτικὸς ἐκκάει τὸν ἔρωτα καὶ ἀναβάλλεται πρὸς τοῦτο, ἵνα πλέον ἔχοι τὸν νέον προσέχοντα τοῖς παρ’ αὐτοῦ. στοιχεῖα δὲ καὶ τεκμήρια ἐνθέου ἐραστοῦ λέγει δύο ταῦτα, ὅτι δεῖ τὸν ἔνθεον ἐραστὴν καὶ κρίσιν ἔχειν καὶ συμπάθειαν. εἰ γὰρ θάτερον τούτων μὴ ἔχοι, οὐκ ἔσται τοιοῦτος· εἴτε γὰρ κρίσιν ἔχοι, συμπάθειαν δὲ οὔ, ἐπιστήμων ἔσται καὶ οὐ σπουδαῖος ἐραστής, εἴτε τὸ ἀνάπαλιν συμπάθειαν μὲν ἔχοι, κρίσιν δὲ οὔ, φορτικός ἐστι μόνον ἐραστής· ὥστε δεῖ ἄμφω παρεῖναι. ποῦ δὲ ταῦτα παραδίδωσιν; ἐν οἷς φησὶν ὅτι ‘μ ὴ θ α υ μ ά σ ῃ ς ε ἰ , κ α θ ά π ε ρ μ ό γ ι ς ἠ ρ ξ ά μ η ν , ο ὕ τ ω κ α ὶ μ ό γ ι ς π α ύ σ ο μ α ι ’ . τὸ μὲν γὰρ

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[Geliebten] auf physische Weise wirken wollen; hier aber sagt er „d u b e l ä s t i g s t “ (enochleis) anstelle von „du bringst mich zum Zweifeln“, aus- 10 gehend von der Metapher derer, die in der Menschenmenge (en ochlō) gehen und daran zweifeln, einen Schritt nach vorne zu machen und dabei den Gefesselten ähneln.396 Der Zweifel ist nämlich wie eine Fessel für die Seele, aus diesem Grund wird ihre Heilung – wie [die Rettung] von Fesseln – Loslösung genannt. Auch Aristoteles sagt in der [Schrift] über Hermeneutik: „U n d d a s a l l e s w i r d g e g e n ü b e r d e n s o p h i s t i s c h e n B e l ä s t i g u n g e n (enochleseis) g e s a g t “397, im Sinne von „Widersprüchen“ (aporias).398 Ausgehend von 15 der Metapher der Menschenmenge (ochlos) hat auch er das Zweifeln als eine Belästigung (ochlesis) bezeichnet. „D u b e l ä s t i g s t “ [bedeutet], dann, „du verursachst Zweifel“. Diese sind also [die Laute von] Alkibiades. Nachfolgend ahmt Sokrates den obersten Philosophen399 nach, der sehr wenige Worte braucht, da er seinen Prinzipien aus unhypothetischen [Grundlagen] herleitet.400 Denn [diese stammen aus] den Gemeinbegriffen401, über die eine allgemeine Einigung besteht. – Die anderen Wissensgebiete dagegen 20 brauchen viele unterstützende Argumente, da sie ihren Ausgangspunkt von einer Hypothese haben. So legt die Heilkunde die Hypothese zugrunde, dass der menschliche Körper aus vier Elementen besteht. Allerdings zu zeigen, zuerst, dass diese [Elemente] vier sind; danach, dass unsere Körper aus denen bestehen, 41 ist die Verantwortung des ersten Philosophen.402 – Also ahmt Sokrates, wie bereits erwähnt, den obersten Philosophen403 nach, der seinen Ausgangspunkt aus den unhypothetischen [Grundlagen] herleitet und verlangt deswegen wenig von Alkibiades und [nur] diese einfachen Sachen: Erstens, seine Worte anzuhören und danach auf das, was gefragt wird, zu antworten.404 Dann, 5 nachdem der Jüngling zustimmt, dies zu tun, sagt Sokrates: „Wenn du das machst, vermöge ich dir eine Macht zu verleihen, zu der deine anderen Liebhaber nicht fähig waren.“405 Als nächstes sollen wir den dritten Grund vorstellen, warum er ihn liebt: Nämlich, dass der Liebende die Liebe entflammt und diese dann aufschiebt, damit er größere Aufmerksamkeit des Jünglings für seine [Worte] hat.406 Dann sagt er, die Grundprinzipien und Merkmale des göttlich inspirierten Liebhabers 10 seien diese zwei,407 nämlich, dass der göttlich inspirierte Liebhaber sowohl Urteilsvermögen als auch Mitempfinden haben muss. Denn, wenn er eine dieser beiden [Eigenschaften] nicht besitzt, wird er nicht ein solcher [göttlich inspirierter Liebhaber] sein. Einerseits, wenn er Urteilsvermögen hat, aber kein Mitempfinden, wird er ein sachkundiger Liebhaber und kein tugendhafter408; auf der anderen Seite, wenn er Mitempfinden hat, aber kein Urteils- 15 vermögen, ist er nur ein gemeiner Liebhaber. Daher ist es nötig, dass diese beiden [Eigenschaften] anwesend sind. Und wo gibt er das an? An der [Stelle],

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μ ό γ ι ς ἄ ρ ξ α σ θ α ι σημεῖον κρίσεως (ᾔδει γὰρ τὸν Ἀλκιβιάδην ἀνεπιτήδειον ὄντα), τὸ δὲ μ ό γ ι ς π α ύ σ α σ θ α ι συμπαθείας ἐστὶ καὶ ἐπὶ πλέον ἐφιεμένου τῶν παιδικῶν. ἄλλως τε δι’ αὐτὸν μὲν τὸν Ἀλκιβιάδην μόγις ἤρξατο, ἐπειδὴ ὡς εἴρηται ἀνεπιτήδειος ἦν, δι’ ἑαυτὸν δὲ ὁ Σωκράτης μόγις παύσεται. ἐπὶ γὰρ ὠφελείᾳ τῶν νέων ὁ Σωκράτης ὢν καὶ τοῦ εὐεργετεῖν ἀεὶ ὀρεγόμενος, οὐ παύσεται πρὶν τελειώσει τὰ παιδικά. φησὶν δὲ ὅτι ‘χ α λ ε π ὸ ν ἦν καὶ νῦν τὸ προσιέναι σοι’· καλῶς δὲ τὸ ‘χ α λ ε π ὸ ν ’ τέθεικεν καὶ οὔτε | ‘εὔκολον’ εἶπεν οὔτε ‘ἀδύνατον’. εὔκολον μὲν γὰρ οὐκ ἦν, ἐπειδὴ δέος ἦν μή, καθάπερ τοὺς ἄλλους ἐραστὰς ὑπερφρονεῖ, τὸν αὐτὸν τρόπον καὶ τὸν Σωκράτην ἀποστραφήσεται· οὐκ ἀδύνατον δὲ διὰ τὴν αὐτὴν αἰτίαν. ἐπειδὴ γὰρ τῶν ἄλλων κατεφρόνησεν, οὐκ ἀδύνατον ἦν τῷ Σωκράτει προσελθεῖν· ἀδύνατον γὰρ ἦν Σωκράτους ἀκοῦσαι μὴ τῶν ἄλλων καταφρονήσαντα. Ταῦτα εἰπὼν καὶ μέχρι τούτων ἐκκαύσας τὸν ἔρωτα ἀποκαλύπτει τὴν τρίτην αἰτίαν καί φησιν ὅτι ‘διὰ τὸ καταφρονεῖν τῶν ὑπαρχόντων σοι ἐρῶ σου καὶ τοσοῦτον χρόνον οὐκ ἀπαλλάττομαι· οὐ γὰρ ἀληθῶς τούτων τῶν φαινομένων ἐπιθυμεῖς’. καὶ πάντες δὲ ἄνθρωποι οὐκ αὐτῶν τῶν παθῶν ὀρέγονται, οἶον ὁ φιλότιμος, ὁ φιλοχρήματος καὶ φιλόπλουτος, ὁ φιλήδονος, ἀλλ’ ὁ μὲν φιλήδονος τῆς θείας ῥᾳστώνης, περὶ ἧς εἴρηται τὸ ‘ θ ε ο ὶ ῥ ε ῖ α ζ ώ ο ν τ ε ς ’ , ἐφίεται καὶ ταύτῃ ἔννοιαν ἔχει· μὴ δυνάμενος δὲ τυχεῖν περὶ τὸ εἴδωλον καὶ τὴν ἀπόπτωσιν ἐκείνης σκιαμαχεῖ. καὶ ὁ φιλοχρήματος τοῦ τελείου καὶ τῆς αὐταρκείας ἐφίεται, αὔταρκες γὰρ καὶ τέλειον τὸ θεῖον· τούτου οὖν ἐπιθυμεῖ· μὴ δυνάμενος δὲ τυχεῖν ἐπεκτείνει τὸ φιλοχρήματον. πάλιν δὲ ὁ φιλότιμος τοῦ ἱκανοῦ καὶ μεταδοτικοῦ τοῦ θεοῦ ἐφίεται, εἰ καὶ μὴ δύναται τυχεῖν. οὐ ταὐτὸν δὲ τέλειον καὶ ἱκανόν· τέλειον μὲν γάρ ἐστιν τὸ μὴ δεό|μενον ἑτέρου μόνον, ἱκανὸν δὲ τὸ μὴ μόνον οὐ δεόμενον, ἀλλὰ καὶ ἑτέροις μεταδιδόναι δυνάμενον. τοιοῦτος δὲ ὁ φιλότιμος σπουδάζει φαίνεσθαι. ὅτι δὲ καταφρονεῖ τῶν ὑπαρχόντων ἑαυτοῦ ὁ Ἀλκιβιάδης, κατασκευάζει ὁ Σωκράτης τὸν τρόπον τοῦτον. εἰσάγει γὰρ θεὸν ἐρωτῶντα αὐτόν· ‘πότερον βούλει, ὦ Ἀλκιβιάδη, διαπεσεῖν τῆς μεγαλουργοῦ ζωῆς καὶ ἐφ’ οἷς εἶ

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wo er sagt: „D u s o l l s t n i c h t w u n d e r n , w e n n i c h g e n a u s o schwer aufhören sollte, wie schwer ich auch angefangen h a t t e . “409 Denn s c h w e r a n z u f a n g e n ist ein Zeichen des Urteilsvermögens (da er wusste, dass Alkibiades [bisher] untauglich410 war); wobei s c h w e r a u f z u h ö r e n [Zeichen] des Mitempfindens ist und [zeigt, dass er] mehr von seinem Liebling erwartet. Außerdem hatte er schwer angefangen 20 wegen Alkibiades selbst – denn, wie bereits gesagt, er war untauglich411 – dagegen ist Sokrates selber der Grund dafür, warum er schwer aufhört. Denn, da Sokrates den Jünglingen gegenüber hilfsbereit ist und immer darauf abzielt, sie zu unterstützen412, wird er nicht aufhören, bevor er seinen Liebling zur Vollkommenheit gebracht hat.413 Er sagt also: „Es war sogar jetzt s c h w e r , dir nahe zu kommen“: Zutreffend nämlich hat er hier „s c h w e r “ aufgestellt und weder „leicht“ noch „unmöglich“. Denn es war nicht leicht, da zu befürchten 42 war, dass er auf die gleiche Art und Weise auch Sokrates zurückweisen würde, wie er seine anderen Liebhaber verachtet. Auch unmöglich war es nicht, aus demselben Grund. Denn, da er die anderen Liebhaber missachtete, war es für 5 Sokrates nicht unmöglich, an ihn heranzutreten. Es war nämlich unmöglich für ihn, Sokrates zuzuhören, ohne die anderen [Liebhaber] zu missachten. Nachdem er [sc. Sokrates] dies sagte und bis zu diesem Punkt die Liebe entflammte, verrät er den dritten Grund [seiner Liebe] und sagt: „Da ich deine Besitztümer geringschätze, liebe ich dich und verlasse dich seit so langer Zeit nicht. Denn du begehrst nicht wirklich diese Erscheinungen“.414 Und alle 10 Menschen streben nicht nach den gleichen Affekten – wie der Ehrliebende, der Geldliebende oder Reichtumliebende und der Vergnügungsliebende415 –, sondern erstrebt der Vergnügungsliebende die göttliche Unbeschwertheit, über die man sagt: „G ö t t e r , d i e u n b e s c h w e r t l e b e n “416 und hat einen Begriff davon. Da er aber diese nicht erreichen kann, kämpft er mit den Schatten um ein Spiegelbild und eine Abirrung von ihr.417 Und der Geldliebende erstrebt 15 die Vollkommenheit und die Selbstgenügsamkeit418, denn das Göttliche ist vollkommen und selbstgenügsam. Daher verlangt er diese. Da er aber sie nicht erreichen kann, greift er zur Geldliebe. Schließlich erstrebt der Ehrliebende die Allgenugsamkeit und Großzügigkeit des Gottes – auch wenn er diese nicht erreichen kann. Nicht dasselbe sind aber die Vollkommenheit und die Allgenugsamkeit. Denn die Vollkommenheit ist nur [nichts] Anderes zu benötigen, 43 wobei die Allgenugsamkeit nicht nur nichts zu benötigen ist, sondern auch dazu fähig zu sein, den anderen großzügig zu geben. Der Ehrliebende bemüht sich, als eine solche [Person] zu erscheinen. Angesichts dessen, dass Alkibiades seine Besitztümer missachtet, gestaltet Sokrates [seineAnnäherung] auf dieseArt und 5 Weise. Denn er fügt einen Gott ein, der ihn [sc. Alkibiades] fragt: „Alkibiades, willst du etwa die großen Taten im Leben verfehlen und mit dem leben, was du

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μεῖναι, ἢ τεθνάναι;’ εἶτα ἑαυτὸν ὑπὲρ ἐκείνου ἀποκρινόμενον ὅτι ‘τεθνάναι μᾶλλον’. Ἐπὶ τούτοις δὲ ἀνατέμνει τὴν Ἀλκιβιάδου ζωὴν ἅπασαν καί φησιν ὅτι ‘ἐλπίζεις ἐντὸς ὀλίγων ἡμερῶν παρελθεῖν ἐπὶ τὸν δῆμον καὶ συμβουλεύσειν Ἀθηναίοις’. οὗτος δὲ ἦν ὁ μέχρι τῆς ἐφηβίας καιρός· μετὰ δὲ κʹ ἡμέρας, ὡς ἱστορεῖ ὁ Πρόκλος, ἔμελλεν ἐγγράφεσθαι εἰς ἐφήβους· νόμος δὲ ἦν, πρὶν ἐγγράφεσθαι εἰς τούτους μὴ συμβουλεύειν τινὰ Ἀθήνησιν. ‘μέλλεις οὖν’, φησίν, ‘συμβουλεύειν κἀκ τούτου οἴει εὐδοκιμήσειν, εἶτα τιμηθήσεσθαι ἐν τῇ πόλει, καὶ μὴ μόνον ἐνταῦθα, ἀλλὰ καὶ ἐν τῇ Ἀττικῇ καὶ ἐν τῇ Ἑλλάδι, εἶτα ἐν τοῖς Ἕλλησι καὶ ἐν πάσῃ τῇ Εὐρώπῃ, οὐ μόνον δὲ ἐνταῦθα, ἀλλὰ καὶ ἐν τῇ Ἀσίᾳ καὶ ἐν πάσῃ τῇ γῇ· καὶ μηδένα ἄνθρωπον λόγον ἑτέρου ποιεῖσθαι καὶ θαυμάζειν πλέον σοῦ πλὴν Κύρου καὶ Ξέρξου’. καὶ ταῦτα μὲν ὁ Σωκράτης. Φέρε δὲ ἡμεῖς ἐρευνήσωμεν τὰς ἐρωτήσεις τοῦ θεοῦ τὰς ἀποκρίσεις τοῦ φιλοσόφου πρὸς τὸν θεὸν ὑπὲρ τοῦ Ἀλκιβιάδου, τίνα ἐστὶν ἑλεῖν δόγματα ἐκ τῶν τοῦ θεοῦ ἐρωτήσεων κἀκ τῶν τοῦ φιλοσόφου ἀποκρίσεων. πρὸ πάντων δὲ τὴν αἰτίαν εἴπωμεν δι’ ἣν θεὸν πεποίηκεν ἐρωτῶντα τὸν Ἀλκιβιάδην καὶ ἑαυτὸν ὑπὲρ ἐκείνου ἀποκρινόμενον. θεὸν μὲν οὖν ἐπερωτῶντα πεποίηκεν διὰ τρεῖς αἰτίας· ἢ ἵνα μὴ ἀρνήσηται ὁ νέος τοὺς οἰκείους λόγους· – πεπείσμεθα γὰρ πάντες καὶ τὴν τυχοῦσαν ἡμῶν κίνησιν εἰδέναι τὸ θεῖον, εἴγε καλῶς εἴρηται· ‘πάντα θεοῦ πλήρη, πάντα δέ οἵ εἰσιν ἀκουαί, καὶ διὰ πετράων καὶ | ἀνὰ χθόνα καί τε δι’ αὐτοῦ ἀ νέρος ὅ ττ ι κέ κ ε υ θ ε ν ἐ νὶ σ τή θε σ σ ι νό η μα ’.

δευτέρα αἰτία, ὅτι ζήλῳ τραγικῷ τοῦτο πεποίηκεν ὁ Σωκράτης. ζηλωτὴς γὰρ τούτων ἐστίν· ὥσπερ οὖν ἐκεῖνοι πολλάκις ἀπὸ μηχανῆς εἰσάγουσι θεὸν ἐπὶ λύσει τῶν συμφορῶν, καθάπερ ἐν τῇ Ἀλκήστιδι Εὐριπίδης τὸν Ἀπόλλω πεποίηκεν ἐν τῇ Ἀδμήτου οἰκίᾳ, οὕτω κἀνταῦθα ὁ Σωκράτης θεὸν εἰσήγαγεν. κατὰ τρίτην αἰτίαν, ὅτι ἐρωτικὸς ὢν ὁ Σωκράτης κατὰ μὲν τὴν συμπάθειαν ἑνῶσαι ἑαυτὸν βούλεται τοῖς παιδικοῖς, καὶ τὸ θεῖον δὲ ἑνάς ἐστιν ὑπερούσιος· κατὰ δὲ τὴν κρίσιν τελειῶσαι βούλεται τὰ παιδικά, τελειωτικὸν δὲ καὶ τὸ θεῖον. ἑαυτὸν δὲ ἐποίησεν ἀποκρινόμενον ὑπὲρ τοῦ Ἀλκιβιάδου, ἐπειδὴ πολὺ ἦν τὸ μέσον θεοῦ

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jetzt hast, oder sterben?“ und darauf [stellt er] sich selbst an seiner Stelle antwortend [vor], dass er „lieber sterben würde“.419 Darauf behandelt er das ganze Leben von Alkibiades in Teilen und sagt: „Du erwartest, innerhalb wenigen Tagen vor das Volk zu treten und die Athener zu beraten“.420 Das war dann der günstige Augenblick bis zu der Ephebie. Nach zwanzig Tagen also, wie Proklos berichtet, war er im Begriff, in [die Liste der] Epheben eingetragen zu werden421: Das war nämlich ein Gesetz, dass niemand an der athenischen Volksversammlung teilnehmen dürfte, bevor er in dieser [Liste] eingetragen war. „Du bist also“, sagt er, „kurz davor, politischen Rat zu geben und denkst, du würdest aus diesem Grund respektiert werden und dann in der Polis geehrt und sogar nicht nur hier, sondern auch in Attika und Hellas, danach bei den Griechen und in ganz Europa und nicht nur hier, sondern in Asia und auf der gesamten Welt. Und [du erwartest], dass niemand einen anderen Menschen höher schätzt und mehr bewundert als dich, ausgenommen von Kyros und Xerxes.“422 Dies [sagte] also Sokrates. Lass uns also die Fragen des Gottes und die Antworten des Philosophen an den Gott anstelle von Alkibiades erforschen, welche Grundsätze man aus den Fragen des Gottes und den Antworten des Philosophen entnehmen soll. Vor allem aber sollte der Grund genannt werden, warum er einen Gott schuf, um Alkibiades zu befragen, und sich selbst, um an seiner Stelle zu antworten. Also ließ er ihn von einem Gott befragen, aus drei Gründen423: Entweder, damit der Jüngling seine eigenen Worte nicht abstreitet. – Denn wir sind alle davon überzeugt, dass das Göttliche auch die zufälligen Bewegungen von uns weiß, wenn das tatsächlich zurecht gesagt wird:

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“A l l e s i s t v o l l v o n G o t t , e r h ö r t a l l e s , w a s e s g i b t A u c h d u r c h d i e F e l s e n u n d ü b e r d i e E r d e h i n u n d d u r c h e i n e n 44 Menschen selbst, welchen Gedanken er in seiner Brust verb i r g t .424”

Die zweite Erklärung ist, dass Sokrates das wegen seiner Zuneigung zur Tragödie gemacht hat. Denn er ist ein Anhänger dieser [Tragödien]: Wie jene [Tragiker] oft einen Gott aus der Theatermaschine425 einführen, um die Unglücksfälle zu lösen – gerade wie Euripides in der Alkestis den Apollon im Haus von Admetos dargestellt hat426 – so hat auch hier Sokrates einen Gott eingeführt. Nach einer dritten Erklärung, da Sokrates von Liebe erfüllt ist, will er einerseits gemäß dem Mitempfinden sich mit seinem Liebling vereinen – und das Göttliche ist auch eine Einheit über allen Wesen. Andererseits will er gemäß dem Urteilsvermögen seinen Liebling zur Vollendung bringen – und zur Vollendung führend ist auch das Göttliche. Sich selbst aber ließ er fürAlkibiades antworten, da die Distanz zwischen Gott und Alkibiades groß war und diese

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καὶ Ἀλκιβιάδου, καὶ ἔμελλεν κενὸν εἶναι τὸ μέσον, εἰ μὴ οὕτως ἑαυτὸν ἔταξεν ὁ Σωκράτης. Ἴδωμεν δὲ λοιπόν, τίνα δόγματα ἀνακύπτει ἐκ τῶν ἐρωτήσεων τοῦ θεοῦ· προείρηνται γὰρ αἱ ἐρωτήσεις αὐταὶ καὶ αἱ ἀποκρίσεις. ἐκ μὲν οὖν τῶν ἐρωτήσεων ἀνακύπτει ὅτι καθ’ | αἵρεσιν οἱ βίοι καὶ οὐ κατηναγκασμένοι· φησὶν γὰρ ‘ τ ί β ο ύ λ ε ι ; ’ οὕτω δὲ καὶ ἐν Τιμαίῳ, ‘ α ἰ τ ί α ἑ λ ο μ έ ν ο υ , θ ε ὸ ς ἀ ν α ί τ ι ο ς ’ · καὶ ἔτι ἐν Πολιτείᾳ, ‘ὑμεῖς δαίμονα αἱρήσεσθε, οὐχ ὑμᾶς δαίμων λήξ ε τ α ι ’ . ἐν ἡμῖν μὲν γάρ ἐστιν ἑλέσθαι τοιόνδε βίον, ἑλομένους δὲ πράττειν τὰ ἑπόμενα τῷ βίῳ οὐκ ἐν ἡμῖν, ἀλλ’ ἀναγκαίως· ὥσπερ καὶ λίθον ῥῖψαι μὲν ἐφ’ ἡμῖν, ῥιφέντα δὲ στῆσαι οὐκ ἐφ’ ἡμῖν. ὥστε δεῖ λέγειν τὸ ποιητικόν· ‘ἐγὼ δὲ οὐκ αἴτιός εἰμι, ἀ λλὰ Ζ εὺ ς καὶ Μο ῖρ α κα ὶ ἱεροφο ῖτις Ἐρινύς ’.

ἐκ δὲ τῶν ἀποκρίσεών ἐστι δόγματα τοσαῦτα· ὅτι συμφέρει μὴ εἶναι ἢ κακῶς εἶναι, φησὶ γὰρ ‘ δ ο κ ε ῖ ς ἄ ν μ ο ι ἑ λ έ σ θ α ι τ ε θ ν ά ν α ι ἢ ο ὕ τ ω ζ ῆ ν ’ . δεύτερον, ὅτι τὸ σῶμα ἐμπόδιον πρὸς ἀρετῆς κτῆσιν, ἐκ τοῦ αὐτοῦ· εἰ γὰρ τεθνάναι μᾶλλον αἱρεῖται, δῆλον ὅτι ὡς τοῦ σώματος ἐμποδίου ὄντος ὧν ἐπιθυμεῖ τοῦτο προαιρεῖται. τρίτον δόγμα, ὅτι οὐ διὰ τιμὴν οἰκείαν δεῖ συμβουλεύειν οἷς τις συμβουλεύει, ἀλλὰ δι’ αὐτῶν τῶν ἀκροωμένων ὠφέλειαν· ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης διὰ τιμὴν μᾶλλον ἐβούλετο παριέναι ἐπὶ τὸν δῆμον. τέταρτον ὅτι δεῖ τὸν φιλότιμον διακρίνειν ὑφ’ οἵων τιμᾶται, καὶ μὴ ὑπὸ τῶν τυχόντων ἀξιοῦν θαυμάζεσθαι, καθάπερ ὁ Ἀλκιβιάδης ὑπὸ Ἑλλήνων καὶ βαρβάρων καὶ πάντων ἀνθρώπων βούλεται θαυμάζεσθαι. πέμπτον, ὅτι καὶ ἀνόμοια τὰ παραδείγματα παρήνεγκεν, Κῦρον καὶ Ξέρξην· ὁ μὲν γὰρ Κῦρος διὰ τὸ προσηνὲς τοῦ ἤθους καὶ τὸ πρὸς τοὺς ἀρχομένους ἐπιεικὲς π α τ ὴ ρ ὠνομάζετο, ὁ δὲ Ξέρξης διὰ τὸ λίαν ὀργίλον καὶ κατηναγκασμένον δ ε σ π ό τ η ς (οὗτος γὰρ οὐ μόνον κατὰ ἀνθρώπων, | ἀλλὰ καὶ κατὰ τῆς φύσεως αὐτῆς καὶ τῶν στοιχείων ἐπῄρετο, καὶ ὥς φησιν ὁ Ἀριστείδης ὅτι ‘θάλατταν μὲν ἐπέζευσε ζεύξας τὸν Ἑλλήσποντον, γῆν δὲ ἔπλευσε διορύξας τὸν Ἄθω, τὸν δὲ ἥλιον

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Mitte leer bleiben würde, wenn Sokrates sich nicht selbst [in diesen Bereich] gesetzt hätte. Lass uns ferner sehen, welche Grundsätze aus den Fragen des Gottes auftauchen. Denn die Fragen selbst und die Antworten wurden bereits erwähnt. 15 Also geht aus den Fragen hervor, dass die Lebensführungen gemäß einer Wahl 45 [zustande kommen] und nicht von Notwendigkeit gezwungen sind. Er sagt also: „W a s d u b e a b s i c h t i g s t “ 427. Genauso auch im Timaios: „D e r G r u n d l i e g t b e i m W ä h l e n d e n , d e r G o t t h a t k e i n e S c h u l d “428; dazu auch in der Politeia: „i h r w e r d e t e i n e n D a i m o n a u s w ä h l e n , n i c h t d e r D a i m o n w i r d e u c h e r l o s e n . “429 Denn es liegt an uns, 5 ein bestimmtes Leben auszuwählen; nachdem aber wir gewählt haben, liegt das zu tun, was für die Lebensweise daraus folgt, nicht mehr an uns, sondern verhält sich notwendigerweise so. Genauso wie es an uns [liegt], einen Stein zu werfen, aber wenn er einmal geworfen ist, es nicht mehr von uns [abhängt], wo er landet. Daher muss auf dichterische Weise gesagt werden: „I c h a b e r b i n n i c h t s c h u l d i g , S o n d e r n Z e u s u n d d i e M o i r a u n d d i e i m D u n k e l n w a n d e l n d e 10 E r i n y s “430

All dies sind die Grundsätze aus den Antworten [des Sokrates]431: Dass es angemessen ist, nicht zu existieren, als auf eine schlechte Weise zu existieren,432 denn er sagt: „I c h d e n k e , d u w ü r d e s t d e n T o d w ä h l e n , s t a t t s o z u l e b e n “433. Zweitens, dass der Körper ein Hindernis gegen den Erwerb der Tugend ist, [geht] aus demselben [hervor]: Denn, wenn er den Tod wählt, ist es offensichtlich, dass er das vorzieht, weil der Körper ein Hindernis gegen die 15 Dinge ist, die er begehrt.434 Der dritte Grundsatz ist, dass man politischen Rat nicht aufgrund Ehre geben soll, sondern für den Vorteil der Zuhörer selbst. Alkibiades wollte dagegen vielmehr für den [eigenen] Ruhm vor das Volk treten.435 Viertens, dass man einen Ehrliebenden danach beurteilen soll, von welchen Menschen er geehrt wird, und nicht von denen, deren Bewunderung er gerade wertschätzt: Genauso wie Alkibiades von den Griechen, Barbaren und 20 von allen Menschen bewundert werden will.436 Fünftens, dass er unähnliche Beispiele herangezogen hat, nämlich Kyros und Xerxes: Kyros wurde wegen seines behutsamen Charakters und seiner Nachsicht gegenüber seinen Untertanen V a t e r genannt,437 wobei Xerxes wegen seiner Neigung zur Wut und zum Zwang [als] D e s p o t [bezeichnet wurde] (Denn dieser wurde nicht nur 46 gegenüber Menschen wütend, sondern sogar gegenüber der Natur selbst und den Elementen, und wie Aristeides sagt: „E r g i n g a u f d e m M e e r i n d e m er den Hellespont jochen ließ, er segelte auf dem Land indem er Athos durchschnitt. Er verbarg auch die Sonne

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ἐ κ ά λ υ π τ ε ν ὅ τ ε ’ , φησίν, ‘ τ ο ξ ε ύ ε ι ν κ ε λ ε ύ ο ι ’ ), μέσος δὲ τούτων ἦν ὁ Δαρεῖος, ὃς κ ά π η λ ο ς ἐκλήθη διὰ τὸ φιλοχρήματον. αὐτὸς γὰρ ἔταξε τοῖς Πέρσαις τοὺς φόρους, ὥς φησιν ὁ Ἡρόδοτος· ὃς καὶ νόμου ὄντος ἐν Πέρσαις τοὺς παῖδας διαδέχεσθαι τὰς βασιλείας αὐτὸς διὰ χρεμετισμοῦ τοῦ ἵππου ἐκτήσατο τὴν ἀρχήν. ἐν οἷς ἡ θεωρία.

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104C Καὶ ἴσως γε, ὦ Σώκρατες, οὐκ οἶσθ’ ὅτι σμικρόν με ἔφθης: ἰδοὺ σύμφωνος ἡ λέξις τοῖς ἐν τῇ θεωρίᾳ. τὴν γὰρ εὐκαιρίαν τῶν Σωκράτους λόγων διὰ τούτων θαυμάζει ὁ Ἀλκιβιάδης, ἥτις μέγιστον ἐν πᾶσι δύναται, ὡς ἐδείχθη. εἰ μὴ γὰρ διὰ τὰς προειρημένας αἰτίας, οὔτε τὸ σμικρὸν ἂν προέλαβεν ὁ Σωκράτης.

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104D Τί ποτε βούλει: ἐνταῦθα τὴν οὐσίαν αὐτοῦ θαυμάζει ἀγαθὴν οὖσαν· τὸ γὰρ βουλητὸν ἀγαθόν. εἰρήκαμεν δὲ καὶ ὅτι οὐ ταὐτὸν βουλητὸν καὶ δοκητόν, ὡς ἐν Γοργίᾳ λεχθήσεται. Καὶ ἐς τίνα ἐλπίδα βλέπων ἐνοχλεῖς μοι: τὴν ἐνέργειαν διὰ τοῦ ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ ἐδήλωσεν. οὐ ταὐτὸν δὲ τὸ νῦν ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ καὶ τὸ πρώην ‘ δ ι ’ ὄ χ λ ο υ ’ , ὡς μεμαθήκαμεν. ἐφεξῆς δὲ καὶ τὴν δύναμιν αὐτοῦ θαυμάζει. Ὅπου ἐὰν ὦ ἐπιμελέστατα παρών: ἰδοὺ καὶ τὴν δύναμιν ἐνταῦθα παραδέδωκεν. τὸ γὰρ πανταχοῦ παρεῖναι καὶ συμπαρομαρτεῖν δυνάμεως ἀγρύπνου καὶ ἀτρύτου. Καὶ ἥδιστ’ ἂν πυθοίμην: εἴρηται καὶ ἐν τῇ θεωρίᾳ ὅτι καὶ ὁ φιλήδονος οὐ ταύτης τῆς φαινομένης | ἡδονῆς ὀρέγεται, ἀλλὰ τῆς ἀληθινῆς· οὐ δυνάμενος δὲ τυχεῖν περὶ τὸ φαινόμενον τοῦτο σκιαμαχεῖ. ἐκ δὲ τοῦ ‘ ἥ δ ι σ τ α ’ εἰρῆσθαι ἐπὶ τὴν ἐπίστασιν ἤλθομεν, οἰκεία γὰρ ἡ λέξις τῷ φιληδόνῳ. Ἀκούσει μὲν ἄρα μου: ἐνταῦθα τὸν κορυφαῖον μιμούμενος φιλόσοφον κατὰ τὴν ἀνυπόθετον φιλοσοφίαν ὀλίγα αἰτεῖ· καὶ νῦν μὲν ὥστε ἀκοῦσαι τῶν αὐτοῦ ῥημάτων, μικρὸν δὲ ὕστερον καὶ ὥστε ἀποκρίνασθαι, ἔνθα φησὶν ὅτι ‘τοιαύτην δύναμαί σοι περιποιῆσαι δύναμιν, ἣν οἱ ἄλλοι ἐρασταὶ οὐκ ἠδυνήθησαν’. Καὶ ὡς ἀκουσομένῳ καὶ περιμενοῦντι λέγω; κατ’ ἐρώτησιν τοῦτο εἴρηται καὶ οὕτως ἀναγνωστέον. δηλοῖ γὰρ ἡ πρὸς αὐτὸν ἀπόκρισις ἐπάγει γὰρ ‘ π ά ν υ μ ὲ ν ο ὖ ν ’ ὡς ἐκείνου ἐρωτήσαντος.

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a l s e r b e f a h l , P f e i l e [ d a r a u f ] z u s c h i e ß e n . “ 438), in der Mitte zwischen diesen [beiden] war Dareios439, der wegen seiner Geldliebe H ä n d l e r genannt wurde.440 Denn er bestimmte die Abgaben für die Perser, wie Herodot sagt.441 Ferner, da es unter den Persern ein Gesetz war, dass die Söhne in der Königsherrschaft nachfolgen, [war] er derjenige, der seinen Thron durch das Gewieher eines Pferdes bekommen hat.442 Damit endet die Theorie.

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104C Doch wahrscheinlich weißt du nicht, Sokrates, dass du mir nur 10 ein bisschen zuvorgekommen bist: Siehe die Übereinstimmung des Texts mit den [Aussagen] in der theoretischen Untersuchung.443 Denn Alkibiades bewundert mit diesen [Aussagen] den richtigen Zeitpunkt des Sokrates für das Gespräch, der eine sehr große Wirkung in allen Sachen hat, wie es aufgezeigt wurde. Wenn es nämlich nicht aus dem vorhin genannten Grund wäre, hätte Sokrates [das Gespräch] nicht im Geringsten vorweggenommen. 104D Was du denn wohl beabsichtigst444: Hier bewundert er [sc. Alki- 15 biades] seine Wesenheit, weil diese gut ist. Denn das Gute ist wünschenswert. Wir haben auch bereits gesagt,445 dass das Gewünschte und das als solches Erscheinende nicht das Gleiche sind, wie im Gorgias erläutert wird.446 Und was für eine Hoffnung du vor Augen hast, wenn du mich belästigst: Mit dem „b e l ä s t i g s t “ deutet er auf die Tatkraft [von Sokrates]. Nicht das Gleiche sind aber dieses „b e l ä s t i g s t “ (enochleis) hier und das „z u r 20 L a s t “447 (di’ochlou) von vorher, wie wir gelernt haben.448 Nachfolgend bewundert er auch sein Vermögen. indem du mit größtem Eifer dort anwesend bist, wo ich immer bin: Siehe [wie er] auch hier sein Vermögen übermittelt hat. Denn überall zu sein und zu begleiten gehört einem unermüdlichen und unaufhörlichen Vermögen. und sehr gerne würde ich das erfahren: Es wurde auch in der theo- 25 retischen Untersuchung erwähnt,449 dass sogar der Vergnügungsliebende nicht nach diesem erscheinenden Vergnügen strebt, sondern nach dem wahrhaften. 47 Da er aber dieses nicht erreichen kann, kämpft er um eine Erscheinung [des wahrhaften Vergnügens] mit den Schatten.450 Wir kommen zu dieser Feststellung aus seiner Aussage „s e h r g e r n e “, denn diese Ausdrucksweise ist passend zu einem Vergnügungsliebenden. Du wirst mir also zuhören: Hier ahmt Sokrates den obersten Philoso- 5 phen451 nach und verlangt wenig, gemäß einer unhypothetischen Philosophie452: Und zwar jetzt, dass er auf seine Worte hört, und wenig später, dass er antwortet, sagt er hier: „Ich vermöge dir eine derart große Macht zu verleihen, zu der deine anderen Liebhaber nicht fähig waren.“453 Und soll ich so reden, wie mit einer Person, die zuhören und geduldig 10 ausharren wird? Das wurde wie eine Frage formuliert und soll auch so

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104E Ὅρα δή· οὐ γάρ τοι εἴη θαυμαστὸν εἰ, ὥσπερ μόγις ἠρξάμην, οὕτω μόγις παυσαίμην: ἐνταῦθα δέον εἰπεῖν τὴν τρίτην αἰτίαν, τοῦτο μὲν οὐ πεποίηκεν, ἵνα ἔτι πλέον ἐκκαύσῃ τὸν ἔρωτα τὸν πρὸς τὸν νέον, στοιχεῖα δὲ παραδίδωσιν ἐνθέου ἐραστοῦ, οὐ φανερῶς, ἀλλ’ ἐξ ὧν τοῖς παρ’ αὐτοῦ λεγομένοις ἕπεται. φησὶν γὰρ ὅτι ‘ ὥ σ π ε ρ μ ό γ ι ς ἠ ρ ξ ά μ η ν ’ , δηλοῦται δὲ ἐντεῦθεν ἡ κρίσις· κρίσεως γὰρ τὸ μὴ ὡς ἔτυχεν ἄρξασθαι. εἶτα ἐπάγει ‘ ο ὕ τ ω κ α ὶ μ ό γ ι ς π α υ σ α ί μ η ν ’ , τοῦτο δὲ δηλοῖ τὴν συμπάθειαν· συμπαθείας γὰρ τὸ πολὺν χρόνον συμπαραμένειν τοῖς παιδικοῖς. καὶ τὸ θεῖον δὲ τοιοῦτον· καὶ βραδέως ἄρχεται καὶ βραδέως παύεται, χορηγοῦν τὰ ἀγαθὰ τοῖς ἀνθρώποις πρὸς τὴν ἐπιτηδειότητα τῶν δεχομένων. ὁρῶμεν γὰρ καὶ τοὺς εὐτυχοῦντας μόγις μὲν ἀρχομένους τοῦ εὐτυχεῖν, ἐπιμένοντας δὲ τῇ εὐτυχίᾳ πολὺν χρόνον· ὡσαύτως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν δυστυχούντων καὶ κολαζομένων. ἰστέον γὰρ ὅτι ποιητικὸν ἀεὶ τὸ θεῖον ὑπάρχον τῶν ἀγαθῶν οὐ διαλιμπάνει, ἀλλὰ πηγὴ τούτων ἐστὶν διηνεκῶς. καὶ ἔστιν τῶν ὑπ’ αὐτοῦ γινομένων ἀγαθῶν διαίρεσις, ὅτι τὰ | μέν ἐστι πρῶτα, τὰ δὲ δεύτερα. πρωτουργὰ μὲν οὖν εἰσὶν ἀγαθά, οἷα ἔχουσιν οἱ ἀληθῶς εὐτυχοῦντες, ἐν παισίν φημι καὶ λόγοις καὶ πλούτῳ καὶ ἁπλῶς ἅπασι τοῖς τοιούτοις· δεύτερα δὲ ἀγαθὰ αἱ ἐπὶ τῶν ἁμαρτημάτων κολάσεις. καὶ γὰρ καὶ αὗται ἀγαθαί, εἴγε οὐ δεῖ κακόν τι νομίζειν ποιεῖν τὸ θεῖον· ἐοίκασι τοίνυν οἱ ἐπὶ ταῖς τιμωρίαις ἀνιλλόμενοι παισὶ φεύγουσι τὰς ἰατρικὰς τομάς. τὸ μὲν οὖν θεῖον παρέχει ἀεὶ τὰ ἀγαθά, ἡ δὲ ἐπιτηδειότης τῶν δεχομένων ἢ τῶν πρώτων ἀγαθῶν ἀπολαύει ἢ τῶν δευτέρων· καὶ βραδέως ἄρχονται καὶ βραδέως παύονται. Ὦ ἀγαθὲ λέγε· ἀκούσομαι γάρ: ἰδοὺ καὶ ἐπὶ λέξεως ἀ γ α θ ὸ ν αὐτὸν καλεῖ, καὶ οὐ μόνον διὰ τοῦ ‘ β ο ύ λ ε ι ’ τὴν οὐσίαν αὐτοῦ ὡς ἀγαθοειδῆ τεθαύμακεν.

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verstanden werden.454 Denn die Antwort auf ihn macht es deutlich: Er [sc. Alkibiades] sagt nämlich: „a u f j e d e n F a l l “, in der Meinung, dass er [sc. Sokrates] eine Frage stellte. 104E Dann sieh zu: Es wäre nämlich nicht verwunderlich, wenn ich so schwer aufhören sollte, wie schwer ich auch angefangen hatte: Hier muss der dritte Grund [für die Liebe] erwähnt werden455, aber er hat das nicht 15 gemacht, damit er seine Liebe für den Jüngling umso mehr entflammen kann; stattdessen gibt er die Grundprinzipien des göttlich inspirierten Liebhabers an, [ jedoch] nicht explizit, sondern es geht aus seinen Aussagen hervor. Er sagt nämlich: „w i e s c h w e r i c h a n g e f a n g e n h a t t e “ und dadurch offenbart sich sein Urteilsvermögen456. Es ist ja eine Eigenschaft des Urteilsvermögens, nicht willkürlich anzufangen.457 Dann sagt er: „w e n n i c h a u c h s o s c h w e r a u f h ö r e n s o l l t e “ und das offenbart sein Mitempfinden. Es ist 20 schließlich ein Zeichen des Mitempfindens, lange Zeit nah bei dem Geliebten zu bleiben. Auch das Göttliche ist derart: Es fängt sowohl langsam an als auch kommt langsam zu Ende, indem es die Menschen reichlich mit den Gütern versorgt, je nach der Geeignetheit der Empfänger.458 Denn wir sehen, dass auch den Erfolgreichen [Menschen] es am Anfang schwerfällt, Erfolg zu haben, [danach] bleiben sie aber lange Zeit in der erfolgreichen Lage. Das Gleiche gilt 25 für die Erfolglosen und die Bestraften.459 Denn man muss wissen, dass das Göttliche, das immer als Schöpfer von Gütern existiert, [sein Schaffen] nicht unterbricht, sondern ihre beständige Quelle ist.460 Es gibt auch eine Aufteilung der Güter, die aus ihm hervorgehen: Einige sind die ersten, andere sind die 48 zweiten. Die zuerst erschaffenen Güter sind nun diejenigen, die die wahrhaftig erfolgreiche [Menschen] besitzen: Ich meine, an Kindern und an Beredsamkeit461, an Reichtum und einfach an allen derartigen Sachen. Die zweiten Güter [sind] die Züchtigungen nach den Verfehlungen.462 In der Tat sind diese auch 5 gut, wenn man freilich nicht glauben darf, dass das Göttliche etwas Schlechtes hervorbringt. Ferner sind diejenigen, die vor den Strafen zurückschrecken, ähnlich den Kindern, die vor ärztlichen Eingriffen fliehen. Folglich stellt einerseits das Göttliche immer Güter bereit, andererseits aber [bestimmt] die Tauglichkeit der Empfänger, ob die ersten Güter oder die zweiten zugutekommen werden. Sowohl fangen [diese Güter] allmählich an als auch kommen sie allmählich zu Ende. Rede, mein Guter, ich werde zuhören: Siehe, dass er ihn [sc. Sokrates] 10 auch im Wortlaut g u t nennt und nicht nur durch den Ausdruck „d u b e a b s i c h t i g s t “463 seine Wesenheit bewunderte, da sie dem Guten ähnlich ist.

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Χαλεπὸν μὲν οὖν πρὸς ἄνδρα οὐχ ἥττονα: προείρηται ὡς οὔτε τῷ ‘ἀδυνάτῳ’ οὔτε τῷ ‘εὐκόλῳ’ ἐχρήσατο, καὶ ὡς εἰκότως τοῦτο ἐποίησεν διειλήφαμεν. Ὅμως δὲ τολμητέον: καλῶς ‘ τ ό λ μ α ν ’ καλεῖ τὴν ἐπὶ τὰ δεύτερα πρόοδον· οὕτω γὰρ καὶ οἱ Πυθαγόρειοι τὴν δυάδα ‘ τ ό λ μ α ν ’ ἐκάλεσαν ὡς πρώτην τολμήσασαν ἀποσχίσαι ἑαυτὴν τῆς μονάδος. δεῖ δὲ τὴν ψυχὴν κατιοῦσαν εἰς γένεσιν λαβύρινθον οὖσαν καθάπερ μίτῳ κεχρῆσθαι τῇ μονάδι πρὸς τὴν ἐνταῦθα πλάνην, καθάπερ καὶ ὁ Θησεὺς τῷ τῆς Ἀριάδνης μίτῳ πρὸς τὸν Κρητικὸν λαβύρινθον. Ἐγὼ γάρ, ὦ Ἀλκιβιάδη: ἐντεῦθεν ἡ τρίτη αἰτία, διότι ἐρᾷ ὁ Σωκράτης· φησὶ γὰρ καταφρονεῖν αὐτὸν τῶν ὑπαρχόντων καὶ μὴ ἀληθῶς ἀγαπᾶν ἃ πρὸ μικροῦ διῆλθεν, τέσσαρα ὄντα. δειχθήσεται δὲ τοῦτο ἐκ τῶν ἐπαγομένων τοῦ θεοῦ ἐρωτήσεων καὶ τῶν πρὸς αὐτὰς ἀποκρίσεων. Πάλαι ἂν ἀπηλλάγμην: ἐνταῦθα γενόμενος ὁ Ἁρποκρατίων καὶ καλῶς προσεσχηκὼς τῷ ῥητῷ, γραμμικαῖς ἀνάγκαις ἔδειξε τὸν Σωκράτην ἔνθεον ἐραστήν· εἴ φησιν ἐνταῦθα ὅτι ‘ π ά λ α ι ἂ ν ἀ π η λ λ ά γ μ η ν ’ , ὁ δὲ φορτικὸς ἐραστὴς οὐχ ὅτε θέλει ἀπαλλάττεται ἅτε ἐκ πάθους τοιοῦτος ὤν, τῶν δὲ παθῶν οὐχ ὅτε θέλομεν ἀπαλλαττόμεθα, καθάπερ οὔτε ἀρχόμεθα, δῆλον ὅτι ἔνθεός ἐστιν ἐραστής. οὗτος γὰρ ὅτε θέλει ἄρχεται, θέλει δὲ ὅτε ἀξιέραστα εἴη τὰ παιδικά· οὐκοῦν καὶ ὅτε θέλει παύεται, καθάπερ καὶ ἐνταῦθά φησιν ὅτι ‘εἰ ἑώρων σε ἀληθῶς τῶν φαινομένων ἀγαθῶν ἐφιέμενον, πάλαι ἂν ἀπηλλαττόμην τοῦ ἔρωτος’. 105A Νῦν δὲ ἕτερ’ αὖ κατηγορήσω διανοήματα σὰ πρὸς αὐτόν σε: ἐπειδή, φησίν, οὐ τούτων ἀληθῶς ἐπιθυμεῖς, ἀλλ’ ἑτέρων μειζόνων, ἀγνοίᾳ δὲ περὶ ταῦτα σκιαμαχεῖς, ἐρῶ λογισμοὺς ἀφ’ ὧν δείξω μὴ τούτων σε ἐφιέμενον. τὸ δὲ ‘ σ ὰ π ρ ὸ ς α ὐ τ ό ν σ ε ’ ἐπήγαγεν δεικνὺς ὅτι κρεῖττον οἶδεν αὐτὸς τὰ ἐκείνου ἤπερ ἐκεῖνος τὰ ἑαυτοῦ. διὸ καὶ ἐπήνεγκεν, ‘ ᾧ κ α ὶ γ ν ώ σ ῃ ὅ τ ι π ρ ο σ έ χ ω ν γ έ σ ο ι τ ὸ ν ν ο ῦ ν δ ι α τ ε τ έ λ ε κ α ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ἐκ τοῦ ἀληθῆ σοι λέγειν περὶ σοῦ’. ἐρωτικὸν δὲ καὶ τὸ ‘ π ρ ο σ έ χ ω ν γ έ σ ο ι τ ὸ ν ν ο ῦ ν δ ι α τ ε τ έ λεκα’.

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Zwar ist es schwierig mit einem Mann umzugehen, der nicht nachgibt: Es wurde [bereits] erwähnt, dass er weder „unmöglich“ noch „leicht“ gebraucht, und dass er das auf geeignete Weise gemacht hat, haben wir festgestellt.464 15 dennoch muss ich es wagen: Zutreffend nennt er das Herankommen an die zweiten [Gütern] „w a g e n “: Denn auch die Pythagoreer nannten die Dyade auf diese Weise „W a g n i s “, da es zuerst gewagt hat, sich von der Monade loszulösen.465 Es ist dann notwendig für die Seele, die ins Werden absteigt, das ein Labyrinth ist, die Monade wie einen Faden für das Wandern hier [auf der 20 Erde] zu gebrauchen: Genauso wie auch Theseus den Faden von Ariadne für [das Wandern] im kretischen Labyrinth benutzt hat. ich nämlich, Alkibiades466: Ab hier ist der dritte Grund, warum Sokrates [ihn] liebt: Denn er sagt, dass er [sc. Alkibiades] seine Besitztümer missachtet und die von ihm kurz davor genannten vier Sachen nicht wirklich schätzt.467 Das 25 wird auch ausgehend von den folgenden Fragen des Gottes und den Antworten auf diese aufgezeigt. Dann hätte ich [von meiner Liebe] längst abgelassen468: Als Harpokration469 an dieser Stelle war und seine Aufmerksamkeit zutreffend der 49 Wortwahl widmete, zeigte er auf, dass Sokrates durch den Zwang der Worte als ein göttlich inspirierter Liebhaber [dargestellt wird]. Wenn er hier sagt: „I c h h ä t t e f r ü h e r a b g e l a s s e n “ 470, – der gemeine Liebhaber aber lässt [seine Liebe] nicht ab, wenn er will, da er aufgrund eines Affekts in diesem Zustand ist, und von den Affekten können wir nicht dann ablassen, wann wir wollen, genauso wie wir sie am Anfang nicht haben [,weil wir sie wollen] – geht daraus 5 hervor, dass [Sokrates] ein göttlich inspirierter Liebhaber ist. Denn er fängt damit an, wann er will; und das will er nämlich, wann sein Liebling würdig seiner Liebe [geworden] ist. Genauso auch kann er aufhören, wann er will, wie er auch hier sagt: „Wenn ich gesehen hätte, dass du die Dinge erstrebst, die wie wahrhaftig Güter erscheinen, hätte ich längst von meiner Liebe abgelassen.“471 105A Jetzt aber will ich dir selbst deine ganz anderen Absichten 10 sagen472: Er sagt: Da du diese Dinge nicht wirklich verlangst, sondern andere größere Dinge – aber aus Unwissenheit über diese Dinge mit den Schatten kämpfst – werde ich dir die Gründe nennen, durch die ich zeigen werde, dass du nicht diese Dinge erstrebst.473 Er hat nun „d i r s e l b s t d e i n e [Absichten]“ gesagt, was zeigt, dass er besser weiß, was zu Alkibiades gehört, als er [sc. Alkibiades] über sich selbst [wissen kann]. Daher also hat er hinzugefügt: 15 „W o r a n d u a u c h e r k e n n e n w i r s t , d a s s i c h m e i n e G e d a n k e n d a u e r h a f t m i t d i r b e s c h ä f t i g t h a b e “474, in dem Sinne wie: „Daraus [geht hervor], dass ich dir die Wahrheit über dich sage“. Auch dieser [Satz]: „i c h h a b e m e i n e G e d a n k e n d a u e r h a f t m i t d i r b e s c h ä f t i g t “ hat mit der Liebe zu tun.

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C. Text und Übersetzung

Δοκεῖς γάρ μοι, εἴ τίς σοι εἴποι θεῶν: ἐντεῦθεν αἱ ἐρωτήσεις τοῦ θεοῦ. δι’ ἣν δὲ αἰτίαν θεὸν εἰσήγαγεν ἐρωτῶντα τὸν Ἀλκιβιάδην, ἐν τῇ θεωρίᾳ προείρηται. Πότερον βούλει ζῆν ἔχων ἃ νῦν ἔχεις: ἐντεῦθέν ἐστιν ἑλεῖν δόγμα, ὃ καὶ εἴπομεν, ὅτι καθ’ αἵρεσιν οἱ βίοι καὶ οὐ κατὰ ἀνάγκην. δηλοῖ δὲ τοῦτο καὶ ἐν τῇ Πολιτείᾳ. Δοκεῖς ἄν μοι ἑλέσθαι τεθνάναι: αὕτη ἡ ἀπόκρισις τοῦ φιλοσόφου ὑπὲρ τοῦ νέου· καὶ ἰστέον ὅτι ἐν ἑνὶ προσώπῳ διαλογικὸν σῴζει χαρακτῆρα ἐνταῦθα, | αὐτὸς προάγων τὰς ἐρωτήσεις ὡς ἀπὸ θεοῦ καὶ τὰς ἀποκρίσεις ὡς παρὰ τοῦ Ἀλκιβιάδου. δύο δὲ δόγματα ἐκ τοῦ ῥητοῦ ἐστὶν ἑλεῖν· ὅτι κρεῖττον μὴ εἶναι ἢ κακῶς εἶναι καὶ ὅτι πρὸς ἀρετῆς κτῆσιν ἐμπόδιον τὸ σῶμα. Ἀλλὰ νῦν ἐπὶ τίνι δή ποτ’ ἐλπίδι ζῇς, ἐγὼ φράσω: ἐντεῦθεν ἀνατομὴ τῆς Ἀλκιβιάδου ζωῆς· ἀναπτύσσει γὰρ ὁ Σωκράτης τὴν διάνοιαν αὐτοῦ πᾶσαν ἐν τοῖς ἐφεξῆς. 105B Τοῦτο δὲ ἔσεσθαι μάλα ὀλίγων ἡμερῶν: ἱστορεῖ ὁ Πρόκλος ὅτι μετὰ κʹ ἡμέρας ἔμελλεν εἰς τοὺς ἐφήβους ἐντάττεσθαι, εἶτα συμβουλεύειν Ἀθηναίοις. Ὅτι ἄξιος εἶ τιμᾶσθαι ὡς οὔτε Περικλῆς: ἄλλο δόγμα ἐντεῦθεν ἀνακύπτει· ὅτι δεῖ μὴ τιμῆς χάριν ποιεῖσθαι τὴν συμβουλήν, ὥσπερ νῦν ὁ Ἀλκιβιάδης, ἀλλ’ ὠφελείας τῶν ἀκροωμένων. ἰστέον δὲ ὅτι ἀφ’ ἑστίας ἄρχεται τῆς ἁμίλλης καὶ τῶν οἰκείων, εἰπὼν ‘ ὡ ς ο ὔ τ ε Π ε ρ ι κ λ ῆ ς ’ . Ἐὰν δὲ ἐνθάδε μέγιστος ᾖς, καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις Ἕλλησιν, καὶ οὐ μόνον ἐν Ἕλλησιν: κλιμακηδὸν ὁ λόγος αὐτῷ πρόεισιν· ἐπάγει γὰρ ὅτι ‘ ο ὐ μ ό ν ο ν ἐ ν Ἕ λ λ η σ ι ν , ἀλλὰ καὶ ἐν τῇ Εὐρώπῃ καὶ τοῖς βαρβάροις καὶ ἁπλῶς ἁπάσῃ τῇ γῇ ἐπιθυμεῖς εὐδοκιμεῖν’, καὶ μηδένα ἡγεῖσθαι λόγου ἄξιον πλὴν Κύρου καὶ Ξέρξ ο υ . ἐγὼ δέ φημι ὅτι οὔτε ἐνταῦθα ἐλθὼν στήσεται τῆς φιλοτιμίας, ἀλλ’ ἔτι μειζόνων ἐπιθυμήσει, καὶ κατὰ τὸ κωμικόν· ‘κἂ ν τα ῦ τα ἀν ύ σῃ , τ ε ττ α ρ άκο ν τ α β ο ύ λ ε τ αι ’.

25

ὡς γὰρ εἴρηται, πάντες ἄνθρωποι οὐκ αὐτῶν τῶν παθῶν ὀρέγονται (ἄπειρα γὰρ ταῦτα), ἀλλ’ ἑτέρων τινῶν ἔχοντες ἔννοιαν καὶ οὐ δυνάμενοι τούτων τυχεῖν ἐφίενται τῶν πλειόνων. ζητητέον δὲ διὰ τί τὸ

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

209

Es scheint mir nämlich so zu sein: Angenommen, einer der Götter sagte zu dir: Ab hier [fangen] die Fragen des Gottes [an]. Aus welchem Grund 20 er einen Gott einführt, der Alkibiades befragt, wurde in der theoretischen Untersuchung bereits erklärt.475 Willst du mit dem leben, was du jetzt hast: Hieraus kann man den Grundsatz entnehmen, den auch wir genannt haben,476 dass die Leben sich nach eigener Wahl und nicht nach der Notwendigkeit richten. Das verdeutlicht er auch in der Politeia.477 Dann würdest du es, glaube ich, vorziehen tot zu sein: Das ist die 25 Antwort des Philosophen anstelle des Jünglings. Man muss auch wissen, dass er hier die Dialogform bewahrt, auch wenn nur mit einem Sprecher, indem er die Fragen so stellt, als würden sie von dem Gott stammen, und die Antworten wie 50 von Alkibiades. Es sind also zwei Grundsätze aus [dieser] Rede zu entnehmen: Nämlich, dass es besser ist, nicht zu existieren, als auf schlechte Weise zu existieren und dass der Körper ein Hindernis gegen den Erwerb der Tugend ist. Ich will aber jetzt bekunden, mit was für einer Hoffnung du dein 5 Leben führst: Ab hier [beginnt] die Zergliederung von Alkibiades’ Leben.478 Denn Sokrates entfaltet seinen gesamten Eindruck in den folgenden [Sätzen]. 105B Das aber wird in sehr wenigen Tagen der Fall sein: Proklos erklärt, dass er nach 20 Tagen in [die Liste der] Epheben eingetragen werde, und darauf die Athener beraten [kann].479 10 Dass du einer Ehre würdig bist, wie weder Perikles480: Hieraus geht ein anderer Grundsatz hervor: Dass man Ratschläge nicht um des Ruhmes Willen geben soll, wie Alkibiades jetzt macht, sondern für den Vorteil der Zuhörer. Man muss wohl wissen, dass er seinen Wetteifer von seiner Familie und von seinem Hausstand herleitet,481 indem er „w i e P e r i k l e s n i e [hatte]“ sagt. Wenn du aber hier der Mächtigste seiest, [wirst du] dies auch bei den 15 anderen Griechen und nicht nur bei den Griechen482: [Sokrates] stellt seine Rede ihm wie eine Treppe vor: Denn er fügt hinzu: „Du möchtest n i c h t n u r b e i d e n G r i e c h e n , sondern auf Europa und bei den Barbaren, kurzum einfach in der gesamten Welt Ruhm erlangen“, und dass er n i e m a n d e n a u ß e r K y r o s u n d X e r x e s f ü r e r w ä h n e n s w e r t h ä l t . Ich sage 20 aber, dass [Alkibiades] nicht aufhören wird, nach der Ehre zu streben, auch wenn er dieses erreicht; sondern wird er noch mehr verlangen, wie bei dem Komödiendichter: „U n d h a t e r d i e b e i s a m m e n , w ü n s c h t e r v i e r z i g “483

Denn, wie bereits gesagt,484 nicht alle Menschen streben nach denselben Affekten (diese sind nämlich unendlich), sondern haben sie einen Begriff einiger anderen Dinge und wenn sie diese nicht erreichen können, erstreben

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C. Text und Übersetzung

φιλότιμον πάθος πλέον πάντων ἐστὶ δυσέκνιπτον· οὕτω γάρ ἐστιν, ὅτι καὶ οἱ μὴ βουλόμενοι φιλότιμοι εἶναι διὰ φιλοτιμίαν ποιοῦσιν αὐτό, ὥστε δοκεῖν ὅτι οὔκ εἰσι φιλότιμοι. φαμὲν οὖν ὅτι διὰ τοῦτο δυσαπόλυτον πάθος τὸ φιλότιμον, ὅτι μᾶλλον τῶν ἄλλων πλησιάζει τῷ λόγῳ καὶ συγγενές ἐστι τούτῳ· ὁ δὲ λόγος ἀναπόβλητός ἐστιν ἡμῶν· οὐκοῦν καὶ τὰ πλησιάζοντα αὐτῷ δυσαπόβλητα. ἢ δι’ ἑτέραν· ὅτι κατιοῦσα ἡ ψυχὴ ἐνταῦθα καὶ φεύγουσα τὸ δουλεύειν τοῖς κρείττοσιν, ἐπιθυμοῦσα δὲ τοῦ ἄρχειν τῶν χειρόνων, πρῶτον τῶν παθῶν ἐνδύεται τὸ φιλότιμον· ἐν τῇ οὖν ἀποβολῇ τούτων τελευταῖον αὐτὸ ἀποδύεται ἐξ ἀνάγκης. ὅτε καὶ ἔστιν λέγειν ἐπ’ αὐτῇ· ‘α ὐτ ὰ ρ ὁ γ υ μ ν ώ θ η ῥα κ έ ω ν ’.

ἰστέον δὲ ὅτι τὸ φιλότιμον πάθος ἐν ταῖς ζωτικαῖς ἡμῶν δυνάμεσιν ἐστὶν δυσαπόβλητον, ἡ δὲ φαντασία ἐν ταῖς γνωστικαῖς· πάρεστι γὰρ ἀεὶ τῇ ἡμετέρᾳ ψυχῇ ἡ φαντασία, τύπους ἀναπλάττουσα ὧν ἀγνοεῖ ἡ ψυχὴ καὶ τοῖς ἀσωμάτοις σχήματα καὶ μεγέθη καὶ σώματα περιτιθεῖσα καὶ τόπῳ περιορίζουσα τὸν θεόν. Ὁ αὐτὸς θεός: καλῶς ἐπὶ μὲν τοῦ θεοῦ τὸ ‘ α ὐ τ ὸ ς ’ ἔταξεν, ἑνὰς γὰρ ὁ θεὸς καὶ ἑνοειδής· ἐπὶ δὲ τῶν πραγμάτων ὧν ὁ Ἀλκιβιάδης ἐφίεται πληθυντικῶς εἶπεν, πολλὰ γὰρ τὰ μετὰ τὸ θεῖον καὶ τὴν μονάδα τὰ ἐξ αὐτῆς παραγόμενα, ὧν πάντες ἐφιέμεθα. ὅτι γὰρ πληθυντικῶς ἐπὶ τούτων εἶπεν, δῆλον κἀκ τοῦ ἐπαγαγεῖν, ‘ ἐ π ι θ έ σ θ α ι τ ο ῖ ς ἐ κ ε ῖ π ρ ά γ μ α σ ι ν ’ . ἁρμόττουσα δὲ ἡ λέξις, τὸ ‘ ἐ π ι θ έ σ θ α ι ’ , τῷ Ἀλκιβιάδῃ. Πλὴν Κύρου καὶ Ξέρξου: εἴρηται ὅτι ἀνομοίῳ ἐχρήσατο τῷ παραδείγματι· οὐ γὰρ τὰ αὐτὰ οὗτοι προείλοντο, εἴγε ὁ μὲν π α τ ή ρ , ὁ δὲ δ ε σ π ό τ η ς προσηγορεύετο. Εὖ οἶδα καὶ οὐκ εἰκάζω: καλῶς μετὰ τὰς ἀποδείξεις τὸ ‘ ε ὖ ο ἶ δ α ’ τέταχεν, ὥσπερ καὶ ἐν ἀρχῇ πεποίηκεν. ἔοικεν δὲ τὸ Ὁμηρικὸν λέγειν, ὥσπερ καὶ ὁ Διομήδης πρὸς τὴν Ἀθηνᾶν, ‘ ο ὐ δ έ σ ε λ ή θ ω κ ι ν ο ύ μ ε ν ο ς ’ · ὁ δὲ Σωκράτης ἐκ τοῦ ἐναντίου, ‘οὐδέ με λήθεις’, εἴγε φησίν· ‘ὅτι μὲν οὖν ἔχεις ταύτην ἐλπίδα, εὖ οἶδα καὶ οὐκ εἰκάζω’.

51, 16 Olymp. om. οὗτος post αὐτὸς, cf. Plat. Alc. 105b8.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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sie noch mehr.485 Es soll nun untersucht werden, warum der Affekt der Ehrliebe viel schwerer auszulöschen als alles andere ist.486 Denn es ist so, dass sogar 51 diejenigen, die nicht ehrliebend sein wollen, aufgrund der Ehrliebe das machen, damit sie so erscheinen, dass sie nicht ehrliebend sind. Wir sagen nun, dass der Affekt der Ehrliebe aus diesem Grund etwas ist, wovon man sich schwer befreien kann, weil sie der Vernunft viel näher kommt487 als anderen [Affekten] und mit ihr Gemeinsamkeit hat. Und die Vernunft kann von uns nicht entfernt 5 werden. Daher ist es für uns schwer auch das [von uns] zu entfernen, was ihr nah steht. Oder, aus einem anderen [Grund]: Die Seele, als sie hierher abstieg und von der Sklaverei unter den Mächtigeren floh, dagegen aber über die Niedrigeren herrschen wollte, bekleidete sich zuerst von den Affekten mit der Ehrliebe.488 Wenn sie aber [bei dem Aufstieg] diese [Affekte] wegwirft, zieht zwangsmäßig diese [sc. Ehrliebe] zuletzt aus. Sodass man über die [Seele] sagen kann: „[E r ] a b e r e n t b l ö ß t e s i c h v o n d e n L u m p e n “ . 489

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Man muss also wissen, dass die Ehrliebe unter unseren lebenswichtigen Fähigkeiten ein schwer loszuwerdender Affekt ist, wie die Vorstellungskraft unter den erkennenden Fähigkeiten. Denn die Vorstellungskraft ist stets in unserer Seele anwesend, während die Seele Eindrücke von den Sachen gestaltet, die sie nicht kennt, und den immateriellen Sachen Formen, Größen und Körper 15 zuschreibt und sogar den Gott mit einem bestimmten Ort definiert. Der Gott selbst490: Zutreffend hat er „d a s S e l b s t “ in [die Ebene] des Gottes gesetzt, denn der Gott ist Einheit und einförmig.491 Über die Angelegenheiten aber, die Alkibiades anstrebt, redet er in der Pluralform492 – denn die Dinge, die dem Göttlichen und der Monade [folgen] und aus ihr hervorgehen, sind Viele, die wir alle anstreben. Dass er über diese in der Pluralform redet, wird 20 daraus deutlich, dass er hinzufügt: „d i e A n g e l e g e n h e i t e n d o r t i n 105C A n g r i f f z u n e h m e n “493. Außerdem ist der Ausdruck „i n A n g r i f f z u n e h m e n “ im Einklang mit Alkibiades.494 Außer Kyros und Xerxes: Es wurde erwähnt, dass er unähnliche Beispiele495 benutzt hat. Denn diese [Beispiele] wurden nicht als Gleiche ausgewählt, da der eine als V a t e r angesprochen wird, der andere aber als 25 Despot. Das weiß ich sehr gut und vermute es nicht: Passend hat er den [Satz] 52 „i c h w e i ß s e h r g u t ” nach den Beweisführungen gesetzt, wie er auch am Anfang getan hat.496 Es gleicht einer homerischen Phrase, wie auch Diomedes zu Athene [gesagt hat]: „u n d i c h b l e i b e d i r n i c h t v e r b o r g e n , w e n n i c h m i c h r e g e “ 497. Sokrates aber [verwendet es] aus einer gegensätzlichen [Sicht]: „du bist mir nicht entgangen“, wenn er nämlich sagt: „D a s s d u i n 5

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ ϛʹ

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105C-106C Τί δὴ οὖν, ὦ Σώκρατες, τοῦτ’ ἔστι σοι πρὸς λόγον, ὃν ἔφησθα ἐρεῖν, διὸ ἐμοῦ οὐκ ἀπαλλάττῃ; Δύο τινῶν εἰρημένων ἐν τῷ προοιμίῳ, πρώτου μὲν τοῦ ἐρᾶν Σωκράτην, δευτέρου δὲ τοῦ ἐρῶντα σιωπῇ παρομαρτεῖν, τουτέστιν ἀπαρουσιάστως ἐρᾶν, καὶ τοῦ μὲν δευτέρου τῆς αἰτίας ἀνατεθείσης εἰς δαιμόνιον ἢ θεῖον, τοῦ δὲ πρώτου τριῶν εἰρημένων αἰτίων, τοῦ ὑπερφρονεῖν τὸν Ἀλκιβιάδην τῶν ἄλλων ἐραστῶν, τοῦ ἀνάλωτον αὐτὸν εἶναι τῷ φιλοχρημάτῳ, καὶ τοῦ καταφρονεῖν τῶν ὑπαρχόντων αὐτῷ, νῦν, ἐπειδὴ οὐ μόνον τὰ δύο ταῦτα περιεῖχε τὸ προοίμιον, ἀλλὰ καὶ τρίτον, τὸ τῶν ἄλλων ἐραστῶν πεπαυμένων τὸν Σωκράτην μὴ ἀπαλλάττεσθαι, τούτου τὴν αἰτίαν πάρεστι παραδώσων ὁ Σωκράτης. φησὶν οὖν ὅτι ‘διὰ τοῦτο οὐκ ἀπαλλάττομαι, ἐπειδὴ μόνος δύναμαι περιποιῆσαί σοι δύναμιν, ἣν οἱ ἄλλοι ἐρασταὶ πάντες οὐκ ἠδυνήθησαν’. Καὶ ἀποροῦμεν, πρῶτον μὲν πῶς ὁ Σωκράτης ἐνταῦθα μεγαλορρημονεῖ, ὁ πανταχοῦ εἴρων, περὶ οὗ εἴρηται, ‘ α ὕ τ η δ έ σ ο ι ἡ ε ἰ ω θ υ ῖ α ε ἰ ρ ω ν ε ί α , ὦ Σ ώ κ ρ α τ ε ς ’ · ὁ λέγων ἀεὶ μηδὲν | εἰδέναι, μηδένα διδάσκειν, διὸ καὶ ὁ θεὸς ὁ ἐν Δελφοῖς ἔφη περὶ αὐτοῦ ὅτι ‘ἀνδρῶν ἁπάντων Σωκράτης σοφώτατος’·

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ὅτι οὐ πληγῇ μόνον ἀέρος ταῦτα ἔλεγεν καὶ φωνῇ, ἀλλὰ ζωτικῶς καὶ ἐνθέως. ζητητέον οὖν πῶς τοιοῦτος ὢν ἐνταῦθα τοιαῦτα φρονεῖ, μόνος ἐπαγγελλόμενος δύνασθαι περιποιεῖν τῷ νέῳ δύναμιν. ἢ λέγομεν ὅτι πρῶτον μὲν ἐν καιρῷ μεγαλορρημονεῖ ὁ φιλόσοφος· δέος γὰρ ἦν μή, καθάπερ τῶν ἄλλων ἐραστῶν κατεφρόνησεν ὁ Ἀλκιβιάδης, οὕτως καὶ αὐτοῦ. οἶδεν οὖν ὁ Σωκράτης ἐν καιρῷ μεγαλορρημονεῖν. καὶ γὰρ πολλαχοῦ τοῦτο πεποίηκεν· οἶον ἐν Θεαιτήτῳ κριτὴν τάξας ἑαυτὸν τῶν γ ο ν ί μ ω ν καὶ ἀ ν ε μ ι α ί ω ν λόγων φησὶν ὅτι ‘ θ ε ὸ ς γ ὰ ρ δύσνους οὐδεὶς ἀνθρώπῳ οὐδὲ ἐγὼ δυσνοίᾳ τοῦτο

52, 22 Olymp. αὕτη δέ σοι / αὕτη 'κείνη Plat. Rep. 337a4. 53, 1 Olymp. ὦ Σώκρατες / Σωκράτους Plat. Rep. 337a4–5. 11 Olymp. θεὸς γὰρ / οὐδεὶς θεὸς Plat. Tht. 151d1. 12 Olymp. ἀνθρώπῳ / ἀνθρώποις Plat. | Olymp. τοῦτο / τοιοῦτον Plat. Tht.151d1. 12 Olymp. τοῦτο / τοιοῦτον Plat. Tht.151d1.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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d e r Ta t d i e s e H o f f n u n g h a s t , w e i ß i c h s e h r g u t u n d v e r m u t e e s n i c h t n u r “498.

Unterricht 6 mit Gottes Hilfe 105C–106C Was hat denn das, Sokrates, mit deinem Argument zu tun, das du darüber äußern wolltest, warum du von mir nicht ablässt? Diese zwei Dinge wurden in der Einleitung499 gesagt: erstens, dass Sokrates 10 [ihn] liebt und zweitens, dass er seinen Geliebten stillschweigend begleitet, das heißt, dass er [ihn] ohne körperliche Anwesenheit liebt500 – und während er [sc. Sokrates] den Grund des Zweiten einem daimonischen oder göttlichen Wesen zuschrieb,501 nannte er für das Erste drei Gründe: dass Alkibiades [seine] anderen Liebhaber verachte, dass er gegen die Geldliebe unbesiegbar sei und 15 dass er eigene Besitztümer geringschätze502 – und jetzt, da die Einleitung nicht nur diese zwei [Aussagen] umfasst, sondern eine dritte, nämlich, dass Sokrates [von ihm] nicht ablässt, nachdem die anderen Liebhaber bereits aufgehört haben, ist Sokrates dabei, den Grund dafür anzugeben. Also sagt er: „Aus diesem Grund lasse ich [von dir] nicht ab, da nur ich dir eine Macht verleihen kann, 20 wozu alle deine anderen Liebhaber unfähig waren.“503 Doch rätseln wir, erstens, warum Sokrates an dieser Stelle prahlt, wobei er [sonst] überall ironisch ist504 und man über ihn sagt: „D a s i s t w i e d e r d e i n e g e w ö h n l i c h e I r o n i e , S o k r a t e s “.505 Er pflegt immer zu sagen, 53 dass er nichts weiß und niemandem etwas lehrt,506 aus welchem Grund auch der Gott von Delphi über ihn sprach: „V o n a l l e n M e n s c h e n i s t S o k r a t e s d e r W e i s e s t e . “507

Das bedeutet, dass er diese [Worte] nicht nur wie ein Schlag in die Luft508 oder wie ein Laut509 sagte, sondern mit seiner Lebenskraft und mit der göttlichen Inspiration. Es muss also untersucht werden, wie er, als ein solcher Mensch, hier derartige Gedanken hat, während er ankündigt, dass nur er dazu fähig ist, dem Jüngling eine Macht zu verleihen.510 Dazu sagen wir, dass erstens der Philosoph zu einem günstigen Augenblick prahlt: Denn es war [vorher] nötig, dass er das nicht macht, da Alkibiades ihn genauso wie seine anderen Liebhaber missachtete. Daher wusste Sokrates, wie man zum richtigen Zeitpunkt prahlt. In der Tat, hat er das öfters gemacht: Wie er im Theaitetos, nachdem er sich als Richter zwischen f r u c h t b a r e n und n i c h t i g e n Argumenten eingesetzt hatte, sagte: „D e n n k e i n G o t t i s t d e n M e n s c h e n j e s c h l e c h t g e s i n n t und ich tue das auch nicht aus schlechtem Willen, son-

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C. Text und Übersetzung

δρῶ, ἀλλά μοι ψεῦδός τε συγχωρῆσαι καὶ ἀληθὲς ἀ φ α ν ί σ α ι ο ὐ δ α μ ῶ ς θ ε μ ι τ ό ν ’ . ἰδοὺ γὰρ ἐνταῦθα τῷ θεῷ συνέταξεν ἑαυτὸν εἰπὼν ‘ θ ε ὸ ς γ ὰ ρ δ ύ σ ν ο υ ς ο ὐ δ ε ὶ ς ἀ ν θ ρ ώ π ῳ ο ὐ δ ὲ ἐ γ ὼ δ υ σ ν ο ί ᾳ ο ὐ δ ε μ ι ᾷ τ ο ῦ τ ο δ ρ ῶ ’ . καὶ πάλιν ἐν τῇ Ἀπολογίᾳ μεγαλορρημονεῖ λέγων, ‘ κ ρ ε ί σ σ ο ν ι δ ὲ ἀ ν δ ρ ὶ ο ὐ θ ε μ ι τ ὸ ν ὑ π ὸ χ ε ί ρ ο ν ο ς ἄ ρ χ ε σ θ α ι ’ · καὶ αὖθις ἐκεῖ ὅτι ‘ Ἄν υ τ ο ς κ α ὶ Μ έ λ ι τ ο ς ἀ π ο κ τ ε ῖ ν α ι μ έ ν μ ε δ ύ ν α ν τ α ι , β λ ά ψ α ι δ ὲ ο ὐ δ α μ ῶ ς ’ , τοῦ μὲν προτέρου ‘ μ ε ’ κοινότερον ἐπὶ τοῦ συναμφοτέρου εἰρημένου, τοῦ δὲ δευτέρου κυρίως ἐπὶ τῆς ψυχῆς μόνης. καὶ αὕτη μὲν μία λύσις, ὅτι ἐν καιρῷ οἶδε μεγαλορρημονεῖν· δευτέρα δέ, ὅτι οὔτε μεγαλορρημονεῖ, φαύλων καὶ ἀγελαίων | ἀνδρῶν προκρίνων ἑαυτόν. οὐδὲ γὰρ μέγα εἰ ἅπερ εὐτελεῖς οὐκ ἠδυνήθησαν ποιῆσαι, ταῦτα πράξει ὁ φιλόσοφος. τρίτον ὅτι, ἐάν τις ἀκριβῶς ἐννοήσῃ τὰ ῥηθέντα, οὔτε φαίνεται μεγαλορρημονῶν ὁ Σωκράτης. φησὶν γὰρ ὅτι ‘ μ ε τ ὰ τ ο ῦ θ ε ο ῦ μ έ ν τ ο ι ’ καὶ ‘ ἄ ν ε υ ἐ μ ο ῦ τ ῶ ν δ ι α ν ο η μ ά τ ω ν τ έ λ ο ς ἐ π ι τ ε θ ῆ ν α ι ἀ δ ύ ν α τ ο ν ’ . τὸ δὲ ‘ ἄ ν ε υ ’ ὑλικόν ἐστι πρόσρημα καὶ ὕλῃ πρέπον, ἐπειδὴ ἄνευ τῆς ὕλης οὐδέν ἐστιν ἐπινοῆσαι ἐνταῦθα ὄν. Δεύτερον ἀποροῦμεν, διὰ τί τοιαύταις ἐλπίσιν ὑποτύφεσθαι ποιεῖ τὸν νέον ὁ Σωκράτης, δύναμιν ἐπαγγελλόμενος αὐτῷ περιποιήσειν. ἢ λέγομεν ὅτι καθάπερ οἱ ἰατροὶ οὐκ ἐπιτίθενται τοῖς νοσοποιοῖς αἰτίοις πρὶν αὐτὰ τιθασεύσουσιν (διὸ καλῶς εἴρηται τῷ Ἱπποκράτει, ‘ π έ πονα φαρμακεύειν καὶ κινεῖν, μὴ ὠμὰ μηδὲ ἐν ἀρχ ῇ σ ι ν ’ ), οὕτω καὶ ὁ Σωκράτης πρότερον τιθασεύει τὰ πάθη, εἶθ’ οὕτως ἐκκόπτει αὐτὰ π υ ρ ὶ κ α ὶ σ ι δ ή ρ ῳ , τὸ δὴ λεγόμενον. ἰστέον γὰρ ὅτι, καθάπερ καὶ ἐν ἀρχῇ εἴρηται, τρεῖς εἰσὶ τρόποι καθάρσεως, Πυθαγορικός, Σωκρατικός, Περιπατητικὸς ἤτοι Στωϊκός. καὶ ὁ μὲν Στωϊκὸς διὰ τῶν ἐναντίων τὰ ἐναντία ἰᾶτο, τῷ μὲν θυμῷ τὴν ἐπιθυμίαν ἐπάγων καὶ οὕτω μαλάσσων αὐτόν, τὴν δὲ ἐπιθυμίαν τῷ θυμῷ καὶ οὕτω ῥωννύων αὐτὴν καὶ ἀνάγων πρὸς τὸ ἀνδρικώτερον, δίκην τῶν κεκαμμένων ῥάβδων ἃς οἱ θέλοντες εὐθῦναι πρὸς τὸ ἐναντίον περιλυγίζουσιν,

53, 13 Olymp. δρῶ / οὐδὲν δρῶ Plat. Tht. 151d2. 14 Olymp. θεμιτόν / θέμις Plat. Tht. 151d3. 16 15–16: cf. 10–13.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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dern mir ist es auf keinen Fall recht, bei der Lüge mitz u w i r k e n u n d d i e W a h r h e i t z u v e r d u n k e l n . “511 Siehe, dass er sich hier auf die gleiche Ebene mit Gott stellt, indem er sagt: „D e n n k e i n 15 Gott ist den Menschen je schlecht gesinnt und ich tue das a u c h m i t k e i n e m s c h l e c h t e n W i l l e n “512. Und wieder in der Apologie prahlt er, indem er sagt: „E s i s t n i c h t g e r e c h t , d a s s e i n besserer Mensch von einem Schlechteren beherrscht w i r d “513. Erneut [sagt er] dort: „A n y t o s u n d M e l i t o s k ö n n e n m i c h 20 zwar töten, schaden jedoch [können sie mir] keinesf a l l s “514, und er benutzt im ersten [Teil des Satzes das Wort] „m i c h “ in einem allgemeineren Sinne über die Kombination von beidem [Körper und Seele]; dagegen im zweiten [Teil] im strikten Sinne nur über die Seele.515 Das ist aber eine Lösung, dass er wusste, zum richtigen Zeitpunkt zu prahlen. Eine zweite [Lösung] ist, dass er nicht [wirklich] prahlt, wenn er sich den Vorzug 54 gegenüber gemeinen Herdenmenschen gibt. Denn es ist nichts Großes, wenn der Philosoph das in die Tat umsetzt, wozu die einfachen Menschen nicht in der Lage sind. Eine dritte [Lösung ist], dass Sokrates nicht zu prahlen scheint, wenn jemand sorgfältig über die Wortwahl [hier] nachdenken würde. Denn er sagt: 5 „m i t G o t t e s H i l f e n a t ü r l i c h “516 und: „O h n e m i c h i s t e s [ f ü r d i c h ] u n m ö g l i c h , d i e s e A b s i c h t e n z u v e r w i r k l i c h e n “517. Das „o h n e “ ist eine materielle Präposition518 und geeignet zu der Materie, da ohne Materie nichts von diesseits Seienden mit der Vernunft begriffen werden kann.519 Zweitens rätseln wir,520 warum Sokrates mit solchen Hoffnungen den Jüngling dazu bringt, danach zu fiebern, indem er ankündigt, ihm eine Macht 10 zu verleihen.521 Wir sagen wohl, dass, genau wie die Ärzte nichts gegen die hervorbringenden Ursachen der Krankheiten anwenden, bevor sie diese [Krankheiten] unter Kontrolle bekommen (daher wurde zurecht bei Hippokrates gesagt: „E i n e a u s g e r e i f t e [ K r a n k h e i t ] s o l l m a n m i t Arzneimittel behandeln und bekämpfen, nicht wenn s i e u n r e i f o d e r a m A n f a n g i s t . “522), so nimmt auch Sokrates erst die Affekte unter Kontrolle und entfernt sie nicht auf diese Weise d u r c h d a s 15 F e u e r u n d d e n S c h n i t t 523, wie der Spruch lautet. Denn man muss wissen, dass es – wie auch am Anfang gesagt wurde524 – drei Arten der Katharsis gibt: Die pythagoreische, die sokratische und die peripatetische oder stoische.525 Die stoische [Art der Katharsis] heilt die Gegensätze durch Gegensätze526, indem sie einerseits der Willenskraft die Begierde527 entgegensetzt und sie so abschwächt; andererseits der Begierde die Willenskraft [entgegensetzt] und sie so 20 verstärkt und zu einem mutigeren Verhalten lenkt,528 nach dem Beispiel der gebogenen Stäbe529: wer sie geradebiegen möchte, biegt sie in die entgegengesetzte Richtung, damit durch die Bewegung in die gegensätzliche Richtung

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C. Text und Übersetzung

ἵνα ἐκ τῆς εἰς τὸ ἐναντίον περιφορᾶς τὸ σύμμετρον ἀναφανῇ· οὕτως καὶ ἐπὶ ψυχῆς ἐκ τοῦ τοιούτου | τρόπου ἁρμονίαν ἐμποιεῖν ἐπετήδευον. ὁ δὲ Πυθαγορικός ἐστιν ὁ μικρὸν κελεύων ἐνδιδόναι τοῖς πάθεσι καὶ ὥσπερ ἄ κ ρ ῳ δ α κ τ ύ λ ῳ αὐτῶν ἀπογεύεσθαι· ὅ φασιν οἱ ἰατροὶ ‘ σ μ ι κ ρ ῷ ἔ λ α τ τ ο ν ’ . ἔλεγον γὰρ ὅτι οἱ φλεγμαίνοντες πάθει τινί, εἰ μὴ κατ’ αὐτὸ ἐνεργήσωσιν, οὐ πρότερον αὐτοῦ ἀφίστανται. οὕτω γὰρ καὶ ἐπὶ τοῦ Πανδάρου πεποίηκεν ἡ Ἀθηνᾶ· θέλοντος ἐπιορκῆσαι ἐνδέδωκεν αὐτῷ· διὸ καὶ τελευταῖον τῇ γλώσσῃ πεποίηται κολαζόμενος, εἰς τὴν γενομένην ὄργανον αὐτῷ τῆς ἐπιορκίας. ὁ δὲ Σωκρατικὸς τρόπος τῆς καθάρσεως ἀπὸ τῶν ὁμοίων ἐπὶ τὰ ὅμοια μετάγει· εἰ μέν τίς ἐστι φιλοχρήματος, λέγων ‘μάθε τίς ἡ ὄντως αὐτάρκεια’· εἰ δὲ φιλήδονος, ‘τίς ἡ θεία ῥᾳστώνη’, καὶ ἁπλῶς ὅσα προείρηται. κρείττων δὲ ὁ τοιοῦτος τρόπος τῶν ἄλλων· ὁ μὲν γὰρ κακῷ τὸ κακὸν ἰᾶται, εἴγε πάθος πάθει, ὁ δὲ οὐκ ἐᾷ τὴν ψυχὴν ἀκηλίδωτον διὰ τῆς ἐπαφῆς τῶν παθῶν. Τρίτον ἀποροῦμεν, πῶς φησὶν ὁ Σωκράτης δύνασθαι περιποιεῖν δύναμιν τῷ Ἀλκιβιάδῃ. πρὸς οὖν τοῦτο ῥητέον ὅτι τὴν ἐπιστήμην αὐτῷ περιποιήσειν φησίν· δύναμις δέ τις ἡ ἐπιστήμη, εἴγε ἀλλαχοῦ λέγει ‘ἀποδείξεως δ’ οὔσης ἐν ψυχῇ δυνατώτερον οὐδέν’ (ἐπιστήμης δὲ ἡ ἀπόδειξις) καὶ ὅτι ἀνάλωτός ἐστι τυράννῳ ἡ ἐπιστήμη. ἢ ὅτι σπουδαῖος ὢν ὁ Σωκράτης αὐτάρκης ἐστὶν καὶ τῇ τοῦ θεοῦ αὐταρκείᾳ συγγενής· ἐντεῦθεν ὡς ἐρωτικὸς οὖν σπουδάζει τῆς τοιαύτης αὐταρκείας μεταδοῦναι τοῖς παιδικοῖς καὶ πρὸς τὴν τοῦ θεοῦ αὐτάρκειαν τελειώσας ἀναγαγεῖν. τρίτον ὅτι κατὰ τὴν τῶν Στωϊκῶν μεγαλορρημοσύνην ὁ ἀρχικός, τουτέστιν ὁ εἰδὼς ἄρχειν, μόνος ἄρχων ἐστίν, εἰ καὶ μὴ ἔχῃ τὰ ὄργανα | τῆς ἀρχικῆς ἐπιστήμης· καὶ ὅτι μόνος ὁ σοφὸς πλούσιος, τουτέστιν ὁ εἰδὼς χρήσασθαι παρόντι τῷ πλούτῳ, εἰ καὶ μὴ πάρεστιν. τὴν τοιαύτην οὖν δύναμιν ὁ Σωκράτης ἐπαγγέλλεται τῷ νέῳ πρὸς τὸ πολιτικὸν αὐτὸν εἶναι· μόνος γὰρ ἀληθῶς ταύτην παρέχειν ἠδύνατο καὶ οὐδεὶς τῶν ἄλλων. Πρὸς δὲ τῷ τέλει τοῦ προοιμίου τὸ ἕτερον ὧν προειρήκαμεν αἰτεῖ αὐτόν, λέγω δὲ τὸ ἀποκρίνασθαι πρὸς τὰ ἐρωτώμενα. καὶ ζητοῦμεν

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eine Symmetrie entsteht. So machten sie es sich zur Gewohnheit, auch im Fall der Seelen, auf diese Art und Weise eine Harmonie zu erreichen. Andererseits 55 empfiehlt die pythagoreische [Katharsis], den Affekten etwas Kleines zu zugestehen und sie wie m i t d e r F i n g e r s p i t z e 530 zu kosten: Das nennen die Ärzte „d a s k l e i n e r e Ü b e l “531. Denn sie sagten, dass Menschen, die durch irgendeinen Affekt entflammt sind, sich nicht davon fernhalten werden, 5 ohne dass sie [sc. die Ärzte] dagegen etwas unternehmen. Auf diese Weise nämlich handelte Athene im Fall von Pandaros532: Als er den Eid brechen wollte, hat sie es ihm erlaubt: Aus diesem Grund wurde er am Ende durch seine Zunge bestraft, die ihm als Mittel für den Meineid diente. Die sokratische Art der Katharsis dagegen überträgt Gleiches zu Gleichem.533 Wenn jemand Geld liebt, 10 sagt er, „Lerne, was die wahre Selbstgenügsamkeit ist.“534 Wenn er aber Vergnügung liebt [sagt er] „[lerne,] was die göttliche Unbeschwertheit ist“, und das alles, was bereits erwähnt wurde.535 Daher ist diese Methode wirksamer als die anderen: Denn die eine [sc. die stoische] heilt ein Übel mit einem anderen Übel, da ein Affekt mit [einem anderen] Affekt [geheilt wird]; wobei die andere [sc. die pythagoreische] der Seele nicht erlaubt, makellos zu bleiben, da sie mit den Affekten in Berührung kommt. Drittens rätseln wir,536 warum Sokrates sagt, dass er Alkibiades eine Macht 15 verleihen könne? Zu dieser [Frage] nun muss man erwähnen, dass er sagt, er werde ihm das Wissen verleihen: Denn das Wissen ist eine Art Macht, da er woanders sagt: „N i c h t s i s t m ä c h t i g e r a l s d i e B e w e i s f ü h r u n g , d i e s i c h i n d e r S e e l e b e f i n d e t “537 (zum Wissen gehört ja die Beweisführung) und [er sagt], dass das Wissen gegen einen Tyrannen unbesiegbar ist.538 Oder [wir sagen], dass Sokrates, als ein tugendhafter Mensch539, 20 selbstgenügsam ist und eine ähnliche Beschaffenheit wie die Selbstgenügsamkeit des Gottes540 besitzt: Also von hier an bemüht er sich, wie ein Liebhaber, seinem Liebling einen Teil von einer solchen Selbstgenügsamkeit zu geben und ihn zur Selbstgenügsamkeit des Gottes zu vervollständigen und hinaufzuführen. Die dritte [Antwort ist,] dass nach der Großsprecherei541 der Stoiker, nur der zum Herrschen Geeignete (archikos) – das heißt derjenige, der zu herrschen weiß – der Herrscher (archōn) ist, auch wenn er die Mittel des Wissens über das 56 Herrschen (episteme archike) nicht besitzt.542 Dementsprechend ist nur der Weise reich, das heißt derjenige, der weiß, wie man den verfügbaren Reichtum nutzen kann, auch wenn es ihn nicht gibt. Das ist dann eine solche Macht, die Sokrates dem Jüngling verspricht, damit er ein Politiker wird. Denn nur er 5 könnte wahrlich diese [Macht] bieten und keiner von den anderen [Liebhabern]. Gegen Ende der Einleitung543 verlangt er von ihm [sc. Alkibiades] die andere der vorher genannten [Bedingungen]544, ich meine, dass er seine Fragen

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ἐνταῦθα πάλιν, τί δή ποτε ὁ φιλόσοφος τοῦτο τὸν Ἀλκιβιάδην αἰτεῖ. πρὸς ὅ φαμεν ὅτι ὁ Σωκράτης οὐ νεκροὺς καὶ ἀπεψυγμένους ἐβούλετο προάγειν τοὺς λόγους αὐτοῦ, ἀλλ’ ἐνεργοὺς καὶ ζῶας, ὡς εἰπεῖν, καὶ πρέποντας τοῖς προσδιαλεγομένοις· τοῦτο δὲ θηρᾶται ἐκ τῶν ἀποκρίσεων. ἢ ὅτι ἐρωτικὸς ὢν ὁ Σωκράτης βούλεται περιπλακῆναι τοῖς παιδικοῖς· ἔοικε δὲ περιπλοκῇ τὸ διαλογικὸν σχῆμα καὶ ἡ κατὰ βραχὺ τῶν λόγων διαπλοκὴ κατὰ πεῦσιν γινομένη καὶ ἀπόκρισιν. ἤ, ὥς φησιν ἐν τῷ Φαίδρῳ, ‘ δ ε ῖ τ ὸ ν λ ό γ ο ν ἐ ο ι κ έ ν α ι ζ ῴ ῳ ’ · καὶ τὸν οὖν ἄριστα κατεσκευασμένον λόγον δεῖ τῷ ἀρίστῳ τῶν ζῴων ἐοικέναι. ἄριστον δὲ ζῷον ὁ κόσμος· ὥσπερ οὖν οὗτος λειμών ἐστι ποικίλων ζῴων, οὕτω δεῖ καὶ τὸν λόγον εἶναι πλήρη παντοδαπῶν προσώπων. καὶ ἄλλως ὅτι, καθάπερ ἐν τούτῳ πάντα φθέγγεται καὶ ἐνεργεῖ (αἱ γὰρ τῶν πραγμάτων ἐνέργειαι οἱονεὶ φωναὶ αὐτῶν εἰσίν), οὕτω δὲ κἀν τῷ λόγῳ προσήκει πάντα λαλεῖν τὰ ἐν αὐτῷ πρόσωπα καὶ ὥσπερ πάντας ἐνεργεῖν. τέταρτον, ὅτι τὸ κατ’ ἐρώτησιν καὶ ἀπόκρισιν σχῆμα διεγερτικόν ἐστιν καὶ ἐπιστρεπτικόν. τοιγαροῦν καὶ οἱ ῥήτορες, ὅτε βούλονται διεγεῖραι τὸν ἀκροατὴν ἢ ἐπιστρέψαι τὸν λόγον, αὐτῷ κέχρηνται, οἶον ‘ ἀ λ λ ά μ ο ι ἀ π ό κ ρ ι ν α ι , π ρ ὸ ς θ ε ῶ ν ’ . ὁ δὲ κατὰ ἀποτάδην λόγος καθεύδειν ποιεῖ τοὺς | ἀκροατάς· ὡς γάρ φησιν ὁ Αἰσχίνης, ‘ ὄ ν α ρ δ ’ ἑ ώ ρ ω ν τ ῆ ς δ ί κ η ς λ ε γ ο μ έ ν η ς ’ . βουλόμενος οὖν ἐπιστρέψαι τὸν Ἀλκιβιάδην αἰτεῖ αὐτὸν ἀποκρίνεσθαι πρὸς τὰ ἐρωτώμενα. ἐν οἷς ἡ θεωρία καὶ τὸ προοίμιον τοῦ διαλόγου· ἄρχεται γὰρ ἐντεῦθεν λοιπὸν τὸ πρῶτον μέρος, τουτέστιν τὸ ἐλεγκτικόν.

105C Τί δὴ οὖν, ὦ Σώκρατες, τοῦτό ἐστίν σοι πρὸς λόγον ὃν ἔφησθα ἐρεῖν, διὸ ἐμοῦ οὐκ ἀπαλλάττῃ; ἰδοὺ καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης αὐτὸς αἰτίαν ἀπαιτεῖ τὸν Σωκράτην τοῦ τρίτου λεχθέντος ἐν τῷ προοιμίῳ, τουτέστιν διότι τ ῶ ν ἄ λ λ ω ν π ε π α υ μ έ ν ω ν μ ό ν ο ς ο ὐ κ ἀ π α λ λ ά τ τ ε τ α ι . ἣν μικρὸν ὕστερον καὶ ὁ Σωκράτης ἀποδώσει. 105D Ἐγὼ δὴ σοί γε ἐρῶ, ὦ φίλε παῖ Κλεινίου καὶ Δεινομάχης: οὐκ ἄκαιρος οὐδὲ περιττή, ὡς ἄν τις οἰηθείη, κεῖται νῦν ἡ πρὸς πατρὸς καὶ μητρὸς κλῆσις· ἀλλ’ ἐπειδὴ εὐγενὴς ὁ νέος ἐξ ἀμφοτέρων ἐστίν, ἔοικεν ἐν τούτοις λέγειν ὅτι ‘οὔτε οἱ πρὸς μητρὸς συγγενεῖς οὔτε οἱ πρὸς πατρὸς δύνανται περιποιῆσαί σοι δύναμιν ἥνπερ ἐγὼ δύναμαι’.

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beantwortet. Auch hier untersuchen wir nochmal, warum denn der Philosoph das von Alkibiades verlangt. Dazu sagen wir, dass Sokrates seine Dialoge545 nicht wie tote und entseelte, sondern wie aktive, lebendige – wie man sagt – und 10 für seine Gesprächspartner geeignete [Gespräche] führen wollte.546 Und dieses [Ziel] verfolgt er ausgehend von den Antworten [seines Gesprächspartners]. Oder [wir sagen], dass Sokrates, als ein Liebhaber, seinen Liebling umkreisen will. Denn die Dialogform gleicht einer [argumentativen] Umkreisung und kurzzeitige Aufeinanderfolge der Argumente geschieht in Form von Frage und Antwort. Oder, wie er im Phaidros sagt: „E i n D i a l o g s o l l e i n e m 15 L e b e w e s e n g l e i c h e n “547. Dementsprechend muss der bestmöglich konstruierte Dialog dem besten Lebewesen gleichen. Und das beste Lebewesen ist der Kosmos.548 Wie dieser [Kosmos] eine Weide für viele verschiedene Lebewesen ist, so müssen auch in einem Dialog viele verschiedene Personen vorhanden sein.549 Auch in anderen Fällen [ist es so], dass, genau wie in diesem [sc. Kosmos] alle sprechen und wirken (denn die Wirksamkeiten der Dinge sind 20 wie ihre Stimmen)550, so ist es dann in einem Dialog angebracht, dass alle Personen darin etwas sagen, wie auch alle wirken sollen. Viertens, [wir sagen], dass, die Form von Frage und Antwort belebend und zurückwendend ist.551 Schließlich machen auch die Redner, wenn sie die Zuhörer anregen und sie auf ihre Rede lenken wollen, von dieser [Struktur der Frage und Antwort] Gebrauch, wie zum Beispiel: „a n t w o r t e m i r , b e i d e n G ö t t e r n ! “ . 25 Dagegen bringt eine langatmige Rede die Zuhörer zum Einschlafen. Wie etwa 57 Aischines sagt: „s i e w a r e n i n T r ä u m e n b e i d e r A n k ü n d i g u n g d e s U r t e i l s “552. Da er nun Alkibiades [auf sich selbst] zurückwenden möchte, verlangt er von ihm, seine Fragen zu beantworten. Damit sind die theoretische Untersuchung und die Einleitung des Dialogs abgeschlossen. Denn ab hier fängt nachfolgend der erste Teil an, das heißt, die Widerlegung.553 5 105C Was hat dies, Sokrates, mit deinem Argument zu tun, das du darüber äußern wolltest, warum du von mir nicht ablässt? Siehe, dass Alkibiades selbst von Sokrates den Grund dessen fordert, was als Drittes in der Einleitung genannt wurde, nämlich warum e r [ v o n i h m ] n i c h t a b l ä s s t , n a c h d e m d i e a n d e r e n [ L i e b h a b e r ] b e r e i t s a u f - 10 g e h ö r t h a b e n .554 Und Sokrates erklärt das kurz darauf. 105D Dann werde ich es dir sagen, mein lieber Sohn des Kleinias und der Deinomache: Es ist weder zu einem ungünstigen Zeitpunkt noch übertrieben, wie jemand behaupten könnte, dass sich hier die Anrede mit [den Namen] seines Vaters und seiner Mutter befindet.555 Sondern, da der Jüngling aus beiden Seiten eine adlige Abstammung hat, ist es angebracht, mit diesen [Worten] zu sagen: „Deine Verwandten weder mütterlicherseits noch väterli- 15 cherseits können dir die Macht verleihen, zu der ich fähig bin.“

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Τούτων γάρ σοι ἁπάντων τῶν διανοημάτων τέλος ἐπιτεθῆναι ἄνευ ἐμοῦ ἀδύνατόν ἐστιν: ‘αὕτη’, φησίν, ‘αἰτία τοῦ μὴ ἀπαλλάττεσθαί με, ὅτι ὧν ἐλπίζεις χωρὶς ἐμοῦ οὐ δύνασαι τυχεῖν’. ‘ δ ι α ν ο η μ ά τ ω ν ’ δὲ λέγει ὧν ἀνωτέρω ἀπηριθμήσατο, λέγων ὅτι ‘ἡγῇ θᾶττον παρελθεῖν εἰς τοὺς Ἀθηναίους καὶ δεῖξαι ὅτι ἄξιος εἶ τιμῆς καὶ Περικλέους πλέον καὶ ἔνδοξος φανῆναι ἐν Ἕλλησι καὶ βαρβάροις’, καὶ ἁπλῶς ὅσα ἐκεῖ εἰρήκαμεν. τὸ δὲ ‘ ἄ ν ε υ ἐ μ ο ῦ ’ , ὕλης ὂν πρόσρημα, δείκνυσιν ὅτι οὐ μεγαλορρημονεῖ ὁ φιλόσοφος, ὡς ἐν τῇ θεωρίᾳ προείρηται. Εἰς τὰ σὰ πράγματα καὶ εἰς σέ: ‘ ε ἰ ς τ ὰ σ ὰ π ρ ά γ μ α τ α ’ φησὶν ἀντὶ τοῦ ‘εἰς τὰς σὰς ἐνεργείας’ ‘ ε ἰ ς σ ὲ ’ δὲ ‘αὐτόν’, ἀντὶ τοῦ ‘εἰς τὴν σὴν ψυχήν’· ὥσπερ καὶ τὸ ‘ ἐ μ ὲ ’ ἐπὶ τῆς ψυχῆς κυρίως εἶπεν ἐν τῇ Ἀπολογίᾳ λέγων· ‘ β λ ά ψ α ι δ έ μ ε ο ὐ δ ύ ν α ν τ α ι ’ . Διὸ δὴ καὶ πάλαι οἶ|μαί με τὸν θεὸν οὐκ ἐᾶν διαλέγεσθαί σοι: ἀντὶ τοῦ ‘εἰ πρότερον ὁ θεὸς διὰ τοῦτο ἀπέτρεπεν, ἵνα μὴ εἰς μάτην οἱ λόγοι γένοιντο, νῦν ἐπειδὴ οὐκ ἀποτρέπει, πάντως περιποιήσω σοι τὴν δύναμιν ἧς ἐπιθυμεῖς’. οὐ γὰρ μάτην ὁ θεὸς νῦν οὐκ ἀποτρέπει, εἴγε τότε, ὅτε προσῆκεν, ἀπέτρεπεν. εἰ γὰρ ὁ σπουδαῖος οὐδὲν μάτην ποιεῖ οὐδὲ ἡ φύσις, πολλῷ μᾶλλον ὁ θεός. Ὥσπερ γὰρ σὺ ἐλπίδα ἔχεις ἐν τῇ πόλει: ἀναλογίαν τινά φησιν ἐνταῦθα ὁ Σωκράτης· ‘ἣν γὰρ τάξιν ἔχεις σύ, ὦ Ἀλκιβιάδη, πρὸς τοὺς πολίτας, κρείττων ὢν αὐτῶν ὡς σύμβουλος συμβουλευομένων (δεῖ γὰρ τοιοῦτον εἶναι τὸν σύμβουλον), ταύτην καὶ ἐγὼ πρὸς σὲ καὶ ὁ θεὸς πρὸς ἐμέ’. 105E Ἐνδειξάμενος ὅτι παντὸς ἄξιός εἰμι: ἰστέον ὅτι τὸ ‘ ἐ ν δ ε ι ξ ά μ ε ν ο ς ’ ὁ φιλόσοφος ἐπὶ τοῦ διαλογικοῦ σχήματος ἀεὶ τάττει, τὸ δὲ ‘ἐπιδειξάμενος’ ἐπὶ τοῦ ἀποτάδην· διὸ καὶ ἀντιδιαιρεῖ αὐτὰ ἀλλήλοις πανταχοῦ. οὕτως οὖν καὶ ἐνταῦθα τούτῳ κέχρηται, ὅτι ‘ἐρωτῶν καὶ ἀποκρινόμενος δείξω πόση δύναμις ἔσται σοι δι’ ἐμοῦ’. Μετὰ τοῦ θεοῦ μέντοι: ἰδοὺ πάλιν σημεῖον τοῦ μὴ τὸν Σωκράτην μεγαλορρημονεῖν· οὐ γὰρ ἁπλῶς ἑαυτὸν ἔφη δύνασθαι, ἀλλὰ ‘ μ ε τ ὰ τοῦ θεο ῦ’. Νεωτέρῳ μὲν οὖν ὄντι σοι: τὰ αὐτὰ τοῖς ἀνωτέρω καὶ ἐνταῦθά φησιν. ἔλεγεν γάρ, ‘ δ ι ὸ δ ὴ κ α ὶ | π ά λ α ι ο ἶ μ α ί μ ε τ ὸ ν θ ε ὸ ν

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Denn alle diese Absichten von dir zu verwirklichen ist ohne mich unmöglich: „Das ist“, sagt er, “der Grund, warum ich [von dir] nicht ablasse, weil du deine Hoffnungen ohne mich nicht erreichen kannst“.556 „A b s i c h t e n “ sagt er über die [Ziele], die er oben aufgezählt hat, wo er sagte: „Du hast vor, sehr bald vor die Athener zu treten und zu zeigen, dass du sowohl einen 20 größeren Ruhm als Perikles verdienst als auch als ein bemerkenswerter Mann unter Griechen und Barbaren erscheinen wirst“557 und einfach alles, was wir dort gesagt haben.558 Der [Ausdruck] „o h n e m i c h “ zeigt, als eine materielle Präposition, dass der Philosoph nicht prahlt, wie in der theoretischen Untersuchung bereits erwähnt wurde.559 Über deine Angelegenheiten und über dich: Er sagt „ü b e r d e i n e A n g e l e g e n h e i t e n “ statt „über deine Tätigkeiten“ und „ü b e r d i c h 25 selbst“ statt „über deine Seele“560: Genauso wie er auch „m i r “ in der Apologie im strikten Sinne561 für die Seele gesagt hat, indem er sagt: „S c h a d e n j e d o c h k ö n n e n s i e m i r n i c h t “.562 Aus diesem Grund gestattete mir der Gott, glaube ich, nicht früher, 58 Gespräche mit dir zu führen: Steht für: „Wenn der Gott mich deswegen früher [von dir] abhielt, damit meine Worte nicht vergeblich werden; jetzt wo er mich nicht mehr abhält, werde ich dir ganz und gar die Macht verleihen, die du verlangst.“563 Denn nicht vergeblich hält ihn der Gott jetzt nicht ab, auch wenn [er] damals, als es nötig war, [ihn] abgehalten hat. Wenn natürlich weder der 5 Tugendhafte etwas vergeblich macht, noch die Natur, dann ist es umso mehr [gültig für] den Gott.564 Denn wie du Hoffnungen hast, in unserer Polis: Sokrates zieht hier eine Analogie: „Welchen Rang du etwa in Bezug auf die Bürger besitzt, Alkibiades, indem du denen überlegener bist, wie ein Ratgeber zu den Ratnehmenden (so einer muss nämlich der Ratgeber sein); diesen [Rang] habe ich in Bezug auf dich 10 und [hat] der Gott in Bezug auf mich“.565 105E Nachdem ich [dich darauf] hingewiesen habe, dass ich alles wert bin: Man muss wissen, dass der Philosoph „h i n g e w i e s e n z u h a b e n “ immer für die Dialogform benutzt, dagegen „vorgezeigt zu haben“ für eine langatmige [Rede].566 Deswegen auch unterscheidet er diese beiden überall voneinander. Genauso auch hier benutzt er diesen [Unterschied], [indem er 15 sagt]: „Ich werde dir zeigen, durch Fragen und Antworten, was für eine Macht dir durch mich zuteil wird“.567 mit Gottes Hilfe allerdings: Siehe wiederum das Zeichen dafür, dass Sokrates nicht prahlt. Denn er sagt nicht, dass er das einfach alleine kann, sondern „m i t G o t t e s H i l f e “. Als du noch jünger warst: Das Gleiche wie im vorherigen [Abschnitt] sagt 20 er auch hier. Er sagte nämlich [dort]: „A u s d i e s e m G r u n d g e s t a t t e t e 59

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ο ὐ κ ἐ ᾶ ν δ ι α λ έ γ ε σ θ α ί σ ο ι ’ · τοῦτο οὖν καὶ νῦν λέγει. εἰς τοῦτο δὲ ᾐνίττετο τὸ ῥητὸν ἐν ἀρχῇ, ὡς ἐπεσημηνάμεθα, ἡνίκα ἔλεγεν, ‘ ο ὗ σ ὺ τ ὴ ν δ ύ ν α μ ι ν κ α ὶ ὕ σ τ ε ρ ο ν π ε ύ σ ῃ ’ · ὧδε οὖν ἡ ἐκείνου ἀπόδοσις, ὅτι ‘διὰ τὸ μὴ μάτην διαλέγεσθαί σοι ἐκώλυεν’ . διὸ ἐπήγαγεν ‘ ν ῦ ν δ ὲ ἐ φ ῆ κ ε , ν ῦ ν γ ὰ ρ ἄ ν μ ο υ ἀ κ ο ύ σ α ι ς ’ , ἔτι πλέον προτρέπων αὐτὸν διὰ τούτων πείθεσθαι αὐτῷ, εἴγε καὶ ὁ θεὸς ὡς πεισομένῳ αὐτῷ ἐφῆκε διαλέγεσθαι διὰ τοῦ μὴ ἀποτρέψαι. 106A Νῦν ἀτοπώτερος αὖ φαίνῃ: παραδοξότερος καὶ θαυμασιώτερος. εἰκότως δὲ νῦν ἐπειδὴ διηλέχθη ὁ Σωκράτης θαυμασιώτερος τῷ Ἀλκιβιάδῃ δοκεῖ ἤπερ σιωπῶν. καὶ γὰρ καὶ ἡμεῖς τὸ θεῖον τότε μᾶλλον τεθήπαμεν ὅτε αἰσθητῶς ἐλλαμπόμεθα καὶ ἐνθουσιῶμεν ἤπερ ὅτε μή. Εἰ μὲν οὖν ἐγὼ ταῦτα διανοοῦμαι ἢ μή, ὡς ἔοικε, διέγνωκας: ὡς εὐφυὴς ὢν ὁ Ἀλκιβιάδης οὔτε παντελῶς ἀρνεῖται ὅτι οὐ ταῦτα φρονεῖ ἅπερ εἶπεν ὁ Σωκράτης οὔτε συντίθεται, ἀλλὰ τὴν μέσην χωρεῖ διὰ τοῦ ὑποθετικοῦ σχήματος. καὶ οὐ συντίθεται μέν, ἐπειδὴ νόμος ἦν ὁ κελεύων μὴ εἶναι σπουδαρχίδην ἐν δημοκρατίᾳ καὶ ἐντεῦθεν ἐδεδοίκει· οὐκ ἀρνεῖται δέ, ἐπειδὴ ἠβούλετο, πολιτικὸς ἐπιθυμῶν γίνεσθαι, ἀκοῦσαι παρὰ τοῦ Σωκράτους κατὰ ποίους λόγους τοιοῦτος γενήσεται καὶ τοῦ δήμου προστήσεται. φησὶν οὖν ὅτι ‘εἰ καὶ ὥσπερ λέγεις ταῦτα φρονῶ, πῶς ταῦτά μοι περιποιήσεις; ’ Πῶς διὰ σοῦ μοι ἔσται; ἐνταῦθα γενόμενος ὁ φιλόσοφος Ἰάμβλιχος ἠπόρησεν ὅτι φαίνεται ὁ Ἀλκιβιάδης τελειότερος ὢν τοῦ Σωκράτους. οὗτος μὲν γὰρ εἶπεν ὅτι ‘ δ ι ὰ σ ο ῦ ’ , | πρόσρημα ὀργανικῆς αἰτίας, ἐκεῖνος δὲ ὅτι ‘ μ ε τ ὰ τ ο ῦ θ ε ο ῦ ’ , πρόσρημα ποιητικῆς αἰτίας, καὶ συνέταξεν ἑαυτὸν τῷ θεῷ, οὗτος δὲ ὡς ὀργάνου ὄντος τῷ θεῷ τοῦ Σωκράτους εἶπεν ‘ δ ι ὰ σ ο ῦ ’ . ἔλυσε δὲ αὐτὸς παγκάλως λέγων ὅτι ἐν ἑτέροις φησὶν ὁ Πλάτων ὅτι αἱ μὲν τελειότεραι ψυχαὶ συνεπιτροπεύουσι τὰ τῇδε τῷ θεῷ καὶ συνδιοικοῦσιν, αἱ δὲ ἀτελέστεραι ὡς ὄργανόν εἰσι καὶ οὕτως χρῆται αὐταῖς ὁ θεὸς πρὸς τὰ ἐνταῦθα· οὐ μόνον δὲ ταῖς ἀτελεστέραις, ἀλλ’ ἔστιν ὅτε καὶ ταῖς κακαῖς, οἷον φονεῦσιν πρὸς τὸ

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m i r d e r G o t t , g l a u b e i c h , n i c h t f r ü h e r, G e s p r ä c h e m i t d i r z u f ü h r e n . “568 Das ist auch was er jetzt sagt. Denn die Aussage am Anfang wies daraufhin, wie wir angemerkt haben, als er sagte: „d e s s e n M a c h t d u s p ä t e r e r f a h r e n w i r s t . “569 Demnach [kommt] nun die Folge dessen, 5 nämlich: „[der Gott] hinderte [mich], damit ich nicht umsonst mit dir spreche.“570 Deswegen fügte er hinzu: „J e t z t a b e r h a t e r e s e r l a u b t , d e n n j e t z t w i r s t d u m i r w o h l z u h ö r e n . “571, damit er ihn durch diese [Worte] noch mehr dazu ermutigt, von ihm überzeugt zu werden, zumal wenn auch der Gott das Gespräch erlaubt hat, indem er ihn [sc. Sokrates] nicht [davon] abhielt, da er [sc. Alkibiades] sich umstimmen lassen wird.572 106A Jetzt erscheinst du mir noch außergewöhnlicher573: [Das bedeutet,] paradoxer und bewundernswerter.574 Selbstverständlich jetzt, nachdem 10 Sokrates mit ihm gesprochen hat, scheint er für Alkibiades bewundernswerter zu sein, als wenn er schwieg. In der Tat sind wir auch eher dann über das Göttliche erstaunt, wenn wir durch die Sinneswahrnehmung erleuchtet575 und inspiriert sind, als wenn es nicht [geschieht]. Ob ich nun diese Dinge tatsächlich vorhabe oder nicht, das hast du, wie es scheint, schon beschlossen: Da Alkibiades von Natur aus begabt ist, bestreitet er weder gänzlich, dass er diese Dinge vorhat, die Sokrates erwähnt; 15 noch bestätigt er [das], sondern nimmt er den mittleren Weg durch eine hypothetische Sprache.576 Nun bestätigt er das nicht, denn es war ein Gesetz, dass ein Befehlshaber in der Demokratie nicht eifrig auf die Macht sein soll577 und deswegen zögerte er. Er leugnet das auch nicht, denn er wollte – da er sich wünschte, ein Politiker zu werden – von Sokrates hören, durch welche Methoden er ein solcher wird und über das Volk gesetzt wird. Daher sagt 20 er: „Auch wenn ich diese Dinge, wie du meinst, vorhaben sollte, wie wirst du mir diese verleihen?“578. Wie werden sie mir durch dich gelingen? Als er zu dieser Stelle kam, stellte der Philosoph Jamblich den Widerspruch vor, dass Alkibiades vollkommener579 zu sein scheint als Sokrates. Er sagt nämlich: „d u r c h d i c h “– 60 [mit einer] Präposition der instrumentalen Ursache580 –, er [sc. Sokrates] dagegen: „m i t G o t t e s H i l f e “ – [mit einer] Präposition der Wirkursache581 – und [damit] stellte er sich auf die gleiche Ebene mit dem Gott; er [sc. Alkibiades] aber sagte „d u r c h d i c h “, als wäre Sokrates ein Werkzeug des Gottes. Er [sc. Jamblich] bietet dazu eine durchaus schöne Lösung, indem er erklärt, dass Platon in anderen [Dialogen] sagt, dass die vollkommeneren Seelen 5 zusammen mit dem Gott über die Dinge im Diesseits wachen und sie zusammen verwalten,582 die unvollkommenen [Seelen] dagegen wie Werkzeuge sind und Gott sie auf diese Weise für die [Angelegenheiten] hier verwendet.583 Nicht nur die unvollkommenen [Seelen], sondern es gibt Fälle, wo sogar die schlechten

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δίκην ἀξίαν δοῦναι τοὺς ὀφείλοντας. ὁ μὲν οὖν Σωκράτης πρὸς τὰς τελειοτέρας αὑτοῦ δυνάμεις ἀποβλέψας εἶπεν ‘ μ ε τ ὰ τ ο ῦ θ ε ο ῦ ’ · ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης πρὸς τὰς ἀτελεστέρας, διὸ ‘ δ ι ὰ σ ο ῦ ’ εἶπεν καὶ ἐπήγαγεν πάλιν ‘ κ α ὶ ἄ ν ε υ σ ο ῦ ’ , πρόσρημα ὕλης. 106B Ἆρ’ ἐρωτᾷς εἴ τιν’ ἔχω εἰπεῖν λόγον μακρόν, οἵους δὴ ἀκούειν εἴθισαι; βούλεται διὰ τούτων ὁ Σωκράτης παρασκευάσαι τὸν Ἀλκιβιάδην ὥστε μὴ διακεῖσθαι ὡς ἀποτάδην αὐτοῦ ποιησομένου τοὺς λόγους. ἠπίστατο γὰρ ὅτι ῥητορικὸς ὢν ὁ Ἀλκιβιάδης οὕτως αὐτὸν ἡγήσεται διαλέγεσθαι· διό φησιν, ‘ ο ἵ ο υ ς δ ὴ ε ἴ θ ι σ α ι ἀ κ ο ύ ε ι ν ’ . ἐντίθησι δὲ αὐτῷ ἔννοιαν ὅτι διαλογικῶς αὐτὸς διαλέξεται· ἐπάγει γάρ, ‘οὐ γάρ ἐστι τοιοῦτον τὸ ἐμόν· ἀλλ’ ἐνδείξασθαι μέν σ ο ι ’ , ἀντὶ τοῦ ‘κατὰ πεῦσιν καὶ ἀπόκρισιν προσδιαλεχθῆναι’. Ἐὰν ἓν μόνον ἐθέλῃς βραχὺ ὑπηρετῆσαι: ἐνταῦθα τὸ ἕτερον αἰτεῖ τὸν Ἀλκιβιάδην ὁ Σωκράτης, τουτέστιν τὸ ἀποκρίνασθαι. ‘ β ρ α χ ὺ ’ δὲ εἶπεν ὡς τὴν ἀνυπόθετον ἀσκῶν φιλοσοφίαν καὶ μὴ δεόμενος πολ|λῶν λόγων. δι’ ἃς δὲ αἰτίας αἰτεῖ αὐτὸν ἀποκρίνασθαι, εἰρήκαμεν καὶ ἐν τῇ θεωρίᾳ· καὶ νῦν δὲ ῥητέον ὅτι διὰ τὸ αὐτοκινήτως ἐνεργεῖν ὑφ’ ἑαυτοῦ ἐλεγχόμενος διὰ τῶν ἀποκρίσεων δόξει διορθοῦσθαι. ἰστέον γὰρ ὅτι πρὸς ἑαυτοὺς ἐπιστρέφοντες αὐτοκινήτως ἐνεργοῦμεν, μὴ δεόμενοί τινος ἔξωθεν πρὸς ἐπιδιόρθωσιν καὶ ἀπαλλαγὴν τῶν ἐν ἡμῖν παθῶν· ὅτε δὲ διὰ τοῦ ἑτέρους ἐλέγχεσθαι καταπαύσωμεν τὰ πάθη, τότε ἑτεροκινήτως. καθάπερ ἐν Γοργίᾳ· καὶ γὰρ ἐκεῖ διὰ τοῦ Θρασυμάχου τὸν θυμὸν ἐλέγχοντος τοῦ Σωκράτους ἡμεῖς ἐννοοῦμεν καταπαῦσαι τὸν ἐν ἡμῖν Θρασύμαχον. καὶ πάλιν διὰ μὲν τοῦ Καλλικλέους τὸ φιλήδονον, διὰ δὲ τοῦ Πώλου τὸ φιλότιμον. ὁμοίως δὲ καὶ διὰ τοῦ Πρωταγόρου τὴν φαντασίαν· σοφιστὴς γὰρ ὁ Πρωταγόρας, ἔοικε δὲ καὶ ἡ φαντασία σοφιστῇ, τὰ μὴ ὄντα σοφιζομένη καὶ ἀναπλάττουσα. τὸν οὖν Ἀλκιβιάδην ἐνταῦθα αὐτοκινήτως βουλόμενος ἐνεργεῖν παρασκευάζει πρὸς αὐτὸν ὁ Σωκράτης ἀποκρίνασθαι· καὶ τοῦτό φησιν ‘ ὑ π η ρ ε τ ῆ σ α ι ’ , ἵνα ὁ πάντων ἄρχειν ἐπιθυμῶν τῷ Σωκράτει φανείη νῦν ὑπηρετῶν.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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[Seelen gebraucht werden], zum Beispiel die der Mörder, um den Schuldigen eine geeignete Strafe zu erteilen.584 Folglich sagte Sokrates im Hinblick auf seine eigenen vollkommeneren Fähigkeiten, „m i t G o t t e s H i l f e “. Alkibiades 10 aber [blickte auf seine] unvollkommenen [Fähigkeiten], daher sagte er „d u r c h d i c h “ und fügte hinzu „u n d o h n e d i c h “585, [eine] Präposition der Materie. 106B Fragst du etwa, ob ich eine lange Rede halten will wie diejenigen, die du zu hören gewohnt bist? Durch diese [Aussage] beabsichtigt Sokrates, Alkibiades vorzubereiten, damit er sich nicht darauf einstellt, dass er [sc. 15 Sokrates] eine langatmige Rede halten wird.586 Denn er wusste, dass Alkibiades – da er in Rhetorik gebildet587 ist – erwartet, dass er [sc. Sokrates] den Dialog auf diese Weise führen würde. Deswegen sagt er [sc. Sokrates]: „w i e d i e j e n i g e n , d i e d u z u h ö r e n g e w o h n t b i s t “. Er prägt ihm somit den Gedanken ein, dass er auf dialektische Weise sprechen wird. Denn er fügt hinzu: „D a s i s t n i c h t m e i n e A r t u n d W e i s e , a b e r w o h l d i c h d a r a u f h i n z u w e i s e n “ 588, im Sinne wie „mit Fragen und Antworten in einem 20 Gespräch zu diskutieren“. Wenn du mir nur einen kleinen Dienst erweisen würdest: Hier verlangt Sokrates etwas anderes von Alkibiades, nämlich, dass er antwortet. Er sagt nun „e i n e n k l e i n e n “, da er eine unhypothetische Philosophie praktiziert, die 61 nicht viele argumentative Schritte braucht.589 Aus welchen Gründen er Antworten von ihm verlangt, haben wir auch in der theoretischen Untersuchung erwähnt.590 Dazu muss jetzt gesagt werden, dass er durch die selbstbewegende Aktivität von sich selbst widerlegt und durch [seine eigenen] Antworten berichtigt erscheinen wird. Denn man muss wissen, dass wir selbstbewegend 5 handeln, wenn wir uns auf uns selbst zurückwenden,591 da wir keine äußeren Einflüsse für die Verbesserung und für die Entfernung der Affekte in uns benötigen. Dagegen, wann immer wir durch die Widerlegung der anderen die Affekte [in uns] unterdrücken, dann ist es von außen bewegt. Genauso [ist es] auch im Gorgias592: Denn auch dort, durch die Widerlegung des Zorns593 des Thrasymachos594 von Sokrates, lernen wir, [wie wir] den Thrasymachos in uns 10 unterdrücken. Auch genauso [lernen wir] durch [die Darstellung des] Kallikles595 die Vergnügungsliebe oder durch [die Darstellung des] Polos596 die Ehrliebe [zu unterdrücken]. Gleicherweise also durch [die Darstellung des] Protagoras [lernen wir,] die Vorstellungskraft [zu unterdrücken].597 Denn Protagoras war ein Sophist und die Vorstellungskraft ist ähnlich wie ein Sophist, da sie nicht vorhandene Sachen täuscht und erfindet. Da er wollte, dass Alkibiades von hier an selbstbewegend handelt, schlägt Sokrates ihm vor, 15 Antworten zu geben. Und das nennt er „D i e n s t z u e r w e i s e n “, damit derjenige, der über alles herrschen will, nun als ein Diener des Sokrates erscheint.598

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C. Text und Übersetzung

Ἀλλ’ εἴγε δὴ μὴ χαλεπόν τι λέγεις τὸ ὑπηρέτημα: εἰκότως πρὸς τὴν ἐπαγγελίαν τοῦ Σωκράτους ὁ νέος τοιαύτην οὖσαν, ὅτι δύναμιν αὐτῷ περιποιήσει ἣν οἱ ἄλλοι οὐκ ἠδυνήθησαν, καὶ τὴν αἴτησιν μεγάλην ἐνόμισεν. διό φησιν, ‘ ε ἰ μ ὴ χ α λ ε π ό ν τ ι λ έ γ ε ι ς ’ · ἐνόμιζε γὰρ ἀκόλουθον εἶναι κατὰ τὸ μέγεθος τοῖς ἐπηγγελμένοις τὴν αἴτησιν. ἰδοὺ δὲ καὶ αὐτὸς ὁμολογεῖ τῷ Σωκράτει ὑπηρετεῖν, εἰ μὴ εἴη τοῦτο βαρύ. ὁ δὲ ἀποκρίνεται, ‘εἰ χαλεπὸν δοκεῖ τὸ ἀποκρίνεσθαι’, ἵνα ἐκεῖνος ὁμολογῶν ὅτι οὐ χαλεπὸν ἑτοίμως ἀποκρίνηται. τοι|γαροῦν φησὶν ὁ νέος, ‘οὐ χαλεπόν’· τοῦτο δὲ εὐλόγως. εἰ μὲν γὰρ Ἀριστοτέλης ἦν ὁ ἐρωτῶν ἤ τις ἄλλος ἐριστικός, πρὸς νίκην καὶ μόνην ὁρῶν καὶ διὰ τοῦτο ἀγαπῶν τὰ τοῦ προσδιαλεγομένου πταίσματα, δυσχερὲς ἦν καὶ χαλεπὸν τὸ ἀποκρίνεσθαι· ἐπειδὴ δὲ Σωκράτης ἐστὶν ὁ μαιευτικὸς καὶ πρὸς ὠφέλειαν καὶ διόρθωσιν τῶν νέων σκοπῶν, εἰκότως οὐ χαλεπόν, τοὐναντίον δὲ μᾶλλον τὸ ἐρωτᾶν χαλεπόν, καθάπερ καὶ ἐν ὁδῷ τὸ ἡγεῖσθαι τοῦ ἕπεσθαι. Οὐκοῦν ὡς διανοουμένου σου ταῦτα ἐρωτῶ; κατ’ ἐρώτησιν ἀναγνωστέον τοῦτο· πάλιν γὰρ ἐκ τῆς ἀποκρίσεως σαφὲς τοιοῦτον ὄν, ἀποκρίνεται γὰρ ‘ ἔ σ τ ω ’ . καὶ ἰστέον ὅτι καὶ ἐν τῇ παρούσῃ ἀποκρίσει ὁ Ἀλκιβιάδης ὑποθετικῶς αὖθις ἀποκρίνεται ῥητορικῇ δεινότητι· ἐπεπαίδευτο γὰρ ταύτην ἱκανῶς παρὰ τῷ Περικλεῖ, δεινῷ ὄντι καὶ ἐπιτρόπῳ αὐτοῦ. φησὶν οὖν, ‘ἔστω, εἰ βούλει, οὕτως, ἵνα εἰδῶ ὅ τι ἐρεῖς’· ὑποθετικὸν γὰρ τὸ ‘ ε ἰ β ο ύ λ ε ι ’ . καὶ τὰ λοιπὰ δὲ ἠθικῶς εἴρηται καὶ οὐ χαλεπῶς συγκατανεύοντος. ἐν τούτοις πεπλήρωται τὸ προοίμιον τοῦ διαλόγου καὶ ἀρχὴ λοιπὸν τοῦ ἐλεγκτικοῦ.

KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES

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Aber nur wenn dieser Dienst, den du meinst, nicht schwierig ist: Angemessen [antwortet] der Jüngling auf ein solches Versprechen des Sokrates, da er ihm eine Macht verleihen soll, zu der die anderen unfähig waren und er 20 dachte, die Aufforderung dafür [auch genauso] groß sein würde.599 Daher sagt er: „W e n n d a s n i c h t s c h w i e r i g i s t , w a s d u m e i n s t “. Denn er dachte, die Größe der Aufforderung mit den versprochenen [Ergebnissen] übereinstimmen würde. Siehe auch, dass er einwilligt, Sokrates [diesen] Dienst zu erweisen, wenn es nicht schwer ist. Darauf entgegnet er: „Scheint es dir schwierig zu sein, auf Fragen zu antworten?“600, damit er – da er zustimmt, dass es nicht schwer ist – freiwillig antwortet. Folglich sagt der Jüngling „Es ist 62 nicht schwierig“601 – und das ist gut gesagt. Wenn nämlich Aristoteles der Fragende wäre602 oder ein anderer Eristiker, der nur auf den Erfolg blickt und deswegen sich über die Fehler der Antwortenden im Dialog freut, wäre es mühsam und schwierig, darauf zu antworten. Da aber Sokrates derjenige ist, der 5 Geburtshilfe leistet603 und darauf abzielt, den Jünglingen zu helfen und sie zu berichtigen, ist es selbstverständlich nicht schwierig. Im Gegensatz, viel schwieriger ist es zu fragen, genauso wie [es schwieriger ist] auf einer Reise zu führen, als zu folgen. Soll ich bei meinen Fragen davon ausgehen, dass du tatsächlich diese Dinge vorhast? Man muss das wie eine Frage verstehen: Denn aus derAntwort 10 wird es wiederum klar, dass es so ist – er antwortet nämlich: „S o s e i e s “ 604. Man muss auch wissen, dass Alkibiades in der vorliegenden Antwort auf hypothetische Weise und mit rednerischer Scharfsinnigkeit entgegnet. Denn er wurde darin ausreichend gebildet bei Perikles, der ein scharfsinniger Mensch und sein Vormund war. Daher sagt er: „Wenn du es willst, so sei es, damit ich 106C endlich erfahre, was du denn zu sagen hast.“605 Denn „w e n n d u e s 15 w i l l s t “ ist eine hypothetische Aussage. Auch im Folgenden spricht er passend zu seinem Charakter, wie jemand, der ohne Schwierigkeiten sein Einverständnis zeigt. Damit endet die Einleitung des Dialogs und im Folgenden beginnt die Widerlegung.

ΑΡΧΗ ΤΟΥ ΠΡΩΤΟΥ ΤΜΗΜΑΤΟΣ Πρᾶξις σὺν θεῷ ζʹ 20

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106C-107C Φέρε δή· διανοῇ γάρ, ὡς ἐγώ φημι, παριέναι συμβουλεύσων Ἀθηναίοις. Τριῶν ὄντων τούτων στοιχείων ἀγαθοῦ συμβούλου, προαιρέσεως ἀγαθῆς, γνώσεως ἀκριβοῦς, δυνάμεως ἀπαγγελτικῆς (δεῖ γὰρ καὶ εὔνουν εἶναι τοῖς | ἀκροωμένοις τὸν σύμβουλον, εἰ δὲ μή, οὐκ ἀγαθός· ἀλλὰ μὴν καὶ εἰδέναι ἀκριβῶς περὶ ὧν μέλλει ἐρεῖν, οὐ γὰρ ἀγνοῶν συμβουλεύσει· ἔτι δὲ καὶ δύνασθαι ταῦτα προάγειν καὶ φράζειν ἃ ἐνεθυμήθη, ἐπεὶ ἀνωφελῆ τὰ πρότερα δύο)· τούτων οὖν ὄντων δείκνυσιν ὁ Σωκράτης ἀπὸ τῆς ἀκριβοῦς γνώσεως μὴ ὄντα σύμβουλον ἀγαθὸν τὸν Ἀλκιβιάδην. καὶ πρῶτον μὲν χρῆται συλλογισμῷ τοιούτῳ. ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος οἶδεν περὶ ὧν μέλλει συμβουλεύειν, καὶ μᾶλλον ἢ οἷς συμβουλεύει· οὔτε γὰρ ἐπ’ ἴσης (μάταιον γὰρ τὰ αὐτὰ διδάσκειν τοὺς γινώσκοντας) οὔτε ἐπ’ ἔλαττον (μανικὸν γὰρ τὸν μὴ γινώσκοντα τοῖς ἐπιστήμοσιν εἰσηγεῖσθαί τι)· οὐκοῦν ἐξ ἀνάγκης ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον τῶν ἀκροωμένων οἶδεν περὶ ὧν συμβουλεύει· ὁ μᾶλλον εἰδὼς ἢ ἔμαθεν ἢ εὗρεν’. διττὴ γὰρ ἡ γνῶσις, εἰς μάθησιν διαιρουμένη καὶ εὕρεσιν· ἑτεροκινήτως μὲν γὰρ μανθάνομεν, αὐτοκινήτως δὲ εὑρίσκομεν. οὕτω δὲ καὶ οἱ ποιηταὶ τὸν Ἑρμῆν γνώσεως ἔφορον ὄντα καὶ ἄγγελον μυθεύουσιν εἶναι καὶ Μαίας υἱόν· ἄγγελον μὲν ὡς μανθάνοντα, ἃ γὰρ μανθάνει παρ’ ἑτέρων ὁ ἄγγελος ἀπαγγέλλει· Μαίας δὲ υἱὸν ὡς εὑρίσκοντα, ἡ γὰρ μαῖα οὐκ αὐτὴ ταῖς τικτούσαις ἐντίθησι τὰ βρέφη, ἀλλ’ ὄντα φωσφορεῖ· οὕτως οὖν καὶ ὁ εὑρίσκων τοὺς ἐνόντας αὐτῷ λόγους ἀποτίκτει. εἰ δέ ποτε τὸ μανθάνειν κρεῖσσόν ἐστι τοῦ εὑρίσκειν, ὡς ἡνίκα παρὰ θεῶν δι’ ὀνείρων μανθάνομεν, ἰστέον ὅτι τότε καὶ τὸ

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS606 Unterricht 7 mit Gottes Hilfe 106C–107C Nun gut. Du hast vor, wie ich meine, vor den Athenern 20 aufzutreten, um ihnen Rat zu erteilen: Da es drei Grundelemente eines guten Beraters gibt,607 [nämlich] ein gutes Vorhaben, genaue Erkenntnis und die kraftvolle Ausdrucksfähigkeit (denn ein Berater muss gegenüber seinen Zuhörern gute Absichten haben; wenn das aber 63 nicht der Fall ist, ist er kein guter [Berater]. Darüber hinaus [muss er] das [Thema] genau kennen, worüber er reden will, denn er wird nicht als Unwissender beraten. Schließlich [muss er] auch dazu fähig sein, das zur Sprache zu bringen und in Worte zu fassen, was er im Sinn hat; sonst wären die ersten zwei [Grundprinzipien] nutzlos.); angesichts dieser [Prinzipien] also zeigt Sokrates, dass Alkibiades in Bezug auf genaue Erkenntnis kein guter 5 Berater ist. Dazu benutzt er zuerst eine derartige Schlussfolgerung608: „Ein guter Berater weiß, worüber er beraten will – und das viel besser als diejenigen, die er berät. Denn [er kann] weder aus gleichwertiger [Erkenntnis hervorgehen] (es wäre nämlich vergeblich, den Menschen dieselben Dinge zu lehren, die sie schon kennen), noch aus geringerer [Erkenntnis] (denn es ist irrsinnig, wenn jemand in Unkenntnis etwas denjenigen erklärt, die es bereits wissen). Also 10 folgt notwendigerweise, dass ein guter Berater die [Themen], über die er Rat gibt, besser als seine Zuhörer weiß. Derjenige, der etwas besser weiß, hat es entweder gelernt oder gefunden.“ Denn die Erkenntnis lässt sich zweifach erschließen, eingeteilt in Lernen und Finden.609 Wir lernen, wenn wir von außen bewegt werden; finden dagegen, wenn wir selbstbewegt sind.610 Daher erzählen auch die Dichter den Mythos des Hermes, des Aufsehers der Erkenntnis, so dar, dass er sowohl ein Bote als auch der Sohn der Maia ist.611 Ein Bote ist er insofern, 15 dass er lernt, denn ein Bote kündigt die Sachen an, die er von anderen lernt. Der Sohn der Maia ist er aber, insofern er findet612, denn eine Hebamme (maia) stellt die Föten nicht selber in die Mütter hinein, sondern bringt sie von da aus ans Licht. Genauso gebärt auch jemand, der etwas findet, die Erkenntnisse, die sich in ihm selbst befinden. Wenn also Lernen manchmal überlegener gegenüber dem Finden ist, zum Beispiel wenn wir durch Träume von den Göttern gelehrt 20 werden, muss man wissen, dass in diesem Fall die Bewegung von außen der

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ἑτεροκινήτως ἐνεργεῖν τοῦ αὐτοκινήτως αἱρετώτερον· συμφέρει γὰρ ὑπὸ θεοῦ μᾶλλον ἢ ὑφ’ ἑαυτοῦ ἄγεσθαι. εἶτα ‘ὁ μαθὼν | ἢ εὑρὼν ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη (τὰ μὲν γὰρ τέλη, τὸ μαθεῖν καὶ εὑρεῖν, ταῦτα δὲ ὁδοί, τὸ ζητῆσαι καὶ διδαχθῆναι)· ὁ ζητήσας ἢ διδαχθεὶς ἔχει χρόνον εἰπεῖν ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι, ἵνα ἢ φοιτήσαι εἰς διδασκάλους ἢ ἐνταλαιπωρήσαι ταῖς ζητήσεσιν· ὁ ἀγαθὸς ἄρα σύμβουλος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι. ἀλλὰ μὴν ὁ Ἀλκιβιάδης τοῦτον οὐκ ἔχει λέγειν· νέος γὰρ ὢν κομιδῇ καὶ τοῖς ἡλικιώταις συναστραγαλίζων ὤμνυεν ὑπ’ αὐτῶν ἀδικεῖσθαι ὡς δὴ ἠκριβωμένος τὸ δίκαιον’. Καὶ οὕτω μὲν συνθετικῶς προῆλθεν ὁ συλλογισμός· ἔστι δὲ καὶ ἀναλυτικῶς αὐτὸν προαγαγεῖν, οὕτως. ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι· ὁ τοιοῦτος ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη· ὁ τοιοῦτος ἢ ἔμαθεν ἢ εὗρεν· ὁ τοιοῦτος μᾶλλον οἶδεν περὶ ὧν συμβουλεύει ἢ οἷς συμβουλεύει· ὁ ἄρα ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον τῶν ἀκροωμένων οἶδεν περὶ ὧν συμβουλεύει’. ἔοικε δὲ ὁ μὲν πρῶτος συλλογισμὸς καθόδῳ ψυχῆς ἀεὶ προσλαμβανούσῃ καὶ ἐνδυομένῃ τὰ πάθη, ὁ δὲ δεύτερος ἀνόδῳ ἀεὶ ἀποβαλλούσῃ τὰ πάθη· ὅτε καὶ λέγοι ἄν τις περὶ αὐτῆς τὸ ποιητικόν· ‘α ὐτ ὰ ρ ὁ γ υ μ ν ώ θ η ῥα κ έ ω ν ’.

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Ἐλέγχει δὲ ὁ Σωκράτης τὸν Ἀλκιβιάδην οὐ μόνον διὰ τοῦ εἰρημένου συλλογισμοῦ, ἀλλὰ καὶ δι’ ἑτέρου τρόπου τοιούτου, λέγων· ‘ἆρα περὶ τίνων ἂν συμβουλεύσοις Ἀθηναίοις; ἆρα περὶ ὧν γινώσκεις καὶ οἴει εἰδέναι, οἶον περὶ τοῦ παλαίειν καὶ κιθαρίζειν καὶ περὶ γραμμάτων; ταῦτα γὰρ ἔμαθες. ἀλλ’ οὐ περὶ τούτων ἐκκλησιάζουσιν οὐδὲ βουλεύονται· ἀλλ’ εἰ ὅλως, οὐ περὶ τοῦ πῶς δεῖ κιθαρίζειν ἢ παλαίειν, ἀλλ’ εἰ δεῖ γυμναστὰς ἢ κιθαριστὰς ἢ γραμματιστὰς ἐν τῇ οἰκείᾳ πόλει παραλαμβάνειν’. οὕτω γοῦν καὶ ὁ παρ’ | Ὁμήρῳ Ἀχιλλεὺς πολιτικὸς ὢν οὐκ αὐτὸς ἐμαντεύσατο τοῖς Ἕλλησιν, ἀλλὰ συνεβούλευσεν μάντει χρῆσθαι· καὶ πάλιν ὁ Θεμιστοκλῆς οὐκ αὐτὸς ἐναυπήγησε τὰς τριήρεις, ἀλλ’ εἰσηγήσατο κατασκευάζειν ναυτικὸν λύσας τὸν χρησμόν, ‘τ ε ῖχος Τ ριτογενεῖ ξ ύλ ι νο ν δ ιδ οῖ ’.

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Selbstbewegung vorzuziehen ist. Denn von Gott geführt zu werden, nützt uns mehr, als von uns selbst [geführt zu werden].613 Folglich: „wer etwas gelernt oder gefunden hat, hat es entweder [selber] untersucht oder wurde unterrichtet (die 64 Ziele sind also, zu lernen und zu finden; die Wege sind aber diese, zu untersuchen und gelehrt zu werden). Jemand, der [etwas] untersucht hat oder unterrichtet wurde, hat einen Zeitpunkt zu nennen, in dem er nicht glaubte, das zu wissen; sodass er entweder sich an die Lehrer wandte oder sich beharrlich um 5 Untersuchungen bemühte. Der gute Berater, dann, hat einen Zeitpunkt zu nennen, in dem er nicht glaubte zu wissen. Alkibiades dagegen kann freilich darüber nichts sagen. Denn als er noch äußerst jung war und mit seinen Altersgenossen mit knöchernen Würfeln spielte, hat er geschworen, dass er von ihnen ungerecht behandelt wurde, als hätte er durchaus verstanden, was gerecht ist“.614 Auf diese Weise also durch Zusammensetzung615 ging die Schlussfolgerung weiter. Es ist auch [möglich], diese auf analytische Weise, wie folgt, vorzu- 10 führen: „Ein guter Berater hat einen Zeitpunkt zu nennen, in dem er nicht glaubte zu wissen. Ein solcher hat entweder untersucht oder wurde gelehrt. Ein solcher hat entweder gelernt oder gefunden. Ein solcher kennt die [Themen], über die er berät, besser als diejenigen, die er berät. Folglich kennt ein guter Berater die [Themen], über die er berät, besser als seine Zuhörer.“616 Die erste 15 Schlussfolgerung gleicht dem Abstieg der Seele, der dauerhaft zu den Affekten greift und sich mit ihnen bekleidet617; wobei die zweite dem Aufstieg [der Seele ähnlich ist], der stets die Affekte beiseitelegt. Daher mag jemand über sie [sc. die Seele] auch auf dichterische Weise sagen: „E r a b e r e n t b l ö ß t e s i c h v o n d e n L u m p e n “618.

Sokrates dagegen widerlegt Alkibiades nicht nur durch die erwähnte Schlussfolgerung, sondern auch durch einen anderen derartigen, indem er sagt619: „Über 20 welche [Themen] wirst du denn die Athener beraten? Etwa darüber, was du weißt und glaubst zu kennen, zum Beispiel über Ringen, über Kitharaspiel oder über Lesen und Schreiben? Denn du hast diese [Fächer] gelernt. Aber weder versammeln sie sich noch beratschlagen sie über diese [Themen]. Oder wenn überhaupt, dann nicht darüber, wie man Kithara spielen oder wie man ringen soll, sondern [darüber,] ob sie Lehrer für Gymnastik, Kithara oder Lesen und 25 Schreiben in die eigene Polis aufnehmen sollen.“ Ebenso weissagte auch Achilleus bei Homer den Griechen nicht selber, da er ein Politiker war, sondern 65 beriet sie, sich an einen Wahrsager zu wenden.620 Auch wiederum Themistokles hat nicht selber die Trieren gebaut, sondern schlug vor, eine Flotte bauen zu lassen, indem er den [folgenden] Orakelspruch aufgelöst hat: „E r g i b t d e r T r i t o g e n e i a e i n e M a u e r a u s H o l z “621

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εἰκότως δὲ τοῦτο. αἱ γὰρ ἐπαναβεβηκυῖαι τέχναι οὐ φθείρουσι τὰς ὑπ’ αὐτὰς προλαμβάνουσαι τὰ ἐκείνων, ἀλλὰ τοὐναντίον καὶ συνιστᾶσιν, ἵνα οὕτως ἡ φιλοσοφία μείνῃ τ έ χ ν η τ ε χ ν ῶ ν κ α ὶ ἐ π ι σ τ ή μ η ἐ π ι σ τ η μ ῶ ν , σῳζομένων τῶν τεχνῶν μετ’ αὐτὴν καὶ οὕτως αὐταῖς παρέχουσα τὰς ἀρχάς. ‘οὐκοῦν οὐ περὶ ὧν γινώσκεις καὶ οἴει εἰδέναι συμβουλεύσειας (οὐ γὰρ περὶ τούτων, ὡς εἴρηται, βουλεύονται)· ἀλλ’ οὐδὲ περὶ ὧν ἀγνοεῖς καὶ νομίζεις μὴ εἰδέναι (ἡ γὰρ ἁπλῆ ἄγνοια οὐκ ἔστιν ἁμαρτάδος αἰτία)· ἀλλὰ μὴν οὐδὲ περὶ ὧν ἀγνοεῖς καὶ νομίζεις εἰδέναι (τοῦτο γὰρ διπλῆς ἀμαθίας· ε ἰ δ ό τ ο ς δ ὲ π ε ρ ὶ ἑ κ ά σ τ ο υ ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , κ α ὶ ο ὐ π λ ο υ τ ο ῦ ν τ ο ς ) ’ . τὸ δὲ ἕτερον σκέλος ἀσύστατόν ἐστι, φημὶ δὲ τὸ εἰδέναι μέν, οἴεσθαι δὲ μὴ εἰδέναι, ἤτοι ἀγνοεῖν ὅτι οἶδεν· ἡ γὰρ ἐπιστήμη, φῶς οὖσα, οὐ λανθάνει τὸν ἔχοντα. καὶ αὕτη μὲν ἡ διαίρεσις δι’ ἧς πάλιν ὁ Ἀλκιβιάδης ἐλέγχεται μὴ ὢν ἀγαθὸς σύμβουλος κατὰ γνῶσιν. Τρία δὲ ταῦτα ἐπαιδεύοντο ἐν Ἀθήνησι, γράμματα, κιθαρίζειν, παλαίειν, διὰ τὸ ἐπικοσμεῖν, ὡς ἐν ἀρχῇ προείρηται, τὴν τριμέρειαν τῆς ψυ|χῆς· διὰ μὲν τῶν γραμμάτων τὸν λόγον, διὰ δὲ τῆς κιθάρας τὸν θυμὸν τιθασεύοντες, διὰ δὲ τοῦ παλαίειν ῥωννύντες τὴν ἐπιθυμίαν καὶ ἀμάλθακτον αὐτὴν ποιοῦντες. ἐπάγει δὲ ὅτι ‘ α ὐ λ ε ῖ ν δ έ γ ε ο ὐ κ ἤ θ ε λ ε ς ’. διὰ πολλὰς δὲ αἰτίας οὐκ ἐπετήδευον τὸν αὐλόν· πρῶτον μὲν ὅτι ἐκστατικὸς οὗτος καὶ μᾶλλον ἐνθουσιαστικὸς καὶ οὐ παιδευτικός. ἐν μὲν γὰρ τῷ κιθαρίζειν δυνατὸν καὶ λόγῳ χρῆσθαι, ἐν δὲ τῷ αὐλεῖν οὐδαμῶς· οὐ μόνον δὲ αὐτὸς οὐ δύναται λόγῳ χρῆσθαι ἢ ᾄδειν, ἀλλ’ οὐδὲ ἄλλου ᾄδοντος ἀκούειν, θορυβώδης γὰρ οὗτος· διὸ ‘κιθαρῳδία’ μὲν εἴρηται, ‘αὐλῳδία’ δὲ οὔ. καὶ ἡ Ἀθηνᾶ δὲ διὰ τοῦτο τὸν αὐλὸν ἀπέρριψεν ὡς ἐμπόδιον ὄντα τῷ λόγῳ (ἔφορος δὲ σοφίας ἡ θεός)· ὡς δέ φασιν οἱ ποιηταί, διότι τὸ πρόσωπον ἀπρεπὲς ἑώρα. ἢ καὶ τοῦτο νοητέον οὕτως, ὅτι πρόσωπον τῆς ἀπηχήσεως ὁ λόγος, ὁ δὲ αὐλὸς τῷ λόγῳ πολέμιος. καὶ ὁ ποιητὴς δὲ τοῖς Ἕλλησιν ἀποδίδωσι πανταχοῦ τὸ κιθαρίζειν, οὐδαμοῦ δὲ αὐτοὺς εἰσήγαγεν αὐλοῦντας· ἀλλὰ τοῖς Τρωσὶ βαρβάροις οὖσιν ἀπένειμε τὸν αὐλόν, περὶ ὧν καὶ τὸ

65, 14 Olymp. δὲ / γὰρ οἶμαι Plat. Alc. 107b9.

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Das ist ja selbstverständlich. Denn die fortgeschrittenen Künste beseitigen die [ihnen] untergeordneten [Künste] nicht, indem sie ihre [Grundlagen] vorwegnehmen, sondern im Gegenteil, sie verstärken sie sogar, damit auf diese Weise die Philosophie d i e K u n s t d e r K ü n s t e u n d d a s W i s s e n d e s W i s s e n s 622 bleibt, indem sie die ihr untergeordneten Künste bewahrt und auf diesem Wege ihnen die Grundprinzipien bereitstellt. „Deshalb würdest du nicht 10 darüber beraten, was du kennst oder glaubst zu wissen (denn sie machen keine Versammlung, wie gesagt, über diese [Themen]). Aber [du wirst] auch nicht darüber [beraten], was du nicht kennst und denkst, dass du nicht weißt (denn die einfache Unwissenheit ist nicht der Grund eines Fehlers).623 Selbstverständlich auch nicht darüber, was du nicht kennst und glaubst zu wissen (das ist nämlich [Zeichen] der doppelten Ungebildetheit. Denn „z u j e d e m [ T h e m a ] R a t z u e r t e i l e n g e h ö r t d e m j e n i g e n , d e r ü b e r d a s 15 W i s s e n v e r f ü g t , n i c h t d e m j e n i g e n , d e r R e i c h i s t “624. Das andere Glied [der Schlussfolgerung] ist in sich nicht konsistent – ich meine, einerseits zu wissen, andererseits aber zu glauben, nicht zu wissen oder sogar nicht zu wissen, dass man es weiß. Denn das Wissen bleibt dem [Menschen], der es besitzt, nicht verborgen, da es eine Art Licht ist. Derart ist dann die Aufteilung, durch die Alkibiades noch einmal widerlegt wird, da er kein guter Berater in Bezug auf die Erkenntnis ist. Diese drei [Fächer] wurden also in Athen gelehrt – Lesen und Schreiben, 20 Kithara Spielen und Ringen – um die drei Teile der Seele, wie am Anfang erwähnt wurde625, zu gestalten. Durch Lesen und Schreiben [wird] die Vernunft, 66 durch die Kithara wird die Willenskraft gezähmt und durch Ringen wird die Begierde verstärkt und unerbittlich gemacht.626 Er fügt auch hinzu: „A u l o s s p i e l e n w o l l t e s t d u d a g e g e n n i c h t “627. Aus vielen Gründen übten sie den Aulos nicht ein: Erstens, dieses [Instrument] hat mit der Ekstase etwas 5 zu tun und vielmehr mit göttlicher Entrückung, nicht mit der Bildung.628 Denn beim Spielen der Kithara ist es möglich, von der Sprache629 Gebrauch zu machen, beim Spielen des Aulos aber auf keinen Fall. Nicht nur ist für den [Aulosspieler] unmöglich, die Sprache zu benutzen oder zu singen, sondern auch kann er niemandem anderen beim Singen zuhören, denn es ist ein lautstarkes [Instrument]. Daher sagt man „Kitharodie“, aber nicht „Aulodie“.630 Deswegen warf auch Athene den Aulos weg, da sie darin ein Hindernis gegen Vernunft631 sah 10 (diese Göttin ist nämlich die Aufseherin der Weisheit). Wie die Dichter erzählen, [tat sie das,] weil sie ihr Gesicht [sc. beim Aulosspiel] unanständig empfunden hat. Oder muss man das so verstehen: Die Sprache ist wie ein Gesicht des Nachklangs632, aber der Aulos ist der Feind der Sprache. Auch der Dichter schreibt überall633 das Kitharaspiel den Griechen zu, aber nirgendwo stellt er sie

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C. Text und Übersetzung

‘Τρῶες μὲν κλαγγῇ ἐνοπ ῇ τ’ ἴσαν, ὄ ρνιθες ὥς’, εἴρηκε. καλῶς δὲ τούτοις τὸν αὐλὸν ἀποδέδωκεν, ὡς Φρυξίν· ἐν Φρυγίᾳ γὰρ λέγεται εὑρε|θῆναι ὁ αὐλὸς περὶ τὰ μυστήρια καὶ τοὺς ἐνθουσιασμούς. ἔνθα καὶ ὁ Μαρσύας ἦν, ὃς ἀγωνισάμενος περὶ μουσικῆς πρὸς Ἀπόλλωνα ἡττήθη χρώμενος αὐλῷ, ἐκείνου δὲ κιθάραν ἔχοντος. καὶ αὐτὸς δὲ ὁ Ἀλκιβιάδης περὶ τῶν Θηβαίων ἔφη· ‘ α ὐ λ ε ί τ ω σ α ν Θ η β α ί ω ν π α ῖ δ ε ς , δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι γ ὰ ρ ο ὐ κ ἴ σ α σ ι ν ’ . ἐν οἷς ἡ θεωρία.

106C Φέρε δή· διανοῇ γάρ, ὡς ἐγώ φημι: ζητητέον διὰ τί ἀπὸ τῆς γνώσεως μόνης ἐλέγχει τὸν νέον ὁ Σωκράτης, οὐχὶ δὲ καὶ ἀπὸ τῶν ἄλλων. ἤ φαμεν ὅτι ἀπὸ τῆς ἀπαγγελτικῆς δυνάμεως οὐκ ἠδύνατο· ᾔδει γὰρ αὐτὸν ταύτην ἔχοντα διὰ Περικλέους, ᾧ συνδιέτριψε πρότερον· ἐκ τούτου οὖν ῥητορικὸς ἦν τὴν φύσιν. ἀλλ’ οὐδὲ ἀπὸ τῆς προαιρέσεως· καὶ γὰρ ἀγαθὸς ἦν ἐκ τοῦ ἀνάλωτος εἶναι τῷ φιλοχρημάτῳ πάθει καὶ μεγαλοφρονεῖν ἐπὶ τοῖς ὑπάρχουσιν καὶ ὑπερφρονεῖν τῶν ἄλλων ἐραστῶν. Εἰ οὖν μέλλοντός σου ἰέναι ἐπὶ τὸ βῆμα: ὡς πρὸς ῥητορικὸν διαλεγόμενος πανταχοῦ προσφόροις ὀνόμασι κέχρηται, ὥσπερ καὶ νῦν. ἀκροατὰς γὰρ αὐτῷ καὶ θέατρον ἀποδίδωσιν, τίθησι δὲ καὶ βῆμα κἀκεῖνον ᾄττοντα πρὸς τοῦτο, ἑαυτὸν δὲ χαλινὸν ἐπιτίθησιν, ἵνα τὰ τοῦ νέου πάθη χαλιναγωγήσῃ καὶ τὴν πρὸς τὸ συμβουλεύειν ὁρμήν· φησὶ γοῦν, ‘ λ α β ό μ ε ν ο ς ἐ ρ ο ί μ η ν ’ . Ἆρ’ ἐπειδὴ περὶ ὧν σὺ ἐπίστασαι βέλτιον ἢ οὗτοι; ἰδοὺ πρώτη πρότασις, ὅτι ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον οἶδε περὶ ὧν μέλλει συμβουλεύειν ἤπερ οἷς συμβουλεύει· οὔτε γὰρ ἐπ’ ἔλαττον, μανικὸν γάρ· οὔτ’ ἐπ’ ἴσης, καὶ γὰρ μάταιον’.

106D Οὐκοῦν ταῦτα μόνον οἶσθα ἃ παρ’ ἄλλων ἔμαθες ἢ αὐτὸς ἐξεῦρες; ἡ δευτέρα πρότασις, ὅτι ‘ὁ μᾶλλον εἰδὼς ἢ ἔμαθεν ἢ ἐξεῦρεν’· διττὴ γὰρ ἡ γνῶσις, ὡς μεμαθήκαμεν.

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beim Aulosspiel dar. Dagegen den Trojanern, da sie Barbaren sind, teilte er den Aulos zu, über die er auch gesagt hat:

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„S c h r i t t e n d i e T r o e r m i t G e s c h r e i u n d R u f e n h e r a n w i e V ö g e l “634

Angemessen nun schrieb er [sc. Homer] den Aulos diesen [sc. Trojanern] zu, da sie zu den Phrygiern [zählen].635 Denn man sagt, dass der Aulos in Phrygien, im 67 Rahmen der Mysterien und Erfahrungen des Göttlichen erfunden wurde.636 Dort lebte auch Marsyas, der mit Apollon in der Musik wetteiferte und besiegt wurde, da er einen Aulos benutzte, der andere [sc. Apollon] aber eine Kithara hatte.637 Ferner hat Alkibiades selber über die Thebaner gesagt: „L a s s t d i e K i n d e r 5 der Thebaner Aulos spielen, denn sie kennen nicht, wie m a n G e s p r ä c h e f ü h r t “.638 Damit endet die Theorie. 106C Nun gut. Du stellst dir vor, wie ich meine: Man muss untersuchen, warum Sokrates den Jüngling nur in Hinsicht auf die Erkenntnis widerlegt, und nicht auch auf andere Dinge.639 Wir sagen nun, dass er das aufgrund seines Ausdrucksvermögens nicht konnte. Denn er wusste, dass er diese [Kunst] von 10 Perikles [gelernt] hatte, mit dem er früher zusammen Zeit verbracht hatte. Aus diesem [Grund], dann, war er ein Redner von Natur aus. Auch nicht in Hinsicht auf sein Vorhaben [könnte er ihn befragen]: Denn er [sc. Alkibiades] war auch gut aufgrund seiner Unbesiegbarkeit gegen den Affekt der Geldliebe, seiner Großzügigkeit mit seinen Besitztümern und seiner Verachtung der anderen Liebhaber.640 Wenn nun, während du im Begriff bist, auf die Rednerbühne zu treten641: Da er sich mit einem rednerisch begabten Menschen unterhält, 15 benutzt er überall dazu passende Begriffe, wie auch an dieser Stelle.642 Denn er verleiht ihm Zuhörer und ein Theater, stellt dazu eine Bühne und ihn [sc. Alkibiades] eilend dahin vor; sich selbst lag er als Zaum an, damit er die Affekte des Jünglings und seinen Drang, [den Athenern] Rat zu erteilen, zügeln kann. Darauf sagt er: „[Angenommen,] i c h w ü r d e d i c h a n p a c k e n u n d F o l g e n d e s f r a g e n “.643 Ist es etwa über die Dinge, die du besser kennst als sie? Siehe die erste 20 Prämisse, nämlich: „Der gute Berater weiß das, worüber er beraten will, besser als diejenigen, die er berät. Denn [er weiß] nicht weniger, das wäre nämlich irrsinnig. Noch gleiche [Kenntnis wie seine Zuhörer hat er], denn das wäre vergeblich.“644 106D Kennst du etwa nicht nur das, was du von anderen gelernt oder selber herausgefunden hast? Die zweite Prämisse, nämlich: „Derjenige, der 25 etwas besser kennt, hat es entweder gelernt oder herausgefunden“. Denn die Erkenntnis hat zwei Arten, wie wir gelernt haben.645

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C. Text und Übersetzung

Τί δέ; ἠθέλησας ἂν ζητῆσαι ἢ μαθεῖν: ἡ τρίτη πρότασις, ὅτι ‘ὁ μαθὼν ἢ εὑρὼν ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη· τὰ μὲν γὰρ ὁδοί, ταῦτα δὲ τέλη’. τὸ δὲ μαθεῖν ἀντὶ τοῦ διδαχθῆναι ἀκουστέον. Ἦν χρόνος ὅτε οὐχ ἡγοῦ εἰδέναι: ἡ | τετάρτη πρότασις καὶ τελευταία, ὅτι ‘ὁ ζητήσας ἢ διδαχθεὶς ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο εἰδέναι’. ἰστέον δὲ ὅτι ὁ μὲν προσυλλογισμὸς ἐν πρώτῳ σχήματί ἐστιν, ὁ δὲ συλλογισμὸς ἐν δευτέρῳ. ἔστι γὰρ ὁ μὲν προσυλλογισμὸς οὗτος· ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον οἶδε περὶ ὧν συμβουλεύει ἢ οἱ συμβουλευόμενοι· ὁ τοιοῦτος ἢ ἔμαθεν ἢ εὗρεν· ὁ τοιοῦτος ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη· ὁ τοιοῦτος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο εἰδέναι· ὁ ἀγαθὸς ἄρα σύμβουλος ἔχει χρόνον ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι’. ὁ δὲ συλλογισμὸς λαμβάνων τὴν τελευταίαν ἀποδειχθεῖσαν πρότασιν ἐν τῷ προσυλλογισμῷ προέρχεται ἐν δευτέρῳ σχήματι οὕτως· ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο εἰδέναι· ὁ Ἀλκιβιάδης οὐκ ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο· ὁ Ἀλκιβιάδης ἄρα οὐκ ἀγαθὸς σύμβουλος’. ἰστέον δὲ ὅτι αὐτὸς μὲν πλατύτερον ἐξήπλωσε τὸν συλλογισμόν, ἡμεῖς δὲ τάξιν ἀπενείμαμεν αὐτῷ συλλογισμοῦ. Ἀλλὰ μὴν ἅ γε μεμάθηκας σχεδόν τι καὶ ἐγὼ οἶδα: καλῶς τὸ ‘ σ χ ε δ ὸ ν ’ πρόσκειται· εἰκὸς γὰρ τὸν Ἀλκιβιάδην εἰδέναι σκευάριον ὃ ἐν τῷ αὐτοῦ οἴκῳ ἔκειτο, ὅπερ ὁ Σωκράτης οὐκ ἐγίνωσκεν. Αὐλεῖν δέ γε οὐκ ἤθελες: ἀληθές· αὐτοῦ γάρ ἐστι περὶ Θηβαίων εἰπόντος, ‘ α ὐ λ ε ί τ ω σ α ν Θ η β α ί ω ν π α ῖ δ ε ς , δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι γὰρ οὐκ ἴσασιν’. Οἶμαι δὲ οὔτε νύκτωρ οὔτε μεθ’ ἡμέραν ἐξιὼν ἔνδοθεν: τουτέστιν ‘οὐ μεμάθηκας ἄλλο τι πλὴν τούτων, εἴγε οὐδέποτε λέληθάς με’· καθάπερ ὁ Διομήδης τὴν Ἀθηνᾶν, πρὸς ἥν φησιν, ‘ ο ὐ ν ύ σ ε λ ή θ ω κ ι ν ο ύ μ ε ν ο ς ’ . δίκην γὰρ συνειδότος ἑκάστῃ τῶν πράξεων ἡμῶν παρακολουθοῦντος, οὕτω καὶ ὁ Σωκράτης συνῆν ἀεὶ τῷ Ἀλκιβιάδῃ.

107A Πότερον οὖν ὅταν περὶ γραμμάτων Ἀθηναῖοι βουλεύονται: ἐντεῦθεν ὁ δεύτερος ἔλεγχος, ὃν ἡμεῖς ὑπὸ διαίρεσιν ἀνηγάγομεν, ὅτι ἡ 68, 21 Olymp. om. γε post δὲ, cf. Plat. Alc. 106e9.

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Wie denn? Würdest du etwa untersuchen oder lernen wollen?646 Die dritte Prämisse, nämlich: „Derjenige, der etwas gelernt oder gefunden hat, hat es entweder untersucht oder wurde gelehrt: Die [letztere] sind die Wege, die erstere die Ziele.“ Man muss das ‚Lernen‘ wie ‚gelehrt zu werden‘ verstehen.647 106E Es gab eine Zeit, in der du nicht geglaubt hast zu wissen: Die vierte 68 und letzte Prämisse, nämlich: „Derjenige, der etwas untersucht hat oder gelehrt wurde, hat eine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte, [das] zu wissen“. Man muss dazu wissen, dass es in der ersten Figur einen Prosyllogismus648, in der zweiten aber einen Syllogismus gibt.649 Denn der Prosyllogismus lautet wie folgt: „Ein guter Berater kennt [die Themen], über die er berät, besser als 5 diejenigen, die beraten werden. Ein solcher hat [es] entweder gelernt oder gefunden. Ein solcher hat entweder untersucht oder wurde gelehrt. Ein solcher hat eine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte zu wissen. Folglich hat ein guter Berater eine Zeit, in der er nicht glaubte zu wissen“. Der Syllogismus, dann, nimmt die letzte bewiesene Prämisse des Prosyllogismus an und führt in der 10 zweiten Figur wie folgt fort: „Der gute Berater hat eine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte zu wissen. Alkibiades hat keine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte zu wissen. Daher ist Alkibiades kein guter Berater.“ Man muss dazu wissen, dass er den Syllogismus viel breiter entfaltet hat, wir dagegen haben ihm eine Ordnung wie einen Syllogismus gegeben.650 Tatsächlich kenne auch ich fast alles, was du gelernt hast: Zutreffend 15 fügt er „f a s t “ hinzu: Denn es ist wahrscheinlich, dass Alkibiades irgendein Kleidungsstück651, das sich in seinem Haus befindet, kennt, über das Sokrates nichts weiß. Aulos spielen wolltest du dagegen nicht: Das ist richtig. Denn [der Spruch] über die Thebaner stammt von ihm: „L a s s t d i e K i n d e r d e r T h e b a n e r A u l o s s p i e l e n , d e n n s i e k e n n e n n i c h t , w i e m a n 20 G e s p r ä c h e f ü h r t .“652 Ich glaube aber, das ist weder geschehen, wenn du das Haus in der Nacht, noch, wenn du es tagsüber verlassen hast.653: Das bedeutet: „Du hast nichts anderes außer diesen [Sachen] gelernt, wenn du niemals meiner Aufmerksamkeit entgangen warst“. Genauso wie Diomedes Athene sagt, als er in ihrer Gegenwart spricht: „U n d i c h b l e i b e d i r n i c h t v e r b o r g e n , w e n n i c h m i c h r e g e . “654 Denn wie das Bewusstsein, das jede 25 unserer Handlungen begleitet, war Sokrates auch immer mit Alkibiades.655 107A Ist es nun dann, wenn die Athener über das Lesen und Schreiben beraten? Ab hier fängt die zweite Widerlegung an, die wir in eine Aufteilung gegliedert hatten,656 nämlich: Die Beratung ist entweder darüber, was man weiß

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C. Text und Übersetzung

συμβουλὴ ἢ περὶ ὧν οἶδεν καὶ νομίζει εἰδέναι, ἢ περὶ ὧν οὐκ οἶδε μέν, νομίζει δὲ εἰδέναι, ἢ περὶ ὧν οὔτε οἶδεν οὔτε νομίζει εἰδέναι· καὶ τὸ τέταρτον σκέλος καὶ ἀσύστατον | ἔφαμεν εἶναι τὸ εἰδέναι μέν, νομίζειν δὲ μὴ εἰδέναι. κατὰ πάντα οὖν ταῦτα δεδείχαμεν μὴ δυνάμενον ἀγαθὸν σύμβουλον γενέσθαι. ἡ δὲ λέξις δύο μόνων μέμνηται, τοῦ εἰδέναι καὶ νομίζειν εἰδέναι (περὶ τούτων δὲ οὐδέποτε Ἀθηναῖοι ἐκκλησιάζουσιν, εἴγε κιθαρίζειν καὶ παλαίειν καὶ γράμματα μόνον ἔμαθεν) καὶ περὶ ὧν οὐκ οἶδε μέν, γινώσκει δὲ ὅτι οὐκ οἶδεν (ἐπάγει γὰρ ὅτι ‘οὔτε περὶ οἰκοδομίας αὐτοῖς συμβουλεύσεις’, ταύτην δὲ μὴ εἰδὼς ὁ Ἀλκιβιάδης ᾔδει ὅτι οὐκ οἶδεν). Οὐ γάρ που ὅταν γε περὶ οἰκοδομίας: ἰστέον ὅτι οὐχ ὡς εὐτελοῦς ὄντος τοῦ περὶ οἰκοδομίας συμβουλεύειν εἶπεν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘οὐ τότε συμβουλεύσεις, ὅτε περὶ οἰκοδομίας βουλεύονται’, ἀλλ’ ὡς ἀγνοοῦντος τοῦ Ἀλκιβιάδου τὴν οἰκοδομίαν· ἐπήγαγεν γὰρ ὅτι ‘ ὁ ο ἰ κ ο δ ό μ ο ς τ α ῦ τ ά γ ε σ ο ῦ β έ λ τ ι ο ν β ο υ λ ε ύ σ ε ι ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ἀκριβῶς τὰ περὶ τῆς οἰκοδομίας’. φυλαττόμενος γὰρ τοῦτο καὶ παράδειγμα ἀπὸ τιμιωτέρας τέχνης ἐπήγαγεν εἰπὼν ‘ ο ὐ δ ὲ μ ὴ ν ὅ τ α ν π ε ρ ὶ μ α ν τ ι κ ῆ ς ’ , ἵνα δείξῃ ὅτι οὐ τὸ τίμιον ἢ ἄτιμον τοῦ ὑποκειμένου παρασκευάζει συμβουλεύειν ἢ μή, ἀλλ’ ἡ περὶ τῶν προκειμένων ἀκριβὴς γνῶσις· ὡς γὰρ καὶ ἐφεξῆς εὐθέως φησίν, ‘ ε ἰ δ ό τ ο ς γ ὰ ρ οἶμαι περὶ ἑκάστου ἡ συμβουλή, καὶ οὐ πλουτοῦντος’.

107B Οὐδὲ μὴν ὅταν περὶ μαντικῆς: διττή ἐστιν ἡ μαντικὴ παρὰ Πλάτωνι, ἡ μὲν μ α ν ι κ ή τις οὖσα, ὡς ἐν φαίδρῳ φησίν, ἥτις ἐνθουσιαστική ἐστι καὶ | θεία, ἡ δὲ οἶον μαστευτικὴ καὶ ζητητική, ἥτις καὶ τέχνη ἐστίν· περὶ ἧς νῦν διαλέγεται, ὅτι ‘περὶ ταύτης ἄμεινον ὁ μάντις συμβουλεύσει ἢ σύ’. περὶ γὰρ τῆς προτέρας ὡς μήτε διδακτῆς οὔσης οὔτε συμβουλεύσει τις.

69, 12 Olymp. add. ὁ, cf. Plat. Alc. 107a13. 13 Olymp. om. γάρ post οἰκοδόμος, cf. Plat. Alc. 107a13.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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oder glaubt zu wissen; oder darüber, was man nicht weiß aber glaubt zu wissen; oder darüber, was man weder weiß noch glaubt zu wissen. Auch dass das vierte Glied in sich nicht konsistent ist, haben wir gesagt, nämlich einerseits zu wissen, 69 andererseits aber zu glauben, dass man nicht weiß. Wir haben nach allen diesen [Fällen] aufgezeigt, dass er [sc. Alkibiades] nicht in der Lage ist, ein guter Berater zu werden. Der Text erwähnt dagegen nur zwei [Glieder der Schlussfolgerung]: [Erstens, was] er kennt und glaubt, dass er kennt (über diese [Themen] beraten die Athener niemals in der Volksversammlung, denn [Alkibiades] hat nur Kitharaspielen, Ringen, Lesen und Schreiben657 gelernt); und 5 [zweitens] über die [Themen], die er einerseits nicht kennt, andererseits erkennt, dass er nicht kennt (denn [Sokrates] fügt hinzu: „du wirst sie nicht über Bauwesen beraten“). Alkibiades kannte diese [Kunst] nicht und sah ein, dass er das nicht kennt). Doch wohl nicht, wenn es um das Bauwesen geht: Man muss wissen, dass Sokrates nicht deswegen, weil über Bauwesen zu beraten wertlos ist, 10 sondern weil Alkibiades über Bauwesen keine Erkenntnis hatte, [das Folgende] sagt: „Du wirst etwa nicht Rat geben, wenn die Volksversammlung um das Bauwesen geht“.658 (Denn er fügte hinzu: „S i c h e r l i c h w i r d e i n B a u m e i s t e r ü b e r d i e s e D i n g e b e s s e r b e r a t e n a l s d u “659, in dem Sinne: „[Er wird] über das Bauwesen korrekt [beraten]“). Vorsichtig brachte er auch dieses Beispiel von einer würdigeren Kunst vor, indem er sagt: „A u c h 15 n i c h t , w e n n e s u m d i e W a h r s a g u n g g e h t “, damit er zeigen kann, dass es nicht die Würde oder Unwürdigkeit des Gegenstands ist, was jemanden vorbereitet oder unvorbereitet zum Beraten macht; sondern die genaue Erkenntnis der vorliegenden Sache. Denn wie [Sokrates] auch direkt darauf sagt: „I c h d e n k e n ä m l i c h , z u j e d e m [ T h e m a ] R a t z u e r t e i l e n gehört demjenigen, der über das Wissen verfügt, nicht d e m j e n i g e n , d e r r e i c h i s t . “660 20 107B Aber auch nicht dann, wenn es um die Wahrsagung [geht]: Nach Platon hat die Wahrsagung zwei Arten, von denen die eine in gewisser Weise zur M a n i e gehört, wie er [sc. Platon] im Phaidros sagt661, nämlich diejenige, die mit der göttlichen Inspiration verbunden und göttlich ist; die andere [Art] aber 70 ist eine erforschende und untersuchende, die zugleich auch eine Kunst ist. Über diese nun sagt er: „Darüber wird ein Wahrsager besser beraten als du“662. Denn über die erste [Art der Wahrsagung] wird niemals jemand beraten, da sie nicht lehrbar ist.

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ ηʹ 107C-108D Ὅταν οὖν περὶ τίνος σκοπῶνται, τότε σὺ ἀνιστάμενος ὡς συμβουλεύσων ὀρθῶς ἀναστήσῃ; Πάλιν ὡς εὐφυὴς ὁ Ἀλκιβιάδης καὶ ῥητορικὸς ἀποφεύγει τὰς Σωκρατικὰς ἐρωτήσεις. δειχθεὶς γὰρ μὴ ἀξιόχρεως ὢν σύμβουλος, μήτε περὶ ὧν οἶδεν καὶ οἴεται εἰδέναι, οἶον γραμμάτων, κιθαρῳδίας, πάλης (οὐ γὰρ περὶ τούτων Ἀθηναῖοι συμβουλεύονται, πῶς δεῖ αὐτοῖς χρῆσθαι, ἀλλ’ εἰ ὅλως δεῖ γραμματιστὴν ἢ ἀθλητὴν ἢ κιθαριστὴν ἐν τῇ οἰκείᾳ πόλει παραλαμβάνειν), ἀλλὰ μὴν οὔτε περὶ ὧν οὐκ οἶδεν οὔτε οἴεται εἰδέναι (ἡ γὰρ ἁπλῆ ἄγνοια οὐχ ἁμαρτημάτων αἰτία), ἔτι δὲ οὔτε περὶ ὧν οὐκ οἶδε μέν, οἴεται δὲ εἰδέναι (‘ε ἰ δ ό τ ο ς γ ὰ ρ π ε ρ ὶ ἕ κ α σ τ ο ν ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , κ α ὶ ο ὐ π λ ο υ τ ο ῦ ν τ ο ς ’ ) · τὸ δὲ ἕτερον σκέλος ἀσύστατον ἐδείχθη, τὸ εἰδέναι μέν, οἴεσθαι δὲ μὴ εἰδέναι (φῶς γὰρ οὖσα ἡ ἐπιστήμη οὐ λανθάνει τὸν ἔχοντα)· δειχθεὶς οὖν ἐν τούτοις μὴ ἀξιόχρεως ὢν σύμβουλος καὶ ἐρωτηθεὶς ὑπὸ τοῦ Σωκράτους, ‘ὅτε οὖν περὶ τίνος βουλεύονται Ἀθηναῖοι, συμβουλεύσεις αὐτοῖς;’ εἰδὼς τὴν διαίρεσιν ἄφυκτον οὖσαν ἐᾷ μὲν αὐτήν, ἔξωθεν δὲ ἀποκρίνεται λέγων ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ τ ῶ ν ἑ α υ τ ῶ ν π ρ α γ μ ά τ ω ν β ο υ λ ε ύ ο ν τ α ι ’ . καὶ εἰ μὲν κατὰ φιλοσόφους ὑποθήκας ‘ ἑ α υ τ ο ὺ ς ’ μὲν ἐκάλει τὰς ψυχὰς καὶ τὰς κυρίως οὐσίας, ‘ π ρ ά γ μ α τ α ’ δὲ τὰς ἐνεργείας, καλῶς ἂν εἶχεν αὐτῷ ἡ ἀπόκρισις, εἰ καὶ μὴ ἠδύνατο περὶ τούτων συμβουλεύειν. ἐπειδὴ δὲ οὐχ οὕτως, ἀλλ’ ἀδιορίστως ἀπεκρίνατο, ἐρωτᾷ πάλιν αὐτὸν ὁ Σωκράτης· ‘ποίων πραγμάτων; ἆρα ὅτε π ε ρ ὶ ν α υ π η γ ί α ς ; ’ καὶ καλῶς ἐχρήσατο | τῷ παραδείγματι· εἰ γὰρ καὶ μὴ οἰκεῖον πολιτικοῦ τὸ ναυπηγεῖν, ἀλλ’ οὖν τὸ περὶ ναυπηγίας συμβουλεύειν, οἶον ποίας δεῖ εἶναι τὰς ναῦς, ἆρα στενὰς καὶ μακράς, οἷαί εἰσιν αἱ τριήρεις, ἢ στρογγύλας καὶ πλατείας, οἷαι αἱ ἐμπορικαί. τοιοῦτος γὰρ καὶ ὁ Θεμιστοκλῆς· μὴ ναυπηγῶν αὐτὸς περὶ ναυτικοῦ συνεβούλευεν λύσας

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

Unterricht 8 mit Gottes Hilfe

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107C–108D Mit welchem Thema würden sie sich dann befassen, wenn du aufstehst, um sie zu beraten, und dabei Recht hast? Erneut vermeidet Alkibiades die Fragen von Sokrates, wie ein Mensch mit natürlicher und rednerischer Begabung. Denn es wurde aufgezeigt, dass er als Berater nicht zu gebrauchen ist – weder über [Themen], die er kennt und glaubt 10 zu kennen, wie Lesen und Schreiben, Kitharaspiel oder Ringkampf (denn die Athener diskutieren bezüglich dieser [Themen] in der Volksversammlung nicht darüber, wie man von diesen Gebrauch machen soll, sondern vielmehr darüber, ob man überhaupt die Elementarlehrer, Athleten oder Kitharaspieler in die eigene Polis aufnehmen soll); sicherlich [wird er] aber auch nicht über die [Themen beraten], die er nicht weiß und nicht glaubt zu wissen (denn die einfache Unwissenheit ist nicht der Grund für Fehler663); noch [wird er] aber über die [Themen beraten], die er nicht weiß aber glaubt, dass er sie weiß („denn 15 zu jedem [Thema] Rat zu erteilen gehört demjenigen, der über das Wissen verfügt, nicht demjenigen, der reich i s t . “664). Über das andere Glied [der Schlussfolgerung] wurde es bewiesen, dass es in sich nicht konsistent ist, nämlich einerseits zu wissen, andererseits aber zu glauben, nicht zu wissen (denn das Wissen bleibt demjenigen nicht verborgen, der es besitzt, da es eine Art Licht ist.665) Nun also, nachdem es durch diese [Argumente] aufgezeigt wurde, dass er als Berater nicht zu gebrauchen ist, fragte Sokrates ihn: „Nun über welche [Themen] diskutieren die Athener, wenn 20 du sie beraten wirst?“ Da [Alkibiades] weiß, dass eine Bestimmung666 unvermeidlich ist, akzeptiert er diese zwar, gibt aber eine Antwort von außerhalb [dieses Bereichs], indem er sagt: „W e n n s i e f ü r i h r e e i g e n e n A n g e l e g e n h e i t e n R a t s u c h e n “667. Nun, wenn er [sc. Alkibiades] gemäß den philosophischen Grundsätzen ihre Seelen und ihre exakte Wesenheit „i h r e e i g e n e n “ nennt, ihre Aktivitäten dagegen die „A n g e l e g e n h e i t e n “, dann hätte er eine geeignete Antwort, auch wenn er nicht dazu fähig war, über 25 diese [Themen] Rat zu erteilen.668 Da es aber nicht so ist, sondern er eine ungenaue Antwort gibt, fragt Sokrates ihn erneut: „Über welche Art der Angelegenheiten? Ist es etwa ü b e r d e n S c h i f f s b a u ?“.669 Dabei gebrauchte er ein zutreffendes Beispiel: Denn auch wenn der Schiffsbau sicherlich für 71 einen Politiker nicht eigen ist, ist [ihm] dagegen [eigen], über den Schiffsbau zu beraten, wie etwa welche Beschaffenheit die Schiffe haben sollen, ob schmal und lang – wie die Trieren – oder rund und breit – wie die Handelsschiffe. Denn etwas Derartiges [tat] auch Themistokles: Er war selber kein Schiffsbauer, aber 5 er hat über den Schiffsbau Rat erteilt, als er den Orakelspruch deutete.670 Darauf

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C. Text und Übersetzung

τὸν χρησμόν. ἀποκρίνεται δὲ ὁ Ἀλκιβιάδης· ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ π ο λ έ μ ο υ κ α ὶ ε ἰ ρ ή ν η ς βουλεύονται’. καὶ ἰστέον ὅτι πέντε ὄντων εἰδῶν περὶ ὧν ἐστὶν ἡ συμβουλὴ καὶ γίνεται, ὡς Ἀριστοτέλης ἡμᾶς ἐν Ῥητορικαῖς τέχναις ἐδίδαξε, κατὰ συζυγίαν προερχομένων· ἢ γὰρ περὶ νόμων εἰσηγήσεως καὶ ἀρχόντων καταστάσεως (καὶ γὰρ καὶ ὁ νόμος οἶον ἄρχων τίς ἐστιν ἄψυχος, ὥσπερ καὶ τὸ ἀνάπαλιν ὁ ἄρχων νόμος ἔμψυχος), ἢ περὶ πόρου καὶ ἀναλωμάτων, ἢ περὶ εἰσαγωγίμων καὶ ἐξαγωγίμων, ἢ περὶ φυλακῆς πόλεως καὶ χώρας, ἢ περὶ πολέμου καὶ εἰρήνης· αὐτὸς ἐάσας τὰ ἄλλα φησίν, ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ π ο λ έ μ ο υ κ α ὶ ε ἰ ρ ή ν η ς ’ . τοῦτο δὲ διὰ τρεῖς αἰτίας πεποίηκεν. ἢ γὰρ ὡς φιλόνεικος ὢν καὶ κατὰ τὸ φιλόνεικον εἶδος τῆς ζωῆς ζῶν ‘ π ε ρ ὶ π ο λ έ μ ο υ κ α ὶ ε ἰ ρ ή ν η ς ’ φησίν. εἰ μὲν γὰρ ἀριστοκρατικὸς ἦν, περὶ νόμων εἰσηγήσεως ἂν εἶπεν | καὶ ἀρχόντων καταστάσεως· εἰ δὲ ὀλιγαρχικὸς ἦν, περὶ τῶν δύο τῶν ἐφεξῆς, περὶ πόρου καὶ ἀναλωμάτων καὶ εἰσαγωγίμων καὶ ἐξαγωγίμων (τούτων γὰρ μάλιστα οἱ ὀλιγαρχικοὶ φροντίζουσιν)· εἰ δὲ δημοκρατικὸς ἦν, περὶ τοῦ τετάρτου ἂν ἔλεγεν, τουτέστι περὶ φυλακῆς πόλεως καὶ χώρας (ἀντιποιοῦνται γὰρ ταύτην διὰ τὴν ἰσηγορίαν καὶ τὸ πάντας ἴσον δύνασθαι)· νῦν δὲ ὡς φιλόνεικος περὶ πολέμου καὶ εἰρήνης εἶπεν. ἢ οὖν διὰ τοῦτο ἢ ὅτι στρατηγικὸς ὢν περὶ τῶν οἰκείων ἑαυτῷ ἐφρόντιζεν· οἰκεῖον γὰρ στρατηγοῦ πόλεμος καὶ εἰρήνη. ἢ διὰ τρίτην αἰτίαν, ὅτι ἑώρα τοὺς Ἀθηναίους θαμὰ περὶ τοῦ πολεμεῖν βουλευομένους ἐν τῷ καιρῷ τούτῳ, ποτὲ μὲν πρὸς Μεγαρέας, ποτὲ δὲ πρὸς Αἰγινήτας καὶ ἄλλους πολλούς. Τριχῶς δὲ ἁμαρτάνει κατὰ τὴν ἀπόκρισιν ὁ Ἀλκιβιάδης. πρῶτον μέν, ὅτι οὐ πρὸς ὁλικώτερον μέρος τοῦ συμβούλου ἤτοι τοῦ πολιτικοῦ ἀπέβλεψεν, κοινὸν ὑπάρχον τῶν εʹ προειρημένων εἰδῶν, τουτέστι τὸ συμφέρον, ἀλλὰ πρὸς τὸ δίκαιον, εἴγε, ὡς δείξομεν, ὁ πόλεμος ἀεὶ διὰ τὸ δίκαιον γίνεται. δεύτερον ὅτι καὶ πρὸς μερικὸν ἀπιδὼν οὐ προηγούμενον εἶπεν τοῦτο, ἀλλὰ περιστατικόν· ἐκ περιστάσεως γὰρ ἐρχόμεθα πρὸς τὸ πολεμεῖν. τρίτον ὅτι καὶ περιστατικὸν εἰπὼν οὐκ ἀπὸ τοῦ

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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antwortet Alkibiades: „W e n n s i e ü b e r K r i e g u n d F r i e d e n Rat suchen“671. Nun muss man wissen, dass es fünf Arten der [Themen] gibt, über die Beratung möglich ist und [über die beraten] wird, wie Aristoteles uns in der Kunst der Rhetorik lehrt,672 die parallel zueinander erfolgen. Nämlich, entweder über die Einführung der Gesetze und über die Bestimmung der Amtsträger 10 (denn schließlich ist das Gesetz wie ein lebloser Amtsträger, wie umgekehrt ein Amtsträger das lebendige Gesetz ist); oder über die Einkünfte und Ausgaben [der Polis]; oder über die Einfuhr und die Ausfuhr [der Waren]; oder über die Verteidigung der Polis und des Umlands; oder über Krieg und Frieden. Er [sc. Alkibiades] aber lässt die anderen beiseite und sagt „W e n n e s u m K r i e g u n d F r i e d e n [ g e h t ] “. Nun kann er das aus drei Gründen gemacht haben: 15 Denn entweder weil er ein kampflustiger Mensch war, der eine kampflustigeArt des Lebens führt, hat er „ü b e r K r i e g u n d F r i e d e n “ gesagt. Wenn er tatsächlich einen aristokratischen Charakter hätte,673 würde er sagen, dass es um die Einführung der Gesetze und die Bestimmung der Amtsträger geht. Wenn er 72 aber einen oligarchischen [Charakter hätte], [würde er] über die beiden folgenden [Themen reden]: Über die Einkünfte und die Ausgaben [der Polis] sowie über die Einfuhr und die Ausfuhr [der Waren] (die Oligarchen beschäftigen sich nämlich besonders mit diesen [Themen]). Wenn er dagegen einen demokratischen [Charakter hätte], würde er über das vierte [Thema] reden, das heißt, über die Verteidigung der Polis und des Umlands (denn sie stellen dieses 5 [Thema] in den Vordergrund, da sie Redefreiheit und Gleichberechtigung bei allen Handlungen besitzen). Da er ein kampflustiger Mensch ist, sagte er, dass es sich um Krieg und Frieden handelt. Entweder aus diesem Grund, oder weil er den Charakter eines Feldherrn hatte und sich in Gedanken über dazugehörenden [Themen] beschäftigte. Denn Krieg und Frieden sind die eigenen Themenbereiche eines Feldherrn. Oder es gab einen dritten Grund, nämlich, dass er sah, wie oft die Athener in diesem Zeitpunkt über die Kriegsführung Rat suchten, 10 mal gegen die Megarer, ein andermal gegen die Ägineten und gegen viele andere.674 Bei dieser Antwort, dann, begeht Alkibiades einen dreifachen Fehler. Erstens, da er den umfassenderen Teil eines Beraters und wohl auch eines Politikers übersehen hat, was die gemeinsame Eigenschaft der oben genannten fünf Arten [der Beratung]675 ist, nämlich die Nützlichkeit – stattdessen achtete er auf das 15 Gerechte, als wäre es, wie wir zeigen werden,676 dass ein Krieg immer um des Gerechten willen entsteht. Zweitens, indem er den Ausblick auf die Teile hielt, konnte er das nicht als ein Allgemeinprinzip äußern, sondern nur bezüglich der aktuellen Umstände. Denn wir ziehen in den Krieg aufgrund der aktuellen Umstände. Drittens, da auch seine Aussage sich auf die aktuellen Umstände bezog, fing er nicht mit dem überlegeneren und zur Natur passenden [Begriff]

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κρείττονος καὶ κατὰ φύσιν ὄντος ἤρξατο, τῆς εἰρήνης φημί, ἀλλ’ ἀπὸ τοῦ πολέμου, χείρονος ὄντος καὶ παρὰ φύσιν. διὸ καὶ ὁ Σωκράτης ἐπανορθούμενος αὐτὸν λέγει ἐφεξῆς ἀπὸ τοῦ κρείττονος ἀρξάμενος, ‘περὶ εἰρήνης φῂς καὶ πολέμου;’ ὅτι γὰρ παρὰ φύσιν ὁ πόλεμος δῆλον κἀκ τῶν ἡμετέρων σωμάτων. ἡνίκα μὲν γὰρ ἠρεμεῖ τὰ στοιχεῖα, ἐν τῷ κατὰ φύσιν ἐσμέν· ἡνίκα δὲ μάχηται ἀλλήλοις, πλεονάζοντος ἑκάστου, τότε ἐν τῷ παρὰ φύσιν. οὕτω μὲν τριχῶς ὁ Ἀλκιβιάδης ἁμαρτάνει. Δεικτέον δὲ καὶ ὅτι τέλος τοῦ πολέμου τὸ δίκαιον καὶ ὅτι τούτου ἐφιέμενοι πολεμοῦσιν οἱ ἄνθρωποι· δείκνυμεν δὲ τοῦτο διὰ δʹ ἐπιχειρημάτων. πρῶτον μέν, εἰ οἱ μέγιστοι | πόλεμοι διὰ τὸ δίκαιον ὁμολογοῦνται γεγενῆσθαι, οἶον ὁ Τρωϊκὸς καὶ ὁ Περσικός. δεύτερον, εἰ καὶ ὁ φυσικὸς πόλεμος διὰ τὸ δίκαιον γίνεται, ὅτε τὰ ἐναντία μάχεται ἀλλήλοις περὶ τοῦ ὑποκειμένου τόπου λάφυρον ἔχειν τοῦτο βουλομένου ἑκάστου. τρίτον, ὅτι νεκροὺς καὶ ἀνουσίους ἑαυτοὺς ἡγοῦνται οἱ ἄνθρωποι ἡνίκα ἀδικοῦνται, διὸ κινοῦσι τὸν πόλεμον. οὐ γὰρ ὥσπερ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ἑκάστη δι’ ἑνὸς μορίου μόνου πεφοίτηκε τῆς ψυχῆς (οἶον ἡ μὲν σωφροσύνη διὰ τοῦ ἐπιθυμητικοῦ, ἡ δὲ φρόνησις διὰ τοῦ λογικοῦ, ἡ δὲ ἀνδρεία διὰ τοῦ θυμικοῦ), οὕτω καὶ ἡ δικαιοσύνη· οὐκ ἔστι γὰρ , ἀλλὰ διὰ πάσης τῆς τριμερείας ἐχώρησε τῆς ψυχῆς, διὸ καὶ ὁμοτίμως ἕκαστον μόριον ἀντιποιούμενον τῆς δικαιοσύνης αἴρεται τὸν πόλεμον ὑπὲρ αὐτῆς. τέταρτον ὅτι, ὥσπερ ἄλλο μὲν τέλος στρατιώτου, ἄλλο δὲ ῥήτορος, ἄλλο δὲ στρατηγοῦ, οὕτω καὶ ἄλλο τέλος πολιτικοῦ. τῷ μὲν γὰρ στρατιώτῃ τέλος τὸ πλουσίῳ γενέσθαι ἀπὸ τῶν λαφύρων· τῷ δὲ ῥήτορι τὸ διὰ τῶν λόγων πεῖσαι πρὸ τῶν ὅπλων, ἵνα, εἰ μὴ πείσοι, τότε παρασκευάσει τὸν στρατηγὸν διὰ τῶν ὅπλων βιάσασθαι τοὺς ἐναντιουμένους ὥστε τὸ δίκαιον ποιῆσαι (οὕτω γὰρ καὶ οἱ παρ’ Ὁμήρῳ ῥήτορες, Ὀδυσσεὺς καὶ Μενέλαος, πρὸ τῆς μάχης πεποίηνται πρεσβευόμενοι πρὸς τοὺς Τρῶας)· στρατηγοῦ δὲ τέλος ἡ νίκη καὶ τὸ τῶν πολεμίων κρατῆσαι. καὶ οὐχ ἁπλῶς ἑνὸς ἑκάστου τὸ τῆς νίκης ἐστίν· εἰ γὰρ τοῦ κοινοῦ παντὸς ἡ νίκη, ἡγεμὼν δὲ τοῦ κοινοῦ ὁ στρατηγός, δῆλον ὅτι καὶ τὸ τοῦ κοινοῦ κατόρθωμα εἰς τοῦτον ὁρᾷ, τουτέστιν ἡ νίκη. διὸ καλῶς εἴρηται·

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an, ich meine mit dem Frieden, sondern mit dem Krieg, der niedriger und gegen 20 die Natur gerichtet ist. Genau deswegen sagt Sokrates, um ihn zu korrigieren, indem er mit dem überlegeneren [Begriff] anfängt: „Meinst du über Frieden und Krieg?“677. Dass der Krieg gegen die Natur ist, wird auch auf unseren Körpern deutlich. Denn, wann immer sich die Elemente [des Körpers] ruhen, sind wir in einem natürlichen [Zustand]. Wann immer aber sie miteinander kämpfen, indem jedes [Element] seine Grenzen überschreitet, dann [sind wir] in einem 25 unnatürlichen [Zustand]. Auf diese Weise dann macht Alkibiades einen dreifachen Fehler. Es muss noch aufgezeigt werden, dass das Ziel des Krieges das Gerechte ist und die Menschen Kriege führen, um dieses [Ziel] zu erreichen. Nun zeigen wir das durch vier erweiterte Argumente678: Erstens, weil es über die größten Kriege 73 allgemein gesagt wird, dass sie aufgrund des Gerechten entstanden sind, wie der Trojanische Krieg und der Persische Krieg. Zweitens, weil auch der natürliche Krieg aufgrund des Gerechten entsteht, wenn die Gegensätze um ihnen zugrundeliegenden Ort wetteifern, indem jedes ihn zu ihrer eigenen Kriegsbeute machen will.679 Drittens, weil die Menschen, wann immer sie unrecht 5 erleiden, sich selbst wie Tote und wie Wesenlose betrachten und daher einen Krieg verursachen. Denn [die Gerechtigkeit] ist nicht so, wie die anderen Tugenden, von denen jede einzelne nur einem Teil der Seele zukommt (wie die Besonnenheit zu dem begehrenden [Seelenteil], die Weisheit zu dem vernunftbegabten und die Tapferkeit zu dem affektvollen [Seelenteil gehört]680), so gehört sie [sc. die Gerechtigkeit] nicht nur einem Teil, sondern erstreckt sich auf 10 alle drei Teile der Seele, weshalb jeder einzelne Teil gleichermaßen für die Gerechtigkeit streitet und sich für einen Krieg um ihretwillen entscheidet. Viertens, weil, wie ein Soldat ein Ziel hat, ein Redner aber ein anderes, ein Feldherr wiederum ein anderes, so auch das Ziel eines Politikers anders ist.681 Denn das Ziel eines Soldaten ist es, durch die Kriegsbeute reich zu werden; [das Ziel] des Redners ist es, durch die Worte zu überzeugen bevor [das] durch die 15 Waffen [gemacht wird], damit er – wenn er nicht überzeugen kann – den Feldherrn darauf vorbereitet, die Gegner durch die Waffen zu überwältigen, damit das Gerechte geschaffen wird (So wurden auch die Redner bei Homer, Odysseus und Menelaos, als Gesandte zu den Trojanern geschickt, bevor der Krieg geführt wurde682). Das Ziel des Feldherrn ist aber der Sieg und die Feinde 20 zu bezwingen. Ferner ist das [Ziel] eines jeden von diesen nicht einfach der Sieg: Denn, wenn der Sieg der ganzen Gemeinschaft gehört und der Feldherr der Anführer der Gemeinschaft ist, wird es darauffolgend deutlich, dass auch der Erfolg der Gemeinschaft, das heißt der Sieg, von ihm abhängig ist. Deswegen wurde zutreffend gesagt:

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‘ἀλλ’ ὁ στρατηγὸς τὴν δόκησιν ἄρνυται’.

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τοῦ δὲ πολιτικοῦ τέλος τὸ ἀγαθοὺς καὶ χρηστοὺς | ποιῆσαι τοὺς πολίτας αὐτοῦ, οὐ γὰρ τὸ νικῆσαι (πολλαὶ γάρ εἰσι Κ α δ μ ε ῖ α ι ν ῖ κ α ι , πολλοῖς ἧτται συνήνεγκαν)· ποιεῖ οὖν αὐτοὺς ἀγαθοὺς διὰ τὸ τοὺς πολεμίους ἀδικοῦντας ἀπείργειν καὶ ἀποδιδόναι τοῖς μὲν νικήσασι τὸ δίκαιον καὶ τὸ μὴ ἀποστερηθῆναι τῶν οἰκείων, τοῖς δὲ ἡττηθεῖσι τὸ μὴ τῶν ἀλλοτρίων κρατεῖν· δίκαιον γὰρ καὶ τοῦτο. ὥστε δέδεικται τέλος ὂν τοῦ πολέμου τὸ δίκαιον. καὶ ταῦτα μὲν ἔξωθεν. Ὁ δὲ Σωκράτης δείκνυσι τὸν νέον μηδὲ περὶ τούτων ἀξιόχρεων ὄντα σύμβουλον διὰ τῶν αὐτῶν λόγων ὧν καὶ πρότερον. οὐ γὰρ δέος μὴ κατατριβῶσιν οἱ λόγοι δίκην τῶν παλαιῶν σκευαρίων τῶν ἐν πολλῇ χρήσει παραλαμβανομένων. δείκνυται δὲ μήτε περὶ πολέμου καὶ εἰρήνης ἀγαθὸς ὢν σύμβουλος ὁ Ἀλκιβιάδης, ἐπειδὴ οὔτε ἔμαθεν οὔτε ηὗρεν οὔτε ἐζήτησεν τὸ δίκαιον, ὅπερ τέλος τοῦ πολέμου. πρὸς δὲ τοῦτο παραλαμβάνει ὁ Σωκράτης δύο παραδείγματα, τὸ τῆς γυμναστικῆς καὶ τὸ τῆς μουσικῆς, οἰκεῖα ὄντα καὶ σαφῆ. δεῖ γὰρ τὰ παραδείγματα καὶ σαφέστερα εἶναι ὧν εἰσὶν παραδείγματα καὶ οἰκεῖα τούτοις. οἷάπερ εἰσὶ καὶ τὰ παρόντα· σαφῆ μέν, ἐπειδὴ ταῦτα προεπεπαίδευτο ὁ Ἀλκιβιάδης, οἰκεῖα δέ, ἐπειδὴ καὶ ἡ πάλη μικρός τίς ἐστι πόλεμος, ἡ δὲ μουσικὴ καὶ αὕτη οἰκεία τῇ εἰρήνῃ διὰ τὸ ἐν ἀμφοτέραις θυμηδίαν εἶναι. ἐν δὲ τούτοις οὔτε ἄμφω διδάσκει ὁ Σωκράτης (οὐ γὰρ ἐβούλετο διδάσκαλος μόνον εἶναι, ἀλλὰ καὶ μαιευτής) οὔτε ἄμφω ἐρωτᾷ (ἄγονος γὰρ ἔμελλεν εἶναι ἡ μαιεία μηδὲν προδιδαχθέντος τοῦ νέου)· τὰ μὲν οὖν διδάσκει, τὰ δὲ ἐρωτᾷ. καὶ προτάττει τὴν διδασκαλίαν τῆς ἐρωτήσεως, οὐχ | ἁπλῶς, ἀλλ’ ἵνα γόνιμος ἐντεῦθεν ἔσεται ἡ μαιεία. καὶ διδάσκει μὲν ἕν, ἐρωτᾷ δὲ δύο (ἐπάγει γὰρ τρία, καὶ τί τέλος τοῦ πολιτικοῦ)· οὐ μάτην δὲ δύο ἐρωτᾷ, ἀλλ’ ἵνα πλουσιωτέρα τῆς διδασκαλίας ἡ μαιεία γένηται. διδάσκει οὖν τὸ πρῶτον λέγων ὅτι ‘καθάπερ ἐγὼ τὸ κατὰ τὴν γυμναστικὴν ὀρθῶς ἔχον ἤτοι τὸ τέλος τῆς γυμναστικῆς λέγω εἶναι τὸ γυμναστικῶς, οὕτω καὶ σὺ λέγε μοι τί τὸ τέλος τῆς μουσικῆς’· καὶ μετὰ πολλὰ ἀποκρίνεται ὁ νέος ὅτι ‘τὸ μουσικῶς’. ἰστέον δὲ ὅτι τριττόν ἐστι τὸ μουσικῶς, ἢ γὰρ ἐν ᾠδῇ ἢ ἐν ῥυθμῷ ἢ

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„D e r F e l d h e r r t r ä g t a l l e i n d e n R u h m d a v o n “.683

Dagegen ist das Ziel des Politikers, seine Bürger zu guten und nützlichen 74 Menschen zu machen,684 nicht etwa einen Sieg zu erringen (denn es gibt viele K a d m e i s c h e S i e g e 685 und vielen sind Niederlagen zugestoßen). Er macht sie nun zu guten Menschen, indem er die Feinde, die ungerecht handeln, abhält und die Rechte einteilt: einerseits den Siegern, dass ihre Besitztümer nicht 5 entzogen werden; andererseits den Besiegten, dass sie nicht über den Besitz herrschen, der den anderen gehört. Denn auch das ist gerecht. Somit wurde aufgezeigt, dass das Ziel des Krieges das Gerechte ist. Und diese [Themen waren] von außerhalb [des Texts]. Sokrates zeigt dem Jüngling, durch seine eigenen Worte, die er vorher [äußerte],686 dass er als Berater über diese [Themen] nicht zu gebrauchen ist. Denn man muss es nicht fürchten, dass die Worte abgenutzt werden wie alte 10 Kleidungstücke, die für einen langzeitigen Gebrauch [von einem Besitzer zum anderen] überliefert werden.687 Nun demonstriert er, dass Alkibiades über Krieg und Frieden kein guter Berater ist, da er das Gerechte, was das Ziel des Krieges ist, weder gelernt noch gefunden, noch untersucht hat. Zu diesem Zweck benutzt Sokrates zwei Beispiele – die Gymnastik und die Musik – die [für 15 Alkibiades] bekannt und verständlich sind.688 Denn die Beispiele sollen verständlicher sein als die Dinge, für die sie Beispiele sind, und [sie sollen] für diese bekannt sein. Und solche sind auch diese vorliegenden [Beispiele]. Zum einen sind sie verständlich, weil Alkibiades schon in diesen [Themen] gebildet wurde; zum anderen sind sie bekannt, da der Ringkampf eine Art kleiner Krieg ist, die Musik aber wohl selbst relevant zum Frieden, da sich in diesen beiden [Bereichen] etwas Angenehmes befindet. Was diese [Fächer] angeht, weder 20 lehrt Sokrates die beiden (denn er wollte nicht nur ein Lehrer sein, sondern eine Hebamme) noch fragt er nach diesen beiden (denn wäre die Geburtshilfe fruchtlos, wenn der Jüngling vorher nichts gelernt hätte689). Einige [Sachen] lehrt [Sokrates], andere fragt er. Und er setzt die Lehre vor der Befragung, nicht unbegründet, sondern damit [seine] Geburtshilfe von diesem [Anfang] her 75 fruchtbar sein kann. Er lehrt zwar auch ein [Thema], fragt dennoch nach zwei [anderen] (denn er fügt eine dritte [Frage] hinzu, nämlich, was das Ziel eines Politikers ist). Nicht vergeblich fragt er bei zwei [Themen] nach, sondern damit die Geburtshilfe fruchtbarer wird als die Belehrung.690 Er lehrt nun das Erste, indem er sagt: „Genau wie ich nach Regeln der Gymnastik das Sachgerechte, 5 oder das Ziel der Gymnastik als die gymnastische [Leistung] bezeichne, kannst du auch mir sagen, was das Ziel der Musik ist?“691. Und nach langer Überlegung antwortet der Jüngling: „Die musische [Leistung]“. Nun muss man wissen, dass die musische [Leistung] drei Teile hat, nämlich, der Gesang, der Rhythmus und

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ἐν μέλει. θεωρεῖται δὲ ἡ μὲν ᾠδὴ ἐν μέτρῳ· οὐδὲν γάρ ἐστιν ᾠδὴ ἢ λόγος ἔμμετρος καὶ τέλος αὐτῆς ἢ τὸ ᾠδικῶς ἢ τὸ ἐμμέτρως. πάλιν δὲ ὁ ῥυθμὸς θεωρεῖται ἐν ἄρσει καὶ θέσει καὶ τέλος αὐτοῦ τὸ ἐνρύθμως τὸ δὲ μέλος ἐστὶν ἐν ἁρμονίᾳ, τέλος δὲ αὐτοῦ ἢ τὸ ἐμμελῶς ἢ τὸ ἁρμονικῶς. πάλιν δὲ ἐρωτᾷ τί τέλος τοῦ πολιτικοῦ, καὶ ὁμοίως μετὰ πολλὰ ἀποκρίνεται ὅτι ‘τὸ δίκαιον’. Καὶ ἀπορεῖ ὁ φιλόσοφος Πρόκλος ἐνταῦθα, πῶς ἐπὶ μὲν τῶν ἄλλων παρωνύμως ἔλεγεν τὰ τέλη, ἀπὸ μὲν τῆς γυμναστικῆς τὸ γυμναστικῶς, ἀπὸ δὲ τῆς μουσικῆς τὸ μουσικῶς, ἐπὶ δὲ τοῦ πολιτικοῦ οὐχ οὕτως πεποίηκεν· οὐ γὰρ εἶπεν τέλος αὐτοῦ τὸ πολιτικῶς. καὶ λύει τοῦτο ὁ αὐτὸς παγκάλως λέγων ὅτι καὶ ἐνταῦθα παρωνύμως εἶπεν, τάχα δὲ οὐ παρωνύμως, ἀλλ’ ὡς τὰ ἀφ’ ἑνός· ἐν δὲ τοῖς ἀφ’ ἑνὸς οὐ χρεία κοινωνίας ὀνομάτων καὶ διαφορᾶς, ἀλλὰ μόνον πράγματος καὶ διαφορᾶς. οὐ διαφέρει δὲ δικαιοσύνη πολιτείας ἢ τῷ μικρῷ καὶ μεγάλῳ· ὃ γὰρ δικαιοσύνη ἐν ψυχῇ, τοῦτο πολιτεία ἐν πόλει. διὸ καὶ ὁ Πλάτων τὴν Πολιτείαν ἐπέγραψεν ‘ Π ο λ ι τ ε ί α ἢ π ε ρ ὶ δ ι κ α ί ο υ ’ . Ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

107C Ὅταν οὖν περὶ τίνος σκοπῶνται καὶ τὰ ἑξῆς: ἐπειδὴ διὰ τῶν φθασάντων ἐδείχθη ὁ νέος ἐν οὐδενὶ σκέλει τῆς εἰρημένης διαιρέσεως ἀξιόχρεως ὢν σύμβουλος, ἐρωτᾷ νῦν αὐτὸν ὁ Σωκράτης, ‘ἐν ποίοις οὖν αὐτὸς ἀναστήσῃ συμβουλεύσων, εἴγε ἐν τοῖς προλαβοῦσιν οὐ φῂς συμβουλεύσειν;’ ὁ δὲ ὡς εὐφυὴς οὔτε ἀπὸ τῆς διαιρέσεως ἀποκρίνεται, εἰδὼς αὐτὴν ἄφυκτον οὖσαν οὔτε δὲ ἀπορεῖ ἀποκρίσεως, ἀλλά φησιν ἔξωθεν ἀπροσδιορίστως· ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ τ ῶ ν ἑ α υ τ ῶ ν π ρ α γ μ ά των’. Τῶν περὶ ναυπηγίας λέγεις: τοῦ νέου ἀπροσδιορίστως χρησαμένου τῇ ἀποκρίσει ὁ Σωκράτης ἐρωτᾷ ταῦτα. καὶ καλῶς ἐχρήσατο τῷ παραδείγματι· οὐ γὰρ ἀπρόσφορον, εἴγε δυνατὸν ἔστιν ὅτε τῷ πολιτικῷ περὶ νεῶν κατασκευῆς συμβουλεύειν, εἰ καὶ μὴ αὐτὸς ναυπηγεῖ. ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης ἀρνεῖται λέγων ‘οὐκ ἔγωγε, ὦ Σώκρατες’. καὶ ἰστέον ὅτι οὐ

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die Melodie.692 Der Gesang wird, dann, entsprechend dem Metrum untersucht. Denn der Gesang ist nichts anderes als das Wort im Metrum und sein Ziel ist entweder die gesangliche oder die metrische [Leistung]. Erneut wird der Rhythmus nach Arsis und Thesis693 untersucht und sein Ziel ist die rhythmische [Leistung]; die Melodie aber liegt in der Harmonie, ihr Ziel ist die melodische oder die harmonische [Leistung]. Nochmal fragt er [sc. Sokrates], was das Ziel des Politikers ist und er [sc. Alkibiades] antwortet, ebenfalls nach vielen Überlegungen: „das Gerechte“. Hier rätselt hier der Philosoph Proklos, warum er [sc. Alkibiades] über die anderen ein paronymisches Ziel nannte, – wie für die Gymnastik die gymnastische [Leistung], für die Musik dann die musische [Leistung]694 – über [das Ziel] des Politikers dagegen nicht so gemacht hat. Denn er sagte nicht, dass sein Ziel die politische [Leistung] ist. Doch er [sc. Proklos] selbst bietet eine wunderschöne Lösung dafür, indem er sagt, dass er auch hier ein paronymisches Wort nannte: Zwar nicht unmittelbar paronymisch, sondern wie aus einem [bestimmten Sinn].695 In diesen Fällen, [die] aus einem Sinn [hergeleitet werden], ist die Ähnlichkeit oder der Unterschied der Wörter nicht wichtig, sondern nur [die Ähnlichkeit oder] der Unterschied der Angelegenheit [die sie ausdrücken]. In der Tat gibt es keinen Unterschied zwischen der Gerechtigkeit und der Staatsverfassung, weder einen kleinen noch einen großen [Unterschied]. Denn, was die Gerechtigkeit in der Seele ist, ist die Verfassung in der Polis. Aus diesem Grund betitelte Platon die Politeia „D i e S t a a t s v e r f a s s u n g o d e r ü b e r d i e G e r e c h t i g k e i t “696. Das hat die Theorie

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107C Wenn nun sie über welches Thema Rat suchen und Folgendes: 76 Nachdem durch die vorherigen Aussagen gezeigt wurde, dass der Jüngling in keinem Glied der genannten Aufteilung ein beachtenswerter Berater ist, fragt Sokrates ihn nun: „In welchen [Themen] wirst du dich dann erheben, um sie zu beraten – wenn du sagst, dass du nicht in diesen vorher genannten [Themen] beraten wirst?“. Darauf gibt er, dank seiner natürlichen Begabung, keine 5 Antwort aus dieser Aufteilung (da er sieht, dass es unvermeidlich ist), dennoch ist er nicht ratlos um eine Antwort, sondern gibt [eine Antwort] vom außerhalb [dieser Aufteilung] ohne deutliche Bestimmung: „W e n n s i e ü b e r i h r e e i g e n e n A n g e l e g e n h e i t e n [ b e r a t s c h l a g e n ] “. Meinst du, es handelt sich um das Schiffsbauwesen? Nachdem der Jüngling auf die Frage von Sokrates eine Antwort ohne deutliche Bestimmung gegeben hat, stellt Sokrates diese Frage. Hier wählt er auch ein gutes Beispiel 10 aus: Denn es ist nicht ganz unangemessen, wenn ein Politiker dazu fähig ist, über das Schiffsbauwesen zu beraten, auch wenn er nicht selber Schiffe baut. Alkibiades aber lehnt das ab, indem er sagt: „Auf keinen Fall, Sokrates!“. Man

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διὰ τὸ εὐτελὲς τοῦ παραδείγματός φησιν μὴ συμβουλεύειν περὶ τούτου, ἀλλὰ διὰ τὸ ἀγνοεῖν. ἤδη γὰρ ὠφέλητο παρὰ τοῦ Σωκράτους ὅτι εἰδότος περὶ ἕκαστον ἡ συμβουλή, καὶ οὐ πλουτοῦντ ο ς . ὅτι δὲ τοῦτο αἴτιον, δῆλον καὶ ἐκ τῶν ἐπαγομένων· τοῦ γὰρ Σωκράτους ἐρωτήσαντος, ‘ἆρα ἐπειδὴ σὺ ναυπηγεῖν οὐκ ἐπίστασαι;’ ὁ νέος συνέθετο.

107D Ὅταν περὶ πολέμου, ὦ Σώκρατες, ἢ περὶ εἰρήνης ἢ ἄλλου του τῶν τῆς πόλεως πραγμάτων: ἰδοὺ ὁ Ἀλκιβιάδης οὐ μόνον περὶ πολέμου φησὶν συμβουλεύσειν, ἀλλὰ καὶ περὶ τῶν ἄλλων τεσσάρων συζυγιῶν· ταύτας γὰρ εἰσάγει διὰ τοῦ εἰπεῖν ‘ ἢ ἄ λ λ ο υ τ ο υ ’ . καὶ ζητητέον διὰ τί | ἐπὶ μὲν τῶν ἄλλων ἀνωνύμως εἶπεν, ἐπὶ δὲ τοῦ πολέμου οὐ μόνον ὀνομαστί, ἀλλὰ καὶ ἐν ἀρχῇ εὐθέως τοῦ λόγου αὐτὸν ἔταξεν. ἤ φαμεν ὅτι καθ’ ἣν ζωὴν ζῶμεν, κατὰ ταύτην καὶ τὰ πρῶτα ῥήματα φθεγγόμεθα· δηλοῦται γὰρ διὰ τῶν πρώτων ἡμῶν φωνῶν, ποῖος ὁ βίος ἡμῶν καὶ τίσιν ἡδόμεθα. ἐπειδὴ οὖν στρατηγικὸς καὶ ἀήττητος ὡμολόγηται γενέσθαι, οὕτω προήγαγε τὸν λόγον. ἱστορεῖται γὰρ ὅτι ἔνθα ἂν ἔρρεψεν ἐνίκα, καὶ πολλὴν ἐποίει ῥοπήν. ὥστε εἰκότως περὶ τῶν οἰκειοτέρων αὐτῷ καὶ ὅπου μάλιστα ἴσχυεν ἀπεκρίνατο. Ἆρα λέγεις ὅταν βουλεύωνται πρὸς τίνας χρὴ εἰρήνην ποιεῖσθαι καὶ τίσιν πολεμεῖν καὶ τίνα τρόπον; ἰστέον ὅτι ἐπανορθούμενος τὸν νέον ὁ Σωκράτης, ὡς προείρηται, τὸ κατὰ φύσιν προέταξεν εἰπὼν ‘ π ρ ὸ ς τ ί ν α ς χ ρ ὴ ε ἰ ρ ή ν η ν π ο ι ε ῖ σ θ α ι ’ . παραλαμβάνει δὲ ἐνταῦθα πάντα τὰ περιστατικά, οἶον πρόσωπον, πρὸς τίνας δεῖ πολεμεῖν, ὁμόρους ἢ ξένους· τίνα τρόπον, ναυμαχοῦντας ἢ πεζομαχοῦντας· ἐν ποίᾳ γῇ, τῇ ἡμετέρᾳ ἢ τῶν πολεμίων· ἐν ποίῳ χρόνῳ, θέρους χειμῶνος· καιρῷ, νύκτωρ μεθ’ ἡμέραν.

107E Εἰ οὖν βουλεύοιντο Ἀθηναῖοι τίσιν χρὴ προσπαλαίειν ἢ τίσιν ἀκροχειρίζεσθαι: ἐντεῦθεν ἄρχεται τῶν παραδειγμάτων ὁ Σωκράτης καὶ παραλαμβάνει πάλιν καὶ ἐνταῦθα πάντα τὰ περιστατικά. ἰστέον δὲ ὅτι ἐοίκασι τὰ παραδείγματα τοῦ Σωκράτους σπινθῆρι· ὥσπερ γὰρ ὁ σπινθὴρ ἐν θημωνιᾷ ἀχύρων ἐμπεσὼν μεγάλην ἐγείρει πυρκαϊάν, οὕτω

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muss nun wissen, dass er sagt, er würde nicht darüber beraten, nicht deswegen, weil dieses Beispiel wertlos ist, sondern weil er darüber nichts weiß. Denn er 15 hatte dazu bereits eine Hilfe von Sokrates, [in der Aussage,] dass z u j e d e m [Thema] Rat zu erteilen demjenigen gehört, der über das W i s s e n v e r f ü g t , n i c h t d e m j e n i g e n , d e r r e i c h i s t .697 Dass diese [sc. die Unwissenheit] der Grund [für die Antwort von Alkibiades] ist, wird aus den folgenden [Aussagen] klar: Denn als Sokrates fragte: „Ist es etwa deswegen, weil du über den Schiffsbau kein fundiertes Wissen hast?“, stimmte der Jüngling zu. 107D Wenn es um Krieg geht, Sokrates, oder um Frieden oder um 20 irgendeine andere von den Angelegenheiten der Polis: Siehe, dass Alkibiades sagt, dass er nicht nur über den Krieg beraten wird, sondern auch über die anderen vier damit verbundenen [Themen].698 Denn er fügt diese hinzu, als er sagt: „o d e r u m i r g e n d e i n e a n d e r e “. Nun soll es untersucht 77 werden, warum er die anderen [Themen] ohne ihren Namen erwähnt, den Krieg aber nicht nur namentlich [erwähnt], sondern auch direkt zum Anfang seiner Aussage gestellt hat. Dazu sagen wir, dass unsere ersten Worte sich nach dem [Prinzip] richten, nach dem wir unser Leben führen. Denn es wird durch unsere ersten Worte verraten, welche Art des Lebens uns gehört und woran wir Freude 5 haben. Da nun allgemein bekannt ist, dass er [sc. Alkibiades] ein unbesiegter Feldherr gewesen ist, hat er seine Rede auf diese Weise vorgestellt. Denn man erzählt, dass er gewann, wo auch immer er [in der Schlacht] Einfluss hatte – und er hatte einen großen Einfluss.699 Daher ist es verständlich, dass er hier eine Antwort gegeben hat, die für ihn bekanntere Themen700 beinhaltet, in denen seine Stärke besonders lag. Meinst du etwa, wenn sie darüber beraten, mit wem sie Frieden schließen und mit wem sie Krieg führen sollen und auf welche Art 10 und Weise? Man muss wissen, dass Sokrates, um den Jüngling zu korrigieren, – wie vorher erwähnt wurde – das voranstellt, was der Natur gemäß ist, und sagt: „M i t w e m s i e F r i e d e n s c h l i e ß e n s o l l e n “701. Er nimmt hier auch alle [dazu gehörende] Zusammenhänge auf, wie den Charakter [des Feindes], gegen den man Krieg führen soll: ob sie Grenznachbarn oder Fremde sind. Auf welche Art und Weise: Seeschlacht oder Kampf zu Fuß. In welchem Ort: in 15 unserem Land oder in dem des Feindes. Zu welcher Zeit: im Sommer oder im Winter. Der richtige Zeitpunkt: in der Nacht oder am Tag). 107E Nun, wenn die Athener darüber beraten würden, mit wem sie im Nahkampf und mit wem sie auf Distanz ringen sollen: Ab hier fängt Sokrates an, Beispiele zu geben und nimmt erneut auch hier alle [zu dem Thema gehörende] Zusammenhänge auf. Man muss das wissen, dass die Beispiele von 20 Sokrates ähnlich wie ein Funke sind: Wie ein kleiner Funke ein großes Feuer

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C. Text und Übersetzung

καὶ ἐκ τῶν παραδειγμάτων τοῦ Σωκράτους ἐκλάμπουσιν οἱ καθόλου λόγοι τῆς ψυχῆς. 108B Σὺ δ’ ἐκεῖνο τί καλεῖς; Οὐκ ἐννοῶ: διδάξας ὁ Σωκράτης τί τέλος τῆς γυμναστικῆς, μαιεύεται τὸν νέον εἰπεῖν τί τέλος τῆς μουσικῆς· ὁ δέ φησιν ἀπορεῖν. καὶ ζητητέον, | πῶς εὐφυὴς ὢν ὁ Ἀλκιβιάδης οὔτε μαιευόμενος λέγει τὸ ἐρωτώμενον. πρὸς τοῦτο δὲ οἱ μέν φασιν· ἐπειδὴ καὶ κοινὸν ἦν τέλος τῆς μουσικῆς, τὸ μουσικῶς, ἦν δὲ καὶ τοῦ κατ’ εἶδος, οἶον τῆς μὲν ᾠδῆς τὸ ᾠδικὸν τὸ ἔμμετρον, τοῦ δὲ ῥυθμοῦ τὸ ῥυθμικὸν ἢ τὸ ἁρμονικόν, τοῦ δὲ μέλους τὸ ἐμμελές, ἠπόρει πότερον τὸ κοινὸν ἀπαιτεῖται τέλος ἢ τὸ κατ’ εἶδος ἕκαστον, καὶ διὰ τοῦτο εἶπεν ‘ ο ὐ κ ἐ ν ν ο ῶ ’ . ἀλλ’ αὕτη ἡ ἐξήγησις οὐ συνᾴδει τῷ ῥητῷ· μικρὸν γὰρ ὕστερον ἐπὶ λέξεως ἁπάσης τῆς μουσικῆς ἐρωτώμενος τὸ τέλος οὐδ’ οὕτω λέγει. ἔστιν οὖν ἡ ἀληθινὴ λύσις ὅτι ὁ μὲν Σωκράτης τὰ τρία εἴδη ὡς ἓν εἰδὼς ὡς ἓν καὶ ἠρώτησε τὸν νέον, ὁ δὲ τὰ τρία μαθὼν ὡς τρία ἠπόρει ποῖον ἀποκρίνεται, ἆρα τὸ ᾠδικὸν ἢ τὸ ἐμμελὲς ἢ τὸ ἔρρυθμον. ὅτι γὰρ ὡς ἓν ὁ Σωκράτης ᾔδει τὰ τρία δῆλον ἐντεῦθεν, ἐκ τοῦ πολιτικὸν αὐτὸν εἶναι· ὁ δὲ πολιτικὸς βουλομένῳ τινὶ τυχὸν ἀνδρεῖα ἤθη μαθεῖν πρῶτον ἐντίθησιν αὐτῷ τοιαύτας ἐννοίας, εἶτα καὶ λέξεις αὐταῖς ἐπιτηδείας ἐφευρίσκει καὶ μέτρον (ἡ γὰρ ᾠδὴ λόγος ἔμμετρος), τελευταῖον δὲ καὶ μέλη ἐπάγει τοιαῦτα, ἐξ ὧν ἁπάντων ἀνδρεῖα ἤθη παρασκευάζει. Ὀρθῶς δὲ δήπου ἔχει τὸ κατὰ τὴν τέχνην γινόμενον: ἰστέον ὅτι οὐ τὸ τίμιον ὑποκείμενον ὀρθῶς ἔχειν ποιεῖ. οὐ γὰρ ταὐτὸν κάλλιστον καὶ τὸ κατὰ τέχνην γινόμενον· κἂν γὰρ αἰσχρὸν ᾖ τὸ ὑποκείμενον, κατὰ δὲ τέχνην γίνεται, ὀρθῶς ἔχει. οἶον οὐχ ὁ κάλλιστον γράφων τὸν Θερσίτην, οὗτος κατὰ τέχνην γράφει αὐτόν, οὐδ’ ὁ τὸν ὀφθαλμὸν ἀπὸ τοῦ τιμιωτάτου τῶν χρωμάτων, οἶον τοῦ κυανοῦ· ἀλλὰ τότε ἐστὶν εἰπεῖν ταῦτα ὀρθῶς ἔχειν, ὅτε κατὰ τέχνην γράφει τις τὸν Θερσίτην, κἂν αἰσχρὸς ᾖ, καὶ ἐκ τῶν προσφόρων χρωμάτων τὸν ὀφθαλμόν, εἰ καὶ μὴ ἐκ τοῦ τιμίου.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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verursacht, wenn es in einen Streuhaufen fällt; so lassen die Beispiele von Sokrates die universellen Prinzipien der Seele702 ans Licht kommen. 108B [Sokrates:] Wie bezeichnest du das? [Alkibiades:] Ich verstehe es nicht: Nachdem Sokrates das Ziel der Gymnastik gelehrt hat, leistet er dem 25 Jungen Geburtshilfe, damit er das Ziel der Musikkunst sagen kann. Er dagegen sagt, dass er unsicher ist. Auch das muss untersucht werden, warum Alkibiades, 78 als ein von Natur aus begabter Mensch, auch nicht durch die Geburtshilfe in der Lage war, die Frage zu beantworten. Nun sagen einige darauf: Da das Ziel der Musikkunst ein universeller Begriff ist, das heißt die musische [Leistung] – das ist auch bei den spezifischen [Künsten] so, zum Beispiel [das Ziel] des Gesanges [ist] das Gesangliche und das Metrische; das [Ziel] des Rhythmus [ist] aber das 5 Rhythmische und das Harmonische; das [Ziel] der Melodie [ist] das Melodische –, war Alkibiades sich nicht sicher, ob [Sokrates] nach dem Ziel als universellem Begriff oder dem von jeder einzelnen Art gefragt hat, und sagte aus dem Grund „ i c h v e r s t e h e e s n i c h t “ . Allerdings ist diese Interpretation nicht in Übereinstimmung mit dem Gesagten [im Dialog]. Denn kurz darauf, als er [sc. Alkibiades] nach dem Begriff für das Ziel der gesamten Musikkunst gefragt wird, sagt er nicht das Gleiche.703 Daher ist die richtige Lösung, dass Sokrates die drei Arten [der Musik] als eine einzelne Art verstand und den 10 Jüngling auch nach solcher gefragt hat; er [Alkibiades] dagegen, da er drei [Arten] als drei unterschiedliche [Sachen] gelernt hat, nicht wusste, wie er antworten soll, [nämlich] ob es das Gesangliche, das Melodische oder das Rhythmische ist. Denn, dass Sokrates die drei [Arten] wie eine Einheit dachte, wird daraus deutlich, dass er ein Politiker war.704 Wenn ein Politiker jemandem trifft, der eine tapfere Verhaltensweise erlernen möchte, prägt er ihm zuerst solche Konzepte [der Tapferkeit] ein, und danach findet er daraus zu diesen 15 passende Wörter und Meter (denn Gesang ist das Wort in Meter); schließlich fügt er eine passende Melodie hinzu: Aus allen diesen stellt er die tapfere Verhaltensweise bereit. Wahrscheinlich ist das Sachgerechte, was nach [den Regeln] des Fachwissens zustande kommt: Man muss wissen, dass [Sokrates] das Sachgerechte nicht als das hochgeschätzte Thema definiert. Denn, was gemäß dem Fachwissen geschieht, ist nicht das Gleiche mit dem Schönsten. Auch wenn 20 ein Thema niedrig ist, aber gemäß dem Fachwissen geschieht, ist es richtig. Beispielsweise, wer ein [Bild von] Thersites malt, [malt] ihn nicht als den Schönsten705, sondern malt ihn gemäß dem Fachwissen; noch [malt jemand] sein Auge mit der teuersten Farbe, wie das Blau.706 Auch in diesem Fall muss man sagen, dass sie es richtig machen, da einer Thersites gemäß dem Fachwissen malt – auch wenn er hässlich ist – und mit den passenden Farben das Auge, 25 wobei nicht mit den teuren.

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C. Text und Übersetzung

108C Ἴθι δὴ καὶ σύ: πολὺ τὸ ‘ ἴ θ ι ’ ἐστὶν εὑρεῖν παρὰ τῷ Πλάτωνι, οἰκεῖον δὲ τοῦτο ψυχῇ μεταβατικῶς νοούσῃ τὰ πράγ|ματα καὶ οὐκ ἀθρόως καθάπερ ὁ νοῦς. ἐπάγει δὲ τὸ ‘πρέποι γὰρ ἄν που καὶ σοὶ τὸ καλῶς διαλέγεσθαι’, τουτέστι ‘καλῷ ὄντι σοι πρέπει τὸ καλῶς περὶ τῶν πραγμάτων ἐρεῖν’. Τίς ἡ τέχνη ἧς τὸ κιθαρίζειν καὶ τὸ ᾄδειν καὶ τὸ ἐμβαίνειν ὀρθῶς; συνάπασα τίς καλεῖται; ἰδοὺ ἐνταῦθα κοινῶς τῶν τριῶν εἰδῶν ἐρωτώμενος εἰπεῖν τὸ τέλος οὐ λέγει. τὸ μὲν οὖν κιθαρίζειν ἐπὶ τοῦ μέλους εἶπεν, τὸ δὲ ᾄδειν ἐπὶ τῆς ᾠδῆς, τὸ δὲ ἐμβαίνειν ἐπὶ τοῦ ῥυθμοῦ· κοινὸν γὰρ ὄνομα ἡ βάσις ἄρσεως καὶ θέσεως, ἅπερ εἰσὶ τοῦ ῥυθμοῦ. πῶς οὖν οὔτε ὅλης τῆς μουσικῆς δύναται τὸ τέλος εἰπεῖν; ἢ τοῦτο λυτέον κατὰ τὴν εἰρημένην δευτέραν ἐξήγησιν. ἰστέον δὲ ὅτι τὸ ὅλον παρὰ τῷ Πλάτωνι τριττόν ἐστιν, ἢ πρὸ τῶν μερῶν ἢ ἐν τῷ μέρει ἢ ἐν τοῖς μέρεσι. καὶ πρὸ μὲν τῶν μερῶν ἐστὶν ᾧ λόγῳ τις ἀποβαλὼν ὀδόντα πάλιν φύει ἕτερον, ὡς τῆς φύσεως ἐχούσης τοὺς λόγους τοῦ καθόλου· ἐν δὲ τῷ μέρει ἐστίν, ὡς ὅταν τις ἀπὸ μέρους γνῷ τὸ ὅλον, ὥσπερ οἱ Πελοπίδαι ἀπὸ τοῦ ὤμου ἐλεφαντίνου ὄντος, καὶ τὸ ἐν τῇ παροιμίᾳ λεγόμενον ‘ ἐ ξ ὄ ν υ χ ο ς τ ὸ ν λ έ ο ν τ α ’ , ὡς τοῦ μέρους ἑκάστου τοὺς καθολικοὺς λόγους ἔχοντος· ἐν δὲ τοῖς μέρεσίν ἐστι τὸ ἐν τῇ ἀθροίσει τῶν μερῶν καὶ τῇ συστάσει πάντων θεωρούμενον, ὅπερ οὐ συνίσταται μέρους ἀφαιρουμένου. ἐνταῦθα οὖν ἐπὶ τῆς μουσικῆς τὸ πρὸ τῶν μερῶν λέγει καὶ τὸ ἐν τῷ μέρει καθόλου ἐν τῷ λέγειν τὸ ‘ σ υ ν ά π α σ α ’ · καὶ γὰρ καὶ χωρὶς ὄντος ἑνὸς τῶν εἰδῶν τὰ λοιπὰ μουσικὴ λέγεται. Τίνες αἱ θεαὶ ὧν ἡ τέχνη; Τὰς Μούσας, ὦ Σώκρατες: τοῦ νέου ἐπὶ πολὺ ἀποροῦντος ὁ Σωκράτης μαιευόμενος τοῦτον, ὥστε ἀποτεκεῖν ἀφ’ ἑαυτοῦ τί τὸ τέλος τῆς μουσικῆς, εἰς μνήμην ἄγει τὰς Μούσας καὶ διὰ αὐτῶν τὴν | Μνημοσύνην, ἵνα ἐντεῦθεν ἀνακινήσῃ τὴν ἐν τῇ ψυχῇ μνήμην τοῦ νέου καὶ διὰ τοῦ τῶν Μουσῶν ὀνόματος χειραγωγούμενος εἴπῃ τὸ τέλος τῆς μουσικῆς εἶναι τὸ μουσικῶς.

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108C Also los, jetzt bist du daran: Man findet [den Befehl] „l o s “ öfters bei Platon, was einer Seele eigen ist, die über die Gegebenheiten sprunghaft denkt 79 und nicht wie die Vernunft [sie] gleichzeitig im Zusammenhang miteinander [behandelt]. Dann fügt er hinzu: „Denn es gehört sich auch für dich, Gespräche auf schöne Weise zu führen“, in dem Sinne wie: „Da du schön bist, gehört es dir, über die Gegebenheiten auf schöne Weise zu sprechen“. Welches Fachwissen ist es, zu dem auf korrekte Weise Kithara zu 5 spielen, zu singen und zu tanzen gehören? Wie wird das als Gesamte genannt? Siehe an dieser Stelle, dass [Sokrates] über das gemeinsame Ziel der drei Arten [der Musikkunst] fragt und das nicht antwortet. Nun sagte er, dass das Kitharaspiel für die Melodie, das Singen aber für den Gesang, das Tanzen wiederum für den Rhythmus [gemacht wird]. Denn das ist ein gemeinsamer Begriff für den Schritt nach oben und unten707; die dem Rhythmus gehören. Wie denn kann er das Ziel der gesamten Musikkunst nicht nennen? Wahrscheinlich 10 muss man das nach der zweiten Interpretation, die vorher erwähnt wurde, beantworten. Man muss also wissen, dass das Ganze bei Platon drei Ebenen hat: Entweder [es befindet sich] vor den Teilen, oder in einem Teil, oder in [mehreren] Teilen.708 Vor den Teilen ist [das Ganze] kraft dessen, wenn jemand einen Zahn verliert, wieder ein neuer wächst, da seine Natur die Prinzipien709 in der Form der Universalien besitzt. Hingegen ist [das Ganze] in einem Teil, wie wenn jemand aus den Teilen das Ganze erkennen kann, beispielsweise die 15 Söhne des Pelops ausgehend von seiner elfenbeinernen Schulter [ihn erkannt haben]710 oder wie der Spruch lautet „a u s d e r K r a l l e d e n L ö w e n [ e r k e n n e n ] “, da jeder einzelne Teil das Prinzip des Ganzen besitzt. [Das Ganze] in [mehreren] Teilen wird an der Zusammenfügung der Teile und in der Komposition dieser allen beobachtet, da es als solches nicht mehr existiert, wenn ein Teil entfernt wird. An dieser Stelle spricht [Sokrates] im Fall der 20 Musikkunst über [das Ganze] vor den Teilen und darüber, was in einem Teil als Universalie existiert, indem er sagt „a l s G e s a m t e “. Denn gewiss nennt man das immer noch die Musikkunst, was nach der Trennung einer ihrer bestimmten Arten bleibt. [Sokrates:] Welche Göttinnen sind es, zu denen dieses Fachwissen gehört? [Alkibiades:] [Du meinst] die Musen, Sokrates: Da der Jüngling in großem Zweifel ist, leistet Sokrates ihm Geburtshilfe, sodass er aus sich selbst 25 herausbringt, was das Ziel der Musikkunst ist, und er erinnert ihn an die Musen und durch diese an die Mnemosyne711, damit er die Erinnerung in der Seele des 80 Jünglings erregt und durch den Namen der Musen ihn an die Hand nimmt, damit er sagen kann, dass das Ziel der Musikkunst die musische [Leistung] ist.

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ θʹ 5

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108D-110D Ἴθι δὴ καὶ τὸ ἐν τῷ πολεμεῖν βέλτιον. Ἐρωτηθεὶς ὁ Ἀλκιβιάδης, τί τὸ τοῦ πολέμου τέλος, καὶ δέον αὐτὸν εἰπεῖν ὅτι τὸ δίκαιον, διότι ἕνεκεν τοῦ δικαίου ἐρχόμεθα ἐπὶ τὸ πολεμεῖν, καθάπερ καὶ οἱ ἰατροὶ ἐπὶ τὰς νόσους ἕνεκεν τῆς ὑγιείας καὶ τοῦ εἰς κρᾶσιν ἀγαγεῖν τὰ στοιχεῖα καὶ συμφωνίαν (δίκαιον γάρ πως καὶ τοῦτο. ὥστε μὴ πλεονάζειν ἕτερον ἑτέρου), ὁ δὲ οὐ τοῦτο ἀποκρίνεται, ἀλλά φησιν ὅτι ἐ ρ χ ό μ ε θ α ἐ π ὶ τ ὸ π ο λ ε μ ε ῖ ν ἢ ἀ π α τ ώ μ ε ν ο ι ἢ β ι α ζ ό μ ε ν ο ι ἢ ἀ π ο σ τ ε ρ ο ύ μ ε ν ο ι . τριχῶς δὲ ἐν τούτοις ἁμαρτάνει. πρῶτον μὲν ὅτι ἓν ἐρωτηθεὶς τρία ἀπεκρίνατο. δεύτερον ὅτι οὐχ ἁπλᾶ ταῦτα, ἀλλ’ ἐπαμφοτερίζοντα· δύναται γάρ τις τούτοις καὶ ἐπ’ ἀγαθῶ χρήσασθαι, οἶον ἐάν τινος παρακαταθήκην δόντος ξίφος, εἶτα μανέντος, καὶ ἐν τῷ καιρῷ τῆς μανίας ἀπαιτοῦντι τοῦτο μὴ παράσχοιμεν, δι’ ὅρκων αὐτὸν ἀπατήσαντες καὶ ψευσάμενοι. οὐ γὰρ ἀποδεκτέον νῦν τὸν ποιητὴν ἐν τῷ ‘ψεῦδος δ’ οὐκ ἐρεῖς’,

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ἀλλ’ ἐν ἐκείνω μᾶλλον· ‘ψευδόσυνος κέκαστο, θεὸς δ’ ὣς τίετο δήμῳ’.

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ἔστιν δὲ ὅτε οὔτε ψευδόμεθα ὀμνύντες μηδὲν εἰληφέναι παρ’ αὐτοῦ· καὶ γὰρ ὅτε | δέδωκεν ὑγιαίνων δέδωκεν, νῦν δὲ ἀπαιτεῖ μαινόμενος, καὶ τότε μὲν ὡς παρακαταθήκην παρέσχεν, νῦν δὲ ὡς ὄργανον ἀπαιτεῖ· ὥστε οὔτε ὁ αὐτός ἐστιν ὁ δεδωκώς, ἀλλὰ ἄλλος, οὔτε τὸ αὐτό, ἀλλὰ ἄλλο. καὶ βιαζόμενοι δὲ καὶ ἀποστεροῦντες τὸν τοιοῦτον ἐπ’ ἀγαθῷ πράττομεν ταῦτα. τρίτον ἁμαρτάνει ὅτι αὐτὸς μὲν ὡς τρία προήγαγε τὸ ἀπατᾶσθαι ἢ βιάζεσθαι ἢ ἀποστερεῖσθαι, κοινὸν δέ ἐστιν εἰπεῖν ἐπ’ αὐτῶν τὴν ἀδικίαν· καὶ γὰρ καὶ ἀπατώμενοι καὶ ἐρχόμενοι ἐπὶ τὸ πολεμεῖν ὡς ἀδικούμενοι τοῦτο ποιοῦμεν, καὶ βιαζόμενοι ὁμοίως καὶ ἀποστερούμενοι. ἔδει οὖν αὐτὸν τὸ κοινὸν εἰπόντα μὴ οὕτως ὡς τρία ταῦτα προαγαγεῖν. οὕτω μὲν τριχῶς ἁμαρτάνει. διχῶς δὲ ἀποδεκτέον

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Unterricht 9 mit Gottes Hilfe 108D–110D Also los, [nenn mir] das Bessere bei der Kriegsführung712: Als Alkibiades befragt wurde, was das Ziel des Krieges ist, und er sagen sollte, dass es das Gerechte ist, – da wir um des Gerechten willen in den Krieg ziehen, genau wie die Ärzte um der Gesundheit willen die Krankheiten [bekämpfen] und um die Elemente [des Körpers] in eine Einigung und Harmonie zu bringen (das ist auch in einem Sinne das Gerechte, und bezweckt, dass keines [Element] sich über ein anderes ausdehnt) – gibt er [sc. Alkibiades] nicht diese Antwort, sondern sagt, dass w i r i n d e n K r i e g z i e h e n , weil wir entweder b e t r o g e n , oder a n g e g r i f f e n oder b e r a u b t w u r d e n .713 In diesen [Aussagen] macht er aber einen dreifachen Fehler714: Erstens, weil er drei Antworten auf eine einzelne Frage gibt. Zweitens, weil diese nicht eindeutige Begriffe sind, sondern zwei Ebenen haben.715 Denn jemand kann diese [drei Sachen] auch für gute Zwecke einsetzen: Beispielsweise, wenn jemand uns ein Schwert in Verwahrung gegeben hat und danach verrückt wurde, und im Moment der Verrücktheit das zurückfordert, würden wir das nicht geben und durch Eide würden wir ihn täuschen und belügen. Denn hier sollte man den Dichter bei dieser [Aussage] nicht verteidigen:

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„F a l s c h e s w i r s t d u n i c h t r e d e n “716,

Sondern lieber bei dieser: „E r w a r a u s g e z e i c h n e t i n L ü g e n k u n s t g e e h r t i m V o l k 718“.

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, wurde wie ein Gott

Es gibt ja Fälle, wo wir gar nicht lügen, wenn wir schwören, dass wir es niemals von ihm bekommen haben. Denn als er das gab, hat das ja ein gesunder Mensch 81 getan, jetzt fordert aber ein Verrückter es zurück; und was er damals uns als etwas zur Verwahrung gegeben hat, möchte er jetzt als ein Mittel [zum Gebrauch] zurück. Daher ist weder der Geber der gleiche Mensch, sondern ein anderer; noch ist der Gegenstand das Gleiche, sondern ein anderer. Auch wenn wir gezwungen werden und einem solchen Menschen [Sachen] wegnehmen, machen wir das für einen guten Zweck. Einen dritten Fehler macht er, 5 weil er betrogen zu werden, angegriffen zu werden oder beraubt zu werden als drei [verschiedene Sachen] vorstellt, wobei man allgemein bei diesen Sachen von Ungerechtigkeit reden kann. Selbstverständlich wenn wir auch in den Krieg ziehen, weil wir betrogen wurden, machen wir das, weil wir ungerecht behandelt wurden – und das gilt auch wenn wir angegriffen oder [unseres Besitzes] beraubt werden. Daher sollte er jene nicht auf diese Weise als drei [verschiedene Sachen] vorstellen, wenn sie mit einem gemeinsamen [Begriff] 10

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C. Text und Übersetzung

ἐν τούτοις τὸν νέον. πρῶτον μὲν ὅτι διὰ πάσης τῆς τριμερείας τῆς ἡμῶν ψυχῆς διῆλθεν κατὰ τὴν ἀπόκρισιν· διὰ μὲν γὰρ τοῦ εἰπεῖν ‘ ἀ π α τ ώ μ ε ν ο ι ’ , διὰ τοῦ λόγου (τούτου γὰρ καὶ ἡ γνῶσις), διὰ δὲ τοῦ ‘ β ι α ζ ό μ ε ν ο ι ’ , διὰ τοῦ θυμοῦ (τούτου γὰρ καὶ τὸ κρατεῖν), διὰ δὲ τοῦ ‘ ἀ π ο σ τ ε ρ ο ύ μ ε ν ο ι ’ , διὰ τῆς ἐπιθυμίας (ταύτης γὰρ καὶ τὸ φιλοχρήματον). δεύτερον δὲ κατορθοῖ ἐν τῇ ἀποκρίσει, ὅτι καὶ τὴν δέουσαν τάξιν ἐφύλαξεν ἐπὶ τῶν τριῶν· ὥσπερ γὰρ ὁ λόγος θυμοῦ πρωτεύει καὶ θυμὸς ἐπιθυμίας, οὕτω καὶ ὁ νέος πρότερον εἶπεν τὸ μὲν ἀπατᾶσθαι τοῦ βιάζεσθαι, τὸ δὲ βιάζεσθαι τοῦ ἀποστερεῖσθαι. Εἶτα ὁ Σωκράτης δείκνυσι τὸν νέον ἀγνοοῦντα τὸ δίκαιον διὰ τῶν αὐτῶν λόγων. ὡς γὰρ προείρηται, οὐκ ἔστι δέος μὴ κατατριβῶσιν οἱ λόγοι πολλάκις παραλαμβανόμενοι, δίκην τῶν παλαιῶν σκευαρίων. φησὶν οὖν ὅτι ‘οὔτε ἔμαθες οὔτε εὗρες’ καὶ τὰ ἑξῆς. δύο γὰρ τρόποι γνώσεως. μάθησις καὶ εὕρεσις, καθὼς πολλάκις εἴρηται. ὡς μὲν οὖν αὐτοκινήτως ἐνεργοῦντες εὑρίσκομεν, ὡς δὲ ἑτεροκινήτως μανθάνομεν. ἰστέον γὰρ ὅτι, καθάπερ ἡ ψυχὴ μεταδέδωκεν ἴχνος αὐτοκινησίας τῷ σώματι. οὕτως καὶ αὕτη μετέλαβεν παρ’ αὐτοῦ ἑτεροκινησίας ἴχνος. τοῦτο δὲ καὶ ἐφ’ ἑτέρων ἐστὶν ἰδεῖν· καὶ γὰρ καὶ ὁ χρόνος μεταδέδωκε μὲν τῇ κινήσει τοῦ μετρεῖσθαι, μετέλαβε δὲ παρ’ αὐτῆς τοῦ δια|στατὸς εἶναι· καὶ πάλιν τὸ εἶδος μεταδέδωκε μὲν τῆς μορφῆς τῇ ὕλῃ, ἀμερὲς δὲ ὂν μετέλαβεν ἐξ αὐτῆς τοῦ διαστατοῦ, διὸ πολλάκις φαμὲν ‘ὡδὶ μὲν πόδας, ὡδὶ δὲ κεφαλήν’. αἱ δὲ εὐφυέστεραι τῶν ψυχῶν ὡς αὐτοκίνητοι μᾶλλον εὑρίσκουσι καὶ ἀποτίκτουσιν ἤπερ μανθάνουσιν, ὥσπερ καὶ τὸ ἀνάπαλιν αἱ ἀφυέστεραι ὡς ἑτεροκίνητοι μᾶλλον μανθάνουσιν ἤπερ εὑρίσκουσι. ταῦτα δὲ δηλοῖ τὴν μεσότητα τῆς οὐσίας τῆς ἡμετέρας ψυχῆς· οὔτε γὰρ ἀεὶ ἀτελής ἐστιν, ὡς εὑρίσκουσα, οὔτε ἀεὶ τελεία, ὡς μανθάνουσα. Ἐφ’ οἷς ἀποροῦμεν δύο τινά. πρῶτον μὲν πῶς ὁ Ἀλκιβιάδης μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον οἴεται εἰδέναι· καὶ δεύτερον πῶς τοῦ Σωκράτους ἐρωτῶντος αὐτὸν εἰπεῖν χρόνον ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι τὸ δίκαιον, ἀπορεῖ

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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bezeichnet werden. So hat er einen dreifachen Fehler gemacht. Zwei Sachen soll man bei diesen [Antworten] des Jünglings anerkennen719: Erstens, dass er während seiner Antwort die ganze dreiteilige Struktur unserer Seele von oben nach unten umfassend darstellt. Nämlich mit der Aussage „b e t r o g e n z u w e r d e n “, [geht er] auf die Vernunft [ein] (denn die Erkenntnis gehört zu diesem [Teil der Seele]); mit dem „a n g e g r i f f e n z u w e r d e n “ [geht er] auf die Willenskraft [ein] (denn zu herrschen gehört zu diesem [Teil der Seele]) und mit der „b e r a u b t z u w e r d e n “ [geht er] auf die Begierde [ein] (denn die 15 Geldliebe gehört zu diesem [Teil der Seele]). Zweitens, dass er bei seiner Antwort richtig liegt, da er die nötige Reihenfolge für die drei [Teile der Seele] beachtet hat: Denn wie die Vernunft über der Willenskraft steht und die Willenskraft über der Begierde, so nennt der Jüngling betrogen zu werden vor angegriffen zu werden, und angegriffen zu werden vor beraubt zu werden. Nachfolgend zeigt Sokrates dem Jüngling durch seine eigenen Worte, dass er 20 nicht weiß, was gerecht ist. Denn, wie bereits gesagt wurde, sollte man nicht fürchten, dass die häufig weitergegebenen Worte wie alte Kleidungsstücke abgenutzt werden.720 Nun sagt er [sc. Sokrates] also: „Weder hast du gelernt noch hast du gefunden“ und das Folgende. Denn es gibt zwei Wege zur Erkenntnis: Lernen und Finden, ebenso wie mehrmals erwähnt wurde.721 Einerseits finden wir, wenn wir durch Selbstbewegung handeln; andererseits 25 lernen wir durch die Bewegung von außen. Denn man muss wissen, das ist genau wie die Seele eine Spur722 ihrer Fähigkeit für Selbstbewegung an den Körper weitergegeben hat. So hat auch sie von [dem Körper] eine Spur seiner Fähigkeit für Fremdbewegung abbekommen.723 Das ist auch an anderen [Beispielen] zu sehen: Denn sicherlich hat auch die Zeit der Bewegung [etwas von sich] abgegeben, nämlich messbar zu sein; im Gegenzug hat er von ihr [die Eigenschaft] angenommen, eine Dimension zu haben.724 Erneut hat die Form der 82 Materie etwas von ihrer Struktur abgegeben und bekam von ihr die Dimension, obwohl sie [selbst] nicht teilbar ist – daher sagen wir oft: „wie die Füße, so der Kopf “.725 Die von Natur aus begabteren Seelen, da sie sich von selbst bewegen, finden eher selbstständig [Erkenntnis] und bringen diese hervor, als dass sie 5 lernen; so wie umgekehrt die weniger begabten Seelen von anderen bewegt werden und deshalb eher lernen, als dass sie finden. Nun diese offenbaren die Mittelstellung der Wesenheit unserer Seele726: Denn weder ist sie immer unvollkommen, insofern sie selbstständig findet; noch ist sie immer vollkommen, insofern sie lernt. Bei diesen Aussagen rätseln wir über diese zwei Dinge: Erstens, warum 10 Alkibiades, obwohl er nicht weiß, was gerecht ist, denkt, dass er das weiß? Und zweitens: Warum verzweifelt er daran, wie er das sagen soll, als Sokrates ihn nach dem Zeitpunkt fragte, in dem er noch nicht glaubte, dass er das weiß, was

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C. Text und Übersetzung

τοῦτον λέγειν. καὶ πρὸς μὲν τὸ πρῶτόν φαμεν ὅτι ᾤετο εἰδέναι τὸ δίκαιον μὴ εἰδώς, ἐπειδὴ ὑπὸ τῶν καθόλου λόγων ἐσαίνετο ἐμπεφυτευμένων τῇ ψυχῇ· καὶ ἐῴκει τοῖς κατ’ ὄναρ πλουτοῦσι καὶ ἀνισταμένοις καὶ εὑρίσκουσι κενὰς τὰς χεῖρας. πρὸς δὲ τὸ δεύτερον ῥητέον ὅτι ἀπορεῖ, ἐπειδὴ ὁ μὲν Σωκράτης πρὸς τὴν κατ’ ἐνέργειαν ἐπιστήμην ἀφορῶν ἠρώτα λέγειν χρόνον ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι, ὁ δὲ πρὸς τὴν καθ’ ἕξιν ἐπιστήμην ἀφορῶν ἠπόρει λέγειν, διότι ἐξ ἀϊδίου συνῆν αὐτῇ τῇ ψυχῇ καὶ διὰ τοῦτο οὐκ εἶχεν εἰς χρόνον ἀνενεγκεῖν τὴν ἄγνοιαν. ἐν οἷς ἡ θεωρία. 108D Ἴθι δὴ καὶ τὸ ἐν τῷ πολεμεῖν βέλτιον: ὡς καὶ ἐν τοῖς φθάσασι προείρηται, κατακέχρηται ὁ Πλάτων τῷ ‘ ἴ θ ι ’ | οἰκείῳ ὄντι ψυχῇ μεταβατικῶς νοούσῃ τὰ πράγματα καὶ οὐκ ἀθρόως, ὥσπερ ὁ νοῦς. φησὶν οὖν ἐνταῦθα ὁ Σωκράτης ὅτι ‘καθάπερ ἐπὶ τῶν δύο τῶν προλαβόντων παραδειγμάτων εἴρηκας τὰ τέλη, εἰ καὶ τοῦ μὲν μαιευόμενος, τοῦ δὲ διδασκόμενος, οὕτω καὶ νῦν εἰπὲ τί τὸ τέλος τοῦ πολέμου’· τοῦτο γάρ ἐστι τὸ ‘βέλτιον νομίζεις’. τὰ γὰρ τέλη τῶν πραγμάτων ἢ αἱρετά ἐστιν ἢ φευκτὰ καὶ τούτων ἕνεκεν ποιοῦμεν αὐτὰ ἢ οὔ. 108E Ὥσπερ ἐκεῖ ἐφ’ ἑκάστῳ ἔλεγες: τὸ ‘ ἐ φ ’ ἑ κ ά σ τ ῳ ’ ἀκουστέον ἐπὶ τῶν εἰδῶν τῆς μουσικῆς. ἦσαν γὰρ τρία, καὶ τέλη αὐτῶν ὁμοίως τρία, ἢ τὸ ᾠδικῶς ἢ τὸ ἐμμελῶς ἢ τὸ ἐρρύθμως. εἰ γὰρ καὶ ἓν εἶπεν τέλος τῆς μουσικῆς τὸ μουσικῶς, ἀλλ’ οὖν ὡς ἐν κοινῷ καὶ γενικῷ περιέχονται τούτῳ τὰ τρία. ἐνταῦθα τὸ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ ἐπ’ αὐτῶν δεῖ λαμβάνειν καὶ οὐ τῶν δύο παραδειγμάτων, εἴγε τὸ ἔλαττον ἐπὶ τριῶν λέγεται τὸ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ . ὅτι γὰρ τὸ ἓν τῶν παραδειγμάτων, τὸ τῆς μουσικῆς, λαβὼν εἶπεν περὶ τῶν εἰδῶν αὐτῆς τὸ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ , δῆλον, εἴγε ἐπάγει περὶ τοῦ ἄλλου παραδείγματος, τουτέστι τῆς γυμναστικῆς, ‘καὶ ἐπὶ τῷ ἑτέρῳ, ὅτι γυμναστικώτερον’. Ἀλλ’ οὐ πάνυ ἔχω: τοῦτο ἐγκαταδυομένου ἐστὶ καὶ ἐρυθριῶντος ἐφ’ οἷς ἀπορεῖ περὶ ὧν ἐπαγγέλλεται σύμβουλος εἶναι. τοῦτο γὰρ δηλοῖ τὸ ‘ ο ὐ π ά ν υ ’ , εἰρημένον ὡς αἰσχυνομένου τοῦ νέου ἐπὶ τῇ ἀπορίᾳ.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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gerecht ist? Nun, zu der ersten [Frage] sagen wir727, dass er das Gerechte zu wissen unbewusst glaubte, ohne zu wissen, weil ihm von den in seiner Seele eingepflanzten universellen Prinzipien dieser Eindruck gegeben wurde.728 Das 15 ist ähnlich auch bei denjenigen, die im Traum reich werden, dann aufwachen und entdecken, dass ihre Hände leer sind.729 Zu der zweiten [Frage] soll man sagen, dass er nicht antworten kann, da Sokrates ihn aus dem Blickpunkt des Wissens als Wirkkraft gefragt hat, dass er den Zeitpunkt nennt, in dem er nicht glaubte zu kennen; er [sc. Alkibiades] dagegen, aus dem Blickpunkt des Wissens als Zustand730 zweifelte, wie er antworten soll, da er von Ewigkeit her mit seiner Seele war und deswegen keine Zeit nennen konnte, auf die er seine Unwis- 20 senheit beziehen konnte. Damit endet die Theorie. 108D Also los, [nenn mir] das Bessere bei der Kriegsführung: Wie auch in der vorherigen [Erklärung] erwähnt wurde,731 gebraucht Platon absichtlich [das Wort] „l o s “, da es einer Seele eigen ist, die die Gegebenheiten diskursiv732 83 denkt und sie nicht wie die Vernunft in Gesamtheit [behandelt]. Daher sagt Sokrates hier: „Genau wie du bei den zwei vorher genommenen Beispielen die Ziele genannt hast, auch wenn bei einem durch Geburtshilfe, bei dem anderen 5 durch Belehrung; so nenne auch jetzt das Ziel des Krieges.“ Und das ist es, was „du für das Bessere hältst“.733 Denn die Ziele der Handlungen sind entweder auszuwählen oder zu vermeiden und aufgrund dieser [Ziele] führen wir diese [Handlungen] aus oder nicht. 108E Wie du vorhin bei jedem einzelnen [der beiden Beispiele] sagtest: Man soll „b e i j e d e m e i n z e l n e n “ als bei den Arten der Musik verstehen. Denn es gab drei [Arten] und dementsprechend ihre Ziele [sind] auch drei: 10 Entweder die gesangliche, oder die melodische, oder die rhythmische [Leistung]. Auch wenn er ein einzelnes Ziel für die Musik734 als die musische [Leistung] nennt, werden dennoch alle drei in diesem gemeinsamen Gattungsnamen eingeschlossen. Hier soll dann „j e d e s e i n z e l n e “ als von diesen [Arten der Musik] angenommen werden und nicht als von den zwei Beispielen [die Musik und die Gymnastik]735, auch wenn das Letztere unter drei [Elemente einer Gruppe] „j e d e s e i n z e l n e “ genannt wird.736 Denn, dass er eins dieser Beispiele – nämlich die Musik – nimmt, und von deren Arten er als „j e d e s 15 e i n z e l n e “ redet, wird daraus deutlich, dass er über das andere Beispiel, das heißt über die Gymnastik, hinzufügt: „A u c h ü b e r d e n a n d e r e n F a l l [ s a g e n w i r ] , d a s s e s d i e g y m n a s t i s c h e [ L e i s t u n g ] i s t .“. Aber das kann ich überhaupt nicht: Das ist der Ausdruck desjenigen, der heruntersinkt und schamrot wird, [selber] über die Dinge ratlos zu sein, für die er sich als einen Berater anpreist. Denn es wird aus der [Aussage] „ü b e r - 20 h a u p t n i c h t “ deutlich, dass es ein Ausdruck dafür ist, dass der Jüngling sich über [seine] Ratlosigkeit schämt.737

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Ἀλλὰ μέντοι αἰσχρόν γε εἰ μέν τίς σε λέγοντα: μέλλων ὁ Σωκράτης ἐπιτιμᾶν τῷ νέῳ ἐφ’ οἷς ἀγνοεῖ τί τὸ τέλος τοῦ πολέμου, καὶ δεδιὼς τὴν ἀπὸ τοῦ ἐλέγχου δυσμένειαν, οὐχ ἁπλῶς οὐδὲ ἀπαρακαλύπτως ἐπὶ τὴν ἐπιτίμησιν ἔρχεται, ἀλλ’ ἐκ παραθέσεως γνώσεως ἑτέρας τοῦ νέου, ταύτῃ παραμυθούμενος τὴν ἀπὸ τοῦ ἐλέγχου δριμύτητα. φησὶ γοῦν ὅτι ‘αἰσχρόν ἐστι περὶ μὲν ἰατρικῶν τινῶν εἰδέναι σε συμβουλεύειν, ὧν οὐ προσποιῇ σύμβουλος εἶναι οὐδὲ σπουδάζεις περὶ αὐτῶν, περὶ δὲ ὧν νομίζεις ἐπιστήμων εἶναι καὶ μέλλεις συμβουλεύειν ἀγνοεῖν’. καλῶς δὲ καὶ τὸ ‘ α ἰ σ χ ρ ό ν γ ε ’ εἶπεν· ἐναντίον γὰρ φιλοτίμῳ τὸ αἰσχρὸν | καὶ τῷ ἐπὶ κάλλει σεμνῷ καὶ λαμπρῷ φαινομένῳ. Ὅτι βέλτιον τόδε τοῦδε καὶ νῦν καὶ τοσοῦτον: τὰ περιστατικά φησιν· διὰ μὲν τοῦ ‘ τ ό δ ε τ ο ῦ δ ε ’ τὸ ποιὸν τοῦ σιτίου, εἰ ἑφθὸν καὶ οὐκ ὠμόν, εἰ εὐαλλοίωτον καὶ εὔπεπτον ἢ τοὐναντίον· διὰ δὲ τοῦ ‘ ν ῦ ν ’ , εἰ ἑσπέρᾳ θρεπτέον καὶ οὐ νύκτωρ, διὰ τὸν καιρὸν τῆς πέψεως· τὸ δὲ ‘ τ ο σ ο ῦ τ ο ν ’ ἀντὶ τοῦ εἰ μὴ πλῆθος προσακτέον, διὰ τὸ παρὰ Ἱπποκράτει ‘ ἔ ν δ ε ι α μ ή τ η ρ ὑ γ ε ί η ς ’ .

109A Οὐδὲ οἶσθα, ἐπειδὰν πόλεμον ποιώμεθα, ὅ τι ἐγκαλοῦντες ἀλλήλοις: τοῦ Ἀλκιβιάδου πλέον ἀπομένοντος τῇ ἀπορίᾳ δαιμονίως ὁ Σωκράτης ἐπὶ τὸ σαφέστερον τὴν μαιείαν μετήγαγεν. ἐπειδὴ γὰρ τὰ μετέχοντα τῶν μετεχομένων σαφέστερα καὶ τὰ σύνθετα τῶν ἁπλῶν, φησίν· ‘ τ ί ἐ γ κ α λ ο ῦ ν τ ε ς ἀ λ λ ή λ ο ι ς ἐ ρ χ ό μ ε θ α ἐ π ὶ τ ὸ π ο λ ε μ ε ῖ ν ; ’ τουτέστιν ‘ὡς ἀδίκοις οὖσιν’. ὁ δὲ ἄδικος μετέχει, κἀντεῦθεν σύνθετος, ἡ δὲ ἀδικία μετέχεται, καὶ ἁπλοῦν ἐστί. διὸ καὶ τελευταίαν αὐτὴν ἔταξε διὰ τοῦ εἰπεῖν ‘ κ α ὶ τ ί α ὐ τ ὸ ὀ ν ο μ ά ζ ο ν τ ε ς ἐ ρ χ ό μ ε θ α ’ , δηλονότι ‘ἀδικίαν’· ‘ α ὐ τ ὸ ’ δέ φησι τὸ πάθημα. ὁ δὲ πρὸς ταῦτα ἐπάγει ‘τὰ τρία ἐκεῖνα ἐγκαλοῦντες πολεμοῦμεν, ἢ ἀπατώμενοι ἢ βιαζόμενοι ἢ ἀποστερούμενοι’.

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Ἔχε· πῶς ἕκαστα τούτων πάσχοντες; τοῦτο κατὰ ζῆλον ποιητικόν·

‘ἀλλὰ σὺ σῇσιν ἔχε φρεσίν’.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Aber gewiss ist es ja schändlich, wenn du jemandem sagst: Sokrates hat vor, den Jüngling aufgrund der Sachen, die er nicht kennt – wie das Ziel des Krieges – zurechtzuweisen; er ist aber besorgt, dass seine Widerlegung Feindseligkeit verursachen kann und daher kommt er zu der Zurechtweisung nicht auf direkte und offensichtliche Weise, sondern beim Vergleich einer anderen dem Jungen bekannten Erkenntnis, damit beschwichtigt er die Heftigkeit seiner 25 Widerlegung.738 Also sagt er: „Es ist schändlich, wenn du weißt, wie man über irgendwelche medizinischen Themen Rat geben soll, aber weder dich über diese als einen Berater vorgeben würdest, noch dich mit denen beschäftigst; dagegen worüber du dich für einen Wissenden hältst und zu beraten vorhast, keine Erkenntnis besitzt.“ Zutreffend hat er „s c h ä n d l i c h “ gesagt: Denn was 84 schändlich ist, steht im Gegensatz zu jemandem, der die Ehre liebt und stolz auf seine Schönheit und sein blendendes Aussehen ist.739 Dass dieses besser ist als jenes und jetzt und in einer solchen Menge: Er nennt [verschiedene] Aspekte. Durch „d a s [ist besser] a l s j e n e s “, [meint er] die Art der Nahrung, ob gekocht oder nicht roh ist, oder ob es leicht verarbeitet und leicht verdaut wird oder das Gegenteil. Durch [die Aussage] „j e t z t “, ob es 5 am Abend und nicht in der Nacht gegessen werden soll, da es der richtige Zeitpunkt für die Verdauung ist. Das „i n e i n e r s o l c h e n M e n g e “ bedeutet, ob es nicht zu viel aufgetischt werden soll, passend zu dem Spruch bei Hippokrates: „H u n g e r i s t d i e M u t t e r d e r G e s u n d h e i t “.740 109A Weißt du nicht, was wir uns gegenseitig vorwerfen, wenn wir Krieg führen? Da Alkibiades immer zunehmend in Zweifel geraten wird, 10 [verhält sich] Sokrates wie ein Daimon741 und ändert [den Weg] der Geburtshilfe in eine eindeutigere Richtung. Denn, da die Teilnehmenden deutlicher als die Teilgebenden und die zusammengesetzten [deutlicher] als die einfachen [Wesen] sind742, sagt er: „W a s w e r f e n w i r u n s g e g e n s e i t i g v o r , w e n n w i r i n d e n K r i e g z i e h e n ? “, das ist, „dass sie ungerecht handeln“. Der ungerechte Mensch hat Teil an etwas und ist daher zusammengesetzt, das 15 Ungerechte gibt aber Teil und ist daher einfach.743 Aus diesem Grund hat er das [Ungerechte] ans Ende gestellt, indem er sagt: „U n d w i e n e n n e n w i r d a s , [aufgrund dessen wir in den Krieg] z i e h e n ? “, was offensichtlich „das Ungerechte“ ist. „D a s “ bezeichnet hier den Gefühlszustand [infolge der Ungerechtigkeit]. Er fügt dann auch hinzu: „Weil wir diese drei Dinge vorwerfen, führen wir Krieg: dass wir b e t r o g e n w u r d e n , a n g e g r i f f e n w u r d e n oder b e r a u b t w u r d e n “.744 109B Halte es fest! Auf welche Weise erleiden wir jedes von diesen? 20 Dieser [Imperativ] gehört dem poetischen Stil: „h a l t e e s f e s t i n d e i n e m S i n n “745

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ἰστέον δὲ ὅτι οὔτε τὸ πρῶτον ἐγκαλεῖ αὐτῷ (τουτέστιν ὅτι τρία πρὸς ἓν ἀπεκρίνατο) οὔτε τὸ τρίτον (παρῆκε γὰρ καὶ τοῦτο, ὅ ἐστι, διότι οὐχ ὡς τρία πάσχοντες ἐρχόμεθα ἐπὶ τὸ πολεμεῖν, ἀλλὰ κατὰ τὸ κοινόν, τὴν ἀδικίαν)· ἐγκαλεῖ οὖν αὐτῷ τὸ δεύτερον ἁμάρτημα, ὅτι οὐχ ἁπλᾶ ἀλλ’ ἐπαμφοτερίζοντα ταῦτα εἶπεν. φησὶ γοῦν ὅτι ‘π ῶ ς ἕ κ α σ τ α τ ο ύ τ ω ν π ά σ | χ ο ν τ ε ς ; ’ τουτέστιν ἀδίκως ἢ δικαίως· εἶτα ἐρωτᾷ αὐτόν, εἰ διαφέρουσι ταῦτα ἀλλήλων, τοῦτο γὰρ δηλοῖ τὸ ‘ π ε ι ρ ῶ ε ἰ π ε ῖ ν τ ί δ ι α φ έ ρ ε ι τ ὸ ὧ δ ε ἢ τ ὸ ὧ δ ε ’ . καὶ ἀντερωτήσαντος τοῦ νέου ὅτι ‘ ε ἰ τ ὸ ὧ δ ε λ έ γ ε ι ς τ ὸ δ ι κ α ί ω ς ἢ ἀ δ ί κ ω ς ; ’ καὶ συνθεμένου τοῦ Σωκράτους ἐπάγει ὁ Ἀλκιβιάδης ὅτι ὅ λ ο ν τ ε κ α ὶ π ᾶ ν διαφέρουσιν ἀλλήλων ταῦτα. ἰστέον δὲ ὅτι τὸ ὅ λ ο ν τ ε κ α ὶ π ᾶ ν παροιμία ἐκράτησεν ἐπὶ τῶν πολὺ διαφερόντων ἀλλήλων καὶ ἀντιδιῃρημένων· τὸ γὰρ ‘ ὅ λ ο ν ’ καὶ τὸ ‘ π ᾶ ν ’ ἀντιδιῄρηνται ἀλλήλοις. εἰ γὰρ καὶ ἄμφω τὸ καθόλου δηλοῦσιν, ἀλλ’ οὖν τὸ μὲν ‘ ὅ λ ο ν ’ σημαίνει τὸ συνεχές, τὸ δὲ ‘ π ᾶ ν ’ τὸ διωρισμένον. καὶ δύναταί τις κατὰ μὲν τὸ ὅλον κρείττων εἶναι, κατὰ δὲ τὸ πᾶν χείρων· οἷον ἐὰν εἴπωμεν τὸ ὅλον, τὸ ἀνδρεῖον γένος ὡς ὅλον κρεῖττόν ἐστι τοῦ γυναικείου, οὐ μὴν καὶ πᾶν παντός, οὔτε γὰρ Θερσίτης κρείττων Θεανοῦς, ἢ Κόροιβος.

109C Εἰ γὰρ καὶ διανοεῖ|ταί τις ὡς δεῖ πρὸς τοὺς τὰ δίκαια πράττοντας πολεμεῖν: ὁ μὲν Καλλικλῆς καὶ ὁ Θρασύμαχος ἔφασαν ἐν Γοργίᾳ καὶ διανοεῖσθαι δεῖν πολεμεῖν πρὸς τοὺς τὰ δίκαια πράττοντας, ἀλλὰ μὴν καὶ ἔργῳ πολεμεῖν· ὁ δὲ Σωκράτης οὔτε διανοεῖσθαι τὴν ἀρχὴν παντελῶς οὔτε πολεμεῖν· ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης ὡς μέσος ὢν διανοεῖσθαι μέν φησιν, οὐ μὴν πολεμεῖν. λέγει γὰρ ‘ ε ἰ γ ὰ ρ κ α ὶ δ ι α ν ο ε ῖ τ α ί τ ι ς ’ ὡς τοῦτο συγχωρῶν, ἐπάγει δὲ καὶ ὅτι οὔτε διανοούμενός τις ὁμολογεῖ τοῦτο. Οὐ γὰρ νόμιμον τοῦθ’, ὡς ἔοικεν. Οὐ δῆτα. Οὐδέ γε καλὸν δοκεῖ εἶναι: νόμιμον μέν ἐστι τὸ θέσει δίκαιον, καλὸν δὲ τὸ φύσει. φησὶν οὖν ὁ Σωκράτης ὅτι οὔτε κατὰ τὸ θέσει δίκαιον, τουτέστι τὸ νόμιμον, οὔτε 85, 3 Olymp. add. τὸ, cf. Plat. Alc. 109b4. 4 Olymp. εἰ / Ἦ Plat. Alc. 109b5. 4 Olymp. om. ὦ Σώκρατες post λέγεις, cf. Plat. Alc. 109b5.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Man muss wissen, dass er [sc. Sokrates] ihn [sc. Alkibiades] nicht des Ersten746 beschuldigt (nämlich, dass er drei Antworten auf eine Frage gibt); noch des Dritten (denn er räumte auch das ein – das ist, dass wir nicht in den Krieg ziehen, weil wir drei Dinge erlitten haben, sondern gegen ihren gemeinsamen [Namen], nämlich die Ungerechtigkeit). Er beschuldigt ihn nun des zweiten Fehlers, 25 nämlich, dass er diese nicht einzeln, sondern beide zusammen geäußert hat. Er sagt also: „A u f w e l c h e W e i s e e r l e i d e n w i r j e d e s v o n d i e s e n ? “, 85 das heißt, auf ungerechte oder gerechte Weise. Dann fragt er ihn, ob diese sich voneinander unterscheiden, das macht nämlich [die Aussage] deutlich: “V e r such es zu sagen, wie sich das ‚So‘ oder ‚So‘ unterscheid e t . 747“ Und als der Jüngling eine Gegenfrage stellt, nämlich: „M e i n s t d u mit dem ‚So‘ etwa, auf gerechte oder auf ungerechte W e i s e ? “ 748 und Sokrates das bestätigt, führt Alkibiades fort, dass diese 5 i m G a n z e n u n d i n a l l e m unterschiedlich voneinander sind. Man muss auch wissen, dass i m G a n z e n u n d i n a l l e m eine Redewendung ist, die aus sehr unterschiedlichen und voneinander logisch getrennten [Begriffen] verarbeitet wird. Denn die [Wörter] „i m G a n z e n “ und „i n a l l e m “ sind 10 logisch voneinander unterschieden.749 Auch wenn die beiden auf das Universelle hinweisen, dennoch deutet „i m G a n z e n “ auf etwas Zusammenhängendes, wobei „i n a l l e m “ auf etwas Abgetrenntes [deutet]. Ferner kann jemand in Bezug auf das Ganze überlegen, dagegen in Bezug auf alle [Teile] unterlegen sein. Genauso, wenn wir das Ganze sagen, [in dem Fall,] dass das männliche Geschlecht als ein Ganzes überlegener zu dem weiblichen ist;750 [das bedeutet] dagegen nicht, dass alle [Männer] zu allen [Frauen] [überlegener sind]: Denn weder Thersites war überlegener zu Theano, noch Koroibos.751 109C Auch wenn jemand denken würde, dass er gegen diejenigen 86 Krieg führen muss, die gerecht handeln: Kallikles und Thrasymachos äußerten im Gorgias752, dass sie sowohl glauben, dass man gegen diejenigen, die gerecht handeln, Krieg führen muss, als auch sie [selber] in der Praxis [gegen solche Menschen] Krieg führen. Sokrates sagt dagegen, dass er weder überhaupt daran als Ursache glaubt noch [gegen Gerechten] Krieg führt. Alkibiades aber 5 sagt, als der Mittlere, dass er das zwar glaubt, [selber] aber keinen Krieg [gegen solche Menschen] führt. Denn er sagt, „a u c h w e n n j e m a n d d e n k e n w ü r d e “ 753 als würde er dem zustimmen, fügt aber hinzu, dass auch jemand, der das gar nicht denkt, das eingesteht.754 [Sokrates:] Weil dies offenbar nicht gesetzlich ist. [Alkibiades:] In der Tat nicht. [Sokrates:] Es scheint auch nicht ehrenhaft zu sein: Gesetzlich 10 ist es, was gemäß der Konvention gerecht ist, ehrenhaft aber, was gemäß der Natur [gerecht] ist.755 Nun sagt Sokrates, dass es weder dem gemäß der Konvention Gerechten, das heißt dem Gesetzlichen, noch dem gemäß der

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κατὰ τὸ φύσει, τουτέστι τὸ καλόν, προσήκει πολεμεῖν τοῖς τὰ δίκαια πράττουσιν. καὶ συνομολογεῖ τούτοις ὁ νέος ὡς προκόπτων ἐπὶ τὸ τέλειον. Ἄλλο τι οὖν, ὃ νῦν δὴ ἐγὼ ἠρώτων, βέλτιον πρὸς τὸ πολεμεῖν: μετὰ τὸ διὰ πολλῶν συνθέσθαι τὸν νέον ὅτι τέλος τοῦ πολέμου τὸ δίκαιον καὶ ὅτι οὐ δεῖ τοῖς δικαιοπραγοῦσι πολεμεῖν, ἀλλὰ τοῖς ἀδικοῦσι δηλονότι (καὶ γὰρ ἂν οὕτως ἕνεκεν τοῦ δικαίου πολεμοίημεν), ἀναμιμνῄσκει τὸν νέον ὁ Σωκράτης τῆς ἐρωτήσεως πρὸς ἣν ἠπόρει ἀποκρίνασθαι. αὕτη δὲ ἦν, τί τέλος τοῦ πολέμου· ταὐτὸν γὰρ δηλοῖ τὸ ‘τί βέλτιον’, ὡς εἴρηται. φησὶν οὖν, ‘ ἄ λ λ ο τ ι ο ὖ ν , ὃ ν ῦ ν δ ὴ ἐ γ ὼ ἠ ρ ώ τ ω ν ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ ε ἰ μ ὴ τ ο ῦ τ ο ’ . τῆς γὰρ Πλατωνικῆς φράσεως τὸ ‘ἄλλο τι οὖν’ κατὰ παράλειψιν τοῦ ‘εἰ μὴ τοῦτο’ λέγειν. μετὰ δὲ τῶν περιστατικῶν ἀναμιμνῄσκει τί τὸ βέλτιον τοῦ πολεμεῖν, λέγων ‘ ο ἷ ς δεῖ’ καὶ ‘ὁπότε’.

109D Πῶς οὖν, ὦ φίλε Ἀλκιβιάδη; πότερον σαυτὸν λέληθας ὅτι οὐκ ἐπίστασαι, καὶ τὰ ἑξῆς: οὐ μάτην ἐνταῦθα κεῖται τὸ ‘ ὦ φ ί λ ε ’ , ἀλλ’ ἐπειδή, ὡς πολλάκις εἴρηται, μέλιτι δεδευμένοις φαρμάκοις ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καὶ ἔλεγχοι, μέλλει δὲ τὸν νέον | ἐπὶ τῷ μὴ γινώσκειν τὸ δίκαιον λυπεῖν τοῖς ἐλέγχοις καὶ πρὸς ὀργὴν ἐξάγειν, προτιθασεύει αὐτὸν πρῶτον ‘ φ ί λ ο ν ’ ὀνομάζων, καὶ πάλιν ὀμνὺς μικρὸν ὕστερον ‘ μ ὰ τ ὸ ν φ ί λ ι ο ν τ ὸ ν ἐ μ ό ν τ ε κ α ὶ σ ό ν ’ . καὶ ζητοῦσιν ἐκεῖ, τίνα θεὸν καλεῖ φ ί λ ι ο ν . καὶ οἱ μέν φασι τὸν Ἔρωτα, οὐκ ἔστι δέ· ὁ γὰρ φίλος φίλῳ φίλος, ἐνταῦθα δὲ ὁ μὲν Σωκράτης ἐρᾷ τοῦ νέου, ὁ δὲ νέος οὐκ ἀντερᾷ τοῦ Σωκράτους· τοῦ γὰρ τέλους τοῦ διαλόγου τοῦτό ἐστιν, ἔνθα ὁ ἀντέρως παραδίδοται. Τίνα οὖν καλεῖ φ ί λ ι ο ν ; ἤ φαμεν ὅτι τὸν Δία· καὶ γὰρ ἀμφοτέροις προσήκει κατὰ τὸ ἀρχικὸν ὁ Ζεύς. Σωκράτει μὲν διὰ τὴν φιλοσοφίαν (ἡγεμὼν γὰρ αὕτη πασῶν τῶν ἄλλων τεχνῶν) καὶ ὅτι κατὰ τοὺς Στωϊκοὺς ὁ εἰδὼς πῶς δεῖ ἄρχειν ἄρχων ἐστίν, εἰ καὶ μὴ κέχρηται τῇ ἀρχῇ· τοιοῦτοι δὲ οἱ φιλόσοφοι· διὸ καὶ ἐν Φαίδρῳ φησίν, ‘ μ ε τ ὰ μ ὲ ν δ ὴ Δ ι ό ς ε ἰ μ ι ’ . Ἀλκιβιάδῃ δὲ ὡς φιλάρχῳ καὶ στρατηγικῷ ἁρμόττει, ὥστε οὐ μάτην τὸ εἰπεῖν ‘ τ ὸ ν ἐ μ ό ν τ ε κ α ὶ σ ό ν ’ . ἀλλὰ ταῦτα μὲν ἐν τοῖς ἐφεξῆς

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Natur [Gerechten], das heißt dem Ehrenhaften gehört, gegen diejenigen Krieg zu führen, die gerecht handeln. Und der Jüngling stimmt diese [Aussagen] zu, da er Fortschritt in Richtung auf das Ziel macht.756 Ist es nun etwas Anderes, nach dem ich dich gerade gefragt habe, was 15 das Bessere in Bezug auf Kriegsführung ist? Nachdem durch viele Argumente der Jüngling überzeugt wurde, dass das Ziel des Krieges das Gerechte ist, und dass man gegen diejenigen, die gerecht handeln, keinen Krieg führen sollte, sondern offensichtlich gegen die ungerecht Handelnden (denn in diesem Fall würden wir um des Gerechten willen Krieg führen), erinnert Sokrates den Jüngling an die Frage, auf die er zweifelte, wie er antworten soll. Diese war 20 nämlich, was das Ziel des Krieges ist. Denn das Gleiche macht die [Frage] „was ist das Bessere“ deutlich, wie bereits gesagt. Nun sagt er: „I s t e s e t w a s A n d e r e s , w a s i c h d i c h g e r a d e g e f r a g t h a b e ? “ in dem Sinne wie „w e n n e s n i c h t d a s i s t “. Denn in Platons Sprachgebrauch steht „ist es etwas Anderes“ gemäß der Paralipse für „Wenn es nicht das ist“.757 Mit Hilfe der verschiedenen Aspekte erinnert er ihn daran, was das Bessere bei der Kriegsführung ist, indem er „g e g e n w e n m u s s m a n “ und „w a n n “ sagt. 25 109D Wie nun, mein Freund Alkibiades? Vergisst du etwa selber, dass du es nicht weißt, und Folgendes: Nicht ohne Grund wurde an dieser Stelle „m e i n F r e u n d “ gesetzt, sondern, so wie öfters gesagt wurde, weil die sokratischen Ermahnungen und Widerlegungen ähnlich wie mit Honig verabreichte Medikamente sind758; und er hat vor, den Jüngling mit Widerlegungen 87 zu kränken und ihn aufgrund dessen in Wut zu bringen, dass er nicht weiß, was das Gerechte ist, dazu beschwichtigt er ihn zuerst, indem er ihn als „F r e u n d “ bezeichnet, und kurz darauf erneut schwört: „a u f d e n [Gott der] F r e u n d s c h a f t , a u f m e i n e u n d d e i n e “759. Nun an diesem Punkt untersuchen [die Exegeten], welchen Gott er F r e u n d s c h a f t nennt. Einige sagen wohl, 5 dass es Eros ist760, aber er ist es nicht. Denn Freunde sind den Freunden lieb, in diesem Fall aber liebt Sokrates den Jüngling, wobei der Jüngling seine Liebe nicht entgegnet. Das ist nur am Ende des Dialogs [der Fall], wo die Gegenliebe [des Alkibiades] angegeben wird.761 Wen nennt er dann [den Gott der] F r e u n d s c h a f t ? Wir sagen also, dass es Zeus ist.762 Denn tatsächlich passt Zeus den beiden [Sokrates und Alkibiades] aufgrund seiner herrschenden 10 Natur. [Er passt] Sokrates aufgrund der Philosophie (das ist nämlich der Herrscher über alle anderen Künste)763 und weil auch nach der [Ansicht der] Stoiker derjenige, der die Kenntnis darüber besitzt, wie man herrschen soll, der Herrscher ist, auch wenn er diese Macht nicht ausübt.764 Und solche Menschen sind die Philosophen. Auch deswegen sagt Sokrates im Phaidros: „I c h b i n m i t Z e u s “.765 Alkibiades ist in Übereinstimmung mit [Zeus], da er das Herrschen liebt und den Charakter eines Feldherrn hat, sodass er [sc. Sokrates]

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ἁρμόττει λεχθῆναι· ἐνταῦθα δέ φησιν ὅτι ‘ π ό τ ε ρ ο ν σ α υ τ ὸ ν λ έ λ η θ α ς ἀγνοῶν τὸ δίκαιον’ (οἰκεῖον δὲ ἡ λήθη τῇ ἀγνοία, ἄμφω γὰρ Γνώσεώς εἰσιν ἀπουσία) ‘ ἢ ἐ μ ὲ ἔ λ α θ ε ς μ α θ ώ ν ; ’ ἀντὶ τοῦ ‘πῶς, εἴγε δίκην συνειδότος ἐφ’ ἑκάστῃ ἡμῶν ἐνεργείᾳ παρόντος κἀγὼ συνακολουθῶ σοι, λαθεῖν με ἔμελλες;’ Καὶ φοιτῶν εἰς διδασκάλου: ἐντεῦθέν ἐστι μαθεῖν ὅτι καὶ οἱ μανθάνοντες παρὰ ἄλλου ἔχουσί τι αὐτοκίνητον, τουτέστι τὸ προαιρεῖσθαι μανθάνειν καὶ φοιτᾶν εἰς διδασκάλου καὶ μὴ βίᾳ | καὶ μοχλείᾳ προσλαμβάνειν τὸ μανθάνειν, εἰ καὶ παρ’ ἑτέρων αὐτοῖς ἡ γνῶσις προσέρχεται. Καὶ τίς ἐστιν οὗτος; φράσον καὶ ἐμοί, ἵνα αὐτῷ φοιτητὴν προξενήσης ἐμέ: ζητητέον πῶς, εἰ δεῖ καὶ τὰς εἰρωνείας τοῦ φιλοσόφου ἀληθεῖς εἶναι, νῦν ὁ Σωκράτης εἰδὼς τὸ δίκαιον λέγει πρὸς τὸν νέον ὅτι ‘φράσον μοι παρ’ ὅτου τὸ δίκαιον ἔμαθες, ἵνα αὐτῷ φοιτήσω’. ἤ φαμεν ὅτι δεῖ τὸν ἐρωτικὸν καὶ συναγνοεῖν καὶ συνανάγεσθαι τοῖς παιδικοῖς· ὡς μὲν οὖν ἐρωτικὸς ὁ Σωκράτης ἠγνόει τὸ δίκαιον ἀγνοοῦντος τοῦ νέου, ὡς δὲ διδάσκαλος ἠπίστατο. ἢ καὶ βʹ λύσιν· ὅτι ἢ πρὸς κρείττονα ἐφοίτα ὁ Σωκράτης καὶ ὠφέλητο, ἢ πρὸς χείρονα καὶ ὠφέλει, ἢ πρὸς ἴσον, καὶ ‘κοινὰ τὰ φίλων’. Ὃν ἐγὼ ἥκιστ’ ἂν ἐπιορκήσαιμι: ἐνταῦθα ζητητέον πῶς φησίν, ‘ὃν ἐγὼ οὐδαμῶς ἂν ἐπιορκήσω’. τί γάρ; ἕτερον ἐπιώρκει; ἤ φαμεν ὅτι προσυπακουστέον τὸ ‘πρὸς σέ’· μετριώτερον γὰρ τὸ πρὸς ἀλλοτρίους καὶ ξένους ἐπιορκεῖν ἢ πρὸς φίλους. ἢ ὅτι δεινότερόν ἐστιν τοὺς μετὰ ἰδιότητος θεοὺς ἐπιορκεῖν ἢ τοὺς ἄλλους· αἱ γὰρ ἰδιότητες καὶ οἱ προσδιορισμοὶ παραβαινόμενοι χαλεπώτερα ποιοῦσι τὰ ἁμαρτήματα, πρόσκειται δὲ τὸ ‘ φ ί λ ι ο ν ’ . οὕτω καὶ ἐν Κρατύλῳ φησὶν μὴ δεῖν ἐπιορκεῖν τὸν ξένιον ἢ ὁμόγνιον, δηλονότι ὡς τῶν προσδιορισμῶν μὴ ὀφειλομένων παραβαίνεσθαι. ἢ ὅτι οὐ πρὸς ἀντιδιαστολὴν ἐνταῦθα τὸ ‘ ὃ ν ’ εἴρηται.

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nicht ohne Grund „a u f m e i n e u n d d e i n e “ sagt. Vielmehr ist es für diese 15 Worte geeignet, dass sie in Folge zueinander gesagt wurden. Er sagt hier also: „V e r g i s s t d u e t w a s e l b e r , dass du das Gerechte nicht weißt?“. (Das Vergessen ist nämlich verwandt mit der Unwissenheit, denn die beiden sind die Abwesenheit der Erkenntnis766), „O d e r h a b e i c h n i c h t g e m e r k t , d a s s d u e s g e l e r n t h a s t ? “, in dem Sinne wie: „Wie kann es sein, dass du meine Aufmerksamkeit entgehen könntest, wenn ich dich überall verfolge, wie das Bewusstsein, das bei jeder einzelnen unserer Handlungen anwesend 20 ist?“767 Und den Unterricht eines Lehrers besucht hast: Daraus soll man lernen, dass auch diejenigen, die [etwas] von jemandem anderen lernen, eine Art Selbstbewegung haben: Nämlich, sich fürs Lernen zu entscheiden und sich zu einem Lehrer zu begeben und nicht durch Zwang oder durch harte Übung Lehre 88 zu erhalten, auch wenn die Erkenntnis ihnen durch anderen zuteil wird. Und wer ist dieser [Lehrer]? Nenn ihn auch mir, damit du auch mich ihm als Schüler vorstellst: Es muss untersucht werden, warum – da die 5 ironischen Äußerungen eines Philosophen auch der Wahrheit entsprechen – jetzt Sokrates, der das kennt, was gerecht ist, dem Jüngling sagt: „Nenne mir, von wem du gelernt hast, was gerecht ist, damit ich ein Schüler von ihm werde.“768 Dazu sagen wir, dass es einem Liebhaber gehört, sowohl zusammen mit seinem Liebling nicht zu wissen als auch zusammen mit ihm vorzugehen. Daher Sokrates, als ein Liebhaber, kennt es nicht, was gerecht ist, solange der Jüngling es auch nicht kennt, als ein Lehrer dennoch wusste er das. Oder es gibt eine 10 zweite Lösung: Entweder würde Sokrates zu einem besseren Lehrer gehen und Hilfe bekommen, oder zu einem schlechteren [gehen] und [ihm] helfen, oder zu einem gleichwertigen, und [so nach dem Spruch] „u n t e r F r e u n d e n i s t a l l e s g e m e i n s a m “769. Bei dem ich wohl am wenigsten einen Meineid schwören würde: An dieser Stelle soll es untersucht werden, warum er sagt: „Bei dem ich wohl niemals einen Meineid schwören werde“. Was bedeutet das? Würde er bei einem anderen [Gott] einen Meineid schwören? Dazu sagen wir, dass man es mit 15 „gegenüber dir“770 ergänzen soll. Denn es ist angemessener, gegenüber anderen und den Fremden einen Meineid zu schwören, als gegenüber den Freunden. Oder, [er sagt es,] weil es schlimmer ist, bei den Göttern einen Meineid zu schwören, die über einen eigenen Wirkungsbereich [verfügen], als bei anderen [Göttern]. Denn die eigenen Wirkungsbereiche und spezielle Bestimmungen führen dazu, dass die Verstöße gravierender werden, wenn man sie überschreitet, und [hier] wird [bei dem Gott der] „F r e u n d s c h a f t “ hinzugefügt. Auch im Kratylos771 sagt er, dass es sich nicht gehört, bei [Zeus] der Fremden 20 oder [Zeus] der Verwandtschaft einen Meineid zu schwören, offensichtlich weil

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C. Text und Übersetzung

109E Τί δέ, εἰ μὴ ἔχω; οὐκ ἂν οἴει με | ἄλλως εἰδέναι; ἐν τούτοις ἀναλυτικῶς παραδίδοται ὁ συλλογισμός, ὃν ἀνωτέρω συνθετικῶς προήγαγεν. εἰπὼν γὰρ ὁ Σωκράτης ὅτι ‘ἠπίστασο ἂν τὰ δίκαια, εἰ ἐφοίτησας παρὰ διδασκάλῳ’, καὶ τοῦ νέου εἰπόντος ‘τί δέ; οὐκ ἐνδέχεται ἄλλως με γινώσκειν;’ ἐπάγει ὁ Σωκράτης ἑτέραν πρότασιν, ὅτι ‘εἴ γε εὕροις’, καὶ πάλιν ‘εἰ ἐζήτησας· ἐζήτησας δὲ ἄν, εἰ ἐνόμισας μὴ εἰδέναι· ἀλλὰ μὴν οὐκ ἔχεις χρόνον εἰπεῖν ὃν ἡγήσω ἀγνοεῖν’. ἀναλογίζεται γὰρ πᾶσαν τὴν ἡλικίαν τοῦ νέου κἀντεῦθεν δείκνυσιν αὐτὸν ἀγνοοῦντα τὸ δίκαιον. Καὶ μάλα γ’, εἰ ζητήσαις: οὐχ ἁπλῶς ἐνταῦθα πρόσκειται τὸ ‘ μ ά λ α ’ , ἀλλὰ θαρροῦντός ἐστι τῇ εὐφυΐᾳ τοῦ νέου, ὅτι εἰ ἐζήτησε πάντως ἂν ἤμελλεν εὑρεῖν.

110A Καὶ τἀληθῆ ἀποκρίνου, ἵνα μὴ μάτην οἱ διάλογοι γίνωνται: ἄνω μέν, ἔνθα καθολικαὶ ὑπῆρχον αἱ προτάσεις, οὐκ ᾔτει τὸν νέον ἀληθῆ ἀποκρίνασθαι· εἰ γὰρ καὶ ἐψεύσατο, ἀλλ’ οὖν ἐξ ἑτέρων διὰ τοῦ καθολικοῦ τῶν προτάσεων ἠλέγχετο. ἐνταῦθα δέ, ἐπειδὴ μερικαί εἰσι καὶ ἀπὸ ἱστορίας εἰλημμέναι, αἰτεῖ αὐτὸν ἀληθεῦσαι· εἰ γὰρ μὴ τὰ ἀληθῆ ἀποκρίνηται, οἴχεται καὶ μάταιος ἔσται ὁ συλλογισμός. καὶ ἔστιν ἐντεῦθεν ἑλεῖν Πλατωνικὸν δόγμα, ὅτι ἐκ ψευδῶν προτάσεων οὐδὲν ἀναγκαῖον συνάγεται, ἀλλὰ μάταιος ἔσται ὁ συλλογισμός· φησὶ γὰρ ‘ ἵ ν α μ ὴ μ ά τ η ν ’ . εἰ γὰρ καὶ ἀληθές ποτε ἐκ ψευδῶν συναχθήσεται, οὐ διὰ τὸ ἀναγκαστικὸν τῶν προτάσεων, ἀλλὰ διὰ τὸ ἐνδεχόμενον τῆς ὕλης τοῦτο γίνεται. Ἀλλὰ μὴν τό γε πρὸ τούτου παῖς ἦσθα: διαφέρει παῖς παιδίου· παιδίον μὲν γάρ ἐστιν ὁ μέχρι ἑπτὰ | ἐτῶν, παῖς δὲ ὁ ἀπὸ ἑβδόμου ἔτους μέχρι τεσσαρεσκαιδεκάτου, ὅτε καὶ λοιπὸν ἔφηβος γίνεται. καλῶς οὖν ὁ Σωκράτης παῖδα τὸν νέον εἶπεν εἶναι πρὸ πέντε ἐτῶν, εἴγε νῦν κʹ ἐτῶν οὔπω ἐστίν.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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ihre speziellen Bestimmungen nicht überschritten werden dürfen. Oder wurde „b e i d e m “ hier nicht gesagt, um einen Gegensatz [zu den anderen Göttern] zu äußern.772 109E Was aber, wenn ich das nicht kann? Würdest du etwa nicht 89 glauben, dass ich auf eine andere Weise wissen könnte? Bei diesen Aussagen gibt er durch Auseinanderlösung die Schlussfolgerung an, den er oben durch Zusammensetzung vorgeführt hatte.773 Denn Sokrates sagt: „Dann hättest du nämlich das Gerechte gewusst, wenn du bei einem Lehrer gelernt hättest“, und als der Jüngling sagt: „Was jetzt? Akzeptierst du nicht, dass ich auf eine andere Weise wissen kann?“, fügt Sokrates eine andere Prämisse: „Wenn du 5 aber [selbstständig] gefunden hättest“, und wiederum: „Wenn du untersucht hättest. Untersuchen würdest du aber, wenn du geglaubt hättest, dass du es nicht kennst. In der Tat aber hast du keine Zeit zu nennen, in der du dachtest, dass du nicht weißt.“ Denn er fasst [damit] die ganze Lebensdauer des Jünglings zusammen, und zeigt ausgehend davon, dass er das Gerechte nicht weiß. Aber ganz bestimmt, wenn du es untersucht hättest: Nicht unbegründet 10 ist hier „g a n z “ hinzugefügt, sondern es zeigt Vertrauen an die natürliche Begabung des Jünglings, dass er das sehr wahrscheinlich finden würde, wenn er das untersucht hätte.774 110A Und antworte mir wahrheitsgemäß, damit unsere Gespräche nicht vergeblich werden: Früher nämlich, als die Prämissen eine universelle Beschaffenheit hatten, hat er den Jüngling nicht aufgefordert, wahrheitsgemäß zu antworten. Denn auch wenn er gelogen hätte, wäre er dann ausgehend von 15 der Universalität anderer Prämissen widerlegt. An dieser Stelle dagegen, da [die Prämissen] geteilt und aus den persönlichen Darstellungen ausgesucht sind775, fordert er ihn darauf, die Wahrheit zu sagen. Wenn er nämlich nicht die Wahrheit als Antwort gibt, wird die Schlussfolgerung vergeblich weitergehen.776 Und daraus soll man den platonischen Grundsatz ziehen, dass aus falschen Prämissen nichts zwangsläufig folgt, sondern die Schlussfolgerung 20 bedeutungslos wird. Denn er sagt: „D a m i t e s n i c h t v e r g e b l i c h w i r d “. Doch auch wenn wahre Aussagen manchmal aus falschen Prämissen gefolgert werden, das geschieht nicht, weil die Prämissen diese Schlussfolgerung zwingen, sondern aufgrund der Möglichkeit der Materie.777 Aber gewiss warst du davor doch ein Kind: Es gibt einen Unterschied zwischen einem Kind und einem kleinen Kind. Ein kleines Kind ist [ jemand] bis 90 zum siebten Jahr, ein Kind ist es aber ab dem siebten bis zum vierzehnten Jahr, dann und nach diesem [ Jahr] wird er ein Ephebe.778 Zutreffend sagt also Sokrates, dass der Jüngling vor fünf Jahren ein Kind war, wenn er nun nicht mal 20 Jahre alt ist.779

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110B Ὡς πονηρὸς καὶ ἄδικος εἴη: τοῦτο σημεῖον μεγάλης καὶ δεξιᾶς φύσεως τοῦ νέου, εἰ ἐκ παιδὸς πονηροὺς ἡγεῖτο τοὺς ἀδίκους εἶναι, ἀπὸ τῆς κοινῆς ἐννοίας μόνον γινώσκων τοῦτο. οὐ γὰρ εἰς διδασκάλων πω τοιούτων ἐπεφοιτήκει, δυναμένων διδάξαι τὸ δίκαιον. Σὺ δὲ εἰ τύχοις ἀγνοῶν εἴτ’ ἀδικοῖο εἴτε μή, καὶ τὰ ἑξῆς: τί φησι; τοῦ νέου εἰρηκότος ‘τί γάρ με προσῆκε ποιεῖν ἀδικούμενον ἢ λέγειν ὅτι ἀδικοῦμαι;’ ὁ Σωκράτης λέγει, ‘εἰ δὲ ὅλως ὡς ἀγνοῶν τὸ δίκαιον ἠγνόεις εἴτε ἀδικῇ εἴτε μή, τότε λέγεις τί ἔδει σε ποιεῖν; δῆλον γὰρ ὅτι ὑπελείπετό σοι τὸ φιλεῖν μανθάνειν’. εἶτα πρὸς ταῦτα πάλιν τοῦ νέου ὀμνύντος μὴ ἀγνοεῖν, ἀλλὰ σαφῶς εἰδέναι ὅτι ἠδικεῖτο, ὁ Σωκράτης πάλιν τῷ αὐτῷ συλλογισμῷ κέχρηται, ὅτι ‘ἐ ν π ο ί ῳ χ ρ ό ν ῳ ἐ ξ ε υ ρ ώ ν ; πότε, ὁμολογήσας ἀγνοεῖν, ἐζήτησας; εἰ δὲ μήτε ζητήσας εὗρες μήτε ἔμαθες μὴ φοιτήσας εἰς διδασκάλου (τοῦτο γὰρ ἀνωτέρω ὡμολόγησας), δηλονότι οὐκ οἶσθα τὸ δίκαιον’. Τὸ δὲ ἄνω εἰρημένον, ‘πολλάκις σοῦ ἐν διδασκάλων ἤκουον’, ἐπὶ κιθαριστοῦ καὶ γραμματιστοῦ καὶ παιδοτρίβου μόνων δεῖ νοεῖν· ταῦτα γὰρ μόνα ἐπαιδεύθη ὁ νέος.

110D Πῶς οἶσθα καὶ πόθεν; ‘ π ῶ ς ; ’ ἀντὶ τοῦ ‘μὴ ζητήσας καὶ εὑρών’ ‘ π ό θ ε ν ; ’ ἀντὶ τοῦ ‘μὴ φοιτήσας παρ’ ἄλλῳ καὶ μαθών’.

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Πρᾶξις σὺν θεῷ ιʹ 110D-112D Ἀλλ’ ἴσως τοῦτό σοι οὐκ ὀρθῶς ἀπεκρινάμην. Δειχθεὶς ὁ Ἀλκιβιάδης μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον (οὔτε γὰρ ἔμαθεν οὔτε εὗρεν, ὡς προαποδέδεικται), ὡς εὐφυὴς ὢν ἀνα|τίθεται πρὸς τὴν μίαν τῶν προτάσεων τὴν λέγουσαν ὅτι γινώσκει τὰ δίκαια ὡς εὑρών. ἐπειδὴ γὰρ προσεχῶς ἐλήλεγκται αὕτη, φησὶν μὴ καλῶς τοῦτο ἀποκρίνασθαι· ‘γινώσκω γὰρ οὐχ εὑρών, ἀλλὰ μαθών’. καὶ τοῦ Σωκράτους μέλλοντος τοῖς αὐτοῖς λόγοις χρῆσθαι, ὅτι ‘ἐν ποίῳ χρόνῳ, παρὰ ποίοις διδασκά-

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110B Dass er böse und ungerecht sei: Das ist ein Zeichen für die großmütige und rechtschaffene Natur des Jünglings, dass er schon seit der Kindheit böse Kinder gleichzeitig für ungerechte hält, auch wenn er das allein durch die Gemeinbegriffe [in seiner Seele] weiß.780 Denn in dieser Zeit war er noch nicht Schüler solcher Lehrer gewesen, die dazu fähig sind, das Gerechte zu lehren. Was hättest du getan, wenn du damals nicht wusstest, ob dir Unrecht getan wurde oder nicht, und Folgendes: Was meint er? Nachdem der Jüngling gesagt hat: „Was hätte ich denn machen sollen, wenn mir jemand Unrecht tat, außer zu sagen, dass mir Unrecht getan wurde?“781, antwortet Sokrates: „Du meinst, was hättest du dann tun sollen, als du es nicht gewusst hättest, ob es dir unrecht getan wurde oder nicht, da du über das Gerechte völlig unwissend warst? Eindeutig bliebe es dir [dann] Freude am Lernen zu haben.“782 Nachdem der Jüngling darauf erneut geschworen hat, dass er nicht unwissend war, sondern genau verstand, dass ihm Unrecht getan wurde, gebrauchte Sokrates wiederum die gleiche Schlussfolgerung, nämlich: „Z u w e l c h e r Z e i t h a s t d u e s h e r a u s g e f u n d e n ? 783 Wann hast du es untersucht, indem du annimmst, das nicht zu wissen? Wenn du [es] aber weder durch Untersuchung gefunden, noch gelernt hast, da du bei keinem Lehrer in die Lehre gingst (das hast du nämlich oben gestanden), folgt daraus eindeutig, dass du nicht kennst, was gerecht ist.“784 Das vorher Erwähnte „Mehrmals habe ich dir bei den Lehrern zugehört“785 soll so verstanden werden, dass es sich nur auf Kitharalehrer, Elementarlehrer und Sportlehrer786 bezieht. Denn der Jüngling wurde nur in diesen [Fächern] ausgebildet. 110D Wie weißt du das, und woher? Mit „w i e “ meint er: „Du hast nicht untersucht und gefunden“. Mit „w o h e r “ meint er: „Du hast nicht bei jemandem anderen studiert und gelernt“.

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110D–112D Aber vielleicht habe ich dir keine richtige Antwort gegeben: Nachdem es aufgezeigt wurde, dass Alkibiades nicht weiß, was gerecht ist (denn er hat das weder gelernt noch [selbstständig] gefunden, wie vorher gezeigt wurde), widerruft er, dank seiner natürlichen Begabung, eine der 91 Prämissen787 nachträglich, die besagt, dass er das Gerechte wisse, da er das [selbstständig] gefunden habe. Da aber diese [Prämisse] umgehend widerlegt wurde,788 sagt er [sc. Alkibiades], dass er diese Antwort nicht zutreffend gegeben habe. „Denn ich weiß es nicht durch [selbstständiges] Finden, sondern durch

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λοις;’ καὶ τὰ τοιαῦτα, ὁ Ἀλκιβιάδης διδασκάλους προβάλλεται τοὺς πολλοὺς καὶ λέγει μεμαθηκέναι τὰ δίκαια παρὰ τῶν πολλῶν. οὐ γὰρ μόνων τῶν δικαίων, φησίν, εἰσὶν οὗτοι διδάσκαλοι, ἀλλὰ καὶ τοῦ ἑλληνίζειν. ᾤετο δὲ αὐτοὺς ταῦτα εἰδέναι καὶ διδάσκειν ὡς ἄμφω νομίζων θέσει εἶναι· τούτων γὰρ δεσπόται εἰσὶν οἱ πολλοί· καὶ γὰρ γινώσκουσιν ἃ τεθείκασιν, οἶον τὰ ὀνόματα. οὐ μὴν τὸ δίκαιον θέσει ἐστίν· διὸ ὁ Σωκράτης τὸ μὲν ἓν ἀποδέχεται, τὸ διδασκάλους εἶναι τοὺς πολλοὺς τοῦ ἑλληνίζειν, τὸ δὲ ἕτερον οὐδαμῶς, τὸ διδάσκειν τὰ δίκαια. Πρῶτον μὲν γάρ φησιν· ‘πῶς οἱ τὰ εὐτελέστερα καὶ χείρω μὴ γινώσκοντες, οἷον τὸ πεττεύειν, τὰ κρείττω γινώσκοντες, οἶον τὰ δίκαια καὶ τὰ ἄδικα, δύνανται περὶ αὐτῶν διδάσκειν;’ καὶ ἄπορος ὁ λόγος οὗτος, πῶς ὁ Σωκράτης φησὶ τοὺς πολλοὺς μὴ εἰδέναι τὰ δίκαια διότι τὰ χείρω μὴ γινώσκουσιν. οὔτε γὰρ Ἱπποκράτης, ἐπειδὴ τὰ τεκτονικὰ οὐκ ἠπίστατο, διὰ τοῦτο καὶ τὰ δ’ στοιχεῖα ἠγνόει, ἐξ ὧν ἔφη συγκεῖσθαι τὰ ἀνθρώπινα σώματα· καίτοι ταῦτα κρείττω τῶν τεκτονικῶν. πρὸς τοῦτο οὖν ὁ Πρόκλος οὕτως ἐπιλύεται· φησὶ γὰρ ὅτι οἱ τὰ εὐτελέστερα καὶ οἰκειότερα μὴ γινώσκοντες, οὗτοι οὐδὲ τὰ κρείττω γινώσκουσιν. ὁ δὲ Δαμάσκιος οὐχ οὕτως· οὐ γάρ φησιν χρείαν εἶναι τῆς προσθήκης ταύτης, τοῦ εἰπεῖν ‘οἰκειότερα’, ἀλλ’ ἐπιλύεται λέγων οὕτως. οἱ τὰ εὐτελέστερα μὴ δυνάμενοι μανθάνειν, οὗτοι οὐδὲ τὰ κρείττω γινώσκουσιν· εὐτελέστερον δὲ τὸ πεττεύειν τοῦ τὰ δίκαια εἰδέναι, τοῦτο δὲ ἀγνοοῦσιν· δῆλον ὅτι καὶ τὰ δίκαια ἀγνοοῦσιν οἱ πολ|λοί. Εἶτα δὲ ἐπὶ τούτοις ὁ Σωκράτης λέγων τοὺς πολλοὺς μὴ εἰδέναι τὰ δίκαια, φησὶν αὐτοὺς διαφωνεῖν περὶ τούτου πρὸς ἀλλήλους· ἄλλοι γὰρ ἄλλο δίκαιον ἡγοῦνται. σημεῖον δὲ ἀγνοίας καὶ ἀνεπιστημοσύνης ἡ ἀσυμφωνία· οὐχ ὅτι οἱ συμφωνοῦντες ἀλλήλοις πάντως ἐπιστήμονές εἰσιν (διὰ τοὺς Δημοκριτείους, συμφωνοῦντας μὲν περὶ τοῦ κενοῦ ὅτι ἐστίν, ἀνεπιστήμονας δὲ διὰ τοῦτο ὄντας, οὐκ ἔστι γάρ), ἀλλ’ οἱ μὲν ἐπιστή-

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Lernen“.789 Und als Sokrates die gleichen Argumente benutzen wollte, nämlich: 5 „Zu welcher Zeit, bei welchen Lehrern?“ und Ähnliche790, gibt Alkibiades die Mehrheit als Lehrer an und behauptet, das Gerechte von der Mehrheit gelernt zu haben. Denn nicht nur für das Gerechte seien diese die Lehrer, sagt er, sondern auch um Griechisch zu sprechen. Er meinte also, dass die [Mehrheit] diese Dinge weiß und lehren kann, da er annahm, diese beiden seien der Konvention nach 10 [gestaltet].791 Die Mehrheit ist nämlich die Autorität über diese Dinge [nach Konvention]. Und sie wissen natürlich auch, welche [Konventionen] sie festgelegt haben, beispielsweise die Namen. Dagegen ist das Gerechte überhaupt nicht der Konvention nach [bestimmt]. Daher akzeptiert Sokrates das eine, nämlich dass die Mehrheit Lehrer für die griechische Sprache sind; auf keinen Fall aber das andere, nämlich dass sie das Gerechte lehren. Er sagt also zuallererst: „Wie kann es sein, dass diejenigen, die belanglosere und niedrigere Dinge nicht wissen, wie Brettspiele zu spielen, wichtigere Dinge 15 wissen, wie was gerecht und ungerecht ist, sodass sie darüber Unterricht erteilen können?“.792 Diese Argumentation ist aber widersprüchlich: Wie kann Sokrates behaupten, dass die Mehrheit aufgrund dessen, dass sie niedrigere Dinge nicht kennt, auch das nicht weiß, was gerecht ist? Denn auch Hippokrates war aufgrund dessen, dass er über das Bauwesen keine fachliche Kenntnis besaß, nicht unwissend über die vier Elemente, aus denen, wie er sagt, die menschlichen Körper zusammengesetzt sind.793 In der Tat aber ist dieses 20 wichtiger als das Bauwesen. Gegen diese [Frage] nun bietet Proklos eine derartige Lösung an: Er sagt nämlich, dass diejenigen, die die minderwertigeren und [ihnen] bekannteren Dinge nicht wissen, auch die wichtigeren Dinge nicht wissen. Damaskios dagegen [löst die Frage] nicht auf diese Weise. Denn er meint, dass den Zusatz „bekanntere“ bei dieser Aussage zu benutzen nicht nötig ist, sondern er löst [die Frage], indem er Folgendes sagt: Diejenigen, die 25 minderwertigere Dinge nicht verstehen können, wissen auch die wichtigeren Dinge nicht. Doch Brettspiele zu spielen ist minderwertiger als zu kennen, was gerecht ist, und sie [sc. die Mehrheit] sind unwissend darüber [sc. Brettspiele]. Daraus wird deutlich, dass die Mehrheit unwissend über das Gerechte ist. 92 Über seine Aussage hinaus, dass die Mehrheit nicht kennt, was gerecht ist, sagt Sokrates nachfolgend, dass sie darüber miteinander uneinig sind. Denn verschiedene Menschen haben verschiedene Meinungen über das Gerechte. Die Uneinigkeit ist aber ein Zeichen der Unwissenheit und Unkenntnis.794 [Das 5 bedeutet] nicht, dass diejenigen, die [über etwas] miteinander einig sind, eine vollkommen zuverlässige Kenntnis darüber besitzen (beispielsweise Demokriteer, die einerseits einig darüber sind, dass die Leere existiert795, andererseits aus diesem Grund keine zuverlässige Kenntnis haben; denn diese existiert nicht796);

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μονες συμφωνοῦσιν ἀλλήλοις, κατὰ δὲ τὴν σὺν ἀντιθέσει ἀντιστροφὴν ἀπὸ τοῦ ἑπομένου γινομένην οἱ μὴ συμφωνοῦντες ἀνεπιστήμονές εἰσιν. αὖθις δὲ ἐπάγει καὶ ἐπίτασιν τῆς διαφωνίας, ὅτι καὶ στασιάζουσιν οἱ πολλοὶ περὶ τῶν δικαίων πρὸς ἀλλήλους, οὐ μόνον δὲ στασιάζουσιν, ἀλλὰ καὶ πόλεμοι μέγιστοι διὰ τοῦτο γεγόνασιν. ἡ μὲν γὰρ στάσις μικρὰ μάχη ἐστίν (εἰ καί, ὅτι πρὸς οἰκείους γίνεται, χείρων ἐστὶ τοῦ πολέμου), ὁ δὲ πόλεμος μεγάλη μάχη. καὶ γάρ, ὡς προείρηται, ἐπειδὴ διὰ πάσης τῆς οὐσίας ἡμῶν καὶ τῆς τριμερείας τῆς ψυχῆς διῆλθε τὸ δίκαιον, διὰ τοῦτο οἱ ἀδικούμενοι νεκροὺς καὶ ἀνουσίους ἑαυτοὺς ἡγοῦνται, εἰ μὴ τύχωσι τοῦ δικαίου· δι’ ὃ καὶ τοὺς μεγίστους πολέμους κινοῦσι. καὶ παραδείγματα τοῦ διὰ τὸ δίκαιον τοὺς πολέμους γίνεσθαί φησιν τήν τε Ἰλιάδα καὶ τὴν Ὀδύσσειαν εἶναι. οὐδὲν γάρ ἐστιν ἡ Ἰλιὰς ἢ ῥαψῳδία δικαιολογίας βαρβάρων πρὸς Ἕλληνας, τῶν μὲν | βαρβάρων λεγόντων προηδικῆσθαι διὰ τὸν Ἰάσονα Ἕλληνα ὄντα καὶ τὴν Μήδειαν ἁρπάσαντα βάρβαρον οὖσαν , τῶν δὲ Ἑλλήνων μᾶλλον λεγόντων ἠδικῆσθαι διὰ τὴν ἁρπαγὴν τῆς Ἑλένης. ταῦτα δὲ ὁ Ἡρόδοτος εὐθέως ἐν ἀρχῇ τῆς οἰκείας ἱστορίας φησίν. καὶ ἐν Ὀδυσσείᾳ δὲ δικαιολογία ἐστὶ μνηστήρων καὶ Τηλεμάχου, τῶν μὲν μνηστήρων λεγόντων μὴ δεῖν γυναῖκα χήραν τοὺς πρώτους τῆς Ἰθάκης μετὰ πολλῶν ἔδνων προσιόντας ἀποστρέφεσθαι, τοῦ δὲ Τηλεμάχου λέγοντος μήπω φανερὸν εἶναι εἰ τέθνηκεν ὁ πατήρ, καὶ ὅτι οὐ δίκαιόν ἐστι τὸν πατρῷον οἶκον ὑπ’ αὐτῶν κείρεσθαι. ἐπὶ δὲ καὶ ἄλλο παράδειγμα τὴν ἐν Κορωνείᾳ μάχην λέγων, ὅτι καὶ αὕτη διὰ τὸ δίκαιον γέγονεν, καὶ δυνάμενος ἕτερον πόλεμον μείζονα παραγαγεῖν οὐ πεποίηκεν τοῦτο, καταποικίλλων τὴν ἑαυτοῦ διδασκαλίαν. τὸν μὲν γὰρ Τρωϊκὸν διὰ τὸ λαμπρότερον τοῦ ὑποκειμένου τέθεικεν, τὸν δὲ ἐν Κορωνείᾳ διὰ τὸ οἰκειότερον αὐτὸν εἶναι τῷ νέῳ· καὶ γὰρ Κλεινίας ὁ Ἀλκιβιάδου πατὴρ ἀριστεύσας ἐκεῖ ἐτεθνήκει. κατὰ ζῆλον δὲ ποιητικὸν τοῦτο πεποίηκεν· καὶ γὰρ παρὰ τῷ ποιητῇ διαλεγόμενος ὁ Νέστωρ πρὸς τὸν Ἀχιλλέα τοῦ πολέμου μέμνηται τῶν Λαπιθῶν, ἐν ᾧ ὁ Πηλεὺς ἠρίστευσεν, ὡς καὶ ὁ Ἰσοκράτης ἐν Εὐαγόρᾳ φησίν. οὕτω δὲ καὶ ὁ Πρίαμος πρὸς τὸν Ἀχιλλέα

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dagegen diejenigen, die [etwas] mit Sicherheit wissen, sind miteinander einig, wird gemäß der Umkehrung mit der Antithese797, die aus dem Folgenden hervorgeht, dass diejenigen, die über etwas nicht einig sind, keine zuverlässige Kenntnis haben. Ferner fügt er [sc. Sokrates] auch die Kraft der Uneinigkeit 10 hinzu, dass auch die Mehrheit darüber, was gerecht ist, miteinander in den innenpolitischen Konflikt geraten wird; und sie gerät nicht nur in Konflikt, sondern auch die größten Kriege kommen deswegen zustande. Denn eine innenpolitische Unruhe ist doch ein begrenzter Konflikt (auch wenn es schlechter als ein Krieg ist, da es gegen die eigenen [Bürger gerichtet] ist), der Krieg [zwischen Staaten] aber ist ein großer Konflikt. Und tatsächlich, wie bereits gesagt wurde, da das Gerechte durch unsere gesamte Wesenheit und 15 durch die drei Teile der Seele durchdringt798, stellen sich diejenigen, denen Unrecht widerfuhr, sich wie Tote und Wesenlose vor, solange sie die Gerechtigkeit nicht erlangen. Aus diesem Grund veranlassen sie auch die größten Kriege. Und er [sc. Sokrates] sagt, dass Beispiele für die Kriege, die um des Gerechten willen geschehen, in der Ilias und der Odyssee zu finden sind. Denn Ilias ist nichts anderes als ein Epos über den Gerechtigkeitsanspruch der Barbaren und 93 der Griechen, wobei einerseits die Barbaren behaupten, dass sie zuerst ungerecht behandelt wurden, als Jason, der ein Grieche war, Medea, die eine Barbarin war, entführt hatte; die Griechen andererseits sagen, dass ihnen durch die Entführung der Helene ein größeres Unrecht widerfuhr. Diese [Ereignisse] also erzählt Herodot gleich am Anfang seiner eigenen Historien.799 Und in der 5 Odyssee gibt es den Gerechtigkeitsanspruch der Freier und des Telemachos800, wobei die Freier sagen, dass es einer Witwe nicht gehört, die hervorragenden Männer Ithakas abzulehnen, die an sie mit reichlichen Mitgiften herantreten; Telemachos dagegen behauptet, dass es noch nicht geklärt ist, ob sein Vater starb, und dass es nicht gerecht ist, dass sein Vaterhaus von ihnen ausgeplündert wird. Darüber hinaus gibt er [sc. Sokrates] auch die Schlacht von Koroneia als 10 ein anderes Beispiel, da auch diese [Schlacht] aufgrund des Gerechten geschehen ist, und obwohl er einen anderen größeren Krieg vorstellen könnte, macht er das nicht, um seine Lehre mit vielfältigen Elementen zu schmücken.801 Er stellte nun einerseits den Trojanischen Krieg aufgrund der größeren Berühmtheit dieses Gegenstands, andererseits die [Schlacht] von Koroneia, weil diese die Familie des Jünglings mehr betraf. Denn hat ja Kleinias, der Vater 15 des Alkibiades, sich dort [bei Koroneia] hervorgetan und ist zu Tode gekommen. In Nachahmung des dichterischen Stils hat er [sc. Sokrates] das gemacht. Auch bei dem Dichter nämlich erinnert Nestor im Gespräch mit Achilleus an den Krieg mit den Lapithen802, bei dem Peleus sich hervorgetan hatte, wie auch Isokrates im Euagoras sagt.803 So spricht auch Priamos zu Achilleus:

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C. Text und Übersetzung

‘μνῆσαι πατρὸς σεῖο, θεοῖς ἐπιείκελ’ Ἀχιλλεῦ’.

ἐν οἷς ἡ θεωρία.

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110D Ἀλλ’ ἴσως τοῦτο οὐκ ὀρθῶς ἀπεκρινάμην, τὸ φάναι εἰδέναι αὐτὸς ἐξευρών: ἐνταῦθα, ὡς προείρηται, πρὸς τὴν μίαν τῶν προτάσεων ἀνατίθεται, λέγων μὴ καλῶς εἰρηκέναι ὅτι οἶδε τὰ δίκαια ἐξευρών· ‘οὐ γὰρ ἐξευρὼν ἀλλὰ μαθών’, φησί, ‘γινώσκω ταῦτα’. καὶ τοῦ Σωκράτους ἀπαιτοῦντος εἰπεῖν τοὺς διδασκάλους, ἵνα καὶ αὐτὸς φοιτήσῃ | πρὸς αὐτούς, ὁ νέος φησὶ π α ρ ὰ τ ῶ ν π ο λ λ ῶ ν μεμαθηκέναι. εἶτα δείκνυσιν ὁ Σωκράτης ὅτι οὔκ εἰσιν οὗτοι τῶν δικαίων ἀκριβεῖς διδάσκαλοι, ἀλλὰ μὴν οὔτε ‘ κ ρ ή γ υ ο ι ’ , ὡς ἐπὶ λέξεως μικρὸν ὕστερόν φησιν. τὸ δὲ ‘ κ ρ ή γ υ ο ι ’ ἀντὶ τοῦ ‘ἀγαθοὶ’ κεῖται, ὡς καὶ ἐκ τῆς πρὸς τὸ κακὸν ἀντιθέσεως παρὰ τῷ ποιητῇ δῆλον τοῦτο· εἰπὼν γὰρ ‘μάντι κ ακ ῶν, οὐπώποτέ μοι τὸ κρήγυον εἶπες’, ἐπήγαγεν ‘αἰ ε ί τ ο ι τ ὰ κ ά κ ’ ἐ σ τ ὶ φ ί λ α φ ρ ε σ ὶ μ α ν τ ε ύ ε σ θ α ι ’ · ἀντέθηκε γὰρ ‘ τ ὰ κ α κ ὰ ’ πρὸς ‘ τ ὸ κ ρ ή γ υ ο ν ’ ὡς ἀγαθὸν ὄν.

110E Οὐκ εἰς σπουδαίους τε διδασκάλους καταφεύγεις εἰς τοὺς πολλοὺς ἀναφέρων: τὸ ἀπόφθεγμα τῶν ἑπτὰ σοφῶν ἐν τούτοις παρῳδεῖ· ‘ ο ἱ π λ ε ί ο ν ε ς κ α κ ί ο υ ς ’ . ζητοῦμεν δὲ πῶς, εἰ τὸ κατὰ φύσιν πλέον ἐστὶ τοῦ παρὰ φύσιν – κατὰ φύσιν γάρ εἰσι πάντες ἄνθρωποι πενταδάκτυλοι, καὶ τοῦτο ὡς ἐπὶ τὸ πολύ ἐστι, παρὰ φύσιν δὲ ἑξαδάκτυλοι, καὶ τοῦτο ἐπ’ ἔλαττον· – πῶς οὖν, εἰ τὸ κατὰ φύσιν πλεονάζει τοῦ παρὰ φύσιν ο ἱ π λ ε ί ο υ ς κ α κ ο ὶ λέγονται εἶναι; ἤ φαμεν ὅτι, καθάπερ ἐν λοιμώττοντι χωρίῳ οὐ θαυμάζομεν εἰ πολλοὶ νοσοῦσιν, ἀλλ’ εἰ ὀλίγοι ὑγιαίνουσιν, οὕτω καὶ ἐν τούτοις δεῖ νομίζειν ὅτι κατελθοῦσαι ἐνταῦθα αἱ ψυχαὶ μᾶλλον νοσοῦσιν ἤπερ ὑγιαίνουσιν ὡς ἐν τόπῳ οὖσαι ἀνοικείῳ, καὶ διὰ τοῦτο οἱ πλεῖστοι κακοί. πατὴρ γὰρ ἡμῶν καὶ πατρὶς ἀληθὴς ἄνω μόνον ἐστίν.

93, 22 Olymp. τοῦτο οὐκ ὀρθῶς / τοῦτό σοι οὐκ ὀρθῶς Plat. Alc. 110d5. Cf. 90,26. 94, 11 Olymp. τε / γε Plat. Alc. 110e2.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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„G e d e n k e d e i n e s V a t e r s , d e n G ö t t e r n g l e i c h e r A c h i l l e u s ! “804 20

Damit endet die Theorie. 110D Aber vielleicht habe ich keine richtige Antwort gegeben, als ich sagte, dass ich es durch selbstständiges Herausfinden kenne: Ab dieser Stelle, wie bereits gesagt, widerruft Alkibiades nachträglich eine der Prämissen, indem er behauptet, sich nicht richtig ausgedrückt zu haben, dass er die Dinge, die gerecht sind, durch das Herausfinden kennt. „Denn nicht durch Heraus- 25 finden, sondern durch Lernen“, sagt er, „weiß ich diese Dinge“.805 Und als 94 Sokrates ihn aufforderte, seine Lehrer zu benennen, damit er auch sich als Schüler an diese wendet, sagt der Jüngling, dass er das v o n d e r M e h r h e i t gelernt habe.806 Darauf zeigt Sokrates, dass diese [Menschen aus der Mehrheit] keine gewissenhafte Lehrer für die gerechten Dinge sind, aber in der Tat auch nicht „f ö r d e r l i c h e “ 807 [Lehrer], wie er in der Textstelle kurz darauf sagt.808 Er benutzt also „f ö r d e r l i c h e “ im Sinne von „gute“, wie das auch ausgehend 5 von seiner Gegenüberstellung zu dem Üblen bei dem Dichter [sc. Homer] deutlich wird. Er sagt nämlich: „U n g l ü c k s - S e h e r ! N i e h a s t d u m i r j e d a s G e d e i h l i c h e g e r e d e t ! “809

Dazu auch: „I m m e r i s t d i r l i e b i n d e i n e m S i n n , d a s Ü b l e z u k ü n d e n “810

Hier stellt er nämlich „d a s Ü b l e “ gegenüber „d e m F ö r d e r l i c h e n “, da dieses gut ist. 110E Nicht etwa bei beachtenswerten Lehrern findest du Zuflucht, indem du dich auf die Mehrheit berufst811: Er ahmt in dieser Aussage ein Apophthegma der Sieben Weisen nach: „D i e M e h r e r e n s i n d d i e S c h l e c h t e r e n “812. Wir untersuchen nun, wie, wenn es das, was gemäß der Natur ist, viel mehr gibt als das, was gegen die Natur ist, – denn die Menschen haben gemäß der Natur fünf Finger und das kommt bei vielen Fällen vor, gegen die Natur aber haben [manche Menschen] sechs Finger, und das kommt seltener vor. – Wenn es nun davon, was der Natur gemäß ist, mehr gibt als das, was gegen die Natur ist, wie meint er, dass d i e M e h r e r e n s c h l e c h t sind? Dazu sagen wir: Genau wie wir uns nicht darüber wundern, wenn in einem von einer Seuche betroffenen Ort mehrere Menschen krank werden, sondern darüber, wenn wenige [Menschen] gesund bleiben; so auch in diesem Fall muss man annehmen, dass die Seelen, nachdem sie hierher abgestiegen sind, vielmehr krank sind als gesund, da sie sich an einem fremden Ort

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C. Text und Übersetzung

Καίτοι φαυλότερα αὐτὰ τῶν δικαίων εἶναι: ἐνταῦθα ἡ ἀπορία ἣν ἐν τῇ θεωρίᾳ προειλήφαμεν, καὶ τὰς πρὸς αὐτὴν δύο λύσεις Πρόκλου καὶ Δαμασκίου. Τὰ δὲ σπουδαιότερα τοῦ πεττεύειν. Ποῖα ταῦτα; Οἶον τὸ ἑλληνίζειν: ὅτι οὐ μόνον τῶν δικαίων εἰσὶν οἱ πολλοὶ διδάσκαλοι, φησὶν ὁ νέος· ὅτι καὶ τὸ ἑλληνίζειν οὗτοι διδάσκουσιν, εἰ καὶ τὰ φαυλότερα οὐκ ἐπίστανται, οἶον τὸ πεττεύειν. καὶ κατὰ ζῆλον Πυθαγόρειον πρῶτον ἐξαίρει τὸ ἑλληνίζειν διὰ τοῦ εἰπεῖν σ π ο υ δ α ι ό τ ε ρ α οἵους τ’ εἶναι διδάσκειν, καὶ ἐπαγαγεῖν τ ὸ ἑ λ λ η ν ί ζ ε ι ν . ἰστέον γὰρ ὅτι οἱ Πυθαγόρειοι ἐθαύμαζον τοὺς πρώτους εὑρόντας τοὺς ἀριθμούς, λέγοντες ἐγνωκέναι τούτους τὴν οὐσίαν τοῦ νοῦ, εἴγε ἀριθμοὺς ἐκάλουν τὰς ἰδέας, αἱ δὲ ἰδέαι ἐν τῷ νῷ εἰσίν. ἐθαύμαζον δὲ καὶ τοὺς πρώτους θέντας τὰ ὀνόματα· οὗτοι γάρ, φασί, τὴν οὐσίαν ἔγνωσαν τῆς ψυχῆς· ταύτης γὰρ τὸ ὀνοματοθετεῖν καὶ οὐ νοῦ, εἴγε ὁ μὲν νοῦς φύσει πάντα παράγει, ἡ δὲ ψυχὴ θέσει, θέσει δὲ τὰ ὀνόματα. οὕτως οὖν καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης προεξυμνεῖ τὸ ἑλληνίζειν, μέλλων τούτου διδασκάλους ἐρεῖν τοὺς πολλούς, παρ’ ὧν αὐτὸς ἔφη μεμαθηκέναι τὸ δίκαιον. τὸ δὲ ἑλληνίζειν διττόν· ἢ τὸ ἁπλῶς Ἑλλάδι φωνῇ μόνῃ κεχρῆσθαι, οὗ διδάσκαλοί εἰσιν οἱ πολλοί· ἢ τὸ ἀπταίστως διαλέγεσθαι, οὗ διδάσκαλοί εἰσιν οἱ γραμματικοί, περὶ γὰρ ἑλληνισμοῦ ἡ γραμματική.

111A Ἀλλ’, ὦ γενναῖε, τούτου μὲν ἀγαθοὶ διδάσκαλοι: ἐπειδὴ ἀγενεῖς οἱ πολλοί, ἐξαίρει τῶν πολ|λῶν ὁ Σωκράτης τὸν νέον ‘ γ ε ν ν α ῖ ο ν ’ αὐτὸν προσειπών. καὶ ἰδοὺ καθὼς προείρηται τοῦ μὲν ἑνός, τοῦ ἑλληνίζειν, ἀποδέχεται διδασκάλους εἶναι τοὺς πολλούς, τοῦ δὲ ἑτέρου οὐδαμῶς, τῶν δικαίων. Διελέγχει γὰρ αὐτοὺς ἐν τούτῳ διὰ τῶν ἐφεξῆς· ἐπαινεῖ γὰρ αὐτοὺς ὡς συμφωνοῦντας περὶ τὸ ἑλληνίζειν, ἵνα περὶ τὸ δίκαιον δειχθῶσιν ἀμαθεῖς μὴ συμφωνοῦντες ἀλλήλοις.

95, 1 Olymp. om. οἶμαι post αὐτὰ, cf. Plat. Alc. 110e6. 4 Olymp. add. τὰ δὲ, cf. Plat. Alc. 110e12. 4 Olymp. om. καὶ post Οἶον, cf. Plat. Alc. 111a1.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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befinden813, und aus diesem Grund sind die Meisten schlecht. Denn unser Vater und unser wahrhaftiges Vaterland ist nur oben.814 Obwohl diese Dinge doch unbedeutender als das Gerechte sind: Hier 95 befinden sich die Aporien, die wir vorher in der theoretischen Untersuchung behandelt haben815, und die zwei Lösungen dazu von Proklos und Damaskios. [Alkibiades:] Wichtigere Dinge als das Brettspiel.816 [Sokrates:] Was für welche sind diese? [Alkibiades:] Zum Beispiel Griechisch zu sprechen: Der Jüngling sagt, dass die Mehrheit nicht nur darüber, was gerecht ist, 5 Lehrer sind, sondern sie dazu noch die griechische Sprache lehren, auch wenn sie die unbedeutenderen Dinge nicht wissen, wie Brettspiele zu spielen. Und nach dem pythagoreischen Stil hebt er zuerst Griechisch zu sprechen hervor, indem er sagt, dass solche in der Lage sind, die w i c h t i g e r e n D i n g e zu lehren, und hinzufügt, G r i e c h i s c h z u s p r e c h e n . Denn man muss wissen, dass die Pythagoreer die ersten Erfinder der Zahlen bewundert haben, 10 indem sie sagten, dass diese das Wesen der Vernunft erkannt haben; zumal, wenn sie die Ideen als Zahlen bezeichnet haben, und die Ideen befinden sich in der Vernunft. Sie haben auch diejenigen bewundert, die zuerst die Namen festgelegt haben. Denn diese, sagen sie, begriffen das Wesen der Seele. Dieser [sc. der Seele] nämlich gehört es, Namen zu geben, nicht der Vernunft, auch wenn die Vernunft alles gemäß der Natur hervorbringt, die Seele dagegen gemäß der Konvention, und die Namen [werden] der Konvention nach 15 [bestimmt].817 Auf diese Weise also würdigt auch Alkibiades zuerst Griechisch zu sprechen, als er vorhatte, zu sagen, dass dafür die Mehrheit die Lehrer sind, von denen er behauptete, das Gerechte gelernt zu haben. Griechisch zu sprechen ist aber zweideutig: Entweder im einfachen Sinne, nur die griechische Sprache zu benutzen, wofür die Mehrheit die Lehrer sind. Oder [im spezifischen Sinne von] fehlerfrei zu sprechen, wofür die Lehrer Grammatiker sind, da die 20 Grammatik von dem korrekten Gebrauch des Griechischen handelt. 111A Gewiss, mein edler Freund, dafür ist sie ein guter Lehrer: Da die Mehrheit keiner gesellschaftlich anerkannten Familie angehört, hebt Sokrates 96 den Jüngling aus der Mehrheit hervor, indem er ihn als einen „e d l e n “ anspricht. Siehe auch, wie bereits gesagt wurde,818 dass er zwar akzeptiert, dass die Mehrheit für ein [Thema], nämlich für die griechische Sprache, die Lehrer sind; für das andere aber, nämlich für das Gerechte, [akzeptiert er das] auf keinen Fall. Denn in diesem Aspekt widerlegt er sie vollständig durch die darauffolgenden [Aussagen]: Er lobt sie [sc. die Mehrheit] nämlich aufgrund 5 ihrer Einigung über die griechische Sprache, damit er ihre Unwissenheit über das Gerechte zeigen kann, da sie sich darüber nicht einig sind.

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C. Text und Übersetzung

111B Οὐ ταύτην ὁμολογοῦσι καὶ ἐπὶ ταύτην ὁρμῶσι: τὸ μὲν ‘ ὁ μ ο λ ο γ ο ῦ σ ι ’ γνώσεώς ἐστι, τὸ δὲ ‘ ὁ ρ μ ῶ σ ι ’ ζωῆς. Συνέπλεξεν δὲ ἀλλήλοις καὶ συνῆψεν ἀμφότερα, δεικνὺς ὅτι καὶ ἡ ζωὴ δόγματα γεννᾷ καὶ τὰ δόγματα ζωήν. καὶ γὰρ ὁ δοξάζων ἀγαθὸν εἶναι τὴν ἡδονὴν πειρᾶται ἥδεσθαι καὶ κατὰ ταύτην ζῆν, καὶ τὸ ἀνάπαλιν ὁ ἡδονικῶς ζῶν καὶ δόγματα τοιαῦτά φησιν, ἀγαθὸν εἶναι τὴν ἡδονήν.

111C Σχεδὸν γάρ τι μανθάνω τὸ ἑλληνίζειν ἐπίστασθαι ὅτι τοῦτο λέγεις: ἰδοὺ κἀντεῦθεν δῆλον ὅτι διττὸν τὸ ἑλληνίζειν. ὁ γὰρ Σωκράτης μετὰ τὸ εἰπεῖν τὸν νέον ὅτι λίθον καὶ ξύλον καὶ τὰ τοιαῦτα ἅπαντες ὡσαύτως ἴσασι καλεῖν καὶ οὐχ οἱ μὲν ἄλλως οἱ δὲ ἄλλως, ὅπερ δηλοῖ τὸ Ἑλλάδι φωνῇ μόνον χρῆσθαι, ἐπήγαγεν λοιπὸν ἐκ τούτων ὅτι ‘ μ α ν θ ά ν ω σ χ ε δ ὸ ν τ ο ῦ τ ό σ ε λ έ γ ε ι ν ’ , καὶ οὐ τὸ ἑλληνίζειν ἕτερον, περὶ ὃ οἱ γραμματικοί· ἐκεῖνο γὰρ οὐ περὶ τὸ ὡσαύτως ταὐτὰ καλεῖν καταγίνεται, ἀλλὰ περὶ τὸ τὰ κείμενα ὀνόματα ἀπταίστως προάγειν.

111D Ἀλλὰ καὶ τίνες αὐτῶν δρομικοί τε καὶ μή: μέλλων ὁ Σωκράτης μεταβαίνειν ἐπὶ τὸ δεῖξαι τοὺς πολλοὺς ἀμαθεῖς περὶ τὸ δίκαιον προλαμβάνει ταῦτα, λέγων ὅτι ‘εἰ μὴ μόνον θελήσωμεν γνῶναι ποῖόν ἐστιν ἄνθρωπος ἢ ποῖόν ἐστιν ἵππος’ (ὥσπερ ἄνω λίθον ἢ ξύλον, | ἅτινα τοῦ ἑλληνίζειν εἰσίν), ‘ἀλλὰ καὶ τίνες δρομικοί’ (καί, ὡς ἐφεξῆς ἐπάγει, τίνες ὑγιεινοί), ‘ἆρα καὶ περὶ τούτων γινώσκουσιν οἱ πολλοί;’ καὶ ὁ νέος φησὶν ‘οὐδαμῶς’· δῆλον γὰρ ὅτι τέχναι περὶ ταῦτά εἰσιν, ἃς οὐ γινώσκουσιν οἱ πολλοί, περὶ μὲν τὰ ὑγιεινὰ ἰατρική, περὶ δὲ τοὺς δρομικοὺς διακρίνειν φυσιογνωμονικῆς. ἰστέον γὰρ ὅτι διαφέρει δρομεὺς δρομικοῦ· τὸ μὲν γάρ ἐστιν ἕξεως ὄνομα, τὸ τοῦ δρομέως, τὸ δὲ ἐπιτηδειότητος, τὸ τοῦ δρομικοῦ. ἴσως οἱ πολλοὶ περὶ μὲν δρομέων, οἷον ἵππων, δύνανται διδάξαι, τίνες αὐτῶν μᾶλλον ὀξύτερον θέουσι, τίνες δὲ ἧττον, ὁπότε καὶ τοῦτο γυμναστικῆς ἐστί· πλὴν εἰ καὶ τοῦτο ἴσασιν, ἀλλ’ οὖν τοὺς δρομικοὺς οὐ δύνανται διαγνῶναι, τέχνης γὰρ τοῦτο 96, 7 Olymp. ταύτην / τὰ αὐτὰ Plat. Alc. 111b12. 7 ταύτην2 / ταὐτὰ Plat. Alc. 111c1.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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111B Stimmen sie nicht in derselben [Erkenntnis] überein, und begeben sie sich nicht zu demselben [Leben]?819 [Die Aussage] „s i e s a g e n ü b e r e i n s t i m m e n d “ bezieht sich auf Erkenntnis, dagegen „b e g e b e n s i e s i c h “ [bezieht sich] auf das Leben. Er verknüpft jetzt und verbindet diese beiden miteinander, indem er zeigt, dass sowohl das Leben [eines Menschen seine] Grundsätze erzeugt, als auch die Grundsätze das Leben. Denn schließlich 10 versucht derjenige, der glaubt, dass Vergnügen gut ist, Vergnügen zu erleben und sein Leben danach zu richten; und umgekehrt, derjenige, der sein Leben für Vergnügen führt, stellt auch solche Ansichten dar, dass das Vergnügen das Gute ist. 111C Ich verstehe nämlich ungefähr, dass du mit der Kenntnis der griechischen Sprache zu haben, dieses meinst: Siehe, dass es auch ausgehend von dieser Aussage deutlich wird, dass Griechisch zu sprechen zweideutig ist. Denn Sokrates, nachdem der Jüngling gesagt hat, dass alle Menschen auf dieselbe Weise wissen, was als Stein, was als Holz zu bezeichnen ist, und 15 ähnliche Dinge; und [es nicht der Fall ist,] dass die einen sie so nennen, andere aber anders, was deutlich macht, dass sie nur die griechische Sprache benutzen, führt er [sc. Sokrates] danach ausgehend von diesen [Grundlagen] fort: „I c h v e r s t e h e n ä m l i c h u n g e f ä h r , d a s s d u d i e s e s m e i n s t “ und [das bezieht sich] nicht auf die andere [Bedeutung] von Griechisch zu sprechen, mit dem [sich] die Grammatiklehrer [beschäftigen]. Denn diese [sc. Grammatik] befasst sich nicht damit, auf welche Weise die Dinge benannt werden sollen, 20 sondern damit, die festgesetzten Namen korrekt anzuwenden. 111D Welche von denen zum Laufen geeignet sind und welche nicht820: Da Sokrates im Begriff ist, ein Themenwechsel [in Richtung] der Beweisführung vorzunehmen, dass die Mehrheit keine Kenntnis über das Gerechte hat, nimmt er das vor, indem er sagt: „Wenn wir nicht nur das wissen wollten, welche Beschaffenheit der Mensch und welche das Pferd hat“, (wie oben bei Stein und 97 Holz821, die sich auf Griechisch zu sprechen beziehen), „sondern auch welche [von denen] zum Laufen geeignet sind“, (und wie er gleich hinzufügt, welche [von denen] gesund sind), „besitzt die Mehrheit etwa die Erkenntnis über diese Themen?“, und der Jüngling antwortet: „auf keinen Fall“. Nun es gibt offensichtlich technisches Wissen über diese [Themen], über die die Mehrheit keine 5 Erkenntnis hat – zum einen über die Gesundheit die Heilkunde, zum anderen um die zum Laufen geeigneten [Wesen] zu bestimmen, die Physiognomie. Man muss nämlich wissen, dass ein Läufer unterschiedlich ist als ein zum Laufen Fähigen: Denn das erste ist der Name eines Zustands, nämlich eines Läufers; das zweite aber [ist der Name] einer Tauglichkeit, nämlich die eines zum Laufen Fähigen. Wahrscheinlich ist die Mehrheit in der Lage, über Laufenden, beispielsweise über die Pferde, zu lehren, wie welche von ihnen viel schneller

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C. Text und Übersetzung

μεγίστης, τῆς τοῦ φυσιογνώμονος, εἰπεῖν τίνες δρομικοὶ ἔσονται ἢ πυκτικοὶ καὶ τὰ τοιαῦτα.

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112A Ἥκιστα νὴ Δία, ὦ Σώκρατες: ἐπειδὴ τὸ ‘μὰ’ ἀποφατικόν ἐστιν, καθάπερ τὸ ‘ναὶ’ καταφατικόν, ἔδει αὐτὸν ἀποφατικὸν τὸ ‘μὰ Δία’ εἰπεῖν, ὁ δὲ οὐδὲν ἧττον τὴν ἀπὸ τοῦ ‘ ν ὴ Δ ί α ’ κατάφασιν ἀνεῖλεν διὰ τοῦ ‘ ἥ κ ι σ τ α ’ , δηλοῦντος τὸ ‘οὐδαμῶς’, ὅπερ ἐστὶ καὶ αὐτὸ δῆλον ὅτι ἀποφατικόν. 112B Ἀκήκοας γοῦν ἄλλων τε πολλῶν καὶ Ὁμήρου: ζητητέον πῶς, εἰ τρία μόνον ἔφαμεν γινώσκειν τὸν Ἀλκιβιάδην, γράμματα, κιθαρίζειν, παλαίειν, νῦν ὁ Σωκράτης καὶ ποιητικὴν αὐτὸν λέγει μεμαθηκέναι. ἤ φαμεν ὅτι ἐκεῖνα μὲν τὰ τρία ὡς τέχνας ᾔδει, ποιημάτων δὲ εἰ καὶ ἠκροάσατο, ἀλλ’ οὖν οὐχ ὡς τέχνην μαθών. 112D Περὶ ὧν | οὕτω πλανᾷ: μετὰ τὸ δειχθῆναι τοὺς πολλοὺς μὴ εἰδότας τὸ δίκαιον καὶ τοῦτο τὸν νέον ὁμολογῆσαι, φησὶν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘πῶς εἰκός ἐστιν γινώσκειν σὲ τὰ δίκαια, περὶ ὧν οὕτω πλανᾷ;’ (καὶ γὰρ πλανᾶται ὁ νέος περὶ ταῦτα, ποτὲ μὲν λέγων τοὺς πολλοὺς εἰδέναι τὰ δίκαια καὶ παρὰ τούτων μαθεῖν, νῦν δὲ διὰ τῶν ἐλέγχων ὁμολογῶν αὐτοὺς ἀγνοεῖν) καὶ ὅτι ‘πρὸ τούτων ὤφθης μὴ ἐξευρών, νῦν δὲ ὅτι οὔτε μαθών, οὐ γὰρ ἔσχες διδασκάλους’.

Πρᾶξις σὺν θεῷ ιαʹ 10

112D-114B Ἐκ μὲν ὧν σὺ λέγεις οὐκ εἰκός. Δειχθεὶς ὁ Ἀλκιβιάδης διπλῇ ἀμαθαίνων περὶ τὸ δίκαιον (οὔτε γὰρ ᾔδει τοῦτο καὶ μὴ εἰδὼς ᾤετο εἰδέναι· καὶ ὅτι διδασκάλους ἑαυτῷ τοὺς πολλοὺς ἐπεγράφετο μὴ εἰδότας τὸ δίκαιον, ὡς ἐδήλωσεν ἡ περὶ τούτου αὐτοῖς διαφωνία) ὡς εὐφυὴς καὶ ῥητορικός φησιν ὅτι ‘ὡς σὺ λέγεις, εἰκός με μὴ εἰδέναι τὸ δίκαιον’. φησὶν ‘ἐ κ μ ὲ ν ὧ ν σ ὺ λ έ γ ε ι ς ο ὐ κ

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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rennt, und welche langsamer sind, das [gilt] auch wann immer es um [den Bereich] der Gymnastik [handelt]: Auch wenn sie das wissen, können sie die 10 zum Laufen Fähigen [von den anderen] nicht unterscheiden, denn das benötigt ein umfangreiches technisches Wissen, nämlich das [Wissen] eines Physiognomen, zu sagen, welche [Körper] für Laufen oder welche für Faustkampf [geeignet] wären und Ähnliche. 112A Wohl keinesfalls bei Zeus, Sokrates: Da das [Wort] „nicht“ verneinend ist, genau wie das [Wort] „ja“ bejahend ist; sollte er die verneinende 15 [Aussage] „nicht bei Zeus“ benutzen, dennoch hat er bei der [Aussage] „w o h l b e i Z e u s “ die Bejahung durch die Aussage „k e i n e s f a l l s “ aufgehoben, was „auf keinen Fall“ bedeutet, woran es deutlich wird, dass auch das eine verneinende Aussage ist. 112B Du hast jedenfalls von vielen anderen und besonders von Homer gehört: Man muss untersuchen, wenn wir gesagt haben,822 dass Alkibiades nur 20 über drei [Themen] Erkenntnis hat – nämlich lesen und schreiben, Kithara spielen und ringen – wie Sokrates jetzt behauptet, dass er auch die Dichtkunst gelernt hat. Dazu sagen wir, dass er zwar diese drei [Themen] als technisches Wissen kennt, aber wenn er von den Gedichten gehört hat, versteht er diese trotzdem nicht wie ein technisches Wissen. 112D Über die du derart unschlüssig bist823: Nachdem es aufgezeigt 98 wurde, dass die Mehrheit das nicht kennt, was gerecht ist, und der Jüngling dem zugestimmt hat, sagt Sokrates: „Wie kann es folgerichtig sein, dass du weißt, was gerecht ist, worüber du derart unschlüssig bist?“ (und der Jüngling war tatsächlich bezüglich dieser [Begriffe] unschlüssig, indem er zuerst sagt, dass die Mehrheit das kennt, was gerecht ist, und er das von ihr gelernt hat, jetzt 5 aber durch die Widerlegung akzeptiert, dass sie es nicht weiß), und: „Es wurde vorher eingesehen, dass du sie nicht selber herausgefunden hast; jetzt aber auch, dass du sie nicht gelernt hast, da du keine Lehrer hattest.“824

Unterricht 11 mit Gottes Hilfe 112D–114B [Alkibiades:] Ausgehend von dem, was du sagst, ist es nicht folgerichtig: Nachdem es aufgezeigt wurde, dass Alkibiades über das Gerechte doppelt ungebildet825 ist (denn er wusste es nicht und als Unwissender glaubte er, es zu wissen. Ferner nahm er die Mehrheit als seine Lehrer zur Kenntnis, obwohl sie das, was gerecht ist, nicht wissen, wie es aus ihrer Unstimmigkeit darüber deutlich wird826), sagt er, als ein von Natur aus und rednerisch begabter Mensch: „Wie du sagst, ist es folgerichtig, dass ich nicht weiß, was gerecht ist.“827 Er sagt:

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C. Text und Übersetzung

ε ἰ κ ό ς ’ , διὰ τοῦ ‘ ε ἰ κ ὸ ς ’ καὶ τοῦ ‘ σ ὺ ’ τὸ φιλότιμον ἦθος ἑαυτοῦ δεικνύς. δυσαπόβλητον γὰρ πάθος, ὡς εἴρηται πολλάκις, τὸ φιλότιμον, διότι ἃ πρῶτον ἐνεδύσατο ἡ ψυχή, ταῦτα ὕστερον ἀποβάλλεται. τὰ μὲν γὰρ ἄλλα πάθη ταχέως παύεται, ὥσπερ τὸ φιλήδονον ἐν γήρᾳ· δηλοῖ γοῦν ἐν τῇ Πολιτείᾳ Σοφοκλῆς λέγων ‘ ἀ σ μ ε ν έ σ τ α τ α μ έ ν τ ο ι διέφυγον αὐτά’. Ὁ δὲ Σωκράτης λέγει τὸν Ἀλκιβιάδην μὴ καλῶς εἰρηκέναι, αὐτὸς γὰρ περὶ αὑτοῦ ἐμαρτύρησεν ὡς μὴ εἰδότος τὸ δίκαιον. καθόλου γὰρ ἐν οἷς ἐρωτήσεις εἰσὶ καὶ ἀποκρίσεις ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων, ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν. καὶ ἐπειδὴ ἐν ταῖς διαλεκτικαῖς ἐρωτήσεσιν τὰ αὐτὰ λέγει καὶ ὁ ἐρωτῶν καὶ ὁ ἀποκρινόμενος (οἶον | ‘ἡ ψυχὴ ἀθάνατος ἢ οὐκ ἀθάνατος;’ καὶ ἀποκρίνεται ὅτι ἢ ‘ἀθάνατος’ ἢ ‘οὔ’) καὶ λανθάνει ἐπὶ τούτων τίς ἐστιν ὁ λέγων, ἐπὶ δὲ τῶν πυσματικῶν ἐρωτήσεων, ἐν αἷς ἄλλα μὲν λέγει ὁ ἐρωτῶν, ἄλλα δὲ ὁ ἀποκρινόμενος (δεῖται γὰρ λόγου) οὐ λανθάνει, ἐπὶ τοῦ σαφεστέρου δείκνυσι τὸν λόγον ὅτι ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων. ἡμεῖς δὲ δείξομεν ὅτι καὶ ἐν τῷ διαλεκτικῷ λόγῳ ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων, ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν. εἰ μόνος ὁ ἀποκρινόμενος ἀληθεύει καὶ ψεύδεται (μόνος γὰρ ἀποφαντικῶς αὐτὸς λέγει, ἐκεῖνος γὰρ ἐρωτηματικῶς, ἀντιδιαιρεῖται δὲ ὁ ἀποφαντικὸς λόγος τῷ ἐρωτηματικῷ καὶ μόνος τῶν λόγων ἀληθεύει καὶ ψεύδεται), καὶ ὅτι μόνος λέγει δῆλον· ὁ γὰρ μήτε ἀληθεύων μήτε ψευδόμενος οὐ λέγει. δεύτερον, εἰ σύγκειται ὅλος ὁ συλλογισμὸς ἐκ τῶν ἀποκρίσεων τοῦ προσδιαλεγομένου, ὁ ἐρωτώμενός ἐστιν ὁ λέγων. καὶ ὅτι πολλάκις δίδωσιν ὁ προσδιαλεγόμενος προτάσεις τοιαύτας μὴ δοκούσας τῷ ἐρωτῶντι, ἐξ ὧν σύγκειται ὁ συλλογισμός. καὶ ὅτι εἰ καὶ οἱ ἄλλοι ἐρωτῶντες λέγουσιν, ἀλλὰ Σωκράτης ὡς μαιευτικὸς οὐ λέγει, διότι, ὥσπερ ἡ μαῖα οὐ τίκτει ἀλλὰ τὰς ὠδινούσας γεννᾶν παρασκευάζει, οὕτω καὶ οὗτος. τί οὖν; οὐδὲν λέγει ὁ ἐρωτῶν; ἢ καὶ αὐτὸς λέγει, ἀλλ’ οὐ τὰς προτάσεις, ἀλλὰ τὴν πλοκὴν καὶ τὸ συμπέρασμα· τὸ γὰρ συμπέρασμα οὐκ ἐρωτᾶται, ἑπόμενον ἐξ ἀνάγκης ταῖς προτάσεσι. διὸ καὶ μεμφόμεθα, εἰ μὲν ψευδὲς συναχθῇ, τῷ ἀποκρινομένῳ ὡς κακῶς ἀπο-

98, 20 Olymp. διέφυγον αὐτά / αὐτὸ ἀπέφυγον Plat. Rep. 329c2–3.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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„A u s g e h e n d v o n d e m , w a s d u s a g s t , i s t e s n i c h t f o l g e - 15 r i c h t i g “; durch „f o l g e r i c h t i g “ und durch „d u “ zeigt er seinen ehrliebenden Charakter. Denn die Ehrliebe ist ein Affekt, wie mehrmals gesagt wurde,828 die schwer zu entfernen ist, da die Seele die [Affekte], die sie zuerst angekleidet hat, auch zuletzt beiseitelegt.829 Die anderen Affekte kommen nämlich rasch zu Ende, wie die Vergnügungsliebe im Alter. Tatsächlich macht es Sophokles in der Politeia deutlich, indem er sagt: „I c h b i n ü b e r g l ü c k - 20 l i c h , d i e s e n e n t k o m m e n z u s e i n . “830 Sokrates sagt aber, dass Alkibiades sich nicht zutreffend geäußert hat, da er selber von sich bezeugte, dass er nicht weiß, was gerecht ist. Denn ist grundsätzlich, wo es Fragen und Antworten gibt, der Antwortgeber derjenige, der Behauptungen macht831, und nicht der Fragesteller.832 Doch während in den dialektischen Befragungen sowohl Fragesteller als auch Antwortgeber die gleichen Dinge behaupten (zum Beispiel: „Ist die Seele unsterblich oder nicht 99 unsterblich?“, darauf entgegnet der [Antwortgeber] entweder „unsterblich“ oder „nicht“), und [uns] in diesen Fällen entgeht, wer die Behauptung macht; bei den investigativen Befragungen833 dagegen, bei denen der Fragesteller etwas anderes sagt, der Antwortgeber etwas anderes (da es eine Argumentation 5 benötigt wird), entgeht [es uns] nicht; [dadurch] demonstriert er das Argument ziemlich eindeutig, dass der Antwortgeber derjenige ist, der Behauptungen macht.834 Wir aber werden aufzeigen, dass auch bei der dialektischen Argumentation der Antwortgeber derjenige ist, der Behauptungen macht, und nicht der Fragesteller. [Erstens], wenn nur der Antwortgeber die Wahrheit sagt oder 10 lügt (denn nur er spricht auf bestimmende Weise835, wobei der andere auf fragende Weise [spricht]836; die bestimmende Rede aber unterscheidet sich gegenüber der fragenden [Rede], und als einzige unter anderen Reden äußert sie die Wahrheit oder lügt), ist es offensichtlich, dass er [sc. der Antwortgeber] alleine Behauptungen macht. Denn derjenige, der weder etwas Wahres noch Falsches sagt, behauptet nichts.837 Zweitens, wenn die ganze Schlussfolgerung aus den Antworten des Gesprächspartners im Dialog838 besteht, ist der Befragte derjenige, der Behauptungen macht. Ferner gibt der Gesprächspartner öfters Prämissen an, die der Fragesteller als solche nicht bestätigt und aus denen die 15 Schlussfolgerung zusammengestellt wird. Darüber hinaus, auch wenn Fragesteller in anderen Fällen Behauptungen machen, dennoch behauptet Sokrates als philosophischer Geburtshelfer (maieutikos)839 nichts, aus dem Grund, dass er genauso [handelt], wie eine Hebamme (maia) nicht [selber] gebärt, sondern die Schwangeren auf die Geburt vorbereitet. Was [bedeutet das] nun? Behauptet der Fragesteller nichts? Wohl doch behauptet er etwas, und zwar nicht die Prämissen, sondern den Aufbau840 und die Konklusion841 [der Schlussfolgerung]. Die Konklusion wird nämlich nicht gefragt, da er zwangsläufig aus den 20

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κρινομένῳ (εἰ μὴ γὰρ δεδώκει μίαν ψευδῆ πρότασιν, οὐκ ἂν ψευδὲς συνήγετο)· εἰ δὲ μηδὲν συναχθῇ ἐκ τῶν προτάσεων, τῷ ἐρωτῶντι ὡς μηδὲν ἐκ τῶν ἐρωτήσεων συνάξαντι. ἀλλ’ εἰ καὶ ὁ ἐρωτῶν λέγει, πῶς φησὶν ὁ Σωκράτης τὸν ἀποκρινόμενον μόνον λέγειν; ἢ οὐχ ἁπλῶς φησὶν μὴ λέγειν τὸν ἐρωτῶντα, ἀλλ’ ἐ ν ο ἷ ς ἐ σ τ ὶ ν ἐ ρ ώ τ η σ ι ς κ α ὶ ἀ π ό κ ρ ι σ ι ς , φησίν, ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων· οὐδὲ γὰρ ἃ λέγει ὁ ἐρωτῶν ἐρωτᾷ, οἶον τὴν πλοκὴν καὶ τὸ συμπέρασμα, ταῦτα γὰρ οὐκ ἐρωτᾶται. καὶ αὐτὸς δὲ οὐκ ἠγνόησεν ὁ Πλάτων ἀμφότερα, ἀλλ’ οἶδε τὸ μὲν λέγειν τὸν ἀποκρινόμενον ἐνταῦθα (‘ἐν οἷς ἐρώτησίς ἐστι καὶ ἀπόκρισις, ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων’), τὸ δὲ ἄλλο ἐφεξῆς λέγων ‘δεῖξόν μοι ὅτι οἶδας τὸ δίκαιον ἢ αὐτὸς ἐρωτῶν ἢ ἀποτάδην τὸν λόγον ποιούμενος’, ἅτε | εἰδὼς ὅτι ποτὲ καὶ ὁ ἐρωτῶν λέγει. διό, ὡς εἴρηται, καὶ μεμφόμεθα αὐτῷ ὡς μηδὲν συναγαγόντι. Ταῦτα εἰπὼν καὶ πληρώσας τὸν τρίτον συλλογισμόν (ἦν γὰρ ὁ πρῶτος ἐν ᾧ ἐδείκνυ αὐτὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα περὶ τὸ δίκαιον, μὴ γὰρ εἰδὼς ᾤετο εἰδέναι· δεύτερος, ἐν ᾧ ἐκ τῶν πολλῶν τοῦτο κατεσκεύαζεν, διδασκάλους γὰρ ἑαυτοῦ τοὺς πολλοὺς ἐπεγράφετο· καὶ τρίτος, ἐν ᾧ καθόλου ἔδειξεν ὅτι ἐν οἷς ἐρώτησίς ἐστιν καὶ ἀπόκρισις ὁ ἐρωτώμενός ἐστιν ὁ λέγων, ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν)· πληρώσαντος οὖν τὸν τρίτον ἀνατίθεται πάλιν ὁ νέος ὡς εὐφυὴς πρὸς τὴν λοιπὴν πρότασιν. πάλαι μὲν γὰρ ἀνέθετο πρὸς τὴν ἑτέραν λέγων ὅτι ‘κακῶς εἶπον ὅτι οὐκ ἔμαθον, ἔμαθον γὰρ ἐκ τῶν πολλῶν’· νῦν δὲ πρὸς τὴν λοιπήν, ὅτι ‘οὐκ ὀρθῶς ἀπεκρινάμην τοὺς Ἀθηναίους περὶ δικαίων βουλευομένους, οὐ γὰρ περὶ δικαίων βουλεύονται, ἀλλὰ περὶ συμφερόντων’· τοῦτο δὲ ὡς ῥητορικός, ἐπειδὴ ᾔδει ὅτι τοῦ συμβουλευτικοῦ τέλος ἐστὶ τὸ συμφέρον, ἀλλ’ οὐ τὸ δίκαιον. καὶ πάλιν φησὶν ὁ Σωκράτης ‘ἀλλὰ διὰ τῶν αὐτῶν λόγων δειχθήσῃ μὴ εἰδὼς τὸ συμφέρον, ἢ γὰρ ἔμαθες ἢ εὗρες. οὐ γὰρ δέος μὴ κατατριβῶσιν οἱ λόγοι δίκην σκευαρίων τῷ χρόνῳ κατατριβο-

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Prämissen folgt. Deshalb auch beschweren wir uns, wenn etwas Falsches gefolgert wird, über den Antwortgeber, dass er nicht gut geantwortet haben muss (wenn er nämlich nicht eine falsche Prämisse angegeben hätte, würde nicht etwas Falsches daraus folgen). Wenn aber aus den Prämissen nichts folgt, [beschweren wir uns] über den Fragesteller, weil er nichts aus den Fragen folgert. Doch wenn der Fragesteller auch Behauptungen macht, in welchem Sinne sagt Sokrates, dass nur der Antwortgeber Behauptungen macht? Nicht 25 ohne weitere Bestimmung sagt er, dass der Fragesteller keine Behauptungen macht, sondern w o e s F r a g e u n d A n t w o r t g i b t , sagt er, ist der Antwortgeber derjenige, der Behauptungen macht. Denn der Fragesteller fragt nicht, was er als Behauptung äußert, beispielsweise den Aufbau und die Konklusion; diese werden nämlich nicht als Frage gestellt. Zwar war Platon selber nicht unwissend über diesen beiden [Aspekten], er sah aber ein, dass hier der Antwortgeber Behauptungen macht („Wo es Frage und Antwort gibt, ist der 30 Antwortgeber der, der Behauptungen macht.“); doch im Folgenden sagt er etwas Anderes: „Zeige mir, dass du weißt, was gerecht ist, entweder, indem du selber Fragen stellst, oder eine ausführliche Argumentation vorlegst“842; da er einsieht, 100 dass manchmal auch der Fragesteller etwas behauptet. Deshalb beschweren wir uns auch, wie gesagt, über ihn [sc. den Fragesteller], dass er zu keiner Schlussfolgerung gelangt. Indem er [sc. Sokrates] das sagt, schließt er auch die dritte Schlussfolgerung ab843 (Der erste war nämlich, bei dem er demonstrierte, dass er [sc. Alkibiades] doppelt ungebildet um das Gerechte ist, da er es zu wissen glaubt, obwohl er es 5 nicht weiß. Der zweite war, bei dem er dieses [Argument] ausgehend von der Mehrheit erarbeitete, da er [sc. Alkibiades] die Mehrheit als seine Lehrer zur Kenntnis nahm. Schließlich war der dritte, bei dem er als Allgemeinprinzip aufzeigte, dass, wo es Frage und Antwort gibt, der Befragte derjenige ist, der etwas behauptet, und nicht der Fragesteller). Nachdem er also die dritte [Schlussfolgerung] abgeschlossen hat, widerruft der Jüngling erneut, dank seiner natürlichen Begabung, die übrige Prämisse. Denn schon vorher widerrief er die andere [Prämisse], indem er sagte: „Falsch habe ich das geäußert, dass ich 10 es nicht gelernt habe, denn ich habe [es] von der Mehrheit gelernt.“844 Jetzt aber [widerruft er] die übrige Prämisse, nämlich : „Nicht richtig habe ich geantwortet, dass die Athener darüber beraten würden, welche [Handlungen] gerecht sind, denn sie beraten nicht darüber, welche [Handlungen] gerecht sind, sondern darüber, welche nützlich sind.“845 Das [sagt er] mit rednerischer Begabung, da er einsah, dass das Ziel des Beratens das Nützliche ist, und nicht 15 das Gerechte.846 Darauf sagt Sokrates wieder: „Aber durch die gleichen Argumente wird es aufgezeigt, dass du nicht weißt, was nützlich ist, denn du musst es entweder gelernt, oder selbstständig gefunden haben. Man darf

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C. Text und Übersetzung

μένων. ἢ γὰρ ταὐτόν ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον, καὶ δειχθεὶς μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον συναπεδείχθης μηδὲ τὸ συμφέρον εἰδώς· ἢ ἄλλο καὶ ἄλλο, καὶ δειχθήσῃ δύο ἀνθ’ ἑνὸς ἀγνοῶν. οὐ γὰρ ἔχεις χρόνον εἰπεῖν τὸν ὅτε οὐκ ᾤου εἰδέναι τὸ ἀγαθόν, πάντα γὰρ τοῦ ἀγαθοῦ ἐφίεται’. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

112D Ἐκ μὲν ὧν σὺ λέγεις οὐκ | εἰκός: ἰδοὺ πῶς τὸ φιλότιμον ἐνδείκνυται ὁ Ἀλκιβιάδης διὰ τοῦ ‘ ο ὐ κ ε ἰ κ ὸ ς ’ καὶ ‘ ἐ ξ ὧ ν σ ὺ λ έ γ ε ι ς ’ , μὴ ἀνεχόμενος ἁπλῶς ὁμολογῆσαι ὅτι οὐκ οἶδεν τὸ δίκαιον. δυσαπόθετον γάρ ἐστι τὸ πάθος τοῦτο καὶ οὕτως ὅτι, κἂν θέλωμεν μὴ εἶναι φιλότιμοι, λανθάνομεν πάλιν καὶ οὕτως τῷ πάθει τῷ αὐτῷ περιπίπτοντες καὶ διὰ τὸ φιλότιμον τοῦτο ποιοῦντες, ὥστε καταφρονοῦντες τιμῆς διὰ τὸ πλέον τιμᾶσθαι τὸ τοιοῦτο ποιεῖν. καὶ ὥσπερ ὁ Ἐπίκτητος ὁ Στωϊκός, γενόμενος Στωϊκὸς τὴν ψυχήν, φησὶν ‘ ἀ π α ι δ ε ύ τ ο υ ἔ ρ γ ο ν ἄ λ λοις ἐγκαλεῖν ἐφ’ οἷς αὐτὸς πράσσει κακῶς· ἠργμένου δὲ παιδεύεσθαι τὸ ἑαυτῷ ἐγκαλεῖν, μὴ μέντοι ἄλλοις· πεπαιδευμένου δὲ τὸ μήτε ἑαυτῷ μήτε ἄλλ ο ι ς ’ , οὕτως οὖν καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης ὡς ἀπαίδευτος τῷ Σωκράτει ἐγκαλεῖ λέγων ‘ὡς σὺ φῄς, οὐκ οἶδα τὸ δίκαιον’ · ἀρχόμενος δὲ παιδεύεσθαι ἐφεξῆς ἑαυτῷ ἐγκαλέσει· εἰ δὲ ἐτελειώθη ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ, οὐκ ἂν οὔτε ἑαυτῷ οὔτε τοῖς ἄλλοις ἐνεκάλει. παρὰ δὲ τῷ ποιητῇ πεποίηται ἄλλοις ἐγκαλῶν ἐν τῷ ‘ἐγὼ δ’ οὐκ αἴτιός εἰμι, ἀ λλὰ Ζ εὺ ς καὶ Μο ῖρ α κα ὶ ἱεροφο ῖτις Ἐρινύς ’.

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112E Τί δ’, οὐ σὺ λέγεις: τὸ τῆς Φαίδρας φησὶν ἐνταῦθα ὁ Σωκράτης· τῆς γὰρ τροφοῦ εἰπούσης ὅτι ‘τὸν Ἱππόλυτον λέγεις;’ φησὶν | ὅτι ‘ σ ο ῦ τ ά δ ε κ ο ὐ κ ἐ μ ο ῦ κ λ ύ ε ι ς ’ . οὕτως οὖν καὶ ὁ Σωκράτης· ‘σὺ ταῦτα εἶπας, οὐκ ἐγώ’. καὶ ἐνταῦθα πάροδος γίνεται τοῦ τρίτου συλλογισμοῦ,

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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nämlich nicht fürchten, dass die Argumente abgenutzt werden, wie mit der Zeit abgenutzte Kleidungsstücke.847 Denn, entweder sind das Gerechte und das Nützliche das Gleiche, und wenn es aufgezeigt ist, dass du das Gerechte nicht weißt, ist zugleich nachgewiesen, dass du auch das Nützliche nicht weißt. Oder sie sind unterschiedlich voneinander, und es wird aufgezeigt, dass du in zwei [Themen] statt in einem unwissend bist. Du hast wohl keine Zeit zu nennen, in der du damals nicht glaubtest zu wissen, was gut ist – da alles auf das Gute abzielt.“848 Das hat die Theorie.

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112D Ausgehend von dem, was du sagst, ist es nicht folgerichtig: Siehe, 101 wie Alkibiades durch „n i c h t f o l g e r i c h t i g “ und „a u s g e h e n d v o n d e m , w a s d u s a g s t “ auf seine Ehrliebe hinweist849, da er nicht ertragen kann, ohne weitere Bedingung zuzustimmen, dass er nicht weiß, was gerecht ist. Es ist nämlich schwer, diesen Affekt abzulegen, und zwar auf diese Weise, dass auch wenn wir möchten, nicht ehrliebend zu sein, merken wir nicht, dass wir 5 wiederum genau dadurch in den gleichen Affekt verfallen und dieses aufgrund der Ehrliebe machen: Schließlich schätzen wir die Ehre gering, und tun dies, um mehr geehrt zu werden.850 Wie auch Epiktet der Stoiker, da er ein Stoiker in der Seele war, sagt: „E s i s t d a s V e r h a l t e n e i n e s U n g e b i l d e t e n , andere aufgrund der Sachen zu beschuldigen, die er s e l b s t s c h l e c h t h a n d e l t . J e m a n d , d e r m i t d e r p h i l o s o - 10 phischen Bildung angefangen hat, beschuldigt sich selbst, und nicht die anderen. Der wahrhaft Gebildete b e s c h u l d i g t w e d e r s i c h s e l b s t n o c h d i e a n d e r e n “851, so nun auch Alkibiades, als ein Ungebildeter, beschuldigt Sokrates, indem er sagt: „Wie du sagst, weiß ich nicht, was gerecht ist“. Als er aber mit der Bildung anfängt, wird er nachträglich sich selbst beschuldigen.852 Wenn er aber im vorliegenden Dialog zur Vollkommenheit gelangt wäre, hätte er weder sich selbst noch die 15 anderen beschuldigt.853 Auch bei dem Dichter wurde es dargestellt, dass man andere beschuldigt, im Folgenden: „I c h a b e r b i n n i c h t s c h u l d i g Sondern Zeus und die Moira und die im Dunkeln wandelnde E r i n y s „854

112E Wie aber? Bist du es nicht, der sagt?855 Hier äußert Sokrates die [Worte] der Phaidra. Denn als die Amme sagte: “Meinst du Hippolytos?“, sagt 102 sie: „V o n d i r h ö r s t d u d a s , n i c h t v o n m i r “.856 Auf diese Weise nun [sagt] auch Sokrates: „Du hast das alles gesagt, nicht ich“.857 Und hier bildet sich der Übergang in die dritte Schlussfolgerung, bei dem er mit einer stringenten

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ἐν ᾧ δείκνυσι γραμμικαῖς ἀνάγκαις ὅτι ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων, ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν. Ἐάν σε ἔρωμαι τὸ ἓν καὶ τὰ δύο: ἰδοὺ πυσματικὰς ἐρωτήσεις προσάγει, ὅτι ‘ἐὰν ἔρωμαί σε ποῖα πλείω, τὸ ἓν ἢ τὰ δύο, φήσεις τὰ δύο· καὶ πόσῳ πλείω, φήσεις ὅτι ἑνί’. ἐν οἷς γὰρ χρεία λόγου πάντως καὶ οὐκ ἀρκεῖ πρὸς ἀπόκρισιν τὸ ‘ναὶ’ ἢ τὸ ‘οὒ’ ἢ ἀνάνευσις ἢ κατάνευσις, αὕτη πυσματικὴ ἐρώτησις ἐστιν, ἀλλ’ οὐ διαλεκτική. Ὅτι τὰ δύο τοῦ ἑνὸς ἑνὶ πλείω: συνάγει τὰς δύο ἀποκρίσεις τοῦ νέου ὁ Σωκράτης. 113A Ἔγωγε. Τί γάρ; ἐγὼ ἐὰν ἔρωμαι ποῖα γράμματα Σωκράτους: ἰδοὺ φαίνεται ὠφεληθεὶς ὁ νέος, διὰ τοῦ ‘ ἔ γ ω γ ε ’ · φαίνεται γὰρ ἑαυτῷ ἐγκαλῶν· εἰ δὲ τελείως ὠφελήθη, οὔτε ἑαυτῷ ἤμελλεν ἐγκαλεῖν οὔτε ἄλλοις. πάλιν δὲ κέχρηται ἑτέρᾳ πυσματικῇ ἐρωτήσει, ὅτι ‘ἐὰν ἔρωμαί σε ποῖά εἰσι τὰ γράμματα Σωκράτους, φήσεις δὲ τυχὸν ὅτι ταῦτα σὺ εἶ ὁ λέγων;’ ὁ δέ φησιν ὅτι ‘ναί’. Ἴθι δή, ἑνὶ λόγῳ εἰπέ: ἀντὶ τοῦ ‘καθόλου εἰπέ, ἐν οἷς ἐστὶν ἐρώτησις καὶ ἀπόκρισις, τίς ἐστιν ὁ λέγων;’ ὁ δέ φησιν ‘ ὁ ἀ π ο κ ρ ι ν ό μ ε ν ο ς ’ . καὶ καλῶς τὸ ‘ἐν οἷς ἐστὶν ἐρώτησις καὶ ἀπόκρισις’· εἰ γὰρ καὶ ὁ ἐρωτῶν φάσκει, ἀλλ’ οὐκ ἐν οἷς ἐστὶν ἐρώτησις καὶ ἀπόκρισις. Φαίνομαι, ὦ Σώκρατες: ἰδοὺ πάλιν πῶς φιλότιμος ὢν οὐκ ἀνέχεται τελείως ὁμολογῆσαι ἄγνοιαν, ἀλλά φησι ‘ φ α ί ν ο μ α ι ’ . Οὐκοῦν ἐλέχθη ὅτι περὶ δικαίων ὁ Ἀλκιβιάδης: τὸ λεγόμενον τοῦτό ἐστιν ὅτι ‘οὐκ ἐλέχθη’ (πρόσθες ‘ὑπὸ Ἀλκιβιάδου’) ‘ὅτι ὁ Ἀλκιβιάδης ὁ καλὸς οὐκ ἐπίσταται;’ ἐν καιρῷ γάρ, ἐπειδὴ ὡμολόγησεν μὴ εἰδέναι τὸ δίκαιον, κέχρηται καταδρομῇ ἐλέγχων κατὰ τοῦ Ἀλκιβιάδου. καὶ ἐπειδὴ φορτικόν | ἐστι τὸ ἐξ οἰκείου προσώπου προσφέρειν τοὺς ἐλέγχους – οὕτω γὰρ καὶ παρὰ τῷ ποιητῇ ὁ Φοῖνιξ βουλόμενος καταδρομῇ χρήσασθαι ἐλέγχων κατὰ τοῦ Ἀχιλλέως οὐκ ἐκ προσώπου οἰκείου εἰσάγει τοὺς λόγους, ἀλλ’ εἰσαγαγὼν τὸν Πηλέα οὕτως ἐλέγχει· οὕτως καὶ ὁ Δημοσθένης ἐλέγξαι θέλων τοὺς Ἀθηναίους τῇ καταδρομῇ

102, 13 Olymp. Ἔγωγε / Ἐγώ Plat. Alc. 113a3. 13 Olymp. γάρ / δ’ ἂν Plat. Alc. 113a4. 13 Olymp. ἐὰν / μὲν Plat. Alc. 113a4. 25 Olymp. ὅτι περὶ δικαίων / περὶ δικαίων καὶ ἀδίκων ὅτι Plat. Alc. 113b8. 25 Olymp. add. ὁ, cf. Plat. Alc. 113b8.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Beweisführung858 demonstriert, dass der Antwortgeber derjenige ist, der Be5 hauptungen macht, und nicht der Fragesteller. Wenn ich dich frage, eins oder zwei859: Siehe, dass er hier investigative Fragen860 vorstellt, nämlich: „Wenn ich dich frage, welche ist mehr, eins oder zwei, wirst du sagen, zwei. Und [wenn ich frage,] um wie viel ist es mehr, wirst du sagen, um eins.“ Denn, wo es eine vollständige Aussage notwendig ist und „ja“ oder „nein“, oder Verweigerung durch Zurückwerfen des Kopfes oder Bestätigung durch Kopfneigen als Antwort nicht reichen, ist diese eine 10 investigative Frage und nicht eine dialektische. Zwei sei um eins mehr als eins861: Sokrates bringt zwei Antworten des Jünglings zusammen.862 113A [Alkibiades:] [Das bin] ich doch. [Sokrates:] Und was, wenn ich dich frage, aus was für Buchstaben der Name Sokrates besteht?863 Siehe, dass es dem Jüngling genutzt zu haben scheint, weil [er] „i c h d o c h “ [sagt]. Denn er scheint sich selbst zu beschuldigen. Wenn er aber einen vollständigen 15 Nutzen davon hätte, hätte er weder sich selbst noch die anderen beschuldigen wollen. Darauf gebraucht Sokrates eine andere investigative Frage, nämlich: „Wenn ich dich frage, aus was für Buchstaben der Name Sokrates besteht, wirst du wahrscheinlich sagen, dass du derjenige bist, der diese Dinge behauptet?“864, und er sagt: „Ja“. Also los, sag es mit einer Formel865: Das steht für: „Sag es als Allgemeinprinzip: Wo es Frage und Antwort gibt, wer ist der, der etwas behauptet?“ 20 Darauf sagt er [sc. Alkibiades]: „Der Antwortgeber“. Auch zutreffend ist [die Aussage]: „wo es Frage und Antwort gibt“. Denn auch wenn der Fragesteller etwas behauptet, [geschieht es] nicht [in den Dialogen], in denen es Frage und Antwort gibt.866 113B Anscheinend bin ich das, Sokrates867: Siehe nochmal, wie er aufgrund seiner Ehrliebe es nicht ertragen kann, endgültig seine Unwissenheit zuzustimmen, sondern sagt: „A n s c h e i n e n d b i n i c h “. Wurde es etwa nicht widerlegt, dass Alkibiades darüber, welche 25 [Handlungen] gerecht [sind, etwas weiß]868: Dieser Ausdruck bedeutet: „Wurde es nicht behauptet“ (füge „von Alkibiades“ hinzu), „dass der schöne Alkibiades über kein fundiertes Wissen verfügt?“. Zur rechten Zeit nämlich, als er [sc. Alkibiades] zustimmte, dass er nicht weiß, was gerecht ist, hat er [sc. Sokrates] einen Widerlegungsangriff gegen Alkibiades gerichtet.869 Da es aber ein gemeines Verhalten ist,870 Widerlegungen in eigener Person vorzubringen, – 103 so führt nämlich Phoinix bei dem Dichter, als er einen Widerlegungsangriff gegen Achilleus richten wollte,871 [seine] Argumente nicht in eigener Person auf, sondern stellt Peleus vor und widerlegt ihn auf diese Weise. Auf diese Weise 5 gebraucht auch Demosthenes,872 als er die Athener kritisieren wollte, einen

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C. Text und Übersetzung

χρῆται ὡς ἐκ τῶν Ἑλλήνων πάντων· ὁ δὲ Σωκράτης οὐκ ἀρκεῖται τῷ ἄλλῳ προσώπῳ χρήσασθαι, ἀλλὰ χρῆται καὶ τῷ ἐλεγχομένῳ πρὸς μείζονα καταδρομήν, λέγων ὅτι ‘ἐλέχθη ὑπὸ Ἀλκιβιάδου ὅτι μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον μέλλει συμβουλεύειν περὶ ὧν οὐκ οἶδεν’. καὶ ἐξέπεσεν ὁ Ἀλκιβιάδης τῶν τριῶν ἀρχικῶν ὑποστάσεων, νοῦ, θεοῦ, ψυχῆς. ψυχῆς μὲν διότι οὐκ οἶδεν, ψυχῆς δὲ ἴδιον τὸ γινώσκειν. νοῦ δὲ ἐξέπεσεν ὅτι μὴ εἰδὼς οἴεται εἰδέναι, νοῦ γὰρ ἴδιον τὸ ἐπιστρέφειν· σφαίρᾳ γὰρ ἀναλογεῖ ὁ νοῦς, ἕκαστον σημεῖον ποιούσῃ καὶ ἀρχὴν καὶ πέρας. θεοῦ δὲ διότι καὶ κακοποιός ἐστι· περὶ γὰρ ὧν οὐκ οἶδεν μέλλει συμβουλεύειν, ἵνα κακοῖς περιβάλῃ τοὺς συμβουλευομένους, ὁ δὲ θεὸς ἀγαθότητι χαρακτηρίζεται. ὥσπερ γὰρ ὁ μὴ εἰδὼς ἰατρικὰ καὶ μὴ συμβουλεύων περὶ ἰατρικῶν οὐ πταίει, ὁ δὲ μὴ εἰδὼς καὶ ἐπιχειρῶν συμβουλεύειν τὸ ἀνάπαλιν, καὶ ὁ περὶ τεκτονικῶν συμβουλεύων μὴ εἰδὼς ταῦτα, ἐκεῖνος ἁμαρτάνει (οὐ γὰρ ἁμαρτάδος αἰτία ἡ ἁπλῆ ἄγνοια, ἀλλ’ ἡ διπλῆ), οὕτω καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης. καὶ ἔοικε τοῖς μαινομένοις ὁ Ἀλκιβιάδης· ὥσπερ γὰρ ὁ παρὰ τῷ Σοφοκλεῖ Αἴας ἐφόνευε τὰ πρόβατα οἰόμενος αὐτὰ τοὺς Ἕλληνας εἶναι, οὕτως καὶ οὗτος μὴ εἰδὼς τὰ δίκαια οἴεται εἰδέναι, διὸ καὶ κακοῖς περιβάλλει τοὺς συμβουλευομένους· καὶ ὅτι ὥσπερ ἄχρηστός ἐστιν ὁ διδάσκαλος παρὼν πρὸς διπλῇ ἀγνοοῦντα, οὐδὲν γὰρ ὀνήσει αὐτὸν οἰόμενον εἰδέναι, οὕτω καὶ ἰατρὸς πρὸς μαινόμενον· διὸ καὶ ‘ μ α ν ι κ ὸ ν ’ αὐτὸν ἀποκαλεῖ. Ὁ καλὸς ὁ Κλεινίου: τοῦτο ἐμφατικόν ἐστιν ὅτι | ‘οὐδέν σε ὤνησεν πρὸς τὸ εἰδέναι τὰ δίκαια οὐ κάλλος, οὐ πλοῦτος, οὐκ εὐγένεια’.

113C Φαίνεται. Τὸ τοῦ Εὐριπίδου ἄρα: διδάσκει ἡμᾶς ὁ Πλάτων πῶς δεῖ παρῳδεῖν χρήσεις, ὅτι οὐ δεῖ αὐτὰς τὰς χρήσεις εἰσάγειν (προσκορὲς γὰρ τοῦτο καὶ ἐκλυτικὸν τῶν λόγων), ἀλλὰ λέξεις τινάς· διὸ οὐ πᾶσαν τὴν χρῆσιν παρατίθεται.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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[derartigen] Angriff, als wäre er von allen Griechen [behauptet worden]. Dagegen begnügt Sokrates sich nicht damit, von einer anderen Person Gebrauch zu machen, sondern benutzt er auch den Widerlegten [selbst] für einen größeren Angriff, indem er sagt: „Es wurde von Alkibiades behauptet, dass er vorhat, obwohl er nicht weiß, was gerecht ist, darüber Rat zu erteilen, was er nicht weiß.“873 Ferner war Alkibiades von den drei ursprünglichen Hypostasen 10 abgewichen: Vernunft, Gott, Seele.874 Nun [war er] von der Seele [abgewichen], weil er keine Kenntnis hat, und zu erkennen eine Eigenschaft der Seele ist. Von der Vernunft war er abgewichen, da er zu wissen glaubt, obwohl er nicht weiß; es ist nämlich eine Eigenschaft der Vernunft, sich auf sich selbst zurückzuwenden. Die Vernunft ist nämlich in Analogie zu einem Kreis, die jeden Punkt [auf sich] sowohl zu seinem Anfang als auch zu seinem Ende macht. Von dem Gott [war er abgewichen], da er schlechte Handlungen vornimmt. Denn er ist im Begriff, über die Themen Rat zu erteilen, die er nicht kennt, um diejenigen, 15 die seinen Rat holen, ins Unglück zu bringen; dagegen wird der Gott mit der Güte gekennzeichnet.875 Wie etwa jemand, der über die Heilkunde nichts weiß und über dieThemen der Heilkunde keinen Rat gibt, keinen Fehler macht; wobei das Gegenteil für denjenigen gilt, der versucht, darüber Rat zu geben, was er nicht weiß; wie auch derjenige, der über die Themen der Bauwesen Rat gibt, obwohl er diese nicht kennt, einen Fehler macht (denn der Grund der Verfehlung ist nicht die einfache, sondern die doppelte Unwissenheit876); so ist auch 20 Alkibiades. Auch ähnlich zu den Wahnsinnigen ist Alkibiades.877 Wie nämlich Aias bei Sophokles die Herdentiere tötet, da er glaubt, sie seien die Griechen;878 so auch dieser [sc. Alkibiades], obwohl er es nicht weiß, glaubt zu wissen, was gerecht ist, daher auch bringt er diejenigen, die seinen Rat holen, ins Unglück. Ferner, wie es die Anwesenheit eines Lehrers bei einem doppelten Unwissendem 25 nicht nützlich ist; da er jemandem nicht helfen wird, der zu wissen glaubt; so ist ein Arzt angesichts eines Wahnsinnigen. Deswegen bezeichnet er [sc. Sokrates] ihn [sc. Alkibiades] als „W a h n s i n n i g e n “.879 Der schöne Sohn des Kleinias880: Steht für: „Dir hat für die Kenntnis über 104 das Gerechte weder Schönheit noch Reichtum noch adlige Abstammung genützt.“881 113C [Alkibiades:] So sieht es aus. [Sokrates:] Wohl das [Wort] des Euripides882: Platon lehrt uns, wie man Sprüche883 zitieren soll, nämlich dass man nicht die Sprüche selbst aufführen soll (denn das ist überdrüssig und dient dazu, den Sinn der Worte zu schwächen), sondern einige Wörter [daraus]. Aus 5 diesem Grund legt er nicht den ganzen Spruch vor.884

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C. Text und Übersetzung

Κινδυνεύει: οὐ μόνον ἐν τοῖς πράγμασίν ἐστιν ὁ κίνδυνος, ἀλλὰ καὶ ἐν τοῖς λόγοις, ἐφ’ ὧν ἡ συγκατάθεσις γίνεται διὰ τὴν βίαν τῶν λόγων καὶ τὴν ἐξέτασιν· διὸ τὸ ‘ κ ι ν δ υ ν ε ύ ε ι ν ’ . Οὐδὲ ἐγώ εἰμι ὁ ταῦτα λέγων: ἀναλογεῖ γὰρ ὁ μὲν ἐρωτῶν θεῷ τῷ προτείνοντι ταῖς ψυχαῖς αἵρεσιν βίου, διὰ τοῦ προτείνειν αὐτοῖς τὴν ἀντίφασιν (οὕτω γοῦν καὶ ἐν Πολιτείᾳ· ‘ ὑ μ ε ῖ ς δ α ί μ ο ν α α ἱ ρ ή σ ε σ θ ε , ο ὐ χ ὑ μ ᾶ ς δ α ί μ ω ν λ ή ξ ε τ α ι ’ )· ὁ δὲ ἀποκρινόμενος ἀναλογεῖ ψυχῇ αἱρουμένῃ τοὺς βίους. Μανικὸν γὰρ ἔχεις ἐν νῷ ἐπιχείρημα: ἰδοὺ ‘ μ α ν ι κ ὸ ν ’ αὐτὸν καλεῖ, ὡς προείρηται.

113D Οἶμαι μέν, ὦ Σώκρατες, ὀλιγάκις: ἰδοὺ ὡς ῥητορικὸς ἀποφεύγει τῷ λέγειν· ‘οὐ βουλεύονται Ἀθηναῖοι περὶ δικαίων, ἀλλὰ περὶ συμφερόντων· τοῦτο γὰρ τέλος ἐστὶ τοῦ συμβουλευτικοῦ’. ἕτερον δέ ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον παρὰ τοῖς ῥήτορσιν, διότι τὸ ἐκ πόρων ἀδίκων ἔχειν ἔλεγον εἶναι συμφέρον, οὐ μὴν δίκαιον, καὶ τὴν ὑπὲρ πατρίδος ἀναίρεσιν δικαίαν μέν, οὐ μὴν συμφέρουσαν, οὐ γὰρ συνήνεγκεν τῷ σώματι. διὸ καὶ ὁ Σωκράτης πολλάκις ἠρᾶτο τοῖς πρώτοις διαστήσασι ταῦτα ἀπ’ ἀλλήλων ὡς μέγιστον ὄλισθον ταῖς ψυχαῖς εἰσαγαγοῦσι καὶ συγχέασι καὶ τὴν ψυχικὴν οὐσίαν καὶ τὴν τελειότητα ἡμῶν. εἰ γὰρ δειχθῇ τὸ δίκαιον ἀντιστρέφον τῷ συμφέροντι, καὶ πᾶν δίκαιον καὶ συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν, ὁ ἄνθρωπος ἡ ψυχὴ | ἔσται, ἀλλ’ οὐ τὸ συναμφότερον· οὕτω μὲν τὴν οὐσίαν ἡμῶν συνέχεαν. ἔτι δὲ καὶ ὅτι ἔσται αὐτάρκης ἡ ἀρετὴ πρὸς εὐδαιμονίαν καὶ ἡ κακία πρὸς κακοδαιμονίαν· διὸ καὶ τὴν τελειότητα ἡμῶν συνέχεαν· εἰ δὲ μή, οὐδὲν ὀνήσεται ὁ εἰπὼν ‘πτίσσε’. ἀλλὰ πόθεν ὁ Ἀλκιβιάδης ἦλθεν εἰς τὸ εἰπεῖν ὅτι οὐ περὶ τούτων Ἀθηναῖοι βουλεύονται, οἶον τῶν δικαίων; ἐπειδὴ ἑώρα αὐτούς, ὡς ῥητορικὸς καὶ πολλὴν παρασκευὴν ἔχων ἀπὸ ῥητορικῆς διὰ Περικλέους, ἄλλο μὲν λέγοντας τὸ δικανικὸν τέλος ἔχειν, ἄλλο δὲ τὸ συμβουλευτικόν, ὅτι τὸ συμφέρον, ἐκ τῶν κεφαλαίων· ποτὲ μὲν γὰρ ἔλεγον κεφάλαιον εἶναι ἀπὸ τοῦ νομίμου ἢ ἀπὸ τοῦ δικαίου ἢ ἀπὸ τοῦ συμφέροντος. ἢ ὅτι ἐπειδὴ θέσει πάντες οἴονται τὸ δίκαιον εἶναι, τὰ

104, 7 Olymp. κινδυνεύει / κινδυνεύεις Plat. Alc. 113c3. 15 Olymp. ἔχεις ἐν νῷ / ἐν νῷ ἔχεις Plat. Alc. 113c5.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Er läuft Gefahr885: Nicht nur in den Handlungen besteht Gefahr, sondern auch in den Worten, bei denen durch den Zwang und durch die genaue Prüfung der Argumente eine Übereinstimmung entsteht. Deswegen [wird hier] „G e f a h r l a u f e n “ [benutzt]. Nicht ich bin der, der diese sagt886: Denn steht der Fragesteller in einer 10 Analogie zu dem Gott, der den Seelen eine Wahl des Lebens ermöglicht, da er ihnen den Widerspruch erlaubt (so ist es jedenfalls in der Politeia: „I h r werdet einen Daimon auswählen, nicht wird euch ein D a i m o n d u r c h d a s L o s z u t e i l w e r d e n . “887). Der Antwortgeber hingegen ist in der Analogie mit der Seele, die zwischen den Leben eine Auswahl trifft. Denn du hast ein wahnsinniges Vorhaben im Sinn888: Siehe, dass er ihn 15 „w a h n s i n n i g e n “ nennt, wie bereits gesagt wurde.889 113D Ich glaube allerdings, Sokrates, sehr selten890: Siehe, wie er mit rednerischer Begabung bei dieser Aussage die Flucht ergreift891: „Die Athener beraten nicht darüber, welche Handlungen gerecht sind, sondern darüber, welche nützlich sind. Denn das ist das Ziel des Beratens.“892 Nun bei den Rednern ist das Gerechte und das Nützliche unterschiedlich,893 weshalb sie 20 behaupteten, dass es möglich sei, aus ungerechten Mitteln etwas Nützliches zu erreichen, aber nicht etwas Gerechtes; und die Ermordung um des Vaterlandes willen sei zwar gerecht, aber sicherlich nicht nützlich, denn es bringe dem Körper keinen Nutzen.894 Aus diesem Grund hat auch Sokrates häufig diejenigen verflucht, die diese zuerst voneinander getrennt haben,895 da sie die größte Falle für die Seele eingeführt und sowohl unser seelisches Wesen als auch unsere 25 Vollkommenheit verwechselt haben. Wenn es nämlich aufgezeigt wurde, dass das Gerechte dem Nützlichen entspricht,896 und alles Gerechte auch nützlich ist und auch umgekehrt, der Mensch wird die Seele sein und nicht die Kombination 105 von beidem. Auf diese Weise also verwechselten sie unser Wesen. Darüber hinaus wird es der Fall, dass die Tugend alleine ausreichend für Glückseligkeit ist, und die Schlechtigkeit für Unglückseligkeit.897 Dadurch verwechselten sie auch unsere Vollkommenheit. Wenn es nicht so wäre, würde es dem nichts nützen, der sagte: „Zerstampfe!“898 Aber woher kommt Alkibiades auf die 5 Aussage, dass die Athener sich nicht über diese [Themen] beraten, beispielsweise über die gerechten [Handlungen]? Weil er dadurch, dass er rednerisch begabt war und dank Perikles eine vielseitige Ausbildung in der Rhetorik hatte, sah, dass sie [sc. die Redner] sagen, die Gerichtsrede habe ein Ziel, die Beratungsrede dagegen ein anderes Ziel, nämlich das Nützliche, ausgehend von den rhetorischen Fragestellungen.899 Sie behaupteten also, dass die rheto- 10 rische Fragestellung mal daraus stammt, was gesetzmäßig ist, ein andermal daraus, was gerecht ist, oder daraus, was nützlich ist.900 Oder, weil alle der

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C. Text und Übersetzung

δὲ ἀγαθὰ φύσει· οὐδεὶς γὰρ ἀνθρώπων θέσει τὰ ἀγαθὰ ᾠήθη, εἰ μὴ μόνος Κλειτοφῶν ἐν τῇ Πολιτείᾳ, διὸ καὶ οὔτε ἠξίωσεν αὐτὸν ὀνομάσαι, ἀλλά φησιν ‘ ε ἶ π έ ν τ ι ς τ ῶ ν π α ρ ό ν τ ω ν ’ ὡς παρὰ τὴν κοινὴν ἔννοιαν εἰπόντος· – διὰ τοῦτο οὖν διάφορον ᾠήθη εἶναι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον. 113C Ἀλλὰ μέντοι εὖ λέγεις: τὸ ‘ ε ὖ λ έ γ ε ι ς ’ ὁ μὲν Δημόκριτος ἐπίκλην χναʹ (διότι μετρούμενον τὸ ὄνομα αὐτοῦ χναʹ ποιεῖ) ὡς | ἀπὸ Σωκράτους ἐκδέχεται, ὁ δὲ Δαμάσκιος ὡς ἀπὸ Ἀλκιβιάδου. καὶ ἄμεινον τὸ βʹ, διότι, ὡς ἐλέγετο, ἤρξατο ὠφελεῖσθαι ὁ Ἀλκιβιάδης καὶ ἐλέγχει ἑαυτόν. 113D Τὰ μὲν γὰρ τοιαῦτα ἡγοῦνται δῆλα: καλῶς ὁ Ἀλκιβιάδης· ὡς μὲν γὰρ θέσει ὄντα τὰ δίκαια καὶ ποιηταὶ ὄντες αὐτῶν οὐκ ἀξιοῦσι διδάσκειν οὔτε συμβουλεύειν, περὶ δὲ τῶν συμφερόντων βουλεύονται. Τί οὖν; εἰ ὅτι μάλιστα ἕτερα μὲν τὰ δίκαια: ἄρχεται τοῦ ἐλέγχου καὶ δείκνυσιν αὐτὸν μὴ εἰδότα τὰ συμφέροντα ἐκ τῆς ἀντιπαραστάσεως, διότι πολλῶν λόγων δεῖται ἡ ἔνστασις εἰς τὸ δεῖξαι ὅτι ταὐτὸν δίκαιον καὶ συμφέρον, ὃ ἐφεξῆς ποιήσει· νῦν δέ φησιν ὅτι ‘εἰ μὲν ταὐτόν ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον, ἐδείχθης δὲ μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον, οὐκοῦν καὶ τὸ συμφέρον· εἰ δὲ ἕτερον, δειχθείης δὲ μὴ εἰδὼς τὸ συμφέρον διὰ τῶν αὐτῶν λόγων, δύο ἀνθ’ ἑνὸς δειχθήσῃ ἀγνοῶν’. Τί γὰρ κωλύει, ὦ Σώκρατες; εἰ μή με αὖ ἐρωτήσεις: ‘τί κωλύει’, φησὶν ὁ Ἀλκιβιάδης, ‘εἰδέναι με τὸ συμφέρον, εἰ καὶ ἀγνοῶ τὰ δίκαια; εἰ μὴ ἐρωτήσῃς με πάλιν τοὺς αὐτοὺς λόγους· εἰ γὰρ ἐρωτήσῃς με, δειχθήσομαι μὴ εἰδώς’. Δι’ οὗπερ καὶ τὸ πρότερον ὁ λόγος: ἔοικε γὰρ ὁ Ἀλκιβιάδης τρυφῶντι ἐν τοῖς λόγοις. διὸ οὐκ ἀρκεῖται μιᾷ ἀποδείξει, ἀλλὰ διὰ πολλῶν ἀποδείξεων θέλει τὸ αὐτὸ δείκνυσθαι, ὁμοίως τοῖς τρυφῶσιν ἐν τροφαῖς καὶ μὴ μιᾷ τροφῇ ἀρκουμένοις.

105, 14 Olymp. εἶπέν τις τῶν παρόντων / καί τις εἶπε τῶν παρόντων Plat. Phd. 103a4–5. 17 Olymp. Ἀλλὰ μέντοι / καὶ μέντοι καὶ Plat. Alc. 113c4–5. 106, 15 Olymp. ἐρωτήσεις / ἐρήσῃ Plat. Alc. 113e5. 19 Olymp. ὁ λόγος / λόγου Plat. Alc. 113e6.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Meinung sind, das Gerechte stamme aus der Konvention, dagegen die Dinge, die gut sind, aus der Natur.901 Denn kein Mensch annahm, dass das, was gut ist, aus der Konvention [stammt], ausgenommen von nur Kleitophon in der Politeia902, daher legte er [sc. Platon] keinen Wert darauf, ihn namentlich zu erwähnen, sondern sagte: „E i n e r d e r A n w e s e n d e n s a g t e “903, da er gegen einen Gemeinbegriff sprach.904 Aus diesem Grund dachte er, dass das Gerechte und das 15 Nützliche unterschiedlich sind. 113C Aber in der Tat sagst du es zurecht: Die [Aussage] „D u s a g s t z u r e c h t “ hält einerseits Demokritos, mit dem Nachnamen 651 (da sein Name, wenn man es berechnet, 651 beträgt)905, für [eine Aussage] des Sokrates; 106 Damaskios dagegen [hält es] für [eine Aussage] des Alkibiades. Diese zweite [Alternative] ist besser, denn, wie gesagt906, Alkibiades fängt an, [aus dem Dialog] einen Nutzen zu ziehen und widerlegt sich selbst. 113D Denn Derartiges, meinen sie, sei klar907: Zutreffend [sagt es] 5 Alkibiades: Da sie zumal die gerechten [Handlungen] als aus der Konvention [entstehend] und sich selbst als deren Erschaffer [betrachten], legen sie weder Wert darauf, sie zu lehren, noch [über sie] Rat zu geben, stattdessen beraten sie über die nützlichen [Handlungen]. Wie nun? Wenn die gerechten Handlungen so sehr unterschiedlich sind908: Er beginnt die Widerlegung909 und zeigt ausgehend von einem indirekten Einwand910, dass er [sc. Alkibiades] nicht weiß, was nützlich ist, da der 10 Einwand viele Argumente benötigen wird, um aufzuzeigen, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind, was er im Folgenden machen wird.911 Jetzt aber sagt er [nur]: „Wenn zum einen das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind, und zum anderen aufgezeigt wurde, dass du nicht weißt, was gerecht ist, folglich [weißt du] auch nicht, was nützlich ist. Wenn sie aber unterschiedlich sind, und es durch die gleichen Argumente aufgezeigt werden konnte, dass du nicht weißt, was nützlich ist, wird aufgezeigt werden, dass du in zwei [Themen] statt in einem unwissend bist.“912 113E Was verhindert das, Sokrates? Es sei denn, du wirst mich wieder 15 fragen913: „Was hindert mich daran?“, sagt Alkibiades, „das Nützliche zu wissen, auch wenn ich über das Gerechte unwissend bin? Solange du mich nicht wieder ausgehend von den gleichen Argumenten befragst: Denn, wenn du mir diese Fragen stellst, wird es nachgewiesen, dass ich [das] nicht weiß.“ Durch die auch das vorherige Argument914: Denn Alkibiades ähnelt einem Schlemmer bei den Argumenten. Daher reicht ihm eine Beweisführung nicht, 20 sondern möchte er, dass das Gleiche durch viele Beweisführungen demonstriert wird, ähnlich wie es den Schlemmern bei den Essen nicht nur eine [Art] Speise reicht.

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C. Text und Übersetzung

Ὡς τῶν προτέρων οἶον σκευαρίων κατατετριμμένων: τὰ ‘ σ κ ε υ ά ρ ι α ’ οὐ τὰ σκεύη, ὡς ἡ συνήθεια, δηλοῦται ὑπὸ Πλάτωνος, ἐπάγει γὰρ ‘ κ α ὶ ο ὐ κ έ τ ’ ἂ ν α ὐ τ ὰ ἀ μ π ί σ χ ο ι ο ’ , ἀλλὰ ‘ σ κ ε υ ά ρ ι α ’ φησὶν τὰς σκευὰς τὰς τῶν κωμικῶν καὶ τῶν τραγικῶν. εἰ δ’ ἄρα βούλει καὶ περὶ τῶν σκευῶν ἐκλαβεῖν τὸν λόγον, γʹ δηλοῖ τὰ σ κ ε υ ά ρ ι α παρὰ Πλάτωνι· ἢ τὰ σκεύη ἢ τὰ ἐνδύματα (δι’ ὧν ἐπάγει ‘ κ α ὶ ο ὐ κ ἂ ν α ὐ τ ὰ ἀ μ π ί σ χ ο ι ο ’ ) ἢ τὴν τρυφήν, πολλῇ γὰρ τρυφῇ ἐκέχρητο ὁ Ἀλκιβιάδης, ὡς πολλοὺς πολύστιχα βιβλία γράψαι περὶ τῆς τρυφῆς τῆς Ἀλκιβιάδου· καὶ ταῦτα γὰρ ὡς τῶν ἐκτὸς ὄντα σκευαί εἰσιν. ἀλλὰ τί δήποτε ἐφίεται ἡ ψυχὴ τῆς σκευῆς τῆς ἔξωθεν τῶν ἱματίων; ἢ ἄλλων ἐφίεται καὶ περὶ ἄλλα ἐνειλεῖται· ἔννοιαν γὰρ ἔχουσα τῶν ἔνδοθεν χιτώνων αὐτῆς, τοῦ αὐγοειδοῦς καὶ τοῦ πνευματικοῦ καὶ τοῦ ὀστρεΐνου, ἐφίεται διὰ τῆς φαινομένης στολῆς ταύτης καθαροὺς ἔχειν τοὺς ἔνδον χιτῶνας (οὕτω καὶ ὁ ποιητὴς ‘ ε ἵ μ α τ ά τ ’ ἀ μ φ ι έ σ α ι ’ )·

ἔξω οὖν σπίλων βούλεται τούτους ἔχειν.

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114A Τὰς σὰς προδρομάς: ‘ π ρ ο δ ρ ο μ ὴ ’ λέγεται ὅταν ἐν πολέμῳ καταλάβῃ τις φρούριόν τι ἐξ οὗ δύναται ἀσφαλῶς πολεμεῖν· προδρομὰς οὖν ᾤετο ὁ Ἀλκιβιάδης τὸ μὴ ἐρωτᾶσθαι διὰ τῶν αὐτῶν λόγων ὑπὸ τοῦ Σωκράτους. Ὁπόθεν μαθὼν αὐτὰ συμφέροντα: συντόμως παρέχεται τὰς ἐρωτήσεις ὁ Σωκράτης ἐκ τοῦ ‘πόθεν μαθὼν ἢ εὑρών;’ διότι ἤδη εἴρηται αὐτῷ ταῦτα, ὥσπερ ὁ ποιητής· ‘χαλεπὸν δέ κεν εἴη αὖθις ἀριζήλως εἰρημένα μυθολογεύειν’.

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114B Πότερον δὲ ταὐτά ἐστι δίκαιά τε καὶ συμφέροντα: τὴν ἔνστασιν διὰ τούτων φησίν, ὅτι ‘ἔδει σε δεῖξαι ὅτι οὐ ταὐτά ἐστι τὰ δίκαια καὶ τὰ συμφέροντα· εἰ γὰρ μὴ δείξῃς, δειχθήσῃ | δύο ἀνθ’ ἑνὸς ἀγνοῶν’.

106, 25 Olymp. om. σὺ post ἂν, cf. Plat. Alc. 113e9. 107, 18 Olymp. ὁπόθεν μαθὼν αὐτὰ / πόθεν μαθὼν αὖ τὰ Plat. Alc. 114a2.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Als wären die früheren wie abgenutzte Kleidungsstücke (skeuaria)915: Dass die „K l e i d u n g s s t ü c k e “ (skeuaria) nicht die Ausrüstungen (skeuos) [sind], wie üblicher Gebrauch [des Wortes], macht Platon deutlich, denn er fügt hinzu: „d i e d u d i r n i c h t m e h r a n z i e h e n w ü r d e s t “916; stattdessen 25 benutzt er „K l e i d u n g s s t ü c k e “ (skeuaria) über die Kostüme (skeuê) der 107 Komödien- und Tragödiendarsteller. Wenn du aber auch das Argument über die Kostüme (skeuōn) verstehen willst, verdeutlichen die K l e i d u n g s s t ü c k e (skeuaria) drei Bedeutungen bei Platon917: EntwederAusrüstungen (skeuos), oder Gewänder (endumata) (daher sagt er: „d i e d u d i r n i c h t m e h r a n z i e h e n w ü r d e s t “), oder Üppigkeit (truphe), denn Alkibiades lebte in großer Üppigkeit (truphe), wie viele mehrbändige Bücher über die Üppigkeit des 5 Alkibiades schrieben.918 Auch diese sind im gewissen Sinne Kostüme (skeuai), da sie sich außen [am Körper] befinden. Aber warum denn verlangt die Seele nach den Kostümen von außen, nach den Kleidern (himatia)?919 In der Tat verlangt sie andere Sachen, und ist mit anderen Sachen umwickelt: Denn sie hat ein Konzept von ihren inneren Umhüllungen (chitōn), der lichtförmigen [Umhüllung], der pneumatischen und der schalenartigen920; durch diese sicht- 10 bare Stola (stolê) bezweckt sie, ihre inneren Umhüllungen rein zu behalten. (So auch der Dichter: „u n d d i r K l e i d e r ( h e i m a t a ) a n z u t u n “921

[Die Seele] will also diese [sc. innere Umhüllungen] fern von Flecken halten.922 114A Deine Präventivschläge923: „P r ä v e n t i v s c h l a g “ sagt man, wann in einem Krieg eine [Seite] eine bestimmte Festung einnimmt, aus der sie [gegen andere] unversehrt kämpfen kann. Alkibiades dachte nun an Präventivschläge, damit er nicht von Sokrates über die gleichen Argumente befragt wird. Woher hast du diese nützlichen Handlungen gelernt924: Sokrates bereitet seine Fragen zusammenfassend aus der [vorherigen Diskussion]: „Wo hast du das gelernt oder gefunden?“925, weil er ihm diese bereits erklärt hat, wie der Dichter:

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„U n d w i d e r w ä r t i g i s t e s m i r , d e u t l i c h G e s a g t e s n o c h e i n m a l z u e r z ä h l e n . “926

114B Ob aber die gerechten und die nützlichen [Handlungen] dieselben sind927: Dadurch spricht er den Einwand aus928, nämlich: „Du musstest aufzeigen, dass das Gerechte und das Nützliche nicht dasselbe sind. Wenn du es nicht aufzeigen kannst, wird es nachgewiesen, dass du zwei statt ein [Thema] 108 nicht weißt.“929

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C. Text und Übersetzung

Εἰ μὲν βούλει, ἐρωτῶν ὥσπερ ἐγὼ σέ, εἰ δέ, καὶ αὐτὸς ἐπὶ σεαυτοῦ λόγον διέξελθε: ἰδοὺ οἶδε καὶ τὸν ἐρωτῶντα λέγοντα καὶ οὐδαμοῦ ἐπήγαγεν ‘ἐρωτῶν καὶ ἀποκρινόμενος’, εἰδὼς ὅτι ἐὰν ἀπόκρισις καὶ ἐρώτησίς ἐστιν ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων. ἀλλὰ διὰ τί ἐβούλετο ὁ Σωκράτης ἐρωτᾶν τὸν Ἀλκιβιάδην ἢ ἀποτάδην τὸν λόγον ποιεῖσθαι; ἢ ἐπειδὴ ᾔδει ὅτι οὐκ ἐβούλετο ἔτι ἀποκρίνασθαι ὡς ἐλεγχθεὶς ὑπὸ Σωκράτους, ταύτῃ μετήγαγε τὸ εἶδος τῶν λόγων. ἀποτάδην δέ, διότι εἰ μὲν Σωκράτης ἦν ὁ διαλεγόμενος, δέος ἦν μὴ πρὸς καθεύδοντα τὸν λόγον ποιήσηται, ὥς φησιν Αἰσχίνης· ‘οὕτω δὲ τῆς δίκης λεγομένης ὄναρ ἔβλεπον οἱ δικασταί’· ἐπειδὴ δὲ Σωκράτης ἐστίν, οὐ δέος μὴ πάθοι τοῦτο. Ὦ Σώκρατες, πρὸς σὲ διεξελθεῖν: ‘οὐκ οἶδα’, φησίν, ‘εἰ δυνατός εἰμι πρὸς σὲ διαλεχθῆναι’· καὶ τὸ ‘ π ρ ὸ ς σ ὲ ’ μάχης καὶ φιλονεικίας ἦν. ἐν οἷς σὺν θεῷ ἡ πρᾶξις.

Πρᾶξις σὺν θεῷ ιβʹ

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114B-115A Ἀλλ’ οὐκ οἶδα εἰ οἶός τε εἴην, ὦ Σώκρατες, πρὸς σὲ διεξελθεῖν. Ἀναθέμενος ὁ Ἀλκιβιάδης ὡς εὐφυὴς πρὸς τὴν λοιπὴν πρότασιν λέγων ‘ἀλλ’ οὐ βουλεύονται Ἀθηναῖοι περὶ δικαίων, ἀλλὰ περὶ συμφερόντων ὅτι τέλος ἐστὶ τοῦ συμβουλευτικοῦ οὐ τὸ δίκαιον, ἀλλὰ τὸ συμφέρον’· καὶ ἐλέγξας αὐτὸν διὰ τῆς ἀντιπαραστάσεως λέγων ὅτι ‘ καὶ δῶμεν ὅτι διάφορόν ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον, ἀλλὰ διὰ τῶν αὐτῶν λόγων δειχθήσῃ μὴ εἰδὼς τὸ συμφέρον δι’ ὧν καὶ τὸ δίκαιον ἐδείχθης μὴ εἰδώς (οὐδὲ γὰρ δέος μὴ κατατριβήσονται οἱ λόγοι δίκην τῶν σκευαρίων)’· ἐντεῦθεν | καὶ ἐπὶ τὴν ἔνστασιν ἔρχεται, ἵνα διελέγξῃ αὐτόν, ἐν ᾗ δείκνυσιν ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ πᾶν συμφέρον δίκαιον, ἵνα διὰ τῆς ἀντιστροφῆς τὴν ταυτότητα δικαίου καὶ συμφέροντος δείξῃ. 108, 2 Olymp. om. με post ἐρωτῶν, cf. Plat. Alc. 114b2. 3 Olymp. λόγον / λόγῳ Plat. Alc. 114b3. 13 Olymp. διεξελθεῖν / διελθεῖν Plat. Alc. 114b5. 17 Olymp. τε / τ’ ἂν Plat. Alc. 114b4. 17 Olymp. διεξελθεῖν / διελθεῖν Plat. Alc. 114b5.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Wenn du es willst, indem du mich befragst, wie ich dich; wenn nicht, arbeite es selber in deinem eigenen Argument aus: Siehe, wie es ihm bewusst ist, dass auch der Fragesteller etwas behauptet, und er nirgendwo „beim Fragen und Antworten“ hinzufügt; denn er weiß, dass, wenn es Frage und Antwort gibt, der Antwortgeber derjenige ist, der etwas behauptet.930 Aber aus welchem Grund wollte Sokrates, dass Alkibiades Fragen stellt oder eine ausführliche Rede hält? Entweder sah er [sc. Sokrates], dass er [sc. Alkibiades] nicht mehr antworten wollte, nachdem er von Sokrates widerlegt wurde und daher wechselte er die Form der Diskussion in diese Richtung. Eine ausführliche [Rede halten kann er], weil es zu fürchten wäre, wenn Sokrates der Sprecher im Dialog wäre, dass er auf ein schlafendes [Publikum] seine Rede halten würde, wie Aischines sagt: „Als das Urteil angekündigt wurde, träumten die Richter noch.“931 Da aber Sokrates [der Zuhörer] ist, ist es nicht zu fürchten, dass das geschieht. Sokrates, das dir gegenüber auszuarbeiten932: „Ich weiß es nicht“, sagt er, „ob ich in der Lage bin, gegenüber dir ein dialektisches Gespräch durchzuführen“. Und „g e g e n ü b e r d i r “ [ist ein Ausdruck] für Auseinandersetzung und Kampflust.933 Damit endet der Unterricht mit Gottes Hilfe.

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Unterricht 12 mit Gottes Hilfe 114B–115A Ich weiß aber nicht, ob ich in der Lage wäre, Sokrates, das dir gegenüber auszuarbeiten934: Alkibiades widerrief die übrige Prämisse935, dank seiner natürlichen Begabung, indem er sagt: „Aber die Athener beraten nicht darüber, was gerecht ist, sondern darüber, was nützlich ist, denn das Ziel der Beratung ist nicht das 20 Gerechte, sondern das Nützliche.“936 Darauf widerlegte er [sc. Sokrates] ihn durch einen indirekten Einwand937, indem er sagt: „Auch wenn wir einräumen würden, dass das Gerechte und das Nützliche unterschiedlich sind, wird es dennoch durch die gleichen Argumente demonstriert, dass du nicht weißt, was nützlich ist, durch die es demonstriert wurde, dass du nicht weißt, was gerecht ist (denn man soll nicht fürchten, dass die Argumente wie Kleidungsstücke abgenutzt werden).“938 An dieser Stelle gelangt er zu dem Einwand, um ihn 109 vollständig zu widerlegen, bei dem er zeigt, dass alles Gerechte nützlich und alles Nützliche gerecht ist, damit er die Selbigkeit des Gerechten und des Nützlichen durch ihre gegenseitige Entsprechung zeigen kann.939

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Καὶ συμβάλλεται ὁ παρὼν συλλογισμὸς καὶ πρὸς τὴν οὐσίαν ἡμῶν καὶ πρὸς τὴν τελειότητα. πρὸς μὲν τὴν οὐσίαν, ὅτι εἰ δειχθῇ ταὐτὸν τὸ δίκαιον καὶ συμφέρον, ἔνθα ἐστὶν δίκαιον, ἐκεῖ καὶ τὸ συμφέρον· ἐν ψυχῇ δέ ἐστι τὸ δίκαιον, ἐν ψυχῇ ἄρα ἐστὶ καὶ τὸ συμφέρον· καὶ ἐπειδὴ τὸ συμφέρον εὖ εἶναί ἐστιν, ἔνθα δὲ τὸ εὖ εἶναι καὶ τὸ εἶναι πάντως, καὶ τὸ εἶναι ἄρα ἡμῶν ἐν ψυχῇ ἐστίν. ἀλλὰ καὶ τὴν τελειότητα ἡμῶν διὰ τούτου δείκνυσιν· εἰ γὰρ ταὐτόν ἐστι δίκαιον καὶ συμφέρον, τέλος ἡμῶν ἐστὶ τὸ δίκαιον καὶ διὰ τοῦτο αὐτάρκης ἡ ἀρετὴ πρὸς εὐδαιμονίαν καὶ ἡ κακία πρὸς κακοδαιμονίαν, κἂν τὰ ἄλλα τὰ ἔξωθεν εὖ ἔχοι. Ἀλλὰ πῶς ταῦτα λέγεται ὑπὸ τοῦ Πλάτωνος, ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον ἐστὶν καὶ πᾶν συμφέρον δίκαιόν ἐστιν καὶ ἀντιστρέφει ταῦτα· ἐφεξῆς δὲ δείξει ὅτι καὶ τὸ καλὸν τούτοις ἀντιστρέφει καὶ τὸ ἀνάπαλιν; εἴγε κανών ἐστι Πρόκλειος τὰ ὑψηλότερα μὴ συμπαύεσθαι μήτε συνάρχεσθαι τοῖς κοιλοτέροις, ἀλλ’ ἐπὶ μείζονα πρόοδον προϊέναι, δίκην τριῶν ἀνίσων κατὰ τὴν δύναμιν τοξοτῶν καὶ τῶν ἰσχυροτέρων ἐπὶ πολὺ τὸ βέλος ἀφιέντων. καὶ τὸ μὲν συμφέρον πρὸς τῷ ἀγαθῷ ἐστί, τὸ δὲ καλὸν πρὸς τῷ νῷ (διότι ἀφρὸς καὶ ἄνθος τοῦ εἴδους ἐστὶ τὸ κάλλος, τὸ δὲ εἶδος πρὸς τῷ νῷ ἐστὶν ἐπιστρεπτικῷ ὄντι· καὶ τοῦτο γὰρ ὡς ἀμερὲς ἐπιστρεπτικόν ἐστι, διὰ γὰρ τὴν ὕλην μερίζεται· ἐπεὶ πάντες οἱ λόγοι ἐν τῷ σπέρ|ματί εἰσιν ὡς ἀμερεῖς , ὅθεν καὶ μέρους ἐκριπτομένου τὸ λοιπὸν τὴν χρείαν ἀποπληροῖ), τὸ δὲ δίκαιον ἀπὸ ψυχῆς ἄρχεται. διὸ τὸ μὲν ἀγαθὸν καὶ ἄχρι τῆς ὕλης κάτεισιν (ἀγαθὴ γὰρ καὶ αὐτὴ καὶ χρείαν ἐκτελοῦσα τῷ παντί)· ἡ δὲ δόσις τοῦ νοῦ ἄχρι τῶν εἰδοπεποιημένων· ἡ δὲ τῆς ψυχῆς δόσις ἄχρι τῆς ἀλόγου ψυχῆς (ἔστιν γὰρ καὶ ἐν αὐτῇ τὸ δίκαιον, διὰ τοὺς πελαργούς). μάθοις δ’ ἂν τὸ λεγόμενον ἐπὶ ἄλλων παραδειγμάτων· ἐπειδὴ τὸ ὂν πρὸ ζωῆς, ζωὴ δὲ πρὸ τοῦ νοῦ, ὡς ἐν τῷ Σοφιστῇ ἐν τοῖς περὶ τοῦ ὄντος λόγοις ἀκριβέστερον μαθησόμεθα, διὰ τοῦτο οὖν πλείονα ἔστιν ἤπερ ζῇ καὶ πλείονα ζῇ ἤπερ νοεῖ. πῶς οὖν ταῦτα ἀντιστρέφει, τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον; ἢ ἐπὶ ἀνθρώπου ἀγαθοῦ καὶ συμφέροντος καὶ καλοῦ ἀληθὴς ἡ ἀντιστροφή, ὥσπερ καὶ

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Ferner bringt uns die vorliegende Schlussfolgerung sowohl unser Wesen als 5 auch unsere Vollkommenheit bei.940 Unser Wesen einerseits, weil, wenn es aufgezeigt ist, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind, wo sich das Gerechte befindet, dort auch das Nützliche [sein wird]. Doch das Gerechte ist in der Seele, also befindet sich auch das Nützliche in der Seele. Da nun was [für uns] nützlich ist, sich wohl zu befinden941 ist – und wo das Wohlsein ist, ist auch das Sein insgesamt –, ist also auch unser Sein in der Seele. Darüber hinaus 10 demonstriert er auch unsere Vollkommenheit durch diese [Schlussfolgerung]. Wenn nämlich gerecht und nützlich das Gleiche sind, ist unser Ziel das Gerechte und dadurch ist Tugend alleine ausreichend für die Glückseligkeit, und die Schlechtigkeit [ausreichend] für Unglückseligkeit942, auch wenn alle anderen äußerlichen [Umstände] in guter Verfassung sind. Aber in welchem Sinne wird es von Platon behauptet, dass alles Gerechte 15 nützlich ist und alles Nützliche gerecht ist, und diese einander entsprechen?943 Weil er im Folgenden aufzeigen wird,944 dass auch das Schöne945 diesen [sc. dem Gerechten und Nützlichen] entspricht und auch umgekehrt [sie dem Schönen entsprechen]? Gewiss, wenn das prokleanische Gesetz946 gilt, dass die höheren Wesen mit den tieferen Wesen weder zusammen zu Ende kommen noch zusammen anfangen, sondern früher [als diese] einen größeren Fortschritt erreichen – ähnlich wie bei drei in ihrer Kraft ungleichen Bogenschützen, von 20 denen die Stärkeren den Pfeil weiter schießen. Doch das Nützliche richtet sich nach dem Guten947, das Schöne dagegen nach der Vernunft948 (daher ist die Schönheit der Schaum949 und die Blüte der Form950, die Form wiederum richtet sich nach der Vernunft, die [auf sich selbst] zurückwendend ist. Denn auch diese [sc. Form] ist [auf sich] zurückwendend, da sie teillos ist, sie wird nämlich durch die Materie geteilt.951 Da alle Prinzipien in ihrem Kern als teillose Wesen 110 existieren, erfüllt das, was zurückbleibt, dennoch ihre Funktion, auch wenn aus diesen ein Teil rausgerissen wird952), das Gerechte andererseits hat seinen Ursprung an der Seele.953 Deswegen steigt zwar das Gute sogar bis in die [Ebene der] Materie ab954 (denn auch diese [sc. die Materie] ist gut und erfüllt eine Funktion für das Universum), die Gabe der Vernunft aber [erreicht] bis in die von der Form geschaffenen Dinge.955 Die Gabe der Seele [erreicht] ferner bis in 5 die unvernünftige Seele956 (denn auch in dieser existiert das Gerechte, wie etwa bei den Störchen957). Du kannst diese Behauptung an anderen Beispielen verstehen: Da das Sein vor dem Leben, das Leben aber vor dem Denkvermögen [existiert]958, wie wir in der Diskussion über das Sein im Sophistes genauer erfahren werden959, aus diesem Grund nun existieren mehrere Wesen als diejenigen, die Leben; und leben mehrere Wesen als diejenigen, die ihr Denkvermögen gebrauchen.960 Wie entsprechen diese denn einander, das Gerechte 10 und das Nützliche? In der Tat, diese gegenseitige Entsprechung ist wahr an dem

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περὶ τοῦ ὄντος τοῦ ἐν ψυχῇ καὶ νοῦ καὶ ζωῆς ταῦτα ἀντιστρέφει· ἔνθα γὰρ ἕν, καὶ τὰ λοιπά. οὕτω μὲν κατὰ τὸν φιλόσοφον Πρόκλον. ὁ δὲ θεῖος Ἰάμβλιχος οὐ διακρίνει τὰ ὑψηλότερα ἀπὸ τῶν κοιλοτέρων τῇ πλείονι μεταδόσει (πάντα γὰρ ἄχρι τῆς ὕλης κάτεισι· δόγμα γάρ ἐστιν, ἀφ’ οὗ ἄν τι ἄρξηται ἐνεργεῖν μὴ παύεσθαι ἄχρι τῶν ἐσχάτων· εἰ γὰρ καὶ ἰσχυρότερόν ἐστιν, ἀλλὰ δύναται διὰ τῆς πόρρω διαστάσεως ἀντανίσωσις γίνεσθαι πρὸς τὸ ἀσθενέστερον), ἀλλὰ διακρίνει τῷ δριμυτέραν τὴν μετάδοσιν τῶν ὑψηλοτέρων εἶναι. μᾶλλον γὰρ ἐφιέμεθα εἶναι ἤπερ ζωῆς, καὶ μᾶλλον τοῦ ζῆν ἤπερ τοῦ νοεῖν. Καὶ τοῦ Σωκράτους ἐφέντος τὴν αἵρεσιν τῷ Ἀλκιβιάδῃ, διὰ τὸ μὴ βούλεσθαι αὐτὸν ἀποκρίνεσθαι, εἴτε ἐρωτᾶν εἴτε ἐφ’ ἑαυτοῦ ἀποτάδην τοὺς λόγους ποιήσασθαι, ὁ Ἀλκιβιάδης φησίν· ‘οὐκ οἶδα εἰ οἷός τέ εἰμι πρὸς Σωκράτην τὸν λόγον ποιήσασθαι τοῦ συμφέροντος’. διὸ ἐπάγει ἄλλον συλλογισμὸν ὁ Σωκράτης, ὅτι ‘καὶ πῶς πείσεις Ἀθηναίους συμβουλεύων; ὁ γὰρ ἕνα πείθων καὶ πολλοὺς πείθει καὶ ὁ πολλοὺς πείθων καὶ ἕνα πείθει’. καὶ διὰ τούτου τοῦ συλλογισμοῦ ἀναφαίνεται ἡ τελειότης ἡμῶν ὅτι ἀσώματός ἐστιν, εἴγε τὸ μὲν σῶμα οὐ δύναται μεταδοῦναι ἑαυτοῦ ἄλλοις ἀμειώτως, ἡ δὲ τελειότης ἡ ἐν ψυχῇ δύναται καὶ ἑνὶ καὶ πολλοῖς μεταδοῦναι ἑαυτῆς ἀμειώτως· τάχα δὲ καὶ μείζονα ἐπίδοσιν προσλαμβάνουσα, διότι τελειοῦται ὁ διδάσκαλος διὰ τοῦ τοὺς λόγους προφέρειν. Καὶ πῶς τοῦτο λέγεται ὑπὸ τοῦ Πλάτωνος; τί οὖν; ὁ ἕνα ἀνόητον πείθων καὶ πλῆθος φιλοσόφων πείθει; ἢ ὁ πλῆθος φιλοσόφων πείθων καὶ ἕνα ἀνόητον πείθει; πρὸς ὅ φαμεν ὅτι διὰ μιᾶς λέξεως ταῦτα πάντα ἔλυσεν ὁ Πλάτων εἰπὼν ‘ ἕ ν α ἕ κ α σ τ ο ν ’ · ὁ γὰρ ἕνα πείθων καὶ πολλοὺς πείθει, ἐπειδὰν τὰ ἕνα ἐκεῖνα, ἵνα οὕτως εἴπω, μέρος ᾗ τοῦ πλήθους, ἐδήλωσε δὲ ταῦτα διὰ τοῦ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ · καὶ ἐπειδὰν τὸ πλῆθος συγκείμενον ᾗ ἐκ τῶν ἑνάδων, τότε ὁ πολλοὺς πείθων καὶ ἕνα πείθει. καὶ πρὸς τούτοις, ἐὰν περὶ ὧν πείθει ἐπιστή|μων ᾖ· ὁ γὰρ ἀριθμητικὸς δύναται περὶ τῶν ἀριθμῶν καὶ ἕνα καὶ πολλοὺς πεῖσαι ἐπιστήμονας. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

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Guten, dem Nützlichen und dem Schönen des Menschen, wie auch sowohl Denkvermögen als auch Leben durch ihre Existenz in der Seele einander entsprechen. Denn wo [sich] das eine [befindet], [sind] die anderen auch. So ist es nun nach dem Philosophen Proklos.961 Der göttliche Jamblich dagegen unterscheidet nicht die höheren Wesen von den tieferen durch die Menge ihrer Teilgabe962, (Denn alles steigt bis in die Materie hinab.963 Es ist nämlich ein 15 Grundsatz, dass etwas, von welcher Quelle auch immer, seine Tätigkeit beginnt, nicht aufhört, bis es seine äußersten Grenzen erreicht. Denn auch wenn es stärker ist, kann dennoch durch die Distanz der Trennung eine ausgleichende Kraft entstehen, um es schwächer zu machen.), stattdessen unterscheidet [ Jamblich sie] dadurch, dass die Teilgabe der höheren Wesen eindrucksvoller 111 ist. Wir streben nämlich mehr nach der Existenz, als nach dem Leben und mehr danach, zu leben als danach, das Denkvermögen zu nutzen.964 Als Sokrates die Wahl Alkibiades überließ, – da er nicht beantworten wollte –, entweder Fragen zu stellen oder von sich aus eine ausführliche Argumentation vorzulegen, da sagt Alkibiades: „Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, 5 gegenüber Sokrates eine Argumentation über das Nützliche vorzulegen.“965 Daher fügt Sokrates eine andere Schlussfolgerung hinzu, nämlich: „Und wie wirst du die Athener überzeugen, wenn du sie berätst? Wer nämlich einen [Menschen] überzeugt, überzeugt auch mehrere; und wer mehrere [Menschen] überzeugt, überzeugt auch einen.“ Auch durch diese Schlussfolgerung leuchtet ein, dass unsere Vollkommenheit unkörperlich ist966, wenn zumal der Körper 10 nicht ohne Verminderung einem anderen einen Teil von sich abgeben kann; die Vollkommenheit in der Seele dagegen ohne Verminderung sowohl einem einzelnen [Wesen] als auch mehreren etwas von sich abgeben kann. Vielleicht nimmt sie [dadurch] sogar einen größeren Aufschwung hinzu, aus demselben Grund, dass ein Lehrer durch Hervorbringen [seiner] Argumente vollkommen wird. Aber in welchem Sinne wird es von Platon behauptet? Bedeutet es etwa, wer 15 einen Unverständigen überzeugt, auch eine Mehrzahl der Philosophen überzeugen kann? Oder, wer eine Mehrzahl der Philosophen überzeugt, auch einen Unverständigen überzeugen kann? Dazu sagen wir, dass Platon durch einen Ausdruck alle diese [Fragen] löst, indem er „j e d e n e i n z e l n e n “ sagt. Wer nämlich Einen überzeugt, überzeugt auch mehrere, da diese Einzelnen, dass ich so sage, ein Teil von Vielen sind, und das verdeutlicht er durch [das Wort] 20 „e i n z e l n “. Ferner, wenn die Mehrzahl aus den Einzelnen zusammengestellt ist, dann überzeugt der, der mehrere überzeugt, auch einen. Vor allem wenn er 112 [sc. Zuhörer] darin, wovon er überzeugen will, sachkundig ist. Denn ein Arithmetiker kann über die Zahlen sowohl Einen als auch Mehrere überzeugen, zumal wenn sie sachkundig sind. Das hat die Theorie.

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114B Ἀλλ’ οὐκ οἶδα εἰ οἷός τε εἴην, ὦ Σώκρατες: ἰδοὺ ἀρνεῖται τὴν πρὸς Σωκράτην ἀπόκρισιν· διό φησιν ‘πῶς οὖν συμβουλεύεις Ἀθηναίοις; ὁ γὰρ ἕνα καὶ πολλοὺς πείθει’. καὶ εἰσφέρει ἐκκλησίαν καὶ δικαστήριον καὶ δῆμον, διότι ῥητορικὸς ὁ νέος. Καὶ ἐκεῖ τοι σὲ δεήσει ἕνα ἕκαστον πείθειν: ἰδοὺ ὁ κανών, ὅτι ὁ πείθων ἕνα καὶ πολλοὺς πείθει· καὶ διὰ τοῦ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ ἐδήλωσεν ὅτι δεῖ μέρος εἶναι τοῦ πλήθους. Οὐκοῦν τοῦ αὐτοῦ ἕνα τε οἷόν τε εἶναι κατὰ μόνας καὶ συμπόλλους: ἰδοὺ πάλιν διὰ τοῦ εἰπεῖν ‘ κ α τ ὰ μ ό ν α ς κ α ὶ σ υ μ π ό λ λ ο υ ς ’ ἐδήλωσεν ὅτι τοῦ αὐτοῦ ἐστὶ τὸ πείθειν πολλοὺς καὶ ἕνα, ὅταν συγκέηται τὸ πλῆθος ἐκ τῶν ἑνάδων. καὶ πῶς ἀδολεσχεῖ; καὶ ἄνω γὰρ τοῦτο εἶπεν. ἢ ποῦ μὲν λαμβάνει τὸν ἕνα μέρος ὄντα τοῦ πλήθους, ὥσπερ ἐνταῦθα, ποῦ δὲ κατὰ μόνας ἀφῃρημένον τοῦ πλήθους, ὥσπερ ἀνωτέρω, οἶος Σωκράτη περὶ αὐτοῦ· οὗτος γὰρ ἀφῄρητο τῶν πολλῶν, δυνάμενος συγκαταριθμηθῆναι αὐτοῖς.

114C Περὶ ὧν ἂν εἰδῇ, ὥσπερ γραμματιστής: ἰδοὺ ὁ δεύτερος προσδιορισμός, ὅτι δεῖ καὶ αὐτὸν εἰδέναι. ὁ γὰρ εἰδὼς περὶ γραμμάτων, οὗτος πείσει καὶ ἕνα καὶ πολλούς. Οὗτος λέγεται ὁ εἰδὼς ἀριθμητικός: οὐκ ἠρκέσθη ταῖς μαθηματικαῖς ἀνάγκαις πειθούσαις (καὶ γὰρ ὁ ἀριθμητικὸς τοῦ μαθηματικοῦ), ἀλλ’ ἐπήγαγεν καὶ ‘ὁ εἰδὼς | περὶ τούτων’. 114D Ὅτι ὁ μὲν ἀθρόους πείθει τὰ αὐτά, ὁ δὲ καθ’ ἕνα: ἰδοὺ πάλιν τῷ ἀ θ ρ ό ῳ τὸ κ α θ ’ ἕ ν α ἀντέταξεν· δηλονότι τοὺς αὐτοὺς βούλεται, ποτὲ μὲν κατὰ μόνας ὄντας, ποτὲ δὲ ἀθρόους. Κινδυνεύει: περὶ τῶν διὰ κλιμακτῆρα ἀνάγκης μελλόντων διὰ τὴν ἀνάγκην μετατρέπεσθαι εἰς τὸ ἐναντίον δόγμα τὸ ‘ κ ι ν δ υ ν ε ύ ε ι ν ’ λέγεται.

112, 22 Olymp. λέγεται / δ᾽ ἔσται Plat. Alc. 114c7. 22 Olymp. om. ὁ post εἰδὼς, cf. Plat. Alc. 114c7.

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114B Aber ich weiß nicht, ob ich in der Lage wäre, Sokrates: Siehe, dass er eine Antwort gegenüber Sokrates verweigert. Deswegen sagt er [sc. Sokra- 5 tes]: „Wie wirst du denn die Athener beraten? Wer nämlich einen [überzeugt], [kann] auch mehrere überzeugen“. Dabei ruft er eine Volksversammlung, ein Gerichtssaal und die Menschenmenge hervor, da der Jüngling rednerisch begabt ist.967 Auch dort nämlich wirst du jeden Einzelnen überzeugen müssen: Siehe den Grundsatz, dass, wer einen [überzeugt], der auch mehrere überzeugen kann. Und durch „j e d e n e i n z e l n e n “ verdeutlicht er, dass es einen Teil der 10 Mehrzahl bedeutet. Gehört es nun nicht derselben Person, in der Lage zu sein, Einzelne [zu überzeugen], sowohl jeden für sich allein als auch viele gemeinsam?968 Siehe erneut, dass er durch die Aussage „f ü r s i c h a l l e i n u n d v i e l e g e m e i n s a m “ verdeutlicht, dass es der gleichen Person gehört, sowohl mehrere als auch einen zu überzeugen, zumal da die Mehrzahl aus Einzelnen besteht. Aber warum macht er eine unnötige Wiederholung? Denn er hat das oben schon gesagt. Bei der einen [Erwähnung] nimmt er den Einzelnen als einen 15 Teil der Mehrzahl, wie an dieser Stelle; bei der anderen dagegen [nimmt er den Einzelnen] als für sich allein herausgenommen von der Mehrzahl, wie an der vorherigen [Stelle darüber], in der Lage [zu sein], Sokrates davon [zu überzeugen].969 Denn er [sc. Sokrates] ist herausgehoben von der Mehrheit, obwohl er zu ihr gezählt werden kann. 114C Davon [zu überzeugen], was er weiß, so wie der Elementarlehrer970: Siehe die zweite Bedingung, dass er das auch wissen muss. Denn wer 20 Kenntnis bezüglich Lesen und Schreiben besitzt, der wird sowohl einen einzelnen als auch mehrere [in diesem Bereich] überzeugen. Dieser, der über Wissen verfügt, wird Arithmetiker genannt971: Er fand die mathematischen Gesetze972 nicht ausreichend für Überzeugungskraft (denn ein Arithmetiker ist auch eine Art Mathematiker), sondern fügte hinzu „der über Wissen von diesen Dingen verfügt.“ 113 114D Dass der eine sie alle auf einmal von demselben überzeugt, der andere dagegen jeweils Einzelne973: Siehe wieder, dass er j e w e i l s E i n z e l n e gegenüber a l l e n a u f e i n m a l stellt: Offensichtlich meint er die gleichen [Menschen], einmal als jeweils einzeln Seiende, ein andermal als in der Gesamtheit. Es ist wahrscheinlich974: Wenn [die Ansichten] kurz davor sind, durch 5 einen kritischen Wendepunkt der logischen Notwendigkeit975 zwangsläufig in die gegensätzliche Ansicht umgekehrt zu werden, sagt man „e s i s t w a h r s c h e i n l i c h “.

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Ὑβριστὴς εἶ, ὦ Σώκρατες: ‘ ὑ β ρ ι σ τ ὴ ν ’ ἀποκαλεῖ τὸν ἐλεγκτικόν. ὁ δὲ Σωκράτης καταδέχεται τοῦτο καί φησιν· ‘οὐ μόνον ὑβριστής, ἀλλὰ καὶ ὑβριστικώτατος ὡς οὐ μόνον ψευδεῖς βουλόμενος ἐλέγξαι τοὺς λόγους σου, ἀλλὰ καὶ τὸ ἐναντίον δεῖξαι ἀληθές, ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν’. εἰσὶ γάρ τινα ψευδῆ μέν, οὐ μέντοι διὰ τῶν ἐναντίων ἐλεγχόμενα, ἀλλὰ διὰ τοῦ μέσου, ὡς ἔχει ἐπὶ τοῦ ‘πᾶς ἄνθρωπος περιπατεῖ’. οὐδὲ γὰρ ἐκ τοῦ ἐναντίου ἐλέγχεται τοῦτο (κἀκεῖνο γὰρ ψεῦδός ἐστιν), ἀλλὰ διὰ τοῦ μέσου. Νῦν γοῦν ὑφ’ ὕβρεως μέλλω σε πείθειν τἀναντία: τουτέστιν ‘ὡς ὑβριστὴς οὐ μόνον ἐλέγχω σε, ἀλλὰ καὶ μέλλω σε πείθειν τὰ ἐναντία, εἴ μοι ἀποκρίναιο’. ὁ δὲ οὐ βούλεται ἀποκρίνασθαι, διότι ὡς εὐφυὴς ᾔδει ὅτι ἐπὰν ἐρώτησίς ἐστιν καὶ ἀπόκρισις ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων. ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν. κἀκεῖνος ἐπιτίθεται αὐτῷ ἀποκρίνεσθαι, διότι ἀνυσιμώτατός ἐστιν ὁ τοιοῦτος ἔλεγχος, διότι μᾶλλον πειθόμεθα ὑφ’ ἑαυτῶν ἐλεγχόμενοι, ἔχεται ἐν ταῖς διαλεκτικαῖς ἐρωτήσεσιν ὁ ἐλέγχων τοῦ ἐλεγχομένου μᾶλλον ἤπερ τοῦ σώματος τὰ τῆς ἐχίδνης δήγματα. 114E Ἀλλὰ σὺ αὐτὸς λέγε: τὸ ‘ λ έ γ ε ’ ἐνταῦθα παρὰ Πλάτωνι ‘ἀποτάδην εἰπέ’. Τί δ’; οὐκέτι | μάλιστα βούλει πεισθῆναι; ὁ Σωκράτης· ‘τί ἄλλο θέλεις εἰ μὴ πεισθῆναι ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν;’ διὰ γὰρ τοῦ λόγου τούτου δύο συλλογισμοὶ δειχθήσονται. Ἀποκρίνου δή· καὶ ἂν εἰ μὴ αὐτὸς σὺ σαυτοῦ ἀκούσῃς: ‘ἀποκρίνου’, φησί, ‘τὰ ἐρωτώμενα· καὶ εἰ μὴ σὺ σαυτοῦ λέγοντος ἀκούσης ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν, ἄλλῳ λέγοντι μὴ πιστεύσῃς’. δεῖ γὰρ τοὺς ὠφελουμένους ἐκ τῶν κατ’ ἀποτάδην λόγων λέγειν· ‘πῶς ἂν σύ μοι λέξειας ἅ με χρὴ λέγειν;’

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αὐτὸν γὰρ ἔδει ἀποκρίνεσθαι ταῦτα, ἵνα μὴ ἔξωθεν οἱ λόγοι ἐπιπλάττωνται δίκην ἀγγείου ἀψύχου ἔξωθεν ἑαυτοῦ τὸ ὕδωρ ἔχοντος, ἀλλὰ δεῖ ἀφ’ ἑαυτοῦ προβάλλεσθαι τοὺς ἐλέγχους· οὕτω γὰρ αἱ μαθήσεις εἰσὶν ἀναμνήσεις. Ἀλλ’ ἀποκριτέον· καὶ γὰρ οὐδὲν οἶμαι βλαβήσεσθαι: ὡς εὐφυὴς πάλιν ἄλλην ἀποφυγὴν εὑρίσκει, ὅτι ‘ἀποκρίνομαι, οὐδὲν γὰρ οἴομαι

114, 1 Olymp. οὐκέτι / οὐχ ὅτι Plat. Alc. 114e2.

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Du bist übermütig, Sokrates: Er bezeichnet [seinen] Widerleger als „ü b e r m ü t i g “. Sokrates akzeptiert das976 und sagt: „Nicht nur übermütig, sondern der Übermütigste [bin ich], da ich nicht nur deine Argumente als 10 falsche widerlegen, sondern auch den Gegensatz als wahr aufzeigen will, dass alles Gerechte auch nützlich und umgekehrt [alles Nützliche gerecht] ist.“ Denn einige [Argumente] sind falsch, nicht weil sie durch [die Demonstration] ihrer Gegensätze widerlegt werden, sondern durch das mittlere [Argument], wie es sich mit der [Aussage] „Alle Menschen wandeln umher“977 verhält. Denn das wird nicht durch seinen Gegensatz widerlegt (auch das ist nämlich falsch), 15 sondern durch das mittlere [Argument]. Jetzt habe ich tatsächlich aus Übermut vor, dich vom Gegenteil zu überzeugen: Das bedeutet: „Wie ein Übermütiger, nicht nur widerlege ich dich, sondern habe auch vor, dich vom Gegenteil zu überzeugen, wenn du mir antworten würdest.“978 Er [sc. Alkibiades] dagegen möchte nicht antworten, da er dank seiner natürlichen Begabung einsah, dass wo immer es Frage und Antwort gibt, der Antwortgeber derjenige ist, der etwas behauptet; nicht der 20 Fragesteller. Er [sc. Sokrates] aber zwingt ihn zu antworten, da eine derartige Widerlegung die wirksamste ist, weshalb wir stärker überzeugt werden, wenn wir durch uns selbst widerlegt werden, da in dialektischen Befragungen der Widerlegende in den Widerlegten tiefer dringt als ein Schlangenbiss in die Haut. 114E Sondern sprich du selber979: Das Wort „s p r i c h “ an dieser Stelle bei 25 Platon [bedeutet] „sag es ausführlich“. Wie jetzt? Willst du nicht mehr so gut es geht überzeugt werden?980 114 Sokrates [sagt]: „Was willst du sonst, wenn nicht überzeugt zu werden, dass alles Gerechte nützlich ist und umgekehrt?“ Denn durch dieses Argument werden zwei Syllogismen aufgezeigt. Antworte dann. Und wenn du [es] nicht selber von dir hörst981: „Beantworte“, sagt er, „[meine] Fragen. Und wenn du [es] nicht selber von 5 dir hörst, dass alles Gerechte nützlich ist und umgekehrt, glaub es keinem anderen, wenn er es sagt.“982 Denn diejenigen, denen eine ausführliche Argumentation von Nutzen war, müssen sagen: „W i e k a n n s t d u m i r d a s s a g e n , w a s i c h s a g e n s o l l t e ? “983

Denn er sollte diese Antwort selber geben, damit seine Argumente nicht von außen gestaltet werden, wie ein lebloses Gefäß, das sein Wasser von außen bekommt. Stattdessen sollen die Widerlegungen ausgehend von sich selbst hervorgebracht werden. Auf diese Weise nämlich ist das Lernen eine Anamnese.984 Sondern ich muss antworten: Denn ich glaube wirklich, dass es mir nichts schaden wird: Als ein Mensch mit natürlicher Begabung erfindet er

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βλαβήσεσθαι’. ὁ δὲ ἀποδέχεται αὐτὸν καί φησιν ‘μαντικὸς εἶ’· καὶ γὰρ ὁ μαντικὸς εὐστόχως ἐπιβάλλει καὶ ὁ εὐφυὴς περὶ τῶν μελλόντων. ἔμελλεν δὲ οὐ μόνον οὐδὲν βλαβήσεσθαι, ἀλλὰ καὶ ὠφεληθήσεσθαι. οὐκ εἶπεν δὲ ‘μάντις’, διότι ὁ μάντις ἐπιστήμων ἐστίν, ὁ δὲ μαντικὸς ἀτελής ἐστιν· ὥσπερ οὐ ταὐτὸν ἰατρὸς καὶ ἰατρικός. καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης δὲ οὐκ ἐπιστημονικῶς ταῦτα ἔλεγεν, ἀλλὰ κατὰ δόξαν ἀπεμαντεύετο. ἐν οἷς ἡ πρᾶξις.

Πρᾶξις σὺν θεῷ ιγʹ

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115A-116B Καί μοι λέγε· τῶν δικαίων φῂς ἔνια μὲν συμφέρειν, ἔνια δὲ οὔ; Δέκα ὄντων συλλογισμῶν τοῦ παρόντος διαλόγου ὁ πέμπτος προτίθεται δεῖξαι ὅτι ταὐτὸν δίκαιον καὶ συμφέρον. τοῦτο δὲ δείκνυσι διὰ δύο συλλογισμῶν· διὰ τοῦ δεῖξαι πᾶν δίκαιον καὶ συμφέρον, καὶ δεύτερον πᾶν συμφέρον δίκαιον· ἡ γὰρ ἀντιστροφὴ τὴν ταυτότητα εἰσάγει. καὶ προά|γει τὸν συλλογισμὸν οὕτως· ‘πᾶν δίκαιον καλόν· πᾶν καλὸν συμφέρον· πᾶν ἄρα δίκαιον συμφέρον’. καὶ ὁ νέος πρὸς μὲν τὴν ἐλάττονα πρότασιν τὴν λέγουσαν ‘πᾶν δίκαιον καλὸν’ οὐκ ἀντιλέγει ὡς φιλότιμος, διότι ᾔδει τὰ δίκαια ἐπαινετά (διὸ καὶ αὐτεπάγγελτος δέδωκε τῇ βουλῇ δέκα τάλαντα)· πρὸς δὲ τὴν μείζονα μάχεται τὴν λέγουσαν ‘πᾶν καλὸν συμφέρον’, λέγων εἶναί τινα καλά, κακὰ δέ, καὶ ἄλλα αἰσχρὰ ἀγαθά. καὶ οὐκ ἀντίφασις ταῦτα. δύο γάρ εἰσιν ἀντιθέσεις· καλὸν αἰσχρόν, ἀγαθὸν κακόν· καὶ ἀντίκειται τὸ μὲν καλὸν τῷ αἰσχρῷ, τὸ δὲ ἀγαθὸν τῷ κακῷ, οὐ μὴν τὸ καλὸν τῷ κακῷ. ἔστιν γάρ, φησί, καλὸν κακόν, ὡς τὸ πολεμῆσαι ὑπὲρ πατρίδος καὶ τὸ ὑπὲρ φίλου τεθνάναι· τοῦτο καλὸν διότι ἐπαινετόν (ὑπὲρ γὰρ τοῦ φίλου), οὐ μὴν ἀγαθόν, διότι οὐ συνήνεγκεν τῷ σώματι· ἔστιν καὶ τὸ ἀνάπαλιν αἰσχρὸν ἀγαθόν, ὡς τὸ μὴ ἀποθανεῖν ὑπὲρ φίλου. καὶ ἄμφω ταῦτα καὶ ὁ χρησμὸς ἐδήλωσεν, τὸ μὲν μὴ ὑπὲρ φίλου ἀποθανεῖν εἰπών·

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wieder einen anderen Fluchtweg, nämlich: „Ich antworte, denn ich glaube, es wird mir nichts schaden.“ Er [sc. Sokrates] aber gestattet ihn dieses und sagt: „Du bist vorhersagend.“ (mantikos). Denn sowohl eine vorhersagende (mantikos) als auch eine natürlich begabte Person macht zutreffende Vermutungen über die zukünftigen Dinge.985 Es war aber nicht nur der Fall, dass ihm nichts schaden wird, sondern auch, dass er Nutzen haben wird. Er [sc. Sokrates] hat nämlich nicht „Wahrsager“ (mantis) gesagt, da ein Wahrsager sachkundig ist, während ein Vorhersagender [in seinem Erkenntniszustand] unvollkommen ist: genauso wie Arzt (iatros) und ein Heilkundiger (iatrikos) nicht das gleiche sind. Also sagte Alkibiades diese Worte nicht mit Sachverstand, sondern machte seiner Meinung nach eine Voraussage. Damit endet der Unterricht.

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Unterricht 13 mit Gottes Hilfe 115A–116B Also sag mir: Behauptest du, dass von den gerechten Handlungen einige nützlich sind, andere dagegen nicht? Aus den zehn Syllogismen, die der vorliegende Dialog hat,986 legt er den fünften vor, um zu zeigen, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind. 25 Das zeigt er dann durch zwei Syllogismen: Indem er einerseits aufzeigt, dass alles Gerechte nützlich ist; und zweitens, dass alles Nützliche gerecht ist. Denn [ihre] gegenseitige Entsprechung führt zu [ihrer] Selbigkeit.987 Dann setzt er die Schlussfolgerung auf diese Weise fort988: „Alles Gerechte ist schön.989 Alles 115 Schöne ist nützlich. Folglich ist alles Gerechte nützlich.“.990 Der Jüngling, da er ehrliebend ist, widerspricht nicht gegen die Nebenprämisse991, die besagt: „Alles Gerechte ist schön“992, weil er die gerechten Handlungen als lobenswert betrachtete (aus diesem Grund schenkte er der Ratsversammlung unaufge- 5 fordert zehn Talente).993 Die Hauptprämisse aber, die besagt: „Alles Schöne ist nützlich“, bestreitet er, indem er sagt, dass manche [Handlungen] einerseits schön, andererseits schlecht sind, wobei andere [Handlungen] hässlich994 aber gut [sind].995 Und diese [Antwort ist] nicht widersprüchlich. Denn es gibt [dabei] zwei Gegensätze: schön und hässlich; gut und schlecht. Zwar steht einerseits das Schöne im Gegensatz zu dem Hässlichen; andererseits das Gute zu dem Schlechten; aber nicht das Schöne zu dem Schlechten. Es gibt nämlich, sagt er, das Schöne und zugleich Schlechte, wie für das Vaterland Krieg zu führen und 10 für einen Freund zu sterben. Das ist schön996, da es ehrwürdig ist (denn es ist für einen Freund), dagegen nicht gut, da es dem Körper keinen Vorteil bringt. Umgekehrt gibt es das Hässliche und zugleich Gute, wie für einen Freund nicht getötet zu werden. Und diese beiden [Aspekte] verdeutlichte auch der Orakelspruch, indem er einerseits sagt, dass man nicht für einen Freund sterben soll:

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C. Text und Übersetzung

‘ἀνδρὶ φίλῳ θνῄσκοντι παρὼν πέλας οὐκ ἐπαμύνας ἤλυθες οὐ καθαρός· περικαλλέος ἔξιθι νηοῦ’

περὶ | δὲ τοῦ ὑπὲρ φίλου ἀνατείναντος τὴν χεῖρα καὶ ἄκοντος πλήξαντος αὐτὸν οὕτως· ‘ἔκτεινας σὸν ἑταῖρον ἀμύνων· οὔ σε μιαίνει α ἷμα , φόνου δὲ πέλεις καθαρώτερος ἢ π άρ ος ἦ σθα ’.

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Καὶ ἐνῆν μὲν ἐλέγξαι τὸν Ἀλκιβιάδην λέγοντα· ‘ἀλλ’ ἡ ψυχή ἐστιν ὁ ἄνθρωπος καὶ οὐ τὰ τοῦ ὀργάνου κακὰ ἀνάγεται ἐπὶ τὸν χρώμενον. τὰ μὲν γὰρ τῶν μερῶν κακὰ ἀνάγεται ἐπὶ τὸ ὅλον· εἰ οὖν συνέκειτο ὁ ἄνθρωπος ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος, τότε τὰ τοῦ σώματος κακὰ ἀνήγετο ἐπὶ τὸ ὅλον· ἀλλ’ ἐπειδὴ ὄργανόν ἐστι καὶ χρώμενον, οὐ δεῖ τὰ τοῦ ὀργάνου ἁμαρτήματα ἐπὶ τὸ χρώμενον ἄγειν, ὥσπερ οὐδὲ τὸ ἀμβλὺ τοῦ σκεπάρνου ἐπὶ τὸν χρώμενον’. ἀλλ’ ἐπεὶ ταῦτα φιλοσοφώτερα (καὶ τὸ ἐν ἀρχῇ δὲ ᾐτεῖτο· πόθεν γὰρ ὅτι ὁ ἄνθρωπος ψυχή;) δείκνυσι διὰ τριῶν λόγων ὅτι ταὐτὸν τὸ δίκαιον καὶ συμφέρον· καὶ πρῶτον ὅτι πᾶν καλὸν συμφέρον ἐστίν. καὶ ἔστιν ὁ πρῶτος λόγος τοιοῦτος· ‘οὐχ ἑνί, τυχὸν τῇ ἀνδρείᾳ, δύο τινὰ ἕπεται, καὶ τὸ καλὸν καὶ τὸ κακόν, ἀλλὰ δύο δυσίν. τῇ μὲν γὰρ ἀνδρείᾳ τῇ ὑπὲρ φίλου ἕπεται τὸ καλόν, τῷ δὲ θανάτῳ τὸ κακόν· οὐ ταὐτὸν δὲ ἀνδρεία καὶ θάνατος, εἴγε μηδὲ πᾶς ἀνδρεῖος ἐν πολέμῳ ἀποθνῄσκει μηδὲ πᾶς ἐν πολέμῳ ἀποθνῄσκων ἀνδρεῖός ἐστιν. ὥστε δύο δυσὶν ἕπεται καὶ οὐχ ἑνί, τῇ ἀνδρείᾳ, καὶ τὸ κακὸν τὸ ἐκ τοῦ θανάτου καὶ τὸ καλόν’. καὶ ταῦτά φησι συγχωρῶν ὅτι ὁ θάνατος κακόν, διότι πρὸς Ἀλκιβιάδην τοὺς λόγους ποιεῖται. Δεύτερος λόγος· ‘εἰ καὶ δῶμεν ὅτι τῇ ἀνδρείᾳ ὡς ἀνδρείᾳ δύο ἐπηκολούθησαν, τὸ καλὸν καὶ τὸ ἐκ τοῦ θανάτου κακόν, ἀλλ’ οὐχ ὁ αὐτὸς τρόπος· τῇ μὲν γὰρ ἀνδρείᾳ ὡς ἀνδρείᾳ ἐπηκολούθησε τὸ καλόν, κατὰ συμβεβηκὸς δὲ τὸ κακόν, τῷ φθεῖραι τὸ ὑποκείμενον καὶ ἐᾶσαι τὴν ἀνδρείαν ὡς ἀνδρείαν. εἰ γὰρ ἔφθειρεν τὴν ἀνδρείαν ὡς ἀνδρείαν,

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„D e i n e m s t e r b e n d e n F r e u n d n a h b i s t d u n i c h t z u H i l f e g e - 15 kommen, Du bist nicht rein hergekommen; verlasse den allgütigen T e m p e l ! “997

über denjenigen aber, der seinem Freund die Hand reicht, wobei sein Speer ihn 116 aus Versehen trifft, sagt [das Orakel] Folgendes: „Getötet hast du deinen Gefährten, als du ihn verteidigen wolltest. Dich beschmutzt nicht das Blut, sondern du bist d u r c h M o r d r e i n e r g e w o r d e n a l s d u z u v o r w a r s t . “ 998

Es war ihm durchaus möglich, Alkibiades zu widerlegen, indem er sagt: „Aber der Mensch ist die Seele und die Schäden, die ein Werkzeug betreffen, werden nicht auf seinen Nutzer zurückgeführt. Denn in der Tat werden die Schäden der Teile auf das Ganze zurückgeführt.999 Wenn nun der Mensch aus der Seele und dem Körper zusammengesetzt wäre, dann würden die Schäden des Körpers auf das Ganze zurückgeführt werden. Aber, da [das eine] das Werkzeug, [das andere] dagegen der Nutzer ist, können die Verfehlungen des Werkzeugs nicht den Nutzer beeinflussen, genau wie das Abstumpfen einer Dechsel seinen Nutzer [nicht beeinflusst].„1000 Da aber diese recht philosophische [Argumente] sind (sonst wäre gleich am Anfang [eine Antwort darauf] angefordert: Aus welchem Grund denn [wird behauptet], dass der Mensch die Seele [ist]?1001), demonstriert er [stattdessen] durch drei Argumente, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind. Das Erste ist nämlich, dass alles Schöne nützlich ist, und die erste Argumentation lautet wie folgt: „Aus einer [Tugend], wie etwa aus der Tapferkeit, gehen nicht zwei Ergebnisse, sowohl das Schöne als auch das Schlechte, hervor, sondern zwei [Ergebnisse gehen] aus zwei [Handlungen hervor]. Denn einerseits geht das Schöne aus der Tapferkeit für einen Freund hervor; andererseits [folgt] das Schlechte dem Tod. Daher sind die Tapferkeit und der Tod nicht das Gleiche: Es sei denn, alle tapferen Menschen sterben im Krieg oder alle, die im Krieg sterben, sind tapfer. Folglich gehen zwei [Ergebnisse] – sowohl das Schlechte bezüglich des Todes als auch das Schöne – aus zwei [Handlungen] hervor, und nicht aus einer, nämlich der Tapferkeit.“ Mit dieser Aussage gestattet er auch, dass der Tod etwas Schlechtes ist, da er gegenüber Alkibiades seine Argumentation vorstellt.1002 Die zweite Argumentation [ist wie folgt]: „Auch wenn wir einräumen, dass aus der Tapferkeit an sich zwei [Ergebnisse], nämlich das Schöne und das Schlechte bezüglich des Todes, sich ergeben, [geschieht es] nicht auf gleiche Weise. Einerseits ergibt sich das Schöne aus der Tapferkeit, insofern es Tapferkeit an sich ist1003, das Schlechte dagegen nur akzidentiell, indem es den zugrundeliegenden [Körper] vernichtet und der Tapferkeit an sich als

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δειλὸς ἂν ἐγίνετο καὶ οὐ θάνατος αὐτῷ· ἡ γὰρ δειλία φθείρει τὴν ἀνδρείαν ὡς ἀνδρείαν’. Εἶτα ἐπειδὴ ταῦτα οὐχ ὡς Σωκράτης διαλέγεται, ἀλλ’ ὡς διδάσκα|λος, καὶ παράγγελμα θεοῦ παραβαίνει τὸ λέγον ‘ μ α ι ε ύ ε σ θ α ί μ ε ὁ θ ε ὸ ς ἐ π ο ί η σ ε ν , γ ε ν ν ᾶ ν δ ὲ κ ω λ ύ ε ι ’ · – νῦν γὰρ διδάσκει ταῦτα, ἀλλ’ οὐ μαιεύεται, ἔδει γὰρ ἡμᾶς τούτων ἀκοῦσαι ἀπὸ Ἀλκιβιάδου, ἀλλ’ οὐχ ὑπὸ Σωκράτους· – καὶ ὅτι μαίας υἱὸς ἦν, μεταβάλλει τὸ σχῆμα καὶ αὐτὰ ταῦτα ἐρωτῶν τὸν Ἀλκιβιάδην ποιεῖ ἀποκρίνασθαι. καὶ γυμνάζει τὸν λόγον ἐπὶ ἀνδρείας, διότι πρὸς στρατηγικὸν διελέγετο· καὶ δείκνυσιν ὅτι ἡ ἀνδρεία τὶ καλὸν οὖσα ἀγαθόν ἐστιν. εἴπερ γὰρ πρὸς Χαρμίδην διελέγετο τὸν σωφρονέστατον (διὸ καὶ ἐπιγέγραπται αὐτῷ διάλογος ‘ Χ α ρ μ ί δ η ς ἢ π ε ρ ὶ σ ω φ ρ ο σ ύ ν η ς ’ ), περὶ σωφροσύνης ἂν ἐγύμνασε τὸν λόγον. ἐρωτᾷ οὖν αὐτὸν ‘πότερον αἱρῇ δειλὸς εἶναι ἢ τεθνάναι;’ ὁ δὲ αἱρεῖται τεθνάναι διὰ τὸ εἶναι ἀνδρεῖος. καὶ πάλιν ‘ἴσον ἡγεῖ τὸ τεθνάναι τῷ δειλὸν εἶναι;’ ὁ δὲ συγκατατίθεται καὶ ἐνταῦθα, ἁμαρτάνων· ἄμεινον γὰρ τεθνάναι ἢ δειλὸν εἶναι, διότι ἡ ἀνδρεία εὖ εἶναι ἡμᾶς ποιεῖ, ἡ δὲ ζωὴ εἶναι· οὐκοῦν καὶ ἡ ἀπόπτωσις χείρων τῆς ἀποπτώσεως, τὸ κακῶς τοῦ μὴ εἶναι. ἀλλ’ ἐπειδὴ ταῦτα φιλοσοφώτερα, παρεᾷ ταῦτα ὁ Σωκράτης καὶ δείκνυσιν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθὸν ἐκ τῶν αὐτοῦ λόγων. καὶ πάλαι μὲν πρὸ τῆς μαιείας δείκνυσιν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν, τοῦτον τὸν τρόπον· ‘ἡ ἀνδρεία τὶ καλόν’ (τοῦτο γὰρ συνεχώρησεν ὁ νέος καὶ ἐπὶ τῆς δικαιοσύνης)· ‘πᾶν καλὸν ᾗ καλὸν ἀγαθόν’ (τοῦτο γὰρ ἔδειξεν ὁ δεύτερος συλλογισμὸς ὁ λέγων ‘καθ’ αὑτὸ τῇ ἀνδρείᾳ καλῇ οὔσῃ ἐπηκολούθησε τὸ ἀγαθόν, κατὰ συμβεβηκὸς γὰρ ἐπηκολούθησε τῷ τινὶ καλῷ ὁ θάνατος, ὅ ἐστι κακόν’)· ‘καὶ ἐπειδὴ τὸ “ᾗ” ἐπὶ ἀντιστρεφόντων λέγεται, καὶ ᾗ ἀγαθὸν καλόν ἐστι. τὰ αὐτὰ δὲ καὶ ἐπὶ σωφροσύνης’, φησίν, ‘καὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ποιήσαντες ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ᾗ καλὸν ἀγαθόν ἐστι, καὶ διὰ τοῦτο ταὐτόν ἐστι’. μετὰ δὲ τὴν μαιείαν ἄλλως πλέκει τὸν συλλογισμόν, λέγων ‘ἡ ἀνδρεία ἐφετὸν τῷ Ἀλκιβιάδῃ· πᾶν ἐφετὸν ἀγαθόν, ὅτι συνεπιτείνεται καὶ συνανίεται τῷ | ἀγαθῷ ἡ ἔφεσις (τοῦ γὰρ μείζονος ἀγαθοῦ μείζων ἡ ἔφεσις)· ἡ ἄρα ἀνδρεία ἀγαθόν· τὰ

117, 2 Olymp. ἐποίησεν / ἀναγκάζει Plat. Tht. 150c8. 2 Olymp. κωλύει / ἀπεκώλυσεν Plat. Tht. 150c8.

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solche [ihre Aktivität] erlaubt. Denn auch wenn jemand die Tapferkeit an sich vernichtet, würde ihm Feigheit widerfahren und nicht der Tod. Denn es ist die Feigheit, die die Tapferkeit an sich vernichtet.“1004 Als Nächstes, da er diese nicht auf sokratische Weise in der Dialogform äußert, sondern wie ein Lehrer, und dadurch den Befehl des Gottes über- 117 schreitet, der besagt: „G e b u r t s h i l f e z u l e i s t e n b r a c h t e m i c h d e r G o t t , [ s e l b e r ] z u g e b ä r e n a b e r v e r b i e t e t e r . “1005 – Denn jetzt lehrt er diese, statt Geburtshilfe zu leisten, da es [dafür] nötig wäre, dass wir diese nicht von Sokrates hören, sondern von Alkibiades. – Und da er der Sohn einer Hebamme war, tauscht er die Rollen und bringt Alkibiades zum Ant- 5 worten, indem er ihm dieselben Fragen stellt. Und er führt das Argument mit Tapferkeit aus, da er eine an militärischen Themen interessierte Person anspricht. Darauf zeigt er, dass die Tapferkeit gut ist, da es etwas Schönes ist. Wenn er nämlich den Dialog mit Charmides, dem außerordentlich besonnenen1006, geführt hätte (daher auch hat dieser Dialog den Titel „C h a r m i d e s o d e r ü b e r d i e B e s o n n e n h e i t “), würde er das Argument mit Beson- 10 nenheit ausführen [statt mit Tapferkeit]. Jetzt fragt er ihn [sc. Alkibiades]: „Ziehst du es etwa vor, feige zu sein oder zu sterben?“1007 Doch er zieht es vor, zu sterben, da er tapfer ist. Darauf [fragt er] nochmal: „Hältst du zu sterben und feige zu sein für gleichwertig?“1008 Er stimmt es zu und dabei macht er einen Fehler. Denn zu sterben ist besser als feige zu sein, da die Tapferkeit uns dazu bringt, gut zu sein; das Leben aber dazu, [einfach] zu existieren. Folglich ist der Verlust [sc. der Tapferkeit] schlechter als der Verlust [sc. des Lebens]; in einem 15 schlechten Zustand zu sein [ist schlechter] als nicht zu existieren.1009 Aber da diese [Argumente] ziemlich philosophisch sind, übergeht Sokrates sie und zeigt, dass alles Schöne gut ist, ausgehend von seinen [sc. Alkibiades’] Argumenten. Noch vor der Geburtshilfe zeigt er, dass alles Schöne gut ist, auf diese Weise: „Die Tapferkeit ist etwas Schönes“ (denn das bestätigte der Jüngling auch über die Gerechtigkeit). „Alles Schöne, insofern es schön ist, ist gut“ (das zeigte ja die 20 zweite Schlussfolgerung, der besagt: „Aus der Tapferkeit an sich, da sie schön ist, ergibt sich das Gute, denn [nur] akzidentiell ergibt sich der Tod, der schlecht ist, aus etwas Schönem.“). „Da aber ‚insofern‘ über zueinander entsprechende Begriffe gesagt wird, ist es [auch] schön, insofern es gut ist. Und [nachdem wir] die gleiche [Argumente] über die Besonnenheit“, sagt er, „und über die anderen Tugenden erstellt haben, werden wir dazu kommen, dass alles Schöne, 25 insofern es ehrenhaft ist, [auch] gut ist, und daher das Gleiche ist.“. Nach der Geburtshilfe aber baut er die Schlussfolgerung anders auf,1010 indem er sagt: „Die Tapferkeit ist erstrebenswert für Alkibiades. Alles, was erstrebenswert ist, ist gut, und das Verlangen nimmt mit dem Guten zu oder ab (je größer etwa das 118 Gute [daran] ist, desto größer [ist] das Verlangen). Folglich ist dieTapferkeit gut.

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αὐτὰ δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν· ὥστε πᾶν καλὸν ἀγαθόν’. εἰ γὰρ ἡ ἀνδρεία τὶ καλὸν οὖσα ἐφετόν ἐστιν, εἴγε καὶ ἐραστόν ἐστι (τὸ γὰρ καλὸν πρὸς τῷ ἔρωτι), τὸ δὲ ἐφετὸν ἀγαθόν ἐστιν, ἡ ἀνδρεία ἄρα ἀγαθόν ἐστι· τὰ δὲ αὐτὰ καὶ ἐπὶ σωφροσύνης ποιήσαντες καὶ δείξαντες τὶ ἀγαθὸν οὖσαν τὴν σωφροσύνην καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ὁμοίως, ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν, ὡς εἴρηται. καὶ ἐπειδὴ ἡ μερικὴ κατάφασις ἀνστρέφει πρὸς ἑαυτήν, δέδεικται δὲ πᾶν καλόν, καὶ τὸ ἐκ τῶν μερικῶν καταφατικῶν χύμα, ἀγαθόν, καὶ τὸ ὅλον χύμα ἀντιστρέφει. Ἐφ’ οἷς δείκνυσι καὶ διὰ τρίτου συλλογισμοῦ ὅτι πᾶν ἀγαθὸν καὶ τὸ ἀνάπαλιν· καὶ κέχρηται δείξει ἣν ὠφελήθη Ἀριστοτέλης ἐν τῇ Περὶ οὐρανοῦ. λαβὼν γὰρ δύο ἀντιθέσεις καὶ τούτων ἑκάτερον σκέλος ἑκατέρῳ τῆς λοιπῆς ἀντιθέσεως ἀντιστρέφον, δείκνυσιν ὅτι αἱ διαγώνιοι οὐ δύνανται συναληθεῦσαι. εἰσὶ δὲ αἱ δύο ἀντιθέσεις αὗται· γενητόν, ἀγένητον· φθαρτόν, ἄφθαρτον. ἐπεὶ οὖν δέδεικται ὅτι τὸ γενητὸν τῷ φθαρτῷ ἀντιστρέφει (πᾶν γὰρ γενητὸν φθαρτόν ἐστι καὶ τὸ ἀνάπαλιν), ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῆς ἄλλης συζυγίας (πᾶν ἀγένητον ἄφθαρτον καὶ πᾶν ἄφθαρτον ἀγένητον), οὐ δύνανται ἐπὶ τῶν διαγωνίων ἀληθεῦσαι, οἶον φθαρτὸν καὶ ἀγένητον· εἰ γὰρ συναληθεύσωσιν, ἐπειδὴ δέδεικται πᾶν φθαρτὸν γενητόν, ἔσται τὶ γενητὸν ἀγένητον, καὶ συναληθεύσει ἡ ἀντίφασις. ταύτῃ τῇ ἀποδείξει κέχρηται ἐνταῦθα ὁ Πλάτων λαβὼν δύο ἀντιθέσεις· ἀγαθόν, κακόν· καλόν, αἰσχρόν· καὶ δείξας ὅτι ἀντιστρέφει τὸ ἀγαθὸν τῷ καλῷ καὶ τὸ κακὸν τῷ αἰσχρῷ, δείκνυσι μὴ δυνάμενον εἶναί τι καλὸν κακόν. εἰ γὰρ ᾖ, ἐπειδὴ δέδεικται ὅτι τὸ καλὸν ἀγαθόν ἐστιν, ἔσται τι ἀγαθὸν κακόν, ὅπερ ἀδύνατον. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

115A Καί μοι λέγε· τῶν δικαίων φῂς ἔνια μὲν συμφέρειν, ἔνια δὲ οὔ; τίς ὁ σκοπὸς τῆς πράξεως; δεῖξαι διὰ τριῶν λόγων ὅτι ταὐτόν ἐστι δίκαιον καὶ συμφέρον· δείκνυσι δὲ τοῦτο διὰ τῆς ἀντιστροφῆς δικαίου καὶ συμφέροντος. καὶ σκόπει ὅτι οὐκ ἠρώτησεν αὐτὸν ὅτι εἰ μηδὲν τῶν

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Das Gleiche [gilt] auch für die anderen Tugenden. Daher ist alles Schöne gut.“ Wenn nämlich einerseits die Tapferkeit, als etwas Schönes, erstrebenswert ist, und wenn es auch liebenswert ist (denn das Schöne richtet sich nach der Liebe1011), und andererseits ist das Erstrebenswerte gut, also ist die Tapferkeit gut. Nachdem [wir] die gleichen Argumente über die Besonnenheit erstellen und aufzeigen werden, dass die Besonnenheit etwas Gutes ist, und auf gleiche Weise auch über die anderen Tugenden [argumentieren], werden wir zu dem Ergebnis kommen, dass alles Schöne gut ist, wie bereits gesagt wurde. Da zumal die Bestandteile einer teilhaften zustimmenden Behauptung gegenseitig entsprechend sind1012 und es aufgezeigt wurde, dass alles Schöne, sowie die Summe aus den teilhaften zustimmenden Behauptungen [sc. über die anderen Tugenden] gut ist, auch ist die gesamte Summe [der Tugenden] in sich gegenseitig entsprechend. Darüber hinaus zeigt er auf, auch durch eine dritte Schlussfolgerung, dass alles Schöne gut ist und das Umgekehrte [auch gültig ist].1013 Dazu benutzt er eine Demonstration, die Aristoteles in der [Schrift] Über den Himmel nützlich fand.1014 Denn indem er zwei Gegensätze nimmt, bei denen jedes einzelne Glied jedem anderen [Glied] des übrigen Gegensatzes entspricht, zeigt er, dass die diagonalen Gegensätze nicht gleichzeitig gelten können.1015 Die zwei Gegensätze sind nämlich diese: Generiert, ingeneriert. Zerstörbar, unzerstörbar. Da er aufgezeigt hat, dass das Generierte dem Zerstörbaren entspricht (Denn ist alles Generierte zerstörbar und umgekehrt), gilt das Gleiche auch über das andere Begriffspaar (alles Ingenerierte ist unzerstörbar und alles Unzerstörbare ist ingeneriert), es ist unmöglich für die diagonalen Gegensätze [gleichzeitig] wahr zu sein, zum Beispiel etwas Zerstörbares und Ingeneriertes. Wenn nämlich [diese] gleichzeitig wahr sind, da es aufgezeigt wurde, dass alles Zerstörbare generiert ist, wird es [sc. was zerstörbar und ingeneriert ist] etwas Generiertes und Ingeneriertes sein und dadurch wird ein Widerspruch der Argumente gleichzeitig gelten. Diese Beweisführung gebraucht Platon hier, indem er [die folgende] zwei Gegensätze nimmt: Gut, schlecht. Schön, hässlich. Nachdem er schon gezeigt hat, dass das Gute dem Schönen und das Schlechte dem Hässlichen entspricht, zeigt er, dass es etwas gleichzeitig Schöne und Schlechte nicht geben kann. Wenn es nämlich der Fall wäre, da er aufgezeigt hat, dass das Schöne gut ist, wird etwas gleichzeitig gut und schlecht sein, was unmöglich ist. Das hat die Theorie.

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115A Nun sag es mir: Von den gerechten Handlungen sagst du einige 119 seien nützlich, andere nicht: Was ist die Absicht dieses Unterrichts? Durch drei Syllogismen zu zeigen, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind. Das zeigt er durch die gegenseitige Entsprechung des Gerechten und des

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δικαίων οἴεται συμφέρον εἶναι, ἀλλὰ τὸ πιθανώτερον μᾶλλον, ὅτι εἰ τὶ δίκαιον οἴεται συμφέρον, τὶ δὲ οὔ. καὶ προάγει τὸν συλλογισμὸν ἐκεῖνον, ὅτι ‘πᾶν δίκαιον καλόν’, καὶ ταύτῃ συγχωρεῖ· τῇ δὲ μείζονι τῇ λεγούσῃ ‘καὶ πᾶν καλὸν συμφέρον’ μάχεται. Πῶς τοῦτο ἐρωτᾷς; οὐ μάτην ἀμφέβαλλεν ὁ νέος, ἀλλ’ ἐπειδὴ ὁ Σωκράτης δύο εἶπεν, δίκαια καὶ συμφέροντα, καὶ ἠρώτησεν εἰ τούτων τινὰ μὲν καλά ἐστι, τινὰ δὲ αἰσχρά, ἀμφέβαλλε πρὸς τί ἀποκρίνεται. Εἴ τις ἤδη σοι ἔδοξεν αἰσχρὰ μέν, δίκαια δὲ πράττειν; ἰδοὺ ἐρωτᾷ αὐτὸν τὴν ἐλάττονα, καὶ δίδωσιν ὡς φιλότιμος ὁ νέος ὅτι πᾶν δίκαιον καλόν. Ἔνια τῶν καλῶν κακὰ εἶναι: ἰδοὺ τῇ μείζονι μάχεται, ὅτι οὐ πᾶν καλὸν ἀγαθόν, διὰ τὰ ἐν πολέμῳ τραύματα.

115B Οὐκοῦν τὴν τοιαύτην βοήθειαν καλὴν μὲν λέγεις: τὰ αὐτὰ δὴ ἦν δυνατὸν καὶ ἐπὶ σωφροσύνης εἰπεῖν, ἀλλ’ ἐπειδὴ πρὸς στρατηγικὸν ὁ λόγος, τοιοῦτον εἶπεν παράδειγμα. ἡ γὰρ Ἱππολύτου σωφροσύνη καλὸν μέν, οὐ μὴν ἀγαθή, διὰ τὸν θάνατον. 115C Ἆρα οὖν οὐκ ἄλλο μὲν ἡ ἀνδρεία, ἄλλο δὲ ὁ θάνατος; ἡ πρώτη λύσις, ὅτι δύο δυσὶν ἐπηκολούθησεν, οὐ δύο ἑνί· οὐ γὰρ ταὐτὸν ἀνδρεία καὶ θάνατος. Ὅρα τοίνυν εἰ, ᾗ γε καλόν, καὶ | ἀγαθόν: ὁ δεύτερος συλλογισμὸς ὁ λέγων ὅτι ‘εἰ καὶ δῶμεν ὅτι ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ πράγματι, οἶον τῇ ἀνδρείᾳ, καὶ τὸ καλὸν καὶ τὸ κακὸν τὸ ἐκ τοῦ θανάτου ἐπηκολούθησεν, ἀλλ’ οὐχ ὡσαύτως, ἀλλὰ τῇ μὲν ἀνδρείᾳ ὡς ἀνδρείᾳ τὸ καλόν, κατὰ συμβεβηκὸς δὲ τὸ κακόν, διὰ τὸ ἀφεῖναι τοῦτο καὶ μάχεσθαι τῷ ὑποκειμένῳ’. διό φησιν· ‘σκόπει , ᾗ καλόν ἐστι, καὶ ἀγαθόν ἐστι’ (τοῦτο δὲ τὸ ‘ᾗ’ ἐπὶ ἀντιστρεφόντων λέγεται), ‘ὥσπερ καὶ ἐπὶ τοῦ παρόντος παραδείγματος τῆς ἀνδρείας. πάλαι γὰρ δύο πράγματα δυσὶν ἐλέγετο μὲν ἀκολουθεῖν, νῦν δὲ δύο ἑνί· τῇ γὰρ ἀνδρείᾳ τὸ καλὸν καθ’ αὑτό, κατὰ συμβεβηκὸς δὲ τὸ κακόν. σκόπει οὖν, εἰ τὸ καλὸν τοῦτο ἀγαθόν ἐστιν ἢ κακόν’.

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Nützlichen. Betrachte auch, dass er ihn [sc. Alkibiades] nicht gefragt hat, ob er meint, dass keine der gerechten Handlungen nützlich sind, sondern stattdessen 5 eine überzeugendere [Frage], nämlich ob er eine gerechte Sache für nützlich hält, ein anderes aber nicht. Ferner setzt er jene Schlussfolgerung fort, nämlich „alles Gerechte ist schön“ und damit ist er [sc. Alkibiades] einverstanden. Die zweite [Prämisse] aber, die besagt, „auch alles Schöne ist nützlich“, bestreitet er. In welchem Sinne fragst du das? Der Jüngling ist nicht ohne Grund unsicher, sondern weil Sokrates zwei [Begriffe], gerechte und nützliche [Hand- 10 lungen], erwähnt und gefragt hat, ob von diesen einige schön sind, andere dagegen hässlich, war er unsicher, auf welchen [dieser Begriffe] er seine Antwort beziehen soll. Ist es dir jemals so vorgekommen, dass jemand Handlungen vornimmt, die einerseits hässlich, andererseits gerecht sind: Siehe, dass er ihn die Nebenprämisse1016 fragt und der Jüngling, da er ehrliebend ist, einräumt, dass alles Gerechte ehrenhaft ist. Einige der ehrenhaften Handlungen sind schlecht: Siehe, er bestreitet 15 die Hauptprämisse, dass nicht alles Schöne gut ist, aufgrund von Wunden im Krieg.1017 115B Sagst du etwa nicht, dass eine solche Rettung schön ist: Er war gewiss in der Lage, die gleichen Dinge auch über die Besonnenheit zu sagen,1018 aber da die Diskussion sich nach militärischen Themen richtet, nannte er ein passendes Beispiel. Denn die Besonnenheit des Hippolytos war schön, dagegen nicht gut, angesichts seines Todes.1019 20 115C Ist nun nicht die Tapferkeit eine Sache, der Tod aber eine andere? Hier ist die erste Lösung, dass aus zwei [Handlungen] zwei [Folgen] sich ergeben, und nicht zwei aus einer. Denn die Tapferkeit und der Tod sind nicht das Gleiche. Nun siehe ob es, insofern es schön ist, auch gut ist: Die zweite 120 Schlussfolgerung, der besagt: „Auch wenn wir einräumen, dass sich aus einer und derselben Tugend, wie aus der Tapferkeit, sowohl das Schöne als auch das Schlechte bezüglich des Todes ergeben, dennoch [geschieht es] nicht auf die gleiche Weise, sondern aus der Tapferkeit für sich das Schöne, [nur] aber akzidentiell das Schlechte, indem es diese [sc. Tapferkeit] loslässt und das 5 Zugrundeliegende [sc. Körper] angreift.“1020 Daher sagt er: „Betrachte, ob es, insofern es schön ist, auch gut ist“ (und dieses „insofern ist“ wird über gegenseitig entsprechende [Begriffe] gesagt), „wie auch an dem vorliegenden Beispiel der Tapferkeit. Denn es wurde vorhin gesagt, dass aus zwei Handlungen zwei [Ergebnisse] folgen,1021 jetzt aber aus zwei [Handlungen] ein [Ergebnis]. Einerseits [folgt] der Tapferkeit das absolut Schöne, das Schlechte dagegen [nur] 10 akzidentiell. Betrachte nun, ob dieses Schöne gut oder schlecht ist.“

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C. Text und Übersetzung

Ὧδε δὲ πότερον ἂν δέξαιό σοι εἶναι ἀγαθὰ ἢ κακά; μεταβάλλει τὸν λόγον ἐπὶ τὴν μαιείαν, ἵνα μὴ παράγγελμα τοῦ θεοῦ παραβαίνῃ· ‘ μ α ι ε ύ ε σ θ α ι γ ά ρ μ ε ’ , φησίν, ‘ ὁ θ ε ὸ ς ἐ π ο ί η σ ε ν , γ ε ν ν ᾶ ν δ ὲ ἀ π ο κ ω λ ύ ε ι ’ . καὶ ἐρωτᾷ αὐτὸν τὸν συλλογισμὸν λέγων ὅτι ‘ἡ ἀνδρεία ἐφετόν· πᾶν τὸ ἐφετὸν ἀγαθόν, διότι συνεπιτείνεται ταῦτα ἀλλήλοις (τῷ γὰρ μείζονι ἀγαθῷ μείζων ἔφεσίς ἐστιν)· ἡ ἀνδρεία ἄρα ἀγαθόν’. τὰ αὐτὰ δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων καλῶν γυμνάσαντες, διότι ἄθροισμα τῶν ἀρετῶν τὸ κάλλος – οἶον ἐπὶ σωφροσύνης· ‘ἡ γὰρ τοῦ Ἱππολύτου σωφροσύνη κατὰ συμβεβηκὸς κακή ἐστιν, διότι ἐπηκολούθησε θάνατος’ – ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν.

115D Ἐξ ἴσου τοῦ τεθνάναι: ἰδοὺ ἐνταῦθα ἁμαρτάνει ὁ νέος· χεῖρον γάρ ἐστι τὸ μὴ εἶναι τοῦ κακῶς εἶναι.

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115E Τὸ ἄρα βοηθεῖν ἐν πολέμῳ: ἐντεῦθεν τὸ πρῶτον ἐπιχείρημά φησιν, ὅτι δύο πράγμασι δύο ἐπηκολούθησε, θανάτῳ γὰρ καὶ ἀνδρείᾳ καλὸν καὶ κακόν, διὰ μαιείας. Οὐκοῦν ὧδε δίκαιον προσαγορεύειν ἑκάστην τῶν πράξεων: τὸ δεύτερον | ἐπιχείρημα, ὅτι ‘τὸ καλὸν ᾗ καλὸν ἀγαθόν ἐστιν’. Ἆρα οὖν καὶ ᾗ ἀγαθὸν καλόν ἐστιν: τῇ ἀντιστροφῇ χρῆται νῦν, ὅτι, ἐπειδὴ τὸ ‘ᾗ’ ἐπὶ ἀντιστρεφόντων λέγεται, καὶ ᾗ ἀγαθὸν καλόν ἐστι.

116A Καλὴν μὲν εἶναι, κακὴν δέ: ἐντεῦθεν τὸν τρίτον συλλογισμόν φησι τὸν ἐκ τῶν δύο ἀντιθέσεων, ὃν ὠφελήθη ὁ Ἀριστοτέλης. καί φησιν ὅτι ‘τὴν πρᾶξιν τὴν καλήν, κακὴν δέ, φαίνῃ μὲν μὴ λέγων ἀντίφασιν, δυνάμει δὲ ἀντιφάσκεις σαυτῷ, διότι οὐδὲν ἄλλο φῂς ἢ τὸ κακὸν ἀγαθόν, διὰ τὸ ἀντιστρέφειν τὸ καλὸν τῷ ἀγαθῷ καὶ πᾶν καλὸν εἶναι ἀγαθόν’.

120, 12 Olymp. πότερον ἂν / σὺ πότερ’ ἂν Plat. Alc. 115c9–10. 14 Olymp. add. γάρ, cf. Plat. Tht. 150c7. 14 Olymp. ἐποίησεν / ἀναγκάζει Plat. Tht. 150c7. 15 Olymp. ἀποκωλύει / ἀπεκώλυσεν Plat. Tht. 150c8. 22 Olymp. τοῦ / τῷ Plat. Alc. 115d10.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Betrachte es so: Würdest du lieber Güter wollen oder Übel? Er wandelt die Argumentation in die Geburtshilfe, damit er den Befehl des Gottes nicht überschreitet.1022 „D e n n G e b u r t s h i l f e z u l e i s t e n “ , s a g t e r , „ b r a c h t e m i c h d e r G o t t , [ s e l b e r ] z u g e b ä r e n a b e r v e r - 15 b i e t e t e r . “1023 Daraufhin fragt er ihn, indem er diese Schlussfolgerung äußert: „DieTapferkeit ist erstrebenswert. Alles Erstrebenswerte ist gut, da diese miteinander gemeinsam zunehmen (denn je größer das Gute [daran] ist, desto größer ist das Verlangen [danach]1024). Also ist die Tapferkeit gut.“ Nachdem wir über die anderen schönen [Handlungen] die gleichen [Argumente] ausgeführt haben, da die Schönheit die Ansammlung der Tugenden ist – beispielsweise an der Besonnenheit: „Denn die Besonnenheit des Hippolytos ist unter den 20 akzidentiellen Umständen schlecht, da sich daraus sein Tod ergab“1025 – werden wir folgern, dass alles Schöne gut ist. 115D Gleichermaßen wie das Sterben1026: Siehe, der Jüngling macht hier einen Fehler: Denn nicht zu existieren ist schlechter als sich in einem schlechten Zustand zu befinden.1027 115E [Ist] etwa Hilfe zu leisten im Krieg [schön?]1028: Ab hier äußert er den ersten dialektischen Beweis, dass sich aus zwei Handlungen zwei [Folgen] 25 ergeben; nämlich aus dem Tod und aus der Tapferkeit, das Schöne und das Schlechte, durch die Geburtshilfe. Also ist es gerecht, jede unserer Handlungen auf diese Weise zu bezeichnen: Hier ist das zweite erweiterte Argument1029, nämlich „alles Schöne, 121 insofern es schön ist, ist gut“. Ist es nun etwa nicht schön, insofern es auch gut ist?1030 Hier macht er von der Umkehrung1031 Gebrauch, dass, – da man „insofern ist“ über zueinander entsprechenden [Begriffe] sagt –, [eine Handlung], insofern es gut ist, auch schön ist. 116A einerseits gut sein, andererseits schlecht1032: Ab hier äußert er die dritte Schlussfolgerung, der aus zwei Gegensätzen [hervorgeht] und den 5 Aristoteles nützlich fand.1033 Darauf sagt er: „[indem du] eine Handlung einerseits schön, andererseits schlecht [nennst], scheinst du zwar den Widerspruch nicht direkt auszusprechen, aber ist es möglich, dass du dich selbst widersprichst, da du nichts Anderes sagst als, dass das Schlechte gut ist, da das Schöne dem Guten entspricht und alles Schöne gut ist.“1034

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ ιδʹ 10

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116B-118B Ἔτι τοίνυν καὶ ὧδε σκέψαι· ὅστις καλῶς πράττει. Ἐπειδὴ ἔδειξεν ὁ Σωκράτης πᾶν καλὸν ἀγαθὸν παραδείγματι χρησάμενος τῇ ἀνδρείᾳ (ἔλεγε γὰρ ‘τὸ καλὸν ᾗ καλὸν ἐφετόν ἐστι· πᾶν ἐφετὸν ἀγαθόν ἐστι· πᾶν ἄρα καλὸν ἀγαθόν’), τὴν δὲ ἀνδρείαν τὶ καλὸν ἐδίδου ὁ Ἀλκιβιάδης, ἡ ἀνδρεία ἄρα ἀγαθόν. τὸ δὲ αὐτὸ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ποιήσαντες, ἐπειδὴ οἷον ἄθροισμα καὶ οἷον ἄνθος τῶν ἀρετῶν ἐστὶν τὸ καλόν, ἕξομεν ὅτι καὶ πᾶν καλὸν ἀγαθόν. ἐπειδὴ οὖν καὶ πρὸ Ἀριστοτέλους ᾔδει ὅτι ἀσθενής ἐστιν ἡ διὰ τῶν καθ’ ἕκαστα ἀπόδειξις, βούλεται καὶ διὰ τοῦ καθόλου λόγου δεῖξαι τοῦτο· καὶ λαμβάνει καθολικὰς προτάσεις, δι’ ὧν δείκνυσιν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθὸν καὶ τὸ ἀνάπαλιν. καὶ ἔστιν ὁ συλλογισμὸς τοιοῦτος· ‘ὁ καλὰ πράττων εὖ πράττει· ὁ εὖ πράττων εὐδαιμονίαν ἔχει· ὁ εὐδαιμονίαν ἔχων ἀγαθὰ πράττει· ὁ ἄρα καλὰ πράττων ἀγαθὰ πράττει, καὶ διὰ τοῦτο τὸ καλὸν ἄρα ἀγαθόν’. καὶ τούτων ῥηθέντων ὑπὸ τοῦ Πλάτωνος πολλὴν ἄδειαν εὑρίσκουσιν οἱ διασύρειν τὸν συλλογισμὸν τοῦτον βου|λόμενοι, λέγοντες ὅτι ‘τί διαφέρουσιν αἱ προτάσεις ἀλλήλων; τί γὰρ διαφέρει τὸ τὰ καλὰ πράττειν τοῦ εὖ πράττειν; ἢ τὸ εὖ πράττειν τοῦ εὐδαιμονεῖν;’ λέγομεν δὲ ἡμεῖς πρὸς τὸ πρῶτον ὅτι οὐ ταὐτὸν τὸ καλῶς πράττειν τῷ εὖ πράττειν. τὸ μὲν γὰρ εὖ μέσον ἐστὶ τοῦ ἀγαθοῦ καὶ τοῦ καλοῦ· ἀπόρροια γὰρ καὶ οἷον ἔλλαμψίς ἐστι τοῦ ἀγαθοῦ ἐπὶ τὸ καλὸν τὸ εὖ, ἀρχόμενον μὲν ἀπὸ τοῦ ἀγαθοῦ, τελευτῶν δὲ εἰς τὸ καλόν. διὸ καὶ τὸ καλὸν ‘εὖ’ λέγεται, φαμὲν γὰρ τοὺς καλῶς λέγοντας εὖ λέγειν. ἀλλὰ καὶ ἐπὶ τοῦ ἀγαθοῦ φέρεται τὸ ‘εὖ’, διὸ καὶ τοὺς προσηνεῖς ἡμῖν καὶ ἀγαθὰ ἡμῖν θέλοντας ‘εὔνους’ ἡμῖν φαμέν. καὶ ὡς ἐφετὸν ἑκάτερον τὸ εὖ ἔχει· καὶ γὰρ καὶ τὸ καλὸν ἐφετόν ἐστιν ὡς καλοῦν ἐφ’ ἑαυτὸ καὶ τὸ ἀγαθὸν ὡς ἄγαν θεῖν ἐπὶ αὐτὸ ποιοῦν πάντας. διὸ καὶ ὁ δαιμόνιος Ἀριστοτέλης ἀρχὴν ὑποθέμενος οὐ τὸ πρῶτον αἴτιον, ἀλλὰ τὸν νοῦν, ἐν

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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Unterricht 14 mit Gottes Hilfe 116B–118B Jetzt aber betrachte es auch noch so: Wer schön handelt1035: 10 Da Sokrates mit Hilfe des Beispiels der Tapferkeit gezeigt hat, dass alles Schöne gut ist, (denn er sagte: „das Schöne, insofern es schön ist, ist erstrebenswert. Alles, was erstrebenswert ist, ist gut. Folglich ist alles Schöne gut.“) und Alkibiades einräumte, dass die Tapferkeit etwas Schönes ist, ist folglich die Tapferkeit gut. Nachdem wir das gleiche Argument über die anderen Tugenden 15 erstellt haben, da das Schöne wie eine Ansammlung und eine Blüte aller Tugenden1036 ist, werden wir zu dem Schluss gelangen, dass auch alles Schöne gut ist. Da er nun sogar vor Aristoteles einsah,1037 dass eine Beweisführung, die auf einzelnen Begriffen beruht, schwach ist, beschließt er, das auch durch ein universelles Argument aufzuzeigen. Dazu nimmt er universelle Prämissen, durch die er zeigt, dass alles Schöne gut und das Umgekehrte [richtig ist]. Und 20 die Schlussfolgerung ist wie folgt: „Wer schöne Handlungen vornimmt, handelt auf gute Weise. Wer auf gute Weise handelt, besitzt Glückseligkeit. Wer Glückseligkeit besitzt, nimmt gute Handlungen vor. Folglich wer schöne Handlungen vornimmt, nimmt auch gute Handlungen vor und dadurch ist das Schöne auch gut.“1038 Obwohl auch diese [Argumente] von Platon ausgesprochen wurden, genießen diejenigen ein großes Maß an Freizügigkeit, die diese Schlussfolgerung verspotten wollen, indem sie sagen: „Was unterscheidet 122 diese Prämissen voneinander? Beziehungsweise, was unterscheidet schöne Handlungen vorzunehmen davon, auf gute Weise zu handeln? Oder auf gute Weise zu handeln davon, glücklich zu sein?“ Wir sagen nun auf die erste [Frage], dass schön zu handeln nicht das Gleiche wie auf gute Weise zu handeln ist. In der Tat ist das, [was] auf gute Weise [ist], das Mittlere zwischen dem Guten und dem 5 Schönen.1039 Denn das, [was] auf gute Weise [ist], ist eine Ausströmung und wie eine Ausstrahlung des Guten auf das Schöne, das bei dem Guten anfängt und mit dem Schönen vollendet wird. Daher wird auch das Schöne „auf gute Weise“ genannt, denn wir sagen, dass diejenigen, die schön reden, auf gute Weise reden. Ferner wird „auf gute Weise“ auf das Gute bezogen, daher nennen wir auch diejenigen, die wohlwollend zu uns sind und Gutes für uns wünschen, uns 10 gegenüber „gutgesinnt“. Als zugleich etwas Erstrebenswertes umfasst das, [was] auf gute Weise [ist], beide [sc. das Gute und das Schöne]. Denn in der Tat ist das Schöne erstrebenswert, da es [die Menschen] zu sich selbst ruft,1040 und das Gute [wird so genannt], weil es alle Menschen zu mehr Eile zu sich anregt.1041 Daher auch der göttliche Aristoteles mit der Annahme, dass das Urprinzip des Kosmos nicht die erste Ursache, sondern die Vernunft ist1042, sagte,

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C. Text und Übersetzung

τῇ Μετὰ τὰ φυσικὰ περὶ αὐτοῦ διαλεγόμενος ἔλεγεν διττὸν εἶναι τὸ εὖ, τὸ μὲν ἐν τῷ στρατηγῷ, τὸ δὲ ἐν τῷ στρατοπέδῳ, καὶ αἴτιον εἶναι τὸ ἐν τῷ στρατηγῷ τοῦ ἐν τῷ στρατοπέδῳ· οὕτως ᾠκείωται τῷ καλῷ τὸ εὖ, οἰκεῖον γὰρ τῷ νῷ τὸ καλόν. εἰ γὰρ περὶ τοῦ ἀγαθοῦ τὸν λόγον ἐποιεῖτο, οὐκ ἂν τὸ εὖ παρελάμβανεν, διότι ὑπὲρ τοῦτό ἐστι τὸ πρῶτον. ἀλλὰ καὶ ἡ δευτέρα οὐκ ἔστιν ἡ αὐτή, ἄλλο γάρ ἐστι τὸ εὖ πράττειν παρὰ τὸ εὐδαιμονεῖν· τὸ μὲν γὰρ ὡς αὐτοκινήτοις ἁρμόττει (τὸ γὰρ κατὰ ἀρετὴν ζῆσαι αὐτοκινη|σίας ἴδιον), τὸ δὲ εὐδαιμονεῖν ἄνωθεν ἡμῖν ἐφήκει τοῖς κατ’ ἀρετὴν ζήσασι· τοῖς γὰρ ἐπιτηδείους ἑαυτοὺς ποιήσασιν ἡ θεόθεν ἔλλαμψις παραγίνεται, ἥτις εὐδαιμονία ἐστί, καὶ κρεῖττον τὸ τοιοῦτον ἑτεροκίνητον τοῦ αὐτοκινήτου· κρεῖττον γὰρ τὸ θεόθεν ἄγεσθαι ἢ ὑφ’ ἑαυτῶν. Εἶτα ἐπισυνάπτει τοῖς εἰρημένοις δύο προτάσεις καὶ οὕτως συνάγει τὸ προκείμενον, ἄνωθεν μίαν καὶ κάτωθεν. κάτωθεν μέν, ὅτι ὁ τὰ ἀγαθὰ ποιῶν συμφέροντα ποιεῖ (ταὐτὸν γάρ ἐστιν ἀγαθὸν καὶ συμφέρον)· ἄνωθεν δέ, διότι ὁ τὰ δίκαια ποιῶν καλὰ ποιεῖ (τοῦτο γὰρ ἦν συγχωρήσας ὁ Ἀλκιβιάδης, ‘πᾶν δίκαιον καλόν’)· καὶ συνάγει ὅτι ‘οὐκοῦν καὶ πᾶν δίκαιον συμφέρον’. Εἶτα μίαν τῶν προτάσεων τῶν ῥηθεισῶν μεταξὺ ἀντιστρέφει λέγων ‘καὶ ὁ εὖ πράττων καλὰ πράττει’. τοῦτο δὲ ποιεῖ ἐνδεικνύμενος ὅτι πᾶσαι αἱ προτάσεις ἀντιστρέφουσιν καὶ διὰ τοῦτο καὶ τὸ συμπέρασμα. προέθετο μὲν γὰρ δεῖξαι ὅτι οὐ μόνον πᾶν δίκαιον συμφέρον, ἀλλὰ καὶ πᾶν συμφέρον δίκαιον, ἵνα ᾖ ἡ ἀντιστροφὴ αὕτη· ‘τὸ συμφέρον ἀγαθόν· τὸ ἀγαθὸν εὐδαιμονίαν ποιεῖ· τὸ εὐδαιμονίαν ποιοῦν εὐπραξία ὑπάρχει· τὸ τοιοῦτον καλὰ πράττειν ἐστί· τὸ τοιοῦτο δικαιοσύνη ὑπάρχει· τὸ ἄρα συμφέρον δίκαιόν ἐστι’. Καὶ οὕτω προελθόντος τοῦ Σωκρατικοῦ λόγου ὁ Ἀλκιβιάδης ἀπαλλαγεὶς τῆς διπλῆς ἀμαθίας, μήπω δὲ ἐπὶ ἁπλῆν ἀμαθίαν ἐλθών,

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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als er in der Metaphysik über diesen [Begriff] dialektisch erörterte,1043 dass, das auf gute Weise zweideutig ist – das eine wird an einem Feldherren [betrachtet], 15 das andere an einem Heer – und das, [was auf gute Weise] an dem Feldherren ist, die Ursache dessen ist, [das auf gute Weise] am Heer ist. Somit wurde das, [das] auf gute Weise [ist], zu dem Schönen zusammengeschlossen, denn das Schöne ist mit der Vernunft verwandt.1044 Wenn er nämlich ein Argument über das Gute erstellt hätte, hätte er nicht das, [was] auf gute Weise [ist], [als Ausgangspunkt] übernommen, da das Erste über diesem steht. Dagegen ist die zweite [Frage]1045 nicht das Gleiche, denn auf gute Weise zu handeln ist etwas Anderes im 20 Vergleich dazu, glücklich zu sein. Denn das ist zwar im Einklang mit den selbstbewegenden [Wesen] (gemäß der Tugend zu leben ist eine Eigenschaft der 123 Selbstbewegung), glücklich zu sein hingegen erreicht uns von oben1046, wenn wir gemäß der Tugend leben. Denjenigen nämlich, die sich als dazu geeignet erweisen, steht die Erleuchtung aus dem Göttlichen1047 zur Seite, die zugleich die Glückseligkeit ist, und in diesem Fall ist eine derartige Bewegung von außen besser als die Selbstbewegung. Denn es ist überlegener, vom Göttlichen geführt zu werden, als von sich selbst.1048 5 Nachfolgend knüpft er die zwei Prämissen, von denen eine deduktiv und die andere induktiv ist, an den vorher erwähnten an und bringt auf diese Weise zusammen, was [am Anfang] vorgelegt war. Induktiv ist zwar, dass, wer gute Handlungen vornimmt, auch nützliche Handlungen vornimmt (denn das Gute und das Nützliche sind das Gleiche). Dagegen ist es deduktiv, dass, wer gerechte Handlungen vornimmt, dadurch auch ehrenhafte Handlungen vornimmt (denn Alkibiades war einverstanden mit [derAussage]: „Alles Gerechte ist ehrenhaft“). 10 Daraus zieht er [sc. Sokrates] die Schlussfolgerung: „Demnach ist auch alles Gerechte nützlich“.1049 Ferner kehrt er eine der Prämissen um,1050 die im mittleren Abschnitt der Argumentation geäußert wurden, indem er sagt: „Und wer auf gute Weise handelt, nimmt schöne Handlungen vor“. Das macht er, indem er darauf hinweist, dass alle Prämissen miteinander austauschbar sind und aus diesem Grund, auch die Konklusion [in sich austauschbar ist]. Denn er nahm sich in der 15 Tat vor, aufzuzeigen, dass nicht nur alles Gerechte nützlich ist, sondern auch alles Nützliche gerecht, damit diese gegenseitige Entsprechung folgt: „Das nützliche ist gut. Das Gute bringt Glückseligkeit. Was die Glückseligkeit bringt, begründet das gute Handeln. Ein solches [Handeln] ist, schöne Handlungen vorzunehmen. Ein derartiges [Handeln] ist die Gerechtigkeit. Also ist das Nützliche gerecht.“ Nachdem also die sokratische Argumentation auf diese Weise vorangeschrit- 20 ten war und Alkibiades von doppelter Ungebildetheit befreit wurde, dennoch noch nicht in die einfache Ungebildetheit gelangt war, sondern im Zwischen-

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ἀλλ’ ἐν μεθορίῳ διπλῆς ἀμαθίας ὢν καὶ ἁπλῆς, ὁμολογεῖ μὴ εἰδέναι ποίοις συγκαταθέσθαι, εἴτε τούτοις εἴτε ἐκείνοις. φησὶ γὰρ ‘ ο ὐ κ ο ἶ δ α ὅ τι λέγω· ποτὲ μὲν γὰρ ἕτερά μοι δοκεῖ, ποτὲ δὲ ἄ λ λ α ’ · μέσον δέ ἐστι τοῦτο ἁπλῆς ἀγνοίας (τουτέστι τοῦ εἰδέναι ὅτι οὐκ οἶδεν) καὶ διπλῆς (τουτέστι τοῦ οἴεσθαι βεβαίως ὅτι οἶδε), τὸ ποτὲ μὲν οἴεσθαι, ποτὲ δὲ μὴ οἴεσθαι, ὥσπερ ἡ δόξα μέση ἐστὶ διπλῆς ἀγνοίας καὶ ἐπιστήμης. ἐκείνων γὰρ ἐκ διαμέτρου ἀντικειμένων ἀλλήλοις ὁ δοξαστικὸς εἰδὼς μὲν τὸ ὅτι, ἀγνοῶν δὲ τὴν αἰτίαν, ἐν μεθορίῳ πώς ἐστι. | διὸ καὶ ἐλέγετο ὅτι οὐδὲν διαφέρει τοῦ ἐπιστήμονος, εἰ μὴ τῇ αἰτίᾳ· πάντα γὰρ τὰ αὐτὰ ποιεῖ, ὥσπερ ὁ ἐμπειρικὸς ἰατρὸς τὰ αὐτὰ ποιεῖ τῷ λογικῷ ἰατρῷ. Ἐφ’ οἷς βουλόμενος ὁ Σωκράτης τελείως ἀπαλλαγῆναι τὸν Ἀλκιβιάδην τῆς διπλῆς ἀγνοίας κατατρέχει ταύτης καὶ ἐκτραγῳδεῖ αὐτήν, λέγων αὐτὴν πλάνης αἰτίαν, ἁμαρτάδος αἰτίαν, αἰσχιστοτάτην. α ἰ σ χ ί σ τ η μὲν γὰρ ἡ ἁπλῆ ἄγνοια, α ἰ σ χ ι σ τ ο τ ά τ η δὲ αὕτη ἢ ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η . ἐκείνῃ γὰρ ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η , πλάνης μὲν γὰρ αἰτία· διότι οὔτε ὁ εἰδὼς τὴν ὁδὸν πλανᾶται οὔτε ὁ μὴ εἰδὼς γινώσκων ὅτι οὐκ οἶδεν· οὗτος γὰρ οὐδὲ ἐπιχειρήσοι πορεύεσθαι ταύτην, ἀλλ’ ὁ μὴ εἰδώς, οἰόμενος δὲ εἰδέναι. οὗτος δὲ καὶ ἁμαρτημάτων ἐστὶν αἴτιος· ἐπιχειρεῖ γὰρ καὶ ἄλλους διδάσκειν ἃ μὴ οἶδε καὶ μοχθηρὰς δόξας ἐντίθησιν αὐτοῖς. ‘ α ἰ σ χ ι σ τ ο τ ά τ η ν ’ δέ φησιν αὐτήν, διότι καὶ ἡ ἁπλῆ ἄγνοια αἰσχίστη ὡς ἄγνοια οὖσα. ἡ γὰρ ἄγνοια αἶσχος ποιεῖ τῇ ψυχῇ· ἄλλο δὲ αἶσχος καὶ ἄλλο νόσος. τὸ μὲν γὰρ αἶσχος ἐν τῷ λόγῳ μόνῳ θεωρεῖται, ἡ δὲ πονηρία νόσος οὖσα τῆς ψυχῆς οὐκ ἐν ἑνὶ μορίῳ μόνῳ, οἶον ἐν τῷ λόγῳ (οὐ γὰρ ἐν ἑνὶ ἡ νόσος, ὥς φησιν ὁ Ἱπποκράτης· ‘ ε ἰ γ ὰ ρ ἓ ν ἦ ν ὁ ἄ ν θ ρ ω π ο ς , ο ὐ κ ἂ ν ἤ λ γ ε ε ν ’ ), ἀλλ’ ἐν τῇ διαμάχῃ τῶν μορίων τῆς ψυχῆς. αὕτη | δὲ α ἰ σ χ ι σ τ ο τ ά τ η ὡς διπλῇ ἀγνοοῦσα καὶ ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η , διότι ὀνειδίζομεν οὐ

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bereich zwischen der doppelten und einfachen Ungebildetheit ist, stimmt er zu, dass es ihm nicht bewusst ist, welche Art [Argumente] er gebilligt hat, weder diese noch jene [vorherige Argumente]. Darauf sagt er nun: „I c h w e i ß nicht, was ich sage. Mal scheinen mir diese Dinge [wahr z u s e i n ] , m a l a n d e r e . “1051 Dieses ist dann die Mitte zwischen der 25 einfachen Unwissenheit (das heißt, zu wissen, dass man nicht weiß) und der doppelten (das ist, unerschüttert zu glauben, dass man es weiß), mal zu glauben, mal nicht zu glauben [,dass man weiß], wie die Meinung in der Mitte zwischen der doppelten Unwissenheit und der fundierten Erkenntnis ist.1052 Denn derjenige, der glaubt, dass er einerseits weiß, andererseits unwissend um die Ursache ist, ist in einer Art Zwischenbereich jener entgegengesetzter Begriffe.1053 Daher wurde es auch gesagt, dass sich der Sachkundige [von dem 124 Unwissenden] durch nichts anderes unterscheidet als durch die [Erkenntnis der] Ursache. Denn alle nehmen dieselben Handlungen vor, genauso wie der Arzt mit praktischer Erfahrung die gleichen [Handlungen] vornimmt wie der Arzt mit theoretischer Kenntnis.1054 Als Nächstes greift Sokrates in der Absicht, Alkibiades endgültig von der doppelten Unwissenheit zu befreien, diese [Unwissenheit] an und stellt es 5 dramatisierend dar, indem er sagt, dass diese der Grund der Verwirrung, der Grund der Verfehlung und das Hässlichste [von allem] ist.1055 Denn die einfache Unwissenheit ist ä u ß e r s t h ä s s l i c h , diese [doppelte Unwissenheit] dagegen ist das H ä s s l i c h s t e [von allem] und das S c h m ä h l i c h s t e . Das S c h m ä h l i c h s t e ist es nämlich, denn es ist der Grund unserer Verwirrung. Das ist deshalb, weil weder derjenige, der den Weg kennt, in Verwirrung gerät, noch derjenige, der nicht kennt und erkennt, dass er nicht kennt. Denn dieser 10 würde nicht versuchen, diesen [Weg] voranzuschreiten, sondern derjenige, der glaubt es zu kennen, obwohl er nicht kennt. Dieser ist nämlich schuld für die Verfehlungen. Denn er versucht, andere zu lehren, was er nicht weiß und pflanzt ihnen schädliche Meinungen ein. Er sagt also, deshalb ist es „d a s H ä s s l i c h s t e “, weil die einfache Unwissenheit äußerst hässlich ist, da es [eine Art] Unwissenheit ist. Denn die Unwissenheit bringt der Seele Hässlichkeit.1056 Aber 15 die Hässlichkeit ist eine Sache, eine andere ist die Krankheit.1057 Die Hässlichkeit wird nur an der Vernunft sichtbar, die Verderbtheit1058 aber, da es eine Krankheit der Seele ist, [wird] nicht nur an einem Teil [der Seele sichtbar], wie an der Vernunft (denn die Krankheit [befindet sich] nicht [nur] in einem Teil, wie Hippokrates sagt: „w e n n n u n d e r M e n s c h e i n t e i l i g w ä r e , w ü r d e e r k e i n e S c h m e r z e n l e i d e n “1059), sondern im Streit zwischen den Teilen der Seele. Diese ist d a s H ä s s l i c h s t e , da es doppelte Unwissenheit 125 ist, und d a s S c h m ä h l i c h s t e , da wir nicht diejenigen schmähen, die [die Erkenntnis] nicht besitzen, sondern diejenigen, die es besitzen, aber nicht

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C. Text und Übersetzung

τοὺς μὴ ἔχοντας, ἀλλὰ τοὺς ἔχοντας καὶ μὴ χρωμένους ἢ τοὺς κακῶς χρωμένους. οὕτως καὶ ἡ ἁπλῆ ἀμαθία ἐ π ο ν ε ί δ ι σ τ ό ς ἐστι, διότι ὁ ἔχων ταύτην ἔχων τοὺς λόγους συνουσιωμένους οὐ χρῆται αὐτοῖς· ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ό τ α τ ο ς δὲ ὁ καὶ ἔχων καὶ κακῶς τούτοις χρώμενος, ὡς ἐπὶ διπλῆς ἀμαθίας. ‘ κ α κ ο υ ρ γ ο τ ά τ η ’ δέ ἐστι, διότι σπουδάζει παραλογίζεσθαι καὶ πείθειν περὶ ὧν οὐκ οἶδεν. καὶ ἐξέπεσεν ὁ ἔχων ταύτην καὶ ψυχῆς καὶ νοῦ καὶ θεοῦ. ὡς μὲν γὰρ διπλῇ ἀμαθαίνων, ψυχῆς, ἧς οἰκεία ἡ γνῶσίς ἐστιν· ὡς δὲ α ἴ σ χ ι σ τ ο ς , νοῦ ἐξέπεσεν, ὡς μὴ δυνάμενος ἐπιστρέψαι πρὸς ἑαυτόν, ὃ ἴδιον νοῦ, καὶ ὅτι οἰκεῖον τὸ καλὸν τῷ νῷ· ἐξέπεσεν οὖν αὐτοῦ ὡς αἴσχιστος· ὡς δὲ κ α κ ο υ ρ γ ο τ ά τ η καὶ ἐ π ο ν ε ί δ ι σ τ ο ς ἐξέπεσε θεοῦ, ᾧ οἰκεία ἡ ἁπλότης, ἐξ οὗ ἐφήκει καὶ τὸ εὖ. τὸ γὰρ ‘εὖ’ πρόσρημά ἐστιν ἁπλότητος, διὸ καὶ τοὺς ἁπλοῦς τοὺς τρόπους εὐήθεις φαμέν. ‘καὶ πῶς συμβουλεύσεις, ὦ Ἀλκιβιάδη, φιλότιμος θέλων εἶναι, ἐ π ο ν ε ί δ ι σ τ ο ς ὤν; καὶ κάλλιστος θέλων εἶναι, α ἴ σ χ ι σ τ ο ς ὤν; τὸ συμφέρον θέλων εἰδέναι καὶ συμβουλεύειν, κ α κ ο υ ρ γ ό τ α τ ο ς ὤν;’ ἰστέον δὲ ὡς ἐπονειδιστότατος ἐξέπεσεν θεοῦ καὶ ὡς μακαρίου· ‘μακάριος’ γὰρ εἴρηται οὗ κῆρες οὐκ ἐφάπτονται, διὸ καὶ ἀντίκειται τῷ μακαρίῳ τὸ ἐπονείδιστον ἐν τῷ ‘ὁ γὰρ μ ακ άριο ς , κοὐ κ ὀ νε ι δί ζω τ ύ χα ς ’.

ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

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116B Ἔτι τοίνυν καὶ ὧδε σκέψαι: διὰ τοῦ ‘ ἔ τ ι ’ ἐδήλωσεν ὅτι τὸ αὐτὸ βούλεται κατα|σκευάσαι καὶ διὰ ἄλλου λόγου. πάλαι μὲν γὰρ διὰ τῶν καθ’ ἕκαστα τοῦτο κατεσκεύασεν, νῦν δὲ διὰ τῶν καθόλου προτάσεων. Ὅστις καλῶς, οὐκ εὖ πράττει; τὴν πρώτην πρότασίν φησιν, ὅτι ὁ τὰ καλὰ πράττων εὖ πράττει. οὐκ ἐπειδὴ δὲ ταὐτὸν εἶναί φησι δίκαιον καὶ συμφέρον διὰ μέσου τοῦ καλοῦ, ἤδη τὰ αὐτὰ ἄντικρυς βούλεται εἶναι (ἄλλη γὰρ φύσις τοῦ ἀγαθοῦ καὶ ἄλλη τοῦ καλοῦ· καὶ γὰρ καὶ ἄνωθεν ἐπαναβέβηκεν τὸ ἀγαθὸν τοῦ καλοῦ καὶ κάτωθεν διὰ τὴν ὕλην

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

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benutzen oder auf schlechte Weise einsetzen. Auf diese Weise ist auch die einfache Ungebildetheit s c h m ä h l i c h , da derjenige, der diese hat, obwohl er die Prinzipien in seiner Wesenheit besitzt, von diesen keinen Gebrauch macht. Er ist auch d e r S c h m ä h l i c h s t e , wer sowohl diese [Prinzipien] hat, als auch auf schlechte Weise benutzt, wie bei der doppelten Unwissenheit. Diese ist auch „S c h ä d l i c h s t e “, da sie sich bemüht, falsche Schlüsse zu ziehen und davon zu überzeugen, was sie nicht weiß. Und wer diese [doppelte Unwissenheit] hat, ist sowohl von Seele als auch von Vernunft wie auch von Gott abgewichen.1060 Da er nämlich doppelt ungebildet ist, [ist] er von Seele [abgewichen], da diese der Sitz der Erkenntnis ist. Da er ä u ß e r s t h ä s s l i c h ist, ist er von Vernunft abgewichen, indem er nicht dazu fähig ist, sich auf sich selbst zurückzuwenden, was die Eigenschaft der Vernunft [ist]1061 und weil das Schöne seinen Sitz in der Vernunft hat. Er ist dann von [Vernunft] als der Hässlichste abgewichen. Als d a s S c h ä d l i c h s t e und d a s S c h m ä h l i c h e ist [die doppelte Unwissenheit] von Gott abgewichen, zu dem die Einfachheit eigen ist1062, aus dem auch das, [was] auf gute Weise [ist], hervorgeht. Denn das „auf gute Weise“ ist eine Bezeichnung der Einfachheit, deshalb nennen wir auch die einfachen Arten und Weisen die gutmütigen. „Und wie wirst du beraten, Alkibiades, da du einen guten Ruf haben willst, wobei du s c h m ä h l i c h bist? Und da du der Schönste sein willst, wobei du der H ä s s l i c h s t e bist? Da du das Nützliche wissen und darüber Rat geben willst, wobei du der S c h ä d l i c h s t e bist?“ Man muss nämlich wissen, dass er als der Schmählichste von Gott abwich, der auch selig ist. Denn „selig“ sagt man über denjenigen, den die Keren1063 nicht erfassen, daher auch steht das Schmähliche gegenüber dem Seligen in dem [Vers]:

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„D e r s e l i g e , n i e v o n m i r g e s c h m ä h t e F ü r s t “.1064

Das hat die Theorie. 116B Jetzt aber betrachte es auch noch so: Durch die [Aussage] „a u c h n o c h “ verdeutlichte er, dass er die gleiche [Konklusion] erstellen will, aber 126 durch eine andere Argumentation. Denn vorher erstellte er diese zwar durch die spezifischen [Prämissen], jetzt aber durch universelle Prämissen. Wer schön [handelt], handelt der nicht gut?1065: Er äußert die erste Prämisse, nämlich wer schöne Handlungen vornimmt, der gut handelt. Weil er sagt, dass das Gerechte und das Nützliche durch ihren mittleren [Begriff] das Schöne das Gleiche sind, meint er damit nicht, dass sie auch unmittelbar gleich 5 sind (Die Natur des Guten ist anders, die [Natur] des Schönen ist anders: Selbstverständlich ist das Gute über das Schöne hinausgegangen beim Abstieg [der Seele] und beim Aufstieg1066 aufgrund der Materie, die hässlich ist, aber

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C. Text und Übersetzung

αἰσχρὰν οὖσαν, μετασχοῦσαν δὲ τοῦ ἀγαθοῦ), ἀλλ’ ὅτι ὡς ἐν ἀνθρώπῳ ἀντιστρέφουσιν· τῷ γὰρ ὑποκειμένῳ ἀντιστρέφουσιν. ὥσπερ γάρ φαμεν τὸν ἄνθρωπον μηδὲν διαφέρειν τοῦ γελαστικοῦ, οὐχ ὅτι τὸ αὐτό ἐστιν, ἀλλ’ ὅτι οὐδὲν ἐκπέφευγεν τὸ ὑποκείμενον τοῦ ἀνθρώπου οὗ τὸ γελαστικὸν μὴ κατηγορῆται, οὕτως καὶ ταῦτα ὡς ἐν ἀνθρώπῳ ἀντιστρέφει. καὶ ὅτι τὸ ἐν ἀνθρώπῳ δίκαιον λαμβάνει καὶ ἀγαθόν, δῆλον, εἴγε καὶ ἀνωτέρω ἔλεγεν περὶ ἀνδρείας, ὅτι αὕτη ἀγαθόν· καὶ ἐνταῦθα δέ φησιν ὅτι οἱ τὰ καλὰ πράττοντες εὖ πράττουσιν καὶ διὰ τοῦτο εὐδαίμονες καὶ διὰ τοῦτο ἀγαθὰ πράττουσι, τὸ δὲ πράττειν ψυχῶν ἐστὶ καὶ τὸ εὐδαιμονεῖν καὶ τὸ εὖ πράττειν· καὶ ὅτι ἐν τῇ λέξει φησὶν ‘ ἔ κ γ ε τ ο ύ τ ο υ τ ο ῦ λ ό γ ο υ ταὐτόν ἐστι καλὸν καὶ ἀγαθόν’, ἀντὶ τοῦ ‘κατὰ τὸ ὑποκείμενον τὰ αὐτά ἐστι τῷ μηδὲν ἐκφεύγειν τὸ ὑποκείμενον’. καὶ οὕτω μὲν ὁ φιλόσοφος Πρόκλος· ὁ δέ γε Δαμάσκιος καὶ ἄλλως αὐτὸ ἐξηγεῖται, ὅτι οὐδὲ εἰ κατὰ τὸ ὑποκείμενον ταὐτά ἐστι τὸ καλὸν καὶ τὸ δίκαιον καὶ συμφέρον, ἤδη καὶ κατὰ τὴν ἰδιότητα τὰ αὐτά ἐστιν, ἀλλὰ μείναντα ἀσύγχυτα κατὰ τὴν ἰδιότητα ἑαυτῶν ἀντιστρέφουσι, καὶ ᾗ ἀντιστρέφουσι λέγονται τὰ αὐτὰ εἶναι. ὥσπερ γὰρ αἱ ἀρεταὶ ἀσύγχυτον φυλάξασαι τὴν ἰδιότητα ἑαυτῶν ἀντιστρέφουσιν· οὐ γὰρ ἐπειδὴ ἀντιστρέφουσιν αἱ αὐταί εἰσιν, οὐδὲ ἐπειδὴ ἀντιστρέφει τὸ γελαστικὸν τῷ ἀνθρώπῳ τὸ αὐτό ἐστιν, ἀλλὰ ἀντιστρέψαν ἔμεινεν ἑκάτερον κατὰ τὴν οἰκείαν ἰδιότητα· οὕτως οὐδὲ τὸ ἀγαθὸν καὶ τὸ κα|λὸν ταὐτά ἐστιν, εἰ καὶ ἀντιστρέφει. διὸ καὶ ἡ λέξις φησὶν ‘πᾶν ὃ ἂν εἴη τοιοῦτον’, ἀντὶ τοῦ ‘τὰ αὐτὰ ὄντα κατὰ τὸ ὑποκείμενον διαφέρει κατὰ τὴν ἰδιότητα’. Οἱ δὲ εὖ πράττοντες οὐκ εὐδαίμονες; ἡ δευτέρα πρότασις· καὶ εἴρηνται αἱ ἀπορίαι αἱ πρὸς ταύτην καὶ αἱ λύσεις. Κτῶνται δὲ ταῦτα τῷ εὖ καὶ καλῶς πράττειν; συνέχεεν αὐτά, τὸ εὖ πράττειν καὶ καλῶς πράττειν· τοῦτο δὲ οὐ μάτην, ἀλλ’ ὅτι μέσον ἐστὶ τὸ εὖ τοῦ καλοῦ καὶ τοῦ ἀγαθοῦ καὶ ἐφήκει ἀπὸ τοῦ ἀγαθοῦ ἐπὶ τὸ

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einen Teil von dem Guten besitzt1067), sondern dass sie als [Eigenschaften] am menschlichen Wesen miteinander austauschbar sind. Denn sie sind miteinander austauschbar durch ihr Zugrundeliegendes.1068 Genauso wie wir sagen, dass der Mensch keinen Unterschied zum lachfähigen [Wesen] hat, nicht deshalb, weil 10 sie das Gleiche sind, sondern deshalb, weil das Zugrundeliegende des Menschen keinen Fall zuließ, von dem das lachfähige Wesen nicht ausgesagt werden kann;1069 daher sind diese [Begriffe] als menschliche Eigenschaften miteinander austauschbar. Ferner, dass, das Gerechte an dem Menschen auch das Gute umfasst, [ist] deutlich, wenn [er] nämlich auch oben über die Tapferkeit sagte, dass es gut ist.1070 Auch hier aber sagt er, dass diejenigen, die schöne Handlungen 15 vornehmen, gut handeln und deshalb glücklich sind und daher sie gute Handlungen vornehmen; das Handeln gehört nämlich den Seelen, sowie glücklich zu sein und gut zu handeln. Auch wie er in [diesem] Textabschnitt sagt: „A u s g e h e n d v o n d i e s e r A r g u m e n t a t i o n 1071 ist das Schöne und das Gute das Gleiche“, in dem Sinne wie: „Gemäß dem Zugrundeliegenden sind sie das Gleiche, weil dem Zugrundeliegenden nichts entgeht“.1072 So ist nämlich [die Ansicht des] Philosophen Proklos.1073 Damaskios dagegen legt es 20 anders aus, und zwar: Wenn das Schöne, das Gerechte und das Nützliche gemäß ihrem Zugrundeliegenden das Gleiche sind, sind sie deswegen nicht gemäß ihrer speziellen Eigenschaft gleich, sondern sind sie miteinander austauschbar, wobei sie gemäß ihrer speziellen Eigenschaft [voneinander] abgegrenzt bleiben, und insofern sie miteinander austauschbar sind, werden sie als das Gleiche bezeichnet. [Das sei] nämlich genau wie dieTugenden [miteinander] austauschbar sind, wobei sie ihre spezielle Eigenschaft abgegrenzt [voneinander] behal- 25 ten. Denn weder sind sie gleiche [Tugenden]1074, weil sie [miteinander] austauschbar sind; noch ist das Lachfähige das Gleiche wie das menschliche Wesen, nur weil es damit austauschbar ist; sondern obwohl sie [miteinander] ausgetauscht sind, bleibt [ jedes von diesen] bei seiner speziellen Eigenschaft. Auf diese Weise sind auch das Gute und das Schöne nicht das Gleiche, auch 127 wenn sie [miteinander] austauschbar sind. Daher sagt der Text: „Alles, was eine solche Beschaffenheit hat“, in dem Sinne wie: „Die gemäß ihren speziellen Eigenschaften sich voneinander unterscheiden, obwohl sie gemäß ihrem Zugrundeliegenden gleich sind.“1075 Und sind die, die gut handeln1076, nicht glücklich? Die zweite Prämisse. Bereits wurden sowohl die Aporien1077, die diese [Prämisse] betreffen, als auch 5 ihre Lösungen erwähnt. Und sie erwerben diese durch gutes und schönes Handeln? Er vermengte diese Begriffe, das gute Handeln und das schöne Handeln. Das ist nicht unbegründet, sondern weil das, [was] auf gute Weise [ist], die Mitte [zwischen] dem Schönen und dem Guten ist und das, [was] auf gute Weise [ist], ausgehend

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C. Text und Übersetzung

καλὸν τὸ εὖ, καὶ δεσμός ἐστι. διὸ καὶ δέον ἐν τῷ συμπεράσματι εἰπεῖν ‘ὁ ἄρα καλῶς πράττων ἀγαθὰ πράττει’, φησὶν ἀντὶ τούτου ‘ τ ὸ ε ὖ ἄ ρ α π ρ ά τ τ ε ι ν ἀ γ α θ ό ν ἐ σ τ ι ν ’ ὡς πάντα ταῦτα εἰδώς. Οὐκοῦν καλὸν ἡ εὐπραγία; ἰδοὺ ἐνταῦθα ἀντιστρέφει μίαν πρότασιν ἔννοιαν ἡμῖν διδοὺς καὶ τὰς ἄλλας ἀντιστρέφειν καὶ διὰ τοῦτο πᾶν συμφέρον εἶναι· τοῦτο γὰρ προέκειτο δεῖξαι. ἀντέστρεψε γὰρ εἰπὼν ‘ἡ εὐπραγία καλόν ἐστι’. 116C Ταὐτὸν ἄρα ἐφάνη ἡμῖν πάλιν: οὐ μάτην τὸ ‘ π ά λ ι ν ’ , ἀλλ’ ὅτι δέδεικται τοῦτο ἤδη καὶ διὰ τῶν καθ’ ἕκαστα συλλογισμῶν, νῦν δὲ διὰ τῆς καθόλου προτάσεως. Ὅ τι οὖν ἂν εὕρωμεν καλόν, καὶ ἀγαθὸν εὑρήσομεν ἔκ γε τούτου τοῦ λόγου: ἰδοὺ πῶς συμφώνως ἐξηγήσατο ὁ φιλόσοφος Πρόκλος. φησὶ γὰρ ὅτι ‘πᾶν ὃ ἂν εὕρωμεν καλόν, καὶ ἀγαθὸν εὑρήσομεν’ ἀντὶ τοῦ ὅτι ‘ἀντιστρέφει διὰ τὸ ὑποκείμενον’. οὐδὲ γὰρ ἐκφεύγει τι τοῦ ὑποκειμένου τῇ δικαιοσύνῃ ᾧ μὴ ὑπάρχῃ τὸ ἀγαθόν. χάρις γὰρ τῷ φιλοσόφῳ οὕτω ταῦτα ἐξηγησαμένῳ. Τί δέ; τὰ ἀγαθὰ συμφέροντα; ἐντεῦθεν προστίθησι τὰς ἄλλας δύο προτάσεις· πρώτην μὲν τὴν κάτωθεν, ὅτι ‘τὰ ἀγαθὰ συμφέρει’, ὕστερον δὲ τὴν ἄνωθεν, ὅτι ‘τὰ δίκαια ὡμολόγησας καλὰ εἶναι’. καὶ διὰ τοῦτο πᾶν | δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν. 116D Τὰ δίκαια ἄρα, ὦ Ἀλκιβιάδη, συμφέροντά ἐστιν: ὅτε ἐπήγαγεν τὸ συμπέρασμα, εἰκότως καὶ τοῦ ὀνόματος ἐμνήσθη τοῦ Ἀλκιβιάδου, ἵνα τὸ προσεκτικὸν αὐτοῦ διεγείρῃ καὶ δείξῃ ὅτι αὐτός ἐστιν ὁ ταῦτα δούς, καὶ οὐ Σωκράτης. Τί οὖν; ταῦτα οὐ σὺ ὁ λέγων: ‘τίς οὖν’, φησίν, ‘ἀπεκρίθη ταῦτα καὶ δέδωκεν; ἆρα οὐ σὺ ὁ ἀποκρινόμενος;’ διότι, ὡς εἴρηται πολλάκις, ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων καὶ οὐχ ὁ ἐρωτῶν. Εἰ οὖν τις ἀνίσταται συμβουλεύσων: εἰ μὲν ἦν ἄλλος συγγραφεὺς ὁ ταῦτα λέγων, καὶ οὐ Σωκράτης, πάντως ἂν φορτικὰ ῥήματα ἔλεγεν ἂν πρὸς τὸν Ἀλκιβιάδην μετὰ τὸν ἔλεγχον, ὅτι ‘καὶ πῶς ἐπαγγέλλῃ συμβουλεύειν περὶ ὧν οὐκ οἶδας;’ ἀλλ’ ἐπεὶ Σωκράτης ἐστὶν ὁ λέγων, φησὶν πρὸς αὐτὸν ὅτι ‘ἆρα οὖν εἰ ἀνέστη τις συμβουλεύσων περὶ ὧν οὐκ οἶδεν, οὐκ ἂν σὺ παρεστὼς κατεγέλας ἂν αὐτοῦ;’ καὶ κατέστησε

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von dem Guten in das Schöne erreicht und eine Bindung [zwischen diesen] ist.1078 Deswegen, obwohl man in der Konklusion sagen sollte: „Also wer schön 10 handelt, nimmt gute Handlungen vor“, sagt er stattdessen: „A l s o a u f g u t e W e i s e z u h a n d e l n i s t g u t “, da er das alles wusste. Ist die gute Handlungsweise nicht schön? Siehe, dass er hier eine Prämisse umkehrt und dabei uns die Idee gibt, dass auch die andere [Prämissen] umgekehrt werden können und dadurch alles Nützliche gerecht ist. Denn das aufzuzeigen war die Aufgabe. Er machte wohl die Umkehrung, indem er sagte 15 „die gute Handlungsweise ist schön“. 116C Dasselbe schien uns also wieder1079: Nicht ohne Grund [sagt er] „w i e d e r “, sondern weil das bereits gezeigt wurde, sowohl durch die auf spezifischen [Begriffen beruhende] Syllogismen, als auch jetzt durch diese universelle Prämisse. Was auch immer wir schön finden, werden wir es auch gut finden, jedenfalls ausgehend von dieser Argumentation: Siehe, wie übereinstim- 20 mend der Philosoph Proklos [das] ausgelegt hat.1080 Er sagt nämlich: „Alles was wir schön finden, werden wir auch gut finden“, das bedeutet: „sie sind durch ihr Zugrundeliegendes [miteinander] austauschbar“. Denn entgeht keine Eigenschaft dem Zugrundeliegenden der Gerechtigkeit, sodass bei ihr das Gute nicht besteht.1081 Unser Dank gilt dem Philosophen [Proklos], der diese [Aussagen] auf diese Weise ausgelegt hat. Wie aber? Sind gute [Handlungen] nützlich?1082: Ab hier fügt er die 25 andere zwei Prämissen hinzu. Zuerst die induktive, dass „die guten Handlungen nützen“, danach die deduktive: „Du stimmtest zu, dass die gerechten Handlungen schön sind.“ Auch aus diesem Grund ist alles Gerechte nützlich und 128 umgekehrt. 116D Die gerechten Handlungen, Alkibiades, sind also nützlich: Da er [hier] die Konklusion einführt, passend dazu erwähnt er auch den Namen des Alkibiades, um seine Aufmerksamkeit zu wecken und zu zeigen, dass er derjenige ist, der diese [Argumente] angibt, und nicht Sokrates. 5 Was sonst? Bist du nicht derjenige, der diese behauptet?1083 „Wer sonst?“, sagt er, „hat diese [Argumente] als Antwort geäußert und angegeben? Bist du etwa nicht der, der antwortet?“ Deshalb ist, wie öfters gesagt wurde, der Antwortgeber derjenige, der etwas behauptet, und nicht der Fragesteller. Wenn nun jemand aufsteht, um zu beraten1084: Wenn es ein anderer Verfasser wäre, der diese sagt statt Sokrates, hätte er nach der Widerlegung 10 ausschließlich gemeine Sprache gegenüber Alkibiades benutzt, nämlich „Wie verkündest du denn darüber beraten zu können, was du nicht weißt?“ Da es aber Sokrates ist, der spricht, sagt er ihm: „Gewiss nun, wenn jemand aufstehen würde, um darüber Rat zu geben, was er nicht weiß, würdest du dich nicht etwa

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C. Text und Übersetzung

τὸν γελώμενον γελῶντα ἄλλους. οὗτος γὰρ καρπὸς τῆς συνουσίας Σωκράτους, τὸ καταστῆσαι ἀντὶ γελῶντος γελώμενον. Τὸ δὲ ‘εἴτε Πεπαρηθίοις’, διότι ἡ Πεπάρηθος εὐτελὴς ἦν νῆσος· ἐνδεικνύμενος ἐντεῦθεν ὅτι οὐδὲν ὀνήσει τὸ κλεινὸν ὄνομα τῆς Ἀττικῆς πρὸς τὸ ποιῆσαι ἐπιστήμονα τῶν δικαίων τὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα περὶ ταῦτα. ‘ ε ἰ δ ό τ ο ς γ ὰ ρ π ε ρ ὶ ἕ κ α σ τ ο ν ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , ἀλλ’ οὐκ Ἀθηναίου’· προσφορώτερον γὰρ οὕτω λέγειν ἐνταῦθα. 116E Ἀλλὰ μὰ τοὺς θεούς, ὦ Σώκρατες: ἰδοὺ ἀπηλλάγη τῆς διπλῆς ἀμαθίας ὁ νέος | καὶ ἐν τῷ μεταξὺ ἐγένετο· φησὶν γὰρ ὅτι ‘ποτὲ μὲν δοκεῖ μοι ἄλλα, ἄλλοτε δὲ ἄλλα’. οὐκ ἄκαιρος δὲ ὁ ὅρκος, ἀλλὰ δηλοῖ ἐν ἀφασίᾳ αὐτὸν ὄντα· ἐπεὶ διὰ τί πάλαι οὐκ ὤμνυεν; διὸ καὶ ὁ Σωκράτης ἐπεγκαλούμενος αὐτὸν ‘ φ ί λ ο ν ’ ὀνομάζει, καὶ διότι ἕνα βαθμὸν ἀνῆλθεν· ἀπὸ γὰρ διπλῆς ἀγνοίας εἰς μέσην ἕξιν ἁπλῆς καὶ διπλῆς ἐνέπεσεν. Οἴει ἂν οὖν, εἴ τις ἐρωτῴη σε δύο ὀφθαλμοὺς ἔχεις ἢ τρεῖς: ἐντεῦθεν βούλεται δεῖξαι ὅτι διὰ τὴν ἄγνοιαν διαφωνεῖ ἑαυτῷ. καὶ κέχρηται πολλοῖς παραδείγμασιν οἰκείοις τῷ προκειμένῳ λέγων ὅτι ‘εἴ τις ἐρωτῴη σε εἰ δυνήσῃ ἀνελθεῖν εἰς τὸν οὐρανόν’· οἰκεῖον δέ πως τοῦτο διὰ Περικλέα οἰκεῖον ὄντα αὐτῷ, ὃς Ὀ λ ύ μ π ι ο ς ἐλέγετο. διὸ περὶ αὐτοῦ εἴρηται· ‘ἤστραπτεν, ἐβρόντα, συνεκύκα τὴν Ἑλλάδα’, καὶ ταῦτα οὐκ ἐπ’ ἀγαθοῖς πράγμασι σεμνυνόμενος, ἀλλ’ ἐπὶ χρήμασιν, ὡς ἡ ἐλευθέρα ἡμᾶς κωμῳδία ἐδίδαξεν· ὃς διὰ τὸ μὴ ποιῆσαι λόγους τῶν ἀνηλωμένων χρημάτων εἰς τὴν Φειδίου Ἀθηνᾶν ἐκίνησε τὸν Πελοποννησιακὸν πόλεμον. ‘πάλιν εἴ τίς σε ἐρωτήσῃ περὶ κυβερνητικῆς, ἀπεκρίνω ἂν αὐτῷ; ἢ περὶ ὀψοποιΐας; καίτοι ἐνταῦθα οὐ διαφωνεῖς σαυτῷ, διότι οἶδας ὅτι ἀγνοεῖς’. οἰκεῖα δὲ καὶ ταῦτα τὰ παραδείγματα· τὸ μὲν πρῶτον διότι δηλοῖ ὅτι δεῖ ἐξῃρῆσθαι τὸν πολιτικὸν τῶν ἐπιτροπευομένων· τὸ δὲ τοῦ κυβερνήτου διότι δεῖ, ὥσπερ ὁ κυβερνήτης

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über ihn lustig machen, wenn du dabei wärest?“1085 Damit hat er die Person, über den gelacht wird, [in die Lage] versetzt, über andere zu lachen. Das ist nämlich 15 der Nutzen des Umgangs mit Sokrates, den Lachenden [an die Stelle] des Belachten zu versetzen. Der Ausdruck „oder den Peparethiern“1086, da Peparethos eine unbedeutende Insel war. An dieser Stelle weist er daraufhin, dass der berühmte Name von Attika nichts nützen wird, um jemanden, der darüber zweifach ungebildet ist, sachkundig über diese [gerechten Handlungen] zu machen. „D e n n z u 20 jedem [Thema] Rat zu erteilen gehört demjenigen, der ü b e r d a s W i s s e n v e r f ü g t 1087, und nicht [irgendeinem] Athener.“ Es ist nämlich sehr angebracht, hier auf diese Weise zu sprechen. 116E Aber bei den Göttern, Sokrates: Siehe, wie der Jüngling von der doppelten Ungebildetheit befreit wird und sich in dem mittleren [Bereich] 129 befindet. Denn er sagt Folgendes: „Mal scheinen sie mir anders zu sein, ein andersmal wieder anders.“1088 Nicht unangebracht ist dieser Eid [bei den Göttern], sondern verdeutlicht, dass er sprachlos ist.1089 Übrigens, warum hat er früher nicht geschworen? Deshalb, weil Sokrates ihn „F r e u n d “ nennt, während er ihn zusätzlich anschuldigt und weil er [sc. Alkibiades] eine Stufe 5 hinaufstieg.1090 Denn er trat aus der doppelten Unwissenheit in den mittleren Bereich zwischen der einfachen und doppelten [Unwissenheit] ein. Stelle dir nun vor, dass jemand dich fragte, ob du zwei oder drei Augen hast: Ab hier möchte er aufzeigen, dass er [sc. Alkibiades] durch die Unwissenheit mit sich selbst in Widerspruch gerät. Dazu macht er von vielen Beispielen Gebrauch, die zu dem vorliegenden [Thema] geeignet sind, indem er sagt: „Wenn jemand dich fragte, ob du die Fähigkeit hast, zum Himmel 10 hinaufzusteigen.“1091 Diese [Aussage] war ihm auf irgendeine Weise geeignet, da er mit Perikles verwandt1092 war, der O l y m p i e r genannt wurde.1093 Deshalb wurde über ihn gesagt: „E r b l i t z t e , d o n n e r t e , u n d v e r s e t z t e G r i e c h e n l a n d i n A u f r u h r “1094

Aber er wurde nicht aufgrund [seiner] guten Taten auf diese Weise respektiert, sondern aufgrund des Geldes, wie die freimütige Komödie uns lehrte: Um über die verschwendeten Geldern für die Athene des Pheidias keine Rechenschaft ablegen zu müssen, verursachte er [sc. Perikles] den Peloponnesischen Krieg.1095 „Erneut, wenn jemand dich über Schifffahrtskunde fragte, würdest du ihm antworten? Oder über Kochkunst? Dennoch bist du darin nicht in Widerspruch mit dir selbst, da du einsiehst, dass du [diese Dinge] nicht erkennst.“ Geeignet [sind] auch diese Beispiele: Das erste einerseits1096, da es verdeutlicht, dass der Politiker über diejenigen herausragen muss, die unter seiner Obhut stehen. Das

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προνοεῖται τῆς νεώς, πρόνοιαν ποιεῖσθαι τῶν ἐπιτροπευομένων, εἰ καὶ ἐξῃρημένος εἴη· τὸ δὲ τρίτον, τὸ τοῦ ὀψοποιοῦ, διότι δεῖ τὸν πολιτικὸν προσηνῆ εἶναι κατὰ τοὺς λόγους τοῖς συμβουλευομένοις. εἰ μὴ γὰρ πεισθῶσιν οἱ συμβουλευόμενοι ὅτι ἐπ’ ὠφελείᾳ συμβουλεύει ὁ συμβουλεύων, οὐκ ἄν ποτε πεισθεῖεν αὐτῷ. διὰ γὰρ | τὸ προσηνὲς μόνον καὶ ὁ παρὰ τοῖς Ἕλλησι σύμβουλος ἤκουσε ‘τ οῦ καὶ ἀπὸ γλώσσης μέλιτος γλυκίων ῥέεν αὐδή’. ἐρωτᾷ δὲ οὐ τὸ ἐνδεχόμενον, ἀλλὰ τὸ ἀδύνατον. οὐ γὰρ ἠρώτησεν εἰ ‘δύο ἢ ἕνα ἔχεις;’ ἐπειδὴ τοῦτο ἐνδεχόμενον ἦν καὶ ἠδύνατο ποτὲ μὲν τόδε ἀποκρίνασθαι, ποτὲ δὲ τόδε· ἀλλ’ εἰ τρεῖς ἔχοι ὀφθαλμούς, ἢ δύο ἢ τέσσαρας χεῖρας.

117A Δέδοικα μὲν ἔγωγε ἤδη: φοβεῖται ὁ Ἀλκιβιάδης καὶ πρὸς τὰ οὕτω σαφῆ ἀποκρίνασθαι. τοῦτο δὲ ἐνδεικνυμένου ἐστὶν τὴν περιουσίαν τῆς διαλεκτικῆς δυνάμεως τοῦ Σωκράτους· ὡς γὰρ προπειραθεὶς ταύτης φοβεῖται ἀποκρίνασθαι. ‘ ἴ σ α σ ι γ ὰ ρ Ἀ ρ γ ε ί ω ν ο ἱ π ε π λ η γ μ έ ν ο ι ’ , τὸ δὴ λεγόμενον. 117B Ἀναγκαῖον περὶ τούτου πλανᾶσθαι τὴν ψυχήν: ἐντεῦθεν, ἐπειδὴ ὠφελήθη ὁ Ἀλκιβιάδης παχυμερῶς, καταδρομῇ κέχρηται ὁ Σωκράτης κατὰ τῆς διπλῆς ἀγνοίας καὶ λέγει πάντα ἐκεῖνα μικρὸν ὕστερον κατ’ αὐτῆς. 117D Ἐννοεῖς οὖν ὅτι καὶ τὰ ἁμαρτήματα ἐν τῇ πράξει διὰ ταύτην τὴν ἄγνοιάν ἐστιν; καλῶς τὸ | ‘ δ ι ὰ τ α ύ τ η ν τ ὴ ν ἄ γ ν ο ι α ν ’ , διότι τὰ ἐν λόγῳ ἁμαρτήματα διὰ τὴν ἄγνοιαν γίνεται· νῦν δὲ ἁμαρτήματα κατὰ γνῶσιν ἐξετάζομεν, ἔνθα λόγος ἐστὶ διπλῆς καὶ ἁπλῆς ἀγνοίας. ἔστι γὰρ καὶ ἄλλοθεν γίνεσθαι ἁμαρτήματα, οἶον διὰ βίαν· διττὰ γὰρ τὰ ἁμαρτήματα, ἢ διὰ ἄγνοιαν ἢ διὰ βίαν. ἐντεῦθεν δὲ δείκνυσιν ὅτι καὶ ἁμαρτημάτων αἰτία. οὐ γὰρ ἁμαρτάνουσιν οὔτε οἱ εἰδότες, διότι ἐπιτυγχάνουσιν, οὔτε οἱ ἁπλῇ ἀγνοοῦντες, διότι οὐκ ἐπιχειροῦσι ποιεῖν.

118A Καὶ ἡ ἐπονείδιστος ἀμαθία: τουτέστιν ὅτι καὶ ὡς ἐπονείδιστος τοῦ ἀγαθοῦ ἐξέπεσεν. ἀντίκειται γὰρ τῷ μακαρίῳ τὸ ἐπονείδιστον, τὸ δὲ μακάριον τοῖς θεοῖς πρέπει, παρ’ οἷς κῆρες οὔκ εἰσιν.

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[Beispiel] der Schifffahrtskunde andererseits, da [ein Politiker] für diejenigen unter seiner Obhut Vorsorge tragen muss, wie ein Steuermann für sein Schiff vorsorgt, auch wenn er sich in einem höheren Abstand befindet.1097 Das dritte [Beispiel] schließlich, das über die Kochkunst, da ein Politiker in Hinsicht seiner Argumente gegenüber denjenigen angenehm sein muss, die er berät. Wenn also die Beratenen nicht überzeugt sind, dass der Beratende zu ihrem Vorteil Rat gibt, 25 würden sie niemals von ihm überzeugt werden. Denn nur durch angenehm zu 130 sein stand der Berater [sc. Nestor] bei den Griechen im Ruf: „D e m a u c h v o n d e r Z u n g e s ü ß e r a l s H o n i g f l o s s d i e S t i m m e “1098

Er fragt dann nicht etwas, das [mehrere Antworten] ermöglicht, sondern etwas Unmögliches [nicht richtig zu antworten]. Denn er fragte nicht, ob „du zwei 5 oder ein [Auge] hast“, da diese [Frage] es ermöglichen würde, mal so, mal aber anders zu antworten. Stattdessen [fragt er], ob er drei Augen hat, oder zwei oder vier Hände.1099 117A Ich bin zwar schon voller Angst1100: Alkibiades fürchtet sich, auch gegen eine solche klare [Frage] zu antworten. Das ist jemandes [Verhalten], dem der Überfluss des dialektischen Vermögens1101 des Sokrates hingewiesen wurde. 10 Da er eine Vorerfahrung dieser [Kraft] gemacht hat, fürchtet er sich, zu antworten. „V o n d e n A r g e i e r n n ä m l i c h k e n n e n d i e j e n i g e n , d e n e n e s g e t r o f f e n h a t “1102, lautet bekanntlich ein Spruch. 117B Die Seele muss darüber notwendigerweise schwanken1103: Von hier an, da Alkibiades oberflächlich1104 unterstützt wurde, macht Sokrates von einem Angriff1105 gegen die doppelte Unwissenheit Gebrauch und äußert alle 15 jene [erwähnten Argumente] kurz darauf gegen diese [doppelte Unwissenheit]. 117D Verstehst du nun, dass auch die Verfehlungen beim Handeln durch diese Art von Unwissenheit geschehen1106: Zutreffend ist „d u r c h 131 d i e s e A r t d e r U n w i s s e n h e i t “, da die Verfehlungen im Denken durch die Unwissenheit zustande kommen. Nun aber überprüfen wir die Verfehlungen in Bezug auf die Erkenntnis, wo es von der doppelten und der einfachen Unwissenheit die Rede ist. Es gibt in der Tat Verfehlungen, die aus einer anderen [Quelle] stammen; wie durch Gewalt. Die Verfehlungen haben nämlich zwei 5 Arten: eine durch Unwissenheit, die andere durch Gewalt.1107 Ab hier demonstriert er auch die Ursache der Verfehlungen. Denn weder die Sachkundigen machen Fehler, da sie ihr Ziel erreichen; noch die einfach Unwissenden, da sie nicht versuchen, das zu tun. 118A Und eine schmähliche Ungebildetheit1108: Das bedeutet, dass es auch als etwas Schmähliches von dem Guten abgewichen war. Denn das Schmähliche steht im Gegensatz zu dem Seligen, das Selige aber ziemt den 10 Göttern, zu denen die Keren1109 nicht gehören.

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C. Text und Übersetzung

Τί οὖν; ἔχεις μεῖζον εἰπεῖν δικαίων τε καὶ καλῶν: ‘ μ έ γ ι σ τ α ’ λέγει τὰ δίκαια καὶ ἀγαθὰ καὶ συμφέροντα, διότι πάντες ἐκ παίδων ὡς ἀπὸ κοινῆς ἐννοίας ἐπιχειροῦσι τούτοις χρῆσθαι καὶ οὐχ ὥσπερ ἐπὶ τῶν ἄλλων τεχνῶν τινὲς ἀφωρισμένως ἔχουσι ταύτας· οἶόν τινες τῶν ἀνθρώπων καὶ οὐ πάντες χρῶνται γραμματικῇ ἢ φιλοσοφίᾳ, ἀλλὰ πάντες ἐπιχειροῦσι καὶ προτρέπειν καὶ ἀποτρέπειν καὶ ἐπαινεῖν καὶ ψέγειν καὶ κατηγορεῖν καὶ ἀπολογεῖσθαι, καὶ ἁπλῶς τοῖς τρισὶν εἴδεσι τῆς ῥητορικῆς χρῆσθαι. καὶ οὐδὲν διαφέρουσιν, εἰ μὴ τῷ εὐμεθόδῳ καὶ ἀμεθόδῳ, οἱ ῥήτορες τῶν ἄλλων ἀνθρώπων· ταὐτὸν δὲ εἰπεῖν τεχνικῷ τε καὶ ἀτέχνῳ. διὸ ‘ μ έ γ ι σ τ α ’ αὐτά φησι διήκοντα διὰ πάντων. τοῦτο οὖν μόνης ἐστὶ τῆς ῥητορικῆς, ὥσπερ ἑλληνίζειν πάντων Ἑλλήνων ἐστίν, τὸ δὲ κατὰ τέχνην ποιεῖν ἑλληνίζειν μόνης γραμματικῆς.

Πρᾶξις σὺν θεῷ ιεʹ 132

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118B-119A Βαβαί, ὦ Ἀλκιβιάδη, οἶον πάθος πέπονθας. Δύο ὄντων μορίων τῆς ψυχῆς, τοῦ μὲν γνωστικοῦ, τοῦ | δὲ ζωτικοῦ, καὶ τοῦ μὲν γνωστικοῦ δι’ ἐλέγχου καθαιρομένου, τοῦ δὲ ζωτικοῦ δι’ ἐπιπλήξεως, τὸ μὲν γνωστικὸν τοῦ Ἀλκιβιάδου καθάρας ὁ Σωκράτης διὰ τοῦ δεῖξαι αὐτὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα, τὸ δὲ ζωτικὸν διὰ τοῦ ἐκτραγῳδῆσαι πόσα καὶ ποῖα κακὰ ἕπεται τῇ διπλῇ ἀμαθίᾳ (εἶπεν γὰρ αὐτὴν ἁμαρτημάτων αἰτίαν, α ἰ σ χ ί σ τ η ν , ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η ν , κ α κ ο υ ρ γ ο τ ά τ η ν ), ἐντεῦθεν μετὰ τὰ κοινὰ ὑπάρχοντα τῇ διπλῇ ἀμαθίᾳ λέγει καὶ τὰ ἴδια ἑπόμενα τῷ Ἀλκιβιάδῃ λέγων ‘ β α β α ί , ὦ Ἀ λ κ ι β ι ά δ η ’ . τοῦτο δὲ σχετλιάζοντός ἐστι καὶ ἀποδυρομένου τὸν Ἀλκιβιάδην ὡς ἀπολόμενον καὶ ὡς περὶ ἀποιχομένου τὸν λόγον ποιουμένου. τοῦτο δὲ Πυθαγόρειόν ἐστιν· ἐκεῖνοι γὰρ τοὺς ἀνεπιτηδείους ἐξέβαλλον ἐκ τοῦ ὁμακοΐου σὺν τοῖς οἰκείοις χρήμασι καὶ κενοτάφιον αὐτῶν ποιοῦντες ἀπωδύροντο αὐτοὺς καὶ ὡς περὶ ἀποιχομένου διελέγοντο.

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Was nun? Hast du etwas Wichtigeres zu nennen, als das Gerechte und das Schöne?1110: Er sagt, dass die gerechten, guten und nützlichen [Handlungen], „d i e w i c h t i g s t e n “ sind, weshalb alle von Kindheit an versuchen, diese auszuüben, wie ausgehend von einem Gemeinbegriff1111 und nicht wie bei anderen Fachkenntnissen, [bei denen] einige [Menschen] abgegrenzt [von anderen] diese [Kenntnisse] haben. Wie etwa einige Menschen und nicht alle von der Grammatik oder von der Philosophie Nutzen ziehen, dagegen alle [Menschen] in der Bemühung sind, sowohl zu ermuntern als auch abzumahnen, sowohl zu loben als auch zu rügen und sowohl anzuklagen als auch zu verteidigen1112 und kurzum von drei Arten der Rhetorik Gebrauch zu machen.1113 Ferner gibt es keinen Unterschied zwischen den Rednern und anderen Menschen, außer der richtigen Methode oder Methodenlosigkeit [ihrer Reden]. Denn [man kann] das Gleiche mit oder ohne Fachkenntnis sagen. Daher sagt er, dass diese „w i c h t i g s t e “ [Begriffe] sich durch das gesamte Universum erstrecken. Dieses [Thema] nun gehört alleine der Rhetorik, wie Griechisch zu sprechen allen Griechen gehört, dagegen [gehört es] alleine der Grammatik, gemäß einer Technik jemandem die griechische Sprache beizubringen.

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Unterricht 15 mit Gottes Hilfe 118B–119A Wehe Alkibiades! In welchen Zustand bist du geraten. Da die Seele zwei Teile hat1114 – von denen einer erkennend, der andere lebenskräftig ist und einerseits der erkennende [Teil] durch die Widerlegung 132 gereinigt wird, andererseits der lebenskräftige [Teil] durch heftige Kritik –, bereinigte Sokrates Alkibiades’ erkennenden [Seelenteil] durch das Zeigen, dass er doppelt ungebildet ist, den lebenskräftigen [Teil] hingegen durch das Dramatisieren, wie viele und welche Art der Übelkeiten aus der doppelten 5 Ungebildetheit hervorgehen (denn er sagte, dass diese [Ungebildetheit] die Ursache der Verfehlungen1115 sei, die „h ä s s l i c h s t e , s c h m ä h l i c h s t e , s c h ä d l i c h s t e “1116), und er spricht ab hier die allgemeinen Eigenschaften der doppelten Ungebildetheit und ihre spezifischen Konsequenzen für Alkibiades aus, indem er sagt: „W e h e A l k i b i a d e s ! “. Diese [Aussage] gehört jemandem, der bitterlich klagt und Alkibiades nachtrauert, als wäre er vernichtet und 10 als würde man eine Rede über einen Verstorbenen halten. Das ist nämlich pythagoreisch: Denn jene warfen die ungeeigneten [Schüler] aus ihrer Gemeinschaft1117 zusammen mit ihrem persönlichen Vermögen1118 und nachdem sie für diese ein Grabmal errichtet hatten, trauerten sie um sie und sprachen über sie, als wären sie verstorben.1119

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118B Καὶ τὸ ‘οἶον’ δὲ ‘πάθος πέπονθας’ ὅμοιον τῷ τῆς τραγῳδίας ‘οὐκ ἔστιν οὐδὲν δεινὸν οὐδὲ εἰπεῖν ἔπος’. ‘Ὃ ἐγὼ μὲν ὀνο|μάζειν ὀκνῶ’· ὃ οἰκεῖον τῇ ἀποσιωπήσει, ἐξαίρει τὸν ἔλεγχον, τουτέστιν ‘ἀνέκπυστον καὶ ἐξαίσιόν ἐστι καὶ ἄφραστον τοῦτο’. καλῶς δὲ καὶ τὸ ‘ ὀ ν ο μ ά ζ ε ι ν ὀ κ ν ῶ ’ , διότι ὡς πρὸς τῇ ὕλῃ ὂν ἄφραστόν ἐστι τοῦτο καὶ ἄρρητον, ὥσπερ ἡ ὕλη ἄρρητός ἐστι καὶ ἀνείδεος. εἰ δὲ καὶ τὸ πρῶτον αἴτιον ἄρρητόν ἐστιν, ἀλλ’ ὡς ὑπὲρ εἶδος ὄν· ἡ δὲ ὕλη ὡς χείρων παντὸς εἴδους ἄρρητός ἐστιν. ‘Ὅμως δέ, ἐπειδὴ μόνω ἐσμέν, ῥητέον’· πολέμιον γὰρ φιλοτίμῳ ἤθει ἡ ἐπὶ πολλῶν ἔγκλησις. διὸ καί τις Πυθαγόρειος ἐγκαλούμενος ὑπὸ τοῦ διδασκάλου παρὰ πολλοῖς μὴ φέρων τὴν αἰσχύνην ἐξήγαγεν ἑαυτόν. καὶ | παρὰ τοῖς φιλοσόφοις δὲ ἔθος ἦν ἰδίᾳ ἐγκαλεῖν, ἀλλ’ οὐ πρὸς τοὺς πολλούς. ‘Ἀμαθίᾳ συνοικεῖς τῇ ἐσχάτῃ, ὦ βέλτιστε’· καλῶς τὸ ‘ σ υ ν ο ι κ ε ῖ ς ’ , εἴγε διὰ τοῦτο χείρων ἡ στάσις τοῦ πολέμου, διότι ὁ μὲν ὑπὸ τῶν ἔξωθεν γίνεται καὶ πόρρω ὄντων, ἡ δὲ ὑπὸ τῶν ἔνδον καὶ πλησίον ὄντων· περὶ ἧς εἴρηται ‘ ἀ φ ρ ή τ ω ρ , ἀ θ έ μ ι σ τ ο ς ’ καὶ τὰ ἑξῆς· πολλῷ μᾶλλον χεῖρον τῆς στάσεως τὸ σύνοικον εἶναι τῷ πολέμῳ, ὅσῳ καὶ πλησιαίτερον. οὐχ ἁπλῶς δέ φησιν ‘ ἀ μ α θ ί ᾳ σ υ ν ο ι κ ε ῖ ς ’ , ἀλλὰ ‘τ ῇ ἐσχάτῃ’. ‘Ὡς ὁ λόγος σου καταμαρτυρεῖ καὶ σὺ σαυτοῦ’· καὶ ἰσχυροὺς μάρτυρας ἔχεις τούτου, ὅ τε γὰρ λόγος καταμαρτυρεῖ σου (δέδεικται γὰρ ὅτι ἐρωτήσεως καὶ ἀποκρίσεως οὔσης ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων, ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν), ἀλλὰ δὴ καὶ ἀνυπόστατον ἔχεις μάρτυρα σαυτόν. ‘Διὸ καὶ ᾄττεις ἄρα ἐπὶ τὰ πολιτικά’· τουτέστιν ὅτι ‘τὰ δόγματα ζωὴν γεννᾷ ἐν σοί· ἐπειδὴ γὰρ διπλῆ ἀμαθαίνεις καὶ οἴει εἰδέναι τὰ δίκαια πρὶν μαθεῖν, ὁρμᾷς ἐπὶ τὰ πολιτικὰ πράγματα’. ‘Πέπονθας δὲ τοῦτο οὐ μόνος, ἀλλὰ καὶ οἱ πολλοί’· καὶ Ἀλκιβιάδῃ μὲν παραψυχή, μετὰ τῶν πολλῶν εἶναι κακῷ· Σωκράτει | δὲ οὐ τοῦτο

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118B Ferner „in welchen Zustand bist du geraten“ ist ähnlich zu dem 15 [Vers] der Tragödie: „N i c h t s g i b t e s , d a s s c h r e c k l i c h u n d u n b e s c h r e i b l i c h i s t “.1120 „Was namentlich zu erwähnen vermeide ich“: Wie es der Aposiopese1121 133 zu eigen ist, steigert er die Widerlegung, was bedeutet: „Es ist unerforschlich, gesetzeslos und undefinierbar“.1122 Zutreffend ist hier auch „n a m e n t l i c h z u e r w ä h n e n v e r m e i d e i c h “, weil es, insofern es sich an die Materie richtet, undefinierbar und unsagbar ist, wie die Materie unsagbar und formlos 5 ist.1123 Wenn aber auch die erste Ursache unsagbar ist, so ist es, weil sie über der Form steht. Die Materie ist aber unsagbar, weil sie niedriger als alle Form ist.1124 „Dennoch muss es, da wir beide alleine sind, ausgesprochen werden“: Denn eine öffentliche Anschuldigung ist für jemanden mit ehrliebendem Charakter feindlich. Daher auch ein gewisser Pythagoreer, der von seinem Lehrer in Anwesenheit mehrerer [Personen] beschuldigt wurde, konnte diese Schande nicht ertragen und brachte sich um.1125 Ferner war es bei den Phi- 134 losophen eine Gewohnheit, jemanden privat und nicht in der Öffentlichkeit zu beschuldigen. „Du hausest mit der äußersten Ungebildetheit, mein Bester“1126: Zutreffend ist „d u h a u s e s t “, wenn nun der Bürgerkrieg dadurch schlechter als Krieg [gegen Feinde] ist,1127 dass der [Krieg] mit den außenstehenden und 5 entfernten [Menschen] geschieht, der [Bürgerkrieg] aber mit den inneren und sich in der Nähe befindenden. Darüber wird gesagt: „o h n e G e s c h l e c h t , o h n e G e s e t z “ 1128 und so weiter.Viel schlechter als der Bürgerkrieg ist es, ein Hausgenosse des Krieges zu sein, im gleichen Maße wie es auch viel näher ist. Er sagt ja nicht einfach „d u h a u s e s t m i t d e r U n g e b i l d e t h e i t “, sondern „m i t d e r ä u ß e r s t e n “. „Wie das Argument gegen dich bezeugt, so [bezeugst] du gegen dich 10 selbst“: Sogar starke Zeugen hast du davon, denn einerseits bezeugt das Argument gegen dich (es wurde ja aufgezeigt, dass, wann es Frage und Antwort gibt, der Antwortgeber derjenige ist, der etwas behauptet, und nicht der Fragesteller1129), darüber hinaus aber hast du auch einen unaufhaltbaren Zeugen. „Das ist also der Grund, warum du auf eine politische Karriere 15 zustürmst“: Das sind nämlich „deine Ansichten, die dein Leben gestalten. Denn, da du doppelt ungebildet bist und glaubst, die gerechten Handlungen zu kennen, bevor du diese lernst, greifst du in die politischen Angelegenheiten ein.“1130 „Du leidest aber nicht als Einziger, sondern auch mehrere [leiden mit dir]“1131: Und das ist fürAlkibiades zwar ein Trost, gemeinsam mit der Mehrheit im schlechten Zustand zu sein: Für Sokrates dagegen war dies kein Trost, denn 135

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ἦν παραψυχή, πάντας γὰρ ἠβούλετο εἶναι ἀγαθούς, εἴγε κηδεμὼν ἦν τῆς ἀνθρωπότητος. 118C ‘Πλὴν ὀλίγων καὶ ἴσως τοῦ σοῦ ἐπιτρόπου Περικλέους’. καὶ ζητοῦμεν πῶς ἐνταῦθα ἐπαινεῖ τὸν Περικλέα λέγων αὐτὸν σοφόν, μετὰ μικρὸν δὲ κατατρέχει αὐτοῦ λέγων αὐτὸν μὴ εἶναι πολιτικόν, ὥσπερ καὶ ἐν τῷ Γοργίᾳ δείκνυσιν αὐτὸν μὴ ὄντα πολιτικόν, διὸ καὶ τὸν Ἀριστείδην πρὸς ἀντιλογίαν ἐκίνησεν διὰ τὰ ἐν Γοργίᾳ λεγόμενα. ὁ μὲν οὖν φιλόσοφος Πρόκλος φησίν· ἐλέγχει αὐτὸν ὡς μὴ ὄντα ἐπιστήμονα, ἀποδέχεται δὲ αὐτὸν ὡς ὄντα ὀρθοδοξαστικόν. ὁ δέ γε φιλόσοφος Δαμάσκιος οὐκ ἀποδέχεται τοῦτο, οὐδὲ γὰρ διαφέρει ὁ ὀρθοδοξαστικὸς τοῦ ἐπιστήμονος εἰ μὴ τῷ εἰδέναι τὴν αἰτίαν, ὥσπερ οὐδὲ ὁ λογικὸς ἰατρὸς τοῦ ἐμπειρικοῦ διαφέρει, ἐν τῇ πράξει γὰρ τὰ αὐτὰ ποιοῦσιν· εἰ οὖν ἦν ὀρθοδοξαστικός, οὐκ ἂν ἡμάρτανεν. λύει οὖν αὐτὸς τοῦτο ὅτι ἀποδέχεται αὐτὸν ὡς στρατηγόν, διότι τέλος ἐστὶ τούτου τὸ νικᾶν, οὐ μὴν ὡς πολιτικόν, διότι οὐκ ἐποίησε τοὺς ἑαυτοῦ πολίτας καλοὺς καὶ ἀγαθούς. εἶτα λαβὼν ὀλίγην ἀνάπαυσιν ὁ Ἀλκιβιάδης ὡς οἰκείου αὐτῷ ἐπαινεθέντος, ἵνα μὴ πάλιν ἃ ἠρώτησεν αὐτὸν ἐρωτήσῃ καὶ ἐπὶ τοῦ Περικλέους, ὅτι ‘πόθεν γέγονεν σοφός, μαθὼν ἢ εὑρών;’ προλαμβάνει καὶ ἀπαριθμεῖται τοὺς διδασκάλους αὐτοῦ. ἐν μὲν γὰρ φιλοσοφίᾳ γέγονεν μαθητὴς Ἀναξαγόρου, ἐν δὲ μουσικῇ Πυθοκλέους. | εἶτα ἐξαίρων τοὺς αὐτοῦ διδασκάλους φησὶν ‘καὶ νῦν ὑπάρχων ἐ π ὶ γ ή ρ α ο ς ο ὐ δ ῷ φοιτᾷ παρὰ Δάμωνι τῷ μουσικῷ’. ὁ δέ φησιν· ‘ἀλλ’ οὐδὲ οὗτός ἐστι πολιτικός, διότι οὐ δύναται ποιεῖν καλοὺς καὶ ἀγαθοὺς τοὺς πολίτας’. καὶ καλῶς οὐκ εἶπεν ‘ποιεῖ’, διότι οὐκ ἔστιν χαρακτηρίσαι ἐκ τούτου τὸν σοφόν. τί γὰρ εἰ μὴ περὶ τὰ δεύτερα ἀσχολοῖτο, ἀλλὰ ἢ καθάρσει σχολάζοι ἢ θεωρία, ὅτε χωρίζει ἑαυτὸν ἐκ τῶν πολλῶν· τί δὲ εἰ πολιτικῶς ζῶν ἀνεπιτηδείους σχοίη τοὺς ὁμιλοῦντας αὐτῷ; ἀλλ’ εἶπεν ὅτι ‘εἰ ἦν σοφός, δυνατὸς ἦν ποιῆσαι ἄλλον σοφόν· καίτοι οὔτε σὲ οὔτε τὸν ἀδελφόν σου Κλεινίαν οὔτε τοὺς οἰκείους υἱεῖς σοφοὺς ἐποίησεν’. οὓς ἔσχεν ἀπὸ Ἀσπασίας τῆς Μιλησίας, ἥτις καὶ διδάσκαλος αὐτοῦ ἐγένετο. ἦν γὰρ ὁ Περικλῆς γυναικοδίδακτος, ὥσπερ Ἀρίστιππος μητροδίδακτος. εἰ δὲ λέγοις ὅτι ‘ἀλλὰ πολιτικὸς ἦν διὰ τοὺς φόρους οὓς ἔταξεν’ , ἀλλ’ οὐδὲ οὕτω σοφὸς ἦν. διότι φλεγμαινούση πόλει δυνά-

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er wollte, dass alle [Menschen] gut werden, da er tatsächlich der Wächter der Menschheit1132 war. 118C „Abgesehen von wenigen, wahrscheinlich auch von deinem Vormund Perikles“1133: Hier untersuchen wir, warum er hier Perikles lobt, 5 indem er ihn als Weisen erwähnt, kurz darauf aber ihn niedermacht, indem er sagt, dass er kein Politiker ist, wie er auch im Gorgias aufzeigt,1134 dass er kein Politiker ist und daher auch Aristeides durch die Argumente im Gorgias zu einem Gegenspruch bewegte.1135 Dazu sagt der Philosoph Proklos: Er widerlegt ihn, da er nicht sachkundig ist, anerkennt ihn dagegen als jemanden mit 10 richtigen Meinungen.1136 Der Philosoph Damaskios dagegen akzeptiert das nicht, denn er unterscheidet jemanden mit richtiger Meinung nicht von einem Sachkundigen, außer durch das Wissen der Ursache [sc. des Letzteren], wie den Arzt mit theoretischer Kenntnis von dem [Arzt] mit praktischer Erfahrung nichts unterscheidet, denn sie machen in der Praxis dieselben Dinge.1137 Wenn er [sc. Perikles] nun jemand mit richtiger Meinung wäre, hätte er keinen Fehler gemacht. Er [sc. Damaskios] löst dieses [Problem] so, dass er [sc. Sokrates] ihn als Feldherr anerkennt, da das Ziel dessen zu siegen ist, dagegen nicht als einen 15 Politiker, da er seine eigenen Bürger nicht vortreffliche Menschen1138 gemacht hat. Nachfolgend macht Alkibiades eine kurze Pause, nachdem sein Verwandter gelobt wurde, damit er [sc. Sokrates] ihm nicht nochmal die Fragen stellt, die er schon gestellt hatte und die um Perikles gingen, wie: „Wodurch ist er [sc. Perikles] weise geworden, durch Lernen oder durch Finden?“. Er nimmt es 20 vorweg und zählt seine Lehrer auf. Im [Bereich] der Philosophie nämlich wurde er Schüler des Anaxagoras, in der Musik des Pythokles. Nachfolgend lobt er 136 seine Lehrer, indem er sagt: „Auch jetzt, da er sich an der S c h w e l l e d e s A l t e r s befindet1139, lernt er Musik bei Damon“1140. Darauf sagt er [sc. Sokrates] „Doch ist er kein Politiker, da er seine Bürger nicht zu vortrefflichen Menschen machen konnte.“ Auch zutreffend war, dass er nicht „er macht“ sagt, da man 5 einen Weisen nicht ausgehend davon kennzeichnen kann.1141 Was wäre etwa, wenn jemand mit seinen eigenen sekundären Angelegenheiten nicht beschäftigt wäre, sondern sich der Reinigung [der Seele] oder der theoretischen Betrachtung widmen würde, wann er sich von der Mehrheit abgrenzt?1142 Was aber, wenn er, obwohl er gemäß politischer Tugend lebt, seine Gefährten dazu ungeeignet wären?1143 Stattdessen sagt er [Sokrates]: „Wenn er weise wäre, wäre er in der Lage, andere zu Weisen zu machen. Dagegen hat er weder dich noch deinen Bruder Kleinias, noch seine eigenen Söhne weise gemacht.“ Diese 10 [Söhne] hatte er [sc. Perikles] mit derAspasia von Milet, die auch seine Lehrerin gewesen ist.1144 Perikles war nämlich von einer Frau ausgebildet1145, wie Aristippos von seiner Mutter ausgebildet wurde.1146 Wenn du aber sagen solltest: „Dennoch war er ein Politiker, wenn man die Tributzahlungen betrachtet, die er

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μεις περιεποιεῖτο, δυνάμενος μεταβάλλειν τὴν οἰκείαν πολιτείαν ἀπὸ δημοκρατίας εἰς ἀριστοκρατίαν (ἦν γὰρ ἡ κατ’ αὐτὸν πολιτεία, ὡς ὁ συγγραφεύς φησιν, ‘ λ ό γ ῳ μ ὲ ν δ η μ ο κ ρ α τ ί α , ἔ ρ γ ῳ δ ὲ ἑ ν ὸ ς ἀ ν δ ρ ὸ ς δ υ ν α σ τ ε ί α ’ . καλῶς δὲ εἰς ἀριστοκρατίαν εἶπεν ὁ Πλάτων, ἀλλ’ οὐκ εἰς βασιλείαν, διότι ὑπόπτως ἔχει ὁ Πλάτων πρὸς τὴν βασιλείαν διὰ τὸν θάνατον τοῦ γινομένου βασιλέως. διὰ οὖν τὸ σφαλερὸν πλείοσι κατεπίστευσε τὴν ἑαυτοῦ πολιτείαν), καίτοι φυσικοῦ νόμου κελεύοντος ‘ τ ὰ μ ὴ κ α θ α ρ ὰ τ ῶ ν σ ω μ ά τ ω ν ὁ κ ό σ ῳ ἂ ν θ ρ έ ψ ῃ ς μ ᾶ λ λ ο ν β λ ά ψ ε ι ς ’ . ἐν οἷς πληροῦται σὺν θεῷ τὸ πρῶτον τμῆμα τοῦ διαλόγου, ἐν ᾧ καὶ κατὰ τὸ γνωστικὸν καὶ κατὰ τὸ ζωτικὸν ἤλεγξε τὸν Ἀλκιβιάδην. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

118B Διὸ καὶ οἱ πολλοὶ τῶν πραττόντων: διὰ ταῦτα ὁ Σωκράτης κατεδικάσθη κωνείου, διότι τοὺς πολλοὺς διέβαλλεν ὡς μὴ εἰδότας τὸ δίκαιον καὶ ἐπιχειροῦντας αὐτοῖς.

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118C Λέγεται γάρ τοι, ὦ Σώκρατες, οὐκ ἀπὸ ταὐτομάτου σοφὸς γεγονέναι: ἰδοὺ πῶς ἀνανήψας ὁ νέος δείκνυσι τὸν Περικλέα διδασκάλους ἐσχηκότα, ἵνα μὴ καὶ ἐπὶ αὐτοῦ οἱ αὐτοὶ λόγοι ἁρμόσωσιν οἶοι καὶ ἐπὶ Ἀλκιβιάδου γεγόνασι. διὸ καί φησιν ‘οὐκ ἀπὸ ταὐτομάτου ἐγένετο σοφός, ἀλλ’ ἀπὸ διδασκάλων’. καὶ ἰδοὺ πῶς εὐφυῶς ἀπαντᾷ πρὸς τὰς ἐρωτήσεις ὁ Ἀλκιβιάδης. Καὶ Πυθοκλεῖ δὴ καὶ Ἀναξαγόρᾳ: παρὰ μὲν Ἀναξαγόρου ὠφελήθη τὸ ἄρχειν, | πρῶτος γὰρ οὗτος τὸν νοῦν εἰσήγαγε τοῖς πράγμασιν, ἐξῃρημένως ἄρχοντα τῶν μετ’ αὐτόν, μὴ ἐγκατατεταγμένον αὐτοῖς ὄντα· οὕτως οὖν καὶ ὁ Περικλῆς ἐν δημοκρατίᾳ ἀσύγκριτος ἦν πρὸς τοὺς πολλοὺς καὶ ἦρχεν αὐτῶν, οἶον νοῦς αὐτῶν γενόμενος. Πυθοκλέους δὲ μέμνηται οὐχ ἁπλῶς ὡς μουσικοῦ, ἀλλ’ ὡς ἁρμόζοντος διὰ τῶν προσηκόντων μελῶν τοὺς πολίτας. ὥσπερ γάρ εἰσι σωφρονικὰ μέλη (διὸ καὶ ὁ Αἴγισθος οὐκ ἄλλως ἠδυνήθη τὴν Κλυταιμνήστραν διαφθεῖραι εἰ μὴ πρότερον τὸν ᾠδὸν ἀπέκτεινεν ἐν τ ῇ ἐ ρ ή μ ῃ ν ή σ ῳ , ὃν ὁ Ἀγαμέμνων φύλακα καταλέλοιπεν, ὡς ὁ ποιητής φησιν), οὕτως εἰσὶ

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geordnet hat“1147, auch dadurch war er nicht weise. Da er einer fieberhaften Polis 15 eine Macht verliehen hat,1148 obwohl er die eigene Herrschaftsform aus der Demokratie in die Aristokratie wandeln könnte,1149 (Denn die Herrschaftsform 137 war nach ihm, wie der Geschichtsschreiber sagt, „i n W o r t e i n e D e m o k r a t i e , i n d e r T a t H e r r s c h a f t d e s e r s t e n M a n n e s “ 1150. Angemessen ist es auch, dass Platon zugunsten der Aristokratie redete, dagegen nicht der Königsherrschaft, da Platon gegenüber der Königsherrschaft misstrauisch ist, aufgrund der Sterblichkeit desjenigen, der König wird.1151 Wegen 5 der Instabilität also [der Königsherrschaft] anvertraute er seine eigene Herrschaftsform an die Mehrheit)1152, und außerdem ein Naturgesetz stellt fest: „J e mehr du die unreinen Dinge für die Körper als ihre Nahrung gibst, desto größeren Schaden fügst du ihm z u . “1153 Damit wird der erste Abschnitt1154 des Dialogs mit Gottes Hilfe beendet, in dem er sowohl bezüglich der erkennenden als auch bezüglich der lebenskräftigen [Seelenteilen] Alkibiades widerlegt hat. Das hat die Theorie. 10 118B Daher auch der Mehrzahl derer, die [unsere Politik] betreiben1155: Aus diesem Grund wurde Sokrates zum [Tod durch den] Schierlingsbecher verurteilt, weil er die Mehrheit verschmähte, dass sie versuchen, sich [gerecht] zu verhalten, ohne zu wissen, was gerecht ist. 118C Denn man sagt von ihm, Sokrates, dass er nicht von selbst weise geworden sei1156: Siehe, wie der Jüngling erwacht und darauf deutet, dass 15 Perikles Lehrer gehabt hat, damit nicht auch in seinem Fall die gleichen Argumente geeignet werden, die für Alkibiades [geeignet] gewesen sind. Auch deshalb sagt er: „Er ist nicht von sich selbst aus weise geworden, sondern aufgrund von [seinen] Lehrern.“ Siehe auch, wie Alkibiades auf diese Fragen mit natürlicher Begabung kontert. Sowohl mit Pythokles als auch mit Anaxagoras1157: Von Anaxagoras 20 hatte er [sc. Perikles] Unterstützung [zum Thema] des Herrschens, dieser nämlich stellte als Erster die Vernunft unter den Dingen vor,1158 als einen 138 herausgehobenen Herrscher über diejenigen, die nach ihm [kommen],1159 der nicht in die Reihe derer eingeordnet wird. Auf diese Weise war nun auch Perikles in der Demokratie unvergleichbar mit der Mehrheit und herrschte über diese, als wäre er ihre Vernunft gewesen. Ferner wird Pythokles [hier] nicht 5 einfach als Musiker erwähnt, sondern als jemand, der durch passende Melodien die Bürger miteinander in Einklang brachte. Denn, wie es Melodien gibt, die Besonnenheit fördern (daher konnte auch Aigisthos Klytaimnestra nicht anders zerstören als er davor den Sänger, den Agamemnon als Wache hinterlassen hatte, a u f d e r ö d e n I n s e l ermordete, wie der Dichter erzählt1160), so gibt es

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C. Text und Übersetzung

καὶ ἁρμόζοντα τοὺς πολίτας μέλη, ἃ ὠφελήθη ὁ Περικλῆς παρὰ Δάμωνος, δι’ ὧν ἥρμοζε τὴν πόλιν. Καὶ νῦν ἔτι τηλικοῦτος ὢν Δάμωνι: ‘ τ η λ ι κ ο ῦ τ ο ς ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ ἐ π ὶ γ ή ρ α ο ς ο ὐ δ ῷ ’ , παρὰ τῷ Δάμωνι ἐφοίτησεν. τούτου δὲ μέμνηται πάλιν ὁ Πλάτων ἐν τῇ Πολιτείᾳ ὡς παρ’ αὐτοῦ ὠφεληθεὶς μουσικήν. Τί οὖν; ἤδη τινὰ εἶδες σοφόν: ἐντεῦθεν κατατρέχει τοῦ Περικλέους καὶ δείκνυσιν αὐτὸν μὴ ὄντα σοφὸν ἐκ τοῦ μὴ ποιῆσαι ἄλλους σοφούς. τρία γάρ εἰσι χαρακτηριστικὰ σοφῶν, τὸ μὲν ἀπὸ τῶν προηγησαμένων, τὸ δὲ ἀπὸ τῶν συνόντων, τὸ δὲ ἀπὸ τῶν μεθυπαρξάντων. ἀπὸ μὲν τῶν προηγησαμένων, εἰ ἔχοι εἰπεῖν διδασκάλους· ἀπὸ δὲ τῶν συνόντων, εἰ συμφωνῇ καὶ ἑαυτῷ καὶ τοῖς σοφοῖς· ἀπὸ δὲ τῶν μεθυπαρξάντων, εἰ ἔχοι εἰπεῖν εἰ ἄλλους τοιούτους ἐποίησεν. καὶ ἑκάστου τούτων μέμνηται ὁ Πλάτων ἐν ἄλλῳ καὶ ἄλλῳ μέρει | τοῦ διαλόγου· τοῦ μὲν πρώτου ὅτε ἐζήτει εἰπεῖν διδασκάλους τῶν δικαίων, τοῦ δὲ δευτέρου ὅτε ἔλεγεν ‘οὐκ ἴσασιν οἱ πολλοὶ τὸ δίκαιον, διότι μὴ συμφωνοῦσιν’· τοῦ δὲ τρίτου ἐνταῦθα, εἰ ἔχοι Περικλῆς εἰπεῖν ἄλλους τοιούτους ἑαυτὸν ποιήσαντα. 118D Καλὸν γὰρ δήπου τοῦτο τεκμήριον: κρήγυον γὰρ τοῦτο τεκμήριον σοφοῦ, τὸ δύνασθαι ποιῆσαι καὶ ἄλλους σοφούς. Τί δέ; ἔχεις εἰπεῖν ἂν Περικλῆς τινὰ ἐποίησεν σοφόν; ‘τί οὖν;’ φησὶν ὁ Σωκράτης, ‘τοὺς υἱεῖς αὐτοῦ ἐποίησε σοφούς;’ ὁ δέ φησιν ‘τί δέ, εἰ ἠλίθιοι ἐγένοντο καὶ ἀνεπιτήδειοι πρὸς τὸ μανθάνειν;’ ὁ δὲ ἐρωτᾷ ‘τί οὖν; Κλεινίαν τὸν ἀδελφόν σου ἐποίησεν;’ ὁ δὲ κατηγορεῖ αὐτοῦ μανίαν λέγων ‘τί δέ, εἰ μὴ δυνατὸς ἦν;’ ‘τί δὲ σέ;’ ὁ δέ φησιν ‘διὰ τὴν ἐμὴν ῥᾳθυμίαν’. τρία γὰρ αἴτια ταῦτα τοῦ μὴ γίνεσθαι σοφόν, ἠλιθιότης, μανία, ῥᾳθυμία. ὅμοιον δέ ἐστι τούτῳ καὶ τὸ ποιητικόν· ‘νήπιος εἷς, ὦ ξεῖνε, τόσον χρόνον, ἠὲ χαλίφρων;’

15

διὰ γὰρ τοῦ πρώτου ἄνοιαν ἐδήλωσεν, διὰ δὲ τοῦ ‘ ἠ ὲ χ α λ ί φ ρ ω ν ’ τὴν μανίαν, διὰ δὲ τοῦ ‘ἢ ἑκὼν μεθίης καὶ τέρπεαι ἄλγεα πάσχων;’

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

349

auch Melodien, die die Bürger miteinander in Einklang bringen, bei denen 10 Perikles die Hilfe von Damon hatte und durch die er die Polis harmonisierte. Und auch jetzt, wo er in solchem Alter ist, mit Damon1161: „I n s o l c h e m A l t e r “ [benutzt er] im Sinne von „a n d e r S c h w e l l e d e s h o h e n A l t e r s “1162 ging er bei Damon in die Lehre.1163 Diesen erwähnt Platon erneut in der Politeia,1164 da er von ihm [im Bereich der] Musik unterstützt wurde. 15 Wie nun? Hast du schon jemanden gesehen, der weise ist1165: Ab hier setzt er Perikles herab und zeigt, dass er nicht weise ist, da er andere nicht zu Weisen gemacht hat. Denn weise Menschen haben drei Merkmale; zum einen aufgrund ihrer Vorgänger, zum anderen aufgrund ihrer Zeitgenossen und schließlich aufgrund ihrer Nachfolger.1166 Einerseits [ist er weise] aufgrund seiner Vorgänger, wenn er Lehrer hat, die er nennen kann. Aufgrund seiner 20 Zeitgenossen aber, wenn er sowohl mit sich selbst als auch mit den weisen Menschen in Übereinstimmung ist. Schließlich aufgrund seiner Nachfolger, wenn er andere nennen kann, die er zu solchen [Weisen] gemacht hat. Auch jedes dieser [Merkmale] erwähnt Platon an der einen oder anderen Stelle des Dialogs. Das erste nämlich, als er forschte, um die Lehrer für das Gerechte zu 139 bestimmen1167 und das zweite, als er sagte: „Die Mehrheit weiß nicht, was gerecht ist, da sie darüber uneinig sind“1168. Das dritte ist also hier, ob Perikles andere nennen kann, die er selbst zu solchen [Weisen] gemacht hat. 118D Denn dies ist ohne Zweifel ein schöner Beweis1169: Denn dies ist ein 5 förderlicher Beweis eines Weisen, dass er auch andere Menschen zu Weisen machen kann. Wie aber? Kannst du jemanden nennen, den Perikles weise gemacht hat?1170: „Wie nun?“ sagt Sokrates, „Hat er seine Söhne zu Weisen gemacht?“. Ferner sagt er: „Was aber, wenn sie einfältig und ungeeignet zum Lernen geworden sind?“1171. Er fragt außerdem: „Wie nun? Hat er deinen Bruder 10 Kleinias zum Weisen gemacht?“. Auch wirft er ihm Wahnsinn vor, indem er sagt: „Was denn, wenn er dazu unfähig wäre?“, „Was ist denn mit dir?“. Er antwortet darauf: „Wegen meiner eigenen Trägheit“1172. Denn es gibt drei Gründe, warum jemand kein Weiser werden kann: Einfältigkeit, Wahnsinn, Trägheit. Ähnlich dazu ist auch dieser Vers: „B i s t d u s o l a n g e k i n d i s c h , F r e m d e r , o d e r l e i c h t s i n n i g ? “1173

Denn durch den ersten [Teil des Verses] wies er auf den Unverstand hin, aber durch „o d e r l e i c h t s i n n i g “ auf den Wahnsinn. Ferner durch diesen [Vers]: „O d e r l ä s s t d u d i c h m i t W i l l e n g e h e n u n d e r g ö t z t e s d i c h , S c h m e r z e n z u e r l e i d e n ? “1174

15

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τὴν ῥᾳθυμίαν. τὸ ὁ Εὐριπίδης φησὶν 20

140

5

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C. Text und Übersetzung

δὲ

‘καὶ

τέρπεαι

ἄλγεα

πάσχων’

ἐκφράζων

‘μακρή τε λέσχη καὶ σχολὴ τερπνὸν κακόν’.

119A Ἀλλὰ τῶν ἄλλων Ἀθηναίων ἢ τῶν ξένων: ἐρωτᾷ αὐτόν· ‘τί οὖν; ἄλλον τινὰ ἐποίησεν σοφόν;’ εἰ γὰρ εἴποις ὅτι ‘ἀλλὰ πάντες ἀνεπιτήδειοι ἦσαν’, ἀλλὰ τοῦτο Τίμωνός ἐστι τοῦ μισανθρώπου, τὸ τὴν | ἐπιτηδειότητα ἐξορίζειν ἀπὸ πάντων τῶν ἀνθρώπων. Καὶ Καλλίαν τὸν Καλλιάδου: Καλλίαν φησίν, οὐ τὸν ἐν τῇ κωμῳδίᾳ, οὗτος γὰρ ἦν Ἱππονίκου υἱός· τοῦτον δὲ Καλλιάδου φησίν. Ἑκατὸν μνᾶς τελέσας σοφός τε καὶ ἐλλόγιμος: ‘ ἐ λ λ ό γ ι μ ο ν ’ τὸν λόγου ἄξιόν φησιν, ἀλλ’ οὐχ ὃν νῦν φαμέν, τὸν λόγους εἰδότα, εἶπεν γὰρ περὶ ἐκείνου ‘ σ ο φ ό ς ’ . ἀλλὰ διὰ τί, εἰ φιλόσοφος ὁ Ζήνων, μισθὸν ἐπράττετο; ἤ φαμεν ὅτι ἵνα συνεθίσῃ τοὺς μαθητὰς καταφρονεῖν χρημάτων· ἢ ἵνα τοῖς δεομένοις ἐπαρκῇ παρὰ τῶν εὐπόρων λαμβάνων· ἢ ἵνα ἀντανίσωσιν ποιήσηται τῆς περιουσίας καὶ ἰσότητα φυλάξῃ τοῖς ἧττον ἔχουσι παρέχων. προσεποιεῖτο γὰρ λαμβάνειν μὴ λαμβάνων· τοιοῦτος γὰρ ἦν ὁ Ζήνων, προσποιεῖσθαι ἱκανός, ὃς καὶ διὰ τοῦτο ‘ ἀ μ φ ο τ ε ρ ό γ λ ω σ σ ο ς ’ ἤκουεν, οὐχ ὅτι ἑκατέρῳ τῶν ἀντικειμένων συνηγόρει, ἀλλ’ ὅτι προσεποιεῖτο. διὸ καί τινος τυράννου ἐρομένου αὐτὸν τοὺς σὺν αὐτῷ ἐπιβουλεύσαντας τῇ τυραννίδι τοὺς δορυφόρους αὐτοῦ ὑπέδειξεν, ὁ δὲ ἀνελὼν ἐκείνους ἑτοίμως ἀνῃρέθη. καὶ ἔχεις ἐκ τούτου ὅτι πρῶτος Πλάτων ἐπετήδευσεν ἀμισθίαν, εἴγε σύγχρονος γέγονεν Ζήνωνι εἰσπραττομένῳ μισθούς. ἀλλὰ διὰ τί μόνη ἡ φιλοσοφία οὐκ εἰσπράττεται μισθούς, τῶν ἄλλων τεχνῶν τοῦτο ποιουσῶν; ἢ ἐπειδὴ οἱ μὲν ἄλλοι τεχνῖται οὐκ ἐπαγγέλλονται ἀγαθοὺς ποιῆσαι τοὺς προσιόντας ἀλλὰ μόνον τεχνίτας, οἶον οἱ ἰατροὶ ἰατροὺς καὶ ὁ τέκτων τέκτονας· ὁ δὲ φιλόσοφος ἀγαθοὺς ἐπαγγέλλεται ποιεῖν καὶ ταύτῃ ἐλπίζει μὴ ἀγνωμονη|θήσεσθαι ὑπ’ αὐτῶν. ἴσως δὲ ὁ Πλάτων ὡς

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

351

[wies er] auf die Trägheit [hin]. Ferner über die [Aussage] „und ergötzt es dich, Schmerzen zu erleiden“ sagt Euripides bei seiner Erklärung: „L a n g e s G e s c h w ä t z u n d M u ß e s i n d e i n a n g e n e h m e s Ü b e l “1175

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119A Aber von den anderen Athenern oder den Fremden1176: Er fragt ihn: „Wie denn? Hat er jemanden anderen zum Weisen gemacht?“ Wenn du sagen würdest: „Alle anderen waren ungeeignet“, das ist aber die Meinung des Timon des Misanthropen1177, die die Geeignetheit von allen Menschen aus- 140 schließt. Und Kallias, den Sohn des Kalliades1178: Er meint mit Kallias, nicht jenen in der Komödie, denn er war der Sohn des Hipponikos,1179 sondern nennt er diesen als den Sohn des Kalliades.1180 Sie zahlten hundert Minen und [wurden] weise und zugleich nen- 5 nenswert1181: Mit „n e n n e n s w e r t “ meint er, dass er der Rede wert ist, und nicht wie wir es heute sagen, über jemanden, der sich mit Reden auskennt, denn er sagt über ihn „w e i s e “. Aber wenn Zenon1182 ein Philosoph war, warum hat er bezahlten Unterricht praktiziert?1183 Dazu sagen wir, entweder um seine Schüler daran zu gewöhnen, das Geld zu verachten; oder um die bedürftige [Schüler] zu unterstützen, indem er [das Geld] von Wohlhabenden nahm. Vielleicht aber [tat er dies] um einen Ausgleich gegenüber dem überlegenen 10 Reichtum zu schaffen und die Gleichheit zu bewahren, indem er denjenigen, die weniger zur Verfügung haben, [Unterstützung] anbot. Denn er gab sich den Anschein, [Geld] zu nehmen, ohne [Geld für sich] zu nehmen: Ein solcher war nämlich Zenon, der zum Vortäuschen fähig war und deswegen als „d e r Z w e i z ü n g i g e “1184 im Ruf stand, nicht weil er zu jedem [Thema] zwei gegensätzliche [Aspekte] verteidigte, sondern weil er vortäuschte. Auch aus diesem Grund zeigte er auf seine Leibwächter, als ein gewisser Tyrann ihn 15 fragte, wer zusammen mit ihm in der Verschwörung gegen dieTyrannis beteiligt war, und als er darauf diese beseitigte, wurde er [selbst] mühelos beseitigt.1185 Daraus hast du auch [das Ergebnis], dass zuerst Platon sich um die unbezahlte Lehre bemühte, obgleich er Zeitgenosse des Zenon war, der Lohn forderte. Aber warum alleine die Philosophie akzeptiert keinen Lohn, wobei die anderen Fachgebiete dies tun? Wahrscheinlich, da die anderen Fachleute nicht be- 20 haupten, dass sie ihre Schüler zu guten Menschen machen, sondern nur zu sachverständigen, wie die Ärzte [andere] Ärzte und ein Baumeister [andere] Baumeister [ausbilden]. Der Philosoph dagegen behauptet, sie zu guten [Menschen] zu machen und hofft dabei, von ihnen nicht ungerecht behandelt zu werden.1186 Vielleicht bemühte Platon sich um die unbezahlte Lehre, da er 141 selbst wohlhabend war. Auch deshalb wird bis heute das Stiftungsvermögen

352

C. Text und Übersetzung

εὐπορῶν ἀμισθίαν ἐπετήδευσεν· διὸ καὶ μέχρι τοῦ παρόντος σῴζονται τὰ διαδοχικά, καὶ ταῦτα πολλῶν δημεύσεων γινομένων. Τέλος σὺν θεῷ τοῦ αʹ τμήματος.

ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS

353

[der Philosophieschule] bewahrt, und das, obwohl viele Beschlagnahmen stattfinden.1187 Ende des ersten Abschnitts1188 mit Gottes Hilfe.

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ΑΡΧΗ ΤΟΥ Βʹ ΤΜΗΜΑΤΟΣ Πρᾶξις σὺν θεῷ ιϛʹ

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119A-120D Εἶεν· τί οὖν διανοῇ περὶ σεαυτοῦ; πότερον ἐᾶν. Ἐλέγξας ὁ Σωκράτης τὸν Ἀλκιβιάδην ἐν τῷ πρώτῳ τμήματι, καὶ κατὰ τὸ γνωστικὸν δείξας αὐτὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα καὶ κατὰ τὸ ζωτικὸν ἐκτραγῳδήσας τὰ ἑπόμενα τῇ διπλῇ ἀμαθίᾳ κακά, καὶ εἰπὼν αὐτὴν α ἰ σ χ ί σ τ η ν , κ α κ ο υ ρ γ ο τ ά τ η ν , ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η ν , πλάνης αἰτίαν, ἁμαρτημάτων αἰτίαν, καὶ διὰ τοῦτο ἐπιγραφομένῳ ἐλεγκτικῷ, καὶ καταβαλὼν αὐτὸν διὰ τούτων, ἐν τῷ δευτέρῳ τμήματι καταβληθέντα αὐτὸν ἀνεγείρει καὶ ἀνυψοῖ λέγων αὐτῷ· ‘εὔελπις ἔσο, ὦ Ἀλκιβιάδη· ἔχεις γάρ τι ἐν σοὶ ἐπιτήδειον πρὸς πολιτικὴν ἐπιστήμην καὶ πρὸς τὸ διοικεῖν τὰ τῆς πόλεως πράγματα, τὸ ἡγεμονικόν· διὸ δεῖ σε πολλὴν πρόνοιαν σαυτοῦ ποιήσασθαι διὰ τῆς ἐπιμελείας’. ἀνεγείρει δὲ αὐτὸν ἐν τούτῳ τῷ τμήματι, προτρεπτικῷ ὄντι, ἵνα ἐν τῷ τελευταίῳ μαιευόμενος αὐτὸν παρασκευάσει αὐτὸν εἰπεῖν, τίς ὁ πολιτικὸς ἄνθρωπος, ὅτι ψυχὴ λογικὴ ὡς ὀργάνῳ χρωμένη τῷ σώματι· διότι οὗτός ἐστιν ὁ ὁρισμὸς τοῦ πολιτικοῦ, ὁ γὰρ καθαρτικὸς καὶ ὁ θεωρητικὸς οὐδὲ ὀργάνῳ | χρῶνται τῷ σώματι, εἴγε ἐμποδὼν αὐτοῖς γίνεται. Ὁ δὲ ὡς ῥᾴθυμος καὶ φιλότιμός φησιν μὴ δεῖν πράγματα ἔχειν ἐπιμελόμενον ἑαυτοῦ, οὐδὲ γὰρ πρὸς ἄνδρας στρατηγοὺς καὶ ἀνταγωνιστὰς ἀξιολόγους ἔχει· ‘εἰ μὲν γὰρ πρὸς μείζονας εἶχον, ἴσως ἂν ἐφρόντιζον τοῦ περιεῖναι αὐτῶν, ἀλλ’ ἐπειδὴ πρὸς ὑποδεεστέρους ἔχω, οὐ δέος ἐστὶν μὴ περιέσονταί μου· δύναμαι γὰρ τῇ οἰκείᾳ φύσει περιγενέσθαι αὐτῶν’· ἄμφω διὰ τούτων πραγματευόμενος, τὸ μήτε πράγματα θέλειν ἔχειν ἐπιμελόμενον ἑαυτοῦ μήτε μὴν διὰ τοῦτο ἀδύνατον εἶναι δόξαι διοικεῖν τὰ τῆς πόλεως πράγματα. ὁ δὲ Σωκράτης ἀποδύρεται αὐτόν, διότι πρῶτον μὲν τοὺς συναγωνιστὰς ἀνταγωνιστὰς οἴεται εἶναι. τοὺς γὰρ Ἀθήνησι στρατηγοὺς συναγωνιστὰς ὄντας

142, 3 Olymp. σεαυτοῦ / σαυτοῦ Plat. Alc. 119a8.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS1189

142

Unterricht 16 mit Gottes Hilfe 119A–120D [So] sei es. Was hast du jetzt mit dir selbst vor? Es entweder zu belassen1190: Nachdem Sokrates Alkibiades im ersten Abschnitt widerlegt und sowohl in Bezug auf den erkennenden Teil1191 gezeigt hat, dass er zweifach ungebildet ist, 5 als auch in Bezug auf den lebenskräftigen Teil die schlimmen Folgen der doppelten Unwissenheit dramatisch dargestellt und diese als h ä s s l i c h s t e , s c h ä d l i c h s t e u n d s c h m ä h l i c h s t e , den Grund der Verwirrung und den Grund der Verfehlungen bezeichnet1192 und in [diesem] deshalb als Widerlegung betitelten [Abschnitt]1193 ihn aus diesen Gründen auch gedemütigt 10 hat, ermutigt er ihn in dem zweiten Abschnitt aus dem gedemütigten Zustand und erhöht ihn, indem er sagt: „Sei guter Hoffnung, Alkibiades. Du hast in dir etwas Geeignetes für die politische Erkenntnis und für die Verwaltung der Angelegenheiten der Polis, nämlich das Anführende.1194 Daher musst du durch Bemühung viel Vorsorge für dich selbst treffen.“1195 Er ermutigt ihn also in diesem Abschnitt, der ermunternd ist,1196 damit er ihn im letzten Abschnitt,1197 indem er ihm Geburtshilfe leistet, darauf vorbereitet, selber zu sagen, was ein 15 politischer Mensch ist,1198 nämlich die vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. Deshalb ist diese die Definition des politischen [Menschen], denn der kathartische und der theoretische [Mensch] benutzen den Körper 143 nicht als Werkzeug, zumal wenn er für sie zum Hindernis wird.1199 Er aber, als ein träger und ehrliebender Mensch, sagt, dass er sich nicht damit beschäftigen muss, sich um sich selbst zu sorgen, denn er habe weder Feldherren noch erwähnenswerte Gegner vor sich. „Wenn ich nämlich bedeutendere Menschen gegen mich hätte, würde ich mich vielleicht darum kümmern, dass 5 ich sie übertreffe; da ich aber mit niedrigeren [Menschen] zu tun habe, muss ich nicht fürchten, dass sie mich übertreffen. Denn ich bin in der Lage, von meiner eigenen Natur aus sie zu übertreffen.“1200 Die beiden [Ansichten] vertritt er aus diesen Gründen, einerseits weil er sich nicht damit beschäftigen wollte, sich um sich selbst zu sorgen; andererseits damit es nicht so erscheint, dass er deswegen nicht in der Lage ist, die Angelegenheiten der Polis zu verwalten. Sokrates aber trauert um ihn, da er von vornherein seine Mitstreiter für Gegner hält. Denn er 10 hält die athenischen Feldherren für Gegner, obwohl sie seine Mitstreiter sind –

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C. Text und Übersetzung

ἀνταγωνιστὰς οἴεται εἶναι, ὡς εἴ τις κυβερνήτης ὢν νεὼς οἴοιτο τοὺς ναύτας ἀνταγωνιστὰς εἶναι, ἀλλ’ οὐ συναγωνιστάς, καὶ οὐ σὺν τούτοις πρὸς ἄλλους ἀνταγωνιστὰς ἔχειν, πρὸς τὴν τύχην τῆς φορᾶς τῶν ἀνέμων καὶ τῶν πνευμάτων. ὥσπερ γὰρ αἱρούμεθα ὑγιαίνειν καὶ πλουτεῖν, εἰ καὶ μηδεὶς εἰδείη, οὕτω δεῖ ἡμᾶς ἐπιμελεῖσθαι ἑαυτῶν, κἂν μὴ ἔχοιμεν πρὸς οὓς ἀγωνισώμεθα. οὐ γὰρ πρὸς ἑτέρους ἐστὶν ἡ ἀρετὴ ἡμῶν, ἀλλὰ πρὸς ἑαυτούς, καὶ καθ’ ἑαυτήν, ἀλλ’ οὐ πρός τι ἡ ἀρετή. καὶ διὰ τοῦτο οὐ δεῖ πρὸς ἄλλους ἀφορᾶν· καὶ ὅτι εἰ δεῖ πρὸς ἄλλους ἀφορᾶν, οὐ δεῖ πρὸς τοὺς πολλούς, ἀλλὰ πρὸς τοὺς ὀλίγους, καὶ τούτους οὐ φαύλους, ἀλλὰ σπουδαίους. ἐλέγχει δὲ αὐτὸν καὶ κατὰ ἀντιπαράστασιν λέγων ὅτι ‘εἰ καὶ μὴ πολίτας ἔχεις ἀνταγωνιστάς, ἀλλὰ συναγωνιστάς, ἀλλὰ ξένους ἔχεις ἀξίους λόγου, τὸν γὰρ Περσῶν βασιλέα μέγαν καὶ τοὺς Λακεδαιμονίων βα|σιλεῖς, πρὸς οὓς εἴωθεν ἡ τῶν Ἀθηναίων πόλις διὰ παντὸς ἀγωνίζεσθαι, ὡς δηλοῦσι τὰ Περσικὰ καὶ τὰ Πελοποννησιακά· πάτριον δέ ἐστιν Ἀθηναίοις σοφίᾳ νικᾶν’. Ὁ δὲ οὐδὲ οὕτως ἀφίσταται τῆς ῥᾳθυμίας καὶ τοῦ φιλοτίμου ἤθους, ἀλλά φησιν ὅτι οὐδὲ οὗτοι ἄξιοι λόγου εἰσίν. διὸ τοῦ Σωκράτους διὰ τὸ ἐξογκῶσαι τοὺς πολεμίους καλέσαντος ποῦ μὲν ‘ β α σ ι λ έ α μ έ γ α ν ’ , ποῦ δὲ ‘ β α σ ι λ ε ῖ ς Λ α κ ε δ α ι μ ο ν ί ω ν ’ , αὐτὸς ‘ τ ο ὺ ς Λ α κ ε δ α ι μ ο ν ί ω ν ’ φησὶ ‘ σ τ ρ α τ η γ ο ύ ς ’ , ἀντὶ δὲ ‘ μ ε γ ά λ ο υ β α σ ι λ έ ω ς ’ ‘ β α σ ι λ έ α ’ ἁπλῶς. ὁ δὲ Σωκράτης βουλόμενος αὐτὸν ἀπαλλάξαι τῆς τοιαύτης φιλονεικίας καὶ τοῦ ῥᾳθύμου ἤθους ἐλέγχει κατὰ ἔνστασιν καὶ ἀντιπαράστασιν· κατὰ μὲν ἔνστασιν λέγων ὅτι ‘μέγιστοί εἰσιν οἱ πολέμιοι πρὸς οὓς εἴωθεν ἡ πόλις ἀνταγωνίζεσθαι’, κατὰ δὲ ἀντιπαράστασιν ὅτι ‘εἰ καὶ δοίημεν αὐτοὺς μηδενὸς λόγου ἀξίους, ἀλλ’ οὖν δεῖ ἡμᾶς ὑποθέσθαι αὐτοὺς ἀξίους λόγου, ἵνα οὕτως ἀρετῆς ἀντιποιησώμεθα’. καὶ Ἀριστοτέλης μὲν ἐν τῷ Προτρεπτικῷ ἔλεγεν ὅτι ‘εἴτε φιλοσοφητέον, φιλοσοφητέον· εἴτε μὴ φιλοσοφητέον, φιλοσοφητέον· πάντως δὲ φιλοσοφητέον’. Πλάτων δέ φησιν ‘εἴτε ἄξιοι λόγου οἱ Περσῶν βασιλεῖς καὶ Λακεδαιμονίων, φροντιστέον ἀρε|τῆς, ἵνα οὕτως περιεσώμεθα αὐτῶν· εἴτε μὴ τοιοῦτοί εἰσι, δεῖ ὑποθέσθαι αὐτοὺς τοιούτους, ἵνα ἀρετῆς ἀντιποιησώμεθα· πάντως δὲ ἀρετῆς ἀντιποιητέον’. καὶ πάλιν ἐν Θεαιτήτῳ· ‘εἴτε ψεύδεται Πρωταγόρας, ψεύδεται· εἴτε μὴ ψεύδεται, ψεύδεται· πάντως δὲ ψεύδεται’. πολλὰ γὰρ τοιαῦτα ἔχομεν παρὰ τοῖς φιλοσόφοις. καὶ ἔχεις ἐντεῦθεν δόγμα Πλατωνικόν, ὅτι βούλεται οὐχ

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

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wie, wenn jemand der Steuermann eines Schiffes ist und die Seeleute für Gegner hält statt für Mitstreiter, und nicht mit diesen gegen andere Gegner kämpft, [wie] gegen die wechselhafte Bewegung der Winde und Luftzüge. Genau wie 15 wir vorziehen, gesund und wohlhabend zu sein, auch wenn es niemandem bewusst ist, so müssen wir uns um uns selbst sorgen, auch wenn es niemanden gibt, gegen den wir wetteifern können. Denn unsere Tugend bezieht sich nicht auf andere Menschen, sondern auf uns selbst und die Tugend ist gemäß sich selbst, nicht im Verhältnis zu etwas anderem.1201 Aus diesen Gründen also soll man den Blick nicht auf andere richten. Ferner, auch wenn es nötig ist, den Blick auf andere zu richten, ist es nicht nötig, auf die Mehrheit zu [richten], sondern 20 auf die Wenigen, und von diesen nicht auf die Gemeinen, sondern auf die Tugendhaften.1202 Er widerlegt ihn also auch durch einen indirekten Einwand1203, indem er sagt: „Auch wenn du [eigene] Bürger nicht für Gegner hältst, sondern für Mitstreiter, und fremde [Gegner] für erwähnenswert [hältst], nämlich den Großkönig der Perser und die Könige der Lakedaimonier, mit 144 denen die athenische Polis andauernd zu wetteifern gewöhnt ist, wie die Persische und die Peloponnesische Kriege zeigen. Aber bei den Athenern war es der Brauch, durch Weisheit zu siegen.“1204 Er [sc. Alkibiades] aber nimmt trotzdem nicht Abstand von seiner Trägheit und dem ehrliebenden Verhalten, sondern behauptet, dass sogar diese [Men- 5 schen] nicht der Rede wert sind. Deshalb, wobei Sokrates durch Übersteigerung der Feinde, sie mal „g r o ß e n K ö n i g “, mal „K ö n i g e d e r L a k e d a i m o n i e r “ nennt, sagt er [sc. Alkibiades]: „D i e F e l d h e r r e n d e r L a k e d a i m o n i e r “ und anstelle von „G r o ß k ö n i g “ nur „K ö n i g “. Sokrates aber, der ihn von solcher Kampflust und von [seinem] trägem Verhalten 10 befreien wollte, widerlegt ihn mit einem direkten und indirekten Einwand.1205 Einerseits durch den direkten Einwand, indem er sagt: „Sie sind die größten Feinde, mit denen unsere Polis andauernd zu wetteifern gewöhnt ist“, durch den indirekten Einwand andererseits: „Auch wenn wir einräumen würden, dass diese nicht der Rede wert sind, sollen wir doch annehmen, dass sie der Rede wert sind, damit wir folglich die Tugend anstreben“. Auch Aristoteles sagte in der 15 Protreptik: „Wenn Philosophieren notwendig ist, da muss man philosophieren. Wenn aber Philosophieren nicht notwendig ist, muss man [auch] philosophieren. In jedem Fall also muss man philosophieren.“1206 Platon sagt dagegen: „Wenn die Könige der Perser und Lakedaimonier der Rede wert sind, müssen wir für die Tugend sorgen, damit wir sie auf diese Weise übertreffen. Wenn sie nicht 145 solche sind, müssen wir annehmen, dass sie solche sind, damit wir die Tugend anstreben. In jedem Fall muss die Tugend angestrebt werden.“ Und erneut im Theaitetos: „Wenn Protagoras lügt, lügt er. Wenn er nicht lügt, lügt er. Also lügt 5 er in jedem Fall.“1207 Viele solcher [Argumente] finden wir bei den Philosophen.

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C. Text und Übersetzung

ὡς Ἀριστοτέλης τὸν νοῦν ἀρχὴν εἶναι, ἀλλὰ τὸ ἀγαθόν, εἴγε ὁ νοῦς τῷ ψεύδει οὐχ ἱκανὸς γέγονε μεταδοῦναι ἑαυτοῦ, τὸ δὲ ἀγαθὸν καὶ τῷ ψεύδει μεταδέδωκεν ἑαυτοῦ, ἔστι γὰρ ἀγαθὸν ψεῦδος· ὥσπερ ἐνταῦθα τὸ μὴ τὰ ἀληθῆ ὑπολαβεῖν ὡς ἀληθῆ διὰ τὸ ἀγαθόν· νοερὸν δὲ ψεῦδος οὐκ ἔστιν, ὥσπερ ἐστὶν ἀγαθόν. Πέντε δὲ ὄντων τρόπων καθάρσεως οἱ πέντε παραδέδονται ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ ὑπὸ τοῦ Πλάτωνος. ἔστι γὰρ καθαρθῆναι καὶ διὰ τοῦ ἀποφυγεῖν εἰς τεμένη ἢ εἰς διδασκάλους ἢ διὰ τοῦ ἀσχολεῖσθαι ἐντυγχάνοντα βιβλίοις· τοῦτον δὲ τὸν τρόπον παραδέδωκεν, ἡνίκα ἔλεγεν ‘ἀ λλ’, ὦ μακάριε, πειθό μενος ἐμοί τε καὶ τῷ ἐν Δελφ ο ῖ ς γ ρ ά μ μ α τ ι , γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ . βʹ δι’ ἐπιπλήξεως, ὃν παραδέδωκεν ἡνίκα καταδρομῇ ἐχρῆτο, ἐλέγχων αὐτοῦ καὶ τὸ γνωστικὸν διὰ τῆς διπλῆς ἀμαθίας καὶ τὸ ζωτικὸν ἐκτραγῳδῶν καὶ τὰ ἑπόμενα τῇ διπλῇ ἀμαθίᾳ ἐστιν. τρίτος ὁ Πυθαγόρειος, ὃς καὶ σφαλερός, ἄ κ ρ ῳ δ α κ τ ύ λ ῳ ποιῶν ἀπογεύεσθαι τῶν παθῶν, ᾧ καὶ οἱ ἰατροὶ χρῶνται τὸ ‘σμικρῷ χεῖρον’ παραλαμβάνοντες· καὶ τοῦτον δὲ παραδέδωκεν ἐνταῦθα λέγων ὅτι ‘ἔχεις τι ἐπιτήδειον πρὸς τὸ ἄρχειν τῆς πόλεως, τὸ | φύσει ἡγεμονικόν, εἰ βουληθείης τοῦτο διὰ παιδείας ἐπικοσμῆσαι’· διὰ τούτων γὰρ ὕψωσεν τὸ φιλότιμον αὐτοῦ. τέταρτος ὁ Ἀριστοτελικὸς ὁ κακῷ τὸ κακὸν ἰώμενος καὶ τῇ διαμάχῃ τῶν ἐναντίων εἰς συμμετρίαν ἄγων· καὶ τοῦτον δὲ ἐνταῦθα παραδέδωκεν, ποτὲ μὲν διὰ τοῦ ἐγκλητικοῦ καταβάλλων αὐτόν, ἄλλοτε δὲ εἰς ὕψος διὰ προτροπῆς ἀνεγείρων αὐτόν, καὶ οὕτως αὐτὸν ἀπογεννῆσαι ποιῶν τὸν ὁρισμὸν τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης. πέμπτος, ὁ καὶ ἀνυσιμώτατος, ὁ Σωκρατικός, ὁ τῇ τοῦ ὁμοίου μεταβάσει χρώμενος· καὶ τούτῳ δὲ χρῆται ἐνταῦθα λέγων ‘δυνάμεως ἐρᾷς; μάθε τίς ἡ ὄντως δύναμις, ἥτις ἀναφαίρετός ἐστιν ὑπὸ τυράννου· ἡδονῆς ἐρᾷς; μάθε τίς ἡ ὄντως ῥᾳστώνη, ἥτις καὶ παρὰ θεοῖς θεωρεῖται’. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

119A Εἶεν· τί οὖν διανοῇ περὶ σεαυτοῦ; καὶ τὸ ‘ ε ἶ ε ν ’ διεγείροντός ἐστι· ‘τί ποιεῖς;’ ἐπειδὴ ἠλέγχθη καὶ κατὰ τὸ γνωστικὸν κακῶς ἔχων, διπλῇ

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

359

Auch daraus ziehst du den platonischen Grundsatz, dass er nicht wie Aristoteles die Vernunft als das Urprinzip etablieren wollte,1208 sondern das Gute, da die Vernunft doch nicht in die Lage gelangt, der Lüge einen Teil von sich zu geben, das Gute dagegen gab auch der Lüge einen Teil von sich, denn es gibt [eine Art] gute Lüge.1209 Genauso wie an dieser Stelle, die Dinge, die nicht wahr sind, aufgrund des Guten als wahr anzunehmen [sind]. Denn vernunftgemäße Lüge 10 gibt es nicht, so wie es das [vernunftgemäße] Gute gibt. Da es fünf Wege für die Katharsis gibt, werden diese fünf im vorliegenden Dialog von Platon angegeben. Denn es gibt [einen Weg], um die Katharsis zu erreichen, entweder durch die Flucht zu heiligen Orten, zu Lehrern, oder dadurch, dass man sich damit beschäftigt, Bücher zu lesen. Diesen Weg gab er 15 an, als er sagte: „D a r u m , d u S e l i g e r , g e h o r c h e m i r u n d d e m S p r u c h i n D e l p h i u n d e r k e n n e d i c h s e l b s t “.1210 Der zweite [Weg der Katharsis] ist durch heftige Kritik, den er angab, als er Gebrauch von verbalem Angriff machte, indem er ihn widerlegte, sowohl den erkennenden [Teil seiner Seele]1211 wegen seiner doppelten Unwissenheit, als auch den lebenskräftigen [Teil], indem er die Konsequenzen der doppelten Unwissenheit dramatisch darstellte, wie schwerwiegend sie sind. Der dritte Weg ist der 20 pythagoreische, der auch trügerisch ist, da er dazu bringt, die Affekte m i t d e r F i n g e r s p i t z e zu kosten, den auch die Ärzte gebrauchen, indem sie das „kleinere Übel“ übernehmen.1212 Auch diesen [Weg] gab er hier an, indem er sagt: „Du hast etwas Geeignetes, um über die Polis zu herrschen, das Anfüh- 146 rende1213 in deiner Natur, wenn du bereit wärest, das durch die [philosophische] Bildung zu verzieren.“1214 Durch diese [Aussagen] nämlich erhob er seine ehrliebende Eigenschaft. Der vierte [Weg] ist der aristotelische, der ein Übel mit einem anderen Übel heilt und den Streit der gegensätzlichen Elemente ins Gleichgewicht bringt.1215 Auch diesen gab er hier an, indem er ihn bald durch 5 eine Anklage demütigt, bald durch Ermunterung ihn wieder aufrichtet und auf diese Weise ihn dazu bringt, die Definition der politischen Erkenntnis hervorzubringen.1216 Der fünfte und der wirksamste [Weg ist] der sokratische, der von einer Übertragung des Gleichen Gebrauch macht.1217 Und von diesem [Weg] macht er hier Gebrauch, indem er sagt: „Du begehrst Macht? Lerne, was die wahre Macht ist, die ein Tyrann nicht wegnehmen kann. Du begehrst Ver- 10 gnügen? Lerne, was die wahre Unbeschwertheit ist, die sogar bei den Göttern beobachtet wird.“1218 Das hat die Theorie. 119A [So] sei es. Was hast du jetzt mit dir selbst vor? Auch „s e i e s “ ist die Aussage einer erweckenden Person. [Er sagt]: „Was machst du?“, weil er widerlegt wurde und sich sowohl in Bezug auf den erkennenden [Teil] im schlechten Zustand befand, da er zweifach ungebildet war, als auch in Bezug auf

360

15

C. Text und Übersetzung

γὰρ ἀμαθαίνων, καὶ κατὰ τὸ ζωτικόν, διὰ τοῦ δειχθῆναι πόσων κακῶν ἐστὶν αἰτία ἡ διπλῆ ἀμαθία. 119B Ὁ δέ φησιν ‘κοινὴ βουλή’, ἀντὶ τοῦ ‘κοινῶς βουλευσώμεθα, τί ὃ ὀφείλω ποιῆσαι’· τὸ ποιητικὸν λέγων ‘χρειὼ βουλῆς ἐμὲ καὶ σέ, διοτρεφές’.

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147

5

10

15

καὶ τέως ἀπηλλάγη τῆς διπλῆς ἀμαθίας καὶ ἦλθεν ἐπὶ ἁπλῆν. οὔτε γὰρ ὁ διπλῇ ἀμαθαίνων βουλεύεται οὔτε ὁ ἐπιστήμων. ὁ γὰρ τεχνίτης ὡς τεχνίτης οὐ βουλεύεται· εἰ γὰρ καὶ βουλεύεται ὁ τέκτων, οὐχ ὡς τέκτων, ἀλλ’ ὡς ἄνθρωπος· ἔνδεια γὰρ φρονήσεώς ἐστιν ἡ βουλή· περὶ ὧν γὰρ οὐκ οἶδέν ἐστιν ἡ βουλή. καὶ λοιπὸν ἀπογυμνοῖ τὰ οἰκεῖα πάθη, τὸ ῥᾴθυμον καὶ φιλότιμον, καί φησιν ὅτι ‘πάντες πλὴν ὀλίγων οἱ τὰ τῆς πόλεως διοικοῦντες ἀπαίδευτοί εἰσι’ (τὸ δὲ ‘πλὴν ὀλίγων’ διὰ Περικλέα), ‘οὐ πρὸς | μεγάλους οὖν ἡμῖν ὁ ἀγών’. Μαθόντα καὶ ἀσκήσαντα: μάθησις λέγεται ἐπὶ λόγου, ἄσκησις δὲ ἐπὶ τῶν ἀλόγων ζῴων, διότι δι’ ἐπιμελείας καὶ ἀσκήσεως ταῦτα τιθασεύεται. Καὶ μανθάνοντα πράγματα ἔχειν: ‘ π ρ ά γ μ α τ α ἔ χ ε ι ν ’ καὶ κατὰ τὸν λόγον καὶ κατὰ τὸ ἄλογον, καὶ ἁπλῶς κατὰ πᾶσαν ἡμῶν τὴν οὐσίαν. ‘οἶδα γὰρ ὅτι’, φησί, ‘τῇ φύσει τούτων περιέσομαι’. καὶ ἰδοὺ πῶς θαυμαστῶς ὑπογράφει ἄμφω τὰ πάθη τοῦ νέου.

119C Βαβαί, οἷον, ὦ ἄριστε, τοῦτο εἴρηκας· ὡς ἀνάξιον τῆς ἰδέας: πάλιν ἀποδύρεται ὁ Σωκράτης τὸν νέον καὶ ἑαυτὸν καὶ σχετλιάζει λέγων ὅτι ‘ἀ γ α ν α κ τ ῶ ὑ π ὲ ρ σ ο ῦ κ α ὶ ὑ π ὲ ρ ἐ μ α υ τ ο ῦ · ὑπὲρ σοῦ μέν, διότι σμικροπρεπὴς ὑπάρχεις, ὑπὲρ ἐμαυτοῦ δέ, διότι σμικροπρεποῦς ἐρῶ’. τὸ δὲ ‘ ο ἶ ο ν τ ο ῦ τ ο ε ἴ ρ η κ α ς ’ τὸ ποιητικὸν πάλιν παρῳδεῖ ‘ποῖόν σε ἔπος φύγεν ἕρκος ὀδόντων;’

καὶ τὸ ‘κ α ί τ ι ἔ πο ς πρ οσέ η κε ν ὅ π ε ρ τ’ ἄ ρρητον ἄ μεινον’.

146, 18 Olymp. χρειὼ / χρεὼ Hom. Il. X,43. 147, 11 Olymp. om. τε post ὑπὲρ, cf. Plat. Alc. 119c7. 11 Olymp. ὑπὲρ / τοῦ Plat. Alc. 119c7. 17 Olymp. προσέηκεν / προέηκεν Hom. Od. 14,466.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

361

den lebenskräftigen [Teil], da aufgezeigt wurde, dass die doppelte Ungebildetheit die Ursache für so viele und große Übel ist.1219 119B Er sagt darauf „gemeinsame Beratung“ statt „Lass uns gemeinsam darüber beraten, was ich machen soll“. Dabei spricht er wie das Gedicht:

15

„E i n e s R a t s b e d a r f e s f ü r m i c h u n d f ü r d i c h , Z e u s g e n ä h r t e r “1220

Während er sich bisher von der doppelten Ungebildetheit entfernte, gelangt er jetzt in die einfache [Ungebildetheit]. Weder ein doppelt Ungebildeter noch ein 20 Sachkundiger berät sich [über etwas]. Denn ein Fachmann berät sich nicht als Fachmann. Auch wenn ein Baumeister sich berät, macht er das nicht als Baumeister, sondern als Mensch. Die Beratung ist nämlich [ein Zeichen] des Mangels an Sachverstand. Denn die Beratung geht darum, was man nicht weiß. Im Folgenden entkleidet er [sc. Alkibiades] sich von seinen eigenen Affekten, nämlich der Trägheit und der Ehrliebe, und sagt: „Ausgenommen von wenigen 25 sind alle, die die Angelegenheiten unserer Polis verwalten, ungebildet,“ (mit „ausgenommen von wenigen“ meint er Perikles), „daher messen wir uns nicht 147 mit bedeutenden Menschen“. Man muss lernen und einüben1221: Lernen sagt man hinsichtlich der Vernunft, Einübung dagegen hinsichtlich der vernunftlosen Wesen, da diese durch Sorge und Einübung gezähmt werden.1222 Und sich mit Lernen zu beschäftigen1223: „S i c h z u b e s c h ä f t i g e n “ 5 bezieht sich sowohl auf die Vernunft als auch auf das Unvernünftige und grundsätzlich auf unser gesamtes Wesen. „Denn ich weiß“, sagt er, „dass ich mit [meiner] natürlichen Begabung diese übertreffen werde“. Siehe auch, wie bewundernswert er beide Affekte des Jünglings beschreibt. 119C Wehe, mein Bester, was hast du da gesagt! Wie unwürdig [deines] Aussehens1224: Erneut trauert Sokrates um den Jüngling und um sich selbst und 10 auch klagt er mit der Aussage: „I c h b i n w ü t e n d a u f d i c h u n d a u f m i c h s e l b s t . 1 2 2 5 Auf dich, weil du kleinlich bist; auf mich aber auch, weil ich eine kleinliche Person liebe.“ Die Aussage „W a s h a s t d u d a g e s a g t “ spielt wiederum auf diesen Vers an: “W a s f ü r e i n W o r t e n t f l o h d e m G e h e g e d e i n e r Z ä h n e “1226

Und auf diesen: „U n d m a n c h e s W o r t h e r v o r t r e i b t , d a s g l e i c h w o h l u n g e s a g t b e s s e r w ä r e “1227

15

362

C. Text und Übersetzung

τὸ δὲ ‘ ἀ ν ά ξ ι ο ν τ ῆ ς ἰ δ έ α ς ’ τουτέστιν ‘ε ἶ δ ο ς ἔπεστιν, ἀλλ’ οὐκ ἔστιν βίη φρεσὶν οὐδέ τις ἀλκή’. 20

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119D Πῶς δὴ λέγεις; οὐ πρὸς τούτους μοι ὁ ἀγών; ὁ Ἀλκιβιάδης ἐρωτηματικῶς τοῦτο προάγει· ‘οὐ πρὸς τοὺς τῆς πόλεώς ἐστιν ὁ ἀγών;’ ὁ δέ φησιν ὅτι ‘εἰ ἠβούλου τριήρη κυβερνᾶν, ἆρ’ ἂν πρὸς τοὺς συνναύτας ἦν σοι ὁ ἀγών; ἢ τούτους μὲν ἔχων συναγωνιστὰς πρὸς ἄλλους ἐποιοῦ τὸν ἀγῶνα, οἶον πρὸς τὴν τύχην τῆς φορᾶς τῶν ἀνέμων καὶ τῶν κυμάτων;’ ἐπίτηδες δὲ ὁ Πλάτων τῇ τριήρει ἐχρήσατο παραδείγματι, ἀλλ’ οὐ τῇ τυχούσῃ νηΐ, διότι πρὸς τὸ πολεμεῖν ἐστὶν αὕτη ἐπιτηδεία. 119E Ἆρά σοι | ἄξιον ἀγαπᾶν εἰ τῶν στρατιωτῶν: οὐ γὰρ δεῖ τὸν στρατηγὸν ἁμιλλᾶσθαι πρὸς τοὺς στρατιώτας, ὅπως βελτίων αὐτῶν γένηται, ἀλλὰ τούτους συναγωνιστὰς ἔχειν, πρὸς δὲ τοὺς πολεμίους ἀνταγωνίζεσθαι μετ’ αὐτῶν. 120A Ἀλλὰ πρὸς Μειδίαν σε δεῖ τὸν ὀρτυγοκόπον: ὁ Μειδίας οὗτος ὀρτυγοκόπος ἤκουεν ὅτι τοὺς ὄρτυγας μαχίμους ἔτρεφεν. ἅμα δὲ καὶ πληκτικὸν τοῦτο πρὸς τὸν Ἀλκιβιάδην, διότι φασὶν Ἀλκιβιάδου ποτὲ ἐφ’ ὑψηλοῦ βήματος συνηγοροῦντος ἀποπτῆναι ἐξ αὐτοῦ ὄρτυγα. Μειδίαν δέ φησιν οὐ τὸν δόντα Δημοσθένει τὸν κόνδυλον· οὗτος γὰρ ἐκείνου προγενέστερος ἦν. 120B Ἔτι τὴν ἀνδραποδώδη, φαῖεν ἂν αἱ γυναῖκες, τρίχα ἔχοντες: παροιμία ἐστὶ γυναικῶν ἐπὶ τῶν ἐλευθερουμένων δούλων καὶ ἐπιμενόντων ἐν τῇ δουλείᾳ, ὅτι ‘ἔχεις τὴν ἀνδραποδώδη τρίχα ἐν τῇ κεφαλῇ’, τουτέστιν ‘ἔτι τὴν δουλικὴν τρίχα ἔχεις’. πάλαι γὰρ καὶ τοῖς | ὀνόμασι διεκέκριντο οἱ ἐλεύθεροι τῶν δούλων καὶ ταῖς θριξί, Γέται γὰρ καὶ Δάοι καὶ Φρύγες ὠνομάζοντο· νῦν δὲ καὶ ταῦτα συνεχύθησαν. ὁ δὲ ἀντὶ τοῦ εἰπεῖν ‘ἐν τῇ κεφαλῇ’ | φησὶν ὅτι ‘ τ ὴ ν ἀ ν δ ρ α π ο δ ώ δ η τ ρ ί χ α ἔχεις ἐν τ ῇ ψυχῇ ὑπὸ ἀμο υσίας’. 120C Καὶ πᾶσαν παρασκευὴν παρασκευασάμενον: τουτέστιν ὅτι δεῖ φροντίδα ποιήσασθαι καὶ τῶν ὀργάνων, δόρατος καὶ ἀσπίδος, τῶν πρὸς τὰ πολεμικὰ συμβαλλομένων· 147, 20 Olymp. add. δὴ, cf. Plat. Alc. 119d3. 148, 1 Olymp. Ἆρά / Πάνυ Plat. Alc. 119e5.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

363

Ferner die [Aussage] „u n w ü r d i g d e i n e s A u s s e h e n s “ bedeutet: „Ä u ß e r e s ist an dir D o c h n i c h t i s t K r a f t i m I n n e r n u n d n i c h t s v o n S t ä r k e ! “.1228

119D Wie meinst du das? Sind sie es denn nicht, mit denen ich 20 konkurriere?1229 Alkibiades setzt es auf fragende Weise fort: „Ist meine Herausforderung nicht gegen die Bürger [unserer] Polis?“ Er [sc. Sokrates] aber sagt darauf: „Wenn du eine Triere steuern wolltest,1230 würdest du etwa mit den Seeleuten konkurrieren? Oder würdest du diese als Mitstreiter haben und gegen andere kämpfen, [wie] gegen wechselhafte Bewegung der Winde und Wellen?1231“. Auf geeignete Weise verwendete Platon das Beispiel der Triere1232, 25 und nicht eines beliebigen Schiffes, da dieses geeignet für den Gebrauch im Krieg ist. 119E Ist es deiner würdig, zufrieden damit zu sein, wenn [du besser 148 bist] als die einfachen Soldaten1233: Denn ein Feldherr soll nicht gegen seine Soldaten wetteifern, um möglichst besser zu sein als sie, sondern [er soll] diese als Mitstreiter haben und mit ihnen gegen die Feinde antreten. 120A Sondern musst du auf Meidias, den Wachtelzüchter [achten]1234: 5 Dieser Meidias wurde Wachtelzüchter genannt, da er kampffähige Wachtel züchtete.1235 Gleichzeitig war es ein Seitenhieb gegen Alkibiades, da man erzählt, dass, als Alkibiades einmal auf der hohen Rednertribüne eine Rede hielt, aus seinen [Kleidern] eine Wachtel entflog.1236 Mit Meidias meint er nicht denjenigen, der dem Demosthenes eine Ohrfeige gab.1237 Denn dieser [Meidias] war früher geboren als jener.1238 10 120B Obwohl sie noch, wie die Frauen sagen würden, die sklaveneigene Haartracht haben1239: Es ist eine Redewendung unter Frauen, über die befreiten Sklaven und über die in der Sklaverei Bleibenden, nämlich, „Du hast die sklaveneigene Haartracht auf deinem Kopf “, das heißt, „Du hast noch 149 sklavische Haartracht“.1240 Denn früher waren sowohl durch ihren Namen als auch durch ihren Haarschnitt die freien Menschen von den Sklaven unterschieden, die Namen wie Geta, Daos oder Phyrix hatten.1241 Jetzt allerdings sind auch diese durcheinander gekommen.1242 Statt „auf dem Kopf “ zu sagen, sagt er 150 „d u h a s t d i e s k l a v e n e i g e n e H a a r t r a c h t i n d e i n e r S e e l e a u f g r u n d m a n g e l n d e r K u l t u r “.1243 120C Und nachdem du dich in jeder Hinsicht vorbereitet hast1244: Das heißt, wir müssen sogar auf die Werkzeuge achtgeben, nämlich auf den Speer und das Schild, die mit den feindlichen Truppen zusammenstoßen: 5

364

C. Text und Übersetzung

‘εὖ μέν τις δόρυ θηξάσθω, εὖ δ’ ἀσπίδα θέσθω’·

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καὶ μὴ ἀμελεῖν, ἵνα τοῦτο δὴ ‘ ἐ ν π ί θ ῳ τ ὴ ν κ ε ρ α μ ε ί α ν ’ καὶ τὴν τῶν πολεμικῶν ἐπιστήμην ἐκμάθωμεν. οὕτω δὲ καὶ οἱ Ἀθηναῖοι ἀμελεῖς ὄντες τύχῃ μᾶλλον ἢ παρασκευῇ τοὺς πολέμους μετήρχοντο, οἱ δὲ Λακεδαιμόνιοι σπουδῇ μᾶλλον καὶ ἀσκήσει κατώρθουν. Τούς τε Λακεδαιμονίων στρατηγούς: ἰδοὺ ἀντὶ μὲν ‘ β α σ ι λ έ ω ν ’ ‘ σ τ ρ α τ η γ ο ὺ ς ’ τούτους φησίν, ἀντὶ ‘ μ ε γ ά λ ο υ ’ δὲ ‘ β α σ ι λ έ ω ς ’ ‘βασιλέα τὸν Πέρσην’. Ποτέρως ἂν οἴει σαυτοῦ μᾶλλον ἐπιμεληθῆναι: ἰδοὺ τῇ ἀντιπαραστάσει κέχρηται, ὅτι εἰ καὶ μή εἰσιν τῷ ὄντι ἄξιοι λόγου, ἀλλ’ οὖν δεῖ αὐτοὺς τοιούτους οἰηθῆναι, ἵνα ἐπιμέλειαν ἑαυτῶν ποιησώμεθα.

Πρᾶξις σὺν θεῷ ιζʹ

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120D-122B Πότερον εἰκὸς ἀμείνους γενέσθαι φύσεις ἐν γενναίοις γένεσιν ἢ μή; Ἔδει μὲν τὸν Ἀλκιβιάδην κατὰ τὴν ὑφήγησιν τοῦ Σωκράτους, εἰ καὶ μὴ ἦσαν ἄξιοι λόγου οἱ ἀνταγωνισταί, ὑποθέσθαι αὐτοὺς τοιούτους, ἵνα πολλὴν φροντίδα ποιήσηται τοῦ ἀρετῆς ἀντιποιήσασθαι. ὁ δὲ ὡς ῥᾴθυμος, καίτοι ἀξίους λόγου ὄντας, ὅμως οὐχ ὑποτίθεται αὐτοὺς τοιούτους ὄντας, ἵνα μὴ πράγματα ἔχῃ ἑαυτοῦ ἐπιμελόμενος. διὸ καὶ κατασκευάζει ὁ Σωκράτης ὅτι κρείττους εἰσὶ Λακεδαιμόνιοι καὶ Πέρσαι Ἀλκιβιάδου. καὶ δείκνυσι τοῦτο ἀπὸ τεσσάρων ἐπιχειρημάτων· ἀπὸ γένους (συμπαραλαμβάνει δὲ ἐν τῷ γένει καὶ τὴν πατρίδα, γένος γὰρ καὶ ἡ πατρίς, ὡς ὁ Πορφύριός φησιν), ἀπὸ γενέσεως, ἀπὸ τροφῆς, ἀπὸ παιδείας· καὶ ταύτης διττῆς, ἢ προπαιδείας ἢ παιδείας. ἀπὸ μὲν γένους, ὅτι ‘ἐκεῖνοι ἀπὸ Διὸς κατάγονται, σὺ δὲ ἐξ ἀνθρώπων’· ἦν γὰρ Περσεὺς Διὸς καὶ Δανάης, Περσέως δὲ καὶ Ἀνδρομέδας τῆς κατ’ οὐρανὸν Ἀχαιμένης, διὸ καὶ οἱ Πέρσαι Ἀχαιμενίδαι λέγονται. ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης φησὶν καὶ αὐτὸς ἐκ Διὸς κατάγεσθαι, ἦν γὰρ ἀνέκαθεν Αἰακίδης. ὁ δὲ Σωκράτης ἀστεϊζόμενος καὶ ἑαυτόν φησι Δίϊον εἶναι, διότι Δαιδάλου ἦν ἀπόγονος, ὁ δὲ Δαίδαλος Ἡφαίστου τοῦ τοῦ Διὸς ὑπῆρχεν. Δαιδάλου δὲ ἔλεγεν ἑαυτὸν εἶναι διότι πρῶτος ὁ Δαίδαλος τῶν ἀγαλμάτων συνηγμένους ἐχόντων τοὺς πόδας διέστησεν, σύμβολον δηλῶν βαδίσεως 150, 18 Olymp. γενέσθαι / γίγνεσθαι Plat. Alc. 120d13.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

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„G u t s c h ä r f e j e d e r d e n S p e e r , g u t r i c h t e e r d e n S c h i l d h e r “1245

und nicht vernachlässigen, damit [wir] es wahrlich [wie] „d i e T ö p f e r k u n s t a m V o r r a t s g e f ä ß “1246 und aus der Erkenntnis der Feinde gründlich lernen. Auf diese Weise also stürzten sich die Athener auf ihre Feinde, indem sie nachlässig waren, vielmehr mit Hilfe des Glücks als mit einer Vorbereitung, wobei die Lakedaimonier mit Disziplin1247 und Einübung erfolgreich waren. Die Feldherren der Lakedaimonier1248: Siehe, dass er zum einen diese „F e l d h e r r e n “ nennt statt „K ö n i g e “, zum anderen „P e r s i s c h e r K ö n i g “ statt „G r o ß k ö n i g “. Auf welche Weise meinst du, dich mehr um dich zu sorgen1249: Siehe, wie er hier einen indirekten Einwand benutzt, dass, auch wenn diese nicht der Rede wert sind, trotzdem man sie für solche halten muss, damit wir uns um uns sorgen können.

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Unterricht 17 mit Gottes Hilfe 120D–122B Ist es plausibel, dass bessere Naturen aus edlen Geschlechtern hervorgehen, oder nicht?1250: Alkibiades musste unter Anleitung von Sokrates, auch wenn seine Gegner 20 nicht der Rede wert wären, sie für solche annehmen, damit er große Acht darauf gibt, die Tugend anzustreben. Da er aber träge ist, obwohl sie wirklich der Rede wert sind, trotzdem nimmt er sie nicht als solche an, um sich nicht damit 151 beschäftigen zu müssen, sich um sich selbst zu sorgen. Auch deshalb stellt Sokrates fest, dass die Lakedaimonier und die Perser überlegen zu Alkibiades sind. Dann zeigt er das ausgehend von vier dialektischen Beweisen1251: Ausgehend von derAbstammung (er schließt auch die Herkunft in derAbstammung mit ein, denn die Abstammung ist auch die Herkunft, wie Porphyrios sagt1252), 5 von der Geburt, von der Erziehung, von der Bildung. Das [letzte] ist zweierlei: die vorbereitende Bildung und die Bildung.1253 Ausgehend von der Abstammung [argumentiert er], nämlich: „Sie leiten [ihre Abstammung] von Zeus ab, du dagegen von Menschen“.1254 Denn Perseus war [der Sohn] von Zeus und Danae, von Perseus und Andromeda, die am Himmel ist1255, [stammte] Achaimenes [ab]1256 und deshalb werden die [Könige der] Perser Achaimeniden genannt. Dagegen sagt Alkibiades, dass auch er von Zeus abstammt, denn er war 10 ursprünglich Nachkomme des Aiakos. Darauf sagt Sokrates scherzhaft, dass auch er selbst von Zeus abstammt, da er Nachkomme von Daidalos war, und Daidalos stammte von Hephaistos, dem [Sohn] des Zeus, ab. Er sagte, dass er von Daidalos abstammt, da zuerst Daidalos die Füße der Götterstatuen, bei

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C. Text und Übersetzung

καὶ τοῦ αὐτοκινήτου· καὶ Σωκράτης δὲ πρῶτος τοὺς ἀνθρώπους αὐτοκινήτους ἐποίησεν μὴ ἐάσας αὐτοὺς διὰ διδαχῆς ἐπιστήμας εἰδέναι, ἀλλὰ διὰ μαιείας καὶ εὑρέσεως, διὰ | τούτου αὐτοκινήτους αὐτοὺς ποιήσας. καί φησιν ὅτι ‘ἡμεῖς μέν, εἰ καὶ ἐκ Διὸς καταγόμεθα κἀκεῖνοι, ἀλλ’ οὐχ ὁμοίως ἐπ’ ἀμφοῖν τὸ γένος ἐστίν· ἡμεῖς μὲν ἐξυδαρώσαμεν τὸ ἡμέτερον γένος ταῖς μεταξὺ γενεαῖς καὶ μὴ φυλάξαντες ἀκέραιον τοῦτο, ἐκεῖνοι δὲ οὐχ οὕτως, ἀλλ’ ἀνόθευτον τοῦτο τετηρήκασι τῇ διαδοχῇ τοῦ γένους ὄντες βασιλεῖς’. λοιπὸν δὲ καὶ ἀπὸ πατρίδος ὡς ἀπὸ γένους κατασκευάζει ὅτι κρείττους ἐκεῖνοι· φησὶν ὅτι ‘οὐκ Ἀθηναῖος εἶ τὸ ἀνέκαθεν, ὦ Ἀλκιβιάδη, εἴγε ἐξ Αἰακοῦ τὸ γένος εἴληφας· ἦν γὰρ Αἰγινήτης ὁ Αἰακός, καὶ ὁ Αἴας ἐκ Τελαμῶνος Σαλαμίνιος ἦν καὶ Εὐρυσάκης ἐκ τούτου γενόμενος’· καὶ ὅτι ‘ἄδηλον μὴ οὐχ ὑπάρχεις Δίϊος, ἀλλὰ μοιχίδιος, διότι ἀπαραφύλακτοί εἰσιν αἱ Ἀθηναίων γυναῖκες’· αἱ δὲ τῶν Λακεδαιμονίων ἐφυλάττοντο, ὡς ἐδήλωσεν ἡ πάντολμος κωμῳδία λέγουσα ‘Λα κωνικὴ κλείς ἐ στι κο ὐ πε ριο ισ τέ α ’.

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ἐφυλάττοντο δὲ διότι χρησμὸν ἔλαβον | οἱ Λακεδαιμόνιοι ἀτυχήσειν, εἰ προβάλοιντο βασιλέα χωλὸν τῷ γένει, τουτέστι μὴ ὄντα ἐκ τῶν Ἡρακλειδῶν. διὸ Λεωτυχίδου βασιλεύσαντος Λακεδαιμονίων ἐπιμοιχιδίου ὄντος κατόπιν ἔπραξαν Λακεδαιμόνιοι· ὁ γὰρ Ἀλκιβιάδης λακωνίσας συνεγένετο τῇ τούτου μητρί, γυναικὶ τοῦ Ἄγιδος, ὅθεν ἐγένετο. παρὰ δὲ Πέρσαις οὐδὲ ἠξίουν φυλάττειν ἀρκούμενοι φυλακῇ τῷ δέει τῶν ἑπομένων κολάσεων. καὶ οὕτω μὲν ἀπὸ γένους· ἀπὸ δὲ γενέσεως, ὅτι παρὰ μὲν Πέρσαις ἐκ πρώτης ἀφετηρίας καὶ πρώτης βαλβῖδος συναίσθησιν παρέχει τῆς ἑαυτοῦ βασιλείας ὁ μέλλων βασιλεῦσαι πᾶσι τοῖς ὑπηκόοις. νόμος γὰρ ἦν τὸν πρεσβύτερον βασιλεύειν· εὐθὺς γοῦν θύουσιν αὐτῷ καὶ σπένδουσιν τιμῶντες ὡς θεὸν Πέρσαι τε καὶ πᾶσα ἡ Ἀσία (ἦν γὰρ πρὸ Ἀλεξάνδρου ὑπὸ Πέρσας πᾶσα ἡ Ἀσία)· Ἀλκιβιάδου δὲ τεχθέντος οὐδὲ τοῖς γείτοσι συναίσθησις γίνεται. ἀπὸ δὲ τῆς τροφῆς, ὅτι ‘παρ’ ἐκείνοις μὲν τεχθέντος τοῦ βασιλέως εὐθὺς ἐν τοῖς

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denen diese zusammengefügt waren, voneinander trennte und dadurch das Zeichen des Schreitens und der Selbstbewegung verdeutlichte.1257 Auch Sokra- 15 tes machte als Erster die Menschen selbstbewegend, da er ihnen nicht erlaubte, durch Unterricht Fachkenntnisse zu erwerben, sondern durch die Geburtshilfe und durch [selbstständiges] Finden, dadurch machte er sie selbstbewegend. 152 Ferner sagt er: „Wir aber, auch wenn wir von Zeus abstammen wie jene [sc. Perser], verhält sich das Geschlecht nicht auf gleiche Weise in beiden Fällen: Wir einerseits haben unser Geschlecht mit den dazwischenkommenden Generationen und indem wir es nicht unvermischt behielten geschwächt, sie dagegen 5 haben es nicht so [getan], sondern unverfälscht durch die Nachfolge des Geschlechts bewahrt, denn sie sind Könige.“1258 Ferner stellt er fest, dass jene auch aufgrund ihres Grundbesitzes wie aufgrund ihrer Abstammung stärker sind. Er sagt: „Du bist nicht ursprünglich Athener, Alkibiades, wenn du deine Abstammung von Aiakos ableitest. Denn Aiakos war aus Ägina, und Aias1259, [Sohn] des Telamon, war aus Salamis sowie Eurysakes, der von diesem 10 abstammt.“1260 Außerdem: „Es ist unklar, ob du doch nicht von Zeus abstammst, sondern von einem Ehebruch1261, da die athenischen Frauen unbewacht sind.“ Die lakedaimonischen Frauen aber waren überwacht, wie die wagemutige Komödie mit dieser Aussage verdeutlichte: „L a k o n i s c h e r S c h l ü s s e l i s t e s , u n d n i c h t u m h e r u m z u t r a g e n “.1262

Sie wurden also überwacht, da die Lakedaimonier einen Orakelspruch erhalten 153 haben, dass sie Unglück haben werden, wenn sie einen König vorsetzen, der lahm1263 in seiner Abstammung ist, das heißt, nicht von den Herakleiden abstammt.1264 Deshalb als Leotychidas König der Lakedaimonier wurde, obwohl er ein außereheliches Kind war1265, haben die Lakedaimonier nachhinein die Erfahrung gemacht.1266 Denn als Alkibiades in Lakonien war, vereinigte er sich 5 mit der Mutter dieses Mannes, der Frau des Agis, von dem er gezeugt wurde.1267 Bei den Persern dagegen legten sie keinen Wert darauf, [Frauen] zu bewachen, da sie die Angst vor folgenden Strafen als Wache ausreichend fanden.1268 Das ist also ausgehend von derAbstammung.1269 Ausgehend von der Geburt ferner, dass bei den Persern der zukünftige König vom ersten Ausgangspunkt und vom ersten Schritt an die Mitwahrnehmung seiner königlichen Herrschaftsgewalt allen seinen Untertanen gewährt. Denn es war ein Gesetz [bei ihnen], dass der 10 ältere [Sohn] König wird. Sofort also bringen die Perser und das gesamte Asien ihm Tier- und Trankopfer dar und verehren ihn wie einen Gott (denn vor Alexander war das ganzeAsien unter persischer Herrschaft). Als aberAlkibiades geboren wurde, haben es nicht mal seine Nachbarn wahrgenommen.1270 [Das Argument] ausgehend von der Erziehung [ist]: „Wenn bei ihnen [sc. Persern]

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βασιλείοις ἐπεμελοῦντο οἱ δοκοῦντες ἄριστοι τῶν εὐνούχων καὶ τὰ τούτου μόρια εἰς κάλλος διαπλάττουσι, γρυπὴν καὶ τὴν ῥῖνα ποιοῦντες, ἐνδεικνύμενοι τὸ ἡγεμονικὸν εἶναι καὶ βασιλικὸν τὸν παῖδα’. (οὕτω γὰρ καὶ ὁ ἀετὸς γρυπός ἐστιν, ὡς βασιλικός· καὶ διὰ Κῦρον δὲ τοῦτο ἐπετήδευον γρυπὸν γενόμενον, ὃς βασιλικώτατος ἦν καὶ πραότατος.) ‘σὺ δὲ τεχθεὶς ὑπὸ Θρᾴττης ὠνητῆς τὴν ἐπιμέλειαν εἶχες, ἥτις οὐδὲν ἐφρόντισεν τοῦ κάλλους τοῦ σοῦ· οὐδὲν γὰρ ἔχεις πλείω ὧν ἡ φύσις ἐδωρήσατό σοι’. ἀπὸ δὲ παιδείας, ὅτι ‘ἐκεῖνοι καὶ προπαιδεύονται καὶ παιδεύονται μετὰ γὰρ ἕβδομον ἔτος διδάσκονται θήρας ποιεῖσθαι οὐκ ἰχθύων οὐδὲ πτηνῶν, ἀλλὰ τετραπόδων· ἐν δὲ τῇ δευτέρᾳ ἑβδομάδι τέσσαρας παιδαγωγοὺς τούτοις ἀφορίζουσιν, καὶ ὁ μὲν αὐτοῖς σοφίαν διδάσκει, ὁ δὲ δικαιοσύνην, ὁ δὲ ἀνδρείαν, ὁ δὲ σωφροσύνην’. (ταύτῃ γὰρ ὁ Ξενοφῶν ἱστορεῖ περὶ τῆς Περσῶν παιδείας.) ‘σὺ δὲ οὐδὲν τούτων ἔμαθες, εἰ μὴ γράμματα, κιθαρίζειν, παλαίειν, Περικλέους τάξαντός σοι παιδαγωγὸν Ζώπυρον ἀνάπηρον ὄντα τὸ σῶμα καὶ ἀχρεῖον | ὑπὸ γήρως· ὃν εἰ μὴ τοιοῦτος ἦν, οὐδὲ αὐτῷ ἄν σοι ἐπέστησε καὶ παρέσχεν’. Ἀλλ’ ἆρα ποίας ἀρετὰς ἐπαιδεύοντο οἱ Πέρσαι; φαμὲν ὅτι οὐ τὰς φυσικάς, αὗται γὰρ ἀδίδακτοί εἰσιν· οὐδὲ μὴν τὰς πολιτικάς, ἐπεὶ οὐκ ἂν ἔλεγεν ὅτι ὁ μὲν τόδε, ὁ δὲ τόδε διδάσκει, ἀλλὰ πάσας εἷς μόνος ἱκανὸς ἦν διδάξαι, διότι αὗται ἀντιστρέφουσιν ἀλλήλαις· ἀλλὰ τὰς ἠθικάς, αὗται γὰρ καὶ παιδεύονται καὶ οὐκ ἀντιστρέφουσιν. ἀλλὰ πῶς ἂν ἀληθεύσοι ὁ Πλάτων νῦν μὲν λέγων αὐτοὺς σοφίαν παιδεύεσθαι, ἐφεξῆς δὲ λέγων τῷ Ἀλκιβιάδῃ ὅτι ‘δεῖ σε ἐπιμελήσασθαι σαυτοῦ, πάτριον γὰρ τῇ πόλει σοφίᾳ νικᾶν’; εἰ οὖν κἀκεῖνοι σοφίαν ἐπαιδεύοντο, διὰ τί κατ’ ἐξαίρετον περὶ τῶν Ἀθηναίων φησίν; ἢ δύναται ἀληθεύειν ὁ λόγος καὶ μὴ ἀληθεύειν κατ’ ἄλλον καὶ ἄλλον χρόνον. οὐδὲ γὰρ ἄτοπον πάλαι μὲν τοιαύτην πολιτείαν αὐτοὺς ἔχειν, ἐπὶ δὲ τῶν χρόνων Σωκράτους μεταπεσεῖν, καὶ μὴ δυσχερὲς εἶναι τὸ ἐπεγκαλέσασθαι τὴν πολιτείαν ταύτην. διὸ οὔτε τὸ ἀπὸ τοῦ γένους ἀληθὲς ἦν· ὁ γὰρ Δαρεῖος ἐβασίλευσεν αὐτῶν διὰ χρεμετισμοῦ ἵππου μὴ ὢν Ἀχαιμενίδης· ὥστε

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ein König geboren wurde, sorgten sofort diejenigen im königlichen Palast [für 15 ihn], die als die besten Eunuchen bekannt waren,1271 und gestalteten seine Körperteile der Schönheit entsprechend, sogar formten sie seine Nase gekrümmt1272, um zu zeigen, dass der Junge fähig zum Herrschen und König zu sein ist.“ (Deshalb ist auch der Adler krummnasig1273, weil er königlich ist. Auch wegen Kyros bemühten sie sich darum, dass [ihre Nase] krumm wird, weil er 154 besonders königlich und sanftmütig sei1274). „Als du aber geboren wurdest, wurdest du von einer thrakischen Dienerin umsorgt, die sich keine Gedanken über deine Schönheit gemacht hat.1275 Denn du hast nichts mehr als was die Natur dir geschenkt hat.“ [Das Argument] ausgehend von der Bildung [ist]: 5 „Jene [sc. Perser] bekommen sowohl vorbereitende Bildung als auch [höhere] Bildung. Denn nach dem siebten Jahr wird ihnen jagen, nicht nur von Fischen und Vögeln, sondern auch von Vierbeinern beigebracht. In den zweiten sieben Jahren bestimmen sie vier Lehrer1276 für sie, von denen einer die Weisheit lehrt, der andere die Gerechtigkeit, ein anderer die Tapferkeit und der [letzte] die Besonnenheit.“1277 (Dies berichtet nämlich Xenophon über die Bildung der 10 Perser.1278) „Du aber hast keine von diesen [Themen] gelernt, außer Lesen und Schreiben, Kithara zu spielen und das Ringen; da Perikles dir Zopyros als Knabenaufseher zugewiesen hat1279, der körperlich verstümmelt und unbrauchbar wegen seines hohen Alters war. Denn, wenn er nicht ein solcher wäre, wäre 155 nicht mal er [als Aufseher] für dich eingesetzt und dir zur Verfügung gestanden.“ Aber welche Art von Tugenden wurden die Perser gelehrt?1280 Wir sagen, nicht die natürlichen [Tugenden], denn diese sind nicht lehrbar. Auch aber nicht die politischen [Tugenden], da er [sc. Xenophon] dann nicht sagen würde, dass 5 einer dieses, ein anderer jenes lehrt, sondern ein Einzelner alle [Themen] zu lehren in der Lage war, da diese miteinander austauschbar sind.1281 Vielmehr waren diese die ethischen [Tugenden], denn, diese sind sowohl lehrbar als auch nicht miteinander austauschbar.1282 Aber wie kann Platon die Wahrheit sagen, wenn er jetzt sagt, dass sie [sc. die Perser] in der Weisheit gebildet werden, dagegen später zu Alkibiades sagt: „Du musst dich um dich selbst sorgen, denn 10 es ist der Brauch [unserer] Polis, durch die Weisheit zu siegen“1283? Wenn nun auch sie in der Weisheit gebildet werden, warum sagt er das vorzugsweise über die Athener? Gewiss kann ein Argument zu einer Zeit wahr und zu einer anderer falsch sein. Denn es ist gar nicht widersinnig, wenn sie1284 früher eine solche Staatsverfassung hatten, aber zu den Zeiten des Sokrates es sich zum schlechten gewendet hat, und er keine Schwierigkeit damit hatte, gegen diese Staatsverfassung Vorwürfe zu erheben.1285 Deswegen war auch [das Argument] 15 ausgehend von der Geburt nicht korrekt. Denn Dareios wurde ihr König durch Gewieher eines Pferdes1286, obwohl er kein Achaimenide war. Daher war es die

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C. Text und Übersetzung

παλαιὰν πολιτείαν ἱστορεῖ. ἢ δυνατὸν λέγειν ὅτι ἴσως καὶ Δαρεῖος Ἀχαιμενίδης, εἰ καὶ μὴ υἱωνός, ἀλλ’ ἐκ πλαγίου γένους· οἶον, εἰ καὶ μή, ὥς φησιν ὁ ποιητής, 20

‘υ ἱὸ ς υ ἱω ν ό ς τ ε Δι ὸς νεφεληγερέταο ’,

ἀλλ’ οὖν ἢ θυγατριδοῦς ἦν ἢ καὶ ἄλλως συγγενής, ἐπεὶ οὐκ ἂν ἴσως ἐμάχετο περὶ βασιλείας μὴ ὢν Δίϊος. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

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120D Πότερον εἰκὸς ἀμείνους γίνεσθαι φύσεις: ἐρωτᾷ αὐτὸν ὅτι ‘νομίζεις ἀμείνους εἶναι τοὺς καταγομένους ἐκ γενναίων προγόνων, γενναίους δὲ φήσεις τοὺς εὐγενεῖς, ἀλλ’ οὐ τοὺς ἰσχυρούς;’ ὡς ἐπίπαν γὰρ οἱ ἐξ εὐγενῶν ἀμείνους εἰσί· διὸ καὶ παρὰ τῷ ποιητῇ· ‘λάθρᾳ Λαομέδοντος ὑποσχὼν θήλεας ἵππους’.

πεπεισμένοι γάρ εἰσι πάντες τοὺς ἐξ εὐγενῶν εὐγενεῖς ἔσεσθαι.

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120E Τοῖς ἐκείνων τὰ ἡμέτερα ἀντιτιθέντες: οὐ πολιτείαν Ἀθηναίων πρὸς Περσικὴν ἠβουλήθη συγκρῖναι, ἀλλὰ πολιτείαν πρὸς Ἀλκιβιάδην. ὡς δὲ ἐρωτικὸς οἰκειοποιεῖται τὸν νέον· οὐ γὰρ βούλεται ὁ ἐρωτικὸς μόνος ἀνάγεσθαι, ἀλλὰ μετὰ τῶν παιδικῶν. Τὸ δ’ Ἡρακλέους γένος καὶ τὸ Ἀχαιμένους: ἐκ γὰρ Διὸς καὶ Δανάης Περσεύς· Περσέως δὲ ἀπὸ μὲν Ἀνδρομέδας Ἀχαιμένης, ἐξ ἄλλων δὲ Ἀλκαῖος καὶ Ἠλεκτρύων· καὶ Ἀλκαίου μὲν Ἀμφιτρύων, Ἠλεκτρύονος δὲ Ἀλκμήνη· Ἀμφιτρύωνος δὲ καὶ Ἀλκμήνης Ἡρακλῆς. διὸ Ἡρακλῆς ἑκατέρωθεν Δίϊος, καὶ γὰρ ἐκ πατρὸς καὶ μητρὸς πολὺ τὸ Δίϊον εἶχε καὶ τὸ γόνιμον· λέγεται γοῦν ἐν μιᾷ νυκτὶ πεντήκοντα γυναιξὶ συγγενέσθαι καὶ πάσας ἐξ αὐτοῦ τετοκέναι. καὶ ἀπορεῖ ὁ φιλόσοφος Πρόκλος διὰ τί καὶ τοὺς Λακεδαιμονίους δυνάμενος δεῖξαι δι’ Ἡρακλέους ἀπὸ Διὸς καταγομένους, τοῦτο μὲν οὐ ποιεῖ, διὰ δὲ τοῦ ἀνάγειν εἰς Περσέα δείκνυσιν αὐτούς. καὶ λύει αὐτός, ὅτι τοῦτον εἰκὸς καὶ ὡς πτερωτὸν προετίμησεν. ἑκάτερος μὲν | γὰρ ἐπὶ καθάρσει

155, 20 Olymp. om. θ’ ante υἱωνός, cf. Hom. Il. V,631. 23 Olymp. γίνεσθαι / γίγνεσθαι Plat. Alc. 120d13. 156, 3 Olymp. λάθρᾳ / λάθρῃ Hom. Il. V,269. 9 Olymp. om. τε ante γένος, cf. Plat. Alc. 120e10.

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frühere Staatsverfassung, die er [sc. Sokrates] berichtet. Oder es ist möglich zu sagen, dass Dareios vielleicht ein Achaimenide war, auch wenn nicht als ein direkter Nachkomme, dennoch aus der Seitenverwandtschaft dieses Geschlechts.1287 Wie der Dichter sagt, auch wenn er nicht: „D e r S o h n u n d d e r S o h n e s s o h n d e s Z e u s “1288

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war, dennoch war er [der Sohn] einer Tochter oder auf eine andere Weise [mit diesem Geschlecht] verwandt, denn er könnte vermutlich nicht um die Königsherrschaft kämpfen, wenn er nicht von Zeus [abgestammt] wäre. Das hat die Theorie. 120D Ist es plausibel, dass bessere Naturen hervorgehen1289: Er fragt ihn das: „Hältst du diejenigen, die von adligen Vorvätern abstammen, für besser, und würdest du sie edel nennen, die von adliger Herkunft sind, und nicht die, die 156 stärker sind?“ Wie meistens diejenigen besser sind, die aus adligen [Familien stammen]. Deshalb [finden wir] auch bei dem Dichter: „D e r h e i m l i c h v o r L a o m e d o n i h n e n w e i b l i c h e P f e r d e z u f ü h r t e . “1290

Denn alle sind davon überzeugt, dass diejenigen, die aus adligen [Familien stammen], edle Menschen werden. 120E Stellen wir ihre Verhältnisse den unseren gegenüber1291: Er wollte 5 nicht die Staatsverfassung der Athener gegenüber der persischen beurteilen, sondern die Staatsverfassung gegenüberAlkibiades. Wie ein Liebhaber bindet er den Jüngling an sich. Denn ein Liebhaber möchte nicht alleine aufsteigen, sondern zusammen mit seinem Geliebten. Das Geschlecht des Herakles sowie das des Achaimenes1292: Denn Perseus war [Sohn] von Zeus und Danae. Achaimenes aber [der Sohn] des 10 Perseus von Andromeda; von anderen [Frauen] aber [waren] Alkaios und Elektryon. Und Amphitryon [wurde] von Alkaios [gezeugt], Alkmene aber von Elektryon. Ferner [wurde] Herakles von Amphitryon und Alkmene [gezeugt]. Deshalb stammt Herakles von beiden Seiten von Zeus, denn er hat sowohl von [seinem] Vater als auch von [seiner] Mutter viele Eigenschaften des Zeus und [auch seine] Zeugungsfähigkeit. Man sagt tatsächlich, dass er in einer Nacht mit 15 fünfzig Frauen zusammen war und alle [diese Frauen] von ihm [ein Kind] geboren haben.1293 Hier stellt der Philosoph Proklos die Frage1294, warum [Sokrates], obwohl er zeigen konnte, dass auch die Lakedaimonier durch Herakles von Zeus abstammen, dies nicht tut und sie stattdessen auf Perseus zurückführt. Auch löst er das selber, dass [Sokrates] ihn [sc. Perseus] wahrscheinlich höher achtete, da er Flügel hat.1295 Jeder der beiden wurde wohl für die 157

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τῶν κακῶν γέγονεν, καὶ γὰρ καὶ ὁ Ἡρακλῆς· διό φησι περὶ αὐτοῦ ὁ Πείσανδρος ‘ δ ι κ α ι ο τ ά τ ο υ δ ὲ φ ο ν ῆ ο ς ’ , ἐπὶ γὰρ καθάρσει τοὺς φόνους ἐποίει. ἀλλὰ καὶ ὁ Περσεὺς τοιοῦτος, εἶχε δὲ καὶ τὸ εἶναι πτερωτός, ὡς ἐδήλωσεν ἡ κωμῳδία καὶ ἡ Γοργὼ καὶ ἡ ἅρπη. 121A Οἱ μὲν Ἄργους τε καὶ Λακεδαίμονος: ἐξαίρων τὴν Πελοπόννησον τοῦτό φησιν, διότι πάλαι αὕτη εἰς πέντε μοίρας διῄρητο· Ἀργολικήν, Μεσσηνιακήν, Ἀρκαδικήν, Ἠλιακήν, Λακωνικήν. 121B Ὧν αἱ γυναῖκες δημοσίᾳ φυλάττονται: διὰ γὰρ τὸ φυλάττεσθαι τὸ τῶν Ἡρακλειδῶν γένος τῇ βασιλείᾳ οἱ ἔφοροι τὰς γυναῖκας τῶν βασιλέων ἐφύλαττον. τρία δὲ ἦν παρ’ αὐτοῖς ἐπιτίμια γάμου· ἀγαμία, βραδυγαμία, κακογαμία. κακογαμίαν δὲ ἔλεγον τὴν διὰ χρημάτων γινομένην. 121C Πρῶτον μὲν ἑορτάζουσι πάντες: ἐντεῦθεν ἀπὸ τῆς γενέσεως δείκνυσιν· ἐξ αὐτῆς γὰρ βαλβῖδος συναίσθησιν παρέχεται ὁ τικτόμενος τοῖς ὑπηκόοις. διὸ πάντες εὐθὺς θύουσι καὶ τὰ γενέθλια κατ’ ἐνιαυτὸν ἕκαστον τιμῶσι τοῦ βασιλέως· διότι τιμῶσιν οἱ Πέρσαι τὰ κατ’ οὐρανόν, καὶ τούτων μάλιστα τὸν ἥλιον, διὸ καὶ κατ’ ἐνιαυτὸν ἐν τοῖς γενεθλίοις ἑορτάζουσιν, ὡς τοῦ ἐνιαυτοῦ συμβόλου ὄντος τοῦ ἡλίου. ‘ἐνιαυτὸς’ γὰρ λέγεται ὡς ἐν ἑαυτῷ ποιῶν τὸν ἥλιον. 121D Τὸ τοῦ κωμῳδιοποιοῦ, οὐδ’ οἱ γείτονες: Πλάτων γὰρ ὁ κωμικὸς τοῦτο παρατίθε|ται. 121E Ἐπειδὰν δὲ ἑπταέτεις γένωνται: κατὰ γὰρ ἑπτὰ ἔτη ἐνήλλαττον τὴν ἐπιμέλειαν· διότι τιμία ἐστὶν ἡ ἑβδομὰς ὡς κρίσιμος, καὶ ὅτι τὰ ἑπτάμηνα ζώσιμα, καὶ ὅτι ‘ἑπτὰ’ λέγεται ὡς σεπτά. διὸ καὶ οἱ Ῥωμαῖοι τὸν ἀριθμὸν ‘σεπ|τοὺμ’ καλοῦσιν, ἀπὸ τοῦ ζʹ, ὡς τιμιωτέρου, τὸ ὅλον, ὡς τὸ ‘ Τ ε ῦ κ ρ ε , φ ί λ η κ ε φ α λ ή ’ . Οὓς ἐκεῖνοι βασιλείους παιδαγωγούς: εἰ μὴ πρὸς Ζώπυρον παρέβαλλον τούτους παιδαγωγὸν ὄντα εὐτελῆ, ἐπεὶ διδασκάλους ἂν αὐτοὺς ἐπωνόμαζον διδάσκοντας αὐτοὺς τὰς ἠθικὰς ἀρετάς. Οἱ ἄριστοι δόξαντες: ἀντὶ τοῦ ‘καθ’ ἑκάστην ἡλικίαν οἱ πεῖραν δεδωκότες ἑαυτῶν ἐν ταῖς πράξεσι’· τούτους γάρ φησι τοὺς ‘ ἄ ρ ι σ τ α δόξαντας’. Ὅ τε σοφώτατος καὶ ὁ δικαιότατος: προτάττει τὴν σοφίαν ὡς τοῦ τιμιωτέρου ἐν ἡμῖν μορίου οὖσαν, τοῦ λόγου· εἶτα εὐθὺς τὴν δικαιοσύνην

158, 2 Olymp. ἑπταέτεις / ἑπτέτεις Plat. Alc. 121e1.

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Katharsis von den Übeln geboren, vor allem aber Herakles. Deshalb sagt Peisandros über ihn, dass er „d e r g e r e c h t e s t e M ö r d e r “1296 ist, denn er beging Morde für die Katharsis. Aber auch Perseus war ein solcher; dazu hatte er auch den Vorteil, Flügel zu haben, wie die Komödie, die Gorgo und die Sichel 5 verdeutlichen.1297 121A Die einen [Könige] von Argos und Lakedaimon1298: Das sagt er, indem er [die Bezeichnung] Peloponnes ausschließt, da früher diese in fünf Teilen geteilt wurde: Argolis, Messene, Arkadien, Elis, Lakonien.1299 121B Deren Frauen staatlich bewacht werden1300: Um das Geschlecht der Herakleiden für das Königtum zu bewahren, bewachten die Ephoren die Frauen 10 der Könige. Dazu gab es drei Verstöße bezüglich der Ehe: Keine Heirat, späte Heirat und schlechte Heirat. Und als schlechte Heirat bezeichneten sie diejenige, die um Geldes willen zustande kommt.1301 121C Zuerst einmal feiern alle1302: Ab hier zeigt er [das Argument] ausgehend von der Geburt auf. Denn gleich vom ersten Schritt an gewährt 15 der neugeborene König von sich aus eine Mitwahrnehmung [seiner Herrschaft] an [seinen] Untertanen.1303 Deshalb bringen alle sofort [ihm] Opfer dar und ehren den Geburtstag des Königs jedes Jahr.1304 Denn die Perser ehren diejenigen, die am Himmel sind, und von denen am meisten die Sonne; auch deshalb feiern sie an seinem Geburtstag jedes Jahr, weil die Sonne das Symbol des Jahres ist.1305 Denn man nennt [es ein] „Jahr“ (eniautos), da es die Sonne zu ihrer ursprünglichen Stellung (en heautō) zurückführt. 20 121D Wie der Komödiendichter [sagt], nicht mal die Nachbarn1306: Platon legt das wie ein Komödiendichter vor.1307 158 121E Wenn sie sieben Jahre alt geworden sind1308: Denn zu jedem siebten Jahr wechselten sie ihre Ausbildung1309. Da sieben als eine entscheidende [Zahl] geschätzt wird, und da siebenmonatige Neugeborenen überlebensfähig sind1310, und da „sieben“ (hepta) wie ‚septa‘ ausgesprochen wird.1311 Deshalb nennen auch die Römer die Zahl „septem“ (septem), ausgehend von 7 (hepta)1312, einer 159 sehr geschätzten und vollkommenen [Zahl]1313, wie der [Vers]: „Te u k r o s , l i e b e r A n f ü h r e r “1314. Die sie die königlichen Knabenaufseher [nennen]1315: Wenn sie diese nicht mit Zopyros, einem unbedeutenden Knabenaufseher, vergleichen, da sie diese als Lehrer bezeichnen würden, weil sie [den Knaben] die ethischen 5 Tugenden beibringen.1316 Die die besten zu sein scheinen1317: Bedeutet: „Diejenigen, die sich in jedem Alter bei ihren Handlungen bewiesen haben“. Denn er sagt über diese, dass sie „d i e b e s t e n z u s e i n s c h e i n e n “. Der weiseste und der gerechteste: Er stellt die Weisheit voran, da sie dem wertvolleren [Teil] in uns, der Vernunft, gehört. Gleich danach [erwähnt er] die 10

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C. Text und Übersetzung

ὡς δι’ὅλης τῆς οὐσίας ἡμῶν διελθοῦσαν. καὶ τὸν μὲν σοφίαν διδάσκοντά φησι μ α γ ε ί α ν δ ι δ ά σ κ ε ι ν , ἵνα δὲ μή τις οἰηθῇ μαγείαν λέγειν τὴν μαγγανείαν καὶ γοητείαν, ἐπάγει ‘ἔστι δὲ τοῦτο θεῶν θεραπεία’. ἐτίμων γὰρ οἱ Πέρσαι, ὡς εἴρηται, τὰ κατ’ οὐρανόν, οὓς θ ε ο ὺ ς καλεῖ παρὰ τὸ ἀεὶ θεῖν. οὐ γὰρ τὴν γοητείαν φησὶ τὴν παρὰ Δημοσθένει λεγομένην περὶ τῆς μητρὸς Αἰσχίνου· ἦν γὰρ οὗτος μητραγύρτης. Διδάσκειν δὲ καὶ τὰ βασιλικά: εἰ δὲ διδακτὴ ἡ βασιλεία, οὐκ ἄρα κατὰ κλῆρόν ἐστιν αὕτη, ἀλλὰ κατ’ ἐπιστήμην, καὶ οὐ δεῖ ἀποδέχεσθαι τὴν κατὰ κλῆρον γινομένην βασιλείαν. Ὁ δὲ δικαιότατος ἀληθεύειν διὰ παντὸς τοῦ βίου: οὐ γὰρ μόνον ἐν ταῖς πράξεσι θεωρεῖται ἡ δικαιοσύνη, ἀλλὰ καὶ ἐν τοῖς λόγοις. ὁ δὲ δίκαιος τὰ προσήκοντα ἑκάστῳ ἀπονέμει· καὶ τοῖς λόγοις ἄρα τὸ προσῆκον ἀπονέμων ἀληθεύσει· οὐ γὰρ | τὰ ψευδῆ ἀπονέμει. Μηδὲ ὑπὸ μιᾶς ἄρχεσθαι τῶν ἡδονῶν: ἄτοπον γάρ ἐστι κρατήσαντας τῶν πολεμίων ὑπὸ τῶν λαφύρων νικᾶσθαι, εἰ τύχοιεν ὡραῖαι γυναῖκες οὖσαι. μὴ κρατούμενοι δὲ ὄντως ἐλεύθεροι εἴημεν, μηδένα δεδιότες· ‘δοῦλος’ γὰρ εἴρηται παρὰ τὸ δέος· ὁ γὰρ δοῦλος ᾖ δοῦλος δ έ δ ι ε ν καὶ ὅ λ ο ς ἐστὶ τοῦ δεσπότου, ἀεὶ ἐν νῷ αὐτὸν ἔχων.

122B Τὸν ἀχρειότατον ὑπὸ γήρως: οὐ μόνον ἀχρειότατον ὑπὸ γήρως, ἀλλὰ καὶ ἀνάπηρον ὄντα, ὃν οὐκ ἂν κατέστησέν σοι παιδαγωγὸν μὴ τοιοῦτον ὄντα, καὶ ἀχρεῖον. καὶ γὰρ καὶ νῦν τοιοῦτοί εἰσιν οἱ παιδαγωγοὶ τῶν παίδων. Διῆλθον δὲ ἄν σοι καὶ τὴν ἄλλην τῶν ἀνταγωνιστῶν: τὸ κατὰ παράλειψιν σχῆμα, ὃ καὶ ἐξογκοῖ τὸν λόγον καὶ τὸν λέγοντα καὶ τῇ σιωπῇ μείζονα αἰνίττεται. φησὶν οὖν ὅτι ‘εἶχον ἄν σοι εἰπεῖν καὶ τὰ ἄλλα, εἰ μὴ ἐνόμιζον ἀρκεῖν ταῦτα’. Εἰ μή τις ἐραστής σου τυγχάνει ὤν: ἔδει εἰπεῖν αὐτὸν ‘τῆς σῆς ἐπιμελείας οὐδεὶς φροντίζει’· ὁ δὲ διὰ τὸ φιλοκαθόλου τῶν φιλοσόφων φησὶν ὅτι ‘οὐδεὶς φροντίζει σου, πλὴν εἴ τις τύχοι ἐραστής σου τυγχάνων’. 159, 17 Olymp. διδάσκειν / διδάσκει Plat. Alc. 122a2. 160, 11 Plat. ἄν σοι post καὶ τὴν ἄλλην, cf. Plat. Alc. 122b3. 15 Olymp. Εἰ μή τις / εἰ μὴ εἴ τις Plat. Alc. 122b8.

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Gerechtigkeit, da sie sich durch unser ganzes Wesen erstreckt.1318 Auch sagt er zwar, dass, wer die Weisheit lehrt, d i e K u n s t d e r M a g e r l e h r t , damit aber niemand denkt, dass die Kunst der Mager (mageia) die Zauberei (manganeia) und Blendwerk bedeutet, fügt er hinzu: „dies ist die Verehrung der 122A Götter“1319. Denn die Perser ehrten diejenigen, wie gesagt, die am Himmel sind,1320 die er [sc. Sokrates] G ö t t e r (theous) nennt, aufgrund des ewigen 15 Laufens (thein) [sc. des Himmels].1321 Er sagt nämlich das Blendwerk nicht wie bei Demosthenes über die Mutter des Aischines gesagt wird.1322 Denn dieser war ein Bettelpriester der Kybele. Er lehrt aber auch die Aufgaben eines Königs1323: Wenn nun die Herrschaftskunst eines Königs lehrbar ist, dann wird sie nicht gemäß der Erbschaft, sondern gemäß der Erkenntnis [erteilt], und man muss nicht die Königsherrschaft anerkennen, die gemäß der Erbschaft zustande kommt. Der Gerechteste lehrt ihn, sein ganzes Leben lang die Wahrheit zu 20 sagen1324: Denn nicht nur in den Handlungen wird die Gerechtigkeit beobachtet, sondern auch in den Worten. Der gerechte [Mensch] aber teilt jedem das, was angemessen ist, zu. Auch in den Worten folglich wird er die Wahrheit sagen, wenn er das Angemessene zuteilt. Denn er teilt nicht Lügen zu. 160 Sich nie auch von einer einzigen Lust beherrschen zu lassen1325: Denn es ist widersinnig für diejenigen, die ihre Feinde überwältigt haben, von der Beute besiegt zu werden, wenn diese gerade aus Frauen in der Blüte des Lebens besteht. Wenn wir aber nicht überwältigt werden, können wir frei sein, da wir nichts fürchten. Denn „Sklave“ (doulos) wird von der Furcht (deos) abgeleitet.1326 5 Ein Sklave an sich nämlich f ü r c h t e t (dedien) und gehört v o l l s t ä n d i g (holos) seinem Herrscher, da er ihn immer im Gedanken hat. 122B Den wegen seines Alters unbrauchbarsten1327: Er war sehr unbrauchbar nicht nur wegen seines Alters, sondern auch weil er verstümmelt ist, den er [sc. Perikles] dir nicht als Knabenaufseher eingesetzt hätte, wenn er nicht in solchem Zustand und unbrauchbar wäre. Immerhin sind auch heutzutage die Knabenaufseher derart.1328 10 Ich würde dir auch noch die weitere [Erziehung] deiner Gegner schildern1329: [Das ist] die [rhetorische] Figur der Paralipse1330, die sowohl das Gesprochene als auch den Sprecher erhöht und durch Schweigen auf etwas Größeres anspielt. Er sagt dann: „Ich hätte dir auch andere Dinge zu erzählen, wenn ich diese nicht für ausreichend gehalten hätte.“ Wenn jemand nicht zufällig dein Liebhaber ist1331: Er sollte ihm sagen: 15 „Niemand macht sich Gedanken über deine Ausbildung“1332. Aber wegen der Vorliebe für Verallgemeinerungen1333 unter den Philosophen sagt er: „Niemand macht sich Gedanken über dich1334, außer wenn jemand zufällig dein Liebhaber sein sollte“.

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ ιηʹ 20

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122B-124A Εἰ δ’ αὖ ἐθέλῃς εἰς πλοῦτον ἀποβλέψαι. Παραβαλὼν ὁ Σωκράτης τὸν Ἀλκιβιάδην τῷ Περσῶν βασιλεῖ καὶ δείξας αὐτὸν ἐκ τεσσάρων τινῶν ἡττώμενον ἐκείνου, | ἀπὸ πατρίδος ἤτοι γένους, ἀπὸ γενέσεως, ἃ ‘ γ ε ν έ θ λ ι α ’ ἐκάλει, ἀπὸ τροφῆς, ἀπὸ παιδείας, καὶ διελὼν τὴν παιδείαν εἰς προπαιδείαν καὶ παιδείαν, ἐπειδὴ μὴ παρέβαλεν αὐτὸν καὶ τοῖς Λακεδαιμονίων βασιλεῦσι καὶ ἀπέδειξεν ἐκ τῶν αὐτῶν τεσσάρων ἡττώμενον καὶ τῶν Λακεδαιμονίων, νῦν παραβάλλει τὸν νέον εἰς δίαιταν καὶ πλοῦτον κοινῶς ἀμφοτέροις. καὶ δυσχεραίνει μὲν ἐφ’ οἷς ὅλως ἐν τούτοις παραβάλλει τὸν Ἀλκιβιάδην (εἰ γὰρ ὁ ἄνθρωπός ἐστιν ἡ ψυχή, οὐ δεῖ ἐν τούτοις τὴν παραβολὴν ποιεῖσθαι), δυσχεραντικὸς δὲ μᾶλλόν ἐστιν ἐν τῇ παραβολῇ τοῦ πλούτου, διότι ἔξωθεν ἡμῶν μᾶλλόν ἐστιν οὗτος. ἡ μὲν γὰρ δίαιτα περὶ σῶμα, ὁ πλοῦτος δὲ τῶν ἔξωθεν· διὸ ἐπὶ μὲν τῆς διαίτης φησὶ τὸ ‘ ε ἰ δ ’ α ὖ ἐ θ έ λ ε ι ς ’ , ἐπὶ δὲ τοῦ πλούτου ‘ μ η δ ὲ τ ο ῦ τ ο ἡ μ ῖ ν ἄ ρ ρ η τ ο ν ἔ σ τ ω ’ . καί φησιν ὅτι ‘εἰ καὶ σύ, ὦ Ἀλκιβιάδη, τῇ τρυφηλῇ διαίτῃ χαίρεις’ (τοιοῦτος γὰρ ἦν ὁ Ἀλκιβιάδης, ὡς δηλοῦσιν οἱ γράψαντες περὶ τῆς Ἀλκιβιάδου τρυφῆς πολύστιχα βιβλία, ὥσπερ φέρεται ἔτι νῦν μαγειρικὰ βιβλία), ‘ἀλλ’ οὖν ὑπερβαίνει τὴν σὴν δίαιταν ἡ Περσικὴ τράπεζα, καὶ τῆς Συβαριτικῆς τρυφηλοτέρα οὖσα· εἰ δὲ Λακεδαιμόνιοι μὴ χρῶνται τρυφῇ, ἀλλ’ οὖν νικᾷ καὶ ὑπ’ ἐκείνων τῇ λιτῇ διαίτῃ’. ὅθεν ἀποροῦσι πῶς ὁ Σωκράτης τὸν Ἀλκιβιάδην τοῖς Πέρσαις παραβάλλει κατὰ τὴν τρυφήν· μᾶλλον γὰρ αὐτὸν ποιεῖ ζηλοῦν αὐτοὺς κατὰ ταύτην καὶ μιμεῖσθαι αὐτοὺς ταύτῃ. λύομεν δὲ ἡμεῖς τοῦτο λέγοντες ὅτι ‘ἀλλ’ οὐ πρὸς Πέρσας παραβάλλει αὐτὸν μόνον τρυφῶντας, ἀλλὰ καὶ πρὸς Λακεδαιμονίους λιτῇ τῇ διαίτῃ χρωμένους’· καὶ ὅτι ἐκ τοῦ παρὰ Ἀλκιβιάδῃ φαινομένου ἀγαθοῦ τὸν λόγον ποιεῖται, παρ’ ἐκείνῳ γὰρ ἀγαθὸν ἡ τρυφή. ‘Ἀλλὰ καὶ κατὰ πλοῦτον ἥττων εἶ τῶν Λακεδαιμονίων’. τριττοῦ γὰρ ὄντος τοῦ πλούτου, ἢ αὐτοκινήτου ἢ ἑτεροκινήτου ἢ ἀκινήτου, καθ’ ἕκαστον τούτων ἡττᾶται ὁ νέος τῶν Λακεδαιμονίων πλούτου. κατὰ μὲν

160, 20 Olymp. ἐθέλῃς / ἐθέλεις Plat. Alc. 122b9. 20 Olymp. πλοῦτον / πλούτους Plat. Alc. 122b9.

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Unterricht 18 mit Gottes Hilfe 122B–124A Wenn du andererseits deinen Blick auf den Reichtum 20 richten würdest1335: Nachdem Sokrates Alkibiades mit dem König der Perser verglichen und gezeigt hat, dass er diesem aus vier bestimmten [Gründen] unterlegen ist, – ausgehend von der Herkunft oder von der Abstammung; ausgehend von der 161 Geburt, was er „G e b u r t s u m s t ä n d e “ nennt; ausgehend von der Erziehung; ausgehend von der Bildung – und die Bildung in vorbereitende Bildung und in [höhere] Bildung aufgeteilt hatte, da er ihn nicht mit den lakedaimonischen Königen verglichen und aufgezeigt hat, dass er aus denselben vier Gründen 5 auch den Lakedaimoniern unterlegen ist, konfrontiert er jetzt den Jüngling mit dem Lebensstil1336 und dem Reichtum, die beide [sc. Perser und Lakedaimonier] gemeinsam haben. Er verabscheut jedoch insgesamt alle Themen, in denen er Alkibiades vergleicht (wenn also der Mensch die Seele ist1337, gehört sich es nicht, in diesen [Themen] Vergleiche anzustellen), noch abscheulicher ist [der 10 Gebrauch] des Reichtums in einem Vergleich, da es sich weiter außerhalb von uns befindet. Der Lebensstil nämlich betrifft den Körper, der Reichtum aber [betrifft] die Äußerlichkeiten [außerhalb des Körpers]. Daher sagt er über den Lebensstil „w e n n d u w i l l s t “1338, über den Reichtum aber „d a s s o l l u n s n i c h t u n g e s a g t b l e i b e n “.1339 Ferner sagt er: „Auch wenn du, Alkibiades, eine üppige Ernährung gutheißt“ (denn Alkibiades war ein solcher, wie diejenigen, die mehrbändige Bücher über die Üppigkeit des Alkibiades schrie- 15 ben, verdeutlichen, und wie die Kochbücher heute noch überliefern1340), „dennoch übertrifft die persische Tafel deine Ernährung, die noch üppiger als die sybaritische [Tafel] ist.1341 Wenn aber die Lakedaimonier von Luxus keinen Gebrauch machen, dennoch wärest du auch von ihrer einfachen Lebensweise besiegt“. Ausgehend davon rätseln [die Exegeten] darüber, warum Sokrates Alkibiades mit den Persern in Bezug auf ihre Üppigkeit vergleicht. 20 Denn er bringt ihn [dadurch] vielmehr dazu, ihnen in dieser [Hinsicht] nachzueifern und sie in diesem [Bereich] nachzuahmen. Das lösen wir aber, indem wir das sagen: „Nicht nur mit den Persern, die üppig leben, vergleicht er ihn, sondern auch mit den Lakedaimoniern, die einen einfachen Lebensstil pflegen“. Ferner gestaltet er seine Argumentation ausgehend von dem, was nach Alkibiades scheinbar gut ist, denn nach ihm war die Üppigkeit gut. 25 „Aber auch in Bezug auf den Reichtum [bist du] unterlegen zu den Lakedaimoniern“. Denn, während der Reichtum drei Ebenen hat – entweder selbstbewegend, oder von außen bewegt oder unbeweglich1342 –, wird der Jüngling auf jeder dieser Ebenen von Reichtum der Lakedaimonier übertroffen.

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C. Text und Übersetzung

γὰρ τὸν ἀκίνητον, ὅτι Μεσσήνην ἑλόντες ἠφώρισαν αὐτὴν εἶναι πρὸς τὴν ἀναγκῶν χορηγίαν· | περὶ ἧς ἔφη Τυρταῖος ὁ ποιητὴς ‘Μεσσήνην ἀγαθὸν μὲν ἀροῦν, ἀγαθὸν δὲ φυτεῦσαι’ ἦν γὰρ εὔγεος ἡ χώρα. ἀλλὰ καὶ τῷ πλούτῳ τῶν αὐτοκινήτων μέγα ἐφρόνουν, εἴγε ὅλῳ ἔθνει τῷ τῶν Εἱλώτων πρὸς ὑπηρεσίαν ἐχρῶντο· ἀλλὰ καὶ κατὰ τὸ φαινόμενον αὐτοκίνητον, εἴγε ἱππικώτατοι ἦσαν, ὡς δηλοῖ τὸ ‘ Ἄ ρ γ ο ς ἐ ς ἱ π π ό β ο τ ο ν ’ . καὶ τῷ ἑτεροκινήτῳ δὲ πλούτῳ ὑπερεῖχον, εἴγε λέγεται περὶ αὐτῶν ὅτι δύο μοίρας τῶν προσόδων ἀπῄτουν τοὺς ὑπηκόους, καὶ ὅτι λέγονται εἶναι φλέβες ἀργυρίτιδες καὶ χρυσίτιδες· καὶ τὸ ‘ π ο λ υ χ ρ ύ σ ο ι ο Μ υ κ ή ν η ς ’ · καὶ ὅτι λέγεται περὶ αὐτῶν ὅτι εἰσιὸν τὸ χρυσίον παρ’ αὐτοῖς οὐκ ἔτι ἐξῄει. διὸ καὶ κέχρηται μύθῳ τοιούτῳ προσφόρῳ, ὅτι λέγεταί ποτε λέων γηράσας προσποιήσασθαι νόσον· καὶ εἰσελθεῖν τὰ ἄλλα θηρία εἰς ἐπίσκεψιν αὐτοῦ, καὶ ταῦτα ἐκεῖνον λαμβάνοντα ἐσθίειν καὶ ἀπολλύναι. τὴν δὲ ἀλώπεκα κερδὼ οὖσαν μὴ ἀνασχομένην εἰσελθεῖν, ἀλλ’ ἐπὶ τοῦ οὐδοῦ στῆναι· αὐτοῦ δὲ παρακελευομένου εἰσιέναι, εἰπεῖν μηδαμῶς τοῦτο ποιῆσαι, διότι ἴχνη μὲν ὁρᾷ τῶν εἰσιόντων πρὸς αὐτόν, οὐ μὴν δὲ τῶν ἐξιόντων, καὶ ἀπὸ τοῦ μὲν οὐδοῦ προσιόντων ἔνδον ἴχνη βλέπειν, οὐ μὴν ἐπὶ τὸν οὐδὸν μετερχομένων. οὕτως οὖν καὶ παρὰ Λακεδαιμονίοις τὸ νόμισμα | εἰσιέναι μέν φησιν, οὐκ ἔτι δὲ ἐξιέναι. ἀπεικάζει δὲ αὐτοὺς λέοντι γεγηρακότι, διότι κατὰ ἀριστοκρατίαν ζῶντες, ᾗ οἰκεῖος ὁ λέων, ἐκνενευρισμένην αὐτὴν ἐποίησαν, ὡς κινδυνεύειν ἀπὸ ἀριστοκρατίας εἰς ὀλιγαρχίαν μεταπεσεῖν. Εἰ δὲ οἱ Λακεδαιμόνιοι νικῶσι πλούτῳ τὸν Ἀλκιβιάδην, πολλῷ μᾶλλον οἱ Περσῶν βασιλεῖς ὑπερέχουσι καὶ ἐν τούτῳ τοῦ Ἀλκιβιάδου. λέγεται γὰρ περὶ αὐτῶν πόλεις ὅλας, ἡμερησίας ὁδοῦ διάστημα ἐχούσας, εἰς ἕκαστον κόσμον ἀφορίζειν τῶν γυναικῶν, ὡς ἐκ τῶν προσόδων ἕκαστον κόσμον γίνεσθαι. διὸ καὶ ὀνόματα συνέβαινεν ἀπὸ τούτων ἔχειν τὰς πόλεις· ποῦ μὲν γὰρ ἐλέγετο ‘ζώνη βασιλίδος’, ποῦ δὲ ‘καλύπτρα’ ἢ τὶ ἄλλο τοιοῦτο. καὶ οὐκ ἀπίθανον, ὅπου καὶ Θεμιστοκλεῖ αὐτομολήσαντι τρεῖς πόλεις ἀφώρισεν ὁ βασιλεὺς πρὸς τὴν χρείαν τῶν

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

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In Bezug auf den unbeweglichen [Reichtum], weil sie Messene eroberten1343 und für die Beschaffung ihres notwendigen Lebensunterhalts beauftragt haben. 162 Darüber sagt Tyrtaios der Dichter: „M e s s e n e , d a s s o g u t z u p f l ü g e n i s t , d a s s i c h s o g u t b e b a u e n l ä s s t “.1344

Denn dieses Land war fruchtbar. Außerdem waren sie äußerst stolz aufgrund ihres Reichtums an selbstbewegendem [Besitz], da sie doch die gesamte Bevölkerung der Heloten als Diener zur Verfügung hatten.1345 Außerdem war [dieser Reichtum] in Bezug auf das scheinbar Selbstbewegende, da sie 5 doch die Besten in der Reitkunst waren, wie [der Spruch] „i n d a s p f e r d e n ä h r e n d e A r g o s “1346 verdeutlicht. Auch aber am beweglichen Reichtum waren sie überlegen, zumal wenn über sie gesagt wird, dass sie von ihren Untertanen zwei Teile1347 ihrer Einnahmen einforderten, und man sagt, dass ihre Adern mit Silber und Gold [gefüllt ist]. Dazu der [Spruch]: „d e r g o l d r e i c h e n M y k e n e “1348. Ferner sagt man über sie, dass das Gold, das zu ihnen 10 hineingeht, niemals herauskam. Daher benutzt er [sc. Platon] eine derartig nützliche Fabel1349, die von einem Löwen erzählt, der eine Krankheit vortäuschte, als er alt wurde. Daraufhin kamen die anderen Tiere zu ihm zu Besuch und er ergreift, frisst und vernichtet sie. Der Fuchs aber, da er schlau war, willigt es nicht ein, reinzugehen, sondern bleibt am Eingang stehen. Als der [Löwe] ihn 15 hineinbittet, sagt er, dass er auf keinen Fall das machen wird, da er die Fußabdrücke derjenigen [Tiere] sieht, die zu ihm hineingehen, dagegen aber keine [Fußabdrücke], die herauskommen; ferner beobachte er Fußabdrücke, die aus dem Eingang vorwärts reingehen, dagegen keine, die zurück in den Eingang führen.1350 Auf diese Weise nun sagt er, dass auch zu den Lakedaimoniern das Geld hineingeht, aber niemals herauskommt.1351 Er beschreibt sie ähnlich zu 163 einem altgewordenen Löwen, da sie gemäß der Aristokratie lebten,1352 die eine Eigenschaft des Löwen ist, sie haben aber diese entkräftet, sodass sie in Gefahr waren, von der Aristokratie in die Oligarchie abzustürzen.1353 Wenn aber die Lakedaimonier Alkibiades durch [ihren] Reichtum besiegen, 5 umso mehr übertreffen die Könige der Perser Alkibiades auch in diesem Aspekt. Man sagt nämlich über sie, dass [ihre] sämtlichen Städte1354, die eine Entfernung einer Tagesreise zueinander haben, für jedes Schmuckstück der Gemahlinnen1355 [des Königs] zuständig sind, sodass jedes Schmuckstück aus [ihren] Einnahmen stammt. Deswegen auch ergab sich, dass die Städte [ihre] Namen nach diesen [Schmuckstücken] tragen: Denn hier wurde [eine Stadt] ‚Gürtel der Königin‘ 10 und da [eine andere] ‚Schleier‘ oder etwas anderes derartiges benannt. Und das ist nicht unglaubwürdig, da der König dem Themistokles, der [auf die persische

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C. Text und Übersetzung

ἐπιτηδείων, αἰτήσαντι ἐνιαυτὸν ποιῆσαι παρ’ αὐτοῖς, ἄχρις ἂν τὰ Περσῶν ἐκμάθοι, καὶ οὕτω περὶ τῆς προδοσίας τῆς Ἑλλάδος διαλέγεσθαι αὐτός· ὡς γάρ φησιν ὁ συγγραφεύς, Μαγνησίαν καὶ Μυοῦντα καὶ Λάμψακον αὐτῷ παρέσχεν. Καὶ πάλιν ἀποροῦσι, πῶς φαίνεται ὁ Σωκράτης προτρέπων μὴ ὄντα τοι|οῦτον τὸν Ἀλκιβιάδην ὥστε γενέσθαι τοιοῦτον, παραβάλλων αὐτὸν τοῖς Πέρσαις καὶ ἀνυψῶν τὰ Περσῶν. ἢ οὐκ ἐξογκοῖ τὰ τούτων, ἀλλ’ εἰς γυναῖκας μᾶλλον αὐτοὺς παραπέμπεται φιλοχρημάτους οὔσας, διὰ τὴν δυσγένειαν τῆς φύσεως οὔσας τοιαύτας· ὡς γὰρ ἀσθενέστεραι τὴν φύσιν καὶ φιλοχρήματοι μᾶλλόν εἰσι. καὶ ὅτι οἱ Πέρσαι τοιοῦτοι, θηλύμορφοι, διὸ καὶ ἑλκεσίπεπλοί εἰσι καὶ κοσμίοις χρῶνται. οὐ μόνον δὲ οὗτοι τοιοῦτοι, ἀλλὰ καὶ Ἰνδοὶ ἔχονται τῷ πάθει τούτῳ. οὔτε δὲ τοὺς Λακεδαιμονίους ἐξογκοῖ καὶ θαυμάζει, ἀλλὰ τοὐναντίον ὀνειδίζει τὰ τοῦ χρησμοῦ λέγων· ‘ἁ φιλοχρημοσύνα τ ὰν Σ π άρ τ α ν ὀ λε ῖ, ἄλλο κ’ ο ὐδ έ ν’.

καὶ ὅτι διὰ τοῦτο ὁ Λυκοῦργος ἐπέτρεπε τὰ νομίσματα παρ’ αὐτοῖς χαλκᾶ εἶναι, καὶ ὄξει βρέχειν, ἵνα ταχέως διαφθαρῶσιν καὶ μὴ μένωσι πολὺν χρόνον παρ’ αὐτοῖς. καὶ ὅτι λέγεται Φερεκύδης ὁ διδάσκαλος Πυθαγόρου, οὗ καὶ βίβλος θεολόγος φέρεται, ἀφικέσθαι παρὰ Λάκωσιν καὶ θεάσασθαι ὄναρ, εἰπεῖν τοῖς Λακεδαιμονίων βασιλεῦσιν μὴ φείδεσθαι χρημάτων, καὶ τῇ αὐτῇ νυκτὶ λέγεται φανῆναι τῷ ἑτέρῳ τῶν βασιλέων, πείθεσθαι Φερεκύδει· καὶ ἀναστάντος Φερεκύδου καὶ εἰρηκότος τῷ βασιλεῖ λέγεται μεταβαλεῖν αὖθις μέλλουσαν εἰς ὀλιγαρχίαν μεταπεσεῖν τὴν ἑαυτῶν πολιτείαν. Ἐφ’ οἷς ἐλέγξας τὸν Ἀλ|κιβιάδην ὁ Σωκράτης καὶ διὰ τοῦ κατὰ ἀποτάδην λόγου – διότι ἐν ταῖς ἱστορίαις τῷ κατὰ ἀποτάδην λόγῳ δεῖ κεχρῆσθαι, ἐπειδὴ περὶ μερικῶν ἐστὶν ὁ λόγος, ἐν δὲ τοῖς καθόλου πρέπει ἡ κατὰ πεῦσιν καὶ ἀπόκρισιν διάλεκτος, διότι ὁ μὲν κατὰ πεῦσιν λόγος πρέπει τοῖς ἀσωμάτοις ἀμερέσιν οὖσιν, ὁ δὲ κατὰ ἀποτάδην λόγος τοῖς σώμασιν ἔοικεν μεριστοῖς οὖσι καὶ διαστατοῖς· διὸ καὶ οἱ ῥήτορες τῷ κατὰ ἀποτάδην χρῶνται λόγῳ ὡς περὶ μερικὰ καταγινόμενοι· – ἐλέγξας οὖν αὐτὸν διὰ τοῦ πρώτου τμήματος ἀγνοοῦντα ἑαυτόν, ἐντεῦθεν ἀρχόμενος τοῦ τρίτου τμήματός φησιν· ‘ ἀ λ λ ’ , ὦ

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Seite] überwechselte,1356 drei Städte für die Besorgung der Vorräte bereitgestellt hat, weil dieser forderte, bei ihnen ein Jahr zu verbringen, bis er die persischen Sitten einstudieren könnte, um dadurch persönlich über den Verrat an Hellas diskutieren zu können. Denn wie der Geschichtsschreiber berichtet, standen 15 ihm Magnesia, Myos und Lampsakos zur Verfügung.1357 Und wieder rätseln [die Exegeten] darüber, warum Sokrates [hier] den Eindruck gibt, Alkibiades, der nicht ein solcher Mensch ist, dazu zu ermuntern, 164 ein solcher zu werden, indem er ihn mit den Persern vergleicht und die persischen Sitten erhebt. Wahrscheinlich erhöht er ihre Sitten nicht, sondern vielmehr ordnet sie den Frauen zu, die von geldliebender Beschaffenheit sind und diese Eigenschaft durch die niedrige Gesinnung ihrer Natur besitzen. Denn sie sind schwächer in ihrer Natur und eher geldliebend.1358 Und dass die Perser 5 derart in weiblicher Gestalt sind, ist auch deshalb, weil sie nachschleppende Gewänder tragen und Schmuck benutzen.1359 Nicht alleine sie sind derartig, sondern auch die Inder teilen diese Leidenschaft. Wohl nicht erhöht und bewundert er die Lakedaimonier, sondern schmäht sie wegen des Orakelspruchs, der lautet: „D i e G e l d l i e b e w i r d S p a r t a v e r n i c h t e n , u n d n i c h t s A n d e - 10 r e s “1360

[Man erzählt] auch, deshalb soll Lykurgos vorgesehen haben, dass das Geld bei ihnen aus Bronze besteht1361, und mit Essig übergossen wird, damit es schnell zerfällt, und nicht lange Zeit bei ihnen bleibt. Auch erzählt man, dass Pherekydes, der Lehrer des Pythagoras, von dem auch ein theologisches Buch überliefert ist,1362 zu den Lakoniern gelangt und dort einen Traum gesehen habe, 15 darauf den lakedaimonischen Königen sagte, keine Rücksicht auf das Geld zu nehmen; ferner erzählt man, das in derselben Nacht [dieser Traum] einem anderen König erschien, damit er an Pherekydes glaubt. Sobald als Pherekydes aufstand und mit dem König sprach, sagt man, dass sie ihre Verfassung, die dazu neigte, in Oligarchie zu verfallen, sofort geändert haben.1363 Nachdem Sokrates mit diesen [Aussagen] Alkibiades widerlegte und durch 165 eine ausführliche Rede – weil es bei den Geschichten notwendig ist, von ausführlicher Rede Gebrauch zu machen, da das Argument über teilhafte Aspekte ist; bei den universellen [Tatsachen] dagegen ziemt sich die Dialektik gemäß Frage und Antwort, weil eine Diskussion durch Fragen den unkör- 5 perlichen und ungeteilten Wesen ziemt, eine ausführliche Rede dagegen den Körpern passt, die Teile und Dimensionen haben. Auch deshalb machen die Redner von der ausführlichen Rede Gebrauch, da sie mit teilhaften Themen beschäftigt sind. – ihn während des ersten Abschnitts widerlegt hat, da er sich selbst nicht erkennt, beginnt er ab hier den dritten Abschnitt und sagt:

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C. Text und Übersetzung

μακάριε, πειθόμενος ἐμοί τε καὶ τῷ ἐν Δελφοῖς γ ρ ά μ μ α τ ι , γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ . ἐφ’ οἷς σὺν θεῷ πληροῦται τὸ δεύτερον τμῆμα καὶ ἡ παροῦσα θεωρία. 122B Εἰ δ’ αὖ ἐθέλῃς εἰς πλοῦτον ἀποβλέψαι: ἰδοὺ πῶς δυσχεραίνει ὁ Σωκράτης παραβάλλων τὸν Ἀλκιβιάδην τοῖς Περσῶν βασιλεῦσι κατὰ δίαιταν· διὸ καί φησιν ‘ ε ἰ δ ’ α ὖ ἐ θ έ λ ῃ ς ’ . ἐφεξῆς δὲ ἔτι δυσχεραντικώτερος ὀφθήσεται, ὅτε εἰς πλοῦτον παραβάλλει αὐτόν, διότι ἔτι ἐκτὸς ἡμῶν ἐστὶν ὁ πλοῦτος· διὸ καὶ ὡς ἔτι δυσχεραίνων φησὶν ‘ μ η δ ὲ τ ο ῦ τ ο ἄ ρ ρ η τ ο ν ἡ μ ῖ ν ἔ σ τ ω ’ . καὶ ὅρα πῶς ἐν καιρῷ ῥητορεύει ὁ Σωκράτης καὶ πομπείᾳ κέχρηται, ἀντὶ ἑνικοῦ πάντα πληθυντικῶς παραφέρων, ‘ π λ ο ύ τ ο υ ς ’ λέγων καὶ ‘ τ ρ υ φ ά ς ’ . ‘ ἱ μ α τ ί ω ν ’ δ ὲ ‘ ἕ λ ξ ε ι ς ’ φησὶ δύο μέρη λέγων, διότι ποδήρεις χιτῶνας φοροῦσιν οἱ Πέρσαι (διὸ καὶ ‘ἑλκεσίπεπλοι’) καὶ Ἰνδοί, καθάπερ καὶ οἱ Ἴωνες.

122C Καὶ θεραπόντων πλήθους ἀκο|λουθίας: ἰδοὺ καίτοι μιᾶς οὔσης τῆς ἀκολουθίας πληθυντικῶς προήγαγεν διὰ τὸ ἐξογκῶσαι. Εἰ δ’ αὖ ἐθελήσειας εἰς σωφροσύνην καὶ κοσμιότητα: τρέπεται μετὰ τὴν παραβολὴν τὴν πρὸς Πέρσας, καὶ παραβάλλει αὐτὸν τοῖς Λάκωσιν. καὶ ζητητέον πῶς σώφρονας λέγει τὰς Λακαίνας, εἴγε ἀληθές ἐστι τὸ τῆς κωμῳδίας ‘Λακωνικὴ κλείς ἐστι κοὐ περιοιστέα’

καὶ τὸ ‘οὐ παντὸς ἀνδρὸς εἰς Κόρινθόν ἐσθ’ ὁ πλοῦς’· 10

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ἐκεῖθεν γὰρ ἦν ἡ Λαΐς, Λάκαινα δὲ ἡ Ἑλένη. ἢ σώφρονας λέγει τοὺς Λάκωνας ὡς ὑποκατακλινομένους τοῖς ἄρχουσιν. οὕτω γὰρ καὶ ὁ ποιητὴς περὶ μὲν τῶν Τρώων φησὶν ‘ Τ ρ ῶ ε ς δ ὲ κ λ α γ γ ῇ ’ καὶ τὰ ἑξῆς, περὶ δὲ τῶν Ἑλλήνων ‘ σ ι γ ῇ δ ε ι δ ι ό τ ε ς σ η μ ά ν τ ο ρ α ς ’ . οἰκεῖον δὲ τοῦτο τῇ σωφροσύνῃ, τὰ χείρω ὑποκατακλίνειν τοῖς κρείττοσι· περὶ γὰρ τὸ ἔσχατον μόριον καταγινομένη τῆς ψυχῆς ὑποκατακλίνεσθαι τοῦτο ποιεῖ τῷ λόγῳ. 165, 13 Olymp. ἐθέλῃς / ἐθέλεις Plat. Alc. 122b9. Cf. 160,20. 13 Olymp. πλοῦτον / πλούτους Plat. Alc. 122b9. Cf. 160,20. 166, 3 Olymp. ἐθελήσειας / ἐθελήσεις Plat. Alc. 122c5. 3 Olymp. om. τε ante καὶ, cf. Plat. Alc. 122c5.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

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„D a r u m , d u S e l i g e r 1364, g e h o r c h e m i r u n d d e m S p r u c h i n 10 D e l p h i u n d e r k e n n e d i c h s e l b s t “1365. Damit werden der zweite Abschnitt und die vorliegende theoretische Untersuchung mit Gottes Hilfe vollendet. 122B Wenn du aber deinen Blick auf den Reichtum der Perser richten willst1366: Siehe, wie Sokrates es verabscheut, während er Alkibiades mit den persischen Königen hinsichtlich der Lebensweise vergleicht. Auch deshalb sagt 15 er: „w e n n d u a b e r w i l l s t “. Im Folgenden wird er noch verabscheuter erscheinen, als er ihn in Blick auf den Reichtum vergleicht, denn der Reichtum befindet sich noch weiter außerhalb von uns. Auch deshalb sagt er, obwohl noch verabscheut: „A u c h d a s s o l l u n s n i c h t u n g e s a g t b l e i b e n “.1367 Siehe auch, wie Sokrates zum günstigen Augenblick die Redekunst betreibt und eine verhöhnende Sprache verwendet, indem er statt Einzahl alles in die Mehrzahl überträgt, als er „R e i c h t ü m e r “ 20 und „L u x u s g ü t e r “ sagt.1368 Aber „d i e S c h l e p p e n d e r K l e i d e r “1369 sagt er, indem er das in zwei Teilen äußert, weil die Perser und Inder, genauso wie die Ionier, fußlange Untergewänder (khiton) tragen (daher auch „die mit nachschleppenden Gewändern1370“). 122C Das unzählige Gefolge von Dienern1371: Siehe, wie er, obwohl die 166 Gefolge Einzahl ist, sie in der Mehrzahl vorstellt, um [die Perser] zu erhöhen. Wenn du andererseits auf die Besonnenheit und Anstand [achten] würdest1372: Nach dem Vergleich mit den Persern ändert [Sokrates] die Richtung und vergleicht ihn mit den Lakoniern. Nun soll man untersuchen, 5 wie er Lakonierinnen als besonnen bezeichnet, wenn der [Spruch] der Komödie wahr ist: „L a k o n i s c h e r S c h l ü s s e l i s t e s , u n d n i c h t u m h e r u m z u t r a g e n “1373

Und das: „N i c h t f ü r j e d e n M a n n f ä h r t d a s S c h i f f n a c h K o r i n t h “1374

Daher kam nämlich Lais, wobei Helene eine Lakonierin war.1375 Vielleicht nennt er die Lakonier besonnen, da sie sich ihren Herrschern unterwerfen. Deshalb nämlich sagt auch der Dichter über die Troer: „T r o e r m i t G e s c h r e i “1376 und so weiter, während er über die Griechen „s c h w e i g e n d i n F u r c h t v o r i h r e n K o m m a n d a n t e n “1377 [sagt]. Das ist also eine Eigenschaft der Besonnenheit, dass die Niedrigeren sich den Überlegenen unterwerfen.1378 Denn diese [sc. Besonnenheit] macht die Seele unterwürfig zur Vernunft, indem sie sich im niedrigsten Teil der Seele aufhält.1379

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C. Text und Übersetzung

Καὶ φιλοπονίαν καὶ φιλονικίαν καὶ φιλοτιμίαν: φιλόπονοι γὰρ καὶ οἱ Λάκωνες, διὸ ἐκ παίδων ἐθίζοντες ἑαυτοὺς πονεῖν ἐμαστιγοῦντο· ἀπὸ γὰρ τετραέτους χρόνου αἱ μαστιγώσεις παρελαμβάνοντο. ἀλλὰ καὶ φιλογυμναστίαν ἤσκουν παρὰ τὸν Εὐρώταν, ὥς φησιν ὁ Εὐριπίδης, κοινῶς ἄνδρες καὶ | γυμναζόμενοι. τὸ δὲ φιλονικίαν διὰ τοῦ ι γραπτέον, ἔχαιρον γὰρ τῇ νίκῃ. καὶ ἰδοὺ κατήντησεν εἰς τὴν φιλοτιμίαν, διότι κατὰ τὴν τοιαύτην πολιτείαν ἐπολιτεύοντο, κατὰ γὰρ τὸ φιλότιμον. 122D Γῆν μὲν γὰρ ὅσην ἔχουσι τῆς τε ἑαυτῶν καὶ Μεσσήνης: ἰδοὺ ἄρχεται ἀπὸ τῆς συγκρίσεως τοῦ πλούτου· καὶ πρῶτον συγκρίνει κατὰ τὸν ἑτεροκίνητον πλοῦτον. πενταμεροῦς δ’ οὔσης τῆς Πελοποννήσου ἓν μέρος ἦν τὸ τῆς Μεσσήνης. τὸ δὲ ῥητὸν ὑπερβατῶς ἀναγνωστέον· ‘γῆν μὲν γὰρ ὅσην ἔχουσι πλήθει οὐδ’ ἀρετῇ τῆς τε ἑαυτῶν καὶ Μεσσήνης οὐδ’ ἂν εἷς ἀμφισβητήσειεν’. 122E Πολλὰς γὰρ ἤδη γενεὰς εἰσέρχεται μὲν αὐτοῖς ἐκ πάντων τῶν Ἑλλήνων: ἰδοὺ καὶ ἐκ τούτων ἐστὶ δεῖξαι ὅτι ὀνειδίζει αὐτοῖς μᾶλλον ὁ Πλάτων, εἴγε φθονερὸν τὸ μεταλαμβάνειν μόνον καὶ μὴ μεταδιδόναι. καὶ ἔνυλον γὰρ ποιεῖ τὸν πλοῦτον αὐτῶν· οἰκεῖον γὰρ τῇ ὕλῃ τοῦτο τὸ μεταλαμβάνειν μόνον καὶ μὴ μεταδιδόναι, διὸ καὶ ὁ Πλάτων οὐκ ἄλλως αὐτὴν καλεῖ ἐν τῷ Τιμαίῳ εἰ μὴ μεταληπτικόν. πῶς οὖν ἀποδέχεται αὐτούς, ὃς ὀνειδίζει αὐτοῖς, μετὰ τῆς Πυθίας καὶ Φερεκύδου καὶ Λυκούργου; καὶ παράγει λοιπὸν τὸ παράδειγμα τῆς ἀλώπεκος, χαριέντως καὶ προσφόρως πεφρασμένον. ἡ γὰρ Πλατωνικὴ χάρις ἀεὶ ἀκμάζει, μηδέποτε γηρῶσα. 123A Καὶ τοῦ εἰς Λακεδαίμονα νομίσματος: μετέβαλε τὸ ὄνομα τοῦ λέοντος εἰς τὸ νόμισμα· θηρίῳ γὰρ ἀπείκασεν αὐτό.

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123B Ἐπεί ποτε ἤκουσα ἐγὼ ἀνδρὸς ἀξιοπίστου: περὶ Ξενοφῶντός φασι λέγειν αὐτόν· οὗτος γὰρ ἐν τῇ Ἀναβάσει ἱστόρηκεν τὰ Περσῶν, Κύρῳ συνανελθὼν ἐπὶ τὸν ἀδελ|φὸν Ἀρτοξέρξην. 166, 17 Olymp. φιλοτιμίαν / φιλοτιμίας Plat. Alc. 122c8. 167, 5 Olymp. τε ἑαυτῶν / θ’ ἑαυτῶν Plat. Alc. 122d6. 10 Cf. Plat. Alc. 122d5–7: γῆν μὲν γὰρ ὅσην ἔχουσιν τῆς θ᾽ ἑαυτῶν καὶ Μεσσήνης, οὐδ᾽ ἂν εἷς ἀμφισβητήσειε τῶν τῇδε πλήθει οὐδ᾽ ἀρετῇ. 11 Olymp. αὐτοῖς ἐκ πάντων / αὐτόσε ἐξ ἁπάντων Plat. Alc. 122e5. 23 Olymp. ποτε ἤκουσα ἐγὼ / ποτ᾽ ἐγὼ ἤκουσα Plat. Alc. 123b4.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

385

Und auf ihre Liebe für Anstrengung, für Sieg und für Ehre1380: Denn die Lakonier lieben Anstrengung1381, darum wurden sie von Kindheit an ausgepeitscht, um sie an Anstrengungen zu gewöhnen. Ab dem vierten Lebensjahr nämlich bekamen sie Auspeitschungen. Außerdem pflegten sie ihre Liebe für Körperertüchtigung am Eurotas, wie Euripides sagt,1382 indem die Männer 20 zusammen mit Frauen körperliche Übungen betrieben. Und das Wort philonikia 167 muss mit i geschrieben werden, denn sie begrüßten den Sieg.1383 Siehe auch, dass er zum Schluss in die Ehrliebe gelangt, da sie gemäß einer derartigen Verfassung verwaltet wurden, nämlich gemäß der Ehrliebe.1384 122D Einen Grundbesitz, wie sie ihn in ihrem eigenen Land und in 5 Messenien haben1385: Siehe, dass er mit dem Vergleich des Reichtums beginnt: Und als Erstes vergleicht er [sie] in Bezug auf den beweglichen Reichtum. Während der Peloponnes fünf Teile hat, war Messenien ein Teil [von diesen]. Diesen Ausdruck aber muss man in umgekehrter Reihenfolge lesen: „Sie haben einen solchen Grundbesitz, sowohl im Hinblick auf Ausdehnung als auch in Bodenqualität, wie in ihrem eigenen Land und in Messenien, dass kein einziger 10 bestreiten würde“.1386 122E Viele Generationen lang strömt das [Geld] nämlich schon ihnen von allen Griechen1387: Siehe, dass auch aus diesen Aussagen deutlich wird, dass Platon sie vielmehr schmäht, denn nur anzunehmen und nie auszugeben dem Neid gehört. Auch stellt er ihren Reichtum materialisiert dar: Denn es ist eine Eigenschaft der Materie, nur anzunehmen und nie auszugeben, deshalb 15 benennt Platon diese [sc. die Materie] auch im Timaios nicht anders als [das] „Aufnehmende“1388. Wie nun anerkennt er sie, wenn er sie in derselben Linie wie Pythia und Pherekydes sowie Lykurgos schmäht? Auch bringt er im Folgenden das Beispiel des Fuchses vor, das auf anmutige und angebrachte Weise formuliert ist. Denn die platonische Anmut ist immer in voller Kraft, wird 20 niemals schwach. 123A Und von dem Geld, das nach Lakedaimon [hineingeht]1389: Er hat den Namen des Löwen durch Geld ersetzt: Denn er [sc. Platon] verglich das Geld mit einem wilden Tier.1390 123B Doch einmal habe ich von einem glaubwürdigen Mann gehört1391: [Die Exegeten] sagen, dass er [hier] über Xenophon spricht. Denn er berichtete die persischen Sitten in der Anabasis1392, während er gemeinsam mit Kyros 168 gegen seinen Bruder Artoxerxes vorging.1393

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C. Text und Übersetzung

Ζώνης τῆς βασιλέως γυναικός: οὐκ ἄτοπον ἀφωρίσθαι πόλεις πρὸς κόσμον ἕκαστον τῶν παρὰ Πέρσαις βασιλίδων, εἴγε καὶ παρ’ ἡμῖν ἡ Τύρος πορφυρία λέγεται, ἀφ’ ἧς ἡ πορφύρα, διὰ τὸ αὐτὴν μόνην ἀφωρίσθαι πρὸς τὴν ἁλουργίδα τοῦ βασιλέως. καὶ ἰδοὺ εἰς γυναῖκας ἀπέπεμψε τὸν τοιοῦτον λόγον· διὰ γὰρ τὴν δυσγένειαν τὴν ἑαυτῶν αὗται καὶ τὴν ἀσθενῆ φύσιν φιλόπλουτοί εἰσι. διὸ καὶ οἱ Πέρσαι θηλύμορφοί εἰσι, χαίροντες τῷ τοιούτῳ κόσμῳ. εἰ δὲ καὶ παρ’ ἡμῖν κοσμίοις χρῶνται οἱ στρατευόμενοι, ὡς μεταβάλλοντες τὸ ἑαυτῶν ἦθος εἰς βάρβαρον τοῦτο ποιοῦσιν. 123C Εἴ τις εἴποι τῇ βασιλέως μητρί: ἐξογκοῖ τὸν λόγον ἀπὸ τῶν προϋπαρχόντων καὶ συνυπαρχόντων καὶ μεθυπαρχόντων, βασιλέως λέγων μητρί, γυναικί, θυγατρί. φησὶ δὲ ὅτι ‘εἴ τις εἴποι ὅτι Ἀλκιβιάδης διαγωνίσασθαι θέλει τῷ αὐτῆς υἱεῖ, τῷ ποτὲ τρόπῳ σὲ ἔδει θαρροῦντα αὐτῷ ἀγωνίσασθαι; οὐδενὶ γὰρ ἄλλῳ ἐπιχειρητέον σοι τοῦτο ποιεῖν ἢ τῇ ἐπιμελείᾳ τῇ ἀπὸ σοφίας· πάτριον γάρ ἐστι τὸ τοὺς Ἀθηναίους σοφίᾳ νικᾶν’. ὅτε ἄρα ἄνω ἔλεγεν ὅτι παιδεύουσι τοὺς Περσῶν βασιλεῖς οἱ δʹ ὕστερον, καὶ ὁ μὲν διδάσκει ἀνδρείαν, ὁ δὲ φρόνησιν, οὐ τὰς κυρίως ἀρετὰς χρὴ ἀκούειν. ‘εἶτα οὐκ αἰσχρόν’, φησίν, ‘ὦ Ἀλκιβιάδη, ἡττᾶσθαι ἡμᾶς ὑπὸ πολεμίων, καὶ οὐ μόνον ὑπὸ πολεμίων, ἀλλὰ καὶ ὑπὸ γυναικῶν τούτων; καὶ μὴ μόνον τοῦτο, ἀλλ’ ὅτι κἀ|κεῖναι ἴσασι τὸν τρόπον τῆς σωτηρίας ἡμῶν, ἡμεῖς δὲ ἀγνοοῦμεν’. Ὁ Δεινομάχης υἱός: καὶ τοῦτο ἐμφατικόν· ποῦ μὲν γὰρ ἐξώγκωσε τὸν λόγον ἀπὸ τῶν προϋπαρχόντων καὶ συνυπαρχόντων καὶ μεθυπαρχόντων, νῦν δέ φησιν ‘ ὁ Δ ε ι ν ο μ ά χ η ς υ ἱ ό ς ’ . 123D Οὗτος ὁ Ἀλκιβιάδης: καὶ τοῦτο ὡς ἐμφατικόν, τουτέστιν ‘ὁ μήπω γεγονὼς , ἐν γʹ μοίρᾳ τάξας ἑαυτόν· “κεῖνος γὰρ πανάριστος ὃς αὐτὸς πάντα νοήσει, ἐσθλὸς δ’ αὖ κἀκεῖνος ὃς εὖ εἰπόντι πείθηται”’·

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ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης ἐν τῇ γʹ μοίρᾳ ἔρριπται ὡς μήτε ἄλλῳ πειθόμενος. Ἔπειτα παντάπασιν ἀπαίδευτος: ἀντὶ τοῦ ‘διπλῇ ἀμαθαίνων καὶ ἀγνοῶν ἑαυτὸν καὶ τὰ πράγματα’.

168, 2 Olymp. Ζώνης / ζώνην Plat. Alc. 123b8. 169, 8 Olymp. κεῖνος γὰρ / Οὗτος μὲν Hes. Op. 293. 8 Olymp. αὐτὸς / αὐτῷ Hes. Op. 293. 9 Olymp. πείθηται / πίθηται Hes. Op. 295.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

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Des Gürtels der Gemahlin des Königs1394: Nicht widersinnig ist es, die Städte für jedes Schmuckstück der persischen Königinnen zu beauftragen, zumal wenn auch bei uns die purpurfarbene [Dinge] Tyros genannt werden, woher der Purpur kommt, da nur diese [Farbe] ausschließlich für das Purpurkleid des Königs bestimmt ist.1395 Siehe auch, dass er ein solches Argument zu 5 den Frauen zuordnet.1396 Denn aufgrund ihrer niedrigen Gesinnung und der schwachen Natur lieben diese [sc. Frauen] den Reichtum. Auch deshalb sind die Perser von weiblicher Gestalt, da sie derartigen Schmuck gutheißen.1397 Wenn aber auch bei uns diejenigen, die im Krieg dienen, Zierden benutzen, bewirken sie, dass sich ihr Charakter in einen barbarischen [Charakter] wandelt. 10 1398 123C Wenn jemand zu der Mutter des Königs sagen würde : Er steigert sein Argument, von den vorherigen [Generationen] zu den zeitgenössischen bis hin zur nachkommenden, indem er die Mutter, die Gemahlin und die Tochter des Königs erwähnt. Dann sagt er: „Wenn jemand sagen würde, dass Alkibiades vorhat, sich mit ihrem Sohn im Kampf zu messen, auf welche Weise denn solltest du mit Mut gegen ihn kämpfen? Denn du sollst auf keine andere 15 Weise versuchen, das zu tun, außer mithilfe der Sorge [um dich selbst], die aus der Weisheit entsteht. Denn es ist ein Brauch, dass die Athener durch die Weisheit siegen.1399“ Als er etwa oben sagte, dass die vier nachfolgenden Lehrer die Könige der Perser ausbilden,1400 und einer von denen Tapferkeit lehrt, ein anderer praktisches Wissen1401, sollen sie nicht als Tugenden im strikten Sinne verstanden werden.1402 „Ist es dann nicht beschämend“, sagt er, „Alkibiades, von unseren Feinden besiegt zu werden, und nicht nur von den Feinden, sondern 20 sogar von ihren Frauen? Auch nicht einfach das, sondern weil diese den Weg für 169 unsere Rettung wissen, wobei wir darüber unwissend sind.“1403 Der Sohn der Deinomache1404: Auch das ist eine Betonung. Denn wie er [oben] sein Argument von den vorherigen [Generationen] zu den zeitgenössischen bis hin zur nachkommenden steigerte, jetzt sagt er „d e r S o h n d e r 5 D e i n o m a c h e “.1405 123D Dieser Alkibiades1406: Auch dieses [dient] als eine Betonung, das ist [wie in der Aussage]: „Der noch nicht 20 Jahre alt1407 geworden ist, das ordnet ihn somit der dritten Reihe zu: ‚D e r j e n i g e i s t z w a r ä u ß e r s t g u t , d e r s e l b e r a l l e s e r k a n n t h a t , 1408 A b e r a u c h j e n e r i s t e d e l , d e r g u t e m R a t e v e r t r a u t h a t . ‘1409“.

Alkibiades wurde aber in die dritte Reihe gestellt, da er auf niemanden anderen hört. Zweitens vollkommen ungebildet: Bedeutet: „Doppelt ungebildet, da er sowohl sich selbst als auch seine Angelegenheiten nicht erkennt“.

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C. Text und Übersetzung

Μαθόντα καὶ ἐπιμεληθέντα αὑτοῦ καὶ ἀσκήσαντα: ἡ μὲν μάθησις ἐπὶ λόγου εἴρηται, ἡ δὲ ἄσκησις ἐπὶ τῆς ἀλόγου ψυχῆς. ἀντιδιῄρηται γὰρ ἡ μάθησις τῇ ἀσκήσει, καὶ γὰρ καὶ τὰ ἄλογα δι’ ἀσκήσεως παιδεύονται· κοινὴ δ’ ἀμφοῖν ἡ ἐπιμέλεια. 123E Οἶμαι δὲ καὶ Λαμπιδὼ τὴν Λεωτυχίδου θυγατέρα: ἄλλην πολιτείαν ὑπογράφει, Λακεδαιμονίων πολιτείαν, καὶ πάλιν ἐξογκοῖ τὸν λόγον ἀπὸ τῶν προϋπαρχόντων καὶ συνυπαρχόντων καὶ μεθυπαρχόντων.

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124A Καίτοι οὐκ αἰσχρὸν δοκεῖ εἶναι, εἰ αἱ τῶν πολεμίων γυναῖκες: τὸ εἰρημένον φησίν, ὅτι αἰσχρόν ἐστιν ἡττᾶσθαι τῶν πολεμίων, καὶ οὐ μόνον τῶν πολεμίων, ἀλλὰ καὶ τῶν γυναικῶν τούτων· καὶ ἔτι αἰσχρότατον, τὸ ἐκείνας μὲν εἰδέναι τὸν τρόπον τῆς θεραπείας, ἡμᾶς δὲ ἀγνοεῖν. Τέλος σὺν θεῷ τοῦ βʹ τμήματος.

169, 17 Olymp. καὶ / κἂν Plat. Alc. 123e9. 17 Olymp. om. μὲν ante θυγατέρα, cf. Plat. Alc. 123e9.

ANFANG DES ZWEITEN ABSCHNITTS

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Indem er lernt, sich um sich selbst sorgt und einübt: Die Lehre wird hinsichtlich der Vernunft gesagt, die Einübung dagegen hinsichtlich der unvernünftigen Seele.1410 Denn die Lehre unterscheidet sich von der Einübung, tatsächlich auch die unvernünftigen Wesen werden durch Einübung erzogen. Den beiden gemeinsam ist aber die Sorge [um sich selbst]. 123E Ich glaube aber, auch Lampido, die Tochter des Leotychidas1411: Er fügt eine andere Verfassung hinzu, die Verfassung der Lakedaimonier, und erneut steigert er sein Argument von den vorherigen [Generationen] zu den zeitgenössischen bis hin zu den nachkommenden.1412 124A Scheint es dir aber nun nicht beschämend zu sein, wenn die Frauen unserer Feinde1413: Er sagt was bereits erwähnt wurde, dass es beschämend ist, von den Feinden besiegt zu werden, und nicht nur von den Feinden, sondern sogar von ihren Frauen. Dazu noch das Schändlichste [ist], dass sie den Weg für [unsere] Heilung wissen, während wir selbst darüber unwissend sind. Ende des zweiten Abschnitts mit Gottes Hilfe.

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ΑΡΧΗ ΤΟΥ Γʹ ΤΜΗΜΑΤΟΣ Πρᾶξις σὺν θεῷ ιθʹ

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124A-D Ἀλλ’, ὦ μακάριε, ἐμοὶ πειθόμενος καὶ τῷ ἐν Δελφοῖς γράμματι, γνῶθι σαυτόν. Ἐπειδὴ κοινὸν καταγώγιον ὑπῆρχεν τὸ αʹ καὶ τὸ βʹ τμῆμα τῶν ἐλέγχων τοῦ Ἀλκιβιάδου (ἐν μὲν γὰρ τῷ αʹ ἔδειξεν αὐτὸν ἀγνοοῦντα ἑαυτὸν κατὰ ψυχήν, ἐν δὲ τῷ βʹ κατὰ σῶμα καὶ κατὰ τὰ ἐκτός· κατὰ μὲν ψυχήν, ὡς ὅτι μὴ εἰδὼς οἴεται εἰδέναι καὶ διπλῇ ἀμαθαίνει· ἢ ὥς τις ἰατρὸς ὑπάρχων οἴοιτο ἑαυτὸν φιλοσοφεῖν, πρὸς ὃν καὶ ἔγραψεν ὁ Ἀλέξανδρος ‘μένε, ὦ ταλαίπωρε, ἀτρέμας σοῖς ἐν σπληνίοις, οὐδὲν γὰρ οἶδας ὧν δοκεῖς σάφ’ εἰδέναι’·

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ἢ κατὰ τὸ σῶμα, ὡς | εἴ τις Θερσίτης ὢν νομίσοι ἑαυτὸν ὡραῖον εἶναι ἢ κατὰ τὰ ἐκτός, ὡς εἴ τις ἄσωτος ὑπάρχοι διὰ τὸ οἴεσθαι ἑαυτὸν πλούσιον εἶναι μὴ ὄντα), διὰ ταῦτα οὖν ἐν τῷ γʹ τμήματι προοιμιαζόμενος ἀπαντᾷ πρὸς τοὺς δύο ἐλέγχους τοὺς παραδοθέντας ἐν τοῖς δύο τμήμασι λέγων· ‘ ἀ λ λ ’ , ὦ μ α κ ά ρ ι ε , ἐ μ ο ί τ ε π ε ι θ ό μ ε ν ο ς καὶ τῷ ἐν Δελφοῖς γράμματι, γνῶθι σαυτόν’. ‘μα κάρ ι ο ν ’ δὲ αὐτόν φησιν ὡς μέλλων αὐτὸν συνάπτειν θεοῖς· ἐν τούτοις γὰρ ἡ μακαριότης διὰ τὴν στέρησιν τῆς κ η ρ ό ς , τὸ γὰρ μα στερητικόν. προτάττει δὲ αὑτὸν τοῦ θεοῦ ὡς προσεχὲς αἴτιον ὢν τῆς τοῦ Ἀλκιβιάδου σωτηρίας. διὰ δὲ τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ ἐδήλωσε τὸ προσταττόμενον, διὰ γὰρ τῆς προστάξεως τὸ προσταττόμενον ἐδήλωσεν· διὰ μὲν τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι ’ , ὅτι οὔκ ἐσμεν σῶμα (τοῦτο γὰρ οὐ γινώσκει), οὐ συναμφότερον (οὔτε γὰρ τοῦτο καθὸ συναμφότερον γινώσκει, οὐ γὰρ δὴ κατὰ τὸ σῶμα), ἀλλὰ ψυχή, καὶ ψυχὴ οὐ φυτική, (αὕτη γὰρ οὐ γινώσκει)· διὰ δὲ τοῦ ‘ σ ε α υ τ ὸ ν ’ ὅτι οὐδὲ ἄλογος (ἀνεπίστροφος γάρ ἐστι πρὸς ἑαυτὴν ἡ ἄλογος), ἀλλὰ λογική, καὶ

170, 3 Olymp. ἐμοὶ πειθόμενος / πειθόμενος ἐμοί τε Plat. Alc. 124a9. 171, 5 Olymp. πειθόμενος ante ἐμοί, cf. Plat. Alc. 124a9. 5–6 cf. 170,3–4.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS1414

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Unterricht 19 mit Gottes Hilfe 124A–D Darum, du Seliger, hör auf mich und auf den Spruch von Delphi und erkenne dich selbst.1415 Da der erste und der zweite Abschnitt der Widerlegungen gegen Alkibiades über einen gemeinsamen Abstieg1416 verfügten, – (Denn er zeigte einerseits im ersten [Abschnitt], dass er sich selbst in Bezug auf die Seele nicht kennt; andererseits im zweiten [Abschnitt] in Bezug auf den Körper und die Äußerlichkeiten1417: Zum einen in Bezug auf die Seele, da er glaubt zu wissen, obwohl er nicht weiß und doppelt ungebildet ist. Oder, wie jemand, der Arzt ist, glauben mag, dass er Philosophie betreibt, gegen den auch Alexander schrieb:

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„B l e i b u n b e s o r g t , d u U n g l ü c k l i c h e r , b e i d e i n e n V e r b ä n d e n N i c h t s w e i ß t d u v o n d e m , w a s d u s i c h e r z u w i s s e n g l a u b s t . “ 1418

Oder etwa in Bezug auf den Körper, wie wenn jemand, obwohl er ein Thersites 171 ist, denken könnte, dass er in seiner Blüte ist.1419 Oder in Bezug auf die Äußerlichkeiten, wie wenn jemand in unrettbarer Lage ist, weil er sich für einen reichen hält, obwohl er nicht ist) – , indem er nun mit diesen [Worten] den dritten Abschnitt einleitet, greift er die zwei Widerlegungen auf, die in diesen zwei Abschnitten übermittelt wurden und sagt: „D a r u m , d u S e l i g e r , 5 gehorche mir und dem Spruch in Delphi und erkenne dich s e l b s t “ . 1420 Er nennt ihn also „s e l i g “ (makarios), da er ihn mit den Göttern verbinden möchte.1421 Denn in diesem Rahmen [wird] die Seligkeit (makariotês) durch die Aufhebung vom V e r h ä n g n i s 1422 (kêr), denn das [Präfix] ma- ist aufhebend. Ferner stellt er sich dem Gott voran, da er der nächstmögliche Urheber für Alkibiades’ Rettung ist. Durch „e r k e n n e d i c h s e l b s t “ 10 weiterhin verdeutlichte er das, was [von dem Gott] befohlen wurde, denn er verdeutlichte das Befohlene durch den Befehl [selbst]. Einerseits durch „e r k e n n e “, dass wir nicht aus dem Körper bestehen (denn dieser kann nicht erkennen1423), auch nicht aus der Kombination von beidem (auch diese kann nämlich insofern als eine Kombination nicht erkennen, gewiss auch nicht in Bezug auf den Körper), sondern aus der Seele, und nicht aus der vegetativen Seele (denn diese kann nicht erkennen1424). Andererseits durch „d i c h s e l b s t “ 15 [verdeutlichte er], dass [der Mensch] weder die vernunftlose [Seele ist] (denn die vernunftlose [Seele] ist nicht auf sich zurückwendend1425), sondern die

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C. Text und Übersetzung

λογικὴ οὐκ ἀεὶ τελεία, ἀλλὰ ποτὲ καὶ ἀγνοοῦσα. διὸ καὶ προστάττει τὸ ‘ γ ν ῶ θ ι ’ · οὐδεὶς γὰρ τῷ ποιοῦντι προστάττει ποιεῖν· νῦν δὲ προστάττει αὐτῷ γνῶναι ἑαυτόν. ‘Πολλῆς γάρ’, φησίν, ‘ἐπιμελείας χρείαν ἔχεις, καὶ οὐ μόνον σύ, ἀλλὰ καὶ ἐγώ. πάντες μὲν γὰρ ἄνθρωποι μᾶλλον τῶν ἄλλων ζῴων πολλῆς ἐπιμελείας δέονται, κατ’ ἐξαίρετον δὲ καὶ μάλιστα ἐγώ τε καὶ σύ’. καὶ ζητήσωμεν | ὅπως ἔχει τὰ τρία δόγματα ταῦτα· πῶς γὰρ ἀγνοεῖ ἑαυτὸν ὁ Σωκράτης; πῶς δὲ μόνος ἄνθρωπος τῶν ἄλλων ζῴων ἐπιμελείας δεῖται; πῶς δὲ καὶ τὸ τρίτον κατ’ ἐξαίρετον τῶν ἄλλων ἀνθρώπων Σωκράτης καὶ Ἀλκιβιάδης δέονται ἐπιμελείας; τὸ μὲν οὖν πρῶτον, ὅτι πολλαχῶς ἐστὶ γνῶναι ἑαυτόν· ἔστι γὰρ γνῶναι ἑαυτὸν κατὰ τὰ ἐκτός· ἀλλὰ δὴ καὶ κατὰ σῶμα· ἔστι γνῶναι ἑαυτὸν πολιτικῶς, ὅτε τις γνῷ ἑαυτὸν κατὰ τὴν τριμέρειαν τῆς ψυχῆς· ἔστι γνῶναι ἑαυτὸν καθαρτικῶς, ὅτε τις γνῷ ἑαυτὸν ἀπολυόμενον τῶν παθῶν· ἔστι γνῶναι ἑαυτὸν θεωρητικῶς, ὅτε ἀπολελυμένον ἑαυτόν τις θεάσηται· ἔστι καὶ θεολογικῶς, ὅτε τις γνῷ ἑαυτὸν κατὰ τὴν ἰδέαν τὴν ἑαυτοῦ· ἔστι καὶ ἐνθουσιαστικῶς, ὅτε τις γνῷ ἑαυτὸν κατὰ τὸ ἕν, καθ’ ὃ συναπτόμενος τῷ οἰκείῳ θεῷ ἐνθουσιᾷ. ἠγνόει οὖν ἑαυτὸν ὁ Σωκράτης ἐνθουσιαστικῶς· διὸ καὶ ἐν Φαίδρῳ φησὶ ‘ γ ε λ ο ῖ ό ν ἐ σ τ ι τ ὰ μ ὲ ν ἄ λ λ α ε ἰ δ έ ν α ι , ἑ α υ τ ὸ ν δ ὲ ἀ γ ν ο ε ῖ ν ’ . πρὸς δὲ τὸ δεύτερόν φασι ὅτι μᾶλλον τῶν ἄλλων ζῴων ἐπιμελείας δεῖται ὁ ἄνθρωπος, οὐ μόνον κατὰ τὸ σῶμα, διότι γυμνὸν τοῦτο ἐποίησεν ἡ φύσις, τοῖς ἄλλοις ζῴοις δι’ ὅλου τρίχας καὶ κέρατά τισι καὶ ὁπλὰς ποιήσασα· οὐ μόνον κατὰ τὰ ἐκτός, διότι δεῖται τοῦτο μόνον τὸ ζῷον σκέπης τῆς ἀπὸ τῶν οἴκων· ἀλλὰ καὶ κατὰ τὸν λόγον, διότι δριμύταταί εἰσι αἱ κακίαι τῶν ἀνθρώπων, τῶν ἄλλων ζῴων πλέον, διότι ἔνδον ἐστὶν ὁ πολυμήχανος λόγος οἶόν τις Ὀδυσσεὺς ἐξυπηρετῶν τῇ ἐπιθυμίᾳ καὶ ποικίλλων τὰ πάθη. διὸ καὶ εἴρηται· ‘ο ὐδ ὲ ν ἀκ ι δνό τ ε ρ ον γ α ῖα τρέ φε ι ἀ νθρώποιο ’.

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διὰ | τοῦτο οὖν, φησί, μᾶλλον ὁ ἄνθρωπος δεῖται ἐπιμελείας. τὸ δὲ τρίτον, ὅτι μᾶλλον τῶν ἀνθρώπων Ἀλκιβιάδης καὶ Σωκράτης. Ἀλκι-

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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vernunftbegabte [Seele]; noch die stets vollkommen vernunftbegabte, sondern manchmal auch unwissende.1426 Auch deshalb befiehlt er „e r k e n n e “: Denn niemand würde einen Handelnden [Menschen] befehlen, zu handeln. Jetzt aber befiehlt er ihn, sich selbst zu erkennen. „Denn du hast“, sagt er, „einen großen Bedarf an Sorge1427, und [das hast] nicht 20 nur du, sondern auch ich. Alle Menschen brauchen durchaus vielmehr Sorge im Vergleich zu anderen Lebewesen; insbesondere aber am meisten ich und du.“ Nun sollen wir untersuchen, in welchem Sinne er [hier] diese drei Grundsätze 172 hat: Wie denn erkennt Sokrates sich selbst nicht? Und warum braucht nur der Mensch unter anderen Lebewesen Sorge? Ferner, warum auch die dritte [Ansicht], dass unter allen Menschen besonders Sokrates und Alkibiades Sorge brauchen? Nun zu der ersten [Frage sagen wir], dass sich selbst zu erkennen 5 mehrere Ebenen hat1428: Es ist nämlich möglich, sich selbst in Bezug auf Äußerlichkeiten zu erkennen. Allerdings auch in Bezug auf den Körper. Es gibt auf politische Weise sich selbst zu erkennen, wenn jemand sich in Bezug auf die Dreiteilung der Seele erkennt.1429 Es ist möglich auf kathartische Weise sich selbst zu erkennen, wenn jemand sich in der Loslösung von den Affekten erkennt. Es gibt sich selbst auf theoretische Weise zu erkennen, wenn jemand sich selbst als einen [von den Affekten] Losgelösten [gedanklich] betrachtet. Es ist auch auf theologische Weise [möglich], wenn jemand sich in Bezug auf die 10 Idee seines Selbst erkennt. Auch auf inspirierte Weise ist es [möglich], wenn jemand sich in Bezug auf das Eine erkennt, durch den er mit seinem eigenen Gott verbunden und inspiriert wird.1430 Nun erkannte Sokrates sich selbst nicht auf inspirierte Weise. Auch deshalb sagt er im Phaidros1431: „E s i s t l ä c h e r lich, andere Sachen zu wissen, über mich selbst dagegen u n w i s s e n d z u s e i n “. Zu der zweiten [Frage] sagen [die Exegeten], dass der Mensch vielmehr als andere Lebewesen Sorge braucht, nicht nur in Bezug 15 auf den Körper, da die Natur ihn ungeschützt geschaffen hat, obwohl sie den anderen Lebewesen überall Haare, einigen sogar Geweih und Hufe gegeben hat.1432 Auch nicht nur in Bezug auf die Äußerlichkeiten, da dies das einzige Tier ist, das eine Schutz in Form von Häusern braucht: Sondern auch in Bezug auf die Vernunft, da die Schwierigkeiten, die die Menschen betreffen, viel heftiger sind 20 als bei den anderen Lebewesen, deshalb ist die erfindungsreiche Vernunft drinnen [in uns], wie ein Odysseus, der seiner Begierde nachgibt und seine Leiden vervielfältigt.1433 Auch deshalb wird gesagt: „N i c h t s A r m s e l i g e r e s n ä h r t d i e E r d e a l s d e n M e n s c h e n “1434.

Aus diesem Grund also sagt [Sokrates], dass der Mensch mehr Sorge braucht. Zu 173 der dritten [Frage], dass mehr als [alle anderen] Menschen Sokrates und Alkibiades [Sorge brauchen]: Alkibiades [braucht es] einerseits, da große

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C. Text und Übersetzung

βιάδης μέν, διότι αἱ μεγάλαι φύσεις ἀμελούμεναι μεγάλων κακῶν αἴτιαι γίνονται, ὥσπερ ἐπιμελείας τυγχάνουσαι μεγάλων ἀγαθῶν. καὶ γὰρ ὥσπερ ἡ πίειρα γῆ ἐπιμελουμένη μὲν καὶ γεωργουμένη ἀγαθοὺς καρποὺς ἐκδίδωσιν, ἀμελουμένη δὲ ἀκάνθας πέφυκεν ἀποτίκτειν (οὐδὲν γὰρ οἶδεν ἢ γεννᾶν μὴ προσλογισαμένη τὸ κάρπιμον, εἴτε ἀκανθῶδές ἐστιν εἴτε ἕτερον), οὕτω καὶ αἱ δεξιαὶ φύσεις διάκεινται. ὅθεν καὶ ὅπου ἔρρεψεν ὁ Ἀλκιβιάδης τροπὴν ἐποίησε. καὶ παρὰ Λάκωσι γενόμενος συνεγένετο τῇ τοῦ βασιλέως γυναικί τε καὶ μητρὶ καὶ θυγατρί· γενόμενος δὲ ἐν ταῖς Ἀθήναις συνεβούλευσε τῷ ἐπιτρόπῳ Περικλεῖ βουλεύσασθαι ὅπως μὴ ποιήσοι λόγους Ἀθηναίοις τῶν ἀναλωθέντων χρημάτων εἰς τὴν Φειδίου Ἀθηνᾶν. διὸ κἀκεῖνος ἔλεγε πρὸς τοὺς ἐξετάζοντας τὴν δαπάνην τῶν χρημάτων ὅτι ‘εἰς τὸ δέον ἀνηλώθη’. καὶ ἡ κωμῳδία περὶ αὐτοῦ φησὶν ‘ ε ἰ ς τ ὸ δ έ ο ν ἀ π ώ λ ε σ α ’ , οὐκ ‘ἀνήλωσα’. ὅθεν ἐκινήθη ὁ Πελοποννησιακὸς πόλεμος. διὰ ταῦτα πολλῆς ἐπιμελείας ἐδεῖτο ὁ Ἀλκιβιάδης· ἀλλὰ καὶ Σωκράτης ὁμοίως διὰ τὸ ὑψηλὸν τῆς αὐτοῦ φιλοσοφίας. ἢ καὶ ὡς ἐρωτικὸς βούλεται τὰ αὐτὰ ἔχειν τοῖς παιδικοῖς καὶ σὺν αὐτοῖς φησὶν ἑαυτὸν πολλῆς ἐπιμελείας δεῖσθαι. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

124A Πειθόμενος ἐμοί τε καὶ τῷ ἐν Δελφοῖς: συντάττει ἑαυτὸν τῷ θεῷ· πολλαχοῦ δὲ | τοῦτο ποιεῖ. οὕτως ἐν τῷ Φαίδρῳ ὁ μ ό δ ο υ λ ο ν ἑαυτὸν τ ο ῖ ς κ ύ κ ν ο ι ς φησίν· οὕτως ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ συνέταττεν ἑαυτὸν τῷ Ἀπόλλωνι ὀνειδίζων τοῖς Λακεδαιμονίοις τὸ φιλοχρήματον (ἦν γὰρ ὁ χρησμὸς δοθεὶς περὶ αὐτῶν ‘ἁ φιλοχρημοσύνα τὰν Σπάρταν ὀλεῖ, ἄλλο δέ κ’ οὐδέν’)·

οὕτως ἐν τῷ Θεαιτήτῳ ‘ θ ε ὸ ς ο ὐ δ ε ὶ ς δ ύ σ ν ο υ ς ἀ ν θ ρ ώ π ῳ , οὐδὲ ἐγὼ τοῦτο δυσνοίᾳ δρῶ, ἀλλά μοι ψευδές τε συγχωρῆσα ι καὶ ἀληθὲς ἀφανίσαι οὐδαμῶς θέμις’.

174, 7 Olymp. θεὸς οὐδεὶς / οὐδεὶς θεὸς Plat. Tht. 151d1. 7 Olymp. ἀνθρώπῳ/ἀνθρώποις Plat. Tht. 151d1. 8 Olymp. τοῦτο δυσνοίᾳ δρῶ / δυσνοίᾳ τοιοῦτον οὐδὲν δρῶ Plat. Tht. 151d1–2. 8 Olymp. ψευδές / ψεῦδός Plat. Tht. 151d2. 9 174 7–9: cf. Plat. Tht. 151d1–3.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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natürliche Begabungen Ursache großer Übel werden, wenn ihnen keine Sorge zugutekommt, genau wie sie [Ursache] großer Güter [werden], wenn sich um sie gesorgt wird. Denn genau wie reiche Erde gute Früchte ausgibt, wenn sie gepflegt und bebaut wird, ohne Pflege dagegen natürlicherweise Disteln erzeugt (denn sie weiß nichts Anderes als den Ertrag ohne Unterscheiden hervorzubringen, ob er dornig oder anders ist); so steht es auch mit den vorzüglichen Naturen. Woher und wohin Alkibiades immer sich neigte, hat er einen Wechsel bewirkt. Und als er bei den Lakoniern war, vereinigte er sich mit der Gemahlin des Königs und auch mit seiner Mutter und Tochter.1435 Als er dann bei den Athenern war, riet er seinem Vormund Perikles dazu, sich zu überlegen, wie er den Athenern über die verschwendeten Geldern für die Athena des Pheidias keine Rechenschaft ablegen kann.1436 Daher sagte auch dieser [Perikles] denjenigen, die die Ausgabe der Geldern prüften, dass sie „für die notwendigen Sachen verschwendet wurden“. Und eine Komödie über ihn sagt: „F ü r d i e n o t w e n d i g e n S a c h e n b i n i c h v e r n i c h t e t “ (apōlesa), nicht „verschwendet“ (anēlōsa).1437 Daher wurde der peloponnesische Krieg angefangen.1438 Aus diesen Gründen brauchte Alkibiades eine große Menge an Sorge. Dennoch [braucht] auch Sokrates auf gleiche Weise [Sorge], aufgrund der Höhe seiner Philosophie.1439 Oder auch als ein Liebender, möchte er den gleichen Zustand haben wie sein Geliebter und mit ihm sagt er, dass auch er selbst viel Bemühung braucht. Das hat die Theorie.

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124A Hör auf mich und auf den [Spruch] in Delphi1440: Er verbündet sich mit dem Gott: Doch in vielen Fällen macht er das. Auf diese Weise nennt er sich 174 im Phaidros1441 einen M i t s k l a v e n d e r S c h w ä n e . Folgendermaßen im vorliegenden Dialog verbündete er sich mit Apollon, indem er den Lakedaimoniern die Geldliebe vorwirft (Denn es wurde der Orakelspruch über sie erteilt: „D i e G e l d l i e b e w i r d S p a r t a v e r n i c h t e n , u n d n i c h t s A n d e r e s “1442).

Genauso im Thaitetos: „K e i n G o t t i s t d e n M e n s c h e n j e s c h l e c h t gesinnt und ich tue das auch nicht aus schlechtem Willen, sondern mir ist es auf keinen Fall recht, bei der Lüge m i t z u w i r k e n u n d d i e W a h r h e i t z u v e r d u n k e l n . “1443

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C. Text und Übersetzung

124B Ὅτι οὗτοι ἡμῖν εἰσὶν ἀντίπαλοι: ‘οἱ γὰρ Πέρσαι καὶ Λάκωνες ἡμῖν εἰσὶν ἀντίπαλοι καὶ ἀνταγωνισταί, ἀ λ λ ’ ο ὐ χ ὡ ς σ ὺ ᾤ ο υ ’ (ἐκεῖνοι γὰρ συναγωνισταὶ ἦσαν)· ‘ὧν οὐ δυνάμεθα περιγενέσθαι ἄλλῳ τινὶ ἢ σοφίᾳ καὶ ἐπιμελείᾳ’. καὶ ἰδοὺ καὶ ἑαυτὸν εἶπεν ἀγνοεῖν ἑαυτόν. Ἐν Ἕλλησί τε καὶ βαρβάροις, οὗ μοι δοκεῖς ἐρᾶν: ἡ θεραπεία ἡ Σωκρατική, ὅτι ‘εἰ ὀνομαστὸς ἐφίῃ γενέσθαι, μάθε τίς ἡ πολιτικὴ ἐπιστήμη· αὕτη γὰρ μόνη ὀνομαστόν σε δύναται ποιῆσαι’. ἀπὸ γὰρ τῶν ὁμοίων ἡ Σωκρατικὴ ἴασις γίνεται ἐπὶ τὰ ὅμοια, δίκην τῶν ἰατρῶν τῶν τὰ ὅμοια φάρμακα τοῖς χυμοῖς προσαγόντων καὶ ταύτῃ κενούντων τὴν | πλεονάζουσαν κακοχυμίαν. Ἔχεις ἐξηγήσασθαι; παντὸς γὰρ μᾶλλον ἔοικας: εὐφυῶς ὁ νέος ἀπεκρίνατο· ἐξηγητὴν γὰρ αὐτὸν καλεῖ, διότι ἐτιμᾶτο Ἀθήνησιν ὁ Ἀπόλλων ὡς ἐξηγητής, διότι διὰ τῆς τῶν χρησμῶν ἐξηγήσεως σωτηρίας αἴτιος ὑπῆρχεν τοῖς Ἕλλησιν. ὡς οὖν συντάξαντα ἑαυτὸν τῷ θεῷ ‘ἐξηγητὴν’ αὐτὸν εἶπεν. Ναί· ἀλλὰ γὰρ κοινῇ βουλῇ: ἰδοὺ ἀγνοεῖ καὶ Σωκράτης, διὸ καὶ κοινῶς βουλεύεται. βουλεύεται μὲν γὰρ ἀγνοῶν μετὰ τῶν παιδικῶν, ὡς δὲ ἐπιστήμων δύναται εἰδέναι. συναγνοεῖ δὲ τοῖς παιδικοῖς ὡς ἐρωτικός.

124C Ἐγὼ γὰρ οὐ περὶ μὲν σοῦ λέγω ὡς χρὴ παιδευθῆναι: ‘κοινὸν γὰρ τοῦτο’, φησίν, ‘ἐμοί τε καὶ σοί, τὸ ἀγνοεῖν ἑαυτοὺς καὶ δεῖσθαι παιδείας διὰ τοῦτο· διαφέρομεν δὲ ἑνί τινι μόνῳ, τῷ τὸν μὲν ἐπίτροπον τὸν σὸν Περικλέα εἶναι, τὸν δὲ ἐμὸν θεὸν εἶναι’, ὅπερ ἓν τὸ ὅλον ἐστίν. οὕτω καὶ ἀλλαχοῦ· ‘ ἐ γ ὼ μ ὲ ν γ ὰ ρ ο ὐ δ ὲ ν ο ἶ δ α π λ ὴ ν ἓ ν μ ό ν ο ν , τ ὸ δ ι δ ό ν α ι λ ό γ ο υ ς κ α ὶ λ α μ β ά ν ε ι ν ’ , τουτέστι τὴν διαλεκτικήν, ὅπερ τὸ ὅλον ἐστίν, εἴγε φιλοσοφία ἐστὶν πάντα τὰ ὄντα γινώσκουσα. τί οὖν; Ἀλκιβιάδου οὐκ ἦν ἐπίτροπος θεῖος; καίτοι λέγεται ἐν τῷ Φαίδωνι ὅτι μετὰ τελευτὴν ἄγει αὐτὸν ὁ δαίμων πρὸς τοὺς δικαστάς, ὅ σ π ε ρ ζ ῶ ν τ α ε ἰ λ ή χ ε ι ν αὐτόν. ἀλλ’ οὐ μετὰ συναισθήσεως, ὥσπερ ὁ Σωκράτης. Ὅτι ἡ ἐπιφάνεια: κοινῷ ὀνόματι ἐχρήσατο τῇ ἐ π ι φ α ν ε ί ᾳ καὶ ἐπὶ τοῦ θεοῦ καὶ ἐπὶ τοῦ Ἀλκιβιάδου· διότι κυρίως ἐ π ι φ ά ν ε ι α ἐπὶ

175, 11 Olymp. om. τοι post γὰρ, cf. Plat. Alc. 124c1.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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124B Dass diese unsere Kampfgegner sind1444: „Denn die Perser und die 10 Lakonier sind unsere Kampfgegner und Konkurrenten, u n d n i c h t [ d i e a n d e r e n ] , w i e d u d e n k s t “ (diese [sc. Athener] waren nämlich [ihre] Mitstreiter): „Diese können wir nicht durch etwas anderes besiegen als durch Weisheit und Sorge“. Siehe außerdem, dass er sagt, auch er sei unwissend über sich selbst.1445 Bei den Griechen und den Barbaren, was du, wie mir scheint, 15 begehrst1446: Die sokratische Therapie, nämlich: „Wenn du danach strebst, ein namhafter Mensch zu sein, lerne, was die politische Erkenntnis ist. Denn alleine diese kann dich zu einem namhaften Menschen machen“. Denn die sokratische Heilung geschieht durch die [Wirkung] der Gleichen auf die Gleichen, wie die Ärzte, die gleichartige Medikamente auf die Körpersäfte anwenden, und dadurch den geschwollenen Eiter entleeren.1447 175 Hast du eine Erklärung?1448 Denn du scheinst mir voll und ganz1449: Mit natürlicher Begabung antwortete der Jüngling: Denn er nennt ihn [sc. Sokrates] einen Erklärer, weil Apollon in Athen als ein Erklärer geehrt wurde, da er durch die Erklärung [seiner] Orakelsprüche Urheber der Rettung für die Griechen 5 wurde.1450 Da er [sc. Sokrates] sich selbst mit dem Gott auf die gleiche Ebene stellt, bezeichnet er [sc. Alkibiades] ihn als „Erklärer“. Ja, dennoch lass uns gemeinsam beraten1451: Siehe, dass auch Sokrates nicht weiß, und deswegen gemeinsam [mit Alkibiades] berät. Denn einerseits berät er mit seinem Geliebten als wäre er unwissend, andererseits ist er als ein Sachkundiger in der Lage zu wissen. Als ein Liebender aber ist er zusammen mit seinem Geliebten unwissend.1452 10 124C Denn ich behaupte nicht nur über dich, dass man gebildet werden muss1453: „Denn es ist gemeinsam“, sagt er, „für mich und für dich, uns selbst nicht zu erkennen und aus diesem Grund Bildung zu brauchen. Wir haben nur einen einzigen Unterschied, dass dein Vormund Perikles ist, meins dagegen der Gott“, der Eins und allumfassend ist.1454 Gleicherweise [sagt er] auch woanders: „I c h w e i ß a l l e r d i n g s n i c h t s a n d e r e s a l s n u r 15 e i n e S a c h e : A r g u m e n t e a n z u g e b e n u n d a n z u n e h m e n “1455, das ist die Kunst der Dialektik, die auch alles umfasst, wenn zumal die Philosophie in der Lage ist, alle Seienden zu erkennen. Wie das denn? Hatte Alkibiades keinen göttlichen Vormund? Dagegen wird im Phaidon gesagt, dass nach dem Tod der Daimon einen zu den Richtern führt, der i m L e b e n ihm 20 z u g e w i e s e n w u r d e .1456 Dennoch [lebte Alkibiades] nicht mit der Wahrnehmung [dieses Daimons], wie Sokrates. Dass das leuchtende Erscheinen1457: Er verwendete das Wort l e u c h t e n d E r s c h e i n e n im allgemeinen Sinne sowohl für den Gott als auch für Alkibiades. Denn im strikten Sinne wird d a s l e u c h t e n d e E r s c h e i n e n

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C. Text und Übersetzung

θεοῦ λέγεται. ἦν γὰρ ὁ Ἀλκιβιάδης, τῷ δὲ φιλοτίμῳ φίλον ὑπάρχει τὸ ἐπιφανεῖ εἶναι. καὶ ἰδοὺ πῶς ἐν καιρῷ μεγαληγορεῖ, ὅτι ‘δι’ ἐμοῦ ἔσται σοι | ἡ ἐπιφάνεια’. 124D Παίζεις, ὦ Σώκρατες. Ἴσως: π α ί ζ ε ι ν αὐτόν φησιν διὰ τὸ λέγειν αὐτὸν ὅτι ‘κἀγὼ ἐπιμελείας δέομαι’. ὁ δέ φησιν ‘ἴσως παίζω’· ἡ γὰρ περὶ τὰ δεύτερα ἐνέργεια παίγνιόν ἐστι. διὸ καὶ τὸ

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‘ἄσβεστος δ’ ἄρ’ ἐνῶρτο γέλως μακάρεσσι θεοῖσιν, ὡς ἴδον Ἥφαιστον περὶ δώματα ποιπνύοντα’.

τὸν γὰρ ἔφορον τοῦ σωματικοῦ παντὸς ἑκατέρωθεν χωλεύοντα εἰρήκασιν οἱ ποιηταί· τοῦτο γὰρ δηλοῖ τὸ ‘ ἀ μ φ ι γ υ ή ε ι ς ’ . Πάντες ἄνθρωποι, ἀτὰρ νῶι τε καὶ μάλα σφόδρα: σκόπει τὴν διαφορὰν τῶν Σωκράτους ῥημάτων καὶ τοῦ παρ’ Ὁμήρῳ Ἀχιλλέως. ἐκεῖνος γάρ φησι πρὸς τὸν Πάτροκλον διεγείροντα αὐτὸν πολεμεῖν· ‘μηδέ τις ὢν Τρώων θάνατον φύγοι, ὅσοι ἔασι, μήτε τις Ἀργείων, νῶϊν δὲ φύγοιμεν ὄλεθρον’.

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ὁ μὲν γάρ φησι ‘πάντες ἀπόλωνται, ἡμεῖς δὲ σωθῶμεν’· Σωκράτης δὲ ὡς κηδεμὼν τῆς ἀνθρωπίνης φύσεως λέγει πάντας ἀνθρώπους ἐπιμελείας πολλῆς δεῖσθαι. Οὐκ ἀπορητέον οὐδὲ μαλθακιστέον: ‘ ο ὐ κ ἀ π ο ρ η τ έ ο ν ’ , διὰ τὸν λόγον· δεῖ γὰρ καὶ τὸν λόγον μὴ ἔχειν ἐκνενευρισμένον· ‘ ο ὐ μ α λ θ α κ ι σ τ έ ο ν ’ δέ, διὰ τὴν ἐπιθυμίαν· δεῖ γὰρ ἔχειν ταύτην ἀμάλθακτον καὶ συντεταμένην πρὸς ἔφεσιν ὠφελείας.

176, 6 Olymp. περὶ / διὰ Hom. Il. I,600. 9 Olymp. νῶι τε / νώ γε Plat. Alc. 124d3. 12 Olymp. ὢν / οὖν Hom. Il. XVI,98. 12 Olymp. ὅσοι / ὅσσοι Hom. Il. XVI,98. 13 Olymp. δὲ φύγοιμεν / δ’ ἐκδῦμεν Hom. Il. XVI,99.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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über Gott gesagt.1458 Alkibiades war aber ehrliebend, und für einen Ehrliebenden ist es freundlich, in einer leuchtenden Erscheinung zu sein. Siehe auch, wie er 25 [sc. Sokrates] im günstigen Augenblick stolz redet, nämlich: „durch mich wird dir die Erscheinung zukommen“. 176 124D [Alkibiades:] Du scherzt wie Kinder, Sokrates. [Sokrates:] Vielleicht: Er sagt, dass er [sc. Sokrates] w i e K i n d e r s c h e r z t , weil er ihm sagte: „Auch ich brauche Sorge“. Er [sc. Sokrates] sagt darauf: „Vielleicht scherze ich“. Denn eine Tätigkeit um die zweitrangigen Dinge ist ein Kinderscherz. Daher auch das (Gedicht): „U n d u n a u s l ö s c h l i c h e s G e l ä c h t e r e r h o b s i c h u n t e r d e n s e - 5 ligen Göttern, A l s s i e s a h e n , w i e H e p h a i s t o s u m d a s H a u s h i n k e u c h t e . “1459

Denn die Dichter sagten, dass der Aufseher alles Körperlichen in beiden [Beinen] lahm ist. Das macht [das Epitheton] „a u f b e i d e n F ü ß e n h i n k e n d “ deutlich.1460 Alle Menschen, doch wir beide besonders dringend1461: Betrachte den Unterschied zwischen den Worten des Sokrates und den des Achilleus bei Homer. Denn dieser sagt zu Patroklos, der ihn zum Kampf aufruft:

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„N i c h t e i n e r d e r T r o e r j e t z t d e m T o d e n t g i n g e , s o v i e l e s i e sind, U n d n i c h t e i n e r d e r A r g e i e r, u n d n u r w i r b e i d e e n t g e h e n a u s d e m V e r d e r b e n “1462

Denn er sagt darauf: „Lass alle vernichtet werden, doch wir sollen gerettet werden“1463. Sokrates dagegen, als Wächter der menschlichen Natur1464, sagt, dass alle Menschen viel Sorge brauchen. Man darf weder zweifeln noch träge werden: „M a n d a r f n i c h t z w e i f e l n “, aufgrund der Vernunft. Man soll nämlich keine entkräftete Vernunft haben. Und „m a n d a r f n i c h t t r ä g e w e r d e n “, in Bezug auf die Begierde. Denn diese muss unnachgiebig und gespannt sein auf das Streben nach Nützlichkeit.

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ κʹ 124D-126C Καί μοι λέγε· φαμὲν γὰρ ἄριστοι βούλεσθαι γενέσθαι. Ἐπειδὴ σκοπὸς τοῦ διαλόγου τὸ γνῶναι ἑαυτούς· οὐ κατὰ τὸ σῶμα, οὐ κατὰ τὰ ἐκτός (ἐπιγέγραπται γὰρ ‘ Ἀ λ κ ι β ι ά δ η ς ἢ π ε ρ ὶ ἀ ν θ ρ ώ π ο υ φ ύ σ ε ω ς ’ ), ἀλλὰ κατὰ ψυχήν· καὶ ψυχὴν οὐ τὴν φυτικήν, οὐ τὴν ἄλογον, ἀλλὰ τὴν λογικήν· καὶ κατὰ ταύτην οὐ δήπου γνῶναι ἑαυτοὺς καθαρτικῶς ἐνεργοῦντας ἢ θεωρητικῶς ἢ θεολογικῶς ἢ θεουργικῶς, ἀλλὰ πολιτικῶς (οὐκ ἂν γὰρ ὁ Ἀλκιβιάδης ἠβούλετο πράγματα ἔχειν περὶ τὸ ζητούμενον, εἰ μὴ εἶχε δέλεάρ τι τὸ ζητούμενον, ὅπου γε καὶ ἐν τούτῳ δυσχεραίνει ὡς ῥᾴθυμος περὶ τὴν ζήτησιν· ὑπόκειται γάρ, ὥς φησιν ἡ λέξις, ᾄ τ τ ω ν ἐ π ὶ τ ὰ τ ῆ ς π ό λ ε ω ς π ρ ά γ μ α τ α , καὶ διὰ τοῦτο ὁπωσοῦν ἔχει τινὰ πόθον περὶ τὸ ζητούμενον)· καὶ ὅτι καὶ τὰ ἐπαγόμενα συμφωνεῖ τῷ τοιοῦτον εἶναι τὸν σκοπόν (ὁρίζεται γὰρ ἐφεξῆς τὸν ἄνθρωπον ‘ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι’· μόνος δὲ ὁ πολιτικὸς τοιοῦτος· ὁ γὰρ καθαρτικὸς οὐδὲ ὀργάνῳ αὐτῷ χρῆται, εἴγε τὰ ὄργανα παραλαμβανόμενα συντελεῖ τῷ χρωμένῳ, ἐπὶ δὲ τοῦ καθαρτικοῦ μᾶλλον ἐμπόδιον γίνεται τὸ σῶμα, καλῶς εἰρημένου τοῦ ὑπὸ Ἀριστοτέλους ‘ ὁ γ ὰ ρ ν ο ῦ ς π ο ῖ ο ν ἐ φ έ ξ ε ι μ ό ρ ι ο ν ἢ π ῶ ς , χ α λ ε π ὸ ν κ α ὶ π λ ά σ α ι ’ ) · καὶ ὅτι ἔδει τινὰ παραληφθῆναι ἐπὶ τῷ τέλει τοῦ παρόντος διαλόγου συμβαλλόμενα πρὸς τὸν ἐφεξῆς διάλογον τὸν Γοργίαν, περὶ τῶν πολιτικῶν ἀρετῶν διαλαμβάνοντα, ἔδει οὖν εἰπεῖν τίς ὁ πολιτικός· διὰ δὴ τοῦτο παραδίδωσιν ἐνταῦθα τὰ αἴτια τῆς πολι|τικῆς ἐπιστήμης, τὸ ὑλικόν, τὸ εἰδικόν, τὸ ποιητικόν, τὸ τελικόν. Ὑλικὸν μὲν οὖν ἐστὶν οὐχὶ τὰ θεωρητά, ἀλλὰ τὰ πρακτά· καὶ πρακτὰ οὐ τινά (καὶ γὰρ τῷ τέκτονι τινὰ πρακτὰ ὑπόκειται, οἶον τὰ ξύλα, καὶ ἡ ναυπηγία τινὰ ἔχει, οἶον τὰς ναῦς), ἀλλὰ πάντα τὰ πρακτά. ὥσπερ γὰρ ἑκάστη μὲν τέχνη ἓν οἶδεν, πολλὰ δὲ ἀγνοεῖ, ὁ δὲ φιλόσοφος πάντα

177, 2 Olymp. om. δὴ ὡς post γὰρ, cf. Plat. Alc. 124e1. 18 Cf. Arist. De An. 411b18: ποῖον γὰρ μόριον ἢ πῶς ὁ νοῦς. 19 Olymp. ἐφέξει / συνέξει Arist. De An. 411b18.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

Unterricht 20 mit Gottes Hilfe

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124D–126C Und so sag mir: Wir behaupten doch, wir wollten äußerst tüchtig werden1465: Da die Absicht1466 des Dialogs uns selbst zu erkennen ist: Weder in Bezug auf den Körper noch in Bezug auf das Äußere (denn er ist betitelt als „A l k i b i a d e s o d e r Ü b e r d i e N a t u r d e s M e n s c h e n “), sondern in Bezug 5 auf die Seele. Auf die Seele weder als die vegetative noch als die vernunftlose, sondern als die vernunftbegabte. Und gewiss in Bezug auf diese [vernunftbegabte Seele] uns selbst nicht wie auf kathartische, theoretische, theologische oder theurgische Weise1467, sondern auf politische Weise handelnde [Wesen] zu erkennen (denn Alkibiades würde sich nicht mit der Forschungsfrage beschäf- 10 tigen wollen, wenn er keinen Anreiz über die Forschungsfrage hätte, obgleich er an dieser Stelle wegen seiner Nachlässigkeit Schwierigkeiten bei der Untersuchung hat. Denn er hat vor, wie der Text sagt, a u f d i e A n g e l e g e n h e i t e n d e r P o l i s z u z u s t ü r m e n 1468, und deshalb hat er auf irgendeine Weise ein gewisses Verlangen nach dieser Forschungsfrage). Dazu kommt, dass auch das Folgende damit in Übereinstimmung ist, dass [der Dialog] eine derartige Absicht hat (denn er beschreibt gleich darauf den Menschen als „die vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt“1469. Nur der 15 politische Mensch ist nämlich derart. Denn der kathartische Mensch benutzt diesen [sc. Körper] nicht als Werkzeug, wenn zumal die verwendeten Werkzeuge ihrem Nutzer einen Beitrag leisten, an einem kathartischen Menschen aber der Körper vielmehr zu einem Hindernis wird,1470 sodass es von Aristoteles zutreffend gesagt wurde: „E s i s t n ä m l i c h s c h w e r a u s z u s a g e n , w e l c h e n Te i l [ d e s K ö r p e r s ] u n d w i e b e e i n f l u s s e n w i r d “.1471 Ferner, weil es notwendig war, einige [Themen] zum Ziel des 20 vorliegenden Dialogs zu übernehmen, um [diese] mit dem darauffolgenden Dialog, dem Gorgias, zu vergleichen, der die politischen Tugenden einzeln behandelt1472 – daher war es notwendig zu erklären, wer ein politischer Mensch ist.1473 Deswegen stellt er offenbar die Ursachen1474 des politischen Wissens hier 178 dar: nämlich die Materialursache, die Formursache, die Wirkursache und die Zielursache.1475 Die Materialursache besteht gewiss nicht aus den theoretischen [Themen], sondern aus den Handlungsgrundlagen1476: und nicht nur aus einigen von den Handlungsgrundlagen (denn liegen der Arbeit des Baumeisters bestimmte Handlungsgrundlagen zugrunde, wie Holz; und der Schiffbau hat bestimmte, 5 wie Schiffe), sondern aus allen Handlungsgrundlagen. Denn so wie jedes Fachwissen das Wissen über eine Sache hat, über vieles hingegen unwissend

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C. Text und Übersetzung

τὰ ὄντα οἶδεν, οὕτως ἑκάστης τῶν ἄλλων τεχνῶν ἓν ἐχούσης ὑποκείμενον καὶ περὶ αὐτὸ εὖ βουλευομένης ἡ πολιτικὴ πάντα τὰ ὄντα ἔχει ὑποκείμενα πρὸς τὸ ἄμεινον πράττειν περὶ αὐτά. ἄτοπον γὰρ ἓν μόνον αὐτὴν ἔχειν ὑποκείμενον, εἴγε ὁ πολιτικὸς μιμεῖται τὸν δημιουργὸν καὶ βουλεύεται μιμεῖσθαι ἐκεῖνον παράγοντα, καὶ διὰ τοῦτο κἀκεῖνος ἄμεινον αὐτὰ βούλεται διοικεῖν. καὶ οὐ διὰ τοῦτο ἀδικεῖ τὰς ὑποβεβηκυίας τέχνας ἡ πολιτική, χρωμένη τοῖς ἔργοις ἐκείνων, τοὐναντίον γὰρ καὶ σῴζειν αὐτὰς βούλεται συμβουλεύουσα εἰ δεῖ χρῆσθαι ἐκείναις καὶ πότε δεῖ. οὕτω γοῦν καὶ ὁ παρ’ Ὁμήρῳ Ἀχιλλεὺς παρακελεύεται μάντει χρήσασθαι, μὴ τὰ τοῦ μάντεως ποιήσας καὶ μαντευσάμενος. Εἶδος δὲ τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης τὸ ἄρχειν· ἄρχειν δὲ οὐκ ἀλόγων τῶν π λ η γ ῇ ν ε μ ο μ έ ν ω ν , ἀλλ’ ἀνθρώπων· καὶ ἀνθρώπων οὐχ ἁπλῶς, ἐπεὶ καὶ ὁ ἰατρὸς ἄρχει ἀνθρώπων τῶν καμνόντων· οὐ θεριστῶν (γεωργίας γὰρ τοῦτο), οὐ πλεόντων (κυβερνητικῆς γὰρ τοῦτο), οὐκ ᾀδόντων (χοροδιδασκαλικῆς γὰρ τοῦτο), ἀ λ λ ’ ἀ ν θ ρ ώ π ω ν ὡ ς ἀ ν θ ρ ώ π ο ι ς χ ρ ω μ έ ν ω ν . ἀλλ’ ἐπεὶ καὶ ὁ κυβερνήτης ἄρχει ἀνθρώπων τῶν κελευστῶν (λέγονται δὲ κ ε λ ε υ σ τ α ὶ οἱ περὶ τὰ ἄρμενα ἱστάμενοι) ἀρχόντων ἀνθρώ|πων τῶν ἐρετῶν, καὶ ὁ χοροδιδάσκαλος ἄρχει τῶν αὐλητῶν τῶν ἡγουμένων τῶν ᾀδόντων, διὰ τοῦτο προστίθησιν ὅτι ὁ πολιτικὸς ἄρχει ἀνθρώπων, ἀνθρώπων μὲν ἡγουμένων, κοινωνούντων δὲ ἀλλήλοις ἐν ταῖς κατὰ τὰ συμβόλαια ὁμολογίαις. Τὸ δὲ ποιητικὸν αἴτιον οὐ σοφία, ἀλλὰ φρόνησις ἡ περὶ τὰ πρακτὰ καταγινομένη. Τέλος δὲ ἔχει ὁ πολιτικὸς τὸ ὁμόνοιαν καὶ στοργὴν ἐμποιεῖν τῇ πόλει, ἢ ἐν γνώσεσι, καὶ ποιεῖ ὁμόνοιαν (οὐδὲν γὰρ ἄλλο ἐστὶν ὁμόνοια ἢ κοινωνία γνώσεων καὶ ὁμοδοξία), ἢ ἐν ζωαῖς, καὶ ποιεῖ στοργήν (ἡ γὰρ φυσικὴ φιλία). καὶ οὐ ταὐτὸν ἄμφω ταῦτα, διότι ἐστὶ καὶ στοργὴ μὴ ἔχουσα ὁμόνοιαν, εἴγε ἀνὴρ καὶ γυνὴ στέργουσιν ἀλλήλους μὴ ὁμονοοῦντες (οὐ γὰρ συμφωνοῦσι περὶ γνῶσιν· οὔτε γὰρ ἡ

178, 18 Olymp. νεμομένων / νέμοντες Plat. Criti. 109c1.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

403

ist, während der Philosoph alle Wesen kennt, so auch, während jede der anderen Fachwissen eine einzige zugrundeliegende [Angelegenheit] hat und sorgfältig darüber nachdenkt, nimmt das politische [Fachwissen] alle Wesen als ihr Zugrundeliegendes, um für diese bessere Handlungen auszuführen.1477 Denn es wäre widersinnig, wenn es nur eine zugrundeliegende [Angelegenheit] hätte, 10 wenn der Politiker den Demiurg1478 nachahmt und darüber nachdenkt, wie er ihn in seiner schöpferischen Tätigkeit nachahmen kann, und deshalb will auch er diese [Dinge] in eine bessere Ordnung bringen. Und dabei ist das politische Fachwissen nicht bereit, den von ihm abgeleiteten Fachbereichen Unrecht zu tun, indem es ihre Leistungen in Anspruch nimmt – im Gegenteil, diese will es aufrechterhalten, indem es Ratschläge gibt, ob und wann sie eingesetzt werden sollten.1479 Auf diese Weise jedenfalls ermutigt auch bei Homer Achilleus [die 15 Achäer] dazu, einen Wahrsager zu befragen, statt das Werk des Wahrsagers [selbst] zu tun oder eine Wahrsagung anzubieten.1480 Die Form des politischen Wissens ist ferner das Herrschen. Dabei ist es nicht das Herrschen vernunftloser [Wesen], die d u r c h S c h l ä g e g e h ü t e t w e r d e n 1481, sondern von Menschen. Weiterhin ist es nicht von Menschen im Allgemeinen, denn auch ein Arzt herrscht über erkrankte Menschen: Weder wenn sie ernten (denn das ist die Aufgabe der Landwirtschaft); noch, wenn sie 20 Schiff fahren (das ist die Aufgabe des Steuermanns); noch, wenn sie singen (das ist die Aufgabe des Chorlehrers); sondern v o n M e n s c h e n a l s s i c h a n d e r e r M e n s c h e n b e d i e n e n d e W e s e n 1482. Aber da auch der Steuermann über Menschen herrscht, die Rudermeister sind (als R u d e r m e i s t e r werden diejenigen bezeichnet, die sich um das Takelwerk kümmern), die über Leute herrschen, die rudern, und der Chorlehrer über die 179 Flötenspieler herrscht, die die Sänger leiten, fügt er [sc. Sokrates] deshalb hinzu, dass der Politiker über die Menschen herrscht, die in Führungspositionen der Menschen sind und die sich in vertraglichen Vereinbarungen zusammenschließen. Die Wirkursache ist nicht Weisheit, sondern Sachverstand, die sich mit 5 Handlungsgrundlagen beschäftigt.1483 Als Ziel hat ein Politiker schließlich die Herstellung von Gleichgesinntheit und Zuneigung in der Polis,1484 entweder auf der Ebene der Kenntnisse, in diesem Fall schafft er Gleichgesinntheit (denn Gleichgesinntheit ist nichts anderes als Gemeinsamkeit von Kenntnissen und Meinungsgleichheit), oder auf der Ebene der Lebensarten, in diesem Fall schafft er Zuneigung, (denn die Zuneigung ist die natürliche Freundschaft1485). Und diese beiden sind nicht 10 identisch, denn es gibt so etwas wie Zuneigung ohne Gleichgesinntheit, wie zum Beispiel ein Mann und eine Frau Zuneigung für einander haben, obwohl sie nicht die gleiche Gesinnung haben (denn sie stimmen in [ihrem] Kenntnis-

404

15

γυνὴ συμφωνεῖ τῷ ἀνδρὶ ἐν τοῖς πολεμικοῖς καὶ ἐν τῷ εἰδέναι ὁπλιτεύειν οὔτε ὁ ἀνὴρ τῇ γυναικὶ ἐν τῇ γνώσει τῇ περὶ ταλασιουργίαν), ἔστι δὲ καὶ τὸ ἀνάπαλιν ὁμόνοια μὴ ἔχουσα στοργήν, εἴγε οἱ κεραμεῖς ὁμονοοῦσιν ὡς περὶ τὰ αὐτὰ γνωστὰ καταγινόμενοι καὶ τὰ αὐτὰ νοοῦσι (διὰ γὰρ τοῦτο λέγεται ὁμόνοια), οὐ μὴν καὶ στέργουσιν ἀλλήλους, διὰ τὸ ‘καὶ κεραμεὺς κεραμεῖ φθονέει καὶ τέκτονι

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C. Text und Übersetzung

τ έ κ τω ν’.

καὶ πῶς ἂν ποιήσοι ὁ πολιτικὸς ὁμόνοιαν καὶ στοργὴν ἐν τῇ πόλει; στοργὴν μὲν ποιήσοι, εἰ τοὺς πολίτας ποιήσῃ διακεῖσθαι πρὸς ἀλλήλους ὥσπερ ἑνὸς γένους οὔσης τῆς πόλεως καὶ ὥστε παραμετρεῖσθαι ταῖς ἡλικίαις τὰς συγγενείας, καὶ τοὺς μὲν γέροντας πάντας πατέρας οἴεσθαι, τοὺς δὲ πολλῷ σμικροτέρους υἱέας, τοὺς δὲ ὁμήλικας ἀδελφούς, ἵνα ἀνθ’ ὧν φησὶν ἐκεῖνος ‘ ἧ λ ι ξ ἥ λ ι κ α τ έ ρ π ε ι ’ ἡμεῖς εἴπωμεν ‘πολίτης πολίτην τέρπει’. ὁμόνοια δὲ γίνεται, εἰ τοῖς αὐτοῖς πάντες ἀκουστοῖς χαίροιεν καὶ τοῖς αὐτοῖς ὁρατοῖς. ἦν γὰρ ἡ ὁμόνοια κοινωνία γνώσεων· ταῦτα δὲ ἔχοντες κοινὴν ὄψιν καὶ κοινὴν ἀκοὴν ἔχοιεν, αἱ γὰρ αἰσθήσεις γνώσεις τινές εἰσι. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

124D Καί μοι λέγε· φαμὲν γὰρ δὴ ὡς ἄριστοι βούλεσθαι γενέσθαι: τουτέστι ‘βουλόμεθα ἄριστοι γενέσθαι, δεῖ οὖν διὰ τοῦτο μαθεῖν τὴν πολιτικὴν ἐπιστήμην’. καὶ ἐντεῦθεν εἶπε τὸ προοίμιον τῆς πράξεως, ἐν ᾧ λέγει τίς ἡ ὕλη τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης. 124E Δῆλον ὅτι ἥνπερ οἱ ἄνδρες οἱ ἀγαθοί: ὡς μειράκιον ὁ Ἀλκιβιάδης οὐ καλῶς ἀπεκρίνατο εἰπὼν ‘τὴν ἀρετὴν δεῖ ἔχειν ἥ ν π ε ρ ο ἱ ἄ ν δ ρ ε ς ο ἱ ἀ γ α θ ο ί ’ . ἔδει γὰρ εἰπεῖν, ποίαν | ἀρετήν, ἆρα τὴν κατὰ τὰ θεωρήματα ἢ τὴν κατὰ τὰ πρακτά. διὸ ὁ Σωκράτης ἐρωτᾷ αὐτὸν ‘οἱ τί ἀγαθοί;’ οὔτε γὰρ προέρχεται ἡ λέξις καθὼς ἡ θεωρία, παραδιδοῦσα τὴν ὕλην τοῦ πολιτικοῦ εὐτάκτως, ἀλλὰ δι’ ἐρωτήσεως καὶ ἀποκρίσεως, διότι μὴ βούλεται ὁ Σωκράτης αὐτὸς εἰπεῖν τὴν ὕλην, ἀλλὰ μετὰ τοῦ Ἀλκιβιάδου, ὡς μαιευτικός· εἰ γὰρ ἤθελεν καθ’ ἑαυτὸν εἰπεῖν, ὡς ἡ θεωρία ἂν ἔλεγεν.

179, 19 Olymp. φθονέει / κοτέει Hes. Op. 25.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

405

bereich nicht überein: Weder ist die Frau mit ihrem Mann in Kriegs- oder Sachverhaltsfragen im bewaffneten Kampf einig, noch der Mann mit seiner Frau in der Kenntnis der Wollspinnerei1486); auch umgekehrt gibt es eine Gleichgesinntheit ohne Zuneigung, da die Töpfer miteinander gleicher Gesinnung sind, weil sie sich mit dieselben Kenntnisgegenständen beschäftigen und sich auf dasselbe besinnen (darum nämlich wird es Gleichgesinntheit genannt1487), dagegen haben sie keine Zuneigung füreinander, wie der [Vers]: „T ö p f e r b e n e i d e t T ö p f e r u n d M a u r e r b e n e i d e t M a u r e r “.1488

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20

Und wie könnte der Politiker Gleichgesinntheit und Zuneigung in der Polis 180 erzeugen? Er könnte Zuneigung erzeugen, wenn er bewirkt, dass sich die Bürger zueinander derart gestimmt sind, als würde die Polis aus einer einzigen Familie bestehen, damit sie ihre Verwandtschaft nach dem Alter messen, und alle Älteren als Väter betrachten, während sie diejenigen, die viel kleiner sind, 5 als Kinder und ihre Zeitgenossen als Brüder [betrachten], sodass wir – anstelle von seinen Worten „A l t e r v e r b i n d e t A l t e r “1489 – „Bürger verbindet Bürger“ sagen würden. Gleichgesinntheit erfolgt dann, wenn alle die gleichen Hörwahrnehmungen und die gleichen Sehwahrnehmungen genießen würden. Denn die Gleichgesinntheit war [ursprünglich] Gemeinsamkeit der Kenntnisse: Diese würden also diejenigen haben, die eine gemeinsame Sehwahrnehmung und eine gemeinsame Hörwahrnehmung haben, da die Sinneswahrnehmungen 10 in gewisser Weise Kenntnisse sind.1490 Das hat die Theorie. 124D Und so sag mir: Wir behaupten doch, wir wollen möglichst tüchtig werden1491: Das heißt: „Wir wollen äußerst tüchtig werden, deshalb ist es nun notwendig, das politische Wissen zu erlernen.“ Und ab hier sagt er den Auftakt des Unterrichts an, indem er die Materie des politischen Wissens äußert. 124E Eindeutig diejenige [Tugend], die die tüchtigen Männer [haben]: 15 Wie ein Kind1492 hat Alkibiades nicht gut geantwortet, als er sagte: „Es ist notwendig, die Tugend zu haben, d i e d i e t ü c h t i g e n M ä n n e r h a b e n “. Er hätte aber beschreiben sollen, welche Art der Tugend [erforderlich ist], 181 entweder diejenige gemäß den theoretischen Überlegungen oder diejenige gemäß den notwendigen Handlungen1493. Deshalb fragt Sokrates ihn: „Die Tüchtigen in welchem Sinne?“. Denn der Text [des Dialogs] geht nicht genau wie die theoretische Untersuchung1494 vor, indem er die Materie des Politikers in einer ordentlichen Reihenfolge angibt, sondern durch Fragen und Antworten, 5 da Sokrates die Materie nicht selbst aussprechen wollte, sondern in Abstimmung mit Alkibiades, wie ein Geburtshelfer: Denn, wenn er das von sich selbst aussprechen wollte, hätte er es wie die theoretische Untersuchung erklärt.

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C. Text und Übersetzung

Δῆλον ὅτι οἱ πράττειν τὰ πράγματα: ἰδοὺ τέως ἕνα βαθμὸν ὠφελήθη ὁ Ἀλκιβιάδης· ἠτόμωσε γὰρ τὸν λόγον, εἰπὼν τὰ πρακτὰ ὑποκεῖσθαι τοῖς πολιτικοῖς. διὸ πάλιν ἐρωτᾷ αὐτὸν ‘ π ο ῖ α π ρ α κ τ ά ; ἆ ρ α τ ὰ ἱ π π ι κ ά ; ’ ὁ δέ φησιν ‘ ο ὔ ’ · βουλόμενοι γὰρ ταῦτα μαθεῖν πρὸς ἱππικοὺς ἐφοιτῶμεν. ε ἰ δ ό τ ο ς γ ὰ ρ π ε ρ ὶ ἑ κ ά σ τ ο υ ἡ σ υ μ βουλή, καὶ οὐ πλουτοῦντος. Ἅπερ Ἀθηναίων οἱ καλοί τε κἀγαθοί: τοῦτο μόνον ὠφελήθη ὁ Ἀλκιβιάδης, ὅτι ἀντιστρέφει καλὸν καὶ ἀγαθόν. λοιπὸν ἐρωτᾷ αὐτὸν ὅτι ‘ἆρα καθὸ οἶδέ τις οὐκ ἔστι φρόνιμος; οὐκοῦν καὶ ὁ σκυτοτόμος φρόνιμος ὢν εἰς ὑποδημάτων ἐργασίαν καὶ ἀγαθὸς ἔσται, εἰς δὲ ἄλλο, οἶον εἰς ὑφαντικήν, ἄφρων· καὶ ἔσται ὁ αὐτὸς ἀγαθὸς καὶ κακός’. καὶ οὐκ ἄτοπον μὲν τοῦτο ἐπὶ σκυτοτόμου, ἐπὶ δὲ πολιτικοῦ τοῦ βουλομένου πάντα τὰ πρακτὰ ὠφελεῖν, διότι ὑποδύεται τὸν δημιουργόν, ἄτοπον.

125B Τί οὖν; λέγεις τοὺς ἀγαθοὺς ἄνδρας εἶναι κακούς; ἰδοὺ ἐν τῷ συμπεράσματι δίδωσιν ὅτι πάντα τὰ πρακτὰ ὑπόκειται τῷ πολιτικῷ· φησὶ γὰρ ὅτι οἱ ἀγαθοὶ οὐδαμῶς εἰσὶ κακοί, ὅπερ ἐπὶ τῶν τεχνιτῶν συμβαίνει, καὶ ἀγαθοὺς καὶ κακοὺς εἶναι. Ἀλλὰ τίνας ποτὲ τοὺς ἀγαθοὺς καλεῖς; ἐντεῦθεν τὸ εἶδος παραδίδωσι | τοῦ πολιτικοῦ, ὅτι τὸ ἄρχειν. καὶ πάλιν διὰ τῶν οἰκείων ἐρωτήσεων ἀπὸ τῶν καθόλου ἐπὶ τὸ τῷ ὄντι εἶδος ἔρχεται. ἀναγκάζει γὰρ αὐτὸν εἰπεῖν διὰ τῶν προσφυῶν ἐρωτήσεων ὅτι τὸ ἄρχειν ἀνθρώπων χρωμένων ἀνθρώποις ἐν τοῖς κατὰ νόμον συμβολαίοις. καὶ ἔστι θαυμάσαι τὴν μαιείαν τὴν Σωκρατικήν, πῶς τῷ πλήθει τῶν παραδειγμάτων τὸ στενὸν τῆς ψυχῆς ἀνευρύνει καὶ ἀποτεκεῖν ποιεῖ τὸ ἀληθές. 125C Ἀλλ’ οὐδὲν ποιούντων: τουτέστιν ‘ἀργούντων’. ὁ δέ φησιν ‘οὔ’. Οὐκοῦν τῶν καὶ συμβαλλόντων ἑαυτοῖς: ἰδοὺ πάλιν ὠφελήθη ὁ νέος ὅτι ἀνθρώπων οἰκούντων ἄρχοντα καὶ σ υ μ β α λ λ ο μ έ ν ω ν ἄλλοις, τουτέστιν ἀρχόντων ἄλλων.

181, 12 Olymp. om. οἶμαι post γὰρ, cf. Plat. Alc. 107b9. 14 Olymp. add. τε, cf. Plat. Alc. 124e16.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

407

Offensichtlich darin, die Angelegenheiten zu erledigen: Siehe, wie Alkibiades bis zu diesem Punkt auf einem Schritt [des Arguments] unterstützt wurde: Denn er ließ das Argument ungeteilt, indem er behauptete, dass die notwendigen Handlungen den Politikern unterliegen. Deshalb fragte Sokrates 10 ihn erneut: „W a s f ü r n o t w e n d i g e H a n d l u n g e n ? D i e , d i e m i t P f e r d e n z u t u n h a b e n ?“1495 Darauf sagt er „N e i n “. Wenn wir nämlich diese Dinge lernen wollten, gingen wir bei den Pferdeexperten in die Lehre.1496 Denn zu jedem Thema Rat zu erteilen gehört jenem, der w i s s e n d i s t , n i c h t d e m , d e r r e i c h i s t . 1497 Die Edlen und Tüchtigen unter den Athenern1498: Alkibiades zog allein in dieser Hinsicht Nutzen, dass das Edle und das Tüchtige miteinander austausch- 15 bar sind.1499 [Sokrates] fragt ihn folglich: „Ist jemand, der etwas weiß, darin nicht verständig? Folglich wird auch der Schuster, der in der Herstellung von Schuhen verständig ist, [darin] auch tüchtig sein, andererseits in etwas anderem, beispielsweise in der Webekunst, unverständig [sein]: Also wird die gleiche Person sowohl tüchtig als auch ungeschickt sein“.1500 Und wobei das nichts Unvorstellbares im Falle des Schusters ist, ist es unvorstellbar im Falle des Politikers, der für alle notwendigen Handlungen einen Nutzen bringen will, weil 20 er sich in die Rolle des Demiurgs kleidet. 125B Wie jetzt? Sagst du, dass die tüchtigen Menschen gleichzeitig auch ungeschickt sind?1501 Siehe, wie er in der Konklusion gewährt, dass alle notwendigen Handlungen dem Politiker unterliegen. Denn er sagt, dass die Tüchtigen keineswegs ungeschickt sind, was aber bei den Fachleuten zutrifft, 25 dass sie sowohl tüchtig als auch ungeschickt sind. Aber welche Menschen bezeichnest du als Tüchtige?1502 Ab hier beginnt er, die Form des Politikers zu erklären, nämlich das Herrschen.1503 Und wieder 182 geht er mit geeigneten Fragen von [abstrakten] Universalien zur realen Form über. Denn er zwingt ihn durch relevante Fragen dazu, zu sagen, dass es das Herrschen der Menschen ist, die sich anderer Menschen im Rahmen gesetzlicher Verträge bedienen.1504 Auch ist die sokratische Geburtshilfe zu bewun- 5 dern, wie er eine Fülle von Beispielen nutzt, um den engen Durchgang der Seele zu erweitern und sie zur Geburt der Wahrheit zu bewegen. 125C Wenn sie nichts tun?1505 Das ist, „wenn sie ruhen“. Darauf sagt er [sc. Alkibiades]: „Nein“. Also wenn diese auch unter miteinander geschäftlich verkehren1506: Siehe noch einmal, wie der Jüngling Nutzen davon zog, dass [der Politiker] über die Menschen herrscht, die [andere Menschen] verwalten und mit anderen 10 g e s c h ä f t l i c h v e r k e h r e n , das heißt, die über andere Menschen herrschen.

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C. Text und Übersetzung

125D Κοινωνούντων ἐγὼ λέγω πολιτείας καὶ συμβαλλόντων πρὸς ἀλλήλους: ἰδοὺ τελεία ἀπόκρισις, ὅτι ἄρχειν ἀνθρώπων χρωμένων ἄλλοις ἐν τοῖς κατὰ νόμον συμβολαίοις. Τίς οὖν αὕτη ἡ τέχνη; ἐντεῦθεν τὸ ποιητικόν, ὅτι φρόνησις καὶ οὐ σοφία. Εὐβουλίαν ἔγωγε, ὦ Σώκρατες: ἀντὶ ἕξεως ἐπὶ ἐνέργειαν μετῆλθεν ὁ νέος. ἔδει γὰρ αὐτὸν εἰπεῖν φρόνησιν, ὁ δὲ εἶπεν εὐβουλίαν· καὶ εἰπὼν εὐβουλίαν ἁπλῶς εἶπεν, ἔδει γὰρ εἰπεῖν ποίαν εὐβουλίαν. σημειωτέον δὲ ὅτι καὶ ἀνωτέρω ἀντὶ τῆς ἕξεως τῆς μετεχομένης, μὴ δυνάμενος ταύτην καθορᾶν, ἐπὶ τὰ μετέχοντα μετῆλθεν, ὥσπερ τις μὴ δυνάμενος κατιδεῖν τὰ μικρὰ γράμματα ἐπὶ τὰ μεγάλα τράποιτο γράμματα.

126A Ἄμεινον δὲ διοικεῖταί | τις παραγενομένου: ὅτι τυχὸν στοργῆς παραγενομένης καὶ διχονοίας ἀπογενομένης, ἣν ἐφεξῆς ‘στάσιν’ καλεῖ, τουτέστι τὸν ἐμφύλιον πόλεμον. περὶ οὗ καλῶς εἴρηται τὸ ποιητικὸν ‘ἀφρήτωρ, ἀθέμιστος, ἀνέστιός ἐστιν ἐκεῖνος, ὃς πολέμου ἔραται ἐπιδημίου, ὀκρυό εντος’.

126B Τυφλότητος δὲ ἀπογινομένης: τί οὖν; δυνατὸν τυφλότητα ἀπογενέσθαι δι’ ἀνθρωπίνης ἐπινοίας; θείας γὰρ ἐλλάμψεως τοῦτο. ἢ δυνατὸν τυφλότητα λέγειν αὐτὸν τὴν δι’ ἐπίχυσιν γινομένην.

10

126C Ὅταν φιλία μὲν αὐτοῖς γίνηται: τοῦ Σωκράτους πολλοῖς χρησαμένου παραδείγμασιν πρὸς τὸ τὸν νέον εἰπεῖν τί τὸ τελικὸν αἴτιον τοῦ πολιτικοῦ, ἐντεῦθεν ὁ Ἀλκιβιάδης ἀποτίκτει τοῦτο λέγων ὅτι ‘τὸ φιλίαν ἐμποιεῖν τοῖς πολίταις’. ἁπλῶς δὲ εἰρηκότος αὐτοῦ τοῦτο, διὰ τῶν ἐφεξῆς ποιεῖ αὐτὸν ὁ Σωκράτης διακρῖναι τὸ τέλειον καὶ ἀποφήνασθαι.

182, 12 Olymp. ἐγὼ / ἔγωγε Plat. Alc. 125d7. 183, 1 Olymp. παραγενομένου / παραγιγνομένου Plat. Alc. 126a7.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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125D Ich meine, über Menschen [zu herrschen], die am Bürgerrecht teilhaben und geschäftliche Beziehungen zueinander unterhalten1507: Siehe die endgültige Antwort, dass es1508 Herrschen der Menschen ist, die sich anderer [Menschen] im Rahmen gesetzlicher Verträge bedienen.1509 Was für ein Fachwissen ist dies?1510 Ab hier [erklärt er] die Wirkursache, 15 dass es Sachverstand und nicht die Weisheit ist.1511 125E Ich persönlich nenne es Wohlberaten-Sein, Sokrates1512: Anstatt einen Zustand zu benennen, ging der Jüngling zu einer Aktivität über. Denn er hätte den Sachverstand nennen sollen, stattdessen nannte er Wohlberaten-Sein. Ferner indem er Wohlberaten-Sein erwähnt hatte, sagte er das verallgemeinernd, wobei er sagen sollte, welche Art von Wohlberaten-Sein [das ist]. 20 Bemerkenswert ist aber, dass er auch oben anstatt eines Zustands, an dem teilgenommen wird, zu dem Teilnehmenden [an diesem Zustand] überging, da er diesen nicht sehen konnte, wie jemand, der sich zu den großen Buchstaben wenden würde, weil er nicht in der Lage war, kleine Buchstaben aus der Ferne zu sehen.1513 126A Und wenn [die Polis] besser verwaltet wird, was ist dann vor- 183 handen?1514 Nämlich, wenn Zuneigung vorhanden und Zwietracht nicht vorhanden ist, die er im Folgenden „innerer Konflikt“ nennt, das ist, ein Krieg im eigenen Volk.1515 Darüber sagt ein Vers zutreffend: „o h n e G e s c h l e c h t , o h n e G e s e t z , o h n e H e r d m u s s d e r s e i n , Der sich sehnt nach dem Krieg, dem schaudervollen, im 5 e i g e n e n V o l k ! “1516

126B Wenn Blindheit nicht vorhanden ist1517: Wie nun? Ist es möglich, dass die Blindheit dank menschlichen Einfallsreichtums abwesend wird? Dies gehört nämlich der göttlichen Ausstrahlung. Vielleicht ist es möglich, den Zustand Blindheit zu nennen, der durch eine Augenentzündung verursacht wird.1518 126C Wenn gegenseitige Freundschaft besteht1519: Bisher hat Sokrates dem Jüngling an vielen Beispielen erklärt, was die Zielursache1520 des Politikers ist; ab dieser Stelle bringt Alkibiades diese [Antwort] hervor und sagt: „Die Freundschaft unter den Bürgern herzustellen“. Da er aber dies verallgemeinernd geäußert hat, lässt ihn Sokrates in folgenden [Abschnitten] die Zielursache differenzieren und heraussagen.

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C. Text und Übersetzung

Πρᾶξις σὺν θεῷ καʹ 15

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126C-127E Ἆρα οὖν φιλίαν λέγεις ὁμόνοιαν ἢ διχόνοιαν; Ἐπειδὴ τέλος ἔλεγεν ὁ Ἀλκιβιάδης τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης τὴν φιλίαν, ἀντιλέγει αὐτῷ ὁ Σωκράτης, οὐχ ὡς οὐ βουλόμενος τέλος εἶναι καὶ αὐτὸς τὴν φιλίαν, ἀλλ’ ὅτι ᾤετο τὸν Ἀλκιβιάδην μὴ ἡγεῖσθαι στοργὴν διακρίνειν ἀπὸ φιλίας, ἀλλὰ ταὐτὸν εἶναι. δείκνυσι δὲ ὅτι καὶ ἡ ὁμόνοια φιλία ἐστὶ καὶ ἐπ’ εὐθείας καὶ διὰ ἀδυνάτου. ἐπ’ εὐθείας μὲν οὕτως· ‘εἰ ἡ διχόνοια ἔχθρα ἐστίν, ἡ ὁμόνοια ἄρα φιλία· καὶ διὰ τοῦτο οὐ μόνον ἡ στοργὴ φιλία ἐστίν, ἀλλὰ καὶ ἡ ὁμόνοια’. διὰ ἀδυνάτου δὲ οὕτως· ‘εἰ ἀνὴρ καὶ γυνὴ μὴ ὁμονοοῦσιν, εἴγε | ἐλέγομεν ὁμόνοιαν τὴν τῶν αὐτῶν γνῶσιν, τὰ αὐτὰ δὲ οὗτοι γινώσκουσιν, ὁ μὲν γὰρ οἴεται μὴ ὀφείλειν εἰδέναι τὰ περὶ ταλασιουργίας, ἡ δὲ τὰ ἱππικά· οἱ μὴ τοῖς αὐτοῖς γνωστοῖς χαίροντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους· ἀνὴρ ἄρα καὶ γυνὴ οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους’. δῆλον δὲ ὅτι οὐχ ὁμονοοῦσι κατὰ τὸ προσεχὲς τέλος, καθ’ ὅσον ὁ μὲν οἶδε τυχὸν ἱππικήν, ἡ δὲ ταλασιουργίαν· ἐπεὶ κατὰ τὸ πόρρω ὁμονοοῦσιν, ὁ μὲν γὰρ πολεμεῖ διὰ τὸ σῶσαι τὴν γυναῖκα (‘ π ρ ό τ ε π α ί δ ω ν ’ γ ὰ ρ ‘ κ α ὶ π ρ ὸ γ υ ν α ι κ ῶ ν ’ ), ἡ δὲ ταλασιουργεῖ πρὸς φυλακὴν τοῦ ἀνδρός, ἵνα μὴ φθείρηται ὑπὸ προσβολῆς τοῦ ἀέρος. Εἶτα λαβὼν ἐξ αὐτοῦ ὅτι οἱ μὴ τοῖς αὐτοῖς γνωστοῖς χαίροντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους, δείκνυσιν ὅτι οὐ δύνανται οἱ δίκαιοι καλῶς οἰκεῖν τὰς πόλεις. καὶ προσλαμβάνει λῆμμα ἐν δευτέρῳ σχήματι δεικνύμενον· ‘οἱ τὰ αὑτῶν πράττοντες καὶ μὴ ἀλλοτριοπραγοῦντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους· οἱ εὖ οἰκοῦντες τὴν πόλιν φιλοῦσιν ἀλλήλους (ἦν γὰρ τοῦτο τέλος τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης, ἡ φιλία καὶ ἡ ἕνωσις)· οἱ ἄρα τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους’. τοῦτο τὸ συμπέρασμα λαβὼν συλλο-

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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Unterricht 21 mit Gottes Hilfe 126C–127E Meinst du mit der Freundschaft Gleichgesinntheit oder 15 Zwietracht? Da Alkibiades die Freundschaft als das Ziel des politischen Wissens beschrieb, fordert Sokrates ihn heraus – nicht, weil er selbst nicht damit einverstanden ist, dass Freundschaft das Ziel ist, jedoch weil er der Meinung war, dass Alkibiades Zuneigung nicht als unterschiedlich von der Freundschaft betrachtete, sondern als dasselbe. Darauf zeigt er, dass auch die Gleichgesinntheit Freundschaft ist, 20 sowohl direkt1521 als auch durch Unmöglichkeit1522. Das direkte [Argument lautet] wie folgt: „Wenn Zwietracht Feindschaft ist, wird Gleichgesinntheit Freundschaft sein; deshalb ist nicht nur Zuneigung Freundschaft, sondern auch Gleichgesinntheit“. Das [Argument] durch die Unmöglichkeit hingegen [lautet] wie folgt: „Wenn ein Mann und eine Frau nicht einverstanden sind, zumal wenn 184 wir sagten, dass die Gleichgesinntheit aus der Kenntnis der gleichen Dinge besteht1523, diese [Menschen] dagegen wissen nicht die gleichen Dinge; da der [Mann] annimmt, dass er nichts von der Wollspinnerei wissen muss, und die [Frau] denkt, dass sie nichts über die Reitkunst [wissen muss]. Diejenigen aber, die nicht die gleichen Wissensgegenstände genießen, sind miteinander keine Freunde. Folglich hegen Mann und Frau keine Freundschaft zueinander.“ Es ist 5 ja offensichtlich, dass sie hinsichtlich ihres unmittelbaren Ziels nicht einig sind, insofern als der eine die Reitkunst, der andere die Wollspinnerei versteht. Indessen sind sie hinsichtlich ihres langfristigen Ziels einig, denn einerseits zieht der [Mann] in den Krieg, um seine Frau zu schützen (denn [Männer kämpfen] „f ü r i h r e K i n d e r u n d f ü r i h r e F r a u e n “1524), andererseits webt die [Frau] Wolle, um ihren Mann zu beschützen, so dass er nicht von stürmischem Wetter zugerichtet wird. 10 Nachdem er [die Prämisse] von ihm [sc. Alkibiades] bekommen hat, dass diejenigen, die nicht die gleichen Wissensgegenstände genießen, keine Freunde zueinander sind, zeigt er darauf, dass gerechte Menschen nicht in der Lage sind, ihre Städte gut zu verwalten. Darauf bezieht er zusätzlich eine These, die in der zweiten Figur aufgezeigt wurde1525: „Diejenigen, die sich mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigen und sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen, sind miteinander keine Freunde. Diejenigen, die ihre Polis gut 15 verwalten, sind miteinander Freunde (denn das war der Zweck des politischen Wissens, nämlich die Freundschaft und die Vereinigung). Folglich sind diejenigen, die mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt sind, miteinander keine Freunde.“ Sobald er von dieser Konklusion ausgeht, zieht er die Schlussfolgerung, indem er eine weitere Prämisse von außen hinzufügt: „Die gerechten

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γίζεται προστιθεὶς ἔξωθεν ἄλλην πρότασιν· ‘οἱ δίκαιοι τὰ αὑτῶν πράττουσιν· οἱ τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις· οἱ ἄρα δίκαιοι οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις’. Ἔδει δὲ τὸν Ἀλκιβιάδην ἐννοεῖν ὅτι πολλαχῶς ἡ φιλία. ἔστι γὰρ φιλία ἡ κατὰ τὸ ἕν, ἥτις καὶ ἕνωσις λέγεται, ἥτις ἐν ἐνθουσιασμοῖς γίνεται τοῦ ἑνὸς πρὸς τὸ κρεῖττον. ἔστιν ἡ ἐν νῷ φιλία, ἥτις ὁμόνοια λέγεται. ἔστιν ἡ ἐν διανοίᾳ, ἥτις ὁμοφροσύνη λέγεται· διὸ καὶ τὸ ‘ ἐ ν φ ρ ε σ ὶ π ε υ κ α λ ί μ ῃ σ ι ’ . ἔστιν φιλία ἐν δόξῃ, ἥτις ὁμοδοξία λέγεται. ἔστιν ἐν ἤθεσιν, ἥτις ὁμοιοπάθεια· διὸ καὶ τὸ ‘ ἇ λ ι ξ ἅ λ ι κ α τ έ ρ π ε ι ’ , διὰ τὸ ὁμοιοπαθές, οἱ γὰρ παῖδες ἀλλήλοις χαίρουσι καὶ οἱ νέοι καὶ οἱ πρεσβῦται, διὰ τὸ χαίρειν τοῖς αὐτοῖς πά|θεσιν. ἔστιν καὶ ἄλλη φιλία ἡ κατὰ τὰ γένη, ἥτις λέγεται συγγένεια. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

126C Ἆρα οὖν φιλίαν λέγεις ὁμόνοιαν, καὶ τὰ ἑξῆς: τὸ λεγόμενον τοῦτό ἐστιν, ὅτι ‘ὁμόνοιαν λέγεις διὰ τὸ τοῖς αὐτοῖς γνωστοῖς χαίρειν; οἶον ὁμονοεῖν περὶ ἀριθμοὺς λέγεις τὰ αὐτὰ νοεῖν διὰ τὴν ἀριθμητικήν; ἆρα καὶ περὶ μεγέθη οὐ λέγεις ὁμονοεῖν διὰ τὴν μετρητικήν, καὶ ἐν σταθμοῖς διὰ τὴν στατικήν;’ καὶ ἔχεις τέως ἐντεῦθεν ὅτι τρία εἴδη βούλεται ποσοῦ ὁ Πλάτων, διωρισμένον, συνεχές, ῥοπήν, εἴγε ἐκ τῶν τριῶν ἐπεχείρησεν καὶ ἀντιδιέστειλεν τὴν στατικὴν ταῖς ἄλλαις. καὶ ἐπὶ μὲν ἀριθμητικῆς ἀπὸ τοῦ πλήθους ἀρξάμενος κατήντησεν εἰς τὸ ἓν εἰπὼν ‘ ὁ μ ο ν ο ο ῦ σ ι ν α ἱ π ό λ ε ι ς π ε ρ ὶ ἀ ρ ι θ μ ῶ ν π ρ ὸ ς ἀ λ λ ή λ α ς δ ι ὰ τ ὴ ν ἀ ρ ι θ μ η τ ι κ ὴ ν ’ καὶ ‘ ο ἱ ἰ δ ι ῶ τ α ι ’ καὶ ‘ α ὐ τ ὸ ς ἑ α υ τ ῷ ’ . ἐπὶ δὲ τῆς γεωμετρίας τὸ ἀνάπαλιν ἀπὸ τοῦ ἑνὸς ἤρξατο καὶ κατήντησεν εἰς τὸ πλῆθος εἰπὼν ‘τί δὲ περὶ μεγέθους; οὐκ αὐτὸς ἑαυτῷ, καὶ οἱ ἰδιῶται ἀλλήλοις καὶ αἱ πόλ ε ι ς ; ’ διότι οἰκεῖον τῇ ἀριθμητικῇ μὲν τὸ πλῆθος, περὶ ἀριθμοὺς καταγινομένῃ, τῇ δὲ γεωμετρίᾳ τὸ ἕν, περὶ τὸ συνεχὲς καταγινομένῃ,

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Menschen beschäftigen sich mit ihrer eigenen Arbeit.1526 Diejenigen, die sich mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigen, verwalten ihre Poleis nicht gut; deshalb verwalten die Gerechten ihre Poleis nicht gut.“ 20 Alkibiades hätte allerdings berücksichtigen sollen, dass [das Wort] Freundschaft viele Ebenen hat. Denn es gibt Freundschaft in Bezug auf das Eine, das auch Vereinigung genannt wird und in Zuständen der Inspiration entsteht, [die sich] aus dem Einen [ergeben] und [uns] zu dem Besseren [entwickeln]. Es gibt eine Freundschaft im Hinblick auf die Gesinnung, die als Gleichgesinntheit bezeichnet wird. Es gibt [Freundschaft] in Bezug auf das Denkvermögen, die als Verstandesgleichheit bezeichnet wird1527: Daher ist auch [der Ausdruck] „i n s c h a r f s i n n i g e n G e d a n k e n “1528. Es gibt Freundschaft in Bezug auf die 25 Meinung, die als die Meinungsgleichheit bezeichnet wird. Es gibt [Freundschaft] in Bezug auf den Charakter, die als Empfindungsgleichheit bezeichnet wird. Daher ist auch [der Ausdruck] „D e r G l e i c h a l t r i g e e r f r e u t d e n G l e i c h a l t r i g e n “1529, durch Empfindungsgleichheit, denn Kinder erfreuen sich gegenseitig, ebenso wie Jugendliche und ältere Menschen, indem sie die gleichen Empfindungen genießen. Es gibt auch eine andere [Art der] Freund- 185 schaft, die sich auf die Abstammung bezieht und die Verwandtschaft genannt wird. Das hat die Theorie. 126C Meinst du mit Freundschaft die Gleichgesinntheit, und Folgendes1530: Dieser Ausdruck bedeutet Folgendes: „Nennst du es Gleichgesinntheit dadurch, dass man dieselben Wissensgegenstände genießt? Nennst du es zum Beispiel über Zahlen gleicher Gesinnung zu sein, wenn [Menschen] aufgrund der [Fähigkeit der] Arithmetik dasselbe [über Zahlen] denken?1531 Und sicher nennst du es über Größen gleicher Gesinnung zu sein, [was] durch die Messung [geschieht], ebenso wie bei Gewichten, durch das Wiegen?“1532 Und bis zu diesem Punkt hast du1533 aus [dem Text], dass Platon drei Arten von Quantität vorsieht,1534 nämlich das Diskrete1535, das Kontinuierliche und das Gewicht, wobei er von diesen drei die Kunst des Wiegens von den anderen differenziert und denen gegenüberstellt.1536 Und im Fall der Arithmetik begann er in einer Vielzahl und gelangte zu einer, als er sagte: „D i e P o l e i s h a b e n d a n k d e r A r i t h m e t i k ü b e r Z a h l e n d i e g l e i c h e G e s i n n u n g “, dann “P r i v a t p e r s o n e n “ und “j e d e r M e n s c h m i t s i c h s e l b s t “.1537 Aber im Fall der geometrischen Messung tat er das Gegenteil, indem er von der Einzahl zu vielen gelangte,1538 als er sagte: „Was ist mit der Größe? Ist [dabei nicht der Fall], dass e i n M e n s c h m i t s i c h s e l b s t u n d P r i v a t p e r s o n e n m i t e i n a n d e r s o w i e d i e P o l e i s [darüber einig ist]?“1539 Denn die Menge ist der Arithmetik angemessen, da [diese Fähigkeit] mit Zahlen zu tun hat, aber das Eine der Geometrie, da [diese Fähigkeit] mit Kontinuität zu tun hat,

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ἐκείνη δὲ περὶ τὸ διωρισμένον ποσόν. ἐπὶ δὲ στατικῆς οὐδὲν τούτων εἶπεν, οὔτε ἀπὸ τοῦ ἑνὸς ἤρξατο κατήντησεν δὲ εἰς τὸ πλῆθος, οὔτε ἀπὸ τοῦ πλήθους καὶ κατήντησεν εἰς τὸ ἕν, διότι ἑτέρα ἐστὶ τούτων. ὅτι γὰρ ἑτέρα ἐστὶ παρὰ τὸ συνεχὲς ἡ ῥοπὴ δῆλον, εἴγε ἀντιπεπόνθασι ταῦτα ἀλλήλοις· ὀλίγη γὰρ ῥοπὴ ἐν πολλῷ | μεγέθει καὶ τὸ ἀνάπαλιν. καὶ Ὅμηρος μὲν κατεφρόνησε σολοικισμοῦ, ἵνα ἀταξίαν κινήσεως ἵππου ὑφηγήσηται, ἐξομοιῶν τοὺς λόγους τοῖς περὶ ὧν ὁ λόγος καὶ εἰπὼν ‘ὡς δ’ ὅτε τις στατὸς ἵππος ἀκοστήσας ἐπὶ φάτνην ῥίμφα ἑ γοῦνα φέρει’·

Πλάτων δὲ ἄνευ τοῦ ἁμαρτάνειν ἐν τοῖς λόγοις μιμεῖται τὰ πράγματα.

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126D Τίς ἐστι καὶ περὶ τοῦ, καὶ τίς αὐτὴν τέχνη παρασκευάζει; ἄξιον ζητῆσαι πῶς πολλὰ ἐρωτᾷ ὁ Σωκράτης. ἐρωτᾷ γὰρ τίς ἐστιν ἡ ὁμόνοια αὕτη, καὶ ἐν τίσι, καὶ τίς ἡ ποιητικὴ αὐτῆς αἰτία, καὶ εἰ ταὐτὸν τὸ πολιτικὸν τῷ ἠθικῷ καὶ οἰκονομικῷ. διὸ εἰδὼς καὶ αὐτὸς ὅτι πολλὰ ἠρώτησεν, φησὶν ‘ μ ὴ κ ά μ ῃ ς ἀ π ο κ ρ ι ν ό μ ε ν ο ς ’ , εὐκαίρως ῥηθέντος τοῦ ‘ μ ὴ κ ά μ ῃ ς ’ διὰ τὰς ἐρωτήσεις πολλὰς οὔσας. καίτοι αὐτὸς ἐν τῷ Γοργίᾳ ἐμέμψατο τῷ Πώλῳ ὡς πολλὰ ἐρωτήσαντι. τέως μὲν οὖν μάθωμεν, τίνες εἰσὶν αἱ ἐρωτήσεις, πρὸ τῆς λύσεως. ‘τίς αὕτη ἡ ὁμόνοια’· ὅτι κοινωνία γνώσεως. ‘ἐν τίσιν ἐστίν’· ὅτι ἐν τοῖς διδακτοῖς γνωστοῖς, ἀλλ’ οὐκ ἐν τοῖς πρακτοῖς. ‘τίς ἐστιν ἡ τέχνη ἡ ποιητικὴ ταύτης’· ἡ πολιτική, αὕτη γὰρ ποιεῖ χαίρειν τοῖς αὐτοῖς γνωστοῖς διὰ διδαχῆς· οὐ γὰρ ὥσπερ ἡ στοργὴ φυσική ἐστι πατέρων πρὸς τέκνα, οὕτως καὶ ἡ ὁμόνοια. καὶ ‘εἰ ταὐτὸν πολιτικόν, ἠθικόν, οἰκονομικόν, ἢ οὐ ταὐτόν’· ταὐτόν ἐστιν· ὥσπερ γὰρ οὐ διαφέρουσι τὰ μεγάλα γράμματα τῶν μικρῶν γραμμάτων τῷ εἴδει (τὸ γὰρ μᾶλλον καὶ ἧττον οὐ ποιεῖ εἴδους ἐξαλλαγήν), οὕτως οὐδὲ τὰ πράγματα διαφέρει διὰ τὸ μέγεθος· καὶ ὅτι ἔχομεν ἐν τοῖς προλαβοῦσιν ὅτι ὁ ἕνα πείθων καὶ πολλοὺς πείθει, καὶ τοῦ αὐτοῦ ἐστὶ τοῦτο τοῦ πολλοὺς πείθοντος καὶ

186, 5 Olymp. φάτνην / φάτνῃ Hom. Il. VI,506.

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während die erste mit der diskreten Quantität zu tun hat. Beim Wiegen hingegen benutzte er keine dieser [Methoden], weder ging er von der Einzahl aus und gelangte zu den vielen noch ging er von den vielen aus und gelangte zu 20 der Einzahl, da dies ein anderer Fall ist als die [der Arithmetik und Geometrie]. Denn es ist offensichtlich, dass sich das Gewicht von der kontinuierlichen [Quantität] unterscheidet, da sie voneinander gegenläufig beeinflusst werden: Denn es kann ein kleines Gewicht in einer großen Größe [bestehen] und 186 umgekehrt.1540 Auch Homer verachtete Sprachfehler1541, so dass er auf die unordentliche Bewegung eines Pferdes hinweisen kann, indem er seine Worte zu dem, worüber die Worte sind, angleicht und sagt: „Und wie ein eingestelltes Pferd, mit Gerste sattgefressen an 5 d e r K r i p p e 1542 T r a g e n e s l e i c h t d i e K n i e 1543“

Platon hingegen ahmt seinen Gegenstand nach, ohne dabei Fehler in der Sprache zu machen.1544 126D Was ist es, worüber handelt es und welches Fachwissen gewährleistet es?1545 Es lohnt sich zu untersuchen, warum Sokrates viele Fragen [auf einmal] stellt. Denn er fragt, was diese Gleichgesinntheit ist und worin sie liegt, und was ihre Wirkursache ist,1546 und ob das im politischen [Sinne] mit dem ethischen und dem hausverwaltungsbezogenen [Sinnen] dasselbe ist. Da er selbst einsieht, dass er viele Fragen gestellt hat, sagt er: „G i b n i c h t a u f z u a n t w o r t e n “1547; und die Worte „g i b n i c h t a u f “ kamen im richtigen Moment heraus, da es so viele Fragen gab. Dagegen tadelte er selbst Polos im Gorgias, dass er zu viele Fragen stellt.1548 Nun sollen wir zunächst einstudieren, was die Fragen sind, bevor [wir] die Lösung [erklären]. „Was ist diese Gleichgesinntheit?“ Das ist die Gemeinsamkeit von Kenntnis.1549 „Worin liegt sie?“ Sie liegt bei lehrbaren Wissensgegenständen und nicht bei ausgeführten Handlungen.1550 „Welches Fachwissen ist es, das dies bewirkt?“ Das politische Fachwissen, denn dies nutzt die Lehre1551, um [die Menschen] dazu zu bringen, die gleichen Wissensgegenstände zu genießen. Es ist nämlich nicht so, dass die Gleichgesinntheit so natürlich ist, wie die Zuneigung der Väter für [ihre] Kinder. Ferner: „Sind politische, ethische und hausverwaltungsbezogene [Ebenen] identisch, oder nicht identisch?“ Sie sind dasselbe.1552 Denn so wie sich große Buchstaben nicht von kleinen Buchstaben in der Form unterscheiden (da größer oder kleiner [zu sein], keine Änderung in der Form verursacht), so unterscheiden sich auch die Angelegenheiten1553 nicht aufgrund ihrer Größe. Außerdem haben wir aus den vorherigen [Textabschnitten], dass, wer für einen Menschen überzeugend ist, auch alle überzeugt und es demselben gehört, der viele überzeugt, auch einen zu überzeugen.1554 Ferner, so wie es keinen Unterschied

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ἕνα πείθειν· καὶ ὅτι ὥσπερ οὐ διαφέρει ἰατρὸς ὁ ἕνα | ἰατρεύων τοῦ πολλοὺς ἰατρεύοντος καὶ τοῦ πάντας (οὐ γὰρ ἡ διαφορὰ ἡ κατὰ τὸ πολὺ καὶ ὀλίγον τοῦ ὑποκειμένου διαφορὰν ποιεῖ τῶν ἕξεων), οὕτως οὐδὲ ὁ πολιτικὸς τοῦ οἰκονομικοῦ καὶ ἠθικοῦ. λεκτέον λοιπὸν διὰ τί πολλὰ ἐρωτᾷ. ἢ ὅτι τὰ πολλὰ εἰς ἓν καταντᾷ καὶ συνέχειαν ἔχει τὰ ἐρωτώμενα. πρῶτον γὰρ ἠρώτησε ‘τίς αὕτη’, καὶ ‘ἐν τίσιν ἐστίν’, καὶ ‘τίς τέχνη ποιητικὴ ταύτης’, καὶ ‘εἰ διαφέρει πολιτικὸν ἠθικοῦ, οἰκονομικοῦ’· καὶ οἶον πάντα ἕν εἰσιν. εἰπὲ δὲ καὶ ἄλλην λύσιν· ὅτι οὐ δεῖ πολλὰ ἐρωτᾶν ἐν διαλεκτικαῖς ἐρωτήσεσιν, ἔνθα οὐ χρεία λόγου, ἀλλ’ ἀρκεῖ ἢ κατανεῦσαι ἢ ἀνανεῦσαι καὶ τὸ ναὶ ἢ οὔ, διότι εἰ πολλὰ ἐρωτήσωμεν ἄδηλόν ἐστι πρὸς ποίαν ἀπεκρίνατο ἐρώτησιν, ἐν δὲ ταῖς πυσματικαῖς ἐρωτήσεσιν τοῦτο οὐκ ἀδύνατον, διότι δύναται καὶ διὰ λόγου προσενεχθῆναι καὶ διορίσασθαι πρὸς ποίαν ἀποκρίνεται. οὕτω καὶ ὁ ποιητὴς ἐν ταῖς πυσματικαῖς ἐρωτήσεσιν πολλὰ εἶπεν· ‘τίς πόθεν εἷς ἀνδρῶν; πόθι τοι πόλις ἠδὲ τοκῆες;’ ὅτε ἠδύνατο διὰ λόγου ἀποκρίνασθαι. Ἆρα ἥπερ πόλει αὐτῇ καὶ ἰδιώτῃ: τὸ τέταρτον ἐρωτᾷ· ἆρα ταὐτόν ἐστιν οἰκονομικόν, πολιτικόν, ἠθικόν; διὰ μὲν γὰρ τοῦ εἰπεῖν ‘ ἥ π ε ρ π ό λ ε ι ’ ἐδήλωσε τὸ πολιτικόν, διὰ δὲ τοῦ ‘ α ὐ τ ῷ τ ε π ρ ὸ ς ἑ α υ τ ὸ ν ’ τὸ ἠθικόν, διὰ δὲ τοῦ ‘ κ α ὶ π ρ ὸ ς ἄ λ λ ο ν ’ τὸ οἰκονομικόν. ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης φησὶν ‘εἰκός γε’. καὶ πόθεν τηλικοῦτο δόγμα ᾔδει ὁ Ἀλκιβιάδης, ὅτι ταὐτά εἰσι ταῦτα; ἢ ὠφελήθη ἐκ τοῦ παρόντος διαλόγου, ἐκ τοῦ λόγου τοῦ λέγοντος ‘ὁ ἕνα πείθων καὶ πολλοὺς πείθει’. Ἐγὼ μὲν οἶμαι φιλίαν τε λέγειν καὶ ὁμόνοιαν: ἰδοὺ διὰ ταῦτα ἐδέησεν τῷ Σωκράτει τοῦ ἐλέγχου τοῦ λέγοντος ὅτι οὐ | τέλος τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης ἡ φιλία, εἴγε φαίνεται φιλίαν καὶ στοργὴν ταὐτὸν λέγων ὁ Ἀλκιβιάδης. φησὶ γὰρ ὅτι ‘ἐγὼ ὁμόνοιαν λέγω τὴν πατρὸς πρὸς τέκνα καὶ ἀδελφῶν πρὸς ἀδελφούς’. Οἴει ἂν οὖν, ὦ Ἀλκιβιάδη, ἄνδρα γυναικί: ἐντεῦθεν ἐλέγχει καὶ παραδίδωσι τὴν διὰ ἀδυνάτου δεῖξιν, δεικνὺς ὅτι καὶ ἡ ὁμόνοια φιλία. τ α λ α σ ι ο υ ρ γ ί α δὲ λέγεται ἡ ξαντικὴ παρὰ τὸ τὰ λάσια ἐργά-

187, 21 Olymp. γε / γέ τοι Plat. Alc. 126d12.

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gibt zwischen dem Arzt, der eine Person heilt, dem Arzt, der viele heilt, und dem 187 Arzt, der alle [heilt] (denn es macht keinen Unterschied für ihre Fähigkeit [zu heilen], wenn es mehr oder weniger von ihrem Gegenstand gibt), so [gibt es auch] keinen [Unterschied] zwischen einem Politiker, einem Hausverwalter und einer ethischen Person1555. Es bleibt zu sagen, warum er viele Fragen [auf 5 einmal] stellt. Vielleicht liegt es daran, dass er die Vielzahl auf Einzahl bringt und seine Fragen Kontinuität haben. Denn er fragte zuerst „Was ist es“, dann „Worin liegt es“, dann „Welches Fachwissen erschafft es“ und dann „Gibt es einen Unterschied zwischen der politischen, ethischen und hausverwaltungsbezogenen [Ebenen]“. Und in einem Sinne ist all [dies] eine [Frage]. Sag1556 aber auch eine andere Lösung an: Man sollte nicht mehrere Fragen [auf einmal] in dialektischen Befragungen stellen, wo es keinen Platz für Reden1557 gibt, aber es genügt, mit dem Kopf zu nicken oder Kopf zu schütteln und Ja oder Nein zu 10 sagen; und zwar deshalb, weil, wenn wir viele Fragen stellen, es unklar wird, welche Art von Frage [der Gesprächspartner] beantwortet hat; bei einer investigativen Befragung1558 ist dies dagegen nicht unmöglich, da [der Befragte] auch mit Hilfe der Rede eine Annäherung entwickeln und differenzieren kann, welche Art von Frage er beantwortet. So stellte auch der Dichter viele Fragen [auf einmal] bei einer investigativen Befragung: „W e r b i s t d u u n d w o h e r 15 u n t e r d e n M ä n n e r n ? Wo i s t d e i n e S t a d t u n d d e i n e E l t e r n ? “1559 Da er mit Hilfe der Rede beantworten konnte. Ist dieses [Fachwissen] dasselbe bei einer Polis und bei einer einzelnen Person?1560: Er stellt die vierte Frage: Sind die hausverwaltungsbezogene, politische und ethische [Ebenen] dasselbe? Denn mit den Worten „d i e i n e i n e r P o l i s “ wies er auf die politische [Ebene] hin; durch „e i n e P e r s o n 20 m i t s i c h s e l b s t “ auf die ethische; schließlich durch „u n d m i t e i n e m a n d e r e n “ auf die hausverwaltungsbezogene [Ebene]. Darauf sagt Alkibiades: „Das ist jedenfalls wahrscheinlich“.1561 Wie konnte denn Alkibiades nun einen so bedeutenden Grundsatz verstehen, dass diese dasselbe sind? Nun, der gegenwärtige Dialog half ihm, dank des Arguments, das besagt: „Die Person, die für einen überzeugend ist, ist auch für viele überzeugend“.1562 126E Ich glaube, die Freundschaft und die Gleichgesinntheit zu meinen1563: Siehe, dass Sokrates aufgrund dieser [Worte] die Widerlegung vorlegen musste, wonach das Ziel des politischen Wissens nicht die Freundschaft ist, da 188 Alkibiades eindeutig behauptet, dass Freundschaft und Zuneigung dasselbe sind. Er sagt nämlich: „Ich nenne es Gleichgesinntheit, was ein Vater zu seinen Kindern und die Geschwister zueinander [empfinden]“).1564 Meinst du nun, Alkibiades, ein Mann mit einer Frau1565: Ab hier 5 widerlegt er ihn [sc. Alkibiades] und liefert den Beweis durch Unmöglichkeit1566, indem er zeigt, dass auch die Gleichgesinntheit Freundschaft ist. Die Woll-

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ζεσθαι· ἢ παρὰ τοὺς ταλάρους· εἰ δὲ καὶ αἱ ἡμίονοι ‘ταλαεργοὶ’ λέγονται, παρὰ τὸ ὑπομενητικὸν καὶ τὸ περὶ τὰ ἔργα ταλαιπωρεῖν, εἴληπται δὲ ἀπὸ τῆς ταλασιουργίας. τοιαῦται δὲ καὶ αἱ γυναῖκες, ὑπομενητικαί, οὐ γὰρ οἱ ἄνδρες· διὸ καὶ εἴρηται περὶ αὐτῶν ‘ἔξω μολὼν ἔπαυσε καρδίας ἄσην’. Γυναικεῖον γὰρ τοῦτό γε τὸ μάθημα: καὶ πῶς, εἰ κοιναὶ αἱ ἀρεταὶ ἀνδρῶν καὶ γυναικῶν, διὰ τί φησι ‘ γ υ ν α ι κ ε ῖ ο ν γ ὰ ρ τ ο ῦ τ ό γ ε < τ ὸ > μ ά θ η μ α ’ ; ἢ κατὰ τὴν τοιαύτην πολιτείαν.

127A Δύναιτο ἂν ὁμονοεῖν μὴ μαθοῦσα: καλῶς | τὸ ‘ μ ὴ μ α θ ο ῦ σ α ’ , διὰ τὰς Ἀμαζόνας πολεμικὰς οὔσας. Ἴσως αὖ φαίης ἂν εἶναι: καλῶς τὸ ‘ ἴ σ ω ς ’ καὶ τὸ ‘ φ α ί η ς ἂ ν ε ἶ ν α ι ’ . κοιναὶ γὰρ αἱ ἀρεταὶ τῶν ἀνδρῶν, εἴγε κοιναὶ αἱ φύσεις· εἰσωθούμενα γὰρ τὰ ἀνδρεῖα μόρια γυναικεῖα γίνεται, καὶ τὸ ἀνάπαλιν τὰ γυναικεῖα ἐξωθούμενα· καὶ εἰ ἡ κύων οὐδὲν διαφέρει τοῦ ἄρρενος κατὰ τὸ φρουρεῖν, ἀλλ’ ἄμφω φρουρητικοί εἰσιν. εἰ οὖν κοιναὶ αἱ φύσεις, διὰ τί μὴ καὶ κοιναὶ αἱ γνώσεις καὶ αἱ ἀρεταί; καὶ οὐκέτι δεῖ εἰπεῖν ‘γυναικεῖον’ ἢ ‘ἀνδρεῖον’ τὸ μάθημα, ἀλλ’ ‘ἀνθρώπινον’, κοινῶς γὰρ ‘ἄνθρωποι’. Οὐδὲ ἄρα φιλία: ‘εἴγε μὴ ὁμονοοῦσιν, οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους, εἴπερ ἡ φιλία ὁμόνοια ἦν’, φησίν.

127B Οὐδὲ εὖ ἄρα οἰκοῦνται αἱ πόλεις: ἐντεῦθεν βούλεται δεῖξαι ὅτι οἱ δίκαιοι οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις. καὶ προσλαμβάνει τὸ λῆμμα καὶ λοιπὸν συλλογίζεται | ὅτι ‘φιλίας μὴ παρούσης ἐν τοῖς τὰ ἑαυτῶν πράττουσιν, ἧς ἐγγινομένης ἐλέγομεν καλῶς διοικεῖσθαι τὰς πόλεις’, τὸν συλλογισμὸν πλέκων οὕτως· ‘οἱ τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους· οἱ εὖ οἰκοῦντες τὴν πόλιν φιλοῦσιν ἀλλήλους, διότι τοῦτο 188, 12 Olymp. καρδίας ἄσην / καρδίαν ἄσης Eur. Med. 245.

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kämmerei wird nämlich als W o l l s p i n n e r e i (talasiourgia) bezeichnet, entweder, weil [es dort] die Wolltücher (ta lasia) verarbeitet werden (ergazesthai), oder ausgehend von den Körben (talarous). Wenn man aber auch die Maultiere „Arbeiterduldende“ (talaergoi) nennt, aufgrund ihrer Belastbarkeit und ihrer Erduldung gegenüber harter Arbeit (peri ta erga talaipōrein), wurde [dieser Name] der Wollspinnerei entnommen. Auch die Frauen haben nämlich eine solche Eigenschaft – die Belastbarkeit – während Männer es nicht [haben]: Deshalb also wird über sie gesagt:

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„S u c h t e r a u ß e r d e m H a u s , w a s e r i m H a u s e e n t b e h r t . “1567

Denn diese ist ein Lernbereich für Frauen: Wie aber, wenn Männer und Frauen gleiche Tugenden haben,1568 warum sagt er: „D e n n d i e s e i s t e i n L e r n b e r e i c h f ü r d i e F r a u e n “? Wahrscheinlich [ist es so] gemäß einer 15 derartigen Verfassung.1569 127A Könnte sie gleicher Meinung sein, ohne es gelernt zu haben?1570 189 Zutreffend ist [der Ausdruck] „o h n e e s g e l e r n t z u h a b e n “, da die Amazonen [beispielsweise] kriegerisch waren.1571 Würdest du vermutlich sagen, dass es ist1572: Zutreffend sind „v e r m u t l i c h “ und „w ü r d e s t d u s a g e n , d a s s e s i s t “.1573 Denn die Tugenden der Männer sind gemeinsam [mit den Frauen], da ihre Natur gemeinsam ist. Die männlichen Teile, wenn sie nach innen gedrückt werden, 5 werden weiblich; und umgekehrt die weiblichen Teile, wenn sie nach außen gedrückt werden, [werden männlich]. Auch weil eine Hündin keinen Unterschied zu einem Hund in Bezug auf die Fähigkeit zu bewachen zeigt, sondern sie beide die Eigenschaft als Wache haben.1574 Wenn ihre Natur Gemeinsamkeit hat, warum [sollen] denn ihr Wissen und ihre Tugenden nicht auch gemeinsam [sein]? Ferner sollte man einen Lernbereich nicht mehr als „weiblich“ oder „männlich“ bezeichnen, sondern als „menschlich“, denn [sie sind] gemeinsam „Menschen“.1575 10 Weder ist Freundschaft1576: Er sagt: „Wenn sie nämlich nicht der gleichen Meinung sind, sind sie einander nicht freundlich gestimmt, wenn nun die Freundschaft Gleichgesinntheit war“. 127B Noch werden die Poleis gut verwaltet1577: Ab hier will er zeigen, dass die gerechten Menschen die Poleis nicht gut verwalten. Und er nimmt die [folgende] These hinzu und arbeitet den Rest der Schlussfolgerung aus, dass „wenn Freundschaft unter ihnen nicht anwesend ist, die sich mit ihrer eigenen 190 Arbeit beschäftigen, sagen wir, dass diese Poleis gut verwaltet werden“ und entfaltet die Schlussfolgerung wie folgt: „Diejenigen, die sich mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigen, sind miteinander keine Freunde. Diejenigen, die eine Polis

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τέλος τῆς πολιτικῆς· οἱ τὰ ἑαυτῶν ἄρα πράττοντες οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις’. Ἀλλά μοι δοκεῖ κατὰ τὰ αὐτά: ἀντιλέγει ὁ Ἀλκιβιάδης τῷ Σωκράτει ὅτι ‘ἀλλ’ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις δι’ αὐτὸ τοῦτο, διότι τὰ αὑτῶν πράττουσιν’· ὁ δὲ Σωκράτης φησὶν ὅτι ‘πάλαι ὑπὸ σοῦ ταῦτα ἐλέγετο’.

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127C Δίκαια δὲ πράττουσιν ἢ ἄδικα: ἐντεῦθεν τὸν συλλογισμὸν παραδίδωσιν, ὅτι οἱ δίκαιοι τὰ αὑτῶν πράττουσιν.

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127D Ἀλλὰ μὰ τοὺς θεούς, ὦ Σώκρατες, οὐδὲ αὐτὸς οἶδα ὅ τι λέγω: ἰδοὺ ἐναργῶς ὁ Ἀλκιβιάδης ὠφέληται· καὶ γὰρ ἦλθεν ἀπὸ διπλῆς ἀμαθίας ἐπὶ ἁπλῆν, ὁμολογεῖ γὰρ ἀγνοεῖν. καὶ Ἀριστείδης μέν περὶ Δημοσθένους τοῦ ῥήτορος ὅ τ ι Ἑ ρ μ ο ῦ λ ο γ ί ο υ τ ύ π ο ς ἦ ν ε ἰ ς ἀ ν θ ρ ώ π ο υ ς ἐ λ θ ώ ν · ἐγὼ δὲ φαίην ἂν εὐκαιρότερον περὶ Σωκράτους τοῦτο, εἴγε πρῶτον μὲν τῷ Ἑρμῇ ᾠκείωται (λέγεται γὰρ ἑρμογλύφου υἱὸς εἶναι), καὶ ὅτι ὥσπερ ὁ Ἑρμῆς μιᾷ ῥάβδῳ καὶ ὕπνον ἐποίει καὶ ἐγρήγορσιν (‘οὓς ἐθέλει, τοὺς δ’ αὖτε καὶ ὑπνώοντας ἐγείρει’),

οὕτω καὶ ὁ Σωκράτης μιᾷ ῥάβδῳ, τῇ διαλεκτικῇ, καὶ | ἀπαυθαδιζομένους κατέκλινεν καὶ πάλιν καταβληθέντας διανίστη καὶ ἐπανεκαλεῖτο. οὕτω τὸν Ἀλκιβιάδην ἄνω μὲν διὰ τῶν ἐλέγχων κατέβαλλεν δεικνὺς αὐτὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα, νῦν δὲ διεγείρει αὐτὸν καταβληθέντα λέγων ‘θάρρει, νέος γὰρ εἶ καὶ δύνῃ μαθεῖν’ ( ‘ ν έ ω ν ’ γὰρ ‘ ο ἱ μ ε γ ά λ ο ι π ό ν ο ι ’ , καὶ ‘ ν έ ῳ δ έ τ ε π ά ν τ ’ ἐ π έ ο ι κ ε ν ’ ) · ‘εἰ μὲν γὰρ ἦς ὑπὲρ τὰ νʹ ἔτη, χαλεπὸν ἦν σε μαθεῖν’. καὶ καλῶς τὸ ‘ χ α λ ε π ό ν ’ , ἀλλ’ οὐκ ‘ἀδύνατον’· βούλεται γὰρ ὁ Σωκράτης πάντας ἀνθρώπους ὠφελῆσαι, καὶ εἰ νέος ἐστὶ καὶ εἰ πρεσβύτης.

127E Τί οὖν τὸν αἰσθανόμενον χρὴ ποιεῖν; ἐρωτᾷ αὐτὸν τί δεῖ ποιεῖν πρὸς τὸ μαθεῖν· ὁ δέ φησιν οὐδὲν χαλεπὸν οὔτε τὰ τοῦ Ὤτου καὶ Ἐφιάλτου ποιῆσαι (‘Ὄσσαν ἐπ’ Οὐλύμπῳ μέμασαν θέμεν’), 190, 7 Olymp. τὰ αὐτά / τοῦτ’ Plat. Alc. 127b10. 20 Olymp. οὓς / ὧν Hom. Il. XXIV,344; Od. 5,48; 24,4.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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gut verwalten, sind untereinander Freunde, weshalb dies das Ziel des politischen Fachwissens ist. Folglich verwalten diejenigen, die sich mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigen, ihre Poleis nicht gut.“1578 Aber es scheint mir, dass aus genau diesem Grund1579: Alkibiades widerspricht Sokrates, dass „sie ihre Poleis eigentlich gut verwalten, gerade deshalb, weil sie ihre eigene Arbeit verrichten“. Darauf antwortet Sokrates: „Das ist es, was du vorher behauptet hast“.1580 127C Üben sie gerechte oder ungerechte Handlungen aus?1581 Ab hier gibt er die Schlussfolgerung an, dass die Gerechten sich mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigen. 127D Aber bei den Göttern, Sokrates, ich weiß nicht einmal selbst, was ich meine1582: Siehe, dass Alkibiades eindeutig davon Nutzen zog: Tatsächlich ist er von doppelter Unwissenheit zu einfacher [Unwissenheit] gekommen, da er [ jetzt] zustimmt, dass er es nicht weiß. Auch Aristeides bemerkt über den Redner Demosthenes, dass e r d a s M u s t e r e i n e s b e r e d t e n H e r m e s w a r , d e r u n t e r d i e M e n s c h e n k a m 1583. Ich würde dagegen sagen, dass dieses [Sprichwort] besser zu Sokrates passt, da er zuerst mit Hermes identifiziert wurde (denn er wird als Sohn des Hermesschnitzers1584 bezeichnet), und genauso wie Hermes früher mit einem Stab Schlaf und Wachheit erzeugte:

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„w e l c h e n e r w i l l , u n d a u c h d i e S c h l a f e n d e n w i e d e r a u f - 20 w e c k t “1585

so benutzt auch Sokrates einen Stab, nämlich die Dialektik, um sowohl diejenigen zu stürzen, die stolz sprechen, als auch die Gefallenen aufzurichten 191 und sie wieder [zu sich] aufzurufen. So, als Alkibiades aufrecht war, stürzte er ihn mit Widerlegungen, um zu zeigen, dass er doppelt unwissend war; und jetzt weckte er ihn auf, nachdem er untergetaucht war, und sagt: „Nimm Mut, denn du bist ein junger Mann, und du bist lernfähig“1586 (denn „a l l e s c h w e r e n 5 A r b e i t e n g e h ö r e n d e m J u g e n d “1587 und „a l l e s p a s s t e i n e m J u n g e n “1588): „Denn, wenn du über 50 Jahre alt wärst, wäre es für dich schwierig, zu lernen“.1589 Ferner ist es zutreffend, „s c h w i e r i g “ anstelle von „unmöglich“ [zu sagen]: Denn Sokrates will jedem Menschen helfen, sowohl den jungen als auch den älteren Menschen. 127E Was nun soll ich tun, jetzt wo ich das gesehen habe? Er [Alki- 10 biades] fragt ihn, was er tun soll, um zu lernen. Er antwortet, dass es nichts Schwieriges ist, nichts wie der Versuch von Otos und Ephialtes, die („s t r e b t e n , d e n O s s a a u f d e n O l y m p z u s e t z e n “1590),

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C. Text und Übersetzung

ἀλλὰ δοῦναι λόγον καὶ λαβεῖν. καὶ Ἀρχιμήδης μὲν μετὰ τὴν εὕρεσιν τοῦ βαρυούλκου, ἐν ᾧ ἔδειξεν ὅτι τῇ τυχούσῃ δυνάμει τὸ τυχὸν βάρος κινήσει, ἐπειδὴ ὅσον ἐπὶ τούτῳ καὶ εἷς ἄνθρωπος ἠδύνατο κινῆσαι τὴν γῆν, μέγα ἐφθέγξατο καὶ ἀδύνατον, ὅ τ ι ‘ π ᾷ β ῶ κ α ὶ κ ι ν ῶ τ ὰ ν γ ᾶ ν ’ · ἀδύνατον γὰρ μὴ εἶναι ἐν τόπῳ· Σωκράτης δὲ εὐτελῆ αἰτεῖ. Ἐὰν θεὸς θέλῃ: ‘ θ ε ὸ ν ’ λέγει τὸν εἰληχότα δαίμονα, τοῦτον γὰρ καὶ ἄνω ‘ θ ε ὸ ν ’ ἔλεγεν. τὸ δὲ ‘εἴ τι δὴ καὶ τῇ | ἐμῇ μαντείᾳ’ ἐστίν, διότι διττὴ ἡ μαντεία· ἡ μὲν θεία, ἥτις καὶ μανία ἐστίν· ἡ δὲ τεχνική, ἥτις μαστεία λέγεται. κατὰ οὖν τὴν διπλῆν μαντείαν νῦν φησὶν ὁ Σωκράτης· καὶ διὰ τὴν θείαν, διότι φησὶν ‘ ἐ ὰ ν θ έ λ ῃ ’ καὶ θεοῦ ἐμνημόνευσεν, καὶ διὰ τὴν τεχνικήν, εἴγε ἐτεκμήρατο ἐκ τῆς φύσεως τοῦ Ἀλκιβιάδου δύνασθαι αὐτὸν μαθεῖν. Σύ τε κἀγὼ βέλτιον σχήσομεν: πῶς καὶ Σωκράτης βέλτιον σχήσει; ἢ δῆλον ὅτι ὡς συναναγόμενος τοῖς παιδικοῖς.

Πρᾶξις σὺν θεῷ κβʹ 10

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126C-127E Ἆρα οὖν φιλίαν λέγεις ὁμόνοιαν ἢ διχόνοιαν; Ἐπειδὴ τέλος ἔλεγεν ὁ Ἀλκιβιάδης τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης τὴν φιλίαν, ἐντεῦθεν ἐλέγχει τοῦτον ὁ Σωκράτης, οὐχ ὅτι οὐ βούλεται τοῦτο, ἀλλὰ νομίζων λέγειν ταὐτὸν τὴν φιλίαν τῇ στοργῇ. καὶ τρία ταῦτα δείκνυσιν ἡ μετὰ χεῖρα λέξις. πρῶτον ὅτι ἡ φιλία οὐ μόνον στοργὴ ὑπάρχει, ἀλλὰ καὶ ὁμόνοια· καὶ τοῦτο εὐθὺς ἐν ἀρχῇ δείκνυσιν. εἰ γὰρ ἡ διχόνοια ἔχθρα ἐστίν, ἡ ὁμόνοια φιλία· ἀλλὰ μὴν τὸ πρῶτον, καὶ τὸ δεύτερον ἄρα. δεύτερον δείκνυσιν ὅτι ἐστὶ φιλία ἡ κατὰ τὴν ὁμόνοιαν, ὡς ἐπὶ τῶν τεχνῶν· οἱ γὰρ τεχνῖται ὁμονοοῦσιν ἀλλήλοις καὶ κατὰ τοῦτο φιλοῦσιν ἀλλήλους, καθὸ τοῖς αὐταῖς γνωστοῖς χαίρουσιν, οὐ μὴν στέργουσι, διὰ τὸ ‘ κ α ὶ κ ε ρ α μ ε ὺ ς κ ε ρ α μ ε ῖ κ ο τ έ ε ι ’ (αὐτὸς δὲ φιλοσόφοις χρῆται παραδείγμασιν, ἀριθμητικοῖς τε καὶ γεωμετρικοῖς καὶ στατικοῖς)· οὐκοῦν ἐστὶ φιλία μὴ οὔσης στοργῆς. τρίτον δείκνυσιν ὅτι ἐστὶ καὶ τὸ ἀνάπαλιν στοργὴ ἄνευ ὁμονοίας· ἀνὴρ 191, 19 Olymp. θέλῃ / ἐθέλῃ Plat. Alc. 127e6. 192, 1 Olymp. δὴ / δεῖ Plat. Alc. 127e6.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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sondern Argumente anzugeben und anzunehmen. Ferner sagte auch Archimedes etwas Stolzes und Unmögliches, nach seiner Erfindung der Hebeschrau- 15 be1591, durch die er bewies, dass er mit einer bestimmten Kraft jedes beliebige Gewicht bewegen konnte, sodass darauf gestützt sogar ein Mensch die Erde bewegen könnte: „G i b m i r e i n e n P l a t z z u m G e h e n , u n d i c h w e r d e d i e E r d e b e w e g e n “1592. Denn es ist unmöglich, sich nicht an einem Raum zu befinden.1593 Aber Sokrates fordert etwas Einfaches. Wenn Gott will1594: Mit „G o t t “ meint er sein zugeteiltes Daimon, denn er nannte dieses auch oben „G o t t “.1595 Und er sagt: „Sofern tatsächlich etwas auch an meiner Wahrsagung [daran ist]“1596, denn die Wahrsagung (man- 192 teia) ist zweifach: Die eine ist göttlich, was auch eine Art Wahnsinn ist; die andere ist technisch, was als Untersuchung (masteia) bezeichnet wird. So spricht Sokrates jetzt in Bezug auf die doppelte [Natur] der Wahrsagung1597. Sowohl durch die göttliche Art, weshalb er sagt: „w e n n e r w i l l “ und Gott erwähnt; 5 als auch durch die technische Art, da er nach der Natur des Alkibiades beurteilte, dass er fähig war zu lernen.1598 Du und ich werden in einem besseren Zustand1599: Wie wird auch Sokrates in einen besseren Zustand gelangen? Ganz klar deshalb, weil er zusammen mit seinem Geliebten aufsteigt.

Unterricht 22 mit Gottes Hilfe 126C–127E Meinst du mit Freundschaft Gleichgesinntheit oder Zwietracht?1600 Nachdem Alkibiades die Freundschaft als das Ziel des politischen Wissens definiert hat, widerlegt es Sokrates – nicht, weil er damit nicht einverstanden ist, sondern weil er denkt, dass [Alkibiades] sagte, Freundschaft und Zuneigung seien dasselbe. Dazu liefert die vorhandeneTextstelle drei Beweise. Erstens, dass die Freundschaft nicht nur als Zuneigung existiert, sondern auch als Gleichgesinntheit.1601 Und das zeigt er gleich am Anfang. Denn wenn Zwietracht Feindschaft ist, dann ist Gleichgesinntheit Freundschaft: Aber zuerst das erste, folglich das zweite.1602 Zweitens zeigt er, dass sich die Freundschaft durch Gleichgesinntheit entwickelt, wie bei den Fachkenntnissen: Denn Fachleute sind miteinander einverstanden und dadurch freundlich zueinander, und deshalb genießen sie die gleichen Wissensgegenstände – dagegen haben sie keine Zuneigung füreinander, wie [der Spruch] „T ö p f e r b e n e i d e t d e n T ö p f e r “.1603 (Er [sc. Sokrates] verwendet dazu philosophische Beispiele, arithmetische und geometrische Maße und Gewichte). Folglich gibt es Freundschaft ohne Zuneigung. Drittens zeigt er, dass es umgekehrt auch Zuneigung ohne

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γὰρ καὶ γυνὴ στέργουσιν ἀλλήλους, οὐ μὴν ὁμονοοῦσιν· οὐ γὰρ τὰ αὐτὰ φρο|νεῖ ὁ ἀνὴρ περὶ ταλασιουργίας τῇ γυναικί (πῶς γάρ, εἴγε ἀγνοεῖ;) οὔτε μὴν περὶ ἱππικῆς ἡ γυνὴ τῷ ἀνδρί. δῆλον δὲ ὅτι κατὰ τὸ προσεχὲς τέλος οὐχ ὁμονοοῦσιν, ἐπεὶ ὡς εἴρηται κατὰ τὸ πόρρω ὁμονοοῦσιν. τοῦτο δὲ ποιεῖ δεικνὺς ὅτι ἡ φιλία καὶ τῇ ὁμονοίᾳ ὑπάρχει καὶ τῇ στοργῇ, εἴγε ἐστὶ φιλία θατέρου μόνου τούτων ὑπάρχοντος.

126C Διὰ τίνα οὖν τέχνην ὁμονοοῦσιν αἱ πόλεις περὶ ἀριθμούς; ἰδοὺ τὸ δεύτερον διὰ τούτων δείκνυσιν, ὅτι ἐστὶ φιλία κατὰ τὴν γνῶσιν, οὐ μὴν κατὰ τὴν στοργήν, διὰ τοὺς τεχνίτας· φιλοῦσι γὰρ ἀλλήλους κατὰ τοῦτο, εἴγε τὰ αὐτὰ νοοῦσι, καὶ ᾗ μὲν τεχνῖται φίλοι εἰσίν, ὡς δὲ ἄνθρωποι φθονοῦσιν ἀλλήλοις καὶ μισοῦσιν. δεῖ δὲ προσθεῖναι ἐνταῦθα τὰ ἄνω εἰρημένα. 126D Ἢν δὲ δὴ σὺ λέγεις ὁμόνοιαν, τί ἐστιν; ἐνταῦθα δέον ἐπαγαγεῖν καὶ τὸ ἄλλο, ὅτι ἐστὶ στοργὴ ἄνευ ὁμονοίας, ὡς ἐπὶ ἀνδρὸς καὶ γυναικός, μεσολαβεῖ τὸν λόγον καὶ ἐρωτᾷ αὐτὸν τέσσαρά τινα· τίς ἡ ὁμόνοια, ἐν τίσιν ἐστίν (ὅτι ἐν διδακτοῖς, ἀλλ’ οὐκ ἐν πρακτοῖς), τίς ἡ ποιητικὴ αὐτῆς, εἰ ταὐτόν ἐστιν οἰκονομικόν, πολιτικόν, ἠθικόν. ἰστέον δὲ ὅτι καὶ ἄλλοθέν ἐστι δεῖξαι ὅτι οὐκ ἄτοπον ἐν πυσματικαῖς ἐρωτήσεσι πολλὰ ἐρωτᾶν. αὐτὸς γοῦν ἐν Ἀπολογίᾳ πολλὰ ἐρωτᾷ· ‘ τ ί ς , κ α ὶ π ο δ α π ό ς , κ α ὶ π ο ῖ ο ς ὁ μ ι σ θ ό ς ; ’ ὁ δὲ ἀποκρίνεται αὐτῷ, πρὸς μὲν τὸ ‘ τ ί ς ’ λέγων ‘ Ε ὔ η ν ο ς ,’ πρὸς δὲ τὸ ‘ π ο δ α π ὸ ς ’ λέγων ὅτι ‘ Π ά ρ ι ο ς ’ , πρὸς δὲ τὸ τρίτον ὅτι ‘ ε ʹ μ ν ᾶ ς λ α β ώ ν ’ . Εἰκός γέ τοι: ἰδοὺ κρείττων Ἀλκιβιάδης Ἀριστοτέλους, ὠφεληθεὶς ἐκ τοῦ παρόντος διαλόγου ὅτι ὁ ἕνα πείθων καὶ πολλοὺς πείθει, ὅτι ταὐτόν ἐστιν ἠθικόν, οἰκονομικόν, πολιτικόν, μόνον τῷ μεγάλῳ καὶ μικρῷ διαφέροντα καὶ μὴ ἔχοντα παρὰ τοῦτο ἑτέραν φύσιν, ἐκείνου ἀντιδιαιροῦντος ταῦτα. πλὴν ἵνα μὴ καθέλωμεν τὸ ἀξίωμα τοῦ Ἀριστοτέλους, εἴπωμεν ὅτι | κρείττων Ἀλκιβιάδης Ἀριστοτέλους οὐ καθ’ ἑαυτόν, ἀλλὰ μετὰ Σωκράτους ἐνεργῶν.

193, 12 Olymp. τί / τίς Plat. Alc. 126d8.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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Gleichgesinntheit gibt. Denn ein Mann und eine Frau empfinden Zuneigung zueinander, jedoch sind sie nicht gleichgesinnt: Weder versteht ein Mann das Gleiche von der Wollspinnerei wie eine Frau (denn wie [könnte er], wenn er 193 darüber nichts weiß?) noch [versteht] eine Frau [das Gleiche] mit einem Mann über Reitkunst. Es ist aber offensichtlich, dass sie [nur] nach dem unmittelbaren Ziel nicht gleicher Gesinnung sind, da sie – wie bereits gesagt1604 – nach ihrem langfristigen Ziel die gleiche Gesinnung haben. Und er verwendet dies als Beweis dafür, dass die Freundschaft sowohl bei der Gleichgesinntheit als auch bei der Zuneigung besteht, denn es gibt Freundschaft, wenn einer von beiden 5 allein existiert. 126C Durch welches Fachkenntnis nun haben die Poleis die gleiche Meinung über die Zahlen?1605 Siehe, wie er das zweite [Argument] dadurch zeigt – dass es eine [Art] Freundschaft gibt, die sich auf die Erkenntnis bezieht, dagegen nicht auf Zuneigung – ausgehend von den Fachleuten. Denn gemäß dieser [Erkenntnis] sind sie zueinander freundlich, da sie dasselbe denken,1606 so sind sie als Fachleute Freunde, als Menschen dagegen beneiden und hassen sie 10 einander. Es muss hier auch das hinzugefügt werden, was oben gesagt wurde.1607 126D Diese Gleichgesinntheit denn, von der du redest, was ist es?1608 Da es notwendig ist, hier das andere [dritte Argument] hinzuzufügen – dass es Zuneigung ohne Gleichgesinntheit gibt, wie bei einem Mann und einer Frau – unterbricht er [sc. Sokrates] die Rede und stellt ihn vier Fragen: Was ist die Gleichgesinntheit; worin liegt sie (in den lehrbaren Wissensgegenständen und 15 nicht bei ausgeführten Handlungen1609); was ist ihre Wirkursache1610 und ob hausverwaltungsbezogene, politische und ethische [Ebene] dasselbe sind.1611 Man soll aber wissen, dass es auch möglich ist, auf einer anderen Grundlage zu beweisen, dass es nicht fehl am Platz ist, viele Fragen [auf einmal] in einer investigativen Befragung zu stellen. Er selbst jedenfalls stellt in der Apologie viele Fragen: „W e r i s t e r , w o h e r k o m m t e r u n d w e l c h e n L o h n [fordert er]?“1612 Darauf antwortet er [sc. Kallias], auf [die Frage] „w e r ? “ mit 20 „E u e n o s “; auf „w o h e r ? “ mit „a u s P a r o s “ und die dritte Frage mit „e r n i m m t f ü n f M i n e n “.1613 Das ist jedenfalls wahrscheinlich1614: Siehe, dass Alkibiades gegenüber Aristoteles überlegen ist, sobald ihm durch den vorliegenden Dialog geholfen wurde, dass die Person, die für einen überzeugend ist, für viele überzeugend ist, und dass die ethische, hausverwaltungsbezogene und politische [Ebenen] dasselbe sind, die sich nur in ihrer Größe oder Kleinheit unterscheiden und 25 ansonsten keine unterschiedliche Natur haben; er [sc. Aristoteles] dagegen differenziert diese [Bereiche].1615 Damit wir jedoch den würdigen Ruf des Aristoteles nicht mindern, sagen wir, dass Alkibiades zu Aristoteles überlegen 194

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C. Text und Übersetzung

126E Ἐγὼ μὲν οἶμαι φιλίαν τε λέγειν: διὰ τοῦτο ἠναγκάσθη ὁ Σωκράτης ἐλέγξαι τὸν Ἀλκιβιάδην τέλος λέγοντα τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης τὴν φιλίαν, διότι ταὐτὸν φαίνεται εἰδὼς ἐνταῦθα φιλίαν καὶ στοργήν, διὰ τῶν παραδειγμάτων· πλὴν καὶ ἁμαρτάνων ἐν τούτῳ οὔτε τοῦ εἴδους τῆς στοργῆς ἠδυνήθη καταδράξασθαι, ἀλλὰ κατῆλθεν ἐπὶ παραδειγμάτων· καὶ ὅτι οὐκ ἠδυνήθη τὸ ἁπλοῦν εἶδος αὐτῆς συνιδεῖν, ἀλλὰ κατῆλθεν ἐπὶ τὸ σύνθετον, καὶ ἀπὸ μικρῶν γραμμάτων εἰς μεγάλα. Οἴει ἂν οὖν, ὦ Ἀλκιβιάδη, ἄνδρα γυναικί: τὸ τρίτον δείκνυσιν, ὅτι ἐστὶ στοργὴ ἄνευ ὁμονοίας, καὶ ἐρωτᾷ ὅτι ‘ὁ ἀνὴρ τῇ γυναικὶ ὁμονοεῖ περὶ ταλασιουργίας, ἐὰν τὰ αὐτὰ φρονῇ;’ ἦν γὰρ ἡ ὁμόνοια ἡ τῶν αὐτῶν γνῶσις ὁμοίως. καλῶς δὲ ‘ τ ὸ ν μ ὴ ἐ π ι σ τ ά μ ε ν ο ν τ ῇ ἐ π ι σ τ α μ έ ν ῃ ’ · δύναται γάρ τις μαθεῖν ὑφάντης. εἰ μὴ οὖν ὁμονοοῦσιν, οὔτε φιλοῦσιν ἀλλήλους· ἔλεγε γὰρ ὁ Ἀλκιβιάδης προσεχῶς διὰ τῶν παραδειγμάτων ταὐτὸν ὁμόνοιαν καὶ φιλίαν, ὁμόνοιαν λέγων τὴν στοργήν.

127A Ἀνδρεῖον γὰρ τοῦτό γε ἴσως ἂν φαίης: εἰ αἱ ἀρεταὶ κοιναὶ ἀνδρῶν καὶ γυναικῶν εἰσίν, ὡς ἐν τῇ Πολιτείᾳ ἀποδέδεικται, εἴγε κοινὴ φύσις ἐστίν (τὰ γὰρ αὐτά ἐστι μόρια ἀνδρεῖα καὶ γυναικεῖα, παρὰ τὴν θέσιν μόνον ἔχοντα τὴν διαφοράν) καὶ κοινὴ παιδεία (ὡσαύτως γὰρ τὸ φρουρητικὸν ὑπάρχει καὶ ταῖς θηλείαις κυσὶν ὥσπερ τοῖς ἄρρεσι), καὶ ὅτι ὁ Ἀγαμέμνων ἐν μιᾷ ξυνωρίδι ἔμιξε τὸ θῆλυ τῷ ἄρρενι, ὡς δηλοῖ τὸ ‘ Α ἴ θ η ν τ ὴ ν Ἀγ α μ ε μ ν ο ν έ η ν τ ὸ ν ν έ ο ν τ ε Π ό δ α ρ γ ο ν ’, πῶς φησὶ νῦν ἄλλο ἔργον εἶναι ἄρρενος καὶ ἄλλο θήλεος καὶ μὴ ἓν ἔργον εἶναι ἀνθρώπου παντός; ἢ ταῦτα λέγεται οὐ κατὰ τὴν εὖ ἔχουσαν πολιτείαν ἀλλὰ κατὰ ἄλλην· καὶ ὅτι φησὶ ‘ κ α τ ὰ τ ὸ ν σ ὸ ν λ ό γ ο ν ’ , καὶ ὅτι ‘ ἴ σ ω ς ’ φησίν, καὶ ὅσα τοιαῦτα. πλέκεται δὲ ὁ συλλογισμὸς ἐν δευτέρῳ σχήματι οὕτως· ‘γυνὴ καὶ ἀνὴρ οὐχ ὁμονοοῦσιν, οὐ γὰρ

195, 2 Olymp. νέον / ἑόν Hom. Il. XXIII,295.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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ist, nicht von sich selbst, sondern wenn er in Zusammenarbeit mit Sokrates handelt.1616 126E Ich glaube, die Freundschaft zu meinen1617: Auf Grund dieser [Aussage] war Sokrates gezwungen, Alkibiades in seiner Behauptung zu widerlegen, dass das Ziel des politischen Wissens die Freundschaft ist, da es 5 aus seinen Beispielen hervorgeht, dass er an dieser Stelle die Freundschaft und die Zuneigung offensichtlich als dasselbe ansieht. Abgesehen davon, dass er wegen seines Irrtums die Form der Zuneigung nicht begreifen konnte, stieg er dazu auch in die Ebene der Beispiele herab. Und da er die einfache Form dieser [Zuneigung] nicht verstehen konnte, stieg er in die Zusammensetzung herab, wie von kleinen Buchstaben zu großen.1618 Meinst du nun, Alkibiades, ein Mann mit einer Frau1619: Er zeigt das 10 dritte [Argument], dass es Zuneigung ohne Gleichgesinntheit gibt, und er fragt, ob „ein Mann mit einer Frau über die Wollspinnerei gleicher Gesinnung ist, wenn er [mit ihr] das Gleiche versteht?“. Denn die Gleichgesinntheit erwies sich als auf gleiche Weise [geteilte] Kenntnis der gleichen Dinge.1620 Zutreffend ist auch „d e r [ M a n n ] , d e r n i c h t w e i ß , m i t d e r [ F r a u ] , d i e w e i ß “. Denn jeder kann lernen, Weber zu sein. Aber wenn sie nicht gleicher Gesinnung sind, dann sind sie zueinander keine Freunde: Denn Alkibiades hat 15 erst kürzlich anhand der Beispiele gesagt, dass Gleichgesinntheit und Freundschaft ein und dasselbe ist, indem er die Zuneigung als Gleichgesinntheit beschrieb. 127A Vermutlich würdest du denn sagen, dass dies eine männliche [Fachkenntnis] ist1621: Wenn die Tugenden an Männer und Frauen gemeinsam sind, wie in der Politeia nachgewiesen wurde,1622 da ihre Natur Gemeinsamkeit hat (denn männliche und weibliche Teile sind die gleichen, die nur in ihrer 20 Stellung einen Unterschied haben1623); und ihre Ausbildung gemeinsam ist1624 (denn genau auf diese Weise, wie Hunde genauso gut wie die Hündinnen für den Wachdienst geeignet sind); und ferner Agamemnon1625 das Weibliche und das Männliche in einem Paar kombinierte, wie der [Vers] verdeutlicht: 195 „D i e A i t h e d e s A g a m e m n o n u n d d e n j u n g e n P o d a r g o s “1626;

warum denn sagt er hier, dass ein Mann eine Aufgabe und eine Frau eine andere hat, anstatt zu sagen, dass es für jeden Menschen eine einzige Aufgabe gibt? Wahrscheinlich, weil diese Bemerkungen sich nicht auf den guten Zustand einer Verfassung beziehen, sondern einem anderen [Zustand].1627 Außerdem sagt er „n a c h d e i n e r A u s s a g e “, und „v e r m u t l i c h “ und derart Ähnliches.1628 Darauf wird die Schlussfolgerung in der zweiten Figur wie folgt aufgebaut1629: „Eine Frau und ein Mann haben nicht die gleiche Gesinnung (denn sie beschäftigen sich nicht mit den gleichen Wissensgegenständen. Diejenigen,

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C. Text und Übersetzung

περὶ τὰ αὐτὰ γνωστὰ καταγίνονται· οἱ φιλοῦντες ἀλλήλους ὁμονοοῦσιν, εἴγε δέδεικται ὅτι ἡ διχόνοια ἔχθρα ἐστίν· ἀνὴρ ἄρα καὶ γυνὴ οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους’. 127B Οὐδὲ εὖ ἄρα ταύτῃ οἰκοῦνται αἱ πόλεις: δείξας δι’ ἑνὸς ἀτόπου ὅτι οὐ ταὐτὸν φιλία καὶ ὁμόνοια, ἀλλ’ ἐπὶ πλέον ἐστὶν ἡ φιλία, διὰ τοῦ δεῖξαι ὅτι ἀνὴρ καὶ γυνὴ οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους, ἐντεῦθεν καὶ δεύτερον ἄτοπον ἐπάγει τῷ λόγῳ, ὅτι οἱ δίκαιοι οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις. προάγειν δὲ δεῖ τὸν συλλογισμὸν οὐχ ὡς ἡ θεωρία ἐποίησεν ἐν πρώτῳ σχήματι, ἐπεὶ ἀτόπῳ διαλεκτικῷ ἐμπίπτομεν τῷ ἐξ ἀποφάσεων πλέκειν συλλογισμόν, ἀλλὰ δεῖ ἀναλῦσαι τὸ λεγόμενον εἰς προσυλλογισμοὺς καὶ συλλογισμόν. προσυλλογίζεται γὰρ οὕτως· ‘οἱ τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐχ ὁμονοοῦσιν, διότι μὴ τὰ αὐτὰ γνωστὰ ἔχουσιν· οἱ φιλοῦντες ἀλλήλους ὁμονοοῦσιν· οἱ τὰ αὑτῶν ἄρα πράττοντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους’. βʹ προσυλλογισμός, λαβὼν τὸ συμπέρασμα τοῦ συλλογισμοῦ· ‘οἱ τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους· οἱ εὖ οἰκοῦντες τὰς πόλεις φιλοῦσιν ἀλλήλους· οἱ ἄρα τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις’. λοιπὸν ὁ συλλογισμός· ‘οἱ δίκαιοι τὰ αὑτῶν πράτ|τουσιν, οὐ γὰρ ἀδικοῦσιν ἀλλήλους· οἱ τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις· οἱ δίκαιοι ἄρα οὐκ εὖ οἰκοῦσι τὰς πόλεις’. Πῶς λέγεις, φιλίας μὴ παρούσης: ἐπειδὴ εἶπεν ὁ Ἀλκιβιάδης ὅτι ‘οἶμαι εὖ οἰκεῖσθαι τὰς πόλεις ὅταν ἕκαστοι τὰ αὑτῶν πράττουσι καὶ μὴ ἀδικῶσιν ἀλλήλους’, ἐρωτᾷ αὐτὸν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘πῶς λέγεις, φιλίας μὴ παρούσης δυνατόν ποτε οἰκεῖσθαι καλῶς τὰς πόλεις; δέδωκας γὰρ ὅτι οἱ τὰ αὑτῶν πράττοντες οὐ φιλοῦσιν ἀλλήλους, ὅτε περὶ ἀνδρὸς καὶ γυναικὸς ἐποιούμεθα τὸν λόγον’. ὁ δέ φησιν ‘ἀλλὰ κατ’ αὐτὸ τοῦτο, καθὸ τὰ αὑτῶν πράττουσι καὶ μὴ ἀδικοῦσιν ἀλλήλους, φιλία γίνεται’.

Οὐκ ἄρτι γε· νῦν δὲ πῶς αὖ λέγεις; ὁ Σωκράτης φησὶν ὅτι ‘οὐκ ἄρτι γε τοῦτο ὡμολόγησας, νῦν δὲ ἐρωτῶ σε πάλιν· πῶς λέγεις; ὁμονοίας μὴ παρούσης φιλία δύναταί ποτε γενέσθαι; ἢ δυνατὸν ὁμό-

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die miteinander befreundet sind, sind der gleichen Gesinnung, da es aufgezeigt wurde, dass Zwietracht Feindschaft ist. Folglich sind ein Mann und eine Frau miteinander keine Freunde.“ 10 127B Noch werden die Poleis auf diese Weise gut verwaltet1630: Nachdem er mit einem widersprüchlichen [Argument] gezeigt hat, dass Freundschaft und Gleichgesinntheit nicht dasselbe sind, Freundschaft aber in mehreren Fällen gilt – indem er gezeigt hat, dass ein Mann und eine Frau keine Freunde sind –, fügt er hier seinem Argument auch einen zweiten Widerspruch hinzu, nämlich, dass die Gerechten ihre Poleis nicht gut verwalten. Vorstellen muss man aber den 15 Syllogismus, nicht in der ersten Figur, wie in der theoretischen Untersuchung dargestellt wurde1631 – da wir dann in eine widersprüchliche Dialektik verfallen, wenn wir den Syllogismus aus Negationen aufbauen1632 –, sondern sollten wir diese Aussage in Prosyllogismen1633 und den [eigentlichen] Syllogismus [geteilt] analysieren. Ein Prosyllogismus läuft nämlich wie folgt ab: „Diejenigen, die sich mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigen, haben nicht die gleiche Gesinnung, da sie nicht die gleichen Wissensgegenstände haben. Diejenigen, die miteinander 20 befreundet sind, haben die gleiche Gesinnung. Folglich sind diejenigen, die sich mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigen, miteinander keine Freunde.“ Ein zweiter Prosyllogismus nimmt den Schlusssatz dieses Syllogismus: „Diejenigen, die ihre eigene Arbeit verrichten, sind miteinander keine Freunde. Diejenigen, die ihre Poleis gut verwalten, sind miteinander Freunde. Folglich verwalten diejenigen, die ihre eigene Arbeit verrichten, ihre Poleis nicht gut.“ Übrig bleibt der 196 Syllogismus: „Die Gerechten verrichten ihre eigene Arbeit, denn sie behandeln einander nicht ungerecht. Diejenigen, die ihre eigene Arbeit verrichten, verwalten ihre Poleis nicht gut. Folglich verwalten die Gerechten ihre Poleis nicht gut.“ Wie sagst du das? Wenn Freundschaft nicht vorhanden ist1634: Da Alkibiades gesagt hat: „Ich denke, die Poleis werden gut verwaltet, wenn 5 einzelne Menschen ihre eigene Arbeit machen und einander nicht ungerecht behandeln“, fragt ihn Sokrates: „Wie kannst du das sagen, dass es, wenn Freundschaft nicht vorhanden ist, jemals möglich ist, dass die Poleis gut1635 verwaltet werden? Denn du hast eingeräumt, dass diejenigen, die ihre eigene Arbeit verrichten, untereinander keine Freunde sind, angesichts des Arguments, das wir über einen Mann und eine Frau entwickelt haben.“ Er sagt darauf: „Aber genau aus diesem gleichen Grund, da sie ihre eigene Arbeit verrichten 10 und einander nicht ungerecht behandeln, entsteht Freundschaft.“1636 127C Nicht soeben jedoch. Jetzt aber, wie meinst du das? Sokrates sagt: „Soeben hast du das nicht zugestimmt. Jetzt aber frage ich dich nochmal: Wie sagst du das? Wenn Gleichgesinntheit nicht vorhanden ist, wie kann Freund-

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νοιαν εἶναι περὶ ὧν μή ἐστιν ὁμοιότης γνώσεων;’ καὶ ἐν τούτοις ἀναλύει ἃ πάλαι κατὰ σύνθεσιν ἔδειξεν. 127D Τίνα οὖν ποτὲ λέγεις τὴν φιλίαν ἢ τὴν ὁμόνοιαν: ἐρωτᾷ πάλιν ὁ Σωκράτης, ἐπειδὴ ἤλεγξεν αὐτὸν καὶ ἔδειξε τοὺς δικαίους μὴ εὖ οἰκοῦντας τὰς πόλεις, ὅτι ‘εἰπέ μοι οὖν, τί λέγεις τὴν φιλίαν ἢ τὴν ὁμόνοιαν;’ τουτέστι ‘πρὸς οἵαν θέλεις τῶν προτάσεων ἀνάθου’. Ἀλλὰ μὰ τοὺς θεούς, ὦ Σώκρατες, οὐδὲ αὐτὸς οἶδα ὅ τι λέγω: πολλαχοῦ ἐλεγχθεὶς ὁ Ἀλκιβιάδης, καὶ ὅτε ἔδειξεν αὐτὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα περὶ τὸ δίκαιον, καὶ ὅτε ἔλεγεν ἕτερον εἶναι δίκαιον καὶ συμφέρον, καὶ νῦν, οὐδαμοῦ οὕτως ἀσχάλλει ὡς ἐνταῦθα, διότι περὶ ὃ μάλιστα ἐσπούδαζεν ἐδείχθη ἀγνοῶν, περὶ γὰρ τὸ τέλος τῆς πολιτικῆς ἐπιστήμης· διό φησιν ‘ ο ὐ δ ὲ ο ἶ δ α ὅ τ ι λ έ γ ω ’ . Κινδυνεύω δὲ καὶ πάλαι λεληθέναι ἑαυτὸν αἴσχιστα ἔχων: καὶ ἰδοὺ ὠφελήθη, τὴν ἀμαθίαν α ἶ σ χ ο ς | καλέσας. διττὴ γὰρ ἡ κακία, ὡς ἐν τῷ Σοφιστῇ εἴρηται· ἢ ἐν ψυχῇ, καὶ λέγεται αἶσχος καὶ πονηρία· ἢ ἐν τῷ ζῴῳ, καὶ λέγεται νόσος.

127E Ἀποκρίνασθαι τὰ ἐρωτώμενα, ὦ Ἀλκιβιάδη: τουτέστιν ‘οὐδὲν μέγα, ἀλλ’ ἢ ἀποκρίνασθαι πρὸς τὰ ἐρωτώμενα ἢ καταδέξασθαι λόγον ἐξ ἐμοῦ μαθεῖν’.

Πρᾶξις σὺν θεῷ κγʹ

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127E-129A Φέρε δή, τί ἐστι τὸ ἑαυτοῦ ἐπιμελεῖσθαι; Ἐπειδὴ κατήντησεν ὁ Σωκράτους λόγος εἰς τὸ δεῖν πολλὴν ἐπιμέλειαν ποιήσασθαι, πρὸ τοῦ διδάξαι τίς ὁ τρόπος τῆς ἐπιμελείας δύο λήμματα προλαμβάνει συμβαλλόμενα αὐτῷ πρὸς τὴν ἀπόδειξιν τοῦ προκειμένου. πρῶτον ὅτι οὐχ ὁ τῶν αὐτοῦ ἐπιμελούμενος καὶ ἑαυτοῦ ἐπιμελεῖται. τρία γάρ τινά εἰσιν τὰ εἰωθότα περιφέρεσθαι· ἐγώ, τὸ ἐμόν, τὰ τοῦ ἐμοῦ. φησὶν οὖν ὅτι οὐχ ὁ ἐπιμελούμενος τῶν αὐτοῦ ἤδη καὶ αὐτοῦ ἐπιμελεῖται οὐδὲ ὁ τῶν τοῦ αὐτοῦ ἐπιμελούμενος ἤδη καὶ τῶν αὐτοῦ ἐπιμελεῖται. καὶ ἀποροῦσι πρὸς τὸ δεύτερον ἀπορίας· ‘ἰδοὺ 196, 27 Olymp. ἑαυτὸν / ἑμαυτὸν Plat. Alc. 127d8.

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schaft entstehen? Oder kann eine Gleichgesinntheit über Dinge möglich sein, 15 über die es keine Gleichheit der Kenntnisse1637 gibt?“ Und damit analysiert er das, was er vorher als eine Synthese gezeigt hat.1638 127D Was nennst du denn die Freundschaft oder die Gleichgesinntheit? Sokrates fragt nochmal, nachdem er ihn widerlegt und gezeigt hat, dass die Gerechten ihre Poleis nicht gut verwalten: „Sag mir nun, was nennst du die Freundschaft oder die Gleichgesinntheit?“1639, das heißt: “Steh auf gegen welche 20 der Prämissen du willst“. Aber bei den Göttern, Sokrates, ich weiß nicht einmal selbst, was ich sage1640: Nachdem Alkibiades aus vielen Gründen widerlegt wurde – sowohl als er [sc. Sokrates] zeigte, dass er doppelt unwissend über Gerechtigkeit ist, als auch als er behauptete, dass Gerechtigkeit anders als Vorteilhaftigkeit ist, und jetzt – ist er nirgendwo so verzweifelt wie hier, weil er über genau dieses Thema, um das er sich am meisten bemüht, nämlich über das Ziel des politischen 25 Wissens, als unwissend gezeigt wurde. Deshalb sagt er: „I c h w e i ß n i c h t , w a s i c h s a g e “1641. Möglicherweise habe ich so lange Zeit nicht gemerkt, dass ich in einem äußerst schändlichen Zustand bin1642: Siehe auch, wie ihm geholfen wurde, da er die Unwissenheit S c h a n d e nennt. Denn Schlechtigkeit ist 197 zweierlei, wie im Sophistes erklärt wird1643: Entweder an der Seele, und das nennt man Schande und Verderbtheit; oder an dem Lebewesen, und das nennt man Krankheit.1644 127E Gib Antwort auf die Fragen, Alkibiades1645: Bedeutet: „Nichts Großes, außer die Fragen zu beantworten und sich darauf einzulassen, aus 5 meinem Argument zu lernen“.

Unterricht 23 mit Gottes Hilfe 127E–129A Wohlan denn, was ist es, sich um sich selbst zu sorgen?1646 Da die Rede von Sokrates nun zu der Notwendigkeit gelangt ist, viel Sorge [um sich] zu tragen, bevor er lehrt, was die Methode der Sorge ist, legt er im Voraus zwei Thesen vor, die ihn bei dem anschaulichen Beweis des vorliegenden [Arguments] unterstützen. Das erste ist, dass jemand, der sich um seine Sachen sorgt, dabei sich nicht um sich selbst sorgt. Denn drei bestimmte Dinge sind in der Regel zu berücksichtigen: Ich, das Meinige und was dem Meinigen [gehört].1647 Daher sagt er, dass es nicht der Fall ist, dass jemand, der sich um seine Sachen sorgt, sich auch um sich selbst sorgt; noch, dass jemand, der sich um die [Dinge] sorgt, die dem Seinigen gehören, dabei sich auch um seine Sachen sorgt. Zu diesem zweiten [Aspekt] stellen [die Exegeten] Aporien1648 dar:

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γὰρ γυμναστικὴ καὶ ἰατρικὴ τῶν αὐτοῦ ἐπιμελοῦνται (ἡ μὲν γὰρ ὑγιείας ἐστὶ περιποιητική, ἡ δὲ φυλακτική), καὶ ὅμως καὶ αὐτοῦ ἐπιμελοῦνται· διὰ γὰρ τοῦ ὑγίειαν περιποιεῖν ἐπιμελοῦνται τοῦ ἐνεργεῖν τὴν ψυχὴν ἀπαραποδίστως διὰ τοῦ σώματος’. ἢ ἄλλο ἐστὶν αὐτοῦ φροντίσαι καὶ ἄλλο ἐπιμελήσασθαι ψυχῆς εἰς τὸ ἐνεργῆσαι. ὁ μὲν γὰρ τῆς οὐσίας αὐτῆς φροντίζει, ὁ δὲ τῆς ἐνεργείας· ἡ δὲ ἐνέργεια πρῶτον κτῆμά ἐστι τῆς ψυχῆς, ἀλλ’ οὐκ αὐτή. πάλιν ἀποροῦσιν ‘ἰδοὺ ἡ ὑφαντικὴ καὶ ὑποδηματουργικὴ ἐπιμελούμεναι τῶν τοῦ αὐτοῦ, ἡ μὲν ἐσθῆτος, ἡ δὲ ὑποδημάτων, καὶ τῶν αὐτοῦ ἐπιμελοῦνται, ἡ μὲν ποδῶν, ἡ δὲ τοῦ ὅλου σώματος’. ἢ πάλιν ἄλλη ἐστὶν ἡ τῆς οὐσίας τοῦ | σώματος φροντίζουσα γυμναστικὴ καὶ ἰατρική, καὶ ἄλλη ἡ τῆς ἐνεργείας αὐτοῦ, ὡς ὑφαντικὴ καὶ ὑποδηματουργική, ἵνα εὐκόλως ἐνεργῇ. ὅθεν διὰ τὰς ἀπορίας ταύτας φησὶν ὅτι δεῖ φροντίζειν τῆς οὐσίας τῆς ψυχῆς, ὅπως βελτίστην αὐτὴν ποιήσωμεν. δεύτερον λῆμμα, ὅτι δεῖ τὸν ἐπιμελούμενόν τινος πολλῷ πρότερον τὴν οὐσίαν αὐτοῦ εἰδέναι· πρὸς γὰρ τὴν διάφορον οὐσίαν διάφορος καὶ ἡ ἐπιμέλεια καὶ ἡ τελειότης. εἰ μὲν γὰρ σῶμα ἦμεν, ἐπεμελόμεθα ἂν ὅπως κάλλος ἕξωμεν καὶ ἰσχύν· εἰ δὲ φυτικὴ ψυχή, πάλιν ἐφροντίζομεν ὅπως ἐκκρίνωμεν τὰ περιττὰ καὶ ἀνυφάνωμεν τὸ λεῖπον· εἰ δὲ θυμός, τέλος ἦν ἡμῶν ἡ νίκη (τοιοῦτος γὰρ ὁ θυμός, π ά ν τ ω ν μ ὲ ν κ ρ α τ έ ε ι ν ἐ θ έ λ ω ν )· εἰ δὲ ἡ τριμέρεια ἦν ἡμῶν ἡ οὐσία, τέλος ἂν ἡμῶν ὑπῆρχεν ἡ μετριοπάθεια (χρῆται γὰρ ὁ τοιοῦτος ἐν καιρῷ τῷ θυμῷ μεμετρημένως κατὰ τῶν ἐπιόντων, ὥσπερ καὶ ἐπιθυμίᾳ ἀντιποιούμενος τῆς ἐπιμελείας τοῦ σώματος)· ἐπειδὴ δὲ λόγος ἐσμέν, τέλος ἐστὶν ἡμῶν ἡ ἀπάθεια. Ταῦτα εἰπών, δέον ἐπαγαγεῖν καὶ εἰπεῖν τὸν τρόπον τῆς ἐπιμελείας ἑαυτῶν, ἀντὶ τούτου ὁρίζεται τίς ὁ ἄνθρωπος· καὶ δοκεῖ ποιεῖν ὃ μὴ προέθετο, οὐδαμοῦ γὰρ ἐπάγει τοῦτο. καὶ λύομεν τοῦτο, ὅτι δι’ ὧν ἐποίησεν καὶ τὸ προκείμενον ἐδίδαξεν. ἐν μὲν γὰρ ἰατρικῇ οὐχ ὁ μαθὼν τοὺς ἰατρικοὺς λόγους, οὗτος πάντως καὶ θεραπεύει· ἐπὶ δὲ φιλοσοφίας ὁ γνοὺς τὴν οὐσίαν τοῦ ἀνθρώπου, οὗτος εὑρίσκει ὅτι ψυχή ἐστιν· ὁ δὲ εἰδὼς τὴν ψυχὴν καὶ τοὺς ἐν αὐτῇ λόγους οἶδεν· ὁ δὲ εἰδὼς τοὺς ἐν

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„Siehe nämlich, dass körperliche Ertüchtigung und Medizin sich darum sorgen, was jemandem gehört (denn die erstere kann Gesundheit erschaffen, während die letztere sie bewahren kann), und doch sorgen sie sich auch um die Person selbst: Denn durch die Herstellung von Gesundheit sorgen sie für die Tätigkeit der Seele, ohne vom Körper beeinträchtigt zu werden.“ Gewiss ist es eine Sache, 20 sich um sich selbst zu kümmern, und eine andere, sich um die Seele im Hinblick auf ihre Tätigkeit zu sorgen. Denn der eine kümmert sich um das Wesen der Seele, der andere um ihre Tätigkeit; und die Tätigkeit ist das wichtigste Eigentum der Seele, aber nicht die Seele selbst.1649 Wieder einmal stellen sie die Aporie1650 dar: „Siehe, dass die Webekunst und Sandalenherstellung sich um die Dinge sorgen, die dem Seinigen jemandes gehören (das erste um die Kleidung, das zweite um die Schuhe), und sie sorgen sich auch um das Seinige 25 (das erste um die Füße, das zweite um den ganzen Körper).“ Wahrscheinlich ist es wiederum so, dass es eine [Art] Fertigkeit ist, die sich um das Wesen des Körpers kümmert, wie körperliche Ertüchtigung und Medizin, und eine andere 198 die Fertigkeit, die [sich um] seine Tätigkeit [kümmert], wie Weben und Sandalenmachen, damit [der Körper] ungehindert handeln kann. Deshalb erklärt er durch diese Aporien, dass es notwendig ist, sich um das Wesen der Seele zu kümmern, damit wir sie optimieren können. Die zweite These ist, 5 dass jemand, der sich um etwas sorgt, dessen Wesen schon lange im Voraus kennenlernen muss; denn in Bezug auf verschiedene [Arten von] Wesen sind ihre Sorge und ihre Vollkommenheit unterschiedlich.1651 Denn wenn wir der Körper wären, würden wir uns darum sorgen, Schönheit und Kraft zu besitzen. Wenn wir die vegetative Seele [wären], diesmal würden wir uns darum kümmern, dass wir die Exzesse beseitigen und den Rest erneuern.1652 Wenn wir aber Willenskraft [wären], wäre unser Ziel der Sieg (denn so ist Willens- 10 kraft, die „a l l e s e r o b e r n w i l l “1653). Und wenn unser Wesen die Dreiteilung [der Seele] wäre, dann wäre unser Ziel die Mäßigung der Affekte (denn ein solcher Mensch benutzt die Willenskraft maßvoll zu geeigneten Zeiten, um eingehende Affekte [anzusprechen], so wie er auch durch die Begierde Anspruch auf die Sorge um den Körper erhebt.1654). Aber da wir aus Vernunft bestehen, ist unser Ziel die Freiheit von Affekten.1655 15 Sobald er dies gesagt hat, obwohl es notwendig ist, die Methode der Sorge um sich selbst einzuführen und anzugeben, definiert er stattdessen, was der Mensch ist.1656 Dabei scheint er etwas zu tun, was nicht vorgenommen wurde, denn er führt diese Frage nirgendwo sonst ein. Und wir lösen das wie folgt: Indem er das tat, lehrte er auch das vorliegende [Thema]. Denn in der Medizin kann derjenige, der die Prinzipien der Medizin gelernt hat, nicht in jedem Fall auch 20 heilen. In der Philosophie dagegen derjenige, der das Wesen des Menschen erkennt, findet dadurch auch, dass es die Seele ist.1657 Derjenige, der die Seele

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αὐτῇ λόγους πάντα τὰ ὄντα οἶδεν, διότι εὑρίσκει αὐτὴν πάμμορφον ἄγαλμα τῶν ὄντων πάντων, καὶ δι’ ἑνὸς πράγματος οἶδε τὰ ὄντα πάντα καὶ οὐ μοχθεῖ περὶ τὴν γνῶσιν τῶν ἄλ|λων· ὁ τοιοῦτος οἶδε τὸν λόγον τοῦ δικαίου ἐν αὐτῇ ὄντα· καὶ ἐπεί, ὡς ἐν τῷ Γοργίᾳ δείκνυται, ὁ εἰδὼς τὰ δίκαια δίκαιος, ὁ εἰδὼς τὴν ψυχὴν ἄρα δίκαιος ἔσται. καὶ καλῶς τοῦτο μόνον ἐπεγέγραπτο ἐν τῇ Πυθίᾳ πρὸ τῶν ναῶν τοῦ Ἀπόλλωνος, τὸ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , διότι ὁ εἰδὼς ἑαυτὸν τὰ ὄντα πάντα οἶδεν, μάντεως δὲ τὸ τὰ ὄντα πάντα εἰδέναι. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

127E Τί ἐστι τὸ ἑαυτοῦ ἐπιμελεῖσθαι; ‘δεῖ’, φησίν, ‘εἰδέναι τί ἐστι τὸ ἑαυτοῦ ἐπιμελεῖσθαι, τί τὸ τοῦ αὐτοῦ, καὶ τρίτον τί τῶν τοῦ αὐτοῦ, ἵνα μὴ λάθωμεν καὶ οἰηθῶμεν τῶν ἐκτὸς ἐπιμελούμενοι ἑαυτῶν ἐπιμελεῖσθαι. καὶ δεῖ εἰδέναι πότε τοῦτο αὐτὸ ποιεῖ ἄνθρωπος, καὶ ἑαυτοῦ ἐπιμελεῖται· ἆρα ὅταν φροντίζῃ τῶν ἑαυτοῦ;’ ὁ δὲ ἀποκρίνεται ὡς ἀμαθὴς ὅτι ‘ναί’. 128A Τί δέ; ποδῶν ἄνθρωπος πότε ἐπιμελεῖται; ἐρωτᾷ αὐτὸν πάλιν εἰ ποδῶν ἐπιμελεῖται ὁ ὑποδημάτων ἐπιμελούμενος. ὁ δέ φησιν ὅτι ‘ ο ὐ μ α ν θ ά ν ω ’ , διότι δοκεῖ ὁ ἐπιμελούμενος ὑποδημάτων καὶ ποδῶν ἐπιμελεῖσθαι. διὸ ὁ Σωκράτης εἰς τὸ ἀναμφισβήτητον μετάγει τὸν λόγον λέγων ὅτι ‘ἆρα ὁ δακτυλίου ἐπιμελούμενος δακτύλου ἐπιμελεῖται;’ δῆλον γὰρ ἐνταῦθα ὅτι οὐδὲν συμβάλλεται τῷ δακτύλῳ πρὸς τὴν οὐσίαν ὁ δακτύλιος, μᾶλλον ἤπερ ἐπὶ ὑποδημάτων καὶ ὑφαντικῆς. διὸ καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης ἑτοίμως ἀποκρίνεται ἐνταῦθα ὅτι ‘ ο ὐ δ ῆ τ α ’ , ἐπὶ δὲ τῶν ἄλλων μετὰ ἐνδοιασμοῦ ‘ ο ὐ π ά ν υ μ α ν θ ά ν ω , ὦ Σ ώ κ ρ α τ ε ς ’ . ἐνταῦθα εὐκαιρότερόν ἐστιν εἰπεῖν ‘ἀλλὰ τοῦτο Ἀλκιβιάδης οὔπω ἑώρα, ὅτι ὁ τῶν ἑαυτοῦ ἐπιμελούμενος οὐχ ἑαυτοῦ ἐπιμελεῖται’, ὃ Ἀριστοτέλης περὶ Παρμενίδου | εἶπεν ἐν τῇ φυσικῇ, τοῦ διδασκάλου Πλάτωνος. 128B Ἆρα οὖν ὅταν βέλτιόν τις ποιῇ, τότε ὀρθὴν ἐπιμέλειαν λέγεις; ἰδοὺ διὰ τούτων ἔλυσε τὰς δύο ἀπορίας, ὅτι ‘ἐκεῖνον λέγω ἐπιμελεῖσθαι τὸν τὴν οὐσίαν βελτίω ποιοῦντα, οὐ τὴν ἐνέργειαν’. τρεῖς γάρ εἰσι 200, 3 Olymp. om. τίς τι ante βέλτιον, add. τις post βέλτιον; cf. Plat. Alc. 128b8. 3 Olymp. ἐπιμέλειαν λέγεις / λέγεις ἐπιμέλειαν Plat. Alc. 128b9.

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kennt, kennt auch die Prinzipien in ihr. Derjenige, der die Prinzipien in der Seele kennt, kennt damit alle Seienden, denn er findet, dass die [Seele] eine Abbildung in jeder Form aller Seienden ist1658, also durch einen Gegenstand kennt er alle Wesen und müht sich nicht mit dem Wissen anderer Dinge ab.1659 Ein solcher 199 kennt das Prinzip der Gerechtigkeit, das in der [Seele] ist1660: Und da, wie er im Gorgias zeigt1661, derjenige gerecht ist, der weiß, was gerecht ist, wird derjenige, der die Seele kennt, dadurch gerecht sein. Und zutreffend war nur das vor dem Tempel des Apollon in Delphi angeschrieben, nämlich „E r k e n n e d i c h 5 s e l b s t “1662, denn wer sich selbst kennt, kennt alle Seienden, und die Erkenntnis aller Seienden gehört einem Wahrsager. Das hat die Theorie. 127E Was ist es, sich um sich selbst zu sorgen? Er sagt: „Wir müssen verstehen, was es bedeutet, sich um sich selbst zu sorgen, was, sich um das Seinige zu sorgen, und drittens, was, sich darum zu sorgen, was dem Seinigen gehört, damit wir nicht verfehlen und uns vorstellen, dass wir uns bei der Sorge um Äußeres um uns selbst sorgen.1663 Und man muss verstehen, wann der 10 Mensch genau das macht und sich um sich selbst sorgt: Ist es das, wenn er sich darum kümmert, was ihm gehört?“1664. Darauf antwortet er [sc. Alkibiades], da er unbelehrt ist, mit „Ja“. 128A Wie denn? Wann sorgt sich ein Mensch um seine Füße? Er fragt ihn noch einmal, ob derjenige, der sich um seine Sandalen sorgt, dabei sich um seine Füße sorgt. Er antwortet darauf: „I c h v e r s t e h e n i c h t “, denn 15 derjenige, der sich um seine Sandalen sorgt, scheint sich auch um seine Füße zu sorgen. Deshalb überträgt Sokrates das Argument auf unumstrittenen Boden, indem er fragt: „Sorgt sich derjenige, der sich um seinen Ring sorgt, auch um seinen Finger?“1665. Denn hier ist deutlich, dass der Ring nicht wesentlich zum Finger beiträgt, nicht wie bei Sandalen oder Webekunst. Deshalb antwortet Alkibiades gerne auch hier, „n a t ü r l i c h n i c h t “, aber er antwortete in den 20 anderen [Fällen] zweifelnd: „I c h v e r s t e h e n i c h t g a n z , S o k r a t e s “. Hier ist es genau der richtige Zeitpunkt zu sagen: „Aber Alkibiades hatte das noch nicht eingesehen, dass derjenige, der sich um die Seinigen sorgt, sich dabei nicht um sich selbst sorgt“, wie Aristoteles über Parmenides, Platons Lehrer, in 200 der Physik sagte.1666 128B Also, wenn jemand etwas besser macht, nennst du das die richtige Sorge? Siehe, wie er mit diesen Worten die beiden Aporien gelöst hat,1667 indem er sagte: „Ich sage, dass diese Person [sich um sich selbst] sorgt, die das Wesen besser macht, nicht seine Tätigkeit“.1668 Denn es gibt drei Säulen 5 und drei Themen: Ich, das Meinige und das, was dem Meinigen [gehört].1669 Ferner sind weder die Wesen miteinander verwechselt, noch [ist es ihre] Sorge, noch [ihre Art der] Vollkommenheit, gewiss auch kein Fachwissen, das in der

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συστοιχίαι καὶ τρία πράγματα· ἐγώ, τὸ ἐμόν, τὸ τοῦ ἐμοῦ. καὶ οὔτε τὰ πράγματα συγχέονται πρὸς ἄλληλα οὔτε ἡ ἐπιμέλεια οὔτε αἱ τελειότητες, ἀλλὰ μὴν οὔτε αἱ τέχναι αἱ ποριστικαὶ τῆς τελειότητος. ἑαυτῶν μὲν γὰρ τελειότης γίνεται διὰ φιλοσοφίας, τοῦ ἐμοῦ δὲ διὰ γυμναστικῆς καὶ ἰατρικῆς, τῶν δὲ τοῦ ἐμοῦ διὰ χρηματιστικῆς. 128C Ἣ ἐκείνη ᾗ πόδας βελτίους ποιοῦμεν; τουτέστιν ὅτι ‘οὐ διὰ σκυτικῆς βελτίους ποιοῦμεν τοὺς πόδας, ἀλλὰ ἄλλῃ τέχνῃ· αὕτη δέ ἐστιν ἡ καὶ τὸ ἄλλο σῶμα ποιοῦσα βέλτιον, ὡς ἡ γυμναστική’.

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128E Ἦ οὖν ἔγνωμεν ἄν | ποτε τίς τέχνη: τὸ δεύτερον λῆμμα, ὅτι ἀδύνατον ἐπιμελεῖσθαί τινος μὴ εἰδότα πρότερον τὴν οὐσίαν αὐτοῦ. 129A Καί τις ἦν φαῦλος ὁ τοῦτο ἀναθεὶς εἰς τὸν ἐν Πυθοῖ νεών; ‘ φ α ῦ λ ο ς ’ ἐνταῦθα οὐχ ὁ μοχθηρὸς τὸν τρόπον, ἀλλ’ ὁ εὐτελής. τουτέστιν ‘εὐτελὴς ἦν ἄνθρωπος εἷς τῶν ζʹ σοφῶν ὁ ἀναθεὶς τοῦτο εἰς τὸν ναὸν τοῦ μαντῴου θεοῦ;’ ἦν δὲ Χίλων ὁ Λακεδαιμόνιος. Ἐμοὶ μέν, ὦ Σώκρατες, πολλάκις ἔδοξε παντὸς εἶναι: ἐδόκει τῷ Ἀλκιβιάδῃ τοῦτο ποτὲ μὲν ῥᾴδιον, ποτὲ δὲ παγχάλεπον, τὸ γνῶναι ἑαυτόν, διὰ τὴν τραγῳδίαν λέγουσαν ‘τὸ γνῶθι σαυτὸν ἐν λόγοις οὐδὲν μέγα, ἔργῳ μόνος δὲ Ζεὺς ἐπίσταται θεῶν’.

τῷ μὲν γὰρ ὀνόματι ἐδόκει μικρὸν εἶναι, τῷ δὲ πράγματι δυσχερές. Ἀλλ’, ὦ Ἀλκιβιάδη, εἴτε ῥᾴδιον: τὸ ἀλλαχοῦ λεγόμενον ‘ ε ἴ τ ε ῥ ᾴ δ ι ο ν ε ἴ τ ε μ ή , τ α ύ τ ῃ ἰ τ έ ο ν ’ . εἴτε γὰρ δυσχερές ἐστιν εἴτε ῥᾴδιον τὸ γνῶναι ἑαυτούς, δεῖ πάντως γνῶναι ἑαυτούς.

200, 11 Olymp. ἐκείνη / ἐκείνῃ Plat. Alc. 128c2. 201, 7 Olymp. om. μὲν post πολλάκις, cf. Plat. Alc. 129a5.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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Lage ist, [unsere] Vollkommenheit herbeizuschaffen. Denn unsere eigene Vollkommenheit kommt durch die Philosophie zustande, aber die [Vollkommenheit] des Meinigen durch körperliche Ertüchtigung und Medizin, dagegen die [Vollkommenheit] dessen, was dem Meinigen [zugehört], durch die Fertigkeit, Geld zu erwerben.

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128C Oder dieses [Fachwissen], mit dem wir Füße schöner machen? Das bedeutet: „Wir machen keine besseren Füße durch das Schusterhandwerk, sondern durch ein anderes Fachwissen. Das ist es nämlich, das den Rest des Körpers verbessert, wie die körperliche Ertüchtigung.“1670 128E Haben wir denn nun erkannt, welche Fertigkeit1671: Die zweite 201 These, dass es unmöglich ist, sich um etwas zu sorgen, ohne zuerst sein Wesen zu kennen. 129A Und war es ein einfältiger Mensch, der diese am Tempel von Delphi anschreiben ließ?1672 „E i n f ä l t i g “ an dieser Stelle bezeichnet nicht jemanden mit einem schlechten Charakter, sondern eine gutwillige (eu-telês) Person. Das heißt: „War es ein leichtsinniger Mensch, derjenige der Sieben 5 Weisen, der dies vor dem Tempel des wahrsagenden Gottes anschreiben ließ?“ Es war nämlich Chilon der Lakedaimonier.1673 Mir schien es, Sokrates, häufig zu jedem beliebigen zu gehören1674: Es schien Alkibiades manchmal einfach, manchmal äußerst schwierig zu sein, sich selbst zu erkennen, wie bei der Tragödie, die besagt: „D a s E r k e n n e - d i c h - s e l b s t i s t i n W o r t e n n i c h t s o g r o ß , I n d e r T a t a b e r v e r s t e h t e s n u r Z e u s u n t e r d e n G ö t t e r n “1675

So erschien es als eine kleine Sache als Begriff, aber herausfordernd in der Umsetzung.1676 Allerdings Alkibiades, sei es einfach1677: Woanders [lautet] das Sprichwort: „S e i e s e i n f a c h o d e r n i c h t 1678, m ü s s e n w i r d e n W e g g e h e n 1679“. Denn sei es nun herausfordernd oder leicht, sich selbst zu erkennen, [auf jeden Fall] ist es absolut notwendig, sich selbst zu erkennen.

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129B-130A Φέρε δή, τίνα τρόπον εὑρεθείη αὐτὸ τὸ αὐτό; Τὸ προκείμενόν ἐστιν εὑρεῖν τίς ἡ οὐσία ἡμῶν, ὅτι οὐ | τὸ σῶμά ἐστιν ὁ ἄνθρωπος, οὐ τὸ συναμφότερον. καὶ δείκνυσι τοῦτο διὰ δύο συλλογισμῶν, ἑνὸς κατηγορικοῦ καὶ ἑτέρου ὑποθετικοῦ. καὶ προτάττει τὸν κατηγορικόν, ὡς ἰσχυρότερον, τοῦ ὑποθετικοῦ· καὶ ἐν μὲν τῇ παρούσῃ θεωρίᾳ τὸν κατηγορικὸν παραδίδωσιν, ἐφεξῆς δὲ καὶ τὸν ὑποθετικὸν παραδώσει. ἔστι δὲ ὁ κατηγορικὸς τοιοῦτος· ‘ὁ ἄνθρωπος ὀργάνῳ χρῆται τῷ σώματι, καὶ γὰρ δεσπόζει αὐτοῦ, ὅτε γὰρ βούλεται καὶ ἐφ’ ὅσον βούλεται καὶ ὅπου βούλεται κινεῖ αὐτό· τὸ ὀργάνῳ χρώμενον τῷ σώματι ψυχή ἐστιν· ὁ ἄνθρωπος ἄρα ψυχή ἐστι’. Φέρε δή, ἑκατέραν τῶν προτάσεων κωδωνίσωμεν· δόξει γὰρ μὴ εὖ ἔχειν ἡ ἐλάττων, ἀλλὰ τὸ ζητούμενον ὁμολογούμενον λαβεῖν. ζητούμενον γάρ, εἰ ὁ ἄνθρωπος ψυχή ἐστιν· εἶπεν δὲ ὅτι ὀργάνῳ χρῆται τῷ σώματι, ὃ ψυχῆς ἴδιον· ὥστε πρὸ τοῦ δεῖξαι λαμβάνει ὁμολογούμενον ὅτι ὁ ἄνθρωπός ἐστιν ἡ ψυχή. καὶ αὐτὸς μὲν κατασκευάζει τὴν ἐλάττονα διὰ τῶν καθ’ ἕκαστα λέγων ‘εἰ ὁ κιθαριστὴς χρῆται ὀργάνῳ | τῷ πλήκτρῳ καὶ ὁ σκυτοτόμος τῇ χειρί, καί εἰσιν ἕτεροι αὐτοὶ παρὰ τὰ ὄργανα, δῆλον ἄρα ὅτι καὶ ὁ ἄνθρωπος ὀργάνῳ χρώμενος τῷ σώματι ἄλλος ἂν εἴη’. ἀλλ’ ἐπεὶ δοκεῖ, ὡς εἴρηται, τὸ ζητούμενον ὡς ὁμολογούμενον λαβεῖν, ῥητέον ὅτι τὸ ὅλον, ἐν τοῖς μέρεσιν ἔχον τὴν ὑπόστασιν, οὐ περιφρονεῖ τοῦ μέρους, ἐπεὶ τῆς οἰκείας ἐφεθήσεται φθορᾶς· ὁ ἄνθρωπος δὲ προδίδωσι τὸ σῶμα ἐν τοῖς δεινοῖς ἀνδριζόμενος· ὁ ἄνθρωπος ἄρα οὐκ ἔστι τὸ συναμφότερον. ἀλλ’ ὅσον ἐπὶ τούτῳ καὶ τὰ ἄλογα ζῷα ἡ ἄλογος ψυχὴ ἔσονται, εἴγε περιφρονεῖ τοῦ εἶναι ἐν τῷ μάχεσθαι τοῖς προσιοῦσιν. ἢ κἀκεῖνα πέπεισται ὅτι ἡ ψυχὴ ἡ ἄλογος οὐκ ἔστιν ἐν τῷ ὀστρεΐνῳ, ἐπεὶ οὐκ ἂν προεδίδου τὸ σῶμα· προδίδωσι δὲ ἅτε δὴ εἰδότα ὅτι οὐ συναπόλλυται ἡ ψυχὴ τῷ σώματι, οὐ γὰρ συγκινδυνεύει τὸ χρώμενον τῷ ὀργάνῳ, ὥσπερ τὸ ὅλον τοῖς μέρεσιν. ὥστε καλῶς ἔχει

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Unterricht 24 mit Gottes Hilfe 129B–130A Nun denn: Auf welche Weise findet man das Selbst selbst? Das Vorhaben ist es, herauszufinden, was unser Wesen ist, dass der Mensch weder der Körper noch die Kombination von beidem [sc. Seele und Körper] ist. 202 Auch das zeigt er durch zwei Syllogismen auf, der eine [ist] kategorisch und der andere hypothetisch.1680 Und er stellt den kategorischen vor dem hypothetischen, weil er rigoroser ist. Er gibt die kategorischen [Schlussfolgerung] in der 5 vorliegenden theoretischen Untersuchung an, darauffolgend wird er auch den hypothetischen angeben. Die kategorische [Schlussfolgerung] ist wie folgt: „Der Mensch benutzt den Körper als Werkzeug, denn er ist der Herr über [den Körper], da er ihn bewegt1681, wann er will, wie viel er will und wo er will. Die Seele ist das, was den Körper als Werkzeug benutzt. Deshalb ist der Mensch die Seele.“ Wohlan denn, lass uns jede der Prämissen ausprobieren: Denn die Neben- 10 prämisse1682 wird nicht haltbar erscheinen, sondern wird als eine anerkannte Wahrheit für die Untersuchungsfrage angenommen.1683 Denn die Untersuchungsfrage ist, ob der Mensch die Seele ist. Und er hat gesagt, dass [der Mensch] den Körper als Werkzeug benutzt, und das eine Eigenschaft der Seele ist. Dementsprechend nimmt er es als eine anerkannte Wahrheit, dass der Mensch die Seele ist, bevor er dies zeigt. Darauf erarbeitet er selbst die Nebenprämisse durch einzelne Beispiele, indem er sagt: „Wenn der Kitharaspieler das Plektron als Instrument benutzt und der Schuster seine Hand 203 benutzt, und wenn sie sich selbst von ihren Werkzeugen unterscheiden, dann ist es offensichtlich, dass auch der Mensch, der den Körper als ein Werkzeug benutzt, etwas anderes [als der Körper] ist“.1684 Aber da er, wie gesagt, die Untersuchungsfrage als eine anerkannte Wahrheit hinzunehmen scheint, muss 5 gesagt werden, dass sich etwas Ganzes, das seine wahre Existenz in seinen Teilen besitzt, keinen seiner Teile als gering betrachtet, da es dadurch auf seine eigene Zerstörung abzielen würde.1685 Der Mensch dagegen gibt seinen Körper auf, wenn sein Mut unter schrecklichen Umständen geprüft wird. Deshalb ist der Mensch nicht die Kombination von beidem [sc. Seele und Körper]. Dennoch werden mit diesem Argument auch vernunftlose Tiere identisch mit der vernunftlosen Seele sein, da sie im Kampfzustand gegen Angriffe ihre Existenz gering achten.1686 Wahrscheinlich glauben auch diejenigen [Tiere], dass die 10 vernunftlose Seele nicht in der Hülle1687 ist, da sie sonst den Körper nicht aufgeben würden. In der Tat aber geben sie [den Körper] auf, insofern sie sich bewusst sind, dass die Seele nicht mit dem Körper untergeht, denn der Nutzer teilt die Gefahr nicht mit seinem Werkzeug, wie das Ganze mit den Teilen [die

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ἡ ἐλάττων πρότασις. ἀλλὰ καὶ ἡ μείζων· τὸ γὰρ τῷ σώματι ὡς ὀργάνῳ χρώμενον ἡ ψυχή ἐστιν, οὔτε γὰρ σῶμα οὔτε συναμφότερον. σῶμα μέν, ἐπειδὴ οὐδέποτε σῶμα σώματι χρῆται ὡς ὀργάνῳ, ἑτεροκίνητον ὄν· ἀλλὰ μὴν οὔτε τὸ συναμφότερον, διότι διάφορόν ἐστι τὸ χρώμενον παρὰ τὸ ὄργανον. ἵνα οὖν μὴ ταὐτὸν ᾖ μέρος καὶ ὄργανον, ψυχὴ ἄρα ἐστίν. καὶ ταῦτα μὲν τὰ τῆς λέξεως. Φέρε δὲ ἔξωθεν περὶ ὀνομάτων διαλεχθῶμεν καὶ ζητήσωμεν, τί μὲν κατὰ τὸν φιλόσοφον Πρόκλον ἐστὶν ‘ α ὐ τ ὸ ’ καὶ ‘ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ό ’ , τί δὲ κατὰ τὸν φιλόσοφον Δαμάσκιον. τρία τοίνυν λέγει ὁ φιλόσοφος Πρόκλος εἶναι· ‘ α ὐ τ ό ’ , τὴν τριμέρειαν τῆς ψυχῆς· ‘ α ὐ τ ὸ ’ | δὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ καλεῖ τὴν λογικὴν ψυχήν· ‘ α ὐ τ ὸ ’ δ ὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ἕ κ α σ τ ο ν ’ τὸ ἄτομον. εἰ γάρ, φησὶν ἡ λέξις, γνοίημεν τί ἐστιν ‘ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ό ’ , δεῖ μαθεῖν τί ἐστιν καὶ ‘ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ὸ ἕ κ α σ τ ο ν ’ , διότι οὐκ ἀρκεῖ τὸ γνῶναι ἁπλῶς ἄνθρωπον, ἀλλὰ δεῖ εἰδέναι καὶ τί ἐστι τὸ ἄτομον, διότι πρόκειται ὠφελῆσαι Ἀλκιβιάδην καὶ γνῶναι αὐτὸν τίς ἐστιν οὗτος, ὅτι ἡ ψυχή· αἱ δὲ πράξεις περὶ τὰ καθ’ ἕκαστα καταγίνονται. καὶ οὐ μόνον διὰ τοῦτο, ἀλλὰ καὶ ὅτι ἥμαρτεν ὁ Περίπατος περὶ τὸ ἄτομον, οἰηθεὶς αὐτὸ ἐκ τῆς συνδρομῆς τῶν συμβεβηκότων γίνεσθαι. διὸ καὶ οὕτως ὁρίζεται αὐτό· ‘ ο ὗ τ ὸ ἄ θ ρ ο ι σ μ α ο ὐ κ ἂ ν ἐ π ’ ἄ λ λ ο υ π ο τ ὲ γ έ ν ο ι τ ο ’ · καὶ ἀπὸ τῶν χειρόνων, τῶν συμβεβηκότων, τὰ κρείττονα ἐποίουν. ὁ δέ γε Δαμάσκιος ‘ α ὐ τ ὸ ’ μὲν καλεῖ τὴν πολιτικὴν ψυχήν, τὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι· ‘ α ὐ τ ὸ ’ δ ὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ τὴν καθαρτικὴν καὶ τὴν θεωρητικήν, ἥτις οὐδὲ ὀργάνῳ χρῆται τῷ σώματι. καὶ ἔοικεν ὁ μὲν Δαμάσκιος ἐπιστημονικώτερον λέγειν, ὁ δέ γε φιλόσοφος Πρόκλος | ἐξηγηματικώτερον τῆς λέξεως. συμφωνεῖ γὰρ αὐτῷ ἡ λέξις· ἀρχόμενος γάρ φησιν ὅτι, ἐὰν εὑρεθῇ ‘ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ό ’ , δεῖ ζητῆσαι καὶ τί ‘ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ὸ ἕ κ α σ τ ο ν ’ . πρόκειται δὲ ἐνταῦθα παραδοῦναι οὐ καθαρτικόν, οὐ θεωρητικόν, ἀλλὰ τὸν πολιτικὸν ἄνθρωπον· διὸ καὶ οὕτως ὁρίζεται αὐτόν, ‘ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι’. ὥστε ὁ μὲν τοῖς πράγμασι προσέσχεν, ὁ δὲ τῇ λέξει. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

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Gefahr teilt]. Dementsprechend ist die Nebenprämisse richtig. Ebenso auch die Hauptprämisse1688: Denn die Seele ist es, was den Körper als Werkzeug benutzt, 15 weder der Körper noch die Kombination von beidem [sc. Seele und Körper]. Der Körper [ist es nicht], da ein Körper nie einen Körper als Werkzeug benutzt, der von außen bewegt ist.1689 Sicher [ist es] auch nicht die Kombination von beidem, da sich der Nutzer von [seinem] Werkzeug unterscheidet. Dadurch aber, dass der Teil mit dem Werkzeug nicht identisch sein kann, ist er folglich die Seele.1690 Und diese [Ansichten gehen] aus dem Text [hervor].1691 Lass uns nun zusätzlich über die Begriffe diskutieren und untersuchen, was 20 „S e l b s t “ und „d a s S e l b s t s e l b s t “ einerseits nach dem Philosophen Proklos und andererseits nach dem Philosophen Damaskios sind. Nun sagt der Philosoph Proklos, es seien drei: „S e l b s t “ sei die Dreiteilung der Seele; „d a s 204 S e l b s t s e l b s t “ nennt er aber die vernunftbegabte Seele; „j e d e s e i n z e l n e S e l b s t s e l b s t “ ist nach ihm das Einzelwesen.1692 Denn, wenn wir vorhaben – so lautet der Text1693 – „d a s S e l b s t s e l b s t “ zu begreifen, müssen wir verstehen, was auch „j e d e s e i n z e l n e S e l b s t s e l b s t “ ist; deswegen ist es nicht ausreichend, den Menschen im Allgemeinen zu kennen, 5 sondern es ist notwendig zu wissen, was das Einzelwesen ist; deshalb hat er [sc. Sokrates] vor, Alkibiades zu helfen und selber zu erkennen, wer dieser ist, nämlich die Seele. Denn die Handlungen werden gemäß den jeweiligen Umständen beurteilt.1694 Das ist nicht nur aus diesem Grund so, sondern auch weil die Peripatetiker über das Einzelwesen eine falsche Meinung haben, indem sie glauben, es sei aus dem Zusammentreffen der Akzidenzien entstanden.1695 Genau deswegen wird das Selbst [bei ihnen] wie folgt definiert: „S e i n e 10 Z u s a m m e n s e t z u n g k a n n e s b e i k e i n e m a n d e r e n g e b e n “.1696 Damit machen sie das Niedrigere, nämlich die Akzidenzien, zu dem Höheren.1697 Damaskios hingegen bezeichnet „S e l b s t “ als die politische Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. „D a s s e l b s t s e l b s t “ [nennt er] die kathartische und die theoretische [Seele], die niemals den Körper als Werkzeug benutzt.1698 Und Damaskios scheint sich mehr mit Blick auf die Fachkenntnis 15 auszudrücken, der Philosoph Proklos dagegen mehr mit Blick auf die Auslegung der Sprachausdrücke.1699 Denn der Text ist in Übereinstimmung mit ihm. Er sagt 205 nämlich am Anfang, dass, wenn „d a s S e l b s t s e l b s t “ gefunden werden soll, es auch notwendig ist, zu untersuchen, was „j e d e s e i n z e l n e S e l b s t s e l b s t “ ist. Er nimmt sich hier also vor, weder den kathartischen, noch den theoretischen Menschen als Beispiel anzugeben, sondern den politischen. Auch 5 deshalb definiert er diesen als „vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt“. Folglich widmete der eine [sc. Damaskios] seine Aufmerksamkeit dem Gegenstand, der andere [sc. Proklos] dagegen der sprachlichen Ausdrucksweise.1700 Das hat die Theorie.

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C. Text und Übersetzung

129B Οὕτω μὲν γὰρ τάχ’ ἂν εὕροιμεν τί ποτ’ ἐσμὲν αὐτοί: ‘εἰ μάθοιμεν’, φησίν, ‘τί ἐστιν ὁ ἄνθρωπος, δεῖ πρὸς τούτῳ εἰδέναι καὶ τί ἐστιν ἕκαστος ἡμῶν, οὕτω γὰρ ταχὺ ἂν μάθοιμεν τοῦτον· τούτου δὲ ἀγνοουμένου, τοῦ κοινοῦ, ἀδύνατον τὸ ἄτομον εἰδέναι’. Ἔχε οὖν, πρὸς Διός· τῷ διαλέγῃ σὺ νῦν; ἐντεῦθεν κατασκευάσαι βούλεται τὴν ἐλάττονα, ὅτι ὁ ἄνθρωπος ὀργάνῳ χρῆται τῷ σώματι. ‘εἰ γάρ’, φησίν, ‘σὺ ἐμοὶ διαλέγῃ, τὸ δὲ διαλεγόμενον ψυχή ἐστιν ὀργάνῳ χρησαμένη τῷ σώματι’ (ἔστι γὰρ ἡ διάλεκτος καὶ ἀποτέλεσμα καὶ ὄργανον ψυχῆς· διὰ γὰρ αὐτῆς ἐξαγγέλλει τὰ νοήματα, ὥσπερ καὶ ἡ λογικὴ Ἀριστοτέλους καὶ ὄργανόν ἐστι καὶ ἀποτέλεσμα, ὥσπερ ὁ ἄκμων τοῦ χαλκέως καὶ ἡ σφῦρα τοῦ τέκτονος)· ‘ἀλλὰ δὴ καὶ ὁ ἀκούων Ἀλκιβιάδης ἐστίν, καὶ τοῦτο δὲ ἴδιον ἀνθρώπου, τὸ ἀκούειν’ (πρόσθες σὺ τὸ οὕτως ἀκούειν, διὰ διαλέκτου· ἀκούει γὰρ καὶ τὰ | ἄλογα ζῷα) ‘καὶ ὡς οὖν διαλεγομένη καὶ ὡς ἀκούουσα ἄνθρωπός ἐστιν ἡ ψυχὴ μερικῷ ὀργάνῳ χρωμένη’ . ἀλλ’ ἐπεὶ οὐ δεῖ παράδειγμα λαβεῖν τὸ μερικὸν ὄργανον, λέγει παράδειγμα τὴν σκυτικὴν ὅλῳ ὀργάνῳ χρωμένην ἐν ταῖς ἐργασίαις.

129C Ὥσπερ σκυτοτόμος τέμνει που τομεῖ: ἰδοὺ τὸ παράδειγμα τὸ χρώμενον ὀργάνῳ ὅλῳ τῷ σώματι. εἰ γὰρ καὶ μόνῃ χειρὶ χρῆται, ἀλλὰ δέχεται ἀπορροίας καὶ μέρη ἐκ τῶν ἀρχῶν, οἷον ἀρτηρίας καὶ φλέβας καὶ νεῦρα. διὸ καὶ καλῶς ὁ Περίπατος ἔλεγε μὴ δεῖν τὴν χεῖρα λέγειν ὑφαίνειν, ἀλλὰ τὸν ἄνθρωπον τῇ χειρὶ ὑφαίνειν, τὸ γὰρ ὅλον ἐστὶν τὸ ποιοῦν διὰ τοῦ μέρους. δύνασαι δὲ καὶ ἐπὶ τῶν τῆς γλώττης τὸ αὐτὸ εἰπεῖν, ὅτι παραδείγματι χρῆται ὅλῳ διὰ ταῦτα· ἀλλ’ ἐναργὲς ἐπὶ τούτων. οὐ ταὐτὸν δὲ σμίλη καὶ τομεύς· σμίλη μὲν γάρ ἐστιν ἡ ἰσόπεδον ἔχουσα τὴν βάσιν, τομεὺς δὲ ὁ κυκλικήν. 129D Τέμνειν ὀργάνοις μόνον ἢ καὶ χερσίν; ‘ ὀ ρ γ ά ν ο ι ς ’ τοῖς ἔξωθεν, ‘ χ ε ρ σ ὶ ’ δὲ ἀντὶ τοῦ ‘τοῖς συμφυέσιν’, ὧν καὶ δεόμεθα ἐν τῷ λόγῳ. 129E Οὐκ ἔχω λέγειν: καλῶς ὁ Ἀλκιβιάδης ἀμφέβαλεν πρὸς τὸν ὁρισμὸν τοῦ ἀνθρώπου, διότι λείπει αὐτῷ ἡ μείζων πρότασις πρὸς ἀπόδειξιν τοῦ εἶναι τὸν ἄνθρωπον ψυχὴν λογικήν· καὶ ἐπάγει αὐτήν. 205, 8 Olymp. τάχ’ ἂν / ἂν τάχ’ Plat. Alc. 129b2.

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129B Denn auf diese Weise könnten wir vielleicht finden, was wir selbst sind: „Wenn wir lernen könnten“, sagt er, „was der Mensch ist, müssen wir dazu auch wissen, was jeder Einzelne von uns ist, denn so könnten wir es 10 verstehen. Wenn man das nicht kennt, was das Allgemeine ist, ist es unmöglich, das Einzelwesen zu verstehen.“1701 Warte mal, bei Zeus: Mit wem sprichst du gerade? Ab hier will er die Nebenprämisse erarbeiten, dass der Mensch den Körper als Werkzeug benutzt. „Wenn nun“, sagt er „du mit mir sprichst, und das, was spricht, die Seele ist, die den Körper als Werkzeug benutzt“ (Der Sprechakt ist nämlich sowohl ein 15 Ergebnis als auch ein Werkzeug der Seele. Denn durch ihn werden die Gedanken verkündet1702, genau wie die Logik des Aristoteles sowohl ein Werkzeug als auch ein Ergebnis ist1703, wie der Amboss des Schmiedes und der Hammer des Baumeisters), „darüber hinaus auch derjenige, der zuhört, Alkibiades ist, und dies eine Eigenheit des Menschen ist, zu hören“ (füge hinzu, das Hören auf dieser Weise, durch den Sprechakt. Denn auch die vernunftlosen Lebewesen 206 können hören); „dann ist der Mensch sowohl als ein sprechendes als auch ein hörendes Wesen die Seele, die ein geteiltes Werkzeug benutzt.“1704 Dennoch, da man ein geteiltes Werkzeug nicht als Beispiel nehmen soll, erwähnt er als Beispiel den Schmied, der in seinen Beschäftigungen ein ganzes Werkzeug 5 benutzt.1705 129C Wie etwa ein Schuster wohl mit Schusterkneif schneidet1706: Siehe, dass es im Beispiel darum geht, den ganzen Körper als Werkzeug zu benutzen.1707 Denn, wenn [die Seele] nur eine Hand benutzt, erhält diese [Hand] immer noch Ausflüsse1708 und Teile von ihren Ursprüngen, nämlich Arterien und Venen und Nerven. Aus diesem Grund hatten die Peripatetiker auch Recht1709, wenn sie sagten, dass die Hand nicht webt, sondern der Mensch mit 10 seiner Hand webt, denn es ist das ganze [Wesen], das durch den Teil wirkt.1710 Du kannst aber das Gleiche auch von den [Aktivitäten] der Sprache sagen, dass er dadurch von einem ganzen Beispiel Gebrauch macht: Doch in diesen Fällen ist es deutlich.1711 Nicht dasselbe sind aber Meißel und Schusterkneif1712: Der Meißel hat eine gerade Klinge, der Schusterkneif hingegen eine runde. 129D Schneidet er nur mit Werkzeugen, oder auch mit Händen? „M i t 15 W e r k z e u g e n “ [bedeutet] mit äußerlichen [Dingen], „m i t H ä n d e n “ hingegen anstelle von „mit natürlichen [Eigenschaften]“, die wir auch bei der Argumentation gebrauchen. 129E Das kann ich nicht sagen1713: Alkibiades hatte Recht, Zweifel an der Definition des Menschen zu haben, da ihm die Hauptprämisse fehlt, um zu beweisen, dass der Mensch die vernunftbegabte Seele ist. Darauf fügt er [sc. Sokrates] diese hinzu.1714

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Πρᾶξις σὺν θεῷ κεʹ 130A-D Οὐκοῦν ἄρχουσα; Ναί. Καὶ μὴν τόδε γ’ οἶμαι οὐδένα. Δείξας ὁ Σωκράτης διὰ κατηγορικοῦ συλλογισμοῦ ὅτι ἄνθρωπος ψυχή ἐστι, νῦν τοῦτο αὐτὸ καὶ δι’ ὑποθετικοῦ κατασκευάζει. καὶ προσλαμβάνει τούτου λῆμμα τοιοῦτον, ὅτι ἄνθρωπος ἄρχει τοῦ σώματος· καὶ τοῦτο δῆλον οὐ μόνον ἐκ τῶν ἐγκρατῶν, ἀλλὰ καὶ ἐκ τῶν ἀκρατῶν, εἴγε δυνάμενοι κρατῆσαι ἑαυτῶν οὐκ ἐκράτησαν· εἰ γὰρ ἐξ ἀνάγκης ἀκρατεῖς ἦσαν, οὐκ ἂν ἐπεπλήττομεν αὐτοῖς. τούτου προσληφθέντος κατασκευάζει δι’ ὑποθετικοῦ λόγου οὕτως· ‘ὁ ἄνθρωπος ἢ σῶμά ἐστιν ἢ ψυχὴ ἢ τὸ συναμφότερον· ἀλλὰ σῶμα μὲν οὐ δύναται εἶναι, διότι σῶμα μὲν οὐδέποτε ἄρχει τοῦ σώματος, ἐπεὶ καὶ ἑαυτοῦ ἄρξει καὶ ἐπιστρέψει πρὸς ἑαυτό· ἀλλ’ οὔτε τὸ συναμφότερον ᾗ συναμφότερον, ἐπεὶ πάλιν, ἐπειδὴ σώματος ἄρχει, ἑαυτοῦ ἄρχει τὸ σῶμα, καὶ ἔστι πάλιν σῶμα· λείπεται ἄρα τὴν ψυχὴν ἄνθρωπον εἶναι’. Οὕτω προελθόντος τοῦ λόγου τινὲς λαμβάνονται αὐτοῦ λέγοντες ‘ὅσον ἐπὶ τούτῳ, ἐπειδὴ τὸ μελίκρατον ὕδωρ ἐστὶν ἢ μέλι ἢ μέλι καὶ ὕδωρ· καὶ μέλι μὲν οὐκ ἔστιν, οὐδὲ μὴν μέλι καὶ ὕδωρ· ὑπόλοιπον αὐτὸ ὕδωρ εἶναι’. ἀλλά φαμεν ὅτι ‘τὰ μὲν ὑμῶν λήμματα ψευδῆ | εἰσίν, διότι ἁμηγέπως μέλι ἐστὶ τὸ μελίκρατον καὶ ἁμηγέπως μέλι καὶ ὕδωρ, εἰ καὶ νενοθευμένον· τὰ δὲ τοῦ Πλάτωνος ἀληθῆ. ὁ γὰρ ἄνθρωπος οὐδὲ ὅλως σῶμά ἐστιν, εἴγε ὁ ἄνθρωπος τοῦ σώματος ἄρχει, οὐδέποτε δὲ τὸ σῶμα, ὡς εἴρηται, ἑαυτοῦ ἄρχει· οὔτε μὴν τὸ συναμφότερον, ἐπεὶ εἰ καθὸ συναμφότερον ἄρχει τοῦ σώματος, καὶ ἑαυτοῦ ἄρξει· ὥστε οὐχ ὅμοιόν ἐστι τὸ παράδειγμα’. Ταῦτα προλαβὼν ὁρίζεται τὸν ἄνθρωπον ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι. καὶ ἵνα μὴ περιλαμβάνῃ ὁ ὅρος καὶ τὰς οὐρανίας ψυχάς, δεῖ προσθεῖναι ‘τῷ εὐθυφορουμένῳ σώματι’. καὶ λαμβάνεται τούτων τῶν ἀποδείξεων λέγων αὐτὰς παχυμερεῖς εἶναι, καὶ ταύτας

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Unterricht 25 mit Gottes Hilfe

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130A–D [Sokrates:] Doch wohl, indem sie herrscht?1715 [Alkibiades:] Ja. [Sokrates:] Aber in der Tat, ich denke niemand.1716 Nachdem Sokrates durch eine kategorische Schlussfolgerung aufgezeigt hat, dass der Mensch die Seele ist, erarbeitet er nun dieses gleiche [Argument] durch eine hypothetische [Schlussfolgerung].1717 Und er nimmt für diese [Schlussfolgerung] folgende These1718 hinzu, dass der Mensch über den Körper 5 herrscht.1719 Und das zeigt sich nicht nur ausgehend von Menschen, die sich beherrschen, sondern auch von denen, die unbeherrscht sind; denn obwohl sie in der Lage sind, sich selbst zu beherrschen, übten sie diese Macht nicht. Denn wenn sie unter Zwang unbeherrscht wären, würden wir sie nicht tadeln.1720 Nachdem er diese [These] hinzugenommen hat, erarbeitet er [die Schlussfolgerung] durch eine hypothetische Argumentation wie folgt: „Der Mensch ist entweder der Körper oder die Seele oder die Kombination von beidem. Aber es 10 kann nicht der Körper sein, weil ein Körper nie über einen Körper herrscht, da er damit sowohl über sich selbst herrschen als auch sich auf sich selbst zurückwenden könnte.1721 Und er kann auch nicht die Kombination von beidem sein, insofern es eine Kombination von zwei Dingen ist; denn wiederum, wenn sie über einen Körper herrscht, wird der Körper über sich selbst herrschen, und [der Mensch] wird wieder Körper sein. Folglich bleibt übrig, dass die Seele der Mensch ist.“ Wenn das Argument auf diese Weise vorgebracht wird, verwerfen es einige, 15 indem sie sagen, „dass es sich wie bei diesem [Argument verhält], denn HonigWasser1722 ist entweder Wasser oder Honig oder eine [Mischung aus] Honig und Wasser. Es ist aber nicht Honig, noch in der Tat [Mischung aus] Honig und Wasser. Was übrig bleibt, ist, dass es Wasser ist.“1723 Wir sagen aber: „Eure Thesen sind falsch, denn Honig-Wasser ist einerseits Honig und andererseits 208 eine [Mischung aus] Honig und Wasser, auch wenn es verdünnt ist. Dagegen sind Platons [Thesen] richtig. Denn der Mensch ist weder gänzlich Körper – wenn der Mensch über den Körper herrscht und der Körper, wie gesagt, nie über 5 sich selbst herrscht –, noch ist er die Kombination von beidem, denn wenn die Kombination von beidem über den Körper herrscht, wird auch der Körper über sich selbst herrschen. Dementsprechend ist dieses Beispiel nicht ähnlich.“ Indem er diese als gegeben annimmt, definiert er den Menschen als die vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. Damit aber diese Definition nicht auch die himmlischen Seelen1724 umfasst, muss „der Körper, der 10 sich in einer geraden Linie bewegt“ hinzugefügt werden.1725 Darauf verwirft er diese Beweise, indem er sagt, dass sie unpräzise sind und eine Differenzierung

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C. Text und Übersetzung

διορισμοῦ δεομένας, διότι ὁρισμὸν ἐποίησαν τοῦ πολιτικοῦ ἀνθρώπου, οὐ δήπου δὲ τοῦ καθαρτικοῦ ἢ τοῦ θεωρητικοῦ ἢ τοῦ ἐνθουσιαστικοῦ· ἐκεῖνοι γὰρ οὐδὲ ὀργάνῳ χρῶνται τῷ σώματι. παχυμερῶς οὖν ἐκάλεσεν τὸν πολιτικὸν ἄνθρωπον ὡς πρὸς ἐκείνους. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία. 130A Οὐκοῦν ἄρχουσα; διὰ τοῦ ῥητοῦ τούτου τὸ λῆμμα παραδίδωσιν, ὅτι ὁ ἄνθρωπος ἄρχει τοῦ σώματος, οὐ μόνον διὰ τοὺς ἐγκρατεῖς, ἀλλὰ καὶ διὰ τοὺς ἀκρατεῖς· μεμφόμεθα γὰρ αὐτοῖς, οὐκ ἂν δὲ τοῦτο, εἰ ἐξ ἀνάγκης ἡμάρτανον.

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130B Ἆρα οὖν καὶ σῶμα αὐτὸ αὑτοῦ ἄρξει; οὐ γὰρ δυνα|τὸν σῶμα σώματος ἄρξαι, ἐπεὶ καὶ αὐτεπίστροφον ἔσται. Ἀλλ’ ἆρα τὸ συναμφότερον: οὐ γὰρ τὸ συναμφότερον καθὸ συναμφότερον ἄρχει. πάλιν γὰρ τὸ αὐτὸ ἄτοπον συμβήσεται καὶ τὸ σῶμα ἑαυτοῦ ἄρξει. 130C Ἔτι οὖν δεῖ σαφέστερον ἀποδειχθῆναι ὅτι ἡ ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος; ἐρωτᾷ αὐτὸν ὅτι ‘νομίζεις ἔτι ὀφείλειν σαφέστερον ἀποδειχθῆναι ὅτι ἡ ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος ἢ δεόμεθα ἀκριβεστέρων λόγων δεῖξαι ὅτι καὶ ὁ καθαρτικὸς καὶ ὁ θεωρητικὸς καὶ ὁ ἐνθουσιαστικὸς ἄνθρωπος ἡ ψυχή ἐστιν; ἢ ἀσύμμετρόν ἐστι τοῦτο πρὸς σέ;’ ὁ δέ φησιν ‘ ἱ κ α ν ῶ ς ἔ χ ε ι ’ , ὡς ῥᾴθυμος. Εἰ δέ γε μὴ ἀκριβῶς: ἰδοὺ καὶ αὐτὸς λαμβάνεται τῶν τοιούτων λόγων, καὶ ταῦτα ἐξ ὁρισμοῦ προελθόντων, καί φησιν αὐτοὺς παχυμερεῖς, παραβάλλων πρὸς τὸν ἐνθουσιαστικὸν καὶ τοὺς λοιπούς. 130D Ὃ ἄρτι οὕτω πως ἐρρήθη: πάλαι μὲν ἐκράτει ἡ ἐξήγησις τοῦ φιλοσόφου Πρόκλου, ὅτι ‘ α ὐ τ ὸ ’ μὲν καλεῖ τὴν ψυχήν, ‘ α ὐ τ ὸ ’ δὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ τὴν λογικήν· νῦν δὲ ἡ τοῦ φιλοσόφου Δαμασκίου, ὅτι ‘ α ὐ τ ὸ ’ ἡ πολιτικὴ ψυχή, ‘ α ὐ τ ὸ ’ δὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ ἡ καθαρτικὴ καὶ ἡ θεωρητικὴ ψυχή. φησὶ γὰρ ὅτι ‘νῦν παρήλθομεν ἁπλῶς εἰπόντες α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ὸ 209, 1 Olymp. add. καὶ, cf. Plat. Alc. 130b2: ἆρ᾽ οὖν σῶμα. 1 Olymp. ἄρξει / ἄρχει, cf. Plat. Alc. 130b2. 6 Olymp. δεῖ σαφέστερον / τι σαφέστερον δεῖ Plat. Alc. 130c6. 6 Olymp. om. σοι ante ὅτι, cf. Plat. Alc. 130c6. 6 Olymp. om. ἐστιν ante ἄνθρωπος; add. ὁ ante ἄνθρωπος; cf. Plat. Alc. 130c7.

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brauchen1726, da sie [sc. Sokrates und Alkibiades] eine Definition des politischen Menschen gemacht haben, aber offensichtlich nicht des kathartischen, theoretischen oder inspirierten Menschen. Denn diese benutzen den Körper nicht als Werkzeug.1727 Er nannte nun den politischen Menschen auf unpräzise Weise im Verhältnis zu diesen [höheren Stufen]. Das hat die Theorie.

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130A Doch wohl, indem sie herrscht?1728 Mit diesem Ausdruck gibt er die These an, dass der Mensch über den Körper herrscht, nicht nur durch diejenigen, die sich beherrschen, sondern auch durch die, die unbeherrscht sind. Denn wir geben ihnen die Schuld, [würden] das aber nicht [tun], wenn sie unter Zwang Fehler begangen hätten. 130B Wird nun auch der Körper über sich selbst herrschen? Weil es für 209 einen Körper unmöglich ist, über einen Körper zu herrschen, da er [in diesem Fall] ein selbstrückwendendes Wesen wäre.1729 Dann ist es die Kombination von beidem1730: Weil die Kombination von beidem nicht herrschen kann, insofern sie eine Kombination von zwei Dingen ist. Denn [in diesem Fall] wird wieder das gleiche widersinnige [Ergebnis] zutreffen und der Körper wird über sich selbst herrschen. 5 130C Muss es nun deutlicher aufgezeigt werden, dass die Seele der Mensch [ist]? Er fragt ihn, nämlich: „Denkst du immer noch, dass es nötig ist, das auf deutlichere Weise aufzuzeigen, dass die Seele der Mensch ist, oder brauchen wir genauere Argumente, um zu zeigen, dass sowohl der kathartische als auch der theoretische und auch der inspirierte Mensch die Seele ist? Oder ist 10 das für dich unangemessen?“ Und er antwortet: „E s i s t a u s r e i c h e n d “1731, da er nachlässig ist. Wenn es auch nicht in exakter Weise1732: Siehe, wie er selbst diese Argumente verwirft, dass diese ebenfalls aus einer [bestimmten] Definition hervorgehen, und sagt, dass sie unpräzise sind, indem er dies mit den inspirierten Menschen und mit den übrigen vergleicht. 130D Was gerade etwa auf diese Weise geäußert wurde1733: Zuvor 15 herrschte die Auslegung des Philosophen Proklos vor, dass er zum einen die Seele als „S e l b s t “ bezeichnet, zum anderen „d a s S e l b s t s e l b s t “ als die vernunftbegabte Seele. Nun aber [überwiegt] die [Auslegung] des Philosophen Damaskios, dass „S e l b s t “ die politische Seele ist, „d a s S e l b s t s e l b s t “ hingegen die kathartische und die theoretische Seele ist.1734 Denn er [Sokrates]

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C. Text und Übersetzung

ἐπὶ τῆς πολιτικῆς ψυχῆς· τότε δὲ ἀκριβῶς εἰσόμεθα ὅτι ὁ ἄνθρωπος ἡ ψυχή, καὶ τί κυρίως α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ὸ ἀκριβολογησόμεθα’.

Πρᾶξις σὺν θεῷ κϛʹ Ἀποσημειώσεις

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129B Φέρε δή, τίνα ἂν τρόπον· ‘α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ καλεῖ τὴν λογικὴν ψυχὴν τὴν μὴ χρωμένην ὀργάνῳ τῷ σώματι ἢ τῷ ἐν | σώματι ζῆν, οἶον τὸν καθαρτικὸν ἢ τὸν θεωρητικόν· ‘ α ὐ τ ὸ ’ δὲ τὴν λογικὴν ψυχὴν τὴν προσχρωμένην ὀργάνῳ τοῖς πάθεσι καὶ τῷ σώματι, τουτέστι τὴν πολιτικὴν ψυχήν. τοῦτο δὲ τὸ ‘ α ὐ τ ὸ ’ καὶ ‘ α ὐ τ ὸ ἕ κ α σ τ ο ν ’ καλεῖ διὰ τὴν προσφῦσαν ἄτομον ζωὴν ἐκ τοῦ περὶ τὰ ἄτομα ἐνεργεῖν. καὶ ἐπεὶ προθέμενος εὑρεῖν α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ὸ α ὐ τ ὸ ἕ κ α σ τ ο ν , ἐπισημαίνεται ἑξῆς ὅτι οὐχ εὗρε τὸ προκείμενον. τάχα δὲ οὐδὲ α ὐ τ ὸ ἕ κ α σ τ ο ν εὑρίσκει, ἀλλ’ αὐτὸ μόνον· τίς γὰρ ὁ πολιτικὸς ἄνθρωπος εὑρίσκει, ἀλλ’ οὐ τίς ὁ Σωκράτης. διὸ ὁ Πρόκλος ζητεῖ οὐκ ἐν παρενθήκης μέρει, ἀλλὰ τὴν λέξιν ἐξηγούμενος, τίς ὁ κοινὸς ἄνθρωπος καὶ τίς ὁ ἴδιος. οὐ γὰρ κατορθοῖ ὁ Περίπατος περὶ τὸν ἄτομον ἄνθρωπον, ἐκ συμβεβηκότων ποιῶν τὴν οὐσίαν. καὶ τοῦτο καὶ ἡ λέξις ἐφεξῆς ἐπάγει λέγουσα ‘ἐὰν μὲν γὰρ εὕρωμεν τὸν κοινὸν ἄνθρωπον, καὶ τὸν καθ’ ἕκαστα εὑρήσομεν τάχα, οὗ καὶ δεόμεθα· τούτου γὰρ καὶ ἐπιμελούμεθα· περὶ γὰρ Σωκράτους καὶ Ἀλκιβιάδου ἦν ὁ λόγος. εἰ δὲ μὴ τὸ αʹ, οὐδὲ τὸ βʹ’. Ὅτι λογικῆς ψυχῆς ὁ λόγος καὶ ἐνέργεια καὶ ὄργανον, ὡς καὶ ἡ σφῦρα τοῦ τέκτονος καὶ ὁ ἄκμων τοῦ χαλκέως, ὡς καὶ ἡ λογικὴ πραγματεία τοῖς φιλοσόφοις. Ὅτι καὶ τὸ ἀκούειν, τὸ δηλοῦν, τὸ ξυνιέναι λόγου, λογικῆς ἐστὶ ψυχῆς.

129C Ὅτι σ μ ί λ η μέν ἐστιν ἡ τὴν βάσιν εὐθεῖαν ἔχουσα, τ ο μ ε ὺ ς δὲ ὅταν ἡ βάσις περιφερὴς ᾖ· τοιοῦτος γὰρ καὶ ὁ ἐν γεωμετρίᾳ τομεύς.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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sagt: „Gegenwärtig haben wir es beiseitegelassen, indem wir d a s S e l b s t s e l b s t verallgemeinernd für die politische Seele verwenden. Bald werden wir es aber genau wissen, dass der Mensch die Seele ist, und wir werden präzisieren, was d a s S e l b s t s e l b s t im strikten Sinne ist“.1735

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Unterricht 26 mit Gottes Hilfe Zusammenfassung1736 129B Nun denn, auf welche Weise1737: „D a s S e l b s t s e l b s t “1738 nennt er1739 die vernunftbegabte Seele, die den Körper nicht als Werkzeug benutzt oder in einem Körper wohnt, wie der kathartische oder der theoretische Mensch. Und 210 er beschreibt die vernunftbegabte Seele als „S e l b s t “, wenn sie sich der Affekte und des Körpers als Werkzeug bedient, das heißt, [wenn sie] die politische Seele [ist]. Dieses beschreibt er als „S e l b s t “ und als „j e d e s S e l b s t “, weil es durch die Tätigkeit in den einzelnen [Situationen] zu einem einzelnen Leben 5 gebunden ist. Und da er, als er sich vornahm, d a s S e l b s t s e l b s t zu finden, j e d e s S e l b s t fand, weist er im Folgenden daraufhin1740, dass er das, was erzielt wurde, nicht gefunden hat. Aber vielleicht findet er nicht einmal j e d e s S e l b s t , sondern lediglich Selbst. Denn er findet heraus, was ein politischer Mensch ist, und nicht, was Sokrates ist. Deshalb untersucht Proklos – nicht als Teil einer Zwischenbemerkung1741, sondern in seiner Auslegung des Texts1742 –, 10 was allgemein ein Mensch und was ein bestimmter Mensch ist.1743 Denn es ist nicht richtig, was die Peripatetiker über den einzelnen Menschen1744 behaupten, sein Wesen [bestehe] aus dem zufälligen Treffen der Akzidenzien.1745 Und auch der Text fügt diesen Punkt als nächstes hinzu und sagt: „Wenn wir nämlich den allgemeinen Menschen finden würden, werden wir vielleicht auch jeden einzelnen [Menschen] finden, den wir auch brauchen: Wir sorgen uns ja 15 schließlich darum. Denn die Diskussion war über Sokrates und Alkibiades. Aber wenn das erste nicht [gegeben ist], ist das zweite auch nicht.“1746 [Er sagt:]1747 Die Sprache1748 ist für die vernunftbegabte Seele sowohl eine Tätigkeit als auch ein Werkzeug, wie der Hammer für den Baumeister und der Amboss für den Schmied,1749 und wie die vernunftbezogene Beschäftigung für die Philosophen.1750 Es ist die Eigenschaft der vernunftbegabten Seele, die Sprache zu hören, zu 20 äußern und zu verstehen.1751 129C Ein M e i ß e l ist ein [Messer] mit gerader Klinge, dagegen ist es ein S c h u s t e r k n e i f , wenn die Klinge abgerundet ist.1752 Denn das ist auch ein solches Messer, das bei der Landvermessung verwendet wird.

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Ὅτι καὶ ἡ σκυτικὴ τῆς λογικῆς, ἐπεὶ καὶ | πᾶσα τέχνη νοῦ ἀπήχημα. καὶ πρῶτος τεχνίτης ὁ Ἥφαιστος, καὶ αἱ παρ’ αὐτῷ φῦσαι τὴν φύσιν δηλοῦσιν. 130D Ὅτι κυρίως τὸ ‘ἴ σ ω ς ’ · Ἀλκιβιάδῃ μὲν γὰρ ἀρκεῖ ὁ πολιτικὸς ἄνθρωπος, Σωκράτει δὲ οὐκ ἀρκεῖ. 130B Ὅτι οὐδὲ τὸ ζῷον ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος, ἀλλ’ ἐξ ἰνδάλματος ἀλόγου καὶ σώματος· ἀλλ’ εἰ ἄρα, μόνον τὸ φυτὸν ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος. Ὅτι ὁ Πλάτων οὐδὲ τὸ σῶμα ἐξ ὕλης καὶ εἴδους βούλεται εἶναι, ἀλλ’ εἶδος ἐν ὕλῃ, ὡς καὶ ὁ ἐν τῷ τόπῳ ἄνθρωπος καὶ ὁ ἐν τῷ πίνακι Ἀχιλλεύς. σκιὰς γὰρ βούλεται τὰ τῇδε εἴδη τῶν ἰδεῶν· καὶ τὴν ὕλην ‘ἐν ᾧ’ καλεῖ, οὐκ ‘ἐξ οὗ’, τὸ δὲ εἶδος ‘ὅ’. καὶ τὰ ἔκ τινων ὄντα ἐκ ποιούντων καὶ πασχόντων ἐστίν, ὡς τὸ μελίκρατον, οὐδὲν δὲ πάσχει ὑπ’ ἀλλήλων ὕλη καὶ εἶδος. ἐκ πολλοῦ ἄρα τοῦ περιόντος οὐκ ἔστιν ὁ ἄνθρωπος παρὰ Πλάτωνι ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος.

129E Τί ποτε οὖν ὁ ἄνθρωπος; ἰδοὺ τὸν μέσον ὅρον τοῦ πρώτου συλλογισμοῦ ὁρισμὸν βούλεται εἶναι, ὡς καὶ ἀκριβοῖ τὸν συλλογισμὸν οὐ μόνον ἐκ τῶν καθ’ αὑτό, ἀλλὰ καὶ ἐκ τῶν μετ’ αὐτό, ἐκ γὰρ τῶν ὅρων ἀντιστρεφόντων. Ὅτι ὁ ἄνθρωπός ἐστι κατὰ Πλάτωνα ψυχὴ χρωμένη σώματι εὐθυπόρῳ· τοῦτο γὰρ προσθετέον διὰ τὰς τῶν οὐρανίων ψυχάς. φυτικὴ δὲ καὶ ἄλογος οὐ παραληφθήσονται, ὡς προείρηται, διὰ τὸ μὴ μόνον ὀργάνῳ κεχρῆσθαι τῷ σώματι, ἀλλὰ καὶ ὑποκειμένῳ.

130B Ὅτι ἐσπουδασμένοι εἰσὶν οἱ λόγοι τῷ Πλάτωνι οἱ δείξαντες τὸν ἄνθρωπον ψυχὴν ὄντα ἢ τὴν ψυχὴν ἄνθρωπον οὖσαν, ἀλλ’ οὐκ ἐνδοιάζει περὶ αὐτοὺς καὶ πολιτικῷ σκοπῷ προφέρεται αὐτούς, τὸν Ἀλκιβιάδην ἐπιστρέψαι μόνον βουλόμενος, δηλοῖ τὸ ‘ἥ κ ι σ τ α π ά ν τ ω ν ’, διατατικὸν ὄν, καὶ τὸ ‘ἀ π ο δ ε ι χ θ έ ν ’ . 129B Ἔχε οὖν: ὅτι ὁ ἄνθρωπος ὀργάνῳ χρῆται τῷ σώματι, δείκνυσιν ἡ λέξις δι’ ἐπαγωγῆς, εἰ ὁ Σωκράτης Ἀλκιβιάδῃ διαλέγεται, ὁ δὲ διαλεγόμενος λόγῳ χρῆται, ὁ δὲ λόγῳ χρώμενος ὀργάνῳ κέχρηται τῷ σώματι· εἰ ὁ σκυτοτόμος καὶ ὁ κιθαριστὴς ὀργάνῳ κέχρηνται τῷ σώ-

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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Das Schusterhandwerk ist auch [ein Werk] der vernunftbegabten [Seele], da auch jede fachliche Fertigkeit eine Widerspiegelung der Vernunft ist. Und der 211 erste Handwerker war Hephaistos, dessen Blasebälge (physai) die Natur (physis) darstellen.1753 130D Das [Wort] „v i e l l e i c h t “ ist bemerkenswert.1754 Denn der politische 5 Mensch genügt für Alkibiades, aber nicht für Sokrates. 130B Ein Lebewesen [besteht] nicht aus Seele und Körper, sondern aus einem vernunftlosen geistigen Bild1755 [der Seele] und aus dem Körper.1756 Aber selbst wenn [das erstere zutrifft], nur ein Gewächs [würde] aus der Seele und dem Körper [bestehen].1757 Platon meint nicht, dass der Körper aus Materie und Form besteht1758, sondern eine Form in Materie1759 ist, wie auch einen sich im Ort befindenden Menschen oder Achilleus auf einem Pinax. Denn er meint, dass die diesseitige Formen 212 Schatten der Ideen1760 sind. Ferner nennt er die Materie als „das, in dem“, nicht „aus dem“1761, und die Form [nennt er] „das“.1762 Und die Produkte einiger Dinge [entstehen] aus aktiven und passiven [Prinzipien], wie Honig-Wasser1763, wobei weder Materie noch Form voneinander passiv beeinflusst werden.1764 Folglich geht es aus vielen und umfangreichen [Argumenten] hervor, dass der Mensch nach Platon nicht aus Seele und Körper besteht. 5 129E Was ist denn nun der Mensch? Siehe, wie er meint, dass der mittlere Begriff der ersten Schlussfolgerung1765 als Definition dient, damit er die Schlussfolgerung nicht nur auf der Grundlage seiner eigenen [Begriffe], sondern auch auf der Grundlage dessen, was als nächstes kommt, präzisiert, da er aus [miteinander] austauschbaren Begriffen aufgebaut ist. Der Mensch nach Platon ist eine Seele, die einen Körper benutzt, der sich in 10 geraden Linien bewegt.1766 Denn dies sollte [zur Definition] hinzugefügt werden, um die Seelen der Himmelswesen zu berücksichtigen.1767 Dagegen werden die vegetative und die vernunftlose [Seele], wie bereits gesagt1768, nicht erfasst, weil sie den Körper nicht nur als Werkzeug, sondern auch als Zugrundeliegendes nutzen.1769 130B Platons Argumente, die zeigen, dass der Mensch die Seele ist oder dass die Seele der Mensch ist, sind ernst gemeint; er hat daran keinen Zweifel, und 15 stellt diese vor der politischen Absicht [des Dialogs] vor1770, weil er nur Alkibiades [auf sich selbst] zurückwenden will; das zeigt [der Ausdruck] „a m a l l e r w e n i g s t e n “1771, der nachdrücklich ist, und [der Ausdruck] „e s i s t b e w i e s e n “1772. 129B Warte mal1773: Die Textstelle zeigt durch Induktion, dass der Mensch den Körper als Werkzeug benutzt, wenn Sokrates mit Alkibiades spricht; und 20 derjenige, der ein Gespräch führt, Sprache benutzt; und derjenige, der die Sprache als Werkzeug benutzt, [auch] den Körper als Werkzeug benutzt.1774

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C. Text und Übersetzung

ματι· καὶ γὰρ διῃρημένῳ καὶ συμφυεῖ, καὶ μέρει καὶ τῷ ὅλῳ σώματι. τὴν δὲ μείζονα ἐναργῶς ἐκ διαιρέσεως δείκνυσιν.

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129D Ὅτι, ἐπειδὴ τὸ ὅλον τῷ μέρει κέχρηται, διὰ τῆς αὐτῆς ἐπαγωγῆς δείκνυσιν ὅτι τὸ χρώμενον ἕτερόν ἐστι τοῦ ᾧ κέχρηται ὀργάνῳ.

Πρᾶξις σὺν θεῷ κζʹ 130D-133C Οὐκοῦν καλῶς ἔχει οὕτω νομίζειν. Τὸ δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι Σ ω κ ρ ά τ η ν Ἀ λ κ ι β ι ά δ ῃ καὶ προοίμιον ἐποιήσατο τῶν διαλεκτικῶν ἀγώνων καὶ συμπέρασμα διὰ τὸ μεθύειν τὰ ἐρωτικά. πρέπει γὰρ τῷ ἔρωτι καὶ ἡ ἀποκατάστασις, ἐπιστροφῇ ὄντι, καὶ τὸ διαλέγεσθαι τὸν ἐραστὴν τῷ ἐρωμένῳ· ὄργανον γὰρ κοινωνίας ὁ λόγος. τοῦτο δὲ τὸ δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι πάλαι μὲν ἐνόει τοῦτο· ‘ἐπειδὴ Σωκράτης Ἀλκιβιάδῃ διαλέγεται, λόγῳ προσκέχρηται, καὶ διὰ τοῦτο ὄργανον ἔχει τὸ σῶμα’. νῦν δὲ τὸ αὐτὸ δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι διάνοιαν ἔχει τοιαύτην· ‘ἐπειδὴ Σωκράτης Ἀλκιβιάδῃ διαλέγεται, ψυχαὶ δὲ ἐδείχθησαν, αἱ ψυχαὶ διαλέγονται ἀλλήλαις ἐφιέμεναι τῆς ἀλλήλων κοινωνίας’· καὶ ἔστι νῦν πόρισμα. διὸ καθεὶς ἑαυτὸν εἰς πόρισμα καὶ ἄλλα τρία πορίσματα τούτῳ συνάπτει. τῶν γὰρ ἐν τῷ διαλόγῳ τούτῳ τὰ μέν ἐστιν ὁ σκοπός, οἷον οἱ συλλογισμοὶ οἱ δεικνύντες ὅτι ἡ ψυχή ἐσμεν· τὰ δὲ προηγεῖται τοῦ σκοποῦ, ὡς ἡ κάθαρσις τῆς βʹ ἀγνοίας καὶ ἡ προτροπή· τὰ δὲ ἕπεται, ὡς τὰ νῦν πορίσματα. Δεύτερον πόρισμα, ὅτι οὐδεὶς τῶν καθ’ ἕκαστα χειροτεχνῶν ἑαυτὸν οἶδε. καὶ ἀναφαίνεται ἐνταῦθα δόγμα Πλατωνικόν, ὅτι οὐ βούλεται τῶν τεχνητῶν εἶναι λόγους (εἰ γὰρ ἦσαν ἐν τῇ ψυχῇ, ἐγίνωσκεν ἑαυτὸν ὁ τεχνίτης)· καὶ ὅτι ἐκείνων τῶν μαθημάτων φροντιστέον. ἃ μὴ περιγράφη τὸ χρήσιμον ἑαυτῶν μέχρι τοῦ τῇδε βίου, ἀλλὰ συμβάλλεται ἡμῖν καὶ μετὰ τὴν ἔξοδον. προπαιδεία γὰρ τὰ τῇδε τοῦ ἐκεῖ βίου πολλαπλασίου ὄντος.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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[Ferner,] dass der Schuster und der Kitharaspieler den Körper als Werkzeug benutzen. Denn [er benutzt] den Körper sowohl als ausgetrennten als auch den angeborenen, und als Teil wie auch als Ganzes. Und er zeigt die Hauptprämisse anschaulich durch Einteilung auf.1775 129D Durch die gleiche Induktion – da das Ganze den Teil verwendet – zeigt er auf, dass sich der Benutzer von dem verwendeten Werkzeug unterscheidet.1776

Unterricht 27 mit Gottes Hilfe 130D–133C Ist es doch wohl richtig, so zu denken1777: Was d i e G e s p r ä c h s f ü h r u n g v o n S o k r a t e s m i t A l k i b i a d e s 1778 betrifft, so hat er [Sokrates] sowohl die Einführung aus den dialektischen Kämpfen heraus gemacht als auch den Abschluss, indem er einen Rauschzustand durch Liebesthemen bewirkte.1779 Auch die Wiederherstellung ist geeignet für die Liebe,1780 die auf die Rückwendung abzielt, wie auch die Gesprächsführung des Verliebten mit dem Geliebten. Denn die Sprache1781 ist ein Mittel der Gemeinsamkeit. Er fasste aber dieses [Wort] G e s p r ä c h e z u f ü h r e n früher wie folgt auf: „Da Sokrates mit Alkibiades ein Gespräch führt, bedient er sich der Sprache und hat dabei den Körper als Werkzeug“.1782 Jetzt aber hat er ein solches Konzept des gleichen [Wortes] G e s p r ä c h e z u f ü h r e n : „Da Sokrates mit Alkibiades ein Gespräch führt und sie sich als Seelen erwiesen haben, führen die Seelen ein Gespräch miteinander, um nach Gemeinsamkeit1783 miteinander zu streben.“ Und das ist nun ein Folgesatz1784. Deshalb fügt er, nachdem er sich in diesen Folgesatz gestürzt hat, noch drei weitere Folgesätze hinzu. Denn in einigen Teilen dieses Dialogs befindet sich seine Absicht, wie die Syllogismen, die beweisen, dass wir die Seele sind;1785 einige gehen der Absicht voraus, wie die Reinigung von 2 Unwissenheiten1786 und die Ermahnung;1787 und einige Teile folgen [der Absicht] nach, wie die jetzigen Folgesätze. Der zweite Folgesatz [ist], dass niemand, d e r j e w e i l s d e n e i n z e l n e n H a n d w e r k e n n a c h g e h t , über Selbsterkenntnis verfügt. Und hier wird der platonische Grundsatz deutlich, dass er nicht der Meinung ist, die Handwerke haben rationale Prinzipien1788 (denn wenn sie sich in der Seele befänden, würde ein Handwerker sich selbst erkennen). Ferner, dass man diese Lerngebiete beachten muss: Ihr Wert für uns beschränkt sich nicht nur auf unser Leben hier, sondern unterstützt uns auch nach unserer Abreise1789. Denn die Dinge hier1790 sind eine vorbereitende Bildung für unser Leben dort, das um ein Vielfaches bedeutender ist.1791

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Τρίτον πόρισμα· οὐδεὶς καθ’ ἕκαστα τεχνίτης σώφρων ἐστὶν ὡς μὴ γινώσκων ἑαυτόν. ἀλλὰ πῶς | τὸ γινώσκειν ἑαυτὸν σ ω φ ρ ο σ ύ ν η ς ἐστὶν καὶ οὐ φρονήσεως· ἢ ὅτι σωφροσύνης ἡ ἐπιστροφή· περὶ γὰρ τὸ χείριστον ἔχουσα καὶ μὴ ἔχουσα περαιτέρω κατελθεῖν, ἄνεισιν. ἢ διὰ τὸ ἐναντίον· α ἱ ἐ π ’ ἄ κ ρ ο ν ε ὐ ε ξ ί α ι σ φ α λ ε ρ α ί . ὅλως γὰρ τὸ γινώσκειν ἑαυτὸν πάσης ἀρετῆς ἐστί· καὶ γὰρ σωφροσύνης, διὰ τὴν ἐπιστροφήν, ὡς εἴρηται· καὶ φρονήσεως, ἐπειδὴ διὰ γνώσεως ἡ ἐπιστροφή· καὶ ἀνδρείας, ἐπειδὴ μὴ ὑποκατακλίνεται ταῖς περὶ ἑαυτοῦ ζητήσεσιν· καὶ δικαιοσύνης, ἐπειδὴ προσήκει πρὸ τῶν ἄλλων ἑαυτὸν εἰδέναι. καὶ πῶς ἐν Παρμενίδῃ διήλεγξεν ὁ Σωκράτης τὸν ὅρον τῆς σωφροσύνης τὸν λέγοντα σωφροσύνην εἶναι τὴν ἑαυτοῦ γνῶσιν; ὅτι εἰ καὶ ἀντακολουθοῦσιν ἀλλήλαις αἱ ἀρεταί, ἀλλὰ τῇ ἰδιότητι διαφέρουσιν· οὐ γάρ εἰσι μία, ἀλλὰ πᾶσαι ἐν μὲν τῇ ἀνδρείᾳ εἰσὶν ἀνδρείως, ἐν ἄλλῃ δὲ σωφρονικῶς· ὡς καὶ πάντες οἱ θεοὶ ἐν μὲν τῷ Διΐ εἰσι Διΐως, ἐν ἄλλῳ δὲ Ἡραίως, οὐδεὶς γὰρ θεὸς ἀτελής. καὶ ὡς Ἀναξαγόρας ἔλεγεν πάντα ἐν πᾶσιν, ἓν δὲ πλεονάζειν, οὕτω καὶ ἐπὶ τῶν θείων ἐροῦμεν. πᾶσα γὰρ ἀρετὴ φρόνησίς ἐστιν ὡς τὰ πρακτὰ εἰδυῖα· πᾶσα ἀνδρεία ὡς ἀγωνιζομένη· πᾶσα σωφροσύνη ὡς ἐπὶ τὸ κρεῖττον ἐπανάγουσα· πᾶσα δικαιοσύνη ὡς τὰ προσήκοντα τοῖς πρακτοῖς ἀπονέμουσα. | καὶ τῶν μὲν πολιτικῶν ἀρετῶν ἑκάστη ὑποκείμενον ἴδιον ἔχει, αἱ δὲ ὑπὲρ ταύτας πᾶσαι ἓν τῷ λόγῳ εἰσίν. ἀλλὰ πῶς οὐδεὶς τεχνίτης σώφρων; ἢ τριττὴ ἡ σωφροσύνη. πᾶσα μὲν γὰρ ἐπιστροφὴ ἀπὸ τοῦ χείρονος ἐπὶ τὸ κρεῖττον· καὶ ὅτε μὲν ὁ λόγος πρὸς ἑαυτὸν ἐπιστρέφει, ὡς ἐπιστρέφων χείρων ἐστὶ τοῦ πρὸς ὃ ἐπιστρέφει. καὶ ἡ μὲν τοῦ ἀλόγου πρὸς τὸν λόγον ἐπιστροφὴ πολιτική ἐστι σωφροσύνη, καὶ μόνον τὴν σωφροσύνην ταύτην δύνανται ἔχειν καὶ οἱ καθ’ ἕκαστα τεχνῖται καὶ οἱ πολιτικοί· ἡ δὲ τοῦ λόγου πρὸς ἑαυτὸν ἡ καθαρτικὴ σωφροσύνη· ἡ δὲ τοῦ λόγου πρὸς τὰ κρείττονα ὡς ἡ θεωρητικὴ σωφροσύνη. οἶδεν οὖν ὁ πολιτικὸς

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Der dritte Folgesatz: Kein Handwerker in einzelnen Bereichen ist besonnen, da er sich selbst nicht kennt. Warum gehört denn Selbsterkenntnis zur 214 B e s o n n e n h e i t und nicht zum Sachverstand? Nun, weil die Rückwendung zur Besonnenheit gehört1792: Denn, wenn [diese] im schlimmsten Zustand ist und nicht weiter in einen schlimmeren absteigen kann, steigt sie auf.1793 Oder ist es aufgrund des Gegenteils: „A u f H ö c h s t e g e t r i e b e n e s W o h l b e f i n d e n i s t s c h w a n k e n d “.1794 Denn im Allgemeinen gehört sich selbst zu erkennen zur gesamten Tugend: Sicherlich [gehört es] auch zur 5 Besonnenheit, aufgrund ihrer Rückwendung, wie gesagt wurde.1795 Auch zum Sachverstand [gehört es], da sich die Rückwendung [auf sich] aufgrund der Erkenntnis [entwickelt]. Auch zur Tapferkeit, weil [der Tapfere] von Erforschungen über sich selbst nicht abweicht.1796 Auch zur Gerechtigkeit, da es sich gehört, vor allen anderen Dingen sich selbst zu erkennen. Nun warum hat Sokrates im Parmenides1797 die Definition von Besonnenheit widerlegt, die behauptete, dass Besonnenheit Selbsterkenntnis ist? Denn auch wenn sich die 10 Tugenden einander entsprechen, unterscheiden sie sich doch mit einer bestimmten Eigenschaft1798: Denn sie sind nicht zahlenmäßig eins, sondern alle [Tugenden] sind auf tapfere Weise in der Tapferkeit und auf besonnene Weise in einer anderen [Tugend] gegenwärtig;1799 so wie alle Götter im Zeus auf zeusianische Weise, aber in einer anderen [Gottheit] auf heraische Weise anwesend sind, denn kein Gott ist unvollkommen.1800 Und wie Anaxagoras zu sagen pflegte, sind alle in allem, aber [in jedem Fall] überwiegt ein 15 [Element],1801 so werden wir das Gleiche über die göttlichen Wesen sagen. Denn jedeTugend ist Sachverstand, weil sie über Verständnis für auszuführende Handlungen verfügt; jede [Tugend] ist Tapferkeit, weil sie sich in einem Kampf befindet; jede [Tugend] ist Besonnenheit, weil sie zu dem führt, was besser ist. Jede [Tugend] ist Gerechtigkeit, weil sie den auszuführenden Handlungen ihren angemessenen [Rang] zuweist. Und unter den politischen Tugenden hat jede 215 ihren eigenen Gegenstand, wobei alle [Tugenden] über diese [politische] hinaus im Prinzip eins sind.1802 Aber warum ist kein Handwerker besonnen? Weil Besonnenheit dreifach ist.1803 Denn jede Rückwendung ist vom Schlechten zum Besseren1804: Selbst, wenn die Vernunft sich auf sich selbst zurückwendet, 5 insofern als sie auf sich zurückwendet, ist sie dem Objekt ihrer Rückwendung unterlegen. Und die Rückwendung des Unvernünftigen auf Vernunft ist die politische Besonnenheit, und das ist die einzige Besonnenheit, zu der Handwerksleute in einzelnen Bereichen und Politiker gleichermaßen fähig sind. Aber die [Rückwendung] der Vernunft auf sich selbst ist die kathartische Besonnenheit; und die [Rückwendung] der Vernunft auf ihren besseren [Teil] ist wie eine theoretische Besonnenheit. Daher kennt sich der Politiker nach der 10 gemeinschaftlichen Besonnenheit, die [die Rückwendung] des Unvernünftigen

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C. Text und Übersetzung

ἑαυτὸν κατὰ τὴν κοινὴν σωφροσύνην, τὴν ἀλόγου πρὸς λόγον, οὐ κατὰ τὴν καθαρτικὴν ἢ θεωρητικὴν σωφροσύνην. Τέταρτον πόρισμα· οὐδεὶς τῶν ἄλλων ἐραστῶν Ἀλκιβιάδου ἐρᾷ, ἀλλά τινος τῶν Ἀλκιβιάδου, μόνος δὲ Σωκράτης Ἀλκιβιάδου ἐρᾷ καὶ μόνος ἐστὶ κυρίως ἐραστής· ἐπειδὴ τέλος τοῦ ἔρωτος ἡ ἕνωσις, τὰ δὲ σώματα τόπῳ περιγράφεται καὶ δι’ ἀλλήλων οὐ χωρεῖ, αἱ δὲ ψυχαὶ δύνανται δι’ ὁμοηθείας καὶ ὁμοζωΐας διελθεῖν δι’ ἀλλήλων (καὶ γὰρ πρὸ τῆς ἐνταῦθα καθόδου πᾶσαι ἓν ἦσαν, ὡς καὶ πᾶσαι αἱ ἰδέαι ἕν εἰσιν καὶ τὸ αὐτοζῷον ποιοῦσι τῇ διΐξει καὶ τὸν νοητὸν κόσμον πρὸ τοῦ αἰσθητοῦ)· καὶ ὅτι ὁ ἔρως τοῦ καλοῦ ἐστίν, ὄντως δὲ καλὸν τὸ ἐν ψυχῇ, τὸ γὰρ σῶμα αἰσχρᾷ τῇ ὕλῃ ἐπινήχεται. Ἐφ’ οἷς τὸ τῆς ἐρωτικῆς τέλος γίνεται, ὁ ἀντέρως. ἀντερᾷ γὰρ Ἀλκιβιάδης Σωκράτους καὶ ἐκλιπαρεῖ αὐτὸν μὴ ἀποστῆναι· καὶ ἐπαγγέλλεται Σωκράτης μὴ ἀφίστασθαι τοῦ ἐρᾶν, εἰ μὴ διαφθαρῇ ὑπὸ τοῦ δήμου. δεινὸς γὰρ διδάσκαλος ὁ δῆμος, διότι ἐπαινῶν τοὺς ῥήτορας παρασκευάζει αὐτοὺς λόγους συντιθέναι ἀρέσκοντας τῷ δήμῳ. | καὶ ὥσπερ Ἑρμῆς Ὀδυσσεῖ, τῷ Ἀλκιβιάδῃ γίνεται ὁ Σωκράτης· ἰέναι πρὸς τὸν δῆμον ἀντὶ τῆς Κίρκης μέλλοντι φάρμακον ἀλεξητήριον τὸ κλῆθεν μῶλυ δίδωσι· δίδωσι δὲ πρὸς τὸ μὴ θηριωθῆναι ὑπὸ τοῦ δήμου. τὸ δὲ φάρμακον, μὴ ὅλον ὁμοῦ τὸν δῆμον θεάσασθαι, ἀλλὰ σκοπῆσαι τὰ ἐξ ὧν ὁ δῆμος. ο ὐ γ ὰ ρ ἀ π ὸ δ ρ υ ὸ ς ἢ ἀ π ὸ π έ τ ρ η ς τὴν γένεσιν ἔχει ὁ δῆμος, ἀλλ’ ἐκ τῶν καθ’ ἕκαστα· εὑρήσεις γὰρ τοὺς μὲν γναφεῖς, τοὺς δὲ σκυτεῖς, τοὺς δὲ τέκτονας, καὶ ἐοίκασιν οἱ τὸν δῆμον καταπληττόμενοι τοῖς ἑνὸς μὲν κιβδήλου νομίσματος καταφρονοῦσιν, πολλὰ δὲ ἅμα τοιαῦτα θαυμάζουσι. καίτοι μυρίαι ἀποφάσεις ἕνα συλλογισμὸν οὐ ποιοῦσι, τῆς μιᾶς ποιούσης. καὶ οὐ δεῖ ἐθέλειν ὑπὸ πολλῶν κυνῶν ὑλακτεῖσθαι· καὶ μᾶλλον γὰρ συγκέχυται τὸ πλῆθος ἢ ἕκαστον. καὶ τὸ πλῆθος οὐκ ἐπιτήδειον εἰ μὴ πρὸς τὴν διὰ χειρῶν βίαν. οὕτω δὲ καὶ Σωκράτης Ἀλκιβιάδῃ πεποίηκεν· περιαγαγὼν γὰρ αὐτὸν εἰς τὰ ἐργαστήρια καθ’ ἕκαστον ἠρώτα, εἰ ἀξιοῖ ὑπὸ τούτου ἐπαινεῖσθαι, τοῦ δὲ καθ’ ἕκαστον ἀποφάσκοντος ἐπήγαγεν ‘ἀλλὰ μὴν ὁ δῆμος ἐκ τούτων’. καὶ καλεῖ τὸ φάρμακον οὐ μῶλυ, ἀλλὰ ‘ἀπόδυσιν’· ἀποδύει γὰρ ἀπ’ αὐτοῦ τὸ πλῆθος, οἶον πολλοὺς χιτῶνας. οὕτω καὶ ὁ παρ’ Ὁμήρῳ Ὀδυσσεὺς οὐ τὸ κοινὸν ὅλον ἅμα ἐθεάσατο, ἀλλ’ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ἐ σ έ -

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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auf Vernunft [ist], dagegen nicht nach der kathartischen und theoretischen Besonnenheit. Der vierte Folgesatz: Keiner der anderen Liebhaber liebt Alkibiades, sondern etwas, das Alkibiades gehört; dagegen liebt nur Sokrates Alkibiades und er allein ist im strikten Sinne ein Verliebter. Da das Ziel der Liebe die Vereinigung 15 ist, sind die Körper einerseits im Raum begrenzt1805 und gehen nicht durcheinander hindurch, andererseits sind die Seelen dank ihres ähnlichen Charakters und Lebens in der Lage, durcheinander hindurchzugehen (denn tatsächlich waren vor dem Abstieg hierher alle [Seelen] eins,1806 so wie alle Ideen eins sind, und durch ihren gegenseitigen Durchgang1807 erzeugen sie sowohl das lebendige Wesen selbst1808 als auch den intelligiblen Kosmos vor dem sinnlich wahrnehmbaren [Kosmos]). Auch [der Folgesatz], dass die Liebe dem Schönen 20 gilt, dem wahrhaft Schönen, das sich in der Seele befindet – denn der Körper schwimmt auf der Materie, die hässlich ist.1809 In den Fällen, in denen das Ziel der Liebe erreicht wird, [entsteht] die Gegenliebe. Denn Alkibiades liebt Sokrates im Gegenzug und bittet ihn, sich nicht zu verlassen. Darauf kündigt Sokrates an, dass er seine Liebe nicht aufgeben wird, es sei denn, er [sc. Alkibiades] wird vom Volk verdorben.1810 Das 25 Volk ist ein gewaltiger Lehrer,1811 denn, indem sie die Redner loben, ermutigen sie sie, Reden zu halten, die dem Volk gefallen. Was Hermes für Odysseus ist1812, 216 wird Sokrates für Alkibiades: Als er im Begriff ist, sich dem Volk zu nähern, wie [Odysseus] der Kirke, gibt er ihm das Gegenmittel namens Moly1813. Er stellt es zur Verfügung, damit er [Alkibiades] nicht vom Volk in ein wildes Tier verwandelt wird.1814 Das Heilmittel ist nämlich, nicht das ganze Volk auf einmal 5 zu betrachten, sondern die [Teile] zu untersuchen, aus denen das Volk [besteht].1815 Denn das Volk entwickelt sich n i c h t a u s E i c h e o d e r S t e i n , 1816 sondern aus jeweils einzelnen [Menschen]. Dann wirst du sowohl Walker1817, als auch Schuster und auch Schreiner finden; und diejenigen, die von dem Volk beeindruckt werden, ähneln denen, die nichts von einer einzigen gefälschten Münze halten, aber sehr viele davon zusammen bewundern. Auch 10 wenn zahlreiche Negationen nicht zu einer einzigen Schlussfolgerung führen, eine Negation kann das.1818 Auch sollte man nicht erwarten, von vielen Hunden angebellt zu werden: Denn eine Menge ist verwirrter als jeder einzelne.1819 Und die Menge nützt nichts, außer wenn es um den Einsatz der Handkraft geht. So tat es auch Sokrates für Alkibiades1820: Denn nachdem er ihn zu den Handwerks- 15 tätten gebracht hatte, fragte er ihn nach jedem einzelnen, ob er darauf Wert legt, von dieser Person gepriesen zu werden, und nachdem er jeweils das verneinte, fügte er hinzu: „Aber sicher besteht das Volk aus diesen [Menschen]“.1821 Und er nennt dieses Heilmittel nicht Moly1822, sondern „Auskleidung“1823. Denn er zieht ihm die Menge aus, wie mehrere Tuniken. Ebenso bei Homer betrachtete

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C. Text und Übersetzung

δ ρ α κ ε ν ὀ φ θ α λ μ ο ῖ σ ι ν ’ . δηλοῖ δὲ καὶ ἡ Κίρκη, ἐπειδὴ ταύτης ἐμνήσθημεν, τὸν ἔφορον τῆς αἰσθητικῆς ζωῆς· διὸ καὶ Ἡλίου θυγάτηρ τοῦ ἡγεμονοῦντος ἐν τοῖς αἰσθητοῖς. παρέχει δὲ αὐτῷ καὶ ἄλλο ἀλεξιφάρμακον· παραινεῖ γὰρ αὐτῷ ἐπιμελεῖ|σθαι ἀρετῆς δι’ ἀσκήσεως καὶ μαθήσεως· καὶ ἡ μὲν ἄσκησις πρέπει τῷ ἀλόγῳ, ἡ δὲ μάθησις τῷ λόγῳ. ᾔδει γὰρ τὸν νέον ἐπτοημένον περὶ τὸν δῆμον. Μέχρι τούτων διαλεχθεὶς περὶ τοῦ α ὐ τ ὸ καὶ διδάξας τίς ὁ πολιτικὸς ἄνθρωπος, διαλέγεται ἐντεῦθεν καὶ περὶ τοῦ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ό , τουτέστι τοῦ καθαρτικοῦ καὶ θεωρητικοῦ, καί φησιν ὅτι ‘ὥσπερ εἰ προσέταττεν τῇ κόρῃ ὁ Πύθιος “ἴδε σεαυτήν”’ (καὶ οἰκεῖον τὸ προστάττον τῷ προσταττομένῳ, διότι ὥσπερ ὁ ἥλιος πηγὴ φωτός, οὕτω καὶ ἡ ὄψις ἡλιοειδὴς οὖσα ἀναλογεῖ ἡλίῳ) ‘κἀκείνη πεισθεῖσα τῷ προστάττοντι ὡς οἰκείῳ ἡγεμόνι καὶ μὴ δυναμένη εἰς ἑαυτὴν ἐπιστρέψαι διὰ τὸ ἑτεροκίνητον, πάντως ἂν ἢ εἰς ἄλλην ἀφεώρα ἢ εἰς κάτοπτρον, ἐξ οὗ δύναται ἑαυτὴν θεάσασθαι· οὕτω καὶ σύ, ἐπειδὴ ἐξετύφλωσας τὸ ἐν σοὶ αὐτοκίνητον καὶ ἑτεροκινήτως ἐνεργεῖς, μὴ δυνάμενος εἰς ἑαυτὸν ἐπιστρέψαι ἴδε εἰς τὴν ἐμὴν ψυχήν, καὶ γνώσῃ δι’ αὐτῆς καὶ τὴν σήν. ἀποβλέπων δὲ εἰς τὴν ἐμὴν εὑρήσεις ἐνόντα θ ε ῖ α ἀ γ ά λ μ α τ α , νοῦν γὰρ καὶ θεόν· καὶ διὰ μὲν τοῦ νοῦ καθαρτικῶς ἐνεργήσεις, διὰ δὲ τοῦ θεοῦ θεωρητικῶς. ἔστιν γὰρ ἐν αὐτῇ ὁ κατὰ σχέσιν θεός· καὶ διὰ μὲν τῆς τοῦ νοῦ ἐλλάμψεως ἔχομεν τὰς κοινὰς ἐννοίας, διὰ δὲ τῆς τοῦ θεοῦ τοὺς ἐνθουσιασμούς’. ἐβούλετο γὰρ ὡς ἐρωτικὸς μὴ καθ’ ἑαυτὸν ἀνάγεσθαι τὸν νέον, ἀλλὰ μεθ’ ἑαυτοῦ. διὸ καὶ διὰ τῆς ἑαυτοῦ ψυχῆς ἐβούλετο αὐτὸν ἀνάγεσθαι καὶ μὴ ἔχειν διεστραμμένον τὸ ἑαυτοῦ αὐτοκίνητον. Ἀλλ’ ἐπειδὴ περὶ τῶν ἐν τοῖς κατόπτροις φαινομένων εἰδώλων γέγονεν ὁ λόγος, οὐ δεῖ οἰηθῆναι, καθὼς ὁ φιλόσοφος Πρόκλος οἴεται, τὸν Πλάτωνα δοξάζειν ὅτι ἀνακλάσεις εἰσίν. αὗται γὰρ Περιπατητικαὶ καὶ μηχανικαί εἰσιν ἔννοιαι, τὸ λέγειν τὰς σκιὰς δι’ ἐπιπρόσθησιν σώματος γίνεσθαι. οὐ γὰρ οἴεται αὐτὰς ὁ | Πλάτων ἀμενηνὰς καὶ ἀσθενεῖς καὶ ἀδρανεῖς, ἀλλ’ ὑποστάσεις βούλεται αὐτὰς εἶναι· διὰ γὰρ ἀπορ-

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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Odysseus nicht alles gemeinsam auf einmal, sondern „b l i c k t e a u f j e d e n 20 m i t d e n A u g e n “.1824 Auch Kirke – da wir sie erwähnt haben – verweist auf den Aufseher des sinnlich wahrnehmbaren Lebens: Weil sie doch die Tochter von Helios ist, der der Herrscher über die Sinneswahrnehmungen ist. Er bietet ihm aber auch ein anderes Gegenmittel1825: Denn er ermahnt ihn, sich um Tugend zu sorgen, indem er übt und lernt. Und zwar ist die Übung geeignet für 217 den unvernünftigen [Teil der Seele], das Lernen aber für die Vernunft.1826 Denn er wusste, dass der Jüngling von dem Volk leidenschaftlich begeistert war. Bis zu diesem Punkt hat er [sc. Sokrates] über das S e l b s t gesprochen und gelehrt, wer der politische Mensch ist; von hier an spricht er auch über d a s 5 S e l b s t s e l b s t , das heißt, [über den] kathartischen und theoretischen [Menschen] und sagt1827: „Genauso, als ob der pythische Gott der Pupille [des Auges] befohlen hätte, ‚sieh dich selbst‘“ (und dieser Befehl ist dem Befohlenen angemessen, denn die Sonne ist die Quelle des Lichts, so auch das Sehvermögen, das sonnenförmig ist, ist in einer Analogie mit der Sonne), „und diese [Pupille] 10 dem Befehlenden als ihrem eigenen Herrscher gehorchte, doch aufgrund ihrer von außen bewegten Natur sich nicht auf sich selbst zurückwenden könnte,1828 würde sie sicherlich auf eine andere [Pupille] oder auf einen Spiegel schauen,1829 von dem aus sie sich selbst beobachten könnte. Ebenso du, da du die Selbstbewegung in dir abgestumpft hast und von außen bewegt handelst,1830 indem du nicht in der Lage bist, dich auf dich selbst zurückzuwenden, blicke nun auf meine Seele und erkenne durch sie deine eigene [Seele]. Wenn du auf meine 15 [Seele] hinblickst, wirst du darin g ö t t l i c h e A b b i l d e r 1831, Vernunft und auch Gott finden. Und mit Hilfe der Vernunft wirst du auf kathartische Weise handeln, während [du] mit Hilfe des Gottes auf theoretische Weise [handeln wirst]. Denn es gibt in der [Seele] den Gott dem Verhältnis entsprechend1832; und einerseits haben wir die Gemeinbegriffe durch die Erleuchtung der Vernunft1833, andererseits haben wir Inspirationen durch die [Erleuchtung] des Gottes.“ Denn als Liebender wollte er [sc. Sokrates] nicht, dass der Jüngling ihm folgend 20 hinaufsteigt, sondern zusammen mit ihm.1834 Deshalb wollte er auch, dass er durch seine eigene Seele aufsteigt und seine Selbstbewegende [Kraft] nicht abgewendet wird. Aber da sich die Diskussion auf die Bilder1835 bezieht, die auf den Spiegeln erscheinen, soll nicht angenommen werden, was der Philosoph Proklos annimmt, dass Platon sie für Reflexionen hält.1836 Diese Konzepte sind peri- 25 patetisch und mechanistisch, nämlich zu behaupten, dass Schatten durch die Zwischenstellung eines Körpers entstehen.1837 Platon nimmt nicht an, dass sie 218 ohne Lebenskraft, ohne körperliche Kraft und ohne Tatkraft sind, sondern er meint, dass sie Wesen mit konkreter Existenz1838 sind: Denn [aus seiner Sicht]

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C. Text und Übersetzung

ροιῶν γίνεσθαι ταύτας ἐκ τῶν αἰσθητῶν ἐξιούσας, οἶον ἐν τῷ ὀφθαλμῷ, καὶ πηγνυμένας ἐν τῷ κατόπτρῳ φαινομένας, ὡς πάλιν δι’ ὁμοιότητος γίνεσθαι τὴν γνῶσιν. ἐοίκασι γὰρ αἱ ἀπόρροιαι τοῖς ὧν εἰσὶν ἀπόρροιαι· διὸ τὸ κρυσταλλοειδὲς διὰ τῶν οἰκείων ἀπορροιῶν οἶον ἑαυτὸ ὁρᾷ ἐν τῷ κατόπτρῳ. ὥσπερ γάρ, φησὶν ὁ φιλόσοφος Δαμάσκιος, ὁ ἐν εἰκόνι ἑαυτὸν ὁρῶν οὐ δι’ ἀνακλάσεως ἑαυτὸν ὁρᾷ, οὕτω καὶ ἐν τῷ κατόπτρῳ οὐ δι’ ἀνακλάσεως, ἀλλὰ τῷ εἶναι ἐκεῖ ἀπεικόνισμα τοῦ ὀφθαλμοῦ. καὶ τοῦτο καὶ ἀλλαχοῦ βούλεται ὁ Πλάτων. ἐν γὰρ τῷ Σοφιστῇ λέγει τὰς σκιὰς δ α ι μ ο ν ί ᾳ μ η χ α ν ῇ γίνεσθαι, διὰ τὸ ὀξὺ τῆς πήξεως· πᾶν γὰρ τὸ ὀξὺ δαιμόνιον καλοῦσιν οἱ παλαιοὶ διὰ τὸ δραστήριον τῶν δαιμόνων, διὸ καὶ Ἀριστοτέλην δαιμόνιον καλοῦσιν ὡς ὀξύτατον γενόμενον. καὶ περὶ τοῦ Ὕλλου δὲ τοῦ ποταμοῦ ἱστοροῦσιν ὅτι εἴ τις ἐκ τοῦ ὕδατος αὐτοῦ ποτήριον πληρώση εὐθὺς γεννᾶσθαι ἰχθῦς· διὸ καὶ ὁ ποιητὴς κατ’ ἐξαίρετόν φησιν τὸ ‘ Ὕ λ λ ῳ ἐ ν ἰ χ θ υ ό ε ν τ ι ’ , καίτοι καὶ ἄλλων ποταμῶν ἰχθῦς γεννώντων, ἀλλὰ διὰ | τὸ ταχὺ τῆς πήξεως καὶ τῆς γενέσεως. ὅτι δὲ τοῦτο ἀληθές ἐστι, κατασκευάζουσιν οἱ παλαιοί, τουτέστι τὸ εἶναι ὑποστάσεις τὰς σκιάς· πρῶτον μὲν ὅτι, εἰ κυνὸς καθεύδοντος ἐν ὑψηλῷ τόπῳ ἡ σκιὰ αὐτοῦ ἐκπέμποιτο εἰς τὴν γῆν, ὕαινα διελθοῦσα καὶ πατήσασα τὴν σκιὰν καταπεσεῖν ποιεῖ τὸν κύνα· δῆλον ἄρα ὅτι οὔκ εἰσιν ἐμφάσεις, ἀλλὰ ἀπόρροιαι. δεύτερον ὅτι εἰ αἱ καθαιρόμεναι γυναῖκες τὴν ἐπιμήνιον φορὰν ἴδοιεν εἰς κάτοπτρον, εὐθέως αὐτὸ κηλιδοῦσιν, ὥστε σαφὲς ἐξ ἀπορροίας αὐτῶν τοῦτο γίνεται. | ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία.

131D Εὖ γε ποιῶν, ὦ Σώκρατες: ἰδοὺ πῶς ἐκλιπαρεῖ αὐτὸν μεῖναι, δι’ οὗ δηλοῦται ὁ ἀντέρως. τοῦτο γὰρ τέλος τοῦ ἐρωτικοῦ, τὸ ἀντερᾶσθαι ὑπὸ τῶν παιδικῶν καὶ μεταβάλλειν τὸ σχῆμα τοῦ ἔρωτος, ὡς τὸν μὲν πάλαι ἐρῶντα ἐρώμενον ποιῆσαι, τὸν δὲ πάλαι ἐρώμενον ἐραστήν. Προθυμοῦ τοίνυν ὅτι κάλλιστος εἶναι: τουτέστιν ‘εἰ βούλει με μὴ ἀποστῆναι, ἔσο κάλλιστος’· ὡς γὰρ ἐρωτικὸς οὐκ ἀνέχεται εὐτελοῦς ἐρᾶν. ὁ γὰρ ἔρως ὡς ἐ ρ ρ ω μ έ ν ο ς ὤν (διὸ καὶ οὕτως ὠνόμασται)

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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entwickeln sie sich durch die Ausströmungen1839, die aus Sinnesobjekten hervorgehen, so wie [sie] im Auge [entstehen]; und wenn sie konzentriert sind, erscheinen sie auf dem Spiegel, so dass wiederum durch die Ähnlichkeit Erkenntnis entsteht.1840 Denn die Ausströmungen ähneln den Quellen, aus 5 denen sie fließen; deshalb sieht die Kristalllinse [des Auges] aufgrund seiner eigenen Ausströmungen sich selbst auf dem Spiegel genauso, wie sie ist.1841 Ferner genauso, sagt der Philosoph Damaskios, wie sich jemand nicht durch Reflexion sieht, der sich auf eigenem Bild sieht, so [sieht sich jemand] auch nicht durch Reflexion auf dem Spiegel; sondern weil es dort eine Nachbildung des Auges gibt. Diese Ansicht vertritt Platon auch woanders. Im Sophistes sagt er, 10 dass Schatten aufgrund ihrer Festigungsgeschwindigkeit1842 i n e i n e m d a i m o n i s c h e n P r o z e s s entstehen.1843 Denn die Alten nennen alles, was schnell ist, daimonisch, wegen der Tatkraft der Daimones, was auch der Grund dafür ist, dass sie Aristoteles daimonisch nennen, weil er außergewöhnlich schnell ist.1844 Ferner berichtet man über den Fluss Hyllos, dass, wenn jemand einen Trinkbecher aus seinem Wasser füllt, sofort [darin] Fische erzeugt 15 werden: Das ist auch der Grund, warum der Dichter hervorhebend sagt: „i m f i s c h s c h w ä r m e n d e n H y l l u s “1845, obwohl andere Flüsse auch Fische erzeugen, dennoch [wird dieser] wegen seiner Geschwindigkeit der Festigung 219 und Erzeugung [hervorgehoben]. Nun behaupten die Alten, dass dies wahr ist – dass Schatten konkrete Existenz haben – [wie folgt]: Erstens, wenn ein Hund an einem hohen Ort schläft, und sein Schatten auf den Boden geworfen wird, lässt 5 eine Hyäne, die über den Schatten kommt und auf ihn tritt, den Hund herabsteigen: Deshalb ist es klar, dass [Schatten] keine Abdrücke, sondern Ausströmungen sind.1846 Zweitens, wenn Frauen, die sich in der Reinigung des monatlichen Zyklus befinden, in einen Spiegel schauen, beflecken sie ihn sofort, sodass es eindeutig folgt, dass dies wegen ihrer Ausströmung geschieht.1847 Das 220 hat die Theorie. 131D Gut, dass du das machst, Sokrates: Siehe, wie er ihn bittet, dass er bleibt, dadurch wird seine Gegenliebe deutlich. Denn das ist das Ziel des Liebenden, von seinem Liebling geliebt zu werden und die Rollen bei der Liebe zu tauschen,1848 sodass er den vorherigen Liebenden zum Geliebten und den vorherigen Geliebten zum Verliebten macht. Bemüh dich deshalb, so schön wie möglich zu sein: Bedeutet: „Wenn du willst, dass ich dich nicht verlasse, sei so schön wie möglich.“ Denn als Liebender kann er es nicht ertragen, einen unbedeutenden Menschen zu lieben. Denn die Liebe (eros), da sie k r ä f t i g (errhomenos) ist1849 (weshalb sie auch

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καὶ ὡς ἡ ρ ω ϊ κ ὸ ς ὢν εὐτελοῦς ὑψηλὸν βούλεται εἶναι τὸν ἐρώμενον.

C. Text und Übersetzung

πράγματος

οὐκ

ἀνέχεται,

ἀλλ’

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131E Ὡς οὕτω γέ σοι ἔχει· οὔτε ἐγένετο, ὡς ἔοικεν: φησὶν ὅτι ‘βούλομαί σε κάλλιστον εἶναι, οὐ γὰρ ἐγένετό τις ἐρῶν Ἀλκιβιάδου εἰ μὴ μόνος Σωκράτης’. τί δὲ ἄρα ἐστὶν ‘ἀλλ’ ἢ εἷς μόνος, καὶ οὗτος ἀγαπητός’; δοκεῖ γὰρ ἀδιανόητον εἶναι τοῦτο· εἰ γὰρ εἷς, καὶ ἀγαπητός. ἢ οὕτως δεῖ ἀκούειν τοῦ λόγου, ὅτι ‘εἷς σου γέγονεν ἐραστής, καὶ οὗτος ὁ ἀγαπητός’ (λείπει γὰρ τὸ ἄρθρον), ‘ Σ ω κ ρ ά τ η ς ὁ Φ α ι ν α ρ έ τ η ς τῆς μαίας ὁ υἱὸς κ α ὶ Σ ω φ ρ ο ν ί σ κ ο υ τοῦ λιθοξόου’· ὥστε οὐκ ὠφέλησεν οὐδὲν τὸν Ἀλκιβιάδην ἡ εὐγένεια (ἦν γὰρ Ἀλκμαιωνίδης καὶ Αἰακίδης) | οὔτε κατέβλαψε τὸν Σωκράτην πρὸς σοφίαν ἡ δυσγένεια. τὸ δὲ ‘ ὡ ς ο ὕ τ ω γ έ σ ο ι ἔ χ ε ι ’ τουτέστιν ‘οὕτως ἔχει τὰ πράγματα’. Οὐκοῦν ἔφησθα σμικρὸν φθῆναί με παρελθόντα σοι: τοῦτο γὰρ ἐν ἀρχῇ ἔλεγεν, ὅτι ‘σμικρόν με ἔφθης διειλεγμένος, ἐπεὶ ἐγὼ ἐβουλόμην σε ἐρέσθαι, διὰ τί οὐκ ἀπαλλάττῃ μου’. καί φησιν ὅτι ‘τοῦτο μόνον αἴτιον τοῦ μὴ ἀπαλλάττεσθαί με, τὸ μόνον εἶναί με ἐραστὴν σόν. διὸ ἐκεῖνοι μὲν ἀνθοῦντος τοῦ σώματος παρῆσαν, ἐγὼ δὲ τούτου μὲν ἀπανθοῦντος, τῆς δὲ ψυχῆς ἀνθούσης πάρειμι. κ α ὶ ν ῦ ν ’ , φησίν, ‘καὶ ἀεί, ε ἰ μ ὴ δ ι α φ θ α ρ ῇ ς ὑ π ὸ τ ο ῦ Ἀ θ η ν α ί ω ν δ ή μ ο υ ’ (ᾔδει γὰρ αὐτὸν φιλόδημον ὄντα) ‘ ο ὐ μ ή σ ε ἀ π ο λ ε ί π ω ’ . οἶον γάρ ἐστιν ὅτι ἑνὸς ἑκάστου καταφρονοῦμεν, τὸν δὲ πολὺν ὄχλον περὶ πολλοῦ ποιούμεθα. καίτοι μία μὲν ἀπόφασις συλλογισμὸν ποιεῖ, πολλαὶ δὲ οὐ ποιοῦσιν· ἔοικε γὰρ τὸ πλῆθος ἀποφάσει συναγούσῃ εἰς μίαν σύγχυσιν τὰ πράγματα, οὕτω γὰρ καὶ τὸ πλῆθος συγχύσεως αἴτιον.

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132A Πολλοὶ γὰρ ἤδη καὶ ἀγαθοὶ αὐτὸ πεπόνθασιν: εἰ ἀγαθοί, πῶς δήμου ἐρασταὶ γεγόνασι καὶ διεφθάρησαν; ἢ κατὰ τὴν ἕξιν μόνον ἦσαν ἀγαθοί. Εὐπρόσωπος γὰρ ὁ τοῦ μεγαλήτορος δῆμος: παρῳδεῖ τὸ ἔπος ‘ δ ῆ μ ο ς Ἐ ρ ε χ θ ῆ ο ς μ ε γ α λ ή τ ο ρ ο ς ’ . ‘ἀλλὰ δεῖ αὐτὸν ἀποδύντα

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221, 10 Olymp. εἰ / γε ἂν, Plat. Alc. 132a1. 11 Olymp. ἀπολείπω / ἀπολίπω Plat. Alc. 132a3.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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diesen Namen erhalten hat) und weil sie h e l d e n h a f t (heroikos) ist1850, kann keinen unbedeutenden Gegenstand ertragen, sondern will, dass der Geliebte 10 erhaben ist. 131E So ist es also bei dir: Wie es scheint, ist es nicht gewesen1851: Er sagt: „Ich möchte, dass du so schön wie möglich bist, denn es gab noch nie jemanden, der Alkibiades liebte, außer Sokrates allein.“1852 Warum dann [sagt er]: „Außer einem einzigen, und zwar einem geschätzten“?1853 Denn das scheint unüberlegt zu sein: Wenn er der Eine ist, dann [ist er] auch geschätzt. Nun, man muss diese Aussage wie folgt verstehen: „Es ist dazu gekommen, dass du 15 einen Verliebten hast, und das ist der geschätzte“ (denn er lässt den Artikel weg1854) „S o k r a t e s , der Sohn der Hebamme P h a i n a r e t e u n d des Steinmetzen S o p h r o n i s k o s “. Die Folge ist, dass für Alkibiades die adlige Abstammung keine Hilfe war (denn er war ein Nachkomme von Alkmaion und Aiakos), noch hat die niedrige Abstammung von Sokrates seiner Weisheit 221 geschadet. Und der Satz „s o i s t e s b e i d i r “ bedeutet, „so steht es mit [deinen] Angelegenheiten“.1855 Hast du nicht soeben gesagt, dass ich dir vorweggenommen habe, mich [an dich] anzunähern1856: Denn das ist es, was er am Anfang sagte, dass 5 „du mir ein bisschen zuvorgekommen bist, indem du ein Gespräch beginnst, denn ich hätte vor, dich zu fragen, warum du mich nicht in Ruhe lässt“1857. Und er antwortet: „Das ist der einzige Grund, warum ich dich nicht in Ruhe lasse, dass ich dein einziger Liebhaber bin. Deshalb waren diese [Männer] nur da, während dein Körper in der Blüte stand; aber wenn seine Blüte aus ist, bin ich für die Blüte der Seele da.1858 S o w o h l j e t z t “, führt er fort, „und immer, w e n n d u n i c h t v o m V o l k d e r A t h e n e r v e r d o r b e n w i r s t “ (denn er wusste, dass er 10 [Alkibiades] ein Liebhaber des Volkes war), „w e r d e i c h d i c h n i e v e r l a s s e n “1859. Denn es ist so, dass wir nichts von einer einzelnen Person halten, aber einen sehr großen Wert auf eine große Schar legen.1860 Auch wenn eine Negation eine Schlussfolgerung bilden kann, können viele [Negationen] dies nicht tun.1861 Denn die Menge ähnelt einer Negation, die ihren Gegenstand in eine einzige Verwirrung bringt, auch auf diese Weise nämlich ist die Menge eine 15 Ursache der Verwirrung. 132A Denn vielen tüchtigen Menschen ist dies bereits widerfahren1862: Wenn sie tüchtige [Männer] waren, wie wurden sie dann Liebhaber des Volkes und erlitten Verderben? Nun, sie waren nur tüchtig in ihrer Veranlagung.1863 Denn das Volk des Großherzigen sieht auf dem Gesicht schön aus1864: Er spielt auf den Spruch „d a s V o l k d e s g r o ß h e r z i g e n E r e c h t h e u s “ 20 an.1865 „Aber es ist notwendig, ihn von der Menge ausgekleidet zu betrachten“.1866 Siehe auch, dass der Name von Sokrates’ Moly Auskleidung ist. So auch Odysseus: „s a h j e d e n e i n z e l n e n m i t s e i n e n A u g e n a n “1867.

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C. Text und Übersetzung

τὸ πλῆθος θεάσασθαι’· καὶ ἰδοὺ τὸ ὄνομα τοῦ Σωκρατικοῦ μώλυος ἀπόδυσις. οὕτω καὶ Ὀδυσσεύς· ‘ α ὐ τ ὰ ρ ἕ κ α σ τ ο ν ἐ σ έ δ ρ α κ ε ν ὀ φ θ α λ μ ο ῖ σ ι ν ’ . τὸ δὲ ‘ ε ὐ π ρ ό σ ω π ο ς ’ ἐπὶ ὅλου ὡς ὅλου εἴρηται, ἐπεὶ ἕκαστος αὐτῶν εὐτελής. 132B Γύμνασαι πρῶτον, ὦ μα|κάριε, καὶ μάθε: ἰδοὺ ἄλλο ἀλεξιφάρμακον δίδωσι, τὴν ἄσκησιν καὶ τὴν μάθησιν τῆς ἀρετῆς. Ἀλλὰ πειρῶ ἐξηγεῖσθαι: ἰδοὺ πάλιν σημεῖον τοῦ ἀντέρωτος, λιπαρεῖ γὰρ αὐτὸν διδάξαι. τὸ δὲ ‘ ἡ μ ῶ ν α ὐ τ ῶ ν ’ δηλοῖ διὰ τοῦ διπλασιασμοῦ τὸ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ό , τὸν καθαρτικὸν βίον καὶ τὸν θεωρητικόν· μέχρι γὰρ τῶν ἐνταῦθα ὁ πολιτικὸς βίος. ἀλλ’ εἰ ἠθικὸς ὁ σκοπὸς τοῦ διαλόγου, πῶς διαλέγεται περὶ τοῦ καθαρτικοῦ καὶ θεωρητικοῦ βίου; ἐντεῦθεν γὰρ οἱ περὶ αὐτοῦ λόγοι. ἢ κατὰ μὲν τὸν φιλόσοφον Πρόκλον ἠθικός ἐστιν ὁ σκοπός, αὐτὸ μὲν γὰρ ἀκούει τὴν τριμέρειαν, α ὐ τ ὸ δὲ τ ὸ α ὐ τ ὸ τὴν λογικὴν ψυχὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι· κατὰ δὲ τὸν φιλόσοφον Δαμάσκιον καὶ πολιτικὸν σκοπὸν ἔχει καὶ καθαρτικὸν καὶ θεωρητικόν, διότι αὐτὸ ἀκούει τὴν λογικὴν ψυχὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι, α ὐ τ ὸ δὲ τ ὸ α ὐ τ ὸ τὴν ἄνευ ὀργάνου. Ὃ γάρ ἐσμεν ἐπιεικῶς ὡμολόγηται: ἰδού φησι ‘πεπέρανται τὸ γνῶναι ἡμᾶς πολιτικῶς ἑαυτούς’· τοῦτο γὰρ δηλοῖ διὰ τοῦ ‘ ἐ π ι ε ι κ ῶ ς ’ , τὸν πολιτικὸν βίον. τὸ δὲ ‘ἔστι ταῦτα’ διὰ τοῦ πληθυντικοῦ τὸ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ὸ ἐδήλωσεν.

132C Ὅτι ψυχῆς ἐπιμελητέον καὶ εἰς τοῦτο βλεπτέον: ‘ψυχῆς οὖν φροντίδα ποιητέον’, φησίν, ‘ἀλλ’ οὐ τοῦ πρώτου κτήματος, οἶον τοῦ σώματος, ἢ τοῦ δευτέρου, οἶον τῶν χρημάτων· ἐπεὶ πάλιν πολιτικῶς ἑαυ|τοὺς εἰσόμεθα, νῦν δὲ καθαρτικῶς καὶ θεωρητικῶς βουλόμεθα ἑαυτοὺς γνῶναι’. Τίνα οὖν τρόπον ἂν γνοίημεν αὐτὰ ἐναργέστατα; οἰκεῖον τὸ ‘ ἐ ν α ρ γ έ σ τ α τ α ’ τῷ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , ἡλίῳ ὄντι, ὃς ἔφορος τῆς ἐναργείας. πάλιν δέ φησιν ‘ ἡ μ ᾶ ς α ὐ τ ο ὺ ς ’ ἐφεξῆς, διὰ τοῦ ἀναδιπλασιασμοῦ τὸ α ὐ τ ὸ < τ ὸ > α ὐ τ ὸ δηλῶν.

223, 4 Olymp. τρόπον ἂν / ἂν τρόπον Plat. Alc. 132c7. 4 Olymp. γνοίημεν / γνοῖμεν cf. Plat. Alc. 132c7. 4 Olymp. αὐτὰ / αὐτὸ Plat. Alc. 132c7.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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Und der Ausdruck „a u f d e m G e s i c h t s c h ö n “ wurde für alle als Gruppe verwendet, da jeder von ihnen einzeln unbedeutend war.

132B Übe zuerst, mein Bester, und lerne1868: Siehe, wie er ihm ein weiteres 222 Gegenmittel zur Verfügung stellt, nämlich die Einübung und das Lernen der Tugend. Aber versuch es zu erläutern1869: Siehe einen weiteren Hinweis auf die Gegenliebe, als er ihn bittet, zu lehren. Und der Ausdruck „u n s e r e r s e l b s t “ weist durch Verdopplung1870 auf d a s S e l b s t s e l b s t , auf das kathartische 5 und auf das theoretische Leben hin. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war das politische Leben [das Thema]. Aber wenn die Absicht des Dialogs mit Ethik zu tun hat, warum sollte er dann über das kathartische und theoretische Leben sprechen?1871 Von hier an geht die Diskussion nämlich darum. Nun, nach dem Philosophen Proklos ist die Absicht [des Dialogs] ethisch, denn er versteht S e l b s t als die Dreiteilung [der Seele] und d a s S e l b s t s e l b s t als die 10 vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. Nach dem Philosophen Damaskios hingegen hat [der Dialog] sowohl eine politische, als auch eine kathartische und theoretische Absicht, da er S e l b s t als die vernunftbegabte Seele versteht, die den Körper als Werkzeug benutzt, und d a s S e l b s t s e l b s t als die [vernunftbegabte Seele] ohne Werkzeug.1872 Was wir sind, darüber haben wir uns einigermaßen verständigt1873: 15 Siehe, wie er sagt: „wir haben definiert, was uns selbst auf politische Weise zu erkennen ist“1874: Denn darauf deutet er mit „e i n i g e r m a ß e n “, nämlich auf das politische Leben. Und „diese sind“1875 deutet, durch den Gebrauch des Plurals, auf d a s S e l b s t s e l b s t . 132C Dass man sich um die Seele sorgen und seinen Blick darauf richten muss1876: „Nun müssen wir uns um unsere Seele kümmern“, sagt er, 20 „aber nicht um [unser] primäres Eigentum, nämlich den Körper, oder um [unser] sekundäres [Eigentum], nämlich unsere Besitztümer: Denn ein andermal werden wir uns selbst auf politische Weise erkennen, während wir uns jetzt 223 auf kathartische und theoretische Weise erkennen wollen.“1877 Auf welche Weise denn können wir diese am klarsten erkennen?1878 Der [Ausdruck] „a m k l a r s t e n “ ist relevant für „e r k e n n e d i c h 5 s e l b s t “, da es der Sonne gehört1879, dem Aufseher der Klarheit. Wiederum sagt er im Folgenden „u n s s e l b s t “, was durch die Verdopplung1880 auf d a s S e l b s t s e l b s t deutet.

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C. Text und Übersetzung

132D Κινδυνεύει γὰρ οὐδὲ πολλαχοῦ εἶναι παραδείγματα αὐτῆς: τουτέστιν ‘οὐκ ἔστιν οἰκειότερον παράδειγμά τι ὄψεως διὰ τὸ καὶ αὐτὴν ἡλιοειδῆ εἶναι καὶ οἰκείαν τῷ προστάξαντι’. 132E Εἰς τὰ κάτοπτρά τε καὶ τὰ τοιαῦτα: διὰ μὲν τῶν κ α τ ό π τ ρ ω ν ἐδήλωσε τὰ τεχνητὰ κάτοπτρα, διὰ δὲ τοῦ ‘ κ α ὶ τ ὰ τ ο ι α ῦ τ α ’ τὰ φυσικά, οἶον ὕαλον ἢ κέρας. ἰστέον δὲ ὅτι ‘ κ ό ρ η ’ λέγεται ἢ διὰ τὸ πλησιάζειν τῷ κρυσταλλοειδεῖ καθαρῷ ὄντι· τοιαύτη δὲ καὶ ἡ κόρη, ἠΐθεος οὖσα· ἢ διὰ τὸ πεφυλάχθαι πολλοῖς χιτῶσιν, καθάπερ καὶ ἡ κόρη.

Πρᾶξις σὺν θεῷ κηʹ 133C-135E Τὸ δὲ γινώσκειν ἑαυτὸν ὁμολογοῦμεν. Ἐπειδὴ ἔγνωμεν ἑαυτοὺς καὶ πολιτικῶς (γνόντες ὅτι ψυχή ἐστιν ὁ ἄνθρωπος ὀργάνῳ χρωμένη τῷ σώματι) καὶ καθαρτικῶς (γνόντες ὅτι ψυχή ἐστι λογικὴ μὴ προσχρωμένη ὀργάνῳ τῷ σώματι, ἀλλ’ ἐπιστρέφουσα πρὸς ἑαυτήν) καὶ θεωρητικῶς (γνόντες ψυχὴν λογικὴν ὄντα τὸν ἄνθρωπον μηδὲ ὡς ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι, ἐπιστρέφουσαν πρὸς τὰ κρείττονα), ἐξαίρει τὸ γινώσκειν ἑαυτόν, λέγων ὅτι ὁ μὴ γινώσκων ἑαυτὸν οὐκ ἔστι πολιτικός. τοῦτο δέ φησιν, διότι ὁ Ἀλκιβιάδης ἐφρόντιζε τοῦ πολιτικὸς εἶναι· ἑώρα γὰρ αὐτὸν ᾄ τ τ ο ν τ α ἐπὶ τὰ τῆς πόλεως πράγματα. καὶ οὐ μόνον πολιτικὸς οὐκ ἔστιν, ἀλλὰ καὶ ἄθλιος, ὡς ἁμαρτάνων· καὶ μᾶλλον ἄθλιος, εἰ δύναμιν προσλάβοι· καὶ οὐ μόνον ἄθλιος, ἀλλὰ καὶ ἀθλιοποιός, διότι ἑτέρων προέστηκεν· καὶ μάλιστα ἀθλιοποιός, εἰ δύναμιν αὐτοῖς περιποιήσηται, οἶον νεώρια καὶ λιμένας καὶ τείχη καὶ πρόσοδον. ταῦτα δὲ λέγει αἰνιττόμενος εἰς Περικλέα τὸ τεῖχος κτίσαντα τοῦ Πειραιῶς καὶ Θεμιστοκλέα τὰς τριήρεις κατασκευάσαντα διὰ τὸν χρησμόν· ‘τεῖχος Τριτογενεῖ ξύλινον διδοῖ εὐρύοπα Ζεύς’.

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Καὶ κατασκευάζει τρία | τινά · ὅτι ὁ ἀγνοῶν ἑαυτὸν καὶ τὰ ἑαυτοῦ ἀγνοεῖ. (καὶ πῶς ἐλέγομεν ἀνωτέρω τὸν ἰατρὸν εἰδέναι μὲν τὰ ἑαυτοῦ,

223, 8 Olymp. παραδείγματα / παράδειγμα Plat. Alc. 132d3. 8 Olymp. αὐτῆς / αὐτοῦ Plat. Alc. 132d3. 11 Olymp. add. τὰ, cf. Plat. Alc. 132e2. 224, 2 Olymp. ἑαυτὸν / αὑτὸν, Plat. Alc. 133c18–19.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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132D Es ist wahrscheinlich, dass es nicht viele Beispiele dafür gibt1881: Bedeutet: „Es gibt kein angemesseneres Beispiel als das Sehvermögen, denn er ist sonnenähnlich geformt und demjenigen angemessen, der den Befehl gibt“.1882 132E Auf Spiegeln und ähnlichen Dingen1883: Durch S p i e g e l bezieht er sich auf künstliche Spiegel, und durch „D i n g e d i e s e r A r t “ auf natürliche [Spiegel], wie Kristall und Horn. Man muss auch wissen, dass es „P u p i l l e (korê)“1884 genannt wird, entweder wegen seiner Nähe zur Kristalllinse, die rein (katharos) ist. – Auch derartig ist eine Jungfer (korê), da sie unverheiratet ist – Oder weil es mit vielen Schutzschichten umwickelt wurde, genau wie bei einer Jungfer (korê).1885

Unterricht 28 mit Gottes Hilfe

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133C–135E Wir haben aber zugestimmt, dass sich selbst zu erkennen1886: Da wir uns selbst erkannt haben, sowohl auf politische Weise1887 (indem wir erkennen, dass der Mensch eine Seele ist, die den Körper als Werkzeug benutzt), als auch auf kathartische Weise (indem wir erkennen, dass diese eine vernunftbegabte Seele ist, die den Körper nicht als Werkzeug benutzt, sondern sich 5 auf sich selbst zurückwendet), und auf theoretische Weise (indem wir erkennen, dass der Mensch eine vernunftbegabte Seele ist, die den Körper nicht als Werkzeug benutzt, sondern sich auf überlegenere Wesen zurückwendet), hebt er das Erkennen von sich selbst hervor, indem er sagt, dass wer sich selbst nicht erkennt, der kein politischer Mensch ist. Er sagt das, weil Alkibiades vorhatte, 10 ein Politiker zu werden: Denn er sah ihn in die Angelegenheiten der Polis s t ü r m e n .1888 Und er ist nicht nur kein Politiker, sondern auch unglücklich, weil er im Irrtum ist. Noch umso unglücklicher, wenn er die Macht ergreifen würde. Dazu [ist er] nicht nur unglücklich, sondern auch ein Unglücksbringer, weil er [als Machthaber] über andere [Menschen] gesetzt wäre. Und vor allem ein Unglücksbringer, wenn er sie mit Macht versorgen würde, wie Werften, 15 Häfen, Mauern und öffentliche Einnahmen.1889 Er sagt aber dies, um auf Perikles, der die Mauer von Piräus gebaut hat,1890 und auf Themistokles anzuspielen, der aufgrund des Orakelspruchs die Trieren vorbereitet hat: „E i n e M a u e r a u s H o l z g i b t d e r T r i t o g e n e i a Z e u s , d e r w e i t h i n B l i c k e n d e “ 1891 Darauf erarbeitet er diese drei [Schlüsse]1892: Dass derjenige, der sich selbst nicht 225 kennt, auch nicht weiß, was ihm gehört. (Aber wie haben wir vorhin gesagt, dass ein Arzt kennt, was ihm gehört, ohne sich selbst zu kennen, und dass das Gleiche

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C. Text und Übersetzung

ἀγνοεῖν δὲ ἑαυτόν, ὁμοίως δὲ καὶ τὸν χρηματιστήν; ἢ τὰ ἑαυτοῦ καὶ τὰ τοῦ ἑαυτοῦ ἢ οἰκείαν φύσιν ἔχει, καὶ οὕτως οἶδεν αὐτὰ ὅ τε χρηματιστὴς καὶ ὁ ἰατρός· ἢ συντελοῦντα πρὸς τὸ χρώμενον καὶ ὄργανα ὄντα, καὶ οὕτως ἀγνοοῦσιν οὗτοι ταῦτα. οὕτως οὖν ἐλευθερώσωμεν αὐτὸν τῆς φαινομένης ἐναντιολογίας τῆς πρὸς ἑαυτόν. διὸ καὶ αὐτὸς ἐπισημαίνεται λέγων ὅτι ‘ ο ὐ π ά ν υ ὀ ρ θ ῶ ς ὡ μ ο λ ο γ ή σαμεν ὁμολογοῦντες ἄρτι εἶναί τινας οἳ ἑαυτοὺς μ ὲ ν ο ὐ γ ι ν ώ σ κ ο υ σ ι ν , τ ὰ ἑ α υ τ ῶ ν δ έ ’ . ἄμφω γὰρ ἀληθῆ κατὰ τὸν εἰρημένον τρόπον.) οἱ τὰ ἑαυτῶν ἀγνοοῦντες καὶ τὰ ἄλλων ἀγνοοῦσιν, μία γὰρ τῶν ἀντικειμένων ἐπιστήμη· ὁ τὰ τῶν ἄλλων ἀγνοῶν τὰ τῶν πολιτῶν ἀγνοεῖ· ὁ τοιοῦτος οὐ πολιτικός· ὁ ἄρα ἀγνοῶν ἑαυτὸν οὐκ ἔστι πολιτικός. Εἶτα ἐποικοδομεῖ τούτῳ καὶ ἄλλα πολλὰ ἄτοπα, ‘ Ὄ σ σ α ν ἐ π ’ Ο ὐ λ ύ μ π ῳ ’ , κατὰ τὸ ποιητικόν· ὅτι οὐδὲ ἠθικός ἐστιν οὐδὲ οἰκονομικός, οὕτως· ‘ὁ ἀγνοῶν ἑαυτὸν οὐκ ἔστι πολιτικός· ὁ μὴ ὢν πολιτικὸς οὐκ ἔστιν οὔτε ἠθικὸς οὔτε οἰκονομικός, τῷ γὰρ μεγάλῳ καὶ μικρῷ διαφέρουσιν, ὥσπερ τὰ μικρὰ γράμματα καὶ τὰ μεγάλα· ὁ μήτε ἠθικὸς μήτε οἰκονομικός, εἰ μὲν ἠθικὸς ᾖ, εἰς ἑαυτὸν ἁμαρτάνει, εἰ δὲ πολιτικός, εἰς πολλούς· ὁ εἰς ἑαυτὸν ἁμαρτάνων ἄθλιος, καὶ μάλιστα ἄθλιος, εἰ δύναμιν ἔχοι· ὁ δὲ εἰς πολλούς, ἀθλιοποιός, καὶ μάλιστα εἰ δύναμιν αὐτοῖς περιποιήσῃ· ὁ ἄρα ἀγνοῶν ἑαυτὸν οὐ μόνον ἄθλιός ἐστιν, ἀλλὰ καὶ ἀθλιοποιός’. Τρίτος συλλογισμός, ὅτι ὁ πολιτικὸς γινώσκει ἑαυτόν· ‘ὁ γὰρ πολιτικὸς ἀγαθοὺς ποιεῖ τοὺς πολίτας (οὗτος γὰρ ὁ ὁρισμὸς τοῦ πολιτικοῦ, τὸ ἀγαθοὺς ποιεῖν)· ὁ ἀγαθοὺς ποιῶν ἀγαθός (οὐδὲ γὰρ μεταδίδωσιν οὗ μὴ ἔχῃ)· ὁ ἀγαθὸς θεοφιλής (ταὐτὸν γὰρ ἀγαθὸς καὶ θεός)· ὁ θεοφιλὴς τὸ ἐν αὑτῷ θεῖον οἶδεν· ὁ τοιοῦτος ἑαυτὸν οἶδεν, διότι τὸ ἀκρότατον οἶδεν τῆς ψυχῆς | καὶ τὸ ἀπάνθισμα· ὁ ἄρα πολιτικὸς οἶδεν ἑαυτόν’. Δείκνυσι δὲ καὶ τὸ λοιπόν, ὃ παρέλαβεν ἐν τῷ βʹ συλλογισμῷ ἀναπόδεικτον, ὅτι ὁ ἀγνοῶν ἑαυτὸν μᾶλλον ἀθλιοποιός ἐστιν, εἰ δύναμιν προσλάβοι. πρῶτον μέν, ὅτι ἔοικεν οὗτος νοσοῦντι νοῦν μὴ ἔχοντι, μὴ

225, 9 Olymp. ὡμολογήσαμεν / ὡμολογοῦμεν Plat. Alc. 133d11. 10 Olymp. τὰ ἑαυτῶν δέ / δ’ αὑτῶν Plat. Alc. 133d13.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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für einen Geschäftsmann gilt?1893 Nun, entweder hat das, was zum Selbst gehört und was zu dem gehört, das zum Selbst [gehört], eine ähnliche Natur,1894 und daher kennt diese sowohl ein Geschäftsmann als auch ein Arzt. Oder, weil diese 5 [Eigentümer] zu ihren Bedürfnissen beitragen und Werkzeuge sind, und daher kennen sie diese Dinge nicht.1895 Also nun befreien wir ihn von diesem scheinbaren Selbstwiderspruch. Dazu gibt er auch selbst einen Hinweis, wenn er sagt: „D a n n w a r e s n i c h t g a n z r i c h t i g , z u z u s t i m m e n , w i e wir es vorhin getan haben, dass einige Leute wissen, was i h n e n g e h ö r t , o h n e s i c h s e l b s t z u e r k e n n e n “.1896 Denn beides 10 ist wahr in dem gerade genannten Sinne.1897) Diejenigen, die nicht kennen, was ihnen gehört, kennen das auch nicht, was anderen gehört, denn die Kenntnis von Gegensätzen ist ein und dasselbe1898: Derjenige aber, der nicht kennt, was anderen gehört, kennt das nicht, was den Bürgern gehört. Ein solcher ist kein Mensch mit politischer Tugend. Folglich ist derjenige, der sich selbst nicht kennt, kein Politiker. Danach baut er auf diesen viele andere Widersprüche auf, wie bei dem Vers: 15 „O s s a a u f O l y m p “ 1899. [Er behauptet,] dass [dieser] weder ein ethischer [Mensch] noch ein Haushaltsverwalter ist, wie folgt: „Wer sich selbst nicht kennt, ist kein politischer [Mensch]. Derjenige, der keine politische Tugend hat, ist weder ein ethischer [Mensch] noch ein Haushaltsverwalter, denn diese unterscheiden sich [nur] in ihrem großen oder kleinen [Maßstab], wie Großund Kleinbuchstaben.1900 Wer weder ein ethischer [Mensch] noch ein Hausverwalter ist, irrt gegen sich selbst, wenn er als ethischer [Mensch] handeln soll, 20 und er irrt gegen viele, wenn er als Politiker handelt. Und der Mensch, der sich gegen sich selbst verirrt, ist unglücklich, und besonders unglücklich, wenn er die Macht haben würde. Derjenige aber, der gegen Viele [irrt], macht andere unglücklich, und vor allem, wenn er sie mit Macht versorgt. Deshalb ist derjenige, der sich selbst nicht kennt, nicht nur unglücklich, sondern auch ein Unglücksbringer.“1901 Die dritte Schlussfolgerung,1902 dass ein Politiker sich selbst kennt: „Denn ein 25 Politiker macht seine Bürger gut (das ist nämlich die Definition des Politikers, Menschen zu Guten zu machen1903). Wer [andere] zu Guten macht, ist [selber] gut (denn nichts gibt einen Teil davon ab, was ihm selbst fehlt1904). Der gute Mensch ist von Gott geliebt (denn das Gute und Gott sind ein und dasselbe). Der von Gott geliebte Mensch kennt das Göttliche in sich selbst. Ein solcher Mensch kennt sich selbst, weil er den Gipfel seiner Seele1905 und ihre Aufblüte1906 kennt. 226 Deshalb kennt sich der Politiker selbst.“ Er zeigt auch das verbleibende [Argument], das er in der zweiten Schlussfolgerung als unbewiesen akzeptierte, dass derjenige, der sich selbst nicht kennt, ein heftigerer Unglücksbringer ist, wenn er Macht ergreifen sollte. Erstens 5

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C. Text und Übersetzung

πειθομένῳ ἰατροῖς, ἀλλ’ ἐκτρέφοντι τὸ σῶμα κακόχυμον ὄν, καίτοι εἰς κακοχυμίαν τῆς τροφῆς μεταβαλλομένης. καλῶς γὰρ εἴρηται· ‘ τ ὰ μ ὴ καθαρὰ τῶν σωμάτων ὁκόσῳ ἂν θρέψῃς μᾶλλον β λ ά ψ ε ι ς ’ . δεύτερον ἐπιχείρημα, ὅτι ἔοικεν ὁ τοιοῦτος τυράννῳ· οὐδὲν γάρ ἐστιν ὁ τύραννος ἢ δύναμις ἐστερημένη λόγου. τρίτον, οὔτε δύναμιν ἔχει· ἡ μὲν γὰρ δύναμις σωστική ἐστι τοῦ ἔχοντος, οὗτος δὲ φθείρει τὸ ἔχον. ὡς γὰρ κακία φθαρτική ἐστι, καὶ ὅμοιον ὡς εἰ ἄπειρος κυβερνητικῆς ἐπιχειρήσοι κυβερνᾶν· αἴτιος γὰρ γίνεται οὐ μόνον τῆς ἑαυτοῦ ἀπωλείας, ἀλλὰ καὶ τῆς τῶν συνναυτῶν καὶ τῶν συμπλεόντων. Ἐφ’ οἷς δείκνυσιν ὅτι τοῦ παλαιοῦ λόγου λέγοντος τὴν ἀρετὴν ἀδέσποτον καὶ ἐλευθέραν–ἔστι γὰρ φύσει ἐλευθέρα ἡ ἀρετή, μὴ ἀνεχομένη τοῖς χείροσιν ὑποκατακλιθῆναι, διὸ καὶ ἡ ψυχὴ φύσει ἐλευθέρα ἐστὶν ὡς αὐτοκίνητος καὶ φύσει ἀρχική· ὅθεν καὶ δυσχερὲς ἀνθρώπων ἄρχειν ὡς φύσει ἀρχικῶν, διὸ καὶ ὁ Πλάτων τὰς δυνάμεις τῆς ψυχῆς ἐν τῷ Φαίδρῳ ἵπποις ἀπείκασεν διὰ τὸ γαῦρον, τοιοῦτο δὲ καὶ τὸ ἀρχικόν· – ὁ δὲ Σωκράτης οὐκ ἀνέχεται μόνον τούτων, ἀλλὰ καὶ ἄρχειν λέγει τὴν ἀρετὴν καὶ τὸν κακὸν δοῦλον εἶναι, κἂν βασιλεὺς ᾖ. φύσει γὰρ δοῦλος ὁ κακός, κἂν πάντων ἀνθρώπων ἄρχῃ, ὥσπερ ὁ ἀγαθὸς ἐλεύθερος, κἂν δοῦλος ᾖ. καὶ δείκνυσι τούτων ἑκάτερον· ὁ μὲν γὰρ ἀγαθὸς ἄρχων, διότι συνάπτει ἑαυτὸν θεῷ πάντων ἄρχοντι, ὁ δὲ κακὸς φύσει δοῦλος, διότι συνάπτει ἑαυτὸν τῇ ὕλῃ χειρίστῃ οὔσῃ καὶ ὑπὸ πάντων ἀρχομένῃ. Ἐφ’ οἷς ἐν τῷ πέρατι τοῦ διαλόγου ἀνα|φαίνεται ὁ ἀντέρως· ἀντερᾷ γὰρ Ἀλκιβιάδης Σωκράτους. διὸ καὶ ἀντιπελαργῆσαι αὐτὸν βούλεται· ὥσπερ γὰρ οἱ πελαργοὶ γηράσαντας τοὺς γονεῖς ἐκτρέφουσιν, λούουσιν, ἐποχοῦσι, πάντα ἁπλῶς ἐκτελοῦσιν ὅσα οἱ πατέρες εἰς αὐτοὺς ἐπετέλεσαν, οὕτω καὶ Ἀλκιβιάδης μιμεῖται τὸν πελαργόν. ἀπείκασται γὰρ ὁ ἀντέρως τῷ πελαργῷ, οὐ μόνον διὰ τὴν ἐπιστροφήν, ἣ οἰκεία τῷ ἔρωτι, ἀλλὰ καὶ διότι ὑ π ό π τ ε ρ ο ς ὁ ἔρως, ὡς ἐν Φαίδρῳ φησίν· διὸ καὶ ‘ π τ έ ρ ω ς ’ λέγεται παρὰ τὸ πτέρον. ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία· συγκαταπαύεται γὰρ αὐτῇ σὺν θεῷ καὶ ὁ παρὼν διάλογος.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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[zeigt er], dass dieser einem Kranken ähnelt, der nicht über Verstand verfügt und sich weigert, seinen Ärzten zu gehorchen,1907 sondern seinen Körper als ungesund erzieht, während er sogar seine Ernährung ändert, um ungesund zu sein. Denn es wurde gut gesagt: „D e m u n g e r e i n i g t e n K ö r p e r w i r s t d u u m s o m e h r s c h a d e n , j e m e h r d u i h n e r n ä h r s t . “1908 Zweitens [legt er] einen dialektischen Beweis [vor], dass eine solche Person einem Tyrannen ähnelt, da ein Tyrann nichts anderes ist als Macht, der der Vernunft 10 beraubt ist. Drittens [zeigt er], dass er nicht einmal Macht hat. Denn Macht bewahrt die Person, die sie hat, aber dies ruiniert denjenigen, der es hat. Denn es ist genauso schlimm, wie Schlechtigkeit zum Verderben führt, und ebenso, als ob jemand, der unerfahren im Steuern ist, versucht hätte, ein Schiff zu steuern. Denn er wird nicht nur zu einer Ursache seiner eigenen Zerstörung, sondern auch zu einer Ursache [der Zerstörung] seiner Mitreisenden und Schiffsgenossen.1909 Danach zeigt er, ausgehend von dem alten Sprichwort, das besagt, dass 15 Tugend keinen Herrn hat und frei ist1910 – denn Tugend ist von Natur aus frei, da sie es nicht erträgt, sich Untergebenen zu unterwerfen, und auch deshalb ist die Seele von Natur aus frei, da sie selbstbewegend ist und von Natur aus zum Herrschen neigt. Daher ist es auch schwierig, über Menschen zu herrschen, die von Natur aus für die Herrschaft geeignet sind, so dass Platon auch die Fähigkeiten der Seele im Phaidros aufgrund ihres Stolzes mit Pferden ver- 20 gleicht,1911 denn solch ist auch die Fähigkeit zum Herrschen. – Sokrates aber begnügt sich nicht nur mit diesen, sondern sagt auch, dass Tugend herrscht und der schlechte Mensch ein Sklave ist, auch wenn er ein König sein sollte. Denn der schlechte Mensch ist von Natur aus ein Sklave, auch wenn er über allen Menschen herrschen sollte, so wie der gute Mensch frei ist, auch wenn er ein Sklave wäre. Und er zeigt jedes dieser beiden [Argumente]: Denn der gute Mensch ist ein Herrscher, weil er sich mit Gott verbindet, der über alles herrscht; 25 und der schlechte Mensch ist von Natur aus ein Sklave, da er sich mit der Materie verbindet, die das Niedrigste ist, und von allen Dingen beherrscht wird. Danach zum Schluss des Dialogs kommt die Gegenliebe zum Vorschein: Denn 227 im Gegenzug liebt Alkibiades Sokrates. Das ist auch der Grund, warum er ihn im Gegenzug wie ein Storch lieben1912 möchte. Denn so wie Störche ihre Eltern im Alter füttern, waschen, tragen und einfach alles ausführen, was die Eltern für sie durchgeführt haben, so ahmt auch Alkibiades hier einen Storch nach. Denn die 5 Gegenliebe wurde mit einem Storch verglichen, nicht nur aufgrund der Rückwendung1913 – was der Liebe eigen ist –, sondern auch, weil die Liebe auf F l ü g e l n i s t , wie er im Phaidros sagt.1914 Deshalb wird er auch „B e f l ü g e l t “ (pterōs) genannt, ausgehend von dem Flügel (pteron). Das hat dieTheorie. Damit wird auch der vorliegende Dialog mit Gottes Hilfe zu Ende gebracht.

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C. Text und Übersetzung

133C Τὸ δὲ γινώσκειν ἑαυτὸν λέγομεν σωφροσύνην εἶναι: ἐλέγετο γὰρ καὶ πάλαι ὡς ἡ σωφροσύνη οἰκεία τῇ ἐπιστροφῇ, διότι περὶ τὸ ἔσχατον μόριον ἐποχεῖται τῇ ἐπιθυμίᾳ. ἐπειδὴ οὖν οὐ δύναται ἠρεμεῖν ἡ ἡμετέρα φύσις, μὴ δυναμένη προϊέναι ἔτι ὑποστρέφει πρὸς τὰ κρείττω. α ἱ γὰρ ε ἰ ς ἄ κ ρ ο ν ε ὐ ε ξ ί α ι διὰ τοῦτο λέγονται σ φ α λ ε ρ α ί . Ἆρα οὖν γινώσκοντες ἡμᾶς αὐτούς: ἐντεῦθεν τοῦ πρώτου προβλήματος ἡ πρώτη πρότασις, ὅτι ὁ ἀγνοῶν ἑαυτὸν οὐδὲ τὰ ἑαυτοῦ οἶδεν. καὶ εἴρηται ἡ ἀπορία ἐν τῇ θεωρίᾳ καὶ ἡ λύσις. Καὶ πῶς ἂν τοῦτο γένοιτο, ὦ Σώκρατες; ἑτοίμως ἀποκρίνεται ὁ Ἀλκιβιάδης, διότι | ὠφελήθη ἐν τῷ διαλόγῳ τούτῳ ὅτι ὁ μὴ εἰδὼς τὴν ἑαυτοῦ οὐσίαν οὐδὲ τὴν τελειότητα ἑαυτοῦ οἶδεν. ἐπειδὴ οὖν εἶπεν ‘ ἀ γ α θ ὰ κ α ὶ κ α κ ά ’ , φησὶν ὅτι ‘καὶ πῶς τοῦτο δυνατόν;’

133D Ἀδύνατον ἴσως σοι φαίνεται: ἰδοὺ ἡ λύσις τῆς ἀπορίας διὰ τοῦ ‘ ἴ σ ω ς ’ , ὅτι ἀδύνατον ἴ σ ω ς ἐστὶ διὰ τὸν ἰατρόν, εἰδότα μὲν τὰ ἑαυτοῦ, οὐ μὴν ἑαυτόν. λέγει δὲ σαφέστερον τὴν λύσιν ἐφεξῆς· φησὶν γὰρ ὅτι οὐ γινώσκει τὰ Ἀλκιβιάδου ὅτι Ἀλκιβιάδου ἐστίν, ἀντὶ τοῦ ‘εἰ καὶ κατὰ τὴν οὐσίαν αὐτῶν οἶδεν αὐτά, ἀλλ’ οὐ τῇ πρὸς ἕτερον ἀναφορᾷ’. Εἰ ἄρα μηδὲ τὰ ἡμέτερα, οὐδὲ τὰ τῶν ἡμετέρων: τοῦτο ἐκ περιττοῦ, ὅτι ὁ ἀγνοῶν τὰ ἡμῶν κτήματα καὶ τὰ τοῦ ἡμῶν· ἤρκει γὰρ τὸ πρῶτον, ἀλλὰ διὰ περιουσίαν δυνάμεως πάλιν διὰ τούτων αἰνίττεται τὴν λύσιν, λέγων ‘ τ ὰ τ ῶ ν ἡ μ ε τ έ ρ ω ν ’ , ὅτι τῇ πρὸς αὐτὸν σχέσει. Οὐκ ἄρα πάνυ τι ὀρθῶς ὁμολογοῦμεν: ἰδοὺ καὶ αὐτός, ὡς εἴρηται ἐν τῇ θεωρίᾳ, ἐπισημαίνεται τὰ ἀνωτέρω. φησὶν γὰρ ὅτι ‘οὐ καλῶς ἐλέγομεν τὸν χρηματιστὴν καὶ τὸν ἰατρὸν εἰδέναι τὰ ἡμῶν καὶ τὰ τοῦ ἡμῶν μὴ εἰδότας ἑαυτούς· εἷς γὰρ καὶ ὁ αὐτὸς οἶδεν ἐμέ, τὸ ἐμόν, τὸ τοῦ ἐμοῦ’.

227, 10 Olymp. ἑαυτὸν / αὑτὸν Plat. Alc. 133c18. 10 Olymp. λέγομεν / ὡμολογοῦμεν Plat. Alc. 133c18–19. 15 Olymp. om. μὴ post οὖν, cf. Plat. Alc. 133c21. 228, 4 Olymp. om. γὰρ post ἀδύνατον, cf. Plat. Alc. 133d1. 10 Olymp. ἄρα / δ᾽ ἄρα Plat. Alc. 133d8.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

473

133C Wir sagen, dass sich selbst zu erkennen Besonnenheit ist1915: Es 10 wurde ja schon früher darauf hingewiesen,1916 dass die Besonnenheit der Rückwendung gehört, weil sie die Begierde übertrifft, die von dem niedrigsten Teil [des Wesens handelt].1917 Da unsere Natur nicht in der Lage ist, zu ruhen1918, wenn sie nicht weiter fortschreiten kann, kehrt sie zu den besseren [Wesen] zurück. Denn aus diesem Grund sagt man, dass die a u f s H ö c h s t e g e t r i e b e n e k ö r p e r l i c h e G e s u n d h e i t s c h w a n k e n d ist.1919 Wenn wir nun etwa uns selbst erkannt hätten1920: Ab hier ist die erste 15 Prämisse der ersten Aufgabe1921, dass derjenige, der sich selbst nicht kennt, auch nicht weiß, was zu ihm gehört. Und sowohl die Aporie als auch ihre Lösung wurden in der theoretischen Untersuchung erwähnt.1922 Aber wie könnte das möglich sein, Sokrates? Alkibiades antwortet bereitwillig, weil ihm in diesem Dialog geholfen wurde, zu sehen, dass 228 derjenige, der sein eigenes Wesen nicht kennt, auch nicht weiß, wie seine Vollkommenheit [geschehen kann].1923 Da er also „g u t e u n d s c h l e c h t e “1924 sagte, antwortet er: „Wie könnte das möglich sein?“. 133D Es scheint dir vermutlich unmöglich zu sein1925: Siehe die Lösung der Aporie1926 im Wort „v e r m u t l i c h “, da es v e r m u t l i c h unmöglich ist, 5 nach dem Beispiel des Arztes, der das, was ihm gehört, kennt, aber nicht sich selbst kennt. Darauf sagt er die Lösung im Folgenden deutlicher aus: Er sagt nämlich, dass Alkibiades über die Dinge nicht weiß, dieAlkibiades gehören, dass sie das sind, was Alkibiades gehört,1927 im Sinne von: „Auch wenn er sie nach ihrem Wesen kennt, aber nicht nach ihrer Bezugnahme zu etwas anderem“.1928 Wenn [wir] demzufolge nicht [kennen], was uns gehört, dann [ken- 10 nen wir] auch nicht, was zu den Dingen gehört, die uns gehören: Das ist eine überflüssige Ergänzung, dass wir, wenn wir unser Eigentum nicht kennen, auch das [nicht kennen], was zu unserem [Eigentum] gehört. Denn das erste [Argument] würde reichen; er weist hingegen dank seiner Überfülle an Kraft1929 hier wieder einmal indirekt auf die Lösung hin, indem er sagt: „w a s z u d e n D i n g e n g e h ö r t , d i e z u u n s g e h ö r e n “, dass es in einer Relation zu ihm steht.1930 Dann war das nicht ganz korrekt, was wir vorhin zugestimmt haben1931: Siehe, dass auch er selbst, wie wir in der theoretischen Untersuchung 15 erwähnt haben,1932 einen Hinweis darauf gibt, was oben [steht]. Denn er sagt: „Es war nicht richtig zu sagen, dass der Geschäftsmann und der Arzt die Dinge, die zu uns gehören, und diejenigen, die zu den Dingen gehören, die zu uns gehören, kennen, ohne sich selbst zu kennen: Denn ein und dieselbe Person kennt mich, das Meinige, und was dem Meinigen gehört.“1933

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C. Text und Übersetzung

133E Ὅστις δὲ τὰ αὐτοῦ ἀγνοεῖ: ἡ δευτέρα πρότασις· μία γὰρ τῶν ἀντικειμένων ἐπιστήμη. λοιπὸν δὲ ἐπάγει καὶ τὸ συμπέρασμα, ὅτι οὐδὲ πολιτικός. Οὐκ ἄρ’ ἂν γένοιτο ὁ τοιοῦτος ἀνὴρ πολιτικός: ἐν τῷ συμπεράσματι ἐξαίρει τὸν λόγον λέγων ὅτι οὐ δύναται ὁ τοιοῦτος ἀνὴρ πολιτικὸς εἶναι, τουτέστι ‘τοῦ ἀγαθοῦ τοῦ παρὰ σοὶ οὐ δύναται ἀπολαῦσαι’. οὕτω καὶ οἱ ῥήτορες ἐν τοῖς ἐπιλόγοις ἐξαίρουσι τὰ περὶ ὧν οἱ λόγοι. Οὐ μὴν οὐδὲ οἰκονομικός: ὁ δεύτερος συλλογισμός, ὅτι μὴ πολιτικὸς οὐδὲ ἠθικὸς οὐδὲ οἰκονομικός· τῷ γὰρ μεγάλῳ καὶ μικρῷ διαφέρει.

134A Ὁ δὲ μὴ εἰδὼς οὐχ ἁμαρτήσεται; κατ’ ἐρώτησιν τοῦτο· ὅτι καὶ ἄθλιός ἐστιν, εἰ ἑαυτοῦ μόνου ἐπιμελοῖτο, εἰ δὲ καὶ ἄλλων, ἀθλιοποιός, καὶ | μάλιστα εἰ δύναμιν λάβοι. 134B Οὐδὲ ὁ πλουτήσας ἀθλιότητος ἀπαλλάττεται: ὁ μὲν Τίμαιος τῇ ἐπινοίᾳ ἐχώρισεν τὸ θεῖον τοῦ κόσμου, ἵνα κατόψηται τὸν κόσμον, ὁποῖος ἔδει εἶναι χωριζομένου τοῦ θεοῦ· ὁ δὲ Σωκράτης τὴν δύναμιν ἐχώρισεν φιλοσοφίας, ἵνα κατόψηται αὐτὴν τοιαύτην οὖσαν, ὁποία ὀφείλει εἶναι χωριζομένη τοῦ σπουδαίου. Οὐκ ἄρα τειχῶν οὐδὲ τριήρων: ἐντεῦθεν ἄρχεται τοῦ δευτέρου συλλογισμοῦ τοῦ λέγοντος ὅτι ὁ πολιτικὸς γινώσκει ἑαυτόν. φησὶν γὰρ ὅτι ‘οὐκ ἄρα φροντιστέον τειχῶν καὶ τριήρων, ταῦτα γὰρ οὔκ εἰσιν αἴτια τοῦ εὐδαιμονεῖν, ἀλλὰ τοῦ κακοδαιμονεῖν· φροντιστέον δὲ τῷ πολιτικῷ τοῦ ἀγαθοὺς ποιεῖν τοὺς πολίτας καὶ πλουσίους’.

134C Δύναιτο δ’ ἄν τις μεταδιδόναι ὃ μὴ ἔχοι; ἡ δευτέρα πρότασις, ὅτι ‘ὁ ἀγαθοὺς ποιῶν ἀγαθός, οὐδὲ γὰρ οὗ μὴ ἔχῃ μεταδίδωσιν. εἰ δὲ τοῦτο, δεῖ σε ἀρετῆς ἀντιποιεῖσθαι’. Οὐκ ἄρα ἐξουσίαν σοι οὐδὲ ἀρχήν: ὅτι οὐ δεῖ πλοῦτον καὶ ἐξουσίαν περιποιεῖν, ἀλλὰ δικαιοσύνην καὶ σωφροσύνην. τούτων δὲ τῶν ἀρετῶν ἐμνήσθη, διότι τὰς ἄλλας εἶχεν, φρόνησιν ὡς ἕξιν ἔχων διοικητικὴν τῶν τῆς πόλεως πραγμάτων, καὶ ἀνδρείαν ὡς στρατηγικός.

228, 26 Olymp. om. γε post οἰκονομικός, cf. Plat. Alc. 133e12.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

475

133E Wer aber die Dinge nicht kennt, die ihm gehören1934: Die zweite Prämisse. Denn das Wissen der Gegensätze ist ein und dasselbe.1935 Darauf fügt 20 er die übrige [Prämisse] und die Konklusion hinzu, dass [ein solcher] kein Politiker ist. Auch könnte ein solcher Mann kein Politiker werden1936: In der Konklusion steigert er das Argument, indem er sagt, dass ein solcher Mann nicht in der Lage ist, ein Politiker zu sein, das heißt: „Er kann sich das Gute nicht zunutze machen, dass du hast“. So steigern auch die Redner zum Schluss der 25 Rede die [Argumente], von deren ihre Rede handelt. Aber auch kein Haushaltsverwalter1937: Die zweite Schlussfolgerung, dass wer kein Politiker [ist], weder ein [Mensch] mit ethischer Tugend noch ein Haushaltsverwalter [sein kann]: Denn diese unterscheiden sich darin, dass sie groß oder klein sind. 134A Wer aber nicht kennt, wird auch Fehler begehen?1938 Das ist in der Form einer Frage: Er ist unglücklich, wenn er sich nur um sich selbst sorgen 30 sollte, wenn er [sich] aber [um] andere [sorgt], bringt er [anderen] Unglück, und 229 am meisten, wenn er die Macht erlangt. 134B Befreit sich auch nicht der, der zu Reichtum gelangt ist, davon, unglücklich zu sein1939: Timaios unterschied in der Vorstellung1940 das Göttliche vom Kosmos,1941 damit er auf den Kosmos von oben heruntersehen konnte, der derart ist, dass es von Gott getrennt gehalten werden muss. Sokrates hingegen trennte die Macht von der Philosophie, damit er auf die [Macht], wie 5 sie ist, von oben heruntersehen konnte, die derart ist, dass sie von dem Tugendhaften getrennt werden muss. Also weder durch die Mauern noch durch Trieren1942: Ab hier beginnt er die zweite Schlussfolgerung,1943 der besagt, dass ein Politiker sich selbst kennt. Denn er sagt: „Man soll also nicht auf Mauern und Trieren achten, denn das sind keine Ursachen für Glücklichsein, sondern für Unglücklichsein1944: Stattdessen 10 sollte der Politiker darauf achten, seine Bürger besser, und nicht reicher zu machen“. 134C Kann man einen Teil davon abgeben, was einem fehlt?1945 Die zweite Prämisse, dass „wer [andere] gut macht, [selbst] gut [ist], denn er kann nicht einen Teil davon geben, was er nicht hat. Wenn das aber [zutrifft], dann musst du nach Tugend streben.“ Nicht also die Befugnis und die Macht musst [du] dir [verschaffen]1946: 15 Man sollte sich nicht Reichtum und Befugnis verschaffen, sondern Gerechtigkeit und Besonnenheit. Er erwähnte nun dieseTugenden, weil er [sc. Alkibiades] die anderen besaß: Den Sachverstand, der zur Verwaltung der Angelegenheiten der Polis dient, als Veranlagung und die Tapferkeit als ein Feldherr.

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C. Text und Übersetzung

134D Δικαίως μὲν γὰρ πράττοντες καὶ σωφρόνως: τὴν τρίτην πρότασιν, ὅτι ὁ ἀγαθὸς θεοφιλής. Εἰς τὸ θεῖον καὶ λαμπρόν: ἄλλη πρότασις, ὅτι ὁ θεοφιλὴς τὸ ἐν ἑαυτῷ θεῖον οἶδε. διὰ δὲ τοῦ λ α μ π ρ ο ῦ ἐδήλωσε τὸ νοερόν· διὸ καὶ ἐφεξῆς ἀντιτάττει τούτοις τ ὸ ἄ θ ε ο ν κ α ὶ σ κ ο τ ε ι ν ό ν . εἰ δὲ τοῦτο, περὶ τοῦ θείου τοῦ ἀνθρωπίνου καὶ τοῦ νοεροῦ τοῦ ἀνθρωπίνου διαλέγεται, εἴγε καὶ τῶν ἀντικειμένων ἐμνήσθη· τὰ δὲ ἀντικείμενα ἐν μιᾷ ὕλῃ θεωρεῖται. πῶς δὲ ἄρα λέγει τὸν πολιτικὸν θεωρεῖν εἰς τὸ ἐν ἑαυτῷ θεῖον, εἴγε καὶ ὁ ἐπαναβεβηκὼς τοῦτον οὐκ οἶδεν τὸ ἐν ἑαυτῷ θεῖον, ὁ καθαρτικός; τοῦτο γὰρ οἰκεῖον τῷ ἐνθεαστικῷ. ἢ τὸ θεῖον τριττόν ἐστιν· ἢ κατ’ | αἰτίαν ἢ καθ’ ὕπαρξιν ἢ κατὰ μέθεξιν. οἶδεν οὖν ὁ ἐνθεαστικὸς τὸ ἐν ἑαυτῷ καθ’ ὕπαρξιν, οὗτος δὲ τὸ κατὰ μέθεξιν.

134E Ἀλλὰ μὴν οὕτω γε πράττοντας ὑμᾶς: δείξας διὰ τοῦ πρώτου λόγου τοῦ λέγοντος ὅτι ὁ ἀγνοῶν ἑαυτὸν ἄθλιός ἐστιν, καὶ οὐ μόνον τοῦτο, ἀλλὰ καὶ ἀθλιοποιός – διὰ τοῦτο αὐτάρκη τὴν κακίαν πρὸς κακοδαιμονίαν δείξας· διὰ δὲ τοῦ δευτέρου συλλογισμοῦ τοῦ λέγοντος ὅτι ὁ πολιτικὸς γινώσκει ἑαυτὸν δείξας ὅτι αὐτάρκης ἡ ἀρετὴ πρὸς εὐδαιμονίαν· φησὶν ἐνταῦθα ὅτι ‘ἐγγυήσασθαι τοῦτο αὐτὸ βούλομαι ἑκατέρῳ λόγῳ, ὅτι ὁ μὲν εὐδαίμων, ὁ δὲ κακοδαίμων’. ἀ σ φ α λ ὴ ς δ ὲ ἐ γ γ υ η τ ὴ ς ὁ Σωκράτης ὡς ἐπιστήμων ἐν λόγοις ἀσφαλὴς ἐγγυητής. καὶ ὁ μὲν Περίπατος ἓν τούτων δέχεται, ὅτι αὐτάρκης ἡ κακία πρὸς κακοδαιμονίαν, οὐ μὴν τὸ λοιπόν, διότι βούλεται ἀνθρωπινώτερον ὁ Ἀριστοτέλης δεῖσθαι πρὸς εὐδαιμονίας κτῆσιν καὶ τῶν ἐκτός· ὁ δὲ Πλάτων ἄμφω δέχεται. Ὧι γάρ, ὦ φίλε Ἀλκιβιάδη, ἐξουσία μὲν ᾖ ποιεῖν ὃ βούλεται: ἐντεῦθεν δείκνυσιν τὸ ἀκατασκεύως παρειλημμένον, ὅτι μᾶλλον ἄθλιός ἐστιν ὁ δύναμιν ἔχων καὶ κατασκευάζει τοῦτο διὰ τριῶν λόγων, πρώτου μὲν τοιούτου· ‘ἔοικεν οὗτος νοσοῦντι ἰατρικὸν νοῦν μὴ ἔχοντι καὶ μὴ πειθομένῳ ἰατρῷ· οὗτος γὰρ χρώμενος τροφαῖς ἀτάκτοις ἐπαύξει τὴν κακοχυμίαν’. καὶ ταῦτα δεῖ ὑπεκκαίειν ἐν τῇ ψυχῇ δίκην ἀργυρίου, ἵνα συνουσιῶνται | ἡμῖν.

230, 15 Olymp. om. ἄν post γὰρ, cf. Plat. Alc. 134e8.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

477

134D Auf gerechte und besonnene Weise handeln1947: Die dritte Prämisse, 20 dass der gute Mensch von Gott geliebt ist.1948 Im Hinblick auf das Göttliche und Leuchtende1949: Eine andere Prämisse, dass der von Gott geliebte Mensch das Göttliche in sich selbst kennt. Und durch das Wort l e u c h t e n d wies er auf das Intelligible hin; auch deshalb setzte er diesen gegenüber im Folgenden das G o t t l o s e u n d F i n s t e r e 1950. Wenn das aber [zutrifft], geht es in der Diskussion um das Göttliche im Menschen und das Intelligible im Menschen, da er auch deren Gegensätze erwähnt. Die 25 Gegensätze aber werden in einer einzigen Materie betrachtet.1951 Warum sagt er dann, dass der Politiker das Göttliche in sich selbst betrachtet, da selbst der [Mensch], der diesen übertrifft, der kathartische [Mensch], das Göttliche in sich selbst nicht kennt? Denn das ist die Eigenschaft des inspirierten [Menschen]. Vielleicht, weil das Göttliche dreifach ist: Entweder in Ursache, oder in Existenz, 230 oder in Teilhabe.1952 Der inspirierte [Mensch] kennt das [Göttliche] in sich selbst entsprechend seiner Existenz, dieser [sc. der Politiker] aber [kennt] das [Göttliche] entsprechend seiner Teilhabe. 134E Aber wenn ihr auf diese Weise handelt1953: Er hat bereits durch das erste Argument aufgezeigt, das behauptet, dass die Person, die sich selbst nicht kennt, unglücklich ist, und nicht nur das, sondern auch andere unglücklich 5 macht, – wodurch er zeigte, dass Schlechtigkeit für Unglückseligkeit ausreichend ist. Durch die zweite Schlussfolgerung aber, der behauptet, dass ein Politiker sich selbst kennt, zeigte er, dass Tugend für die Glückseligkeit ausreichend ist.1954 Nun sagt er hier: „Ich möchte mich für genau diesen Punkt auf beiden Argumenten verbürgen, dass der eine [sc. der gute Mensch] glücklich ist und der andere [sc. der schlechte Mensch] unglücklich ist“.1955 Und Sokrates ist ein s i c h e r e r B ü r g e 1956, denn wer Wissen über logische 10 Argumentation hat, ist ein sicherer Bürge. Der Peripatos akzeptiert eine dieser [Argumente]1957, dass Schlechtigkeit für Unglückseligkeit ausreicht, aber nicht das andere,1958 denn Aristoteles meint auf menschzentriertere Weise1959, dass man auch das Eigentum äußerlicher [Güter] für Glückseligkeit braucht. Platon dagegen akzeptiert beides.1960 Denn wenn jemand, mein Freund Alkibiades, die Befugnis hat, zu tun, 15 was er will1961: Ab hier zeigt er das [Argument], das ohne Unterstützung angenommen wurde, dass die Person, die Macht hat, unglücklicher ist, und baut [die Unterstützung] aus drei Argumenten auf, der erste ist wie folgt: „Diese Person ist wie ein Kranker, der nicht über ärztlichen Sachverstand verfügt und keinem Arzt gehorcht: Denn dieser Mensch erhöht seinen schlechten Gesundheitszustand, indem er sich unregelmäßig ernährt.“1962 Und diese [Worte] muss 20 man in der Seele wie Silber verschmelzen, damit sie unser Wesen immer 231 begleiten.

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C. Text und Übersetzung

135A Τυραννοῦντι δὲ ὡς μηδὲν ἐπιπλήττοι τις αὐτῷ: τὸ δεύτερον, ὅτι ἔοικε τυράννῳ. τὰ γὰρ ὄργανα μάλιστα βλάπτει τοῦ χρωμένου καλῶς ἀμοιρήσαντα· διὸ καὶ εἴρηται 5

‘αὐτὸς γὰρ ἐφέλκεται ἄνδρα σίδηρος’.

Ἆρα οὐχ, ὡς τὸ εἰκός, διαφθαρῆναι τὸ σῶμα; τὸ τρίτον, ὅτι οὔτε δύναμίς ἐστιν, ἀλλ’ ἀδυναμία, διότι οὐδεμία δύναμις φθείρει τὸν ἔχοντα. καὶ παράγει τὸ τοῦ κυβερνήτου παράδειγμα, καὶ δείκνυσιν ὅτι καὶ ἄθλιος ὁ κακὴν δύναμιν ἔχων καὶ ἀθλιοποιός.

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135B Πρὶν δὲ τὴν ἀρετὴν ἔχειν τὸ ἄρχεσθαι ἄμεινον: τὸ ἄλλο κατασκευάζει, ὅτι οὐ μόνον ἐλευθέρα ἐστὶν ἡ ἀρετή, ἀλλὰ καὶ ἀρχική· ἡ γὰρ ἀρετὴ συνάπτει ἑαυτὴν θεῷ τῷ πάντων ἄρχοντι, ἡ δὲ κακία τῇ ὕλῃ ὑπὸ πάντων ἀρχομένῃ καὶ ἐσχατιᾷ οὔσῃ. τί οὖν; οὐ δουλεύει θεῷ ὁ σπουδαῖος; ἢ ἡ δουλεία αὕτη κρείττων ἐστὶ πάσης ἀρχῆς καὶ τῇ τοιαύτῃ δουλείᾳ ἄρχει τῶν ἄλλων, ἄμεινον γὰρ τὸ τοιοῦτο ἑτεροκίνητον τοῦ αὐτοκινήτου. φησὶν οὖν ὅτι ἄμεινον δοῦλον εἶναι ἢ δεσπότην καὶ ἄρχοντα τὸν μὴ ἔχοντα ἀρετήν. Οὐκοῦν τό γε ἄμεινον καὶ κάλλιον; δέδεικται γὰρ ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθὸν καὶ τὸ ἀνάπαλιν.

135C Πρέπει ἄρα τῷ κακῷ δουλεύειν: ὁ ἄρα Ἀλκιβιάδης ὁ πάντων ἀνθρώπων ἄρχειν ἐθέλων δοῦλος ἀποδέδεικται, εἰ μὴ ἀρετῆς ἀντιποιήσηται. Μάλιστά γε, ὦ Σώκρατες: ἑτοίμως ἀποκρίνεται, διότι ἀρχικὸς φύσει ὢν οὐκ ἀνέχεται δουλεύειν. Αἰσθάνει δὲ νῦν πῶς ἔχεις; ἐλευθεροπρεπῶς: ἦν γὰρ φύσει ἐλευθεροπρεπὴς ὁ Ἀλκιβιάδης· διὸ καὶ τοῖς Ἀθηναίοις ἐκκλησιαζομένοις περὶ πόρου χρημάτων αὐτεπάγγελτος δέκα τάλαντα ἐπιδέδωκε τῇ βουλῇ. Ἵνα μὴ ὀνομάζωμεν: τῇ ἀποσιωπήσει ἐξογκοῖ τὸ πρᾶγμα, οἷον ‘τὸ δουλοπρεπές’· πρέπει γὰρ τῇ ὕλῃ ὡς αἰσχρᾷ καὶ ἀνειδέῳ τὸ ἀκατονόμαστον. ὁ δέ φησιν ὅτι ‘ ἐ ὰ ν β ο ύ λ ῃ σ ύ , ὦ Σ ώ κ ρ α τ ε ς , ἀποφυγεῖν ἔχω’. καὶ οὐκ ἀποδέχεται τὸν λόγον ὁ Σωκράτης· φησὶ γὰρ ὅτι 231, 10 Olymp. om. γε post δέ, cf. Plat. Alc. 135b8. 10 Olymp. add. τὴν, cf. Plat. Alc. 135b8–9. 25 Olymp. αἰσθάνει / αἰσθάνῃ Plat. Alc. 135c11.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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135A Sich wie ein Tyrann verhält, sodass niemand ihn tadelt1963: Das zweite [Argument], dass er einem Tyrannen ähnelt. Denn die Werkzeuge sind besonders schädlich, wenn sie keinen Teil daran haben, gut eingesetzt zu werden. Deshalb wurde es auch gesagt: „D e n n e s z i e h t d a s E i s e n v o n s e l b s t d e n M a n n a n “.1964

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Wird sein Körper nicht aller Wahrscheinlichkeit nach ruiniert sein? Das dritte [Argument], dass es [in diesem Fall] nicht einmal Macht gibt, sondern Ohnmacht, denn keine [wahre] Macht ist für ihren Besitzer destruktiv. Und er stellt das Beispiel des Steuermanns vor und zeigt, dass die Person, die schlechte Macht ausübt, sowohl unglücklich ist als auch andere unglücklich macht. 135B Und bevor man Tugend erlangt, ist es besser, [von anderen] 10 beherrscht zu werden1966: Er baut ein anderes [unterstützende Argument] auf,1967 dass Tugend nicht nur frei ist, sondern auch herrschend: Denn Tugend verbindet sich mit Gott, der Herrscher über alles ist, während Schlechtigkeit [sich] mit der Materie [verbindet], die von allen beherrscht wird und das Entfernteste [aller Wesen] ist.1968 Was folgt? Ist der Tugendhafte kein Sklave Gottes? Nun, diese Sklaverei ist jeder [Art von] Herrschaft überlegen,1969 und [dieser Mensch] herrscht durch seine Sklaverei über alle anderen: Denn der 15 Zustand, von einem anderen auf diese Weise bewegt zu werden, ist besser als Selbstbewegung. Und deshalb sagt er, dass es besser ist, Sklave zu sein als ein Meister und Herrscher, dem es an Tugend mangelt. Ist das Bessere auch schöner? Denn es wurde aufgezeigt, dass alles Schöne gut ist und umgekehrt.1970 135C Es eignet sich für den schlechten Menschen, ein Sklave zu sein: 20 So hat sich Alkibiades, der über alle Menschen herrschen will, als Sklave erwiesen, wenn er nicht nach Tugend strebt. So gut wie möglich, Sokrates: Er antwortet bereitwillig, weil er von Natur aus zum Herrschen geeignet ist und daher die Sklaverei nicht ertragen kann. Siehst du jetzt, in welchem Zustand du bist? Ist es für einen freien 25 Mann geeignet?1971 Denn Alkibiades war von Natur aus für die Freiheit geeignet: Deshalb hat er auch bei einer Sitzung der athenischen Versammlung über öffentliche Einnahmen dem Rat zehn Talente aus freiem Willen angeboten.1972 Damit wir es nicht nennen1973: Durch Aposiopese1974 betont er den 232 Gegenstand stärker, nämlich „das sklavenhafte“1975: Denn die Namenlosigkeit eignet sich für die Materie, die hässlich und formlos ist. Darauf sagt er: „W e n n d u s o w i l l s t , S o k r a t e s , 1976 kann ich entkommen“. Aber Sokrates

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C. Text und Übersetzung

‘οὐ καλῶς εἶπας, ἀλλ’ ἐὰν βουληθῇ ὁ θεός’. αἱ γὰρ ἀρεταὶ ὡς μὲν ἀρεταὶ ἀνθρώπιναί εἰσιν, ὡς δὲ εὐδαιμονίας περιποιητικαὶ καὶ θεόθεν παράγονται· διὸ ἄμφω ἀληθῆ, καὶ τὸ Ἀλκιβιάδου καὶ τὸ Σωκράτους. 135D Καὶ πρὸς τούτοις μέντοι τόδε λέγω: ἐντεῦθεν ὁ ἀντέρως· φησὶ γὰρ ὅτι ‘κινδυνεύομεν μεταβαλεῖν τὸ σχῆμα καὶ γενέσθαι ἐγὼ ἐραστής, σὺ δὲ ἐρώμενος’. 135E Καὶ ἄρξομαί γε ἐντεῦθεν τῆς δικαιοσύνης: ἀκούσας πελαργοῦ φησὶν ὅτι ‘ἄρξομαι δίκαιος εἶναι’, διότι δίκαιον τὸ ζῷον. Βουλοίμην δ’ ἄν σε καὶ διατελέσαι: ‘ἤθελον μὲν διατελέσαι σε, φοβοῦμαι δὲ διότι δήμου ἐραστὴς ὑπάρχεις’. καὶ ἰδοὺ καὶ ὁ Σωκράτης οἶδεν ὅτι οὐ μενεῖ, ἀλλὰ χωρήσει ἐπὶ τὸ χεῖρον. Μὴ ἐμοῦ τε καὶ σοῦ κρατήσῃ: πῶς κρατεῖ καὶ Σωκράτους ὁ δῆμος; ἢ ὡς ἐρωτικοῦ καὶ μετὰ τῶν παιδικῶν αὐτοῦ κρατήσει. Θεῷ τελείῳ χάρις. Σχόλια εἰς τὸν Πλάτωνος Ἀλκιβιάδην ἀπὸ φωνῆς Ὀλυμπιοδώρου τοῦ μεγάλου φιλοσόφου.

ANFANG DES DRITTEN ABSCHNITTS

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akzeptiert diese Antwort nicht; denn er sagt: „Du hast nicht gut gesprochen, stattdessen [solltest du sagen], wenn der Gott so will“.1977 Denn die Tugenden sind insofern menschlich, als sie Tugenden sind, aber wenn es darum geht, Glückseligkeit zu erreichen, stammen sie von Gott: So sind beide [Antworten] wahr, sowohl die von Alkibiades als auch die von Sokrates. 135D Und darüber hinaus werde ich das auch sagen1978: Ab hier [ist] die Gegenliebe: Denn er sagt: „Es ist wahrscheinlich, dass wir die Rollen tauschen werden, sodass ich der Verliebte werde und du der Geliebte“.1979 135E Und ich werde sicherlich ab jetzt anfangen, mich um die Gerechtigkeit [zu sorgen]1980: Nachdem er von dem Storch gehört hat, sagt er: „Ich werde anfangen, gerecht zu sein“, denn [dieses] Lebewesen ist gerecht. Ich wünschte wohl, dass du dabei auch verharrst1981: „Ich hätte gewollt, dass du dabei verharrst, aber ich habe Angst davor, weil du ein Liebhaber des Volkes bist“.1982 Siehe auch, dass Sokrates weiß, dass er nicht [in diesem Zustand] bleiben wird, sondern dass er sich zum Schlechteren bewegen wird. Damit [das Volk] nicht sowohl mich als auch dich überwindet1983: Wie überwindet das Volk auch Sokrates? Nun, da er verliebt ist, wird [das Volk] ihn zusammen mit seinem Geliebten überwinden.1984 Dank dem vollkommenen Gott.1985 Kommentare zu Platons Alkibiades von der Stimme Olympiodors, des großen Philosophen.

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Anmerkungen

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Der Titel „Scholia“ deutet darauf, dass Olympiodor diesen Kommentar als eine exegetische Behandlung im Rahmen des philosophischen Unterrichts konzipiert hat. Das Ziel einer solchen Exegese besteht überwiegend darin, die Texte sprachlich zu erklären und ihre philosophischen Grundlagen zu erläutern. Siehe dazu Kapitel B. I.1. Der Titel. Zur Bedeutung von ἀπὸ φωνῆς (von der Stimme) siehe Kapitel A. I. Edward Watts und Harold Tarrant haben bei einer Fragerunde erörtert, dass die Verwendung der Bezeichnung „großer Philosoph“ am Anfang von Olympiodors Kommentaren dazu dienen könnte, ihn in dem kompetitiven intellektuellen Umfeld von Alexandria zu etablieren (Anschließend dem Vortrag von Edward Watts am 28.02.2022, „The Friend, the Eccentric, and the Jerk: How much did the Personalities of Philosophers Shape the Fate of Alexandrian and Athenian Teaching?“ und die sich daran anschließende Diskussion, organisiert von Alexandria Center for Hellenistic Studies. Die Aufzeichnung des Vortrags unter https://ims. forth.gr/en/news-item/view?id=1257). So hatte Olympiodor im Gorgias-Kommentar zu Beginn seiner Karriere seinen Lehrer Ammonios lediglich als „Philosoph“ bezeichnet, in späteren Kommentaren, etwa zur Meteorologie des Aristoteles (565 n. Chr.), nannte er seinen Lehrer jedoch „den großen Philosophen“. Dies soll schließlich auch zu seiner Anerkennung als großer Philosoph geführt haben. Darüber hinaus argumentiert Watts, dass Olympiodor, als er den Gorgias-Kommentar schrieb, in Alexandria starke Konkurrenten wie Philoponos hatte und auch eine Überlegenheit der athenischen Akademie bestand. In seinen späteren Kommentaren nach 540 n. Chr. änderten sich diese Umstände jedoch zugunsten Alexandrias, so dass Olympiodor für sich und seine Schule die führende Rolle in der platonischen Philosophie beanspruchen konnte. Aristoteles bezeichnet das Wissen, das allen anderen übergeordnet ist, als die „erste Philosophie“ (πρώτη φιλοσοφία, Arist. Metaph. 993a15–16) oder als „theologische Wissenschaft“ (θεολογική, sc. ἐπιστήμη; Arist. Metaph. 1064b). Folglich wird auf dieses Werk oft mit dem Titel „Theologie“ hingewiesen, obwohl die Bezeichnung „Metaphysik“, wie Reiner (1969, S. 140) erklärt, bereits bei den Peripatetikern verwendet wurde. Olympiodor erwähnt an einer anderen Stelle auch Metaphysik als Aristoteles’ Werk (vgl. Olymp. in Grg. 30.3,17: Μετὰ τὰ φυσικὰ). Es scheint der Tradition der alexandrinischen Philosophielehre zu entsprechen, eine Einführung über Aristoteles und Platon zu bieten, wie auch in den anonym überlieferten Prolegomena zur platonischen Philosophie zu sehen ist (vgl. Anon. Proleg. 1,1–9). Olympiodor hebt am Anfang des Kommentars hervor, dass Menschen etwas Nützliches (χρηστόν) in der platonischen Philosophie finden. Dieses Thema wird später hinsichtlich des Nutzens des Dialogs aufgegriffen. Mit dem Wort ‚Quelle‘ (νᾶμα) in Bezug auf die platonische Philosophie macht Olympiodor gleich zu Beginn des Kommentars von der Quellenmetapher Gebrauch. Er wiederholt diese Metapher später auch mit πηγή (217,6–15). Neben anderen Wörtern für ‚Anfang‘ (ἀρχή) oder ‚Ursprung‘ (πηγή), ist auch νᾶμα im Sinne von ‚Quelle des Wissens und der Vernunft‘ in den platonischen Dialogen geläufig (vgl. λόγων νᾶμα, Plat. Ti. 75e3, Phdr. 278b9). Der Begriff πηγή wird von Proklos vor allem im Zusammenhang mit der Theologie verwendet, um die Emanation und den Ursprung der Wesen aus dem Einen darzustellen (vgl. Procl. in Rep. II.201,12: ἡ πηγὴ τῶν ψυχῶν; Theol. Plat. I.82,2–3: ἀγαθῶν…πηγή). Nach Devlin (2015, S. 198–199) ist πηγή bei Proklos, wie auch σειρά, ein „technischer Begriff “, der auf das Eine

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deutet. Auch in der aristotelischen Philosophie und bei Plotin wird die Quellenmetapher verwendet (siehe dazu Scholz 2004). Majercik (1989, S. 153) zufolge ist diese Metapher ein „chaldäischer Ausdruck“. Olympiodor gibt mit νᾶμα der platonischen Philosophie den Status, der Ursprung aller anderen philosophischen Richtungen zu sein, und darüber hinaus als Quelle durch diese Gemeinsamkeit mit dem Wissen um den Ursprung verbunden zu sein. In den platonischen Dialogen wird über das Konzept des Wissenserwerbs als Erfüllung diskutiert (vgl. Plat. Smp. 175e: σοφίας πληρωθήσεσθαι). Im Phaidros stellt Sokrates sein Wissen dar, dass er von den fremden Quellen erfüllt war (Plat. Phdr. 235c9–d1: λείπεται δὴ οἶμαι ἐξ ἀλλοτρίων ποθὲν ναμάτων διὰ τῆς ἀκοῆς πεπληρῶσθαί με δίκην ἀγγείου). Auf der anderen Seite ist Platon dem Konzept der Erfüllung gegenüber kritisch, wenn ihre Quelle andere Menschen sind (Plat. Smp. 175d–e). Die Erfüllung von einer höheren Quelle bezeichnet die Inspiration, die Platon im Phaidros in Verbindung mit der Liebe und Philosophie behandelt (vgl. Plat. Phdr. 241e; 249d–e; 263d). Diese Inspiration manifestiert sich nach Olympiodor in der platonischen Philosophie und stellt eine direkte Verbindung des Menschen mit der Gottheit dar. Die Inspiration geht somit über das dialektische Verfahren der Vernunft hinaus und bildet die Stufe der inspirierten Tugend (ἐνθουσιαστική; vgl. 8,10–14; 18,1; 184,22). Olympiodor schreibt nicht nur Platon die inspirierte Tugend zu, sondern bezeichnet auch Sokrates als „inspiriert“ (172,12). Eine andere Dimension der Betonung der platonischen Inspirationen (Πλατωνικῶν ἐνθουσιασμῶν) mag darin liegen, dass sie der platonischen Philosophie eine Autorität gegenüber anderen Arten ‚mystischen‘ Inspirationen verleiht. Die folgende Aufzählung der vier Dialoge ist bemerkenswert. In den anonym überlieferten Prolegomena zur platonischen Philosophie ist die Reihenfolge der platonischen Dialoge Phaidros, Politeia, Timaios (vgl. Anon. Proleg. 27,8–11). Am Ende dieser Zusammenstellung über den Nutzen der platonischen Dialoge wird Theaitetos als etymologisch nützlich bezeichnet (27,66: Τῷ δ’ ἐτυμολογικῷ ἐν τῷ Θεαιτήτῳ). Die Liste von Olympiodor ist insofern interessant, dass er vier ‚außerkanonische‘ Dialoge für neuplatonische Inspiration anführt (Timaios, Politeia, Phaidros, Theaitetos). In der platonischen Tradition wurden diese Dialoge nicht mit bestimmten Tugendgraden identifiziert und daher in den Kommentaren selten behandelt. Olympiodor bezieht diese Dialoge auf die inspirierte Tugend, die über das unmittelbare Ziel der platonischen Bildung hinausgeht. Vgl. Plat. Ti. 41a–d. In Übereinstimmung mit der platonischen Philosophie verwendet Olympiodor das Adverb ‚hier‘ (τῇδε) für das Leben auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene, dagegen bezieht sich ‚dort‘ (ἐκεῖ) auf die intelligible und göttliche Ebene. Siehe dazu „Verhältnisse des Jenseits“ (τὰ ἐκεῖ; Plat. Rep. 614e); „die Lebewesen hier“ (τὰ τῇδε ζῷα; Plot. II.1.2,15). Vgl. Plat. Ti. 42d6. Der Titel für den Timaios und Jamblichs Ansichten zu diesem Dialog werden bei Proklos überliefert (vgl. Procl. in Ti. I.308,17–309,8). Vgl. Plat. Rep. 546a–547c. Vgl. Plat. Rep. 546a2: γενομένῳ παντὶ φθορά ἐστιν. Auch Proklos führt dieses Zitat an und kommentiert, dass an dieser Stelle des Dialogs nicht Sokrates, sondern die Musen sprechen (vgl. Procl. in Ti. I.287,26). Bei einigen Platon-Exegeten werden andere Dialoge als Quelle dieses Zitats angegeben, beispielsweise Phaidros bei Porph. in Ti. Fr. 39,7–8 (überliefert in Phlp. De aetern. 126,18–19) oder Timaios bei Philoponos ebd. 120,6. Vgl. Plat. Phdr. 238d–241d. Im Theaitetos setzt Sokrates die Philosophen, die „an der Spitze stehen“, gegenüber anderen, die sich mit einer niedrigeren Art der Philosophie beschäftigen (vgl. Plat. Tht. 173c–d). Der oberste Philosoph wird im Theaitetos dadurch bezeichnet, dass er sich für die alltäglichen Beschäftigungen nicht interessiert und sich dem Betrachten wichtigerer Themen widmet. Als

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D. Anmerkungen Beispiel dazu führt Sokrates Thales an, der in einen Brunnen fiel, während er die Sterne betrachtete (Plat. Tht. 173d–174b). Olympiodor identifiziert diese Beschreibung mit dem Adjektiv ‚theoretisch‘ (θεωρητικός). Dies definiert die Tugend auf der Ebene der theoretischen Schau und den Menschen, der dieseTugend besitzt. Zur Definition des theoretischen Menschen siehe 5,6–10. An dieser Stelle beschreibt Olympiodor die platonische Philosophie als eine Lehre, die von allen Menschen angestrebt wird, was durch das Verb προστρέχουσι („sie laufen zu“) noch verstärkt wird. An dieser Stelle wurde die Verwendung von γένος statt βίος (Leben) von den Forschern wie Griffin als auffällig betrachtet. Nach Griffin (2015, S. 162, 12) deutet γένος – ausgehend von dessen Wiederholung am Ende von Vita (in 3,1) – gleichzeitig auf Abstammung und Leben. Dieses Wort kann meines Erachtens eine gewisse Zweideutigkeit aufweisen, da es nicht nur die Familie und Abstammung, sondern auch die „Art und Weise“ des Philosophen (im Sinne von Charaktereigenschaften und auch als taxonomischer Begriff „Art“) bezeichnen kann. In diesem Sinne schildert Olympiodor im Folgenden nicht nur die Ereignisse in Platons Leben, sondern auch die Inhalte seiner Philosophie und Lehrtätigkeit. Platons Charaktereigenschaften wie Mut und Hilfsbereitschaft gegenüber Freunden kommen zum Beispiel in der sizilischen Episode zum Vorschein. Für Vielwisserei wird an dieser Stelle das Wort πολυηκοΐα (viel-Hören) verwendet, das bei Platon wie Vielgeschäftigkeit (πολυπραγμοσύνη) einen Gegensatz zu der Weisheit äußert (vgl. Plat. Phdr. 275a; Lg. 810c–811b). Siehe zur ‚Vieltuerei‘ 10,11; Anm. 127 und 20,11; Anm. 202. Eine Anspielung auf Odysseus, der sich dem Polyphemos als „Niemand“ (οὖτις) vorstellt (vgl. Hom. Od. 9,365–70). Zu den homerischen Zitaten in diesem Kommentar vgl. Westerink 1982, S. IX. Vgl. Hom. Od. 1,177. An dieser Stelle spricht Telemachos mit Athene und fragt, ob sie ein Gast von seinem Vater Odysseus ist, der viel „mit den Menschen umging“ (ἐπίστροφος ἦν ἀνθρώπων). Der Ausdruck ἐπίστροφος ἀνθρώπων wird bei Homer als ‚derjenige, der mit Menschen verkehrt‘ aufgefasst, wobei es an dieser Stelle doppeldeutig sein kann. Aus platonischer Sicht deutet dies, wie Griffin (2015, S. 162, 15) anmerkt, auf den Philosophen als Urheber der Bekehrung zur Philosophie hin. Dadurch bezeichnet Olympiodor Platon als einen Philosophen, der viele Menschen zur Rückwendung auf sich selbst und zur Selbsterkenntnis gebracht hat. In diesem Zusammenhang hat der Begriff ἐπιστροφή (Rückwendung) eine wesentliche Bedeutung für die Selbsterkenntnis im Platonismus. Siehe dazu im Kommentar 213,5–214,4. Proklos gibt eine ähnliche Erklärung für die Abstammung Platons und stellt seine Verwandtschaft mit Solon dar (Procl. in Ti. I.82,8–11): Glaukon, dessen Kinder Charmides und Periktione (Platons Mutter) waren, war der Onkel von Kritias (bekannt als ‚Kritias IV‘, ca. 460–403 v. Chr.). Siehe dazu Miller u. a. 1922 (dort als 5. Kritias angegeben, in der Folge einer fiktiven Person bei Apuleius, die als 4. Kritias aufgeführt ist). Daher war Charmides, der Bruder von Periktione und damit Platons Onkel, ein Vetter von Kritias IV. Proklos fügt hinzu, dass von diesem Kritias der Onkel des Urgroßvaters Solon war. Folglich stellt Proklos Platons Verwandtschaft mit Solon durch seine mütterliche Abstammung fest; er erklärt jedoch nicht weiter die Verbindung zwischen Kritias IV und Platon. Aus anderen Zeugnissen geht hervor: Der von Proklos genannte Kritias, Vetter von Periktione, hatte als Vater Kritias (‚Kritias III‘ genannt), Sohn des Leiades, der zugleich auch als Vater Glaukons, des Großvaters von Platon, gilt. Von Kritias, dem Sohn des Leiades, ist der Großvater Kritias (‚Kritias II‘), dessen Vater Dropides im Jahr 593/592 v. Chr. Archon war. Im Unterschied zu einem gleichnamigen Vetter oder Bruder von diesem Dropides (‚Kritias I‘, Archon im Jahr 599/98 v. Chr.) wird der Sohn des Dropides ‚Kritias II‘ genannt. Dropides wird bei Platon als Freund und Verwandter Solons erwähnt (Plat. Tim. 20e;

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vgl. Kritias’ Verwandtschaft mit Solon in Plat. Charm. 155a). Damit ist Platons Urgroßvater mütterlicherseits (der ebenfalls Urgroßvater von ‚Kritias IV‘ war) ein Verwandter (oder nach Proklos sogar ein Bruder) von Solon. Auch Diogenes Laertios (3,1) nennt Dropides als Bruder des Solon und stellt eine ähnliche Abstammungslinie dar: Demnach war Platons Vater Ariston ein Nachkomme des Kodros, während seine Mutter Periktione von Solon abstammte. Olympiodors Aussagen stehen damit im Widerspruch zu der Überlieferung über Platons Eltern: Platons Großvater väterlicherseits, Aristokles (2,37), stammt laut Olympiodor von Solon ab. Periktiones hingegen führt er auf Kodros zurück. Die Scholien auf der Handschrift Marc. gr. 196 geben Hinweise auf diesen Widerspruch: Folie 118v gibt oben den Stammbaum so wieder, wie er im Olympiodors Text vorliegt, während unten die Abstammung von Periktione von Solon gezeigt wird, indem Solon und Dropides als Kinder von Eksikestides angeführt werden. Zu Periktione siehe Stanzel 2000. An dieser Stelle ist auch die Bemerkung von Stanzel relevant, dass die ‚pythagoreische‘ Tradition über die Reinheit Periktiones während der Schwangerschaft bei Diogenes Laertios zu finden ist (vgl. D. L. III,2). Ein Epitheton des Apollon ist ‚der Hirte‘. Nach der Darstellung bei Homer werden Apollon und Poseidon aufgrund des Versuchs, Zeus zu entmachten, bestraft und müssen als Hirte bei Laomedon dienen (vgl. Hom. Il. XXI,440–450). Nach anderen Versionen wird Apollon wegen der Tötung der Kyklopen bestraft und dient als Hirte bei Admetos (vgl. Eur. Alc. 1–6; D. S. IV.71,3). Hom. Il. I,249 (Übers. Schadewaldt 1975). Durch diesen Vers über Nestor betont Olympiodor Platons Redebegabung. Im gesamten Kommentar zitiert er mehrmals Verse über Nestor als Analogie zu einem guten Berater oder Politiker, vgl. 93,15–18; 130,1–3. Vgl. Plat. Phd. 85b, nach der Übersetzung von Schleiermacher 1809. Proklos erwähnt ebenfalls in seinem Kommentar (Procl. in Alc. 5,16–17), dass Sokrates sich als „Dienerschaftsgenossen der Schwäne“ bezeichnete, wobei Olympiodor hier diese Aussage auf Platon bezieht. Dionysios der Grammatiker wird im Dialog „die Nebenbuhler“ (Ἀντερασταί) erwähnt (Plat. Amat. 132a). Die Echtheit dieses Dialogs, der auch – wie hier von Olympiodor – Ἐρασταί (die Liebenden) genannt wird, wird in der Forschung angezweifelt, wobei er von den Platonikern als original bewertet wurde. Aufgrund der Parallelen zu den ähnlichen Merkmalen des Alkibiades argumentiert Annas (1985, S. 112), dass Anterastai ein Frühwerk Platons sein könnte. Diogenes Laertios nennt Dionysios als den ersten Lehrer von Platon (D. L. III.4,3–4). DerAusdruck ὥς φασι („wie sie sagen“) deutet darauf, dass Olympiodor sich bei dieserAussage auf andere Autoren, wahrscheinlich auch auf eine frühere Tradition bezieht. Diogenes Laertios nennt Ariston von Argos als Platons zweiten Lehrer, von dem Platon das Ringen lernte. Anschließend berichtet Diogenes über die Umbenennung Platons von Ariston, und beruft sich dabei auf Alexander (Polyhistor) von Milet sowie auf Neanthes (vgl. D. L. III.4,4–9). Platons Großvater väterlicherseits, der Vater von Ariston (vgl. oben 2,16–17). Die heute erhaltenen Büsten, die die Namensaufschrift „Platon“ tragen, zeigen eine breite Stirn, unter der die Augen relativ klein ausfallen (hierzu Leisegang 1950, Sp. 2357–2361; vgl. Boehringer 1935). Daher bezieht sich das Wort μέτωπον hier wahrscheinlich auf die Stirn als die Stelle oberhalb der Augenbraue (vgl. Griffin 2015 übersetzt daher mit „brow“, was gleichzeitig auf Augenbraue und Stirn deutet). Nach dem archäologischen Befund war Platon wohl tatsächlich, wie Leisegang (ebd. Sp. 2347) feststellt, ein gewöhnlicher Eigenname und kein Spitzname, wie ihn die alexandrinischen Biographen darstellen. Diogenes Laertios (III.4,4–9) bezieht sich bei der Meinung der ‚anderen‘ auf Neanthes. Das Wort κεχυμένον leitet sich vom Verb χέω (gießen) ab, das im Medium den Sinn „sich ergießen, strömen“ ergibt. Dadurch wird Platon wie eine Wasserquelle dargestellt und mit dem Quellenmetapher in Verbindung gebracht (siehe oben Anm. 6). Vgl. D. L. V,38.

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D. Anmerkungen Damon war ein berühmter Sophist und Musiktheoretiker in Athen, der bei zahlreichen Autoren im Zusammenhang mit der Bildung genannt wird (vgl. hierzu Harmon 2002). Zu seinen Schülern wird auch Perikles gezählt, der später gegen die Ostrakisierung seines Lehrers nichts unternommen haben soll. Aristoteles zufolge war er ein Lehrer und Berater von Perikles, für dessen Politik er verantwortlich gemacht und insbesondere wegen Einführung des Richtersoldes ostrakisiert wurde (Arist. Ath. Pol. 27,4). Plutarch nennt Damon einen Freund der Tyrannei und einen Sophisten, der sich als Musiklehrer ausgab und deshalb verbannt wurde (Plu. Per. 4,1–2). Er führt ferner seine außerordentliche Bildung als Grund für seine Ostrakisierung an (vgl. Plu. Arist. 1,7). Zu Damon gibt es in den platonischen Dialogen eine Reihe von Belegstellen, die Griffin (2015, S. 164, 25) anführt: Plat. Rep. 400b–c; 424c; Alc. 118c; La. 180d; 200a. Diese drei Fächer werden im Dialog in Bezug auf Alkibiades’ Bildung erwähnt (Plat. Alc. 106e 5–6). Platons Darstellung der drei Seelenteile wird in der Politeia auf die Frage über die richtige Bildung bezogen (vgl. Plat. Rep. 518b–541b). Demnach ist der vernunftbegabte Seelenteil (λογιστικόν) der Sitz des rationalen Denkens (Plat. Rep. 439d–442d), während der begehrende Seelenteil (ἐπιθυμητικόν) das Verlangen nach äußeren und inneren Gütern unterstützt (Plat. Rep. 430a–431a). Der‚mutartige‘ Seelenteil (θυμοειδές) ist Sitz derAffekte und herrscht über die Tugenden. Dieser kann die Tugenden zur Hilfe der Vernunft nehmen, um die Affekte zu überwinden (Plat. Rep. 440a–441a). Olympiodor verwendet an dieser Stelle nicht die Adjektive für Seelenteile, die Platon gebraucht, sondern die Begriffe als Nomina. Eine Schwierigkeit besteht in der Übersetzung des Begriffs θυμός, der in einer modernen Sprache nur annähernd beschrieben werden kann. Die geläufige Übersetzung dieses Begriffs ist ‚Mut‘, wobei damit der Bedeutungsinhalt des Wortes nur teilweise wiedergegeben wird. Nach Snell (1955, S. 27) wird Thymos in der Antike wie ein Organ aufgefasst, das vielmehr eine Reaktion als eine Aktion verursacht. Daraus leitet Snell die Beschreibung als „Organ der reagierenden Regung“ ab. Angesichts der recht differenzierten Auffassungen über die Übersetzung von θυμός (vgl. dazu Sarischoulis 2008), werde ich diesen Begriff in Anlehnung an Snell als eine Art ‚Reaktionskraft‘ auffassen und im Allgemeinen mit ‚Willenskraft‘, je nach Kontext aber auch mit ‚Mut‘ übersetzen. Vgl. Plat. Alc. 106e7: οὐ γὰρ δὴ αὐλεῖν γε ἤθελες μαθεῖν. „Aulos spielen wolltest du offenkundig nicht lernen.“ (Übers. Döring 2016). Die Themen, die Alkibiades gelernt hat, werden auch bei Proklos ausführlich analysiert. Er betrachtet diese Aufzählung der drei Bereiche zuerst als ein Stilmittel, um den Dialog lebendiger zu gestalten (vgl. Procl. in Alc. 193,21–194,1). Nachfolgend erläutert er die Einflüsse dieser Fächer auf die drei Teile der Seele (vgl. Procl. in Alc. 194,1–196,1). Vgl. Plat. Ti. 67c–68d. An dieser Stelle bietet Olympiodor eine positive Darstellung der Tragödie an, obwohl Platon bekanntlich Kritik gegenüber den Tragödiendichtern übte (vgl. Plat. Rep. 605d–607a). Auch Proklos bezeichnet die Tragödiendichter als Lehrer für alles und als vorbereitende Lehrer für die Philosophie (vgl. Procl. in Rep. I.204,4–5). Im Kommentar zu Phaidon (Olymp. in Phd. I.6,1) verweist Olympiodor auf Dionysos als den Aufseher des Werdens. Dort charakterisiert er Dionysos mit den ethischen und physischen Tugenden, da dieser von den Titanen zerrissen und gefressen wurde und das Kauen eine extreme Trennung darstelle (Olymp. in Phd. I.5–6). Dies ist nach Olympiodor vergleichbar mit den physischen Tugenden, die voneinander getrennt sind (im Gegensatz zu den wahren Tugenden, die sich gegenseitig bedingen). Deshalb ist Dionysos auch der Aufseher dieser Welt, in der es eineTrennung von „Mein“ und „Dein“ gibt. Ferner sei Dionysos der Aufseher über das Werden, weil er der Aufseher über Leben und Tod ist, letzteres wegen des Weins, der eine

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Ekstase hervorruft, die dem herannahenden Tod ähnelt. Darin zeigt sich eine neuplatonische Position, auf die auch Griffin (2015, S. 165, 31) hinweist, die den Unterschied zwischen der unvollständigen materiellen Welt und den vollkommenen Ideen betont, wie Proklos hervorhebt (vgl. Procl. in Ti. I.336,27-337,3). Tragödie und Komödie, erklärt Olympiodor weiter (in Phd. I.6,5–10), sind Dionysos gewidmet: die Komödie als Aufführung des Lebens, die Tragödie als Aufführung von Leid und Tod. Diese Abstammung des Dionysos aus Semele und aus dem Schenkel des Zeus wird selten behandelt (vgl. Ael. Herod. Περὶ παθῶν, 375,7–15; Scholia in Plat. 394c–d). Bei den Platonikern der Spätantike wird die Geburt des Dionysos in Bezug auf die Entstehung des Kosmos thematisiert (vgl. Herm. in Phdr. 59,15–20; Procl. in Ti. I.407,24–408,5). Vgl. Procl. H. Fr. 1; Olymp. in Phd. I.5,16. Dieser Vers handelt von der Annahme, dass die Eigenschaften der Eltern (bzw. die Ursache) auf die Kinder (bzw. das Ergebnis) übertragen werden. Im Kommentar zum Phaidon zitiert Olympiodor diesen Vers in der Passage, in der es auch um das Wesen des Dionysos geht (siehe Anm. 39). Auch dort dient das Zitat als Beispiel dafür, dass die Dinge nach ihren Ursachen benannt werden, so wie das Getreide Demeter und der Wein Dionysos genannt wird. Hier schließe ich mich, wie Griffin, der Lesart bei Casaubon an. An dieser Stelle gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Überlieferungen von Verb πνέω („wehen, hauchen“): Westerink hat, auf der Grundlage von Marc. gr. 196, πνείων im Nominativ. Dies würde Sokrates als ‚inspiriert‘ bezeichnen, folglich das dazugehörige Genitivobjekt „von dithyrambischer Sprache bzw. Stil“ (τοῦ διθυραμβώδους χαρακτῆρος). Im Gegensatz dazu steht bei Casaubon das Partizip im Genitiv (πνέοντος), der sich auf den Dialog (τοῦ διαλόγου) bezieht. Griffin (2015, S. 166, 35) weist daraufhin, dass Casaubons Version in diesem Fall sinnvoller ist, weil damit der Bezug zum Dialog und nicht zu Sokrates hergestellt wird. Daraus ergibt sich der Sinn, dass der Dialog „von dithyrambischem Stil inspiriert“ ist. Aufgrund der spezifischen Bezeichnung der sprachlichen Eigenart oder des Stils (χαρακτήρ) der Dithyramben erscheint Casaubons Version plausibler, da die Genitivform πνέοντος im selben Kasus wie der Dialog (τοῦ διαλόγου) verwendet wird, um den Stil des Dialogs als inspiriert zu bezeichnen. Eine eindeutige Datierung des Phaidros kann nicht gemacht werden, da sich widersprüchliche Angaben in diesem Dialog befinden (vgl. dazu Heitsch 1993, S. 231–233). Olympiodors Bemerkung, der Phaidros sei der erste Dialog Platons gewesen, scheint auf platonischer Tradition zu beruhen. Einige Zeugnisse legen nahe, dass Phaidros bei den Mittelplatonikern als Einstieg zur platonischen Philosophie behandelt wurde (vgl. dazu Dörrie/Baltes 1990, S. 360–364; siehe auch Kapitel A. II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung und Anm. 41). Diese Bemerkung ist vor dem Hintergrund interessant, dass Aristophanes in den Wolken Sokrates als Sophist darstellte und seine Lehre sowie seine Schüler als untauglich für die Gesellschaft bezeichnete. Dennoch lässt Platon Aristophanes im Symposion fiktiv an einem Gespräch mit Sokrates teilnehmen. Der theoretische Inhalt der Rede von Aristophanes im Symposion wird von Hermeias hervorgehoben (Herm. in Phdr. 45,13–17). Platon, Epigramm 14 (Diehl); Übers. Bierl 2017, S. 44. Diese Verse werden auch in den anonym überlieferten Prolegomena zitiert (vgl. Anon. Proleg. 3,9–10). Eine Anspielung auf die Stelle im Symposion, wo Aristophanes beim Schluckauf dargestellt wird (Plat. Smp. 185c), woraufhin er seine Rede dennoch fortsetzt (Plat. Smp. 189c–193e). Vgl. Hom. Il. XVIII,392: Ἥφαιστε πρόμολ’ ὧδε· Θέτις νύ τι σεῖο χατίζει. „Hephaistos! komm doch heraus! Thetis verlangt etwas von dir!“ (Übers. Schadewaldt 1975). Auch Diogenes Laertios schreibt diesen Vers Platon zu (D. L. III,5). Hephaistos’ Archonschaft in Alexandria kann nach Cameron (1969, S. 12–13) zwischen 545 und 551 n. Chr. datiert werden. Dazu gibt Cameron einen umfangreichen Überblick zu den historischen Persönlichkeiten der Zeit (14–17).Watts (2006, S. 254) interpretiert ausgehend von

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D. Anmerkungen diesem Hinweis, dass Olympiodor eine höhere Stellung in der Gesellschaft haben müsste, wenn er bei dem feierlichen Empfang des neuen Archons anwesend sein durfte. Für die Datierung des Kommentars nach dieser Angabe siehe Kapitel A. I.3. Olympiodors Werke und dort Anm. 25; vgl. Westerink 1976, S. 21; 1990, S. 329–330. Zur Überlieferung über Platons frühere Bildung vgl. Riginos 1976, S. 39–52. Riginos (ebd. S. 48, Anm. 36) weist daraufhin, dass diese Angabe eine Unstimmigkeit mit Aristoteles darstellt: Nach Aristoteles war Platon zunächst bei Kratylos, um die äußere Welt zu studieren, und wandte sich dann Sokrates und der inneren Welt des Menschen zu (vgl. Arist. Metaph. 987a32–b7). Im Gegensatz dazu berichtet Olympiodor hier, dass Platon zunächst Tragödien schrieb, bevor er von Sokrates zur Philosophie bekehrt wurde (siehe oben 2,75–78). Dies unterstreicht, dass Sokrates eine wesentliche Rolle dabei spielte, Platon zur Philosophie zu bringen. Folglich verortet Olympiodor Platons Lehre bei Kratylos – wie Diogenes Laertios (D. L. III,6) – auf die Zeit nach Sokrates’ Tod. Archytas wird nicht im Philebos, sondern in den Briefen als ein Begleiter von Platon in Tarentum erwähnt (vgl. Plat. Ep. 338c–350a). Das Betrachten der Natur wird hier als eine Aufgabe des Philosophen angesehen. Unter Hinweis auf die negative Bedeutung von φιλοθέαμον als bloßer ‚Zuschauer‘ bei Platon (vgl. Plat. Rep. 475d–e), sieht Griffin (2015, S. 167, 46) hier einen Ausdruck des Unterschieds zwischen dem Philosophen und dem Zuschauer. Während der Philosoph die visuelle Wahrnehmung richtig einzusetzen weiß, so Griffin, verbleibt ein Zuschauer nur auf der Ebene des Sichtbaren. Olympiodor scheint hier jedoch nicht diesen Unterschied zu betonen, sondern die Sehwahrnehmung selbst positiv zu besetzen. Dies lässt sich damit vereinbaren, dass Olympiodor konsequent den Wert der Sinneswahrnehmung betont, da ein Philosoph nur von der sinnlich wahrnehmbaren Natur aus die Verbindung zu den Ideen herstellen kann. Olympiodor bezieht sich auf Aelius Aristides, Or. 46,229. In dieser Rede (Πρὸς Πλάτωνα ὑπὲρ τῶν τεττάρων) befasst sich Aristides mit der Rechtfertigung der vier Politiker, die Platon im Gorgias kritisiert hat. Im gesamten Kommentar finden sich mehrere Verweise auf diese Rede von Aristides, woraus geschlossen werden kann, dass sie in der neuplatonischen Schule gelesen wurde oder zumindest bekannt war. Platons Zeit in Sizilien erwähnt Olympiodor auch in seinem Kommentar zum Gorgias (vgl. Olymp. in Grg. 41,6ff.). Die folgende Anekdote behandelt Olympiodor auch im Gorgias-Kommentar (vgl. Olymp. in Grg. 41,7). Das Adjektiv εὐδαίμων wird an dieser Stelle mit ‚glücklich‘ übersetzt, wobei die Bedeutung dieses Begriffs in der Philosophie vielschichtiger ist. Das Konzept des Glücks, das mit εὐδαιμονία ausgedrückt wird, bedeutet, dass ein Mensch mit seinem eigenen Daimon in Übereinstimmung ist (vgl. hierzu Szaif 2002, S. 158). Diese Übereinstimmung wird in der platonischen und aristotelischen Philosophie durch die Handlungen ermöglicht. In dieser Hinsicht ist nach Platon derjenige glücklich, der gut handelt; dagegen derjenige unglücklich, der schlecht handelt. Auf der anderen Seite ist ein wichtiger Bestandteil des Glücks, dass ein Mensch frei leben kann. Deshalb ist nach Platon ein Tyrann unglücklich, da er ein Sklave seiner Begierden ist (vgl. Plat. Rep. 577b–588a). Platon behandelt in der Politeia die Frage nach der richtigen Bildung, die die Bürger ‚verbessern‘ kann (Plat. Rep. 599d: βελτίους ἢ χείρους ἀνθρώπους ποιεῖ; vgl. Plat. Rep. 599d–600c). Diese Aufgabe gehört nach Platon dem Politiker, da er auf das Nützliche und Zuträgliche für die Bürger abzielen muss (Plat. Rep. 342e). Auch im Alkibiades wird der Ausdruck ‚besser machen‘ in Verbindung mit der Selbstsorge erläutert (vgl. Plat. Alc. 128c–e). Diese Antwort suggeriert, dass die Urteilsfindung über die Taten nur als eine Art Korrektur zu sehen ist, während die Taten bereits begangen wurden und somit die Regeln bereits zerstört oder ‚zerrissen‘ wurden: Es wäre besser, wenn diese Taten gar nicht erst zustande kämen.

D. Anmerkungen

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Platons Gleichnis in diesem Satz deutet darauf, dass die Politiker mit ihren Urteilen nur die Äußerlichkeiten verbessern können, wobei sie die Bürger nicht besser machen. Dabei knüpft Olympiodor mit den Gewändern (ἱμάτια) an die Gewandmetapher an. Durch diese Metapher wird das Verhältnis des Menschen zu den Gewändern mit dem Verhältnis des Körpers zu der Seele verglichen. Die Gewänder oder ‚Hüllen‘ bzw. ‚Umhüllungen‘ (χιτών) bezeichnen bei Proklos drei verschiedene Arten des Seelenwagens, die der Seele ein Leben im Körper ermöglichen (siehe Procl. in Alc. 179,14: ἀλλοτρίων χιτώνων; vgl. Procl. in Alc. 301,4–15; in Ti. III.297,16–298,5). Siehe dazu Opsomer 2006, S. 148. Wie Griffin erläutert (2015, S. 169, 54), könnte Aristides’ Rede über die vier Politiker auch für diese Bemerkung als Grundlage gedient haben (Aristid. Or. 46.234,12–16; siehe dazu Anm. 53). In der Überlieferung wird Platons religiöse Bildung öfter betont, da einige seiner Dialoge Themen der Religion behandeln (vgl. D. L. III,6). Die ‚heilige Lehre‘ (ἡ ἱερατική) der ägyptischen Priester umfasst die Praxis der Rituale, die Jamblich unter dem Begriff der ‚Theurgie‘, der von den Chaldäischen Orakeln stammt, in die neuplatonische Philosophie integriert hat. Nasemann (1991, S. 127 Anm. 25) zufolge ist der Begriff ‚Hieratik‘ (bzw. die heilige Lehre: ἡ ἱερατική) bei Jamblich nahezu gleichbedeutend zur Theurgie. Die Theurgie vertrete das Ziel, so Nasemann, „den an den Körper und damit an die Materie gebundenen Menschen durch rituelle Akte (ἔργα) und vermittelnde Materien zu den Göttern emporzuführen.“ (ebd. S. 19). Jamblich stellt die These vor, dass diverse rituelle Praktiken eine entscheidende Rolle bei der Reinigung (bzw. Katharsis) der Seele und für eine Einigung mit Gott haben. Somit verwirft er dieAnnahme von Plotin, dass die Außenwelt keinen bedeutenden Einfluss auf den Aufstieg der Seele ausübt. In der Frage nach der Bedeutung der religiösen Riten differenzieren sich zwei Richtungen im Neuplatonismus, von denen eine auf eine geistige Erfassung des Göttlichen in der Vernunft abzielt, die andere dagegen die Wahrnehmung des Göttlichen durch Riten hervorhebt. Diese Differenzierung erläutert Damaskios, dass Porphyrios und Plotin die Philosophie bevorzugten (φιλοσοφίαν προτιμῶσιν), dagegen Jamblich, Syrianos und Proklos die Hieratik (τὴν ἱερατικήν; vgl. Dam. in Phd. 172). Olympiodor erwähnt ‚die heilige Lehre‘ im Rahmen von Platons Bildung – wahrscheinlich der Tradition folgend, obwohl dieser Begriff im Rest des Kommentars keine große Bedeutung erhält. Vgl. Plat. Grg. 482b5. Vgl. Plat. Ti. 71a–72b. An dieser Stelle bietet Olympiodor eine Erklärung für Platons widersprüchlich tradierten Reisen. Griffin (2015, S. 170, 60) weist auch in diesem Punkt auf eine chronologische Unstimmigkeit hin. Hier könnte Olympiodor daran gelegen haben, so Griffin, die Widersprüche in der Überlieferung von Platons Leben aufzulösen, indem er die Reisen in den Osten später erzählte als die Reisen nach Sizilien. Diese Bemerkung kann auch darauf deuten, dass diese Reisen früher erzählt werden sollten, wobei sie in den späteren Quellen auftauchen. Einige Berichte ordnen Platons Reisen nach Osten seiner Zeit nach dem Tod des Sokrates und vor den Reisen nach Sizilien zu. Platons ägyptische Reise ist Riginos (1976, S. 64) zufolge wahrscheinlich eine spätere Erfindung, für die Cicero und Diodor die frühesten Quellen sind. Die Unstimmigkeiten deuten darauf hin, dass die ägyptische Reise eine spätere Erfindung ist, die nach Riginos (1976, S. 61–69) bestimmte Funktionen erfüllen würde: 1) Die Parallele zwischen Platon und Pythagoras, der die Weisheit im Bereich der Religion und Kulte aus dem Osten besaß, deutlich zu betonen; 2) Platon als einen von der Weisheit anderer Völker abhängigen und nicht originellen Philosophen zu kritisieren; 3) Besonders bei den christlichen Autoren wird dieser Hinweis als Argument dazu benutzt, dass Platon das Alte Testament kannte. Für Olympiodor kann der erste dieser Gründe relevant sein, mit der besonderen Betonung darauf, dass Platon zumindest genauso viel wusste, wie Pythagoras. Nachfolgend stellt Olympiodor fest, dass Platons Lehre besser war als die von Pythagoreern, da sie

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D. Anmerkungen unabhängiges Denken unterstützt. Zu den Quellen über Platons Reisen siehe ferner Dörrie/ Baltes 1990, S. 166–177. Timon von Athen wird in der späteren Überlieferung irrtümlich mit Timon von Phleius gleichgesetzt. Die historische Echtheit dieser Person ist umstritten. Nach Plutarch ist er ein Zeitgenosse von Platon und hat im 5. Jh. vor Chr. in Athen gelebt (vgl. Plu. Alc. 16,9). Diogenes Laertios erwähnt Timon ebenfalls (vgl. D. L. IX.112,8), jedoch nicht als einen Begleiter von Platon, sondern als einen Nachfolger von Heraklit und Protagoras. Dass Timon mit Platon zusammen war, scheint eine spätere Erfindung zu sein und wird auch in den Prolegomena zur platonischen Philosophie überliefert (Anon. Proleg. 4,14–18). Olympiodors Verweis auf Timon insinuiert, dass Platon selbst für einen als Misanthropen bekannten Menschen eine angenehme Persönlichkeit war. Hierzu weist Griffin (2015, S. 170, 63) darauf hin, dass Diogenes Laertios zwei Frauen unter Platons Schülern nennt, Lastheneia von Mantineia und Axiothea von Phleius, die sich wie Männer kleideten. Diogenes bezieht sich dabei auf Dikaiarchos (vgl. D. L. III,46). Der Gebrauch des Wortes φιλοπονία ruft mehrfache Anspielungen hervor. Griffin (2015, S. 171, 64) verweist auf die Bedeutung von φιλοπονία bei Platon, die auch im Alkibiades konkret auf Spartaner bezogen wird (vgl. Plat. Alc. 122c). Eine weitere platonische Assoziation besteht nach Griffin darin, dass philoponia auf die Hausarbeit von Frauen deutet, die im Gegensatz zu einem philosophischen Leben steht. Diese Bedeutung ist m. E. möglich, wenn der Kontext des Satzes in Verbindung mit der vorangegangenen Bemerkung, dass die Frauen den Unterricht von Platon in Männerkleidung hörten, betrachtet wird. Andererseits ist auch die Verwendung des Begriffs φιλόπονος für die Menschen christlichen Glaubens bemerkenswert, die im spätantiken Alexandria im Zusammenhang mit der platonischen Bildung auftreten. Die Zeugnisse berichten von gewissen „philoponoi“, die die Lehrstätten der heidnischen Philosophen besuchten, um deren Ansichten in Frage zu stellen und die Schüler für die Denkweise der Christen zu begeistern (ausführlich hierzu Watts 2006, S. 212–216). An dieser Stelle ist jedoch wahrscheinlich eine allgemeine Positionierung der platonischen Philosophie gegenüber anderen Philosophen festzustellen, wodurch die anderen Denkschulen als lediglich „bemüht“ dargestellt werden, ohne dass sie das Maß des platonischen Philosophierens erreichen können. Die Kritik gegen die Pythagoreer ist ein geläufiger Topos bei Cicero (vgl. Cic. fin. 5.87), wobei in der platonischen Tradition Pythagoras als Platons Lehrer angesehen wurde (besonders bei den ‚Mittelplatonikern‘, vgl. Apul. De dogm. III). Bei den Neuplatonikern vor Olympiodor ist keine explizite Kritik gegen Pythagoras zu finden. Dass Platon diese Wertschätzung für Pythagoras nicht immer teilte, ist in der Forschung bereits anerkannt. Wie aus Platons Dialogen hervorgeht, hat er einige Vorstellungen der Pythagoreer kritisch oder zumindest ironisch bewertet (so Erler 2009, S. 73). Dies gibt einen Hinweis auf die Bedeutung dieser Passage bei Olympiodor. Hierzu kann eine Erklärung von Westerink (1962, S. XXXIV) herangezogen werden, dass es in der alexandrinischen Philosophie im Umkreis von Ammonios eine Diskussion über den Dogmatismus und Skeptizismus bei Platon gab. Den Neuplatonikern gehe es darum, so Westerink, die Annahme der Neuen Akademie zu widerlegen, Platon sei ein Skeptiker gewesen. Dies wiederum stellt die andere Möglichkeit als richtig dar, nämlich dass Platon ein Dogmatiker war, was aus Sicht der Neuplatoniker ebenfalls inakzeptabel erscheint. Sie bemühen sich vielmehr, die platonische Philosophie (so auch Westerink ebd. zu den anonymen Prolegomena) als Lösung philosophiegeschichtlicher Widersprüche zu präsentieren. Auf dieser Grundlage kann die Kritik gegenüber den Pythagoreern an dieser Stelle interpretiert werden. Olympiodors Bemerkung, dass die Pythagoreer sich in ihrer Argumentation auf die Autorität des Meisters beriefen (mit der Aussage „er hat es gesagt“), positioniert Platon noch stärker gegen Dogmatismus. Zu den Darstellungen der Pythagoreer bei den Platonikern vgl. Hicks 2014.

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Dieser Spruch erklärt insbesondere in der Literatur der Spätantike den unfehlbaren Glauben an die Autorität des Meisters bei den Pythagoreern. Demnach wurden die pythagoreischen Regeln und Äußerungen nicht hinterfragt, sondern nur deshalb akzeptiert, weil Pythagoras sie gesagt hat. Nach Tarrant/Renaud (2015, S. 203) deutet Olympiodor mit dieser Aussage darauf, dass Platon kein ‚unerreichbarer Meister‘ wie Pythagoras sein wollte. Der Gebrauch des Adjektivs πολιτικός in Bezug auf Platon kann mehrere Bedeutungsebenen haben. Im Hinblick auf die Pythagoreer und ihre politischen Aktivitäten kann diese Bezeichnung in dem Sinne interpretiert werden, dass Platons Philosophie ‚staatsfreundlicher‘ bzw. ‚polistauglicher‘ ist. Diese Deutung erklärt auch den Komparativ πολιτικώτερον, da Olympiodor dadurch die platonische Philosophie gegenüber den Pythagoreern aufwerten würde. Auf der anderen Seite bezeichnet Olympiodor mit πολιτικός den Menschen mit der ‚politischen Tugend‘, der das Idealbild des Politikers darstellt. Ein Mensch mit der politischen Tugend erkennt sich selbst als die Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, um in der Gesellschaft zu leben und Handlungen auszuführen (siehe dazu 4,15–5,1). In diesem Sinne deutet ‚politisch‘ auf den Menschen, der ein Teil der Polisgemeinschaft ist, die politischen Tugenden beherrscht und daher auf eine politische Karriere vorbereitet ist. Die politische Selbsterkenntnis, die diesem Menschen zugrunde liegt, bezeichnet das Thema des Alkibiades. Daher verbindet sich Platons ‚politisches‘ Verhalten mit der politischen Tugend, die das Kernthema des Dialogs und des Kommentars bildet. Auf der anderen Seite kann πολιτικός ausgehend von dem Hinweis auf die pythagoreische Geheimhaltung darauf deuten, dass Platon eine ‚bürgernahe‘ Haltung in seiner Schule hatte und für alle Menschen offen war. Damit stellt Olympiodor die platonische Akademie und Platon als Idealbild der aufgeschlossenen Philosophie dar. Anhand des Komparativs πολιτικώτερον lässt sich ein Aspekt der Gegenüberstellung dahingehend interpretieren, dass Platons Lehre im Vergleich zu Sokrates und den Pythagoreern ‚politischer‘, d. h. mehr auf die Bedürfnisse der Polisgemeinschaft zugeschnitten war. Simmias von Theben, der als ein Gesprächsteilnehmer (zusammen mit Kebes) in Platons Phaidon erscheint. In diesem Dialog erwähnt Sokrates, dass er oft denselben Traum hatte, der ihn immer wieder anregte, sich der Musik zu widmen (60d–61c). Die spätere Überlieferung (außer bei Olympiodor nur in den anonymen Prolegomena), dass Simmias den Traum Platons vor seinem Tod gedeutet habe, könnte ebenfalls auf diese Stelle im Phaidon zurückgehen. Riginos (1976, S. 24) ist der Ansicht, dass diese Erwähnung von Platons Traum aus dem früheren Bericht über den Traum stammt, den Sokrates hatte (siehe 2,83–86), bevor er Platon als Schüler annahm. Der Vergleich zwischen Homer und Platon ist an dieser Stelle bemerkenswert. Platons Kritik an Homer wird von den Neuplatonikern dahingehend interpretiert, dass er Homer nicht per se ausgeschlossen hat, sondern sich lediglich gegen ein oberflächliches Verständnis der Mythen aussprach. Proklos befasst sich in seinem Kommentar zu Platons Politeia ausführlich mit der Frage, warum Platon in der Politeia Homer als Lehrer nicht akzeptierte, sich aber in anderen Zusammenhängen auf Homer berief. Nach Proklos richtet sich die Kritik Platons nur gegen die mimetische Dichtung, bei Homer dagegen überwiege die göttlich inspirierte Dichtung (Procl. in Rep. I.69,23–79,32). Proklos betont hier ebenfalls, dass die Mythen bei Homer auf vielen Ebenen interpretiert werden können, die sich nicht aus ihrem Inhalt selbst ergeben, sondern aus dem Wesen des Dichters und der Rezipienten, je nach der Lebensweise der Personen, die die Mythen von ihm hören (vgl. ebd. I.76,17–79,18). Die inspirierte Art, die Proklos hervorhebt, ist ein gemeinsames Merkmal von Homer und Platon. Olympiodors Bemerkung zu Homer und Platon an dieser Stelle lässt vermuten, dass er sich dieses theoretischen Hintergrunds bewusst war und sich mit der Dichtungstheorie des Proklos auseinandergesetzt hatte.

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D. Anmerkungen Das Adjektiv παναρμόνιος kann mit ‚alle Harmonien anbietend‘ übersetzt werden. Dies trägt bei Platon auch einen negativen Sinn und bezeichnet ein Musikinstrument, mit dem alle Tonarten gespielt werden können (Plat. Rep. 399c) oder einen Gesang, der alle Harmonien und Rhythmen aufbietet, wie die sizilische Tafel, die Mannigfaltigkeit und Zügellosigkeit unterstützt (Plat. Rep. 404d–e). Olympiodor interpretiert diese Vielfalt jedoch als Reichtum des sprachlichen Ausdrucks. Dieses Epigramm wird bei Diogenes Laertios überliefert (D. L. III.45,7–8; vgl. Anth. Gr. 7,109). Zur Erklärung von γένος siehe oben 2,14 und Anm. 18. Das Vorliegende (τὸ προκείμενον) bezeichnet den Gegenstand einer Diskussion oder einer schriftlichen Abhandlung. Griffin (2015) betrachtet den Teil des Kommentars ab diesem Satz bis zum 2. Unterricht (9,20) als den ersten Unterricht. Auf der Grundlage der hier begonnenen Textuntersuchung über die Absicht wäre dies durchaus sinnvoll, doch es ist nicht genau erkennbar, wo der erste Unterricht beginnt. In meiner Übersetzung verzichte ich daher auf die Festlegung des ersten Unterrichts und gebe den Text – wie der Text durch Codex Marc. gr. 196 überliefert und in der Ausgabe von Westerink (1956 sowie 1982) wiedergegeben wird – indem ich die Vita mit den folgenden Kommentaren bis zum zweiten Unterricht verbinde. Siehe dazu Kapitel B. II.1.3.1. Die Absicht (σκοπός). Vgl. Procl. in Alc. 9,2–7. Der Begriff ἐπιχείρημα bezeichnet in der aristotelischen Logik einen versuchten dialektischen Beweis, der im Gegensatz zu einem demonstrativen Syllogismus ohne Prüfung als Grundlage angenommen wird (vgl. Arist. Top. 162a16). Nach Schepers (1972) war dieser Gebrauch bei Aristoteles nicht geläufig und der Sinn von ‚Epichirem‘ wurde erst später deutlicher. Demnach bezeichnet ein ‚Epichirem‘ in der Rhetorik der Spätantike nicht einen versuchten Schluss, sondern einen speziellen Beweis, der mindestens aus drei Teilen besteht. Bei Cicero enthält ein Epichirem fünf Teile (vgl. Cic. inv. 35,61). In Übereinstimmung damit bietet Olympiodor im Folgenden mehrere Argumente, um die Absicht des Dialogs zu begründen. Auf dieser Grundlage interpretiere ich ἐπιχείρημα hier als ein ‚erweitertes Argument‘. Die Echtheit des Zweiten Alkibiades, den Olympiodor hier Platon zuschreibt, findet in der modernen Forschung wenig Zustimmung. Zu den Argumenten gegen die Echtheit siehe Carlini 1962, S. 46–48. Plat. Alc. 124a9–b1; Übers. Döring 2016. Bei der Übersetzung von γνῶθι σαυτόν muss der reflexive Aspekt mit ‚selbst‘ bei Olympiodor betont werden. Diese ‚neuplatonische‘ Interpretation hat sich in der Forschung auch in Bezug auf Platons Alkibiades durchgesetzt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Personalpronomen im Griechischen mit αὐτόν zum Ausdruck der Reflexivität verwendet werden kann und nicht notwendigerweise zur Betonung des Begriffs ‚Selbst‘. An dieser Stelle wird πρόσρημα ausgehend von der Bedeutung als „Benennung“ im weitesten Sinne als eine Bezeichnung aufgefasst. Die Grundbedeutung des Wortes deutet auf eine Anrede oder Begrüßung hin. Als Begriff der Grammatik bezeichnet πρόσρημα ein Wort, das mit einem Verb (ῥῆμα) im Zusammenhang verwendet wird. Hier kann πρόσρημα spezifisch als ‚Pronomen‘ übersetzt werden (zu dieser Definition vgl. Poll. VI.203). Gleichzeitig bezeichnet πρόσρημα auch Adverbien (vgl. Poll. II.128,7) und Präpositionen (siehe dazu der Gebrauch als Präposition in der Einleitung Kapitel B. III.1. Sprachorientierte Exegese und dort Anmerkung 211 sowie im Kommentar 54,7 und 60,1–2). Vgl. Plat. Alc. 131a–c. Sokrates bezieht dort ‚das Seinige‘ auf den Körper des Menschen. Noch entfernter von der Seele sind die äußeren Güter, die dem Körper (bzw. ‚dem Meinigen‘) gehören.

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Olympiodor analysiert die Diskussion über die Tugenden im Dialog (Plat. Alc. 113d–114b) als ein syllogistisches Verfahren, das die Entsprechung der Tugenden zueinander aufzeigt (vgl. dazu die logische Umkehrung in 92,8–9; Entsprechung der Begriffe in 104,25–26; 109,4; 110,10). Olympiodor bezieht sich auf das heldenhafte Verhalten von Menoikeus, dem Sohn von Kreon und Eurydike, das von verschiedenen Autoren erzählt wird (Eur. Ph. 1009–1014; Stat. Theb. 10,610–627; Paus. IX.25,1). Demnach stürzte sich Menoikeus von der Stadtmauer in den Tod, nachdem der Seher Teiresias angekündigt hatte, dass die Thebaner im Kampf mit den Sieben gegen Theben nur dann siegen könnten, wenn Menoikeus sich opfere. Die Parallele zwischen dem Tod von Menoikeus und dem Selbstmord von Kleombrotos (siehe Anm. 91), der weiter unten erwähnt wird, ist bemerkenswert. Mit der Hinaufführung (ἀναγωγή) wird im Platonismus der Aufstieg (ἀνάγειν) der Seele in die intelligible und immaterielle Ebene der Gottheit bezeichnet (vgl. Iamb. Protr. 15,3; Myst. I.17,4; Procl. Theol. Plat. IV.4,1). Proklos betont im Kommentar zum Alkibiades, dass diese Hinaufführung durch Eros entsteht (vgl. Procl. in Alc. 29,9–16; 153,2), der eine Liebe in der Seele für die Einheit der intelligiblen Wesen und für die Befreiung von dem Körper ermöglicht. Die folgende Überlieferung von Olympiodor wird als ein Fragment aus dem Kommentar von Proklos zum Alkibiades betrachtet (Fr. 11 in Westerink 1954). Platon verwendet das Adverb ἁπλῶς im Sinne von einem einfachen, ungeteilten und undifferenzierten Gebrauch eines Begriffs (vgl. Plat. Men. 73e3–6; Hp. Ma. 296d7; Rep. 438e8). Nach Olympiodors Ansicht verwendet Proklos den Begriff ‚Seele‘ in diesem Sinne, wenn er diese als die gesamte Dreiteilung auffasst. Dagegen wird im Folgenden die Differenzierung der vernunftbegabten Seele durchgeführt. Auf politische Weise (πολιτικῶς) sich selbst zu erkennen bedeutet, wie im Folgenden erklärt wird, den Menschen als die Seele zu erkennen, die den Körper als Werkzeug benutzt. Diese Auffassung des Menschen betrachtet ihn als Teil der Polis, sowohl durch seine Handlungen in der Gemeinschaft als auch durch politische Aktivitäten. Siehe dazu 2,154 und Anm. 68. Vgl. Plat. Alc. 129d–130c. In diesem Satz beziehen sich θυμός (Willenskraft) und ἐπιθυμία (Begierde) auf die konkreten Faktoren (Mut und Antrieb), die diese ‚Seelenteile‘ betreffen. Zur Übersetzung der Seelenteile siehe Anm. 35. Gemäß der platonischen Philosophie nimmt Olympiodor hier eine Differenzierung der Tugenden vor. Siehe dazu Kapitel B. II.2.1. Die Tugendgraden bei Olympiodor. Der kathartische Mensch und die darauf bezogene kathartische Tugend taucht an dieser Stelle des Kommentars zum ersten Mal auf. Die Inhalte dieses Begriffs können mit einem Wort nicht wiedergegeben werden. Ursprünglich deutet κάθαρσις auf eine Befreiung von Schuld durch rituelle Reinigung hin. In der aristotelischen Philosophie besaß dieser Begriff hinsichtlich der Wirkung der Tragödie eine zentrale Bedeutung (vgl. Arist. Po. 1449b24–28). Dabei beruht das neuplatonische Verständnis von Katharsis auf der Darstellung dieses Begriffs bei Platon, der die Reinigung der Seele von der Reinigung des Körpers grundsätzlich unterscheidet (vgl. Plat. Sph. 226d–228a). Die kathartische Tugend betrifft bei den Neuplatonikern die Reinigung der Seele von den körperlichen Begierden. Darauf folgt die theoretische Tugend (θεωρητική), in der die Seele einen gewissen Abstand zur sinnlich wahrnehmbaren Welt hat und die intelligible Welt betrachtet. Diese Tugend erwähnte Olympiodor bereits am Anfang des Kommentars in Bezug auf Platon (2,12). Zur Katharsis siehe Kapitel B. II.2.3. Die kathartische Tugend. Olympiodor erwähnt Kleombrotos von Ambrakia, der in der Philosophie mit einem oberflächlichen Verständnis von Platons Phaidon in Verbindung gebracht wird. Williams (1995, 161–163) skizziert die neuplatonische Aufarbeitung von Kleombrotos’ Selbstmord, insbesondere in dem Bemühen, die Kritik an Platon zu widerlegen, er habe Kleombrotos mit seinem Dialog Phaidon in den Selbstmord getrieben. Ammonios und seine Nachfolger vertreten dazu die Position, dass Kleombrotos den Dialog missverstanden habe. Williams (ebd. S. 162–163) ist

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D. Anmerkungen der Ansicht, dass Olympiodor wahrscheinlich der gleichen Meinung war, obwohl es ein Epigramm von ihm überliefert ist, bei dem er sich in der Rolle von Kleombrotos zum Tod bereit erklärt: εἰ μὴ γράμμα Πλάτωνος ἐμὴν ἐπέδησεν ἐρωήν, / ἤδη λυγρὸν ἔλυσα βίου πολυκηδέα δεσμόν, (Williams ebd. S. 163; überliefert bei Elias in Porph. 14,9–10; David Proll. 32,1–2), wobei es sich nach Williams vermutlich um eine Antwort auf Kallimachos handelt. Dies ist jedoch nicht sicher: Denn obwohl Olympiodor nicht behauptet, dass der Weg der Katharsis zum Selbstmord führt, betrachtet er den Fall des Kleombrotos wie Menoikeus als Beispiel für einen freiwilligen Tod, der schlecht für den Körper, aber gut für die Seele ist. Siehe dazu Kapitel B. II.2.3. Die kathartische Tugend. Zu den Fesseln der Seele siehe 40,6–13 und vgl. Plat. Phd. 67d. Der Gebrauch von Richtungsadverbien ‚hier‘ (ἐνταῦθα) und ‚oben‘ (ἄνω) ergibt den gleichen Sinn wie ‚diesseits‘ (τῇδε) und ‚dort‘ (ἐκεῖ, siehe 2,3; Anm. 9). Dadurch wird die sinnlich wahrnehmbare Welt der Menschen von der intelligiblen Ebene der Gottheit und den Ideen unterschieden. Nach Platons Darstellung im Phaidros verliert die Seele ihr Gefieder, wenn sie in die sinnlich wahrnehmbare Welt absteigt (vgl. Plat. Phdr. 246e). Dieser Satz und die Erwähnung des pneumatischen Wagens im Folgenden (5,9–10) beruhen auf der platonischen Theorie des Seelenwagens im Phaidros. Siehe dazu Anm. 177 und Anhang 2: ‚Seelenwagen‘. An dieser Stelle nimmt Olympiodor etwas Unabhängiges im Menschen an, das eine theoretische Tätigkeit auch im Körper und in der sinnlich wahrnehmbaren Welt ausüben kann. Das Unabhängige (τὸ ἄσχετον) bezeichnet den Teil der Seele, der seine Existenz nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis und in einer Relation (κατὰ σχέσιν) zu dem Körper besitzt. In der platonischen Philosophie wird eine Klassifizierung der Wesen vorgenommen, die von sich aus existieren und die nur in einer Abhängigkeit von höheren Wesen sein können. In diesem Sinne bezeichnet Olympiodor eine Kategorie der Daimones als die Daimones in Relation, die abhängig von den Daimones in Essenz sind (κατ’οὐσίαν, 15,5–17). Ferner nehmen am Ende des Kommentars die Besitztümer von Alkibiades die Bedeutung von den ‚relativen Dingen‘, die das wahre Selbst nicht bestimmen, sondern umgekehrt von dem Selbst benutzt werden (siehe 228,13). Das Konzept vom Seelenwagen (ὄχημα) stammt aus dem Vergleich der Seele mit einem Pferdegespann bei Platon (vgl. Plat. Phdr. 246a–257b). Damit werden die drei Teile der Seele aufgefasst, von denen die Begierde das schlechtere Pferd, die Willenskraft das bessere Pferd und die Vernunft den Wagenlenker darstellt. Im Neuplatonismus wurde dieser Begriff nach Bernard (2002) für die Verbindung der unkörperlichen Seele mit dem menschlichen Körper verwendet, die durch diesen Seelenwagen geschieht. Instruktiv hierzu Helmig 2018. Die Bezeichnung ‚pneumatisch‘ für den Seelenwagen geht auf die aristotelische Lehre von ‚Lebensseele‘ (πνεῦμα) zurück. Aristoteles definiert πνεῦμα als den Träger der Bewegung und Wahrnehmung im Menschen (vgl. Arist. GA 736b33–737a1). Bei den spätantiken Platonikern wird die Lebensseele als vegetative und sinnlich wahrnehmende Seele von der Seele (ψυχή) getrennt, die einen vernunftbegabten Teil hat. Die Lebensseele (πνεῦμα) äußert in dieser Hinsicht den mit dem Körper verbundenen Sitz der Seele, der als pneumatischer Seelenwagen beschrieben wird. Proklos ordnet die Seele im menschlichen Körper zu diesem pneumatischen Wagen zu, der den Affekten offen bleibt, damit die Seele als vernunftbegabte Seele nicht insgesamt mit dem Körper verbunden sein muss (vgl. Procl. in Rep. II.155,1–5; 167,16–23; Inst. 205; in Alc. 326,15–327,3). Dabei betrachtet Proklos, Opsomer (2006, S. 148–149) zufolge, auch den Körper selbst als einen Seelenwagen, der die vegetative Seele enthält und für die lebenswichtigen Funktionen zuständig ist. Darüber steht der Wagen der vernunftbegabten Seele, der als ‚lichtförmig‘ oder ‚ätherisch‘ bezeichnet wird (vgl. Procl. in Ti. III.297,26–298,2). Vgl. Anhang 2: ‚Seelenwagen‘.

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Hom. Od. 22,1 (Übers. Schadewaldt 1958). Bei Olympiodor verweist die Bezeichnung ‚Dichter‘ (ποιητής) auf Homer. Der oben zitierte Vers handelt tatsächlich von den alten Kleidungsstücken, die Odysseus trug, als er sich wie ein Bettler verkleidet in sein Haus begab. Diese alten Kleidungsstücke fasst Olympiodor jedoch metaphorisch auf, um erneut von der Gewandmetapher Gebrauch zu machen. Dadurch erklärt er das Verhältnis der Seele mit den ‚Kleidungen‘ in Bezug auf den Seelenwagen. Olympiodor hat auch in der Anekdote zwischen Platon und Dionysios darauf hingewiesen, dass richtiges Urteilen wie das Flicken von Kleidern im Sinne von Oberflächlichkeiten ist (2,106–107). Durch den hier gebrauchten Vers wird der Körper als ῥάκεα („Lumpen, zerrissene Putzlappen“) degradiert und als etwas Minderwertiges im Gegensatz zu der Seele dargestellt. Das Adjektiv ‚vielklug‘ (πολύμητις) ist bei Homer das Epitheton des Odysseus, der als schlau und erfinderisch charakterisiert wird. Mit diesem Adjektiv bezeichnet Olympiodor den Menschen in seiner theoretischen Tugendhaftigkeit. Inwieweit die theoretische Tätigkeit, die als Tugend angesehen wurde, und der erfinderische Charakter des Odysseus ähnlich sind, ist fraglich. Wahrscheinlich legt Olympiodor auch hier den Wortsinn von πολύμητις zugrunde und nicht dessen Identifikation mit Odysseus. Olympiodor betrachtet seine Philosophie auf derselben Linie wie Proklos, der als Lehrer des Ammonios auch die Leitung der platonischen Philosophie in Athen übernommen hatte und als der einflussreichste Philosoph seiner Zeit galt. Während auch Damaskios bei Proklos und seinem Nachfolger Marinos in Athen Philosophie lernte, stand er skeptisch gegenüber Ammonios und seiner Philosophie. Da Damaskios’ Alkibiades-Kommentar heute nicht mehr vorhanden ist, ist es nicht möglich, seine Interpretation in extenso zu rekonstruieren. Olympiodors Überlieferung legt nahe, dass Damaskios in seinem Kommentar eine gegensätzliche Position zu Proklos genommen hat. Dagegen vertritt Olympiodor die Auslegung des Proklos und stellt dabei die Interpretation von Damaskios als ähnlich dar. Im Folgenden einigt er die Meinungen beider Philosophen, indem er ihre Ansichten insbesondere zur Absicht des Dialogs vergleicht. Dies zeigt eine allgemeine Tendenz der Exegese Olympiodors, die Widersprüche der platonischen Tradition aufzulösen oder als nicht existent zu erklären. Diese Tendenz geht auch aus der These im Alkibiades-Kommentar hervor, dass nur die Unwissenden Zwietracht haben und die Wissenden immer in Übereinstimmung sind, da sich die Wahrheit nicht ändert. (Siehe dazu 92,1–5 und Anm. 795). In diesem Satz ist das Subjekt des Verbs φησίν nicht eindeutig. Zum einen kann diese dritte Person sich auf den vorher dargelegten Philosophen Damaskios beziehen, um seine Ansicht jetzt nochmal anzuführen. Die Interpretation von Griffin geht in diese Richtung. Joosse (2021, S. 1 und Anm. 1) hingegen identifiziert das Subjekt dieser Aussage als Olympiodor und argumentiert, dass sich der Schüler, der die Kommentare niederschrieb, hier auf seinen Lehrer bezieht. Diese Behauptung ist durchaus denkbar, doch kann dagegen eingewendet werden: 1. Dies wäre die einzige Stelle, an der φησίν auf Olympiodor verweist, während es sich ansonsten durchweg auf die Ansichten anderer Exegeten aus der Sicht Olympiodors bezieht. 2. Der Kontext deutet darauf hin, dass Olympiodor im Folgenden Damaskios mit Proklos (εἰς σύμβασιν ἄγειν αὐτῷ τὸν Δαμάσκιον) vereinbart, anstatt sich auf eine andere, dritte Interpretation seiner selbst zu berufen. Auf der Grundlage dieser Argumente erscheint mir die Interpretation plausibler, dass es nach Damaskios’ Auffassung in dem Dialog um politische Selbsterkenntnis geht. Diese These wird hier noch einmal in Übereinstimmung mit Proklos als „Absicht auf vorwiegende Weise“ angeführt. Daher verstehe ich die Person, die mit „er“ gemeint ist, als Damaskios. Folglich bringt Olympiodor damit zum Ausdruck, dass Damaskios die Absicht zwar anders benennt als Proklos, diese andere Absicht (politische Selbsterkenntnis) sich aber auf die vorwiegende Absicht bezieht, während Damaskios die allgemeine Absicht

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D. Anmerkungen ebenso wie Proklos als Selbsterkenntnis definiert. Zwei andere Lösungen sind ebenfalls möglich: 1. Olympiodor könnte mit „er“ Proklos gemeint haben und hier einen anderen Aspekt seiner Sichtweise erläutern; 2. Hier bezieht sich „er“ auf die dritte Bestimmung derAbsicht „auf exegetische Weise“, die am Ende dieses Exkurses erscheint [9,22-23: Μετὰ τὸν σκοπὸν τριττὸν ὄντα, Πρόκλειον, Δαμάσκειον, ἐξηγητικόν (τουτέστι τὸν τοῖς ἐξηγηταῖς ἀρέσαντα)], und damit bleibt weiterhin unbestimmt, um wessen Meinung es sich handelt. Vgl. Plat. Alc. 118b8–9: διὸ καὶ ᾁττεις ἄρα πρὸς τὰ πολιτικὰ πρὶν παιδευθῆναι. „Deshalb stürmst du auch so heftig auf die Politik zu, bevor du eine Ausbildung erhalten hast.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Hp. Flat. 1,25–26. Olympiodor stellt hier die Interpretation vor, dass Aristoteles gegensätzliche Seelenteile durch einander auslöscht. Diese Auffassung lässt sich jedoch nicht auf der Grundlage der Werke des Aristoteles begründen. In der Nikomachischen Ethik spricht Aristoteles von zwei grundlegenden Teilen der Seele, von denen einer rational und der andere irrational ist (Arist. EN 1102a–b). Der irrationale Teil ist jedoch mit einer Seite an der rationalen Seele beteiligt. Daher werden die Tugenden in ethische und dianoetische unterteilt. Die Tugenden befassen sich ferner mit Handlungen, die durch Freude und Leid motiviert sind (1103a1–1105a). Der menschliche Antrieb, extreme seelische Zustände zu vermeiden, bringt die Idee der Tugend als Mäßigung mit sich (1106a–b). Eine Kontrolle der gegensätzlichen Seelenteile übereinander findet sich dagegen bei Platon (vgl. Plat. Rep. 376c–412b). An dieser Stelle scheint Olympiodor erneut eine platonische Position, die er kritisiert, einem anderen Philosophen zuzuschreiben. Dieses Motiv prägt den gesamten Abschnitt über die Katharsis, siehe dazu Kapitel B. II. 2.3.2. Die sokratische Katharsis. Olympiodor stellt die Katharsis bei den Pythagoreern als Gegenstück zur sokratischen dar. Zur Kritik gegenüber Pythagoreer in diesem Zusammenhang siehe Kapitel B. II.2.2.3.2 Die sokratische Katharsis. Der Unterschied liegt nach Olympiodor darin, dass die Pythagoreer versuchen, die Affekte mit der Erfahrung dieser Affekte selbst zu bändigen, Sokrates dagegen durch ‚ähnliche Heilmittel‘. Vgl. Hom. Il. IV,86–103. In der Ilias wird geschildert, dass Athene zu den Trojanern kommt und Pandaros auffordert, einen Pfeil ins griechische Lager zu schießen. Somit bricht Pandaros den mit Eiden beschlossenen Waffenstillstand und wird dafür bestraft. Olympiodor interpretiert dieses Vorgehen als eine Art Zugeständnis an die Affekte, da Pandaros den Eid ohnehin brechen wollte und Athene nur den Anstoß dazu gab. Vgl. Hom. Il. V,290–6. Diomedes wirft einen Pfeil auf Pandaros, den Athene auf seinen Kopf richtet (nicht nur Zunge, sondern auch Nase und Zähne oder Unterkinn, vgl. 291–3: ῥῖνα… ὀδόντας… γλῶσσαν… παρὰ νείατον ἀνθερεῶνα). Auch Proklos interpretiert diese Episode über Pandaros in Bezug auf eine gerechte Strafe (vgl. Procl. in Rep. I.103,20–105,16). Die Anwendung der gleichen Mittel ist nach Olympiodor ein wichtiger Baustein der sokratischen Methode (vgl. Procl. in Alc. 151,16–152,20). Dies äußert sich darin, dass Sokrates für jeden Menschen eine geeignete Methode findet (siehe 24,15 und Anm. 236). Als Hintergrund für diese Ansicht kann Platons Phaidros gedient haben, in dem Sokrates erwähnt, dass verschiedene Arten der Rede für verschiedene Seelen geeignet sind (vgl. Plat. Phdr. 271c). Durch die Ähnlichkeit der Argumentation zu dem Gesprächspartner wird der Einfluss der sokratischen Katharsis größer. Auf dieser Basis führt Sokrates seine Argumentationsstrategie nach dem Prinzip der Zusammengehörigkeit bzw. Verwandtschaft (οἰκειότης) fort. Siehe dazu 34,12 und Anm. 329; vgl. Kapitel B. II.2.2.3.2 Die sokratische Katharsis. Diese Sätze, die Sokrates zugeschrieben werden, sind offenbar Paraphrasen. Vgl. Hom. Il. VI,138; Od. 4,805.

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Olympiodor bezeichnet den Übergang von der politischen Tugend zu den höheren Tugenden mit dem seltenen Verb παρεμμέμικται (παρεμμίγνυμι: „beimischen“). So wird der Mensch durch dieses ‚Medikament‘, das in der richtigen Dosis beigefügt wird, langsam von Affekten gereinigt. Der Zusammenhang der Selbstbewegung und Rückwendung auf sich selbst zieht sich durch den gesamten Kommentar. Die Seele des Menschen ist selbstbewegt oder von Göttern bewegt, dagegen ist der Körper fremdbewegt (vgl. 203,16). Auch Proklos erklärt, dass alle selbstbewegende Wesen sich auf sich selbst zurückwenden (vgl. Procl. in Alc. 18,1). Die Bewegung der Seele wird bereits bei den Vorsokratikern thematisiert, wie der Hinweis des Aetios über Thales zeigt (siehe dazu Panno 2016, S. 324 vgl. Aët. 386,8–10). Aristoteles schreibt ebenfalls die Auffassung über die Bewegung der Seele Thales zu (vgl. Arist. de An. 405a19). Platon definiert die Seele unter anderem mit ihrer Fähigkeit, selbstständig zu bewegen (vgl. Plat. Lg. 895b). Bei Aristoteles und in den Kommentaren zu den aristotelischen Werken nimmt die Theorie der Bewegung eine zentrale Rolle ein, sowohl im ethischen Bereich bezüglich der Handlungen (vgl. Arist. EN 1139a31–33) als auch im metaphysischen Bereich (vgl. Arist. Metaph. 1072a). Als philosophischer Begriff wird die Selbstbewegung nach Panno (2016, S. 323) zuerst von Plotin verwendet (Panno nennt Plot. VI.2.18,8). Im spätantiken Platonismus hat sich die Auffassung etabliert, dass die Seele selbstbewegt ist und alle anderen Bewegungen verursacht (vgl. Iamb. de An. 32,7–9; Procl. in Rep. II.12,23–25). Mit dieser Eigenschaft steht die Seele in der Mitte zwischen der unbewegten Vernunft und dem Körper, der ständig durch Bewegungen geändert wird (Procl. in Alc. 116,5). In der platonischen Philosophie bezeichnet der Superlativ des Adjektivs ἄκρος (spitz, hoch) den Höhepunkt und die Spitze eines Begriffs, wie ‚das höchste Gute‘ bei Jamblich (Iamb. Protr. 7,6: ἀκρότατον καὶ τελειότατον ἀγαθόν). Ferner bezieht es sich auf den Verstand, der der höchste Teil der Seele ist und dem die Tugend gehört (Iamb. Protr. 52,12–16). Bei den Platonikern der Spätantike wird der Gipfel der Seele (τὸ ἀκρότατον τῆς ψυχῆς) oft thematisiert. Hermeias betrachtet ihn im Sinne von dem Wagenlenker der Seele im Phaidros, der für die theoretische Schau zuständig ist (vgl. Herm. in Phdr. 130,8–11). Simplikios identifiziert den Seelengipfel mit der Vernunft (νοῦς) der Seele (vgl. Simp. in de An. 244,40). Bei Proklos deutet dieser Begriff auf das Denkvermögen der Seele, das jedoch, im Gegensatz zu Plotins Seelenlehre, nicht vollkommen ist und mit der gesamten Seele in die sinnlich wahrnehmbare Welt hinabsteigt (vgl. Procl. Inst. 211). Zu den Erläuterungen an dieser Stelle kehrt Olympiodor am Ende des Kommentars zurück und führt diese Paraphrase von Sokrates auf ähnliche Weise an (siehe 217,6–22; der Begriff Seelengipfel in 225,29–226,1). Paraphrase Plat. Alc. 132d–133c. Vgl. Plat. Phdr. 255c–e. Siehe dazu Anm. 112. Zur inspirierten Tugend siehe 1,9 und dazu Anm. 7. Im Folgenden wird argumentiert, dass einfache Menschen öfters inspiriert werden. Diese Ansicht beruht auf der These, dass die Tätigkeit der Inspiration weit über die Vernunft und das theoretische Betrachten des Menschen hinausgeht und durch eine direkte Verbindung des Menschen mit der Gottheit geschieht. Auf diese Weise kann der Mensch die Grenzen der menschlichen Vernunft überschreiten, während das logische Denken den Menschen meistens beim Wissenserwerb begrenzt. Jamblich bestimmt den Weg für diese Verbindung der Gottheit mit den Menschen dadurch, dass die menschliche Vorstellung von der göttlichen Kraft eingenommen wird (vgl. Iamb. Myst. III.14,17–25). Die Vorstellungskraft (φαντασία) ist nach der Sinneswahrnehmung der zweite Schritt auf dem Weg zur bewussten Erkenntnis des Menschen. Im Gegensatz dazu vollzieht sich die von den Göttern inspirierte Erkenntnis nicht durch diese bewusst aufeinander aufbauenden Stufen, sondern ist von sich aus vorhanden. Diese Erkenntnis lässt sich nicht rational erklären und

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D. Anmerkungen benötigt keine menschlichen Fähigkeiten wie Vorstellungskraft. Siehe dazu Kapitel B. II.3.1: Die göttliche und menschliche Erkenntnis. Olympiodor spielt auf einen Vers über Megarer an, den er später im Kommentar auch explizit erwähnt (31,7). Es handelt sich um ein Gedicht, das in der Anthologia Graeca dem Dichter Mesomedes zugeschrieben wird (vgl. Anth. Gr. 14.73,7–8: ὑμεῖς δ᾽, ὦ Μεγαρεῖς, οὐδὲ τρίτοι, οὐδὲ τέταρτοι, / οὐδὲ δυωδέκατοι, οὔτ᾽ ἐν λόγῳ, οὔτ᾽ ἐν ἀριθμῷ.). Dies ist nach Olympiodor ein Ausdruck dafür, dass man sich nicht wie die Megarer „keine Gedanken machen“ (οὔτ᾽ ἐν λόγῳ), sondern sich auf sich selbst besinnen sollte. Die vegetative Seele ist für die lebenswichtigen Aktivitäten des Menschen zuständig und benutzt den Körper als Zugrundeliegendes, während die vernunftbegabte Seele den Körper als Werkzeug benutzt und unabhängig vom Körper agieren und sich auf sich selbst zurückwenden kann. Aus diesem Grund ist die vegetative Seele der Sitz des Lebens, dagegen die vernunftbegabte Seele der Sitz der Erkenntnis (siehe 171,14–15; 212,10–13). Im Alkibiades wird Selbsterkenntnis wie ein Prozess dargestellt, der dadurch geschieht, dass die Seele auf eine andere Seele wie in einen Spiegel blickt, um sich selbst zu sehen. Vor diesem Hintergrund entwickeln die Platoniker den Begriff ἐπιστροφή (Rückwendung) auf sich selbst, die als die Tätigkeit der Seele aufgefasst wird, den Menschen aus dem körperlichen Leben auf sein wahres Wesen zurückzubringen (vgl. Plot.V.3.6,35–43; Procl. in Alc. 15,10–14; Dam. in Phd. 135,4–89). Nach Proklos ist die vernunftbegabte Seele für die Rückwendung auf sich selbst zuständig, da alle unkörperlichen und ungeteilten Wesen sich auf sich selbst zurückwenden können (Procl. Inst. 15). Dagegen sind die unvernünftige und vegetative Seele durch die Beteiligung des Körpers in ihrem Wesen geteilt und können sich selbst nicht erkennen. Olympiodors Auffassung von Rückwendung beruht auf der platonischen Tradition und erklärt die Rückwendung als eine Bewegung aus einem niedrigeren Wesen zu einem höheren (vgl. 215,4–5). Auch die Tugenden können sich, wie die Seele, auf sich selbst zurückwenden (vgl. 214,2–7). Ferner wird die Rückwendung im Alkibiades auch als eine Eigenschaft der Liebe betrachtet (vgl. 213,5–6). Diesen Titel gibt Porphyrios zu dem ersten der Enneaden von Plotin (vgl. Porph. Plot. 24,19). Vgl. Plot. I.1.5,1–5; I.1.13,1–2; I.4.14,1–4. Am Ende des Satzes wird ein Verb wie ‚vervollständigt‘ (πεπλήρωται) angenommen. Dieser Satz ist ein geläufiger Ausdruck für das Ende einer Schrift (vgl. 165,11–12: ἐφ’ οἷς σὺν θεῷ πληροῦται τὸ δεύτερον τμῆμα καὶ ἡ παροῦσα θεωρία.). Ähnlich dazu steht am Ende von Vita Platonis „so viel zum Thema“ (ταῦτα μὲν: 3,1). Zum Begriff des Unterrichts siehe im Folgenden 9,20. Zur Bezeichnung des Unterrichts siehe Kapitel B. I.3: Das Unterrichtskonzept als Praxis. Der Ausdruck ‚mit dem Gott‘ (σὺν θεῷ) oder ‚den Göttern‘ (σὺν θεοῖς) wird auch von Sokrates in den platonischen Dialogen gebraucht (Plat. Tht. 151b4; Prt. 317b7; vgl. Alc. 105e: μετὰ τοῦ θεοῦ). Dies interpretiert Olympiodor als literarisches Mittel und Symbol für Bescheidenheit (siehe 54,5–8). Zudem stammt aus dem Neuplatonismus die Vorstellung, dass die Erkenntnis der höheren Ebene jenseits der sinnlich wahrnehmbaren Welt mit Hilfe Gottes geschieht und übermenschlich ist. Darin besteht die Kernthese der Erkenntnistheorie bei Jamblich (vgl. Iamb. Protr. 14,18–20; Myst. III,16). Olympiodor betont im vorliegenden Kommentar die göttliche Unterstützung bei seinen philosophischen Untersuchungen (siehe 39,20). Plat. Alc. 103a1; Übers. Döring 2016. Wie Griffin (2015, S. 176, 101) anmerkt, wird dieses Lemma nicht im Folgenden, sondern erst im 3. Unterricht kommentiert. Zur Interpretation dieser dritten ‚exegetischen‘ Absicht siehe Anm. 100. Mit ἐξηγηταῖς bezieht sich Olympiodor auf die Exegeten im Plural, ohne einen bestimmten Urheber für die dritte Position zu nennen.

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Der Begriff der Vielgeschäftigkeit oder ‚Vieltuerei‘ (πολυπραγμοσύνη) besitzt bei Platon eine abwertende Bedeutung. In den platonischen Dialogen wird dieser Begriff mit der Unordnung in der Gesellschaft verbunden, die aufgrund der Lehre der Sophisten entsteht (vgl. Plat. Rep. 434b2–8). Gegen die Sophisten, die behaupten, dass sie den Menschen in vielen verschiedenen Bereichen Wissen beibringen können, stellt Platon den Grundsatz auf, dass sich jeder in einem Thema spezialisieren muss, damit die Gesellschaft funktioniert. Abgesehen von diesem negativen Sinn der Vieltuerei und Fremdtuerei (siehe dazu 20,11 und Anm. 202), verwendet Olympiodor das Verb πολυπραγμονεῖν affirmativ als „sich mit einem Thema eingehend beschäftigen“ (siehe 38,19). An mehreren Stellen des Kommentars verwendet Olympiodor das Verb in der dritten Person Singular, wobei es nicht deutlich wird, ob er damit konkret auf Platon oder auf Sokrates als den Sprecher im Dialog hinweist. Olympiodor erwähnt hier die These, dass die Erkenntnis der Seele für die Erkenntnis der gesamten Wahrheitsebene ausreicht. Dies wird sowohl bei Platon als auch bei Aristoteles thematisiert (vgl. Plat. Alc. 133b; Arist. de An. 402a1–6). Der Begriff λόγος hat viele verschiedene Bedeutungen. In der platonischen Philosophie umfasst dieser Begriff ein ontologisches Prinzip, das eine platonische Idee aus der Ebene der Vernunft zur Seele und zur Natur in der sinnlich wahrnehmbaren Welt übermittelt. Dadurch wird λόγος als ein Prinzip betrachtet, das der Vernunft und der Seele, der intelligiblen und der sinnlich wahrnehmbaren Welt gemeinsam ist. In diesem Sinne deutet λόγος sowohl auf ein umfassendes Prinzip und auf die Vernunft in der menschlichen Seele als auch konkret auf die logische Argumentation, Sprache und die Rede. Bei Platon besitzt der Begriff τύπος die Grundbedeutung als ein moralisches Vorbild (vgl. Plat. Rep. 377b). Spätere Platoniker erklären durch dieses Wort die Verhältnisse zwischen Urbildern und Abbildern. Philon von Alexandria betrachtet τύπος sowohl im Sinne des Vorbilds (vgl. Philon De som. 1,173) als auch des Abbilds (τύπον μορφῆς, De aetern. 79,6). Bei Plotin gewinnt τύπος die Bedeutung von einem Abdruck des Urbilds, das die Seele in sich trägt, wie die Sehkraft am Gegenstand des Sehens (vgl. Plot. I.2.4,19–29). In dieser Hinsicht entsprechen die Abdrücke zu der Anwesenheit der Ideen in der menschlichen Seele, die als Paradigma und Vorbild an die Urbilder erinnern (vgl. Procl. in Rep. I.335,25). Der Begriff ἴνδαλμα deutet auf ein ‚geistiges‘ oder ‚inneres‘ Bild im Gegensatz zu einem konkreten, materiellen Bild (ἄγαλμα, siehe 151,13 und im Sinne von Götterstatuen 217,15–16). Bei Plotin deutet ἴνδαλμα ψυχῆς als Abbild von einem Urbild auf die Form (εἶδος) in der Seele eines Wesens (vgl. Plot. V.9.6,19). Nach Proklos umfasst die Seele Abbilder aller Seienden, da sie ihre Prinzipien beinhaltet (vgl. Procl. Inst. 195). Proklos bringt diesen Standpunkt am Anfang seiner Kommentare zum Alkibiades zum Ausdruck, dass die Selbsterkenntnis uns die Erkenntnis von Gut und Böse bringt (vgl. Procl. in Alc. 1,3–9). Die Vollkommenheit (τελειότης) deutet auf die Erfüllung des Ziels (τέλος) eines Wesens. Dieser Begriff wurde bereits bei den Vorsokratikern behandelt und vielseitig thematisiert. Eine Skizze dieser Bedeutungen nach Hoffmann 2001 ist wie folgt: Platon stellt die These auf, dass die Schöpfung aller Wesen auf ein Ziel ausgerichtet ist, nämlich auf das Gute. In dieser Hinsicht betrachtet Aristoteles die Vollkommenheit als das Erreichen des eigenen Ziels bzw. des eigenen Guten. Vor diesem Hintergrund bezeichnet bei Plotin der Begriff τελειότης die Vollkommenheit der Seele. Auch Proklos definiert die Tugend eines jeden Wesens als seine Vollkommenheit (vgl. Procl. in Rep. I.25,17). In Übereinstimmung mit diesen Auffassungen verwendet Olympiodor in diesem Abschnitt das Wort ‚Vollkommenheit‘ im Sinne von einem Ziel bzw. dem Guten, auf das die Wesen abzielen.

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D. Anmerkungen In der platonischen Philosophie ist die Tugend die Voraussetzung für die Glückseligkeit, während der schlechte Mensch unglücklich ist, da er ein Sklave für seine Begierden wird (vgl. Plat. Grg. 523c–e, 524c–d; Phd. 107c–d). Olympiodor behandelt diese Ansicht im vorliegenden und in anderen Kommentaren (siehe 105,1–10; 109,10–15; 226,21–25; 230,6–8; in Grg. 35.2,11–15). Zu den Kriterien der Textuntersuchung siehe 3,3 und Kapitel B. II. 1. 3. Das exegetische Fragenregister. Vgl. Plat. Phdr. 229e–230a. Mit Plotins Philosophie gewinnt Parmenides unter den platonischen Dialogen eine vorrangige Bedeutung, woraufhin die Platoniker in der Spätantike ihn als die höchste Stufe der platonischen Philosophie dargestellt haben. Der späteren Überlieferung zufolge hielt Jamblich Parmenides für die Krönung der Theologie, während Timaios das wichtigste Werk über die Naturlehre ist (vgl. Anon. Proleg. 26,10–16). Aus den Berichten bei anderen Philosophen geht hervor, dass Jamblich einen Kommentar zum Parmenides verfasste (siehe dazu die Fragmente 206–225, 386–403 bei Dillon 1973). Ein ausführlicher Kommentar zu diesem Dialog ist von Proklos überliefert. Während auch von Damaskios ein unvollständig überlieferter Kommentar zum Parmenides existiert, liegen keine Hinweise darüber vor, ob Olympiodor diesen Dialog behandelte. Siehe dazu Kapitel B. I.2. Die Abschnitte des Dialogs. Die Widerlegung (ἐλεγκτικόν) umfasst das erste Kapitel des Dialogs (Plat. Alc. 106c–119a) und wird bei Olympiodor zwischen dem 7. und 15. Unterricht behandelt. Die Widerlegung beruht auf dem sokratischen Verfahren des ‚Elenchos‘ (ἔλεγχος), Meinungen durch Fragen zu überprüfen. Durch die ‚Elenktik‘ werden die Unstimmigkeiten der Argumente von den Gesprächsteilnehmern in den Dialogen gezeigt, damit sie von falschen Meinungen befreit werden und die wahre Erkenntnis suchen. Zur Erklärung dieses Begriffs und zu den Forschungen siehe Erler 2007. Diese zwei Wege der Erkenntnis thematisiert Olympiodor im vorliegenden Kommentar in Bezug auf Bewegung von außen (‚Fremdbewegung‘) und Selbstbewegung (63,10–13). Zur Selbstbewegung siehe 7,12–8,12 und Anm. 111. Sokrates stellt diese Alternativen im Alkibiades vor (106d: οὐκοῦν ταῦτα μόνον οἶσθα, ἃ παρ᾽ ἄλλων ἔμαθες ἢ αὐτὸς ἐξηῦρες;). Vgl. dazu Kapitel B. II.3.5: ‚Zwei Wege der Erkenntnis‘. Bei Aristoteles finden sich die Ausdrücke αὐτοκίνητον (oder αὐτοκινησία) nur an drei Stellen, ἑτεροκίνητον erscheint jedoch nirgends. Für diesen Hinweis von Olympiodor identifiziert Westerink (ad loc.) Arist. Rh. 1365a29 als Referenz an, wo die Worte αὐτοφυές und αὐτοδίδακτος vorkommen. Die Ermunterung (προτρεπτικόν) entspricht dem zweiten Abschnitt des Dialogs (Plat. Alc. 119a–124a), der im 16. bis 18. Unterricht behandelt wird. Als eine literarische Gattung bezweckt ‚die Protreptik‘ den Leser zu einem Thema zu bewegen und zu begeistern. Solche Schriften wurden von den Sophisten verfasst, um für ihre Lehre Werbung zu machen; vgl. hierzu Görgemanns 2001. In den platonischen Dialogen wird dieser Begriff einmal für die Ermunterung zur Weisheit verwendet (vgl. Plat. Euthd. 278c). Bei den Platonikern wird die Ermunterung zur Tugend als eine sokratische Methode angesehen (vgl. Xen. Mem. 1.4,1). Olympiodor wiederholt diesen Satz bei einer Paraphrase des Sokrates (siehe 144,3). Dieser Aussage liegt wahrscheinlich Plat. Alc. 124b zugrunde. Wenn dies wie ein Sprichwort wurde und eine in der Spätantike verbreitete Ansicht über die Athener widerspiegelt, lässt sich keine andere Quelle dazu finden. Andererseits wird die These, dass Athener sich durch Weisheit auszeichneten, in der platonischen Philosophie öfter thematisiert (vgl. Plat. Prt. 342a–b; 344d; Iamb. VP 8,44). Es ist ebenfalls vorstellbar, dass diese Aussage mit Olympiodors Bildungs-

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konzept zusammenhängt, so dass er die Weisheit der Antike als nützlichen Bildungsinhalt für seine Schüler präsentiert. Die philosophische Geburtshilfe (μαιευτικόν) wird als der dritte Abschnitt des Dialogs betrachtet (Plat. Alc. 124a–135d). Olympiodor kommentiert diesen Teil zwischen dem 19. und 25. Unterricht. Die ‚Hebammenkunst‘ (μαιευτικὴ …τέχνη, Plat. Tht. 210b) wird bei Platon als die sokratische Methode beschrieben, die mit Hilfe von Frage und Antwort das verborgene Wissen des Gesprächspartners zum Vorschein bringt. Zu den Bedeutungen dieses Begriffs in den verschiedenen Dialogen und zum Forschungsstand siehe Erler 2007a. Sokrates spricht im Alkibiades die Frage an, ob der Antwortende oder der Fragende in einem Dialog die Behauptungen aufstellt (Plat. Alc. 113a; vgl. 112e–113c). Es ist eine oft behandelte These in den Kommentaren zu platonischen Dialogen, dass nicht Sokrates, sondern seine Gesprächspartner in diesem Sinne die ‚Sprecher‘ sind und daher die Argumente äußern (vgl. Procl. in Alc. 186). Demnach stellt Sokrates nur Fragen und bringt die Erkenntnis der Sprecher, die verborgen ist, ans Licht. Dies wird auch im vorliegenden Kommentar wiederholt betont (siehe 98,23; 99,5–7; 99,27; 99,31; 102,4; 108,5; 113,19–20; 134,12–13). An dieser Stelle können die Argumente (λόγους) auch als die Prinzipien in der Seele angesehen werden, die auf die Erkenntnis in der Seele deuten. Obwohl die Geburt der Erkenntnis in dieser Hinsicht das Ziel der sokratischen Methode ist, wird dieses Wort an dieser Stelle ausgehend von dem Bezug auf die Struktur des Dialogs mit Frage und Antwort konkret als logische Argumentation aufgefasst. Siehe dazu oben 10,8 und Anm. 130. Das Wort für Hebamme (μαῖα) und der Name der Mutter des Hermes (Μαῖα) sind Homonyme. Dadurch stellt Olympiodor ein Gleichnis zwischen Hermes und Sokrates als Kinder der ‚Hebammen‘ dar. Zum platonischen Konzept des Wissens als Erfüllung siehe Kapitel B. II.3.1. Die göttliche und menschliche Erkenntnis. Vgl. Plat. Tht. 150c7–8: μαιεύεσθαί με ὁ θεὸς ἀναγκάζει, γεννᾶν δὲ ἀπεκώλυσεν. „Zu entbinden nötigt mich der Gott, zu gebären aber hat er mir versagt.“; Übers. Rufener 1965. Zu dem Rollenaustausch im Alkibiades (Plat. Alc. 135d–e) siehe 117,4–5; 220,4; 232,9; vgl. Plat. Smp. 222b. Olympiodor beschreibt die Gegenliebe als das Ziel der Liebe (215,22), die für die Wiederherstellung und Rückwendung der Seele auf sich selbst wirkt (213,3–6). Paraphrase Plat. Phdr. 257a3–9. Sokrates wendet sich an dieser Stelle an Eros (ὦ φίλε Ἔρως) und beendet seine Rede über Liebe mit einer Anrede an Gott. Die Quelle dieses Zitats ist unbekannt. Westerink weist daraufhin, dass die Erwähnung eines erfolglosen Feldherrn ein Hinweis auf spätere Fehler von Alkibiades in seiner politischen Karriere sei, wobei auch ein Teil des Texts an dieser Stelle verloren gegangen sein könnte (siehe Westerink 1982, V; Addenda zu 13,3–4). Dadurch fehlt die Verbindung zwischen der Rede des Sokrates und dem Alexander zugeschriebenen Zitat. Plat. Alc. 103a1–3; Übers. Döring 2016. Die Gegenüberstellung des göttlichen (ἔνθεος) Liebhabers mit dem gemeinen (φορτικός) an dieser Stelle beruht auf der platonischen Exegese; insbesondere findet es sich in diesem Sinne bei Proklos (vgl. Procl. in Alc. 35,5–36,9; 134,14–16). Die Physiognomie war in der Antike ein Bereich der Psychologie, der das menschliche Verhalten durch Beobachtung von körperlichen Merkmalen erklärt. Erste erhaltenen Quellen dazu stammen nach Touwaide (2000) aus dem Peripatos des 3. Jh. v. Chr., die Erfindung der Physiognomik geht hingegen bis auf die babylonische Mantik zurück. Die Physiognomie wird bei Aristoteles erwähnt, wie Vogt (1999, S. 120–186) unter Hinweis auf einen Physiognomiker in Arist. GA 769b20-22 erläutert. Galen beschreibt die Physiognomie als eine Lehre, die ausgehend von den Zeichen (σημεῖα) die Ursachen untersucht und eine ähnliche Vorgehensweise wie die Medizin verfolgt (vgl. Gal. Ars Medica 1,307). In der platonischen Tradition

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D. Anmerkungen betrachtet Porphyrios Pythagoras als den ersten Physiognomiker (vgl. Porph. VP 13). An dieser Stelle schreibt Olympiodor diese Betrachtung der physiognomischen Zeichen dem göttlich inspirierten Liebhaber zu, der mit Sokrates verkörpert wird. Auch Proklos kommentiert zu dieser Stelle des Dialogs, dass Sokrates viele gute Zeichen an Alkibiades beobachtete und die Deutung der physiognomischen Zeichen ursprünglich eine Tradition bei den Pythagoreern war (vgl. Procl. in Alc. 94,2–15). Plat. Alc. 103a1–3; Übers. Döring 2016. Im Folgenden bis zum Ende des Abschnitts gibt Olympiodor eine Zusammenfassung aus Platons Phaidros (238e–241d). Die Darstellung des Weiblichen im Rahmen der platonischen Philosophie wird in der Forschung vielseitig diskutiert. Eine der zentralen Positionen vertritt dabei Irigaray, wonach Platons Auffassung der Schöpfung im Timaios (vgl. Plat. Ti. 68e–71d, 90e–92b) als eine Reduktion des weiblichen Elements zu einer Materie interpretiert wird, die dem Bild des ‚Anderen‘ aus der männlichen Perspektive entspricht. Dies führt Irigaray zufolge schließlich zur Abwesenheit des Femininen bei Platon; vgl. dazu Irigaray 1985, S. 136. Mit dieser Theorie setzt sich Layne (2021, S. 120–126) auseinander und konstatiert, dass dieses Bild des Anderen mit der neuplatonischen Auffassung des Femininen nicht vollständig übereinstimme. Auf der anderen Seite geht eine ‚feministische‘ Darstellung von Platon auf die gleichgestellte Rolle der Frauen in der Politeia zurück, obwohl Platon zugesteht, dass Frauen dabei leichtere Aufgaben haben sollten (vgl. Plat. Rep. 454a–457a). Gegen eine ‚feministische‘ Auslegung dieser Ansicht wendet Annas (1976) ein, dass die Frauen in diesem Zusammenhang den Männern nur insofern gleichgestellt sind, dass sie für den Staat nützlich sein sollen. Aufgrund widersprüchlicher Äußerungen in platonischen Dialogen scheint die Interpretation des ‚Weiblichen‘ bei Platon recht komplex zu sein, da es sich nicht in allen Fällen mit einem reduzierenden Bild der Frauen erklären lässt. In der jüngeren Forschung wurde die reproduktive Kraft des weiblichen Elements und seine metaphysische Interpretation bei den Neuplatonikern thematisiert. So zeigen Studien zu Proklos, dass er in seiner Philosophie eine deutlich positive Darstellung der femininen Kraft unternahm. Vgl. dazu Schultz 2019, S. 271. Olympiodor thematisiert das Konzept des Weiblichen im vorliegenden Kommentar mehrmals, während er teils auf eine negative und ‚andersartige‘ Beschaffenheit der Frauen wie an dieser Stelle hinweist (siehe dazu 219,6–220,1), teils aber auch ihren gleichgestellten Status zu den Männern ausgehend von der Politeia betont (siehe 194,18–22). Die Bedeutung von τὸ καλόν umfasst sowohl die sichtbare Schönheit als auch im ethischen Sinne das schöne, edle und ehrenvolle Verhalten. Deshalb wird es im Alkibiades dem Guten (ἀγαθόν) gleichgestellt (vgl. Plat. Alc. 115a–116d). Die Entsprechung des Schönen zu dem Guten behandelt Olympiodor in diesem Kommentar mehrmals (110,10–15; 126,5–10). An dieser Stelle ist es bei der Aussage ‚schöne Dinge‘ (τὰ καλά) nicht eindeutig, ob Sokrates Alkibiades auf das Prinzip des Schönen zurückführt und das Neutrum Plural τὰ καλά in dieser Hinsicht wie ein Begriff verwendet wurde, oder mit dem Plural die ‚ehrenvollen Taten‘ (ἔργα) aufgefasst werden können. Zur ‚Mäßigung‘ (σωφροσύνη) und ‚Nachsicht‘ (ἀκολασία) vgl. Procl. in Alc. 48,21–49,12. Der Ausdruck ‚Überlegenheit des Vermögens‘ (ὑπερβολή δυνάμεως) deutet bei Proklos auf die Kraft, andere Wesen erschaffen zu können (vgl. Procl. in Ti. I.19,20). In diesem Sinne bezeichnet Proklos mit dem ‚Überfluss des Vermögens‘ (περιουσία δυνάμεως) im ontologischen Bereich die Eigenschaft des ersten Prinzips, das alles hervorbringt (vgl. Procl. Inst. 27). Für diesen Ausdruck im vorliegenden Kommentar siehe 32,9–10; 34,8–9; 130,9–10; 140,10; 228,12. Für die Darstellung der Liebe als Wahnsinn, der von Göttern gesandt wird, vgl. Plat. Phdr. 244a–245c; 249d–253a. Zur Bezeichnung der Liebe als beharrlich (σύντονος) vgl. Plat. Smp. 203d5; Herm. in Phdr. 57,14–16 (σύντονον ἐπιθυμίαν).

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Vgl. Plat. Smp. 206e. Vgl. Plat. Alc. 103a5–6. Die Übersetzung von δαίμων in eine andere Sprache lässt unterschiedlichste Interpretationen zu. Griffin (2015, S. 180, 130) merkt an, dass die Übersetzung dieses Begriffs mit dem bestehenden Vokabular moderner Sprachen irreführend sein kann. In Anlehnung an Griffin wird dieTransliteration ‚Daimon‘ auch in der vorliegenden Übersetzung verwendet. Die platonische Philosophie verknüpft diesen Begriff mit dem Konzept der Glückseligkeit (εὐδαιμονία). Wie Olympiodor in diesem Unterricht erwähnt, wird der zugeteilte Daimon mit den Engeln gleichgestellt (siehe dazu 21,15–22,5). Die Bedeutung des Daimons umfasst die Gottheiten selbst, als Mittelwesen zwischen Göttern und Menschen; die zugeteilte persönliche Gottheit als Schicksalsbestimmung für jeden Menschen und das Daimonion des Sokrates als eine ‚Stimme‘. Im Alkibiades redet Sokrates von seinem Daimonion. Olympiodor untersucht dieses ‚daimonische Hindernis‘ im Folgenden ausgehend von der Theorie über Daimones im Sinne von göttlichen Wesen (15,5–20,2). An dieser Stelle fasst Olympiodor das Adjektiv‚daimonisch‘ als Synonym zu ‚göttlich‘ auf (siehe dazu 28,10 und Anm. 273). Danach wechselt er die Diskussion in den Begriff des zugeteilten Daimons und behandelt das Daimonion des Sokrates unter diesem Begriff (20,3–23,17). Aus diesem Grund erklärt er das Daimonion nicht separat (siehe dazu 26,8 und Anm. 249). Zur Bedeutung des ‚Daimons‘ in der platonischen Philosophie siehe Anhang 1: ‚Daimonion/Daimon‘. Olympiodor vertritt hier den platonischen Grundsatz, dass die Ursachen ontologisch überlegen zu den Dingen sein müssen, die sie begründen (vgl. Procl. Inst. 65). Diese Argumentation wird auch von Proklos bei der Erklärung des Daimons verwendet (Procl. in Alc. 62,8–63,11). Dieser Satz weist daraufhin, dass das Daimonion des Sokrates auch von den anderen Exegeten untersucht wurde. Zu verschiedenen Ansichten über dieses Daimonion siehe Anhang 1: ‚Daimonion/Daimon‘. Von anderen platonischen Kommentaren zum Alkibiades ist nur der Kommentar von Proklos überliefert, der auch eine ausführliche Erläuterung über die Daimones beinhaltet und Olympiodor als Vorlage dient. Im Folgenden werden die drei Arten der Daimones erklärt: Daimones in Analogie, im Wesen und in Relation. Die ersten Daimones entsprechen der Analogie, denn sie besitzen die Prinzipien für die Daimones im Wesen und sind in diesem Sinne wie die Ursachen und die ‚Ideen‘ der Daimones. Deshalb existieren sie nicht so wie die Daimones im Wesen, die mit ihnen in Analogie stehen. Die Daimones in Relation beziehen sich auf die Daimones im Wesen, insofern sie aus diesen entstanden sind und kein unabhängiges Dasein haben. Daher werden sie als ‚in Relation‘ (κατὰ σχέσιν) bezeichnet und mit einem Verhältnis der Abhängigkeit zwischen zwei Elementen dargestellt. Diese Klassifizierung verwendet Olympiodor am Ende des Kommentars auch über den Gottesbegriff, wobei er die Arten statt in Relation ‚in Teilhabe‘ (κατὰ μέθεξιν) und statt im Wesen ‚in Existenz‘ (καθ’ ὕπαρξιν) nennt (siehe 229,28–230,2). Die Daimones in Analogie befinden sich auf der Ebene der Ideen, dagegen werden diejenigen in Relation als solche nicht leicht erkannt. Deshalb dienen die Daimones im Wesen im mittleren Bereich als ‚Maßstab‘. Für die menschliche Erkenntnis sind sie der Ausgangspunkt, um die höhere und die niedrigere Daimones zu erkennen. Die theoretische Grundlage hierzu ist die neuplatonische ‚Ursachenlehre‘, die in späteren Abschnitten des Kommentars ausführlicher dargelegt wird (60,1–10). Zur Überlegenheit der Ursachen als die ersten Wesen (πρῶτοι) siehe Anm. 166. Zu den Prinzipien in der Seele siehe 10,4–10 und Anm. 130. Olympiodor differenziert mit Ursache und Existenz die Kategorien der Daimones: Wesen sind entweder als Ursache (κατ’αἰτίαν) oder als unabhängige Existenz (καθ’ὕπαρξιν). Die ersteren entsprechen den Daimones in Analogie (κατ’ἀναλογίαν), die letzteren denen im Wesen (κατ’οὐσίαν). Die Daimones in Analogie sind deshalb ursächlich, weil sie als paradigmatisches

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D. Anmerkungen Vorbild für die anderen Daimones dienen. Die Daimones in Relation (κατὰ σχέσιν) stehen unter denjenigen im Wesen und sind daher von denen in Analogie weiter entfernt. Isoc. 1.13,4–5. Das Zitat von Isokrates verdeutlicht Olympiodors Umgang mit der Rhetorik (vgl. Olymp. in Grg. 32–33; siehe dazu Tarrant 1998, S. 37–40). Olympiodor betrachtet hier wie unten bei dem Daimonion (siehe 26,8) die Begriffe ‚daimonisch‘ im Sinne von göttlich, ‚das Daimonion‘ und ‚der Daimon‘ als miteinander verbundene Teile des gesamten Diskurses über Daimones. Hom. Il. I,222. Dieses Zitat wird bei Proklos überliefert und dem Orpheus zugeschrieben (vgl. Procl. in Alc. 74,5; in Ti. I.207,14; in Cra. 63,15). Auch Damaskios führt es als ein Zitat des Orpheus an (vgl. Dam. in Prm. 136,28). Hes. Op. 122–123. Das ausschlaggebende Argument für die Existenz der Daimones ist, dass unsere Seele nicht existieren kann, ohne Leben zu erzeugen; dafür aber die Seele mit dem Körper verbunden sein muss. Das wird durch verschiedene Seelenwagen ermöglicht, die menschliche Körper mit der Seele auf der göttlichen Ebene verbinden. Im Zusammenhang mit dieser Theorie erwähnt Olympiodor im Folgenden den Seelenwagen, der die göttliche Seele zu der menschlichen Seele anknüpft und ihr hilft, ein Leben auf der menschlichen Ebene zu führen. Wie der Seelenwagen mit der Seele verbunden ist und zwischen der göttlichen Seele und der unvernünftigen Seele agiert, so sind die Daimones im Wesen mit den Göttern verbunden und dienen als Vermittler zwischen der göttlichen und der menschlichen Ebene. Zu den Grundlagen dieser Theorie siehe Anhang 2: ‚Seelenwagen‘. Der Körper wird als schalenartig bezeichnet, da es ein Sitz für die Seele auf der menschlichen Ebene ist. In diesem Sinne ist er der schalenartige Seelenwagen bei Proklos, der Sitz des vegetativen Lebens ist (vgl. Opsomer 2006, S. 148–149; siehe 5,9 und Anm. 95). Proklos erklärt dazu, dass einige Platoniker dieses Konzept als eine Bezeichnung für die lose Verbindung der Seele mit dem Körper erfunden haben (vgl. Procl. in Ti. III.285,1–21). Der lichtförmige Wagen ist der oberste Seelenwagen, den der Demiurg für die Seelen erschaffen hat, um sie in den Kosmos zu verpflanzen (vgl. Plat. Ti. 41d–e; siehe dazu Opsomer 2006, S. 148). Nachdem die Seelen durch diesen Wagen in den Kosmos gelangen, teilen die jungen Götter ihnen sterbliche Körper zu (vgl. Plat. Ti. 42d). Zum Seelenwagen siehe oben 16,9–10 und siehe Anhang 2: ‚Seelenwagen‘. Diese Aussage bezieht sich auf die Darstellung der Weltschöpfung im Timaios (vgl. Plat. Ti. 54d–55c6). Platon beschreibt darin die Schöpfung der Wesen mit den geometrischen Figuren: Die ersten Wesen entstehen aus Dreiecken und bilden eine Pyramide (Tetraeder), danach folgen als zweite Oktaeder, drittens Ikosaeder und viertens Hexaeder. Nachdem Gott aus diesen Formen alle Wesen gestaltet hat, merkt er, dass es noch eine andere Form gibt, nämlich Dodekaeder (mit der Oberfläche aus 12 gleichmäßigen Fünfecken). Diesen ‚fünften Körper‘ benutzt er für den gesamten Kosmos und für die Verbindung der menschlichen und göttlichen Ebenen. Wie die Daimones zwischen Göttern und Menschen vermitteln, dient unter den drei Arten der Daimones eine Gruppe (die Daimones im Wesen) als Mittler zwischen Daimones in Analogie und Daimones in Relation. Der Begriff νοῦς deutet auf eine Eigenschaft des Göttlichen, die als ein Prinzip der Ordnung im Kosmos dient und sich an der menschlichen Vernunft manifestiert, um den Menschen mit dem Göttlichen in Kontakt zu bringen. In diesem umfassenden Sinne wird der Begriff üblicherweise mit ‚Geist‘ (wie an dieser Stelle), ‚Intellekt‘ und ‚Vernunft‘ übersetzt. Proklos zufolge ist die Reihenfolge der göttlichen Kräfte die Gottheit (θεότης), der Geist (νοῦς) und die vernunftbegabte Seele (ψυχὴ λογική, vgl. Procl. Inst. 145). Aus diesen drei Kräften besteht die ersteTrias,

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die nach Proklos den verschiedenen Aspekten des Einen entspricht (vgl. Procl. Inst. 129; Theol. Plat. IX.35,19–24). Der Geist ist nicht Gott, jedoch verfügt er über Eigenschaften, die göttlich sind und unmittelbar von Göttern stammen. Diese zweite Trias (die unvernünftige Seele, die Form und die Materie) stellt die Bereiche dar, auf die das Göttliche in absteigender Reihenfolge wirkt. Nach Opsomer betrachtet Proklos die unvernünftige Seele als sterblich und daher nicht als Seele im richtigen Sinne (siehe dazu Opsomer 2006, S. 136–137). Dabei stellt er fest, dass diese sterbliche Seele sich in der sinnlich wahrnehmbaren Welt in Verbindung mit dem Körper zeigt und im Allgemeinen mit der Natur zu derselben Ebene gehört (siehe ebd. S. 169). Von dem Einen stammen ferner die Form und die Materie, wobei die Form näher an dem Einen ist, und diese beiden ein Verhältnis wie die Seele und der Körper haben (vgl. Procl. Inst. 72). Über die folgenden Arten der Daimones bietet Proklos einen Überblick (vgl. Procl. in Alc. 71,3–72,12). Die Theorie der Gemeinbegriffe (κοιναὶ ἔννοιαι) geht von den platonischen, aristotelischen und stoischen Grundlagen aus und bildet einen wichtigen Bestandteil der Erkenntnistheorie bei den Neuplatonikern. Die Gemeinbegriffe sind von Natur aus gegeben (vgl. Alex. Aphr. in Metaph. 9,22–25), wie die Erkenntnis darüber, was zu vermeiden und was auszuwählen ist (vgl. Iamb. Protr. 45,12–20). Diese sind allgemein akzeptierte oder offensichtliche Dinge, wie die Regeln in der Geometrie, die keine weiteren Beweise brauchen (vgl. Simp. in Ph. 48,31–49,1). In der platonischen Exegese werden die Gemeinbegriffe mit dem Konzept der Wiedererinnerung (Anamnesis) verbunden und erklären dadurch die Erkenntnis in der Seele (siehe Tarrant 1997, S. 185–190). Auch Olympiodor definiert die Gemeinbegriffe in diesem Sinne (siehe 40,20 und in Grg. 44,7). Bei Philoponos wird dieser Begriff öfter verwendet (vgl. Phlp. in APr. 2,24–28) und auch als ‚geistige Bilder‘ (ἰνδάλματα) in der Vernunft definiert (Phlp. in de An. 3,22–30). Zu den Gemeinbegriffen im Platonismus siehe Helmig 2012, S. 74–78 (bei Platon) und S. 270–272 (bei Proklos). Hom. Od. 3,27 (Übers. Schadewaldt 1958). In diesem Vers spricht Athena zu Telemachos. Auch Proklos zitiert diesen und den folgenden Vers bei seiner Erläuterung über die Daimones (vgl. Procl. in Rep. II.298,24–27). Hom. Od. 19,138 (Übers. Schadewaldt 1958). An dieser Stelle erklärt Penelope, wie sie auf die Idee gekommen ist, ein Tuch zu weben, um eine neue Ehe hinauszuzögern. Der Ausdruck ‚diejenigen, die auf rituelle Weise leben‘ (τοὺς ἱερατικῶς ζῶντας) scheint mehrdeutig zu sein und bezieht sich entweder allgemein auf eine Lebensweise nach religiösen Praktiken oder speziell auf die ägyptische Religion (siehe Anm. 59). Der Zusammenhang zwischen den Mondphasen und Krankheiten war in der antiken Medizin eine verbreitete Ansicht (vgl. Hp. Morb. Sacr. 1,68–78; Gal. De dieb. 9,914). Die Mondkrankheit (τὸ σεληνιακὸν πάθος) ist ein Ausdruck für die Epilepsie, der erst ab dem 3. Jh. n. Chr. in den griechischen Texten verwendet wird. Das Thema wird auch bei den christlichen Exegeten ausgehend von der Beschreibung eines kranken Knaben als ‚mondsüchtigen‘ im MatthäusEvangelium behandelt. Siehe dazu Makris 1995, S. 365, mit dem Hinweis auf Orig. Comm. in Mt. 13.6,18. Dieses Zitat kann aus verschiedenen neuplatonischen Vorgängern abgeleitet sein. Proklos stellt fest, dass die Menschen durch die Kraft des Mondes wachsen (vgl. Procl. in Alc. 196,3–5: ἡ μὲν γὰρ πρωτίστη τῶν ἡλικιῶν διαφερόντως ἡμῖν τῆς σεληνιακῆς μεταδίδωσι ποιήσεως, κατὰ γὰρ τὴν θρεπτικὴν τότε καὶ φυτικὴν διαζῶμεν δύναμιν·). Dazu zitiert O’Neill (1965, ad loc. Anm. 377) eine weitere Stelle bei Proklos, die er übersetzt: „To the moon was attributed the function of producing life, in Procl. in Ti. 65,17-20: ‘Observing that the moon is first assigned to the region about the earth, as exercising the role of nature and of mother in regard to generation (for everything turns with her, and increases if she increases, diminishes if she

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D. Anmerkungen diminishes).’” (τὴν μὲν σελήνην πρώτην εἰς τὸν περὶ γῆν τόπον τετάχθαι λέγων, ὡς φύσεως ἔχουσαν λόγον καὶ μητρὸς πρὸς τὴν γένεσιν (πάντα γὰρ αὐτῇ συντρέπεται καὶ συναύξεται μὲν αὐξομένης, ἐλαττοῦται δὲ ἐλασσουμένης). Proklos gibt dies als eine Ansicht von Jamblich an. Vgl. Orac. Chald. 216; überliefert bei Lyd. Mens. 3.8,4–7. Diese Sphären von Sonne, Mond und den fünf Planeten werden bei Platon im Timaios erläutert (vgl. Plat. Ti. 38c–d). Ausführlich dazu Anhang 4: ‚Teilung des Kosmos‘. In der kosmologischen Darstellung des späteren Platonismus wird der himmlische Bereich der sieben Planeten von dem Bereich der Sterne und der Erde (Dinge unter dem Mond) differenziert (vgl. Plu. Moralia 745a–747a). Siehe dazu Dörrie [u. a.] 2008, S. 508–523. In diesem Zusammenhang wird die Erde als der Abgrund (ἄβυσσος) benannt. Dieses Wort wird im oben erwähnten Zitat in den chaldäischen Orakeln und bei den späteren Platonikern für die irdische Materie verwendet (vgl. Procl. in Ti. I.175,19; Dam. in Prm. 65,7). Das erste Attribut der himmlischen Wesen wird oben als Gottheit angegeben (siehe 17,12–13) und die Daimones, die die Menschen zur Gottheit verbinden, werden als göttlich dargestellt. Die Bezeichnung der Götter jenseits des Kosmos (ὑπερκόσμιοι) geht aus dem platonischen Begriff des Kosmos hervor. Platon nennt den Bereich, in dem die höheren Gottheiten sich befinden und auf den die unsterbliche Seele blickt, als den „überhimmlischen Ort“ (ὑπερουράνιον τόπον, Plat. Phdr. 247c). Darunter befindet sich das Gebiet des Himmels (οὐρανία), das im Timaios ein Synonym für Kosmos ist (vgl. Plat. Ti. 28b). Ferner stellt Platon vier Elemente dar, aus denen der Demiurg die Welt erschuf (vgl. Plat. Ti. 32). Diese Bereiche gehören den Göttern im Kosmos (innerhalb des Himmels: ἐντὸς οὐρανοῦ, Plat. Ti. 40c). Jamblich ordnet diese Elemente entsprechend der Seele im Hades, der Seele über dem Kosmos und der Seele im Kosmos (vgl. Iamb. Myst. III.28,29–31). Folglich bezeichnet Proklos die Götter über dem Kosmos als ὑπερκόσμιοι (vgl. Procl. Inst. 164; in Prm. 759,19–23) gegenüber denjenigen im Kosmos (ἐγκόσμιοι, vgl. Procl. in Alc. 68,13; 148,22). Diese Bereiche der Götter folgen der kosmologischen Darstellung des Timaios. In diesem Dialog bezeichnet Platon den Kosmos als Himmel (vgl. Plat. Ti. 28b). Die vier Körper, aus denen der Demiurg den Kosmos erschafft, sind Feuer, Luft, Wasser und Erde (vgl. Plat. Ti. 32c). Dabei nennt Platon die reinste Art der Luft Äther (vgl. Plat. Ti. 58c). Nach diesen Gebieten im Kosmos unterteilt Platon auch die Arten der Wesen, das himmlische Geschlecht der Götter, die Wesen in der Luft, Wasser, und Erde (vgl. Plat. Ti. 40a). Die Arten der Götter im Kosmos (ἐγκόσμιοι, siehe Anm. 195) werden auch bei Proklos in ähnlicher Reihenfolge dargestellt (vgl. Procl. in Ti. I.137,1–10: Erde, Wasser, Luft, Äther, Himmel; 142,1–10: Himmel, Feuer, Luft, Wasser, Erde). Platon erwähnt die Götter Minos, Rhadamanthys und Aiakos als Richter im Tartaros (vgl. Plat. Grg. 524c; Ap. 41a). Dementsprechend bezeichnet Jamblich die drei Arten der kosmischen Seele, von denen eine im Hades ist (vgl. Iamb. Myst. III.28,29–31). Die Bezeichnung als ‚Götter unten im Tartaros‘ (ὑποταρτάριοι) ist bei Homer belegt. Proklos verwendet dieses Wort hinsichtlich der Erklärung der Götter entsprechend der Dreiteilung im Kosmos (vgl. Procl. in Ti. III.143,29–33). Dieser Vers paraphrasiert wahrscheinlich eine Stelle aus der Ilias, an der die Götter unten im Tartaros Titanen genannt werden (vgl. Hom. Il. XIV,279). Olympiodors Zitat weicht von dem Homertext ab, dessen Verse 278–279 West (2000) wie folgt angibt: θεοὺς δ’ὀνόμηνεν ἅπαντας / τοὺς ὑποταρταρίους οἳ Τιτῆνες καλέονται. Die Übersetzung von Schadewaldt (1975) lautet: „nannte die Götter alle, / Die im Tartaros drunten sind, und Titanen heißen.“. An dieser Stelle geht Olympiodor zu einer anderen Bedeutung des Daimons über, die im Sinne von zugeteiltem Daimon aufgefasst wird. Nach der Klassifizierung der Daimones führt auch Proklos seinen Kommentar mit der Erläuterung über den zugeteilten Daimon fort (vgl. Procl. in Alc. 72,12–73,8). Der Begriff des zugeteilten Daimons geht auf Platons Darstellung in der

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Politeia zurück, dass die Seelen im Jenseits ihre Leben selbst auswählen. In diesem Sinne ist es mehr ein ‚ausgewählter Daimon‘ als ein ‚zugeteilter‘ (vgl. Plat. Rep. 617e–618a: τῷ δὲ ἀνελομένῳ δῆλον εἶναι ὁπόστος εἴληχεν: „Wer es [sc. sein Los] aufgehoben habe, dem werde es klar, was für ein [Leben] er bekommen habe.“). Das Daimonion des Sokrates wird unter diesem Begriff des zugeteilten Daimons untersucht. Olympiodor stellt die Theorie der Seele ausgehend von Platons Phaidros vor (siehe dazu 16,9–10 und Anm. 177). Die Auffassung über Seelen, die unterschiedlichen Göttern angehören und der dazu passenden Lebensweise folgen, wird bei Platon im Zusammenhang der verschiedenen Arten der Liebe erörtert (vgl. Plat. Phdr. 252c–253c). Da das Wesen des Menschen göttlich ist, wird ein Mensch von einem göttlichen Daimon begleitet, solange er seinem Wesen treu bleibt. Diese Auffassung vertreten auch Plotin und die späteren Platoniker (vgl. Porph. Plot. 10,15–25). In diesem Zusammenhang kommentiert Olympiodor unten (siehe 21,5), dass der Daimon von Sokrates göttlich war. Die Metapher der‚Kette‘ (σειρά) nimmt in der antiken Literatur eine bezeichnende Rolle für die Verbindung der Menschen und Götter ein. Die Darstellung ‚eines goldenen Seils‘ zwischen Zeus und der Erde findet sich bei Homer (Hom. Il. VIII,19). Dies dient nach Halfwassen/Lühe (1995, S. 688) „als Symbol der Verknüpfung aller Dinge zu einem Ganzen und der Abhängigkeit dieses Ganzen von Gott“. Darauf bezieht sich Platon (Tht. 153c) und „deutet das goldene Seil kosmologisch als Allegorie der Sonne“ (siehe ebd.). Nach Hose (2012, S. 204) prägt Proklos besonders diesen Begriff, der als „Kette“ auf „die Zusammengehörigkeit einer auf verschiedenen Seinsstufen angesiedelten Gottheit“ deutet. Damit erklärt Proklos, dass Sokrates Alkibiades ‚mit Gottes Hilfe‘ die Macht vermitteln wird, da die Ursachen ausgehend von dem Guten die Welt des Werdens mit dem Gott wie eine Kette verbinden. Sokrates blickt auf das Daimon, und Daimon auf den Gott, folglich wird Sokrates durch den Daimon mit dem Gott verknüpft und handelt nach dem Willen des Gottes (vgl. Procl. in Alc. 159,5–10). Im AlkibiadesKommentar verwendet Olympiodor diesen Begriff lediglich an dieser Stelle. Zur Quellenmetapher vgl. Anm. 6. Das Verb ἀλλοτριοπραγεῖν bedeutet bei Platon die Beschäftigung mit den Angelegenheiten, die mit der natürlichen Bestimmung eines Menschen nicht übereinstimmen (vgl. Plat. Rep. 444b). Zusammen mit der Vieltuerei (πολυπραγμοσύνη, Plat. Rep. 434b), die eine gleichzeitige Beschäftigung in mehreren Bereichen ist, bildet dieser Begriff einen Bestandteil des Gerechtigkeitskonzepts bei Platon. Demnach kann eine Polis nur dann gut funktionieren, wenn die Bürger gerecht sind. Das geschieht, wenn jeder der Beschäftigung nachgeht, die für ihn am besten geeignet ist, sowie wenn er die Grenzen der anderen respektiert. Die Begriffe ἀλλοτριοπραγμοσύνη und πολυπραγμοσύνη besitzen daher eine pejorative Bedeutung in der platonischen Philosophie. Ihre Übersetzungen mit ‚Fremdtuerei‘ und ‚Vieltuerei‘ wurden von Schleiermacher (1828) etabliert und eignen sich für diesen Bedeutungsinhalt. Vgl. dazu Abbt 2019. Siehe dazu 18,3. An dieser Stelle erläutert Olympiodor den zugeteilten Daimon des Sokrates als das Daimonion im Alkibiades 103a. Im Zusammenhang mit der Theorie über die Daimones wirft Olympiodor hier die Frage auf, welcher Daimon als der zugeteilte Daimon zu betrachten ist. In der platonischen Philosophie ist das Verhältnis zwischen dem zugeteilten Daimon, Daimonion und Daimones nicht eindeutig zu bestimmen. Bei den späteren Platonikern wird der persönliche Daimon (zugeteilter Daimon oder Daimonion) zunehmend mit der Ansicht über Daimones als Vermittler zwischen Göttern und Menschen verbunden. Das Gleichnis mit den Pferden wird in Platons Dialogen oft verwendet, so auch im Phaidros über die Seelenteile (Plat. Phdr. 253e–254e). In der Apologie vergleicht sich Sokrates mit einem edlen und stattlichen Pferd, das aufgrund seiner Größe träge geworden ist und deshalb durch

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D. Anmerkungen den Sporn aufgeweckt werden soll (Plat. Apol. 30e: ὥσπερ ἵππῳ μεγάλῳ μὲν καὶ γενναίῳ, ὑπὸ μεγέθους δὲ νωθεστέρῳ καὶ δεομένῳ ἐγείρεσθαι ὑπὸ μύωπός τινος). Diese Bemerkung dient an dieser Stelle wahrscheinlich dazu, die Charaktereigenschaften von Sokrates hervorzuheben. Im Folgenden erläutert Olympiodor, dass Sokrates einen besonderen Daimon hatte, da nur die Menschen, die gemäß ihrem Wesen leben, einen göttlichen Daimon bekommen (siehe dazu 20,4–6). Diese Feststellung beruht auf der im Folgenden erwähnten Stelle des Alkibiades, an der Sokrates seinen Vormund als „Gott“ bezeichnet (vgl. Plat. Alc. 124c). Welche Beschaffenheit der zugeteilte Daimon des Sokrates hat, wurde bereits zur Zeit Platons diskutiert. Xenophon betrachtet dieses Daimonion nicht als ein göttliches Zeichen, sondern als die Gottheit selbst (vgl. Xen. Mem. I.1,5), die Sokrates ausgewählt hat und ihr Zeichen nicht allen Menschen gibt (vgl. Xen. Mem. IV.3,12). Auch Apuleius schildert das Daimonion des Sokrates als göttlich (vgl. Apul. De deo, 17), wobei nach ihm allen Menschen ein solches Daimon zuteilwird (ebd. 21). Das Bild des vollkommenen Philosophen, der sich durch die Begleitung eines göttlichen Daimons von anderen Menschen abhebt, tritt bei der Darstellung Plotins bei Porphyrios hervor (vgl. Porph. Plot. 10,15–25). Proklos beschreibt den zugeteilten Daimon als einen ‚Schutzgeist‘, der sich den Menschen wie Sokrates offenbart, die sich als geeignet erweisen (vgl. Procl. in Alc. 41). Menschen, die eine göttliche Seele haben und ein Leben gemäß der Vernunft führen, bekommen die Daimones zugeteilt, die eine göttliche Präsenz haben (vgl. Procl. in Alc. 78–79). Dabei betont Proklos, dass der zugeteilte Daimon des Sokrates auf einer Ebene mit den Göttern war und Sokrates sich dadurch von anderen Menschen abhebt (ebd. 79). Er identifiziert jedoch diesen Daimon nicht mit dem Gott, da er in seiner Philosophie die Götter und Daimones als ontologisch grundsätzlich differenzierte Kategorien behandelt (vgl. Procl. in Alc. 73; 76). Paraphrase Plat. Alc. 124c. Durch die Erwähnung der Erleuchtung äußert Olympiodor die Wahrnehmung des Göttlichen mithilfe der Lichtmetaphorik. Zur Bedeutung dieses Begriffs gibt Horn (2002) zwei Stellen bei Platon an: Erstens, die Analogie zwischen der einzelnen Seele und der Polis in Bezug auf die Gerechtigkeit (Plat. Rep. 435a, ἐκλάμψαι); und zweitens, dieAnwesenheit der Idee des Guten im Denken als Einleuchten und die Erkenntnis als Wahrnehmung des gelichteten Sinnes (vgl. Plat. Ep. 341c–344b). Im Neuplatonismus wird dieser Begriff mit dem Konzept der Teilhabe verbunden. Folglich geschieht nach Plotin das Erkennen des Göttlichen durch eine Erleuchtung des menschlichen Denkens ausgehend von sich selbst und aufgrund der Rückwendung auf sich selbst (vgl. Plot. VI.9.2,32–43). Proklos folgt Plotin bei seinem Gebrauch dieses Konzepts und erarbeitet eine Verknüpfung der Erleuchtung des Denkens mit dem Einen in der Seele (Procl. Inst. 34; vgl. Procl. in Prm. 48,15). Die Erleuchtung stellt nach Proklos einen metaphysischen Grundsatz dar, dass alles Ganzheitliche und Ursächliche auf alles Teilhabende erleuchtet, und von dem Teilhabenden durch diese Erleuchtung wahrgenommen wird (vgl. Procl. Inst. 70). Im Zusammenhang mit dem Alkibiades identifiziert Proklos die Liebe (ἔρως) mit der ungeteilten Vernunft (νοῦς), deren Anwesenheit an den einzelnen Seelen durch Erleuchtung geschieht (vgl. Procl. in Alc. 65,9–66,11). Das Prinzip der Liebe und die Erleuchtung nehmen auch bei Olympiodors Erklärung der intelligiblen Erkenntnis eine bedeutende Rolle ein. Siehe dazu Teil Kapitel B. II.3.1: Die göttliche und menschliche Erkenntnis. In den platonischen Dialogen findet sich die Darstellung, dass Sokrates die Stimme seines zugeteilten Daimons ‚hört‘ (vgl. Plat. Phdr. 242c; Thg. 128d–129c). Die Platoniker erörtern die Rolle der Sinneswahrnehmung bei diesem ‚Hören‘. Nach Apuleius können die Götter den Menschen auch durch Sinneswahrnehmung erscheinen, wie die Chaldäer von den sichtbaren Göttern in Form eines Lichtes reden (vgl. Apul. De deo, I,1). Deshalb konnte Sokrates nach Apuleius seinen Daimon nicht nur durch seine Ohren hören, sondern auch durch die Augen sehen, wobei die Götter vielmehr mit der Seele innerlich kommunizieren (vgl. Apul. De deo, 17–20). Diese Auffassung findet Kritik bei den anderen Platonikern, weil das Daimonion kein

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göttliches Wesen sein könnte, wenn Sokrates seine Mitteilungen als Hörwahrnehmung empfängt. Deshalb wurde die These vertreten, dass Sokrates die Stimme des Daimonions genannt habe, um eine Analogie zur Hörwahrnehmung herzustellen. Plutarch behandelt die Wahrnehmung des Daimonions als ein geistiges Erfassen einer Rede, ähnlich zu den Menschen, die im Traum etwas hören, obwohl dabei keine tatsächliche Sinneswahrnehmung geschieht (vgl. Plu. Moralia 588c). Auch Hermeias zufolge wird der Daimon nicht mit dem körperlichen Ohr, sondern durch die Seele mit Hilfe des Seelenwagens wahrgenommen (ὄχημα, vgl. Herm. in Phdr. 72,7–74,2). Proklos argumentiert auf derselben Linie, dass der Daimon durch die göttliche Inspiration eine Art Wahrnehmung an dem Seelenwagen bewirkt und dadurch nicht von außen, sondern von innen mit der menschlichen Seele kommuniziert (vgl. Procl. in Alc. 79–80). Auf diese Diskussion bezieht sich Olympiodor an dieser Stelle, indem er die Stimme des Daimons nicht im Sinne von der Hörwahrnehmung, sondern als eine Erleuchtung definiert, die in der menschlichen Erkenntnis als eine Wahrnehmung aufgefasst wird. Somit hebt er den Unterschied zwischen der Erkenntnis des Göttlichen und der Erkenntnis durch Sinneswahrnehmungen hervor, da die Stimme des Daimons nicht wie eine sinnlich wahrnehmbare Stimme vorzustellen ist. Die Bedeutung des Wortes συνήθεια bei Olympiodor hat in der Forschung die Annahme veranlasst, dass es auf das Christentum im Sinne von der ‚geltenden Religion‘ hinweisen würde. Olympiodors folgende Erläuterung lässt sich sowohl dem Christentum als auch einem paganen Kult zuordnen. Ähnlich dazu ist sein Gebrauch von ‚gegenwärtigen Ansichten‘ (22,15), siehe dazu Anm. 222. Zum Gebrauch von συνήθεια in der platonischen Philosophie und zu den Thesen in der Forschung siehe Anhang 3: ‚Üblicher Sprachgebrauch‘. DerAusdruck ‚das Leben nach heiligen Rituellen richten“ bzw.‚auf rituelle Weise leben‘ bezieht sich unspezifisch auf das Praktizieren der Riten. Siehe dazu 18,14 und Anm. 188. Kötting (1982, S. 169) stellt die Wahrnehmung des Göttlichen oder der Götterboten durch ihren Geruch als ein gemeinsames Merkmal der antiken Kulte dar. Während im Christentum die Engel mit einem himmlischen Duft beschrieben werden (vgl. ebd. 170), bezeichnen nach Kötting auch pagane Schriftsteller wie Lukian die Gottheiten mit einem Wohlgeruch. Wie oben im Fall von ‚üblichem Sprachgebrauch‘ (siehe oben 21,11 und Anm. 209), kann das Wort ἄγγελος an dieser Stelle auf die christliche Auffassung des Wortes sowie auf das volkstümliche Konzept der ‚Götterboten‘ deuten. Im Folgenden erklärt Olympiodor, dass ἅγγελος im üblichen Sprachgebrauch auch auf den persönlichen und zugeteilten Daimon hinweist (siehe 21,17). Nachfolgend zieht er die Verwendung des Begriffs bei den Chaldäern heran, wobei er das Wort ἅγγελος in einem dritten Sinne als ‚gottähnliches Wesen‘ auffasst (21,18–22,5). Damit wird im gesamten Unterricht ἅγγελος in drei Bedeutungen verwendet: an dieser Stelle allgemein als Götterbote, im Folgenden spezifisch im Sinne von zugeteiltem Daimon und danach als Engel im Sinne von einem gottähnlichen Mittelwesen im Platonismus. Zur Bedeutung dieses Begriffs siehe Anhang 5: ‚Engel‘. Dazu siehe 21,11; Anm. 209 und Anhang 3: ‚Üblicher Sprachgebrauch‘. Olympiodor bietet eine Erklärung über ἅγγελος als den jedem Menschen zugeteilten Daimon. Die allgemeingeltende Ansicht (siehe 21,16: τῇ κοινῇ συνηθείᾳ) ist, dass die zugeteilten Daimones mit den persönlichen Engeln (siehe 21,17: ἄγγελον) zu identifizieren sind. Wenn Olympiodor bei dieser Erklärung darauf deutet, dass Daimones den Engeln im Christentum gleichgestellt werden, liegt darin ein Widerspruch zu der maßgebenden christlichen Auffassung vor (Siehe dazu Anhang 5: ‚Engel‘). Es wäre nicht plausibel zu denken, dass Olympiodor darüber keine Kenntnis besaß. Folglich scheint Olympiodor hierbei nicht spezifisch auf die christliche Auffassung des Engels, sondern auf die allgemeine Darstellung der Engel als ‚Schutzgeist‘ hinzuweisen. Demnach nennen die Menschen im Allgemeinen den persönlichen Daimon einen ‚Engel‘. Somit wird der Unterschied zwischen dem zugeteilten

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D. Anmerkungen Daimon und den Daimones als eigenständigen göttlichen Wesen angeführt: Während der Engel als ‚Schutzgeist‘ dem zugeteilten Daimon gleichkommt, stellen die Daimones als ‚Vermittler‘ eine andere Kategorie dar. Diese Interpretation wird durch die Klassifizierung der drei mittleren Wesen im Folgenden begründet: Bei der neuplatonischen Darstellung der ἄγγελοι als ‚gottähnliche Wesen‘ werden diese nach Proklos zusammen mit Heroen und Daimones als ein ‚mittleres Wesen‘ und daher grundsätzlich als ähnlich betrachtet (Procl. in Ti. III.165,11–166,16; siehe Anhang 5: ‚Engel‘). Auf dieser Grundlage betont Olympiodor, dass die Daimones zu den Engeln im üblichen Sprachgebrauch entsprechen. Während die allgemeine Ansicht die Klassifizierung der drei mittleren Wesen bei Proklos (Engel, Daimones und Heroen) nicht kennt, betrachtet sie nur Engel als Vermittler des Gottes und als ‚Schutzgeist‘. Obwohl Daimones und Engel zwei verschiedene mittlere Wesen sind, stellt Olympiodor die Daimones den Engeln im üblichen Sprachgebrauch gleich. Mit dieser Annahme deutet Olympiodor auf eine ebenfalls vermittelnde Rolle der Engel zwischen Göttern und Menschen. Mit dem Adverb θεοφιλῶς stellt Olympiodor die Verhaltensweise dar, die den Erwartungen der Götter entspricht (vgl. Plat. Alc. 134d). Im Zusammenhang mit der platonischen Philosophie bezieht sich dieser Begriff nicht auf spezifische religiöse Praktiken, sondern auf eine Art von Verbindung mit dem Göttlichen durch die Seele. Daraus ergibt sich die Bestimmung, dass sowohl diese Menschen die Götter am meisten lieben als auch von den Göttern geliebt und beschützt werden. Olympiodor stellt erneut die Ähnlichkeit zwischen dem Engel im üblichen Sprachgebrauch und der platonischen Darstellung dieses Begriffs fest. Da Engel genauso wie Daimones göttliche Wesen im mittleren Bereich sind, würde Platon nach Olympiodor auch über Engel sprechen, wenn er den mittleren Bereich in drei Teile geteilt hätte. Siehe dazu Anhang 5: ‚Engel‘. Diese Bemerkung scheint wie eine Andeutung auf Apuleius De Deo 1: Plato omnem naturam rerum, quod eius ad animalia praecipua pertineat, trifariam divisit censuitque esse summos deos. summum, medium et infimum fac intellegas non modo loci disclusione, verum etiam naturae dignitate, quae et ipsa neque uno neque gemino modo, sed pluribus cernitur. Übersetzung von Baltes (2004): „Platon hat die ganze Wirklichkeit, soweit sie die höheren Lebewesen in ihr betrifft, dreifach geteilt und angenommen, ganz oben befänden sich die Götter. ‚Ganz oben‘, ‚in der Mitte‘ und ‚ganz unten‘ darf man nicht nur im Sinne der örtlichen Trennung verstehen, sondern auch im Sinne der Rangordnung der Natur, die auch selbst wiederum nicht auf eine oder zwei Weisen, sondern auf vielfachere Weise gilt [erkennbar ist, feststellbar ist]“. Die Bereiche des Kosmos werden in der platonischen Philosophie ausgehend von verschiedenen Grundlagen diskutiert. Olympiodor stellt hier dieThese auf, dass Platon den Bereich zwischen Menschen und Göttern nicht in drei geteilt hat. Zur Vorstellung des Kosmos bei den Chaldäern und Platonikern siehe Anhang 4: ‚Teilung des Kosmos‘. Diese Feststellung, dass Platon den mittleren Bereich nicht unterteilt hatte, kann auf den Timaios zurückgeführt werden. Darin werden die Bereiche des Kosmos nach den Arten der Wesen differenziert, die vier sind: Die himmlischen Wesen bzw. die Götter; die geflügelten Wesen in der Luft, die Wesen im Wasser und diejenigen, die mit den Füßen auf dem Erdboden sind (vgl. Plat. Ti. 39e–40b). Diese Teilung legt es nahe, dass Platon den Bereich zwischen Göttern und Menschen ungeteilt lässt, da alle anderen Bereiche wie Luft und Wasser sich unter dem Mond befinden, bzw. ‚sublunar‘ sind. In Übereinstimmung damit bietet Olympiodor die Dreiteilung des Universums oben (siehe 19,11–16), indem er einen Bereich außerhalb des Kosmos für die Götter, an denen unsere Seele gebunden ist; sechs Bereiche im Kosmos, in denen sich Götter befinden (Himmel, Äther, Feuer, Luft, Wasser, Erde) und einen Bereich unten im Tartaros vorsieht. Dagegen die Dreiteilung des Bereiches zwischen den himmlischen und sublunaren Wesen ist nach

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Olympiodor nicht auf Platon zurückzuführen und Proklos’ Standpunkt ist in dieser Hinsicht statt platonisch vielmehr als chaldäisch zu betrachten. Diese Dreiteilung des mittleren Bereiches zwischen Menschen und Göttern wird von Proklos angeführt, siehe dazu Anm. 214. Vgl. Plat. Smp. 178a; 189c; 195a; 202d. Dieses Zitat wird auch bei Proklos dem Orpheus zugeschrieben (vgl. Procl. in Alc. 65,1). Vgl. Epicharmos, Fr. 23 B12 DK. Dieser Satz wird bei verschiedenen Philosophen zitiert. Als Urheber wird bei Plutarch (Plu. Moralia 336b4–5), Clemens von Alexandria (Clem. Al. Strom. 2.24,3), Theodoret (gr. aff. cur. 1,88) und bei Olympiodor (in Phd. 4.13,3) Epicharmos genannt. Neben seinen Komödien wurde Epicharmos auch als Schüler des Pythagoras bekannt, weshalb Diogenes Laertios der Meinung war, dass er Platons Philosophie beeinflusst habe (vgl. D. L. III,9–17). Platon erwähnt ihn als Autorität in Komödiendichtung und zitiert seine Sprüche (vgl. Plat. Tht. 152e; Grg. 505e). Ausgehend von der folgenden Bemerkung über die Verurteilung des Sokrates, wird dieAussage über die ‚gegenwärtigen Ansichten‘ (τοῖς παροῦσι) als Olympiodors Hinweis auf die aktuellen religiösen Ansichten des Christentums interpretiert (Westerink 1962, S. XVIII; Cameron 1969, S. 26; siehe dazu Anhang 3: ‚Üblicher Sprachgebrauch‘). Westerink erwähnt dazu auch die Verwendung von τὰ παρόντα bei Damaskios als eine Referenz auf das Christentum (vgl. Dam. Isid. 26,3–4). Der folgende Hinweis auf den Tod des Sokrates kann auch im Zusammenhang mit der platonischen Gegenüberstellung des Philosophen gegen die Mehrheit und die Politik, die den Wünschen der Mehrheit entspricht, angesehen werden. Diese Spannung in Olympiodors Denken wurde von Tarrant (1997) thematisiert. Auch Griffin (2018, S. 557–558) legt diese Interpretation zugrunde, dass Olympiodor sich auf das Christentum aus dem Grund bezieht, dass die Mehrheit in seiner Zeit diesem Glauben angehörte und das als eine Differenzierung des Philosophen von der Mehrheit in der breiteren Perspektive angesehen werden soll. Dennoch beziehen sich nach Griffin Olympiodors Ausdrücke wie ‚üblicher Gebrauch‘, ‚vorliegende Ansichten‘ oder ‚Engel‘ auf den christlichen Glauben (siehe Anhang 3: ‚Üblicher Sprachgebrauch‘). Obwohl Olympiodor ankündigt, die Ansicht der Exegeten mit den ‚vorliegenden Ansichten‘ zu vereinen, zeigt seine Schlussfolgerung am Ende dieses Diskurses keine besondere Einigung mit den ‚christlichen‘ Ansichten. Im Folgenden schlägt er eine Lösung vor, indem er den Begriff Daimon von den religiösen Kontexten trennt und als einen abstrakten Ausdruck des menschlichen Bewusstseins auffasst (siehe 23,2 und Anm. 223). Daher lässt sich ein deutlicher Bezug auf das Christentum auch an dieser Stelle nicht begründen. Zusammen mit Olympiodors vorangegangenem Hinweis auf die Vereinbarung mit gegenwärtigen Ansichten (siehe oben 22,15 und Anm. 222) und auf den Tod von Sokrates (22,16) wird seine folgende Erklärung des zugeteilten Daimons im Sinne von Bewusstsein (συνειδός) als eine Anpassung an das christliche moralische Verständnis interpretiert. In diesem Sinne bezeichnet Griffin (2015, S. 187 Anm. 177) Olympiodors Annäherung als „diplomatisch“. Dagegen ist es fraglich, inwiefern der zugeteilte Daimon als das moralische Bewusstsein in der christlichen Auffassung oder als das ‚Gewissen‘ anzusehen ist. Der Begriff des Daimons deutet bei den christlichen Theologen vielmehr auf eine böse Macht, die die Menschen (insbesondere am Beispiel des Sokrates) zu schlechten oder schädlichen Taten führt. Siehe dazu Anhang 5: ‚Engel‘. Olympiodors Behauptung kann daher nicht auf eine Einigung mit den christlichen Ansichten reduziert werden. Filippi (2007; S. LX–LXI und S. 314 Anm. 178) weist daraufhin, dass die Darstellung des persönlichen Daimons als einen Teil der menschlichen Seele einer bestimmten Richtung der platonischen Philosophie gehört. Zu dieser Theorie siehe Anhang 6: ‚Bewusstsein‘. Olympiodor verwendet hier das Verb ὑπάρχειν, das keine Identifizierung oder Gleichstellung des Daimons mit dem Bewusstsein andeutet, sondern das Vorhandensein des Daimons in Form von Bewusstsein äußert. Um die Identifizierung des

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D. Anmerkungen Daimons mit der Vernunft zu vermeiden, verwendet Olympiodor den Begriff des Bewusstseins (συνειδός). Vgl. Call. Ap. 112. Zum Begriff des Seelengipfels siehe 8,5 und dazu Anm. 112. Die Richter im Tartaros sind nach Platon Minos und Rhadamanthys (vgl. Plat. Grg. 523a; Rep. 616a) sowie Aiakos (vgl. Plat. Grg. 524c; Ap. 41a). Olympiodor erwähnt diese auch als Richter für die Seelen nach dem Tod (vgl. Olymp. in Grg. 48.7,23–29; 49.2,5–9) Eur. Or., 395–396. Dieses Zitat findet sich bei Platon (vgl. Plat. Rep. 331a5–8) und ist dadurch wahrscheinlich für Olympiodor bekannt. Nach Olympiodor stellt dieses Zitat eine Gegenposition zu Orestes dar, der vom schlechten Gewissen geplagt wird. Aus dem Kontext bei Platon wird deutlich, dass dieses Gedicht mit dem guten Gewissen im Alter zu tun hat: Platon lässt Kephalos hier erklären, dass ein Mensch, der seine Tage in Rechtschaffenheit und Frömmigkeit verbringt, „einen süßen Gefährten hat, der sein Herz erheitert und sein Alter nährt, / Die Hoffnung, die am meisten den wechselhaften Geist der Sterblichen beherrscht.“ (Plat. Rep. 331a5–8 bzw. Pi. Fr. 214: γλυκεῖά οἱ καρδίαν/ ἀτάλλοισα γηροτρόφος συναορεῖ / Ἐλπίς, ἃ μάλιστα θνατῶν πολύστροφον γνώ- / μαν κυβερνᾷ .) Aristoteles erläutert die Aufmerksamkeit (τὸ προσεκτικόν) im Zusammenhang mit der Theorie der Rhetorik bezüglich der Strategien, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu halten (vgl. Arist. Rh. 1415a36–b15). Eine Frage der aristotelischen Erkenntnistheorie besteht darin, ob eine Wahrnehmung der Sinnesorgane und das Begreifen der Tatsache, dass eine Sinneswahrnehmung geschieht, das Gleiche sein sollte (vgl. Arist. deAn. 425b12–25). Auf diese Frage findet Jamblich die Lösung mit dem Begriff der Aufmerksamkeit (προσοχή), die er als die Fähigkeit der vernunftbegabten Seele, die Tätigkeit der Sinnesorgane wahrzunehmen und sie im Erkenntnisprozess aufzunehmen definiert (vgl. Iamb. Myst. III.14,17–25). In diesem Sinne wird der Begriff bei den spätantiken Platonikern verwendet (vgl. Dam. in Phd. 271; Procl. in Ti. II.306,1–8; Phlp. in de An. 466,18–29). Bei dieser Unterscheidung der zwei Teile des Bewusstseins bezieht sich Olympiodor wahrscheinlich auf Damaskios. Siehe dazu Anhang 6: ‚Bewusstsein‘. Proklos stellt zu diesem Aspekt ebenfalls drei Interpretationen vor (vgl. Procl. in Alc. 24,10–27,12) und erläutert, dass erstens das Patronym Alkibiades passender für Sokrates macht, da Kleinias einen guten Ruf hat. Zweitens sei es eine Methode, Alkibiades an dieTugend des Kleinias zu erinnern, um ihn zur Tugend zu ermuntern. Schließlich bedeutet der Name des Vaters auf metaphysischer Ebene die Rückwendung der Seele auf ihre Ursache. Hom. Il. IX,68–9; Übers. Schadewaldt 1975. Die Schlacht von Koroneia (447 v. Chr.) zwischen dem Delischen Seebund unter Führung von Athen und der Boeotischen Liga fand im Zuge des ersten Peloponnesischen Krieges statt. Zur Kleinias’ Tapferkeit in dieser Schlacht vgl. Thucy. 1,113; Hdt. 8,17. Olympiodor führt als alternative Erklärung für die Verwendung des Patronyms an, dass Männlichkeit mit dem Vater assoziiert wird. Der Ausdruck τὸ ἀρρενωπόν thematisiert erneut die Rolle des männlichen Elements in der platonischen Philosophie. Zur Diskussion über Rollen der Männer und Frauen im Platonismus siehe Anm. 159 über die Bezeichnung ‚weiblich‘ (14,12–13). Vgl. Plat. Phdr. 238c. Hom. Il. VI,209; Übers. Schadewaldt 1975. An dieser Stelle erzählt Glaukos, Sohn des Hippolochos, über die Geschichte seines Geschlechts und die Lehren seines Vaters. Eins der wichtigsten Merkmale der sokratischen Methode ist nach Olympiodor Gleiches mit Gleichem zu ‚behandeln‘ (siehe 6,6–7,5; 174,15–175,1). In diesem Zusammenhang wendet Sokrates geeignete Methoden für jede Person an (siehe 7,5–10). Danach folgt seine Strategie,

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durch für seine Gesprächspartner bekannte Themen und Begriffe seine Argumentation verständlicher und akzeptabler darzustellen (siehe 34,12 und Anm. 329). Vgl. Plat. Tht. 155d. Auch Proklos bezieht die Verwunderung von Alkibiades auf den Anfang der Philosophie und nennt dazu den Theaitetos als Quelle (vgl. Procl. in Alc. 42,5–10). Westerink weist daraufhin, dass das die erste der traditionellen Definitionen der Philosophie ist. Der Ursprung hierfür, wie auch für die folgende Erwähnung des Staunens, ist wahrscheinlich Aristoteles’ Darstellung der ersten Philosophie (bzw. Metaphysik, vgl. Arist. Metaph. 1003a21–28; 24: περὶ τοῦ ὄντος ᾗ ὄν) als „die Untersuchung des Seienden als Seiendes“. Ammonios bietet in seinem Kommentar zu Porphyrios’ Isagoge viele Definitionen der Philosophie dar, von denen diese auch öfters genannt wird (vgl. Ammon. in Porph. 2,22–23; 3,1–2; 5,28–30; 17,1–2). Die alexandrinischen Exegeten Elias und David übernehmen ebenfalls diese Definition (Elias in Porph. 8,30–31; David Proll. 20,27). Olympiodor verweist hier auf den von Aristoteles dargestellten Zusammenhang des Staunens mit dem Beginn der Philosophie. Vgl. Arist. Metaph. 982b: διὰ γὰρ τὸ θαυμάζειν οἱ ἄνθρωποι καὶ νῦν καὶ τὸ πρῶτον ἤρξαντο φιλοσοφεῖν, ἐξ ἀρχῆς μὲν τὰ πρόχειρα τῶν ἀτόπων θαυμάσαντες, εἶτα κατὰ μικρὸν οὕτω προϊόντες καὶ περὶ τῶν μειζόνων διαπορήσαντες, οἷον περί τε τῶν τῆς σελήνης παθημάτων καὶ τῶν περὶ τὸν ἥλιον καὶ ἄστρα καὶ περὶ τῆς τοῦ παντὸς γενέσεως. „Durch das Staunen fangen die Menschen jetzt an zu philosophieren und haben ursprünglich auch damit begonnen; sie wundern sich zunächst über offensichtliche Unklarheiten und stellen dann nach und nach auch Fragen über größere Dinge, z. B. über die Veränderungen des Mondes und der Sonne, über die Sterne und über den Ursprung des Universums.“ Im Kommentar zu Porphyrios’ Isagoge führt Ammonios diese Ansicht über Verwunderung nicht an, daher stützt sich Olympiodor hierbei wahrscheinlich auf andere Platoniker. Bei Platon wird der Name des Thaumas (Θαύμας) für die Erklärung des Wortes ‚Verwunderung‘ (θαῦμα) verwendet (vgl. Plat. Ti. 296b; Tht. 155d). Folglich wird Thaumas, der traditionell als Meeresgott und Sohn des Pontos und der Gaia (vgl. Hes. Th. 237) sowie der Vater der Iris (vgl. Hes. Th. 265–267) gilt, im Neuplatonismus als Vater der Philosophie allegorisiert. In diesem Zusammenhang erwähnt auch Proklos, dass nach einem Sprichwort Iris deswegen die Tochter des Thaumas ist (vgl. Procl. in Alc. 42,10–11). Die Begründung für den Beginn der Philosophie durch Verwunderung wird auch von dem Neuplatoniker David in seinem Kommentar zu Porphyrios’ Isagoge vertreten (David in Porph. 96,9–13: Θαύμαντος δὲ θυγατέρα αὐτὴν ἔλεγον, ἐπειδὴ ἀρχὴ τῆς φιλοσοφίας τὸ θαῦμά ἐστιν· εἰ γὰρ μὴ θαυμάσει τίς τι, οὐδὲ ἔρχεται εἰς τὸ ζητῆσαί τι περὶ αὐτοῦ· οἷον εἰ μὴ θαυμάσει τις τὴν ἶριν τὴν οὖσαν ἐν τῷ οὐρανῷ, οὐδὲ ἔρχεται εἰς τὸ ζητῆσαι πόθεν γίνεται τοῦτο.). Die folgenden Erläuterungen Olympiodors über die geometrischen Figuren, die bei Proklos nicht ausgeführt werden, sind möglicherweise dem alexandrinischen Bildungskontext zuzuordnen. Mit den hier vorgestellten Definitionen zeigt Olympiodor, dass im Bildungskonzept der alexandrinischen Philosophenschule eine Bestimmung der Philosophie einen vordergründigen Platz einnahm. Zu diesem Satz weist Westerink darauf hin, dass, die Quelle für diese Aussage eine Stelle in der Metaphysik des Aristoteles sein könnte, wo verschiedene Erklärungen für das Wort ‚Wunder‘, unter anderem auch die geometrische, diskutiert werden (vgl. Arist. Metaph. 983a12–20). Das Wort γραμμικός wird als eine Variante von γραμματικός verwendet (LSJ, γραμματικός II, vgl. Plu. Marc. 14.9,4). Bei Olympiodor hingegen sind an dieser Stelle wahrscheinlich Diagramme und geometrische Formen (γραμμίς) gemeint; daher habe ich die Bezeichnung dieses Fachgebiets (wörtlich: „diejenigen, die mit linearen Figuren arbeiten“) als „Zeichner“ interpretiert. Ob sich dies auf die Mathematik im Allgemeinen oder auf die Aufgaben des Zeichnens bezieht, wird aus dem Text nicht deutlich. Olympiodor kommentiert an dieser Stelle einige Wörter aus Plat. Alc. 103a1–5: ὦ παῖ Κλεινίου, οἶμαί σε θαυμάζειν ὅτι πρῶτος ἐραστής σου γενόμενος τῶν ἄλλων πεπαυμένων μόνος οὐκ

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D. Anmerkungen ἀπαλλάττομαι, καὶ ὅτι οἱ μὲν ἄλλοι δι᾽ὄχλου ἐγένοντό σοι διαλεγόμενοι, ἐγὼ δὲ τοσούτων ἐτῶν οὐδὲ προσεῖπον. „Sohn des Kleinias, ich glaube, du wunderst dich, dass ich als dein erster Liebhaber mich jetzt, nachdem alle Schluss gemacht haben, als einziger nicht von dir abwende und dass die anderen dir mit ihren Gesprächen zur Last fielen, ich dich dagegen während so vieler Jahre nicht einmal überhaupt nur angesprochen habe.“ (Übers. Döring 2016). Mit dem ‚Chor‘ (χορός) deutet Olympiodor auf eine in sich geschlossene kleine Gruppe. Er bezieht diese Gruppe im Folgenden konkret auf einen Chor und erwähnt im Folgenden den Chorlehrer, auf den ein Chor achtet (siehe 25,16). Der Redner Demosthenes wird hier mit seinem Herkunftsdemos Paiania erwähnt. An dieser Stelle paraphrasiert Olympiodor aus Demosthenes’ Rede über die Truggesandtschaft (vgl. Dem. 19,136: ὁ μὲν δῆμός ἐστιν ἀσταθμητότατον πρᾶγμα τῶν πάντων καὶ ἀσυνθετώτατον.). Bei dieser Rede beschäftigt sich Demosthenes nicht mit den Unterschieden der Begriffe δῆμος und ὄχλος, sondern deutet mit δῆμος in diesem Zusammenhang auf die Demokratie als eine instabile Herrschaftsform. Die Paraphrase von Olympiodor ergibt den Sinn, dass, wenn Demosthenes das Volk beleidigt, indem er es „Masse“ nennt, die Masse etwas Schlimmeres sein sollte als das Volk. Als Redewendung bedeutet δι’ ὄχλου εἶναι „zur Last fallen“, wobei Olympiodor an dieser Stelle betont, dass dieser Ausdruck des Sokrates die Masse (ὄχλος) beinhaltet. Proklos stellt hierzu fest, dass einfache Menschen die Bemühungen der Seelen nach der Länge der Zeit und nicht nach ihrer Vollkommenheit bewerten. Dazu gibt er als Beispiel, dass die Menschen diejenigen für klug halten, die die meiste Zeit bei den Lehrern verbracht haben (vgl. Procl. in Alc. 46,13–47,12). Olympiodors Interpretation an dieser Stelle äußert den gleichen Gedankengang. Olympiodor stellt den Ausdruck τοσούτων ἐτῶν als eine attische Redewendung für ἐπὶ τοσοῦτον χρόνον dar. Während das erste in vielen griechischen Texten verschiedener Zeiten belegt ist, befindet sich ἐπὶ τοσοῦτον χρόνον außer einer Stelle bei Aristoteles (vgl. Arist. EN 1125b35) in keiner der Quellen aus der klassischen Zeit. Vgl. Plat. Alc. 103a5–7: τούτου δὲ τὸ αἴτιον γέγονεν οὐκ ἀνθρώπειον, ἀλλά τι δαιμόνιον ἐναντίωμα, οὗ σὺ τὴν δύναμιν καὶ ὕστερον πεύσῃ. „Die Ursache dafür war nicht ein menschliches, sondern ein gewisses dämonisches Hindernis; wie es wirkt, wirst du später erfahren.“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 103a7, siehe Anm. 247. Das Daimonion an dieser Stelle des Dialogs wurde bei der Erläuterung des zugeteilten Daimons (20,3–23,15) in Bezug auf dieTheorie der Daimones behandelt. Zur Bedeutung des Daimonions siehe 15,1–4 und Anm. 165. Olympiodor stützt seine Erklärung auf den Unterschied zwischen der Verwendung von καί im Sinne von „und“ als Kopulativ und im Sinne von „auch“ als Expletiv (bzw. eine Betonung oder Füllwort). Beide Begriffe gehören zur grammatikalischen Fachterminologie in Verbindung mit der „Konjunktion“ (σύνδεσμος). Im ersten Fall würde ‚und‘ auf zwei verschiedene Zeiten deuten, in denen Alkibiades früher und später die Macht des Daimonions erfährt. An dieser Stelle dagegen dient das Wort καί lediglich zur Betonung. Denyer (2001, S. 84) erklärt zu diesem Ausdruck im Dialog (zu Plat. Alc. 103a6), dass ‚auch später‘ (καὶ ὕστερον) bei Platon benutzt wird, um das Thema für eine spätere Zeit aufzuheben und vergleicht diesen Ausdruck im Plat. Smp. 175e; Rep. 347e und Phlb. 33b–c. Vgl. Hom. Il. II,827. Plat. Alc. 105e6–106a1 (Übers. Döring 2016). Denyer (2001, ad loc. in app.) weist daraufhin, dass Sokrates später im Dialog nicht zu diesem Thema zurückkehrt. Olympiodor dagegen ist der Meinung, dass Sokrates später tatsächlich zu diesem Thema zurückkehrt und weist dafür auf

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Plat. Alc. 105e–106a hin. Der Grund könnte entweder ein unterschiedlicher Text des Dialogs sein, oder Olympiodors Absicht, die Unstimmigkeiten im Rahmen dieses Dialogs zu lösen. Das ist eine der wesentlichen Fragen bezüglich des Daimonions des Sokrates bei den späteren Platonikern. Wenn Daimonion ein göttliches Wesen ist, scheint es widersprüchlich, dass es Sokrates nicht darüber warnen könnte, was für ein Mensch Alkibiades in der Zukunft wird. Xenophon beantwortet diese Frage mit der Annahme, dass Alkibiades durch die Anwesenheit des Sokrates die Kraft hatte, um seine Begierde zu bekämpfen, während er später in seinem Leben sich von Sokrates entfernt und sich selbst vergessen habe (vgl. Xen. Mem. I.2,24). Wie Xenophon, geben sowohl Plutarch als auch Apuleius dem Daimonion des Sokrates neben der verhindernden auch eine beratende Rolle. Im Zusammenhang von Alkibiades’ politischen Entscheidungen merkt Plutarch an, dass Sokrates durch die Zeichen seines Daimonions wusste, dass die sizilische Expedition keine gute Entscheidung war (vgl. Plu. Alc. 17,4). Auf der anderen Seite deutet Plutarch darauf, dass viele Anschuldigungen gegen Alkibiades aufgrund politischer Feindschaften entstanden sind (vgl. Plu. Alc. 19,1). Eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum das Daimonion Sokrates unterstützt hat, obwohl Alkibiades kein guter Politiker wurde, kann weder bei Plutarch noch bei Apuleius gefunden werden. In der Spätantike scheint die Frage viele Platoniker beschäftigt zu haben, wobei es dazu wenige direkte Überlieferungen gibt. Hermeias setzt sich mit der Frage nach der Macht des Daimonions auseinander und behauptet, dass das Daimonion nicht alles empfehlen und genau sagen könnte, was Sokrates machen muss. Dies würde seiner Ansicht nach Sokrates’ Selbstbestimmung gefährden (vgl. Herm. in Phdr. 71,34–72,10). Proklos erwähnt diese Diskussion über Alkibiades in seinem Kommentar, dass viele Exegeten diese Frage gestellt haben. Er selbst bietet eine Erklärung an, indem er den Ansichten von Jamblich und Syrianos folgt (vgl. Procl. in Alc. 88). Demnach wollte das Daimonion Alkibiades helfen, auch wenn Alkibiades ungeeignet war, aus dieser Hilfe einen Nutzen zu ziehen (vgl. Procl. in Alc. 91). Dabei hat das Daimonion den gesamten Lebenszyklus seiner Seele berücksichtigt und ihm für seine weitere Zukunft geholfen (vgl. Procl. in Alc. 90). Olympiodor setzt sich im Folgenden mit dieser Lösung kritisch auseinander (siehe dazu 27,7–16 und Anm. 260). Zur Befestigung von Dekeleia vgl. Plu. Alc. 23. Eine Anspielung auf das Dekret des Perikles gegen Megara, die in wesentlichen Zügen der Darstellung des Thukydides entspricht (Thucy. 1,140–144). Thukydides hält ebenfalls Perikles für diesen Dekret verantwortlich und beschreibt seine Provokation in einer Rede, in der Perikles darauf hinweist, dass ein Krieg mit Sparta unter keinen Umständen vermieden werden kann. Hierin kann ein weiteres Indiz über Olympiodors Kenntnis von Thukydides’ Historien angesehen werden. Auch Plutarch greift den Vorwurf auf, dass Alkibiades Perikles empfohlen habe, keine Rechenschaft über die Statue der Athena abzulegen (vgl. Plu. Alc. 7). Zu dieser Darstellung vgl. Plu. Alc. 19; Thucy. 6,53. Plutarch betont, dass diese Beschuldigungen von politischen Feinden geäußert worden sind, die verhindern wollen, dass Alkibiades den Armeebefehl über die sizilische Expedition von Athen (415 v. Chr.) bekommt. Daraufhin wurde Alkibiades zurückbeordert. Deshalb ging er nach Sparta, statt nach Athen zurückzukehren, und die Expedition wurde in Syrakus zerstört. Olympiodor erklärt im Folgenden zuerst Proklos’ Lösung (vgl. Procl. in Alc. 86,7–92,3). Dabei bezieht er sich mit dem Ausdruck „wir sagen“ darauf, dass er die Ansicht des Proklos als die maßgebende Ansicht betrachtet, wobei er im Folgenden diese Interpretation kritisieren und seine eigene Lösung darstellen wird (siehe 27,7–16 und Anm. 263). Die Ausführungen an dieser Stelle sind von der platonischen Sonnen- und Lichtmetapher geprägt. In ihrer Rolle als Lichtquelle ist die sokratische Philosophie nach den Platonikern mit der Sonne vergleichbar. Platon identifiziert das Gute mit dem Licht und vergleicht es mit der Sonne (vgl. Plat. Rep. 508c). Von der gleichen Metapher macht auch Plotin Gebrauch, indem er

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D. Anmerkungen das Gute wie einen Strahl auffasst, der durch alle Seienden durchgeht (vgl. Plot.V.3.12,40: ὡς ἀπὸ ἡλίου φῶς νοῦν θησόμεθα). Auch Proklos verwendet dieses Gleichnis im Zusammenhang mit der Frage, warum Daimonion Sokrates erlaubt, ein Gespräch mit Alkibiades zu führen (vgl. Procl. in Alc. 91). Einen weiteren Begriff der Lichtmetapher thematisierte Olympiodor mit der Erwähnung der Erleuchtung (siehe Anm. 207). Die Tauglichkeit (ἐπιτηδειότης) und Untauglichkeit (ἀνεπιτηδειότης) deuten nach Hoffmann (1992) in der platonischen Philosophie auf die Disposition eines Gegenstands. Platon erwähnt die Tauglichkeit der Materie oder Natur (Plat. Rep. 433a; Phdr. 231d; Lg. 778a) und setzt etwas Aufnehmendes (ὑποδοχή) für Entstehen einiger Naturerscheinungen voraus (Plat. Ti. 49a). Bei den Platonikern wird dieser Begriff mit dem Konzept der Selbstbewegung verbunden und deutet auf die Unterschiede zwischen den von sich aus bewegenden und den von außen bewegten Wesen. Diese metaphysische Bestimmung zeigt sich auf ethischer Ebene auch zwischen den Menschen, die die Erkenntnis selber erreichen können und denjenigen, die dafür nicht geeignet sind. Dazu vgl. Ammon. in Cat. 81,10–13; Procl. Inst. 143,5–7; in Alc. 122,15–123,5; Simp. in Ph. 965,26–30. Dass Alkibiades aufgrund seiner Untauglichkeit die Hilfe des Daimonions nicht richtig bewerten konnte, ist nach Proklos ein Teil der Lösung auf diese Frage. Dabei beruft er sich auf die Ansichten von Jamblich und Syrianos (vgl. Procl. in Alc. 88–91). Während Olympiodor Proklos’ Lösung teilweise annimmt, lehnt er die These über die Untauglichkeit ab. Olympiodors Argumentation ist, dass das Daimonion auch am Anfang Sokrates nicht verhindern sollte, wenn er Alkibiades trotz seiner Untauglichkeit helfen wollte. Auch nach Proklos ist diese Argumentation nicht haltbar, da in diesem Fall das Daimonion unwissend darüber sein musste, was für ein Mensch Alkibiades später wird (vgl. Procl. in Alc. 86,7–87,2). Hom. Il. V,201; Übers. Schadewaldt 1975. Diese Argumentation stellt Proklos als einen Teil seiner Lösung vor. Nach Proklos zeigt Alkibiades im Symposion, dass sein Verhalten sich durch Sokrates doch verbessert hat (vgl. Procl. in Alc. 89). Auch wenn Alkibiades sich in seinem Leben nicht immer bewähren konnte, sind Proklos zufolge der schlechte Zustand der Polis und viele Einflüsse daran schuld, die seiner Seele nicht die Möglichkeit gaben, zur Ruhe zu kommen. Trotzdem hat Alkibiades irgendwann aus dem Gespräch mit Sokrates Nutzen gezogen, da man bedenken muss, dass das Daimonion sich nicht einem einzelnen Leben der Seele widmet, sondern ihren ganzen Lebenszyklus berücksichtigt (vgl. Procl. in Alc. 90). Olympiodor betrachtet diese Argumentation als richtig, schließlich bietet er aber keine Lösung für seinen Widerspruch gegen Proklos (siehe 27,6–8 und Anm. 260). Die Frage, warum das Daimonion das Gespräch nicht bereits am Anfang erlaubt hat, bleibt auch durch diese Erklärung offen. Vgl. Plat. Alc. 103a7–b1: νῦν δὲ ἐπειδὴ οὐκέτι ἐναντιοῦται, οὕτω προσελήλυθα. „Nachdem es jetzt keinen Widerstand mehr leistet, bin ich an dich herangetreten“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 103a7–b1, siehe Anm. 264. Vgl. Plat. Alc. 103b1–2: εὔελπις δ᾽εἰμὶ καὶ τὸ λοιπὸν μὴ ἐναντιώσεσθαι αὐτό. „und ich bin zuversichtlich, dass es auch künftig keinen Widerstand mehr leisten wird“ (Übers. Döring 2016). Dieses Zitat ist bei Herodot nicht überliefert. In den erhaltenen Quellen werden verschiedene Urheber dafür erwähnt: Aristoteles nach Diogenes Laertios (D. L.V.18,4); Platon nach Claudius Aelianus (Ael. VH 13.29), Pindar nach Stobaios (Stob. IV.47,12) oder Anakreon in der Spruchsammlung Gnomologium Vaticanum (375). Auch als Redewendung kommt derAusdruck bei Polybios (Plb. 33.21.2,3) und Synesios (Syn. Insom. 13,28) vor. Olympiodor schreibt diesen Spruch auch in seinem Kommentar zum Phaidon Herodot zu (vgl. Olymp. in Phd. 39,11–12). Vgl. Plat. Alc. 103b2, siehe Anm. 266.

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Den Ausdruck τῶν τοῦ σωφρονοῦντος στόματος „aus dem weisen Mund“ erwähnt derAthener für Nestor in Platons Gesetzen (Plat. Lg. 711e7: ἐκ τοῦ σωφρονοῦντος στόματος). In Bezug auf Sokrates verwendet Proklos diese Bezeichnung (Procl. in Alc. 23,20–21). Olympiodor beantwortet an dieser Stelle eine Frage, die auch Proklos über diesen Satz gestellt hat: Woher weiß Sokrates, dass das Daimonion ihn auch in der Zukunft nicht verhindern wird? Proklos antwortet darauf, dass Sokrates der Meinung war, Alkibiades würde durch ihre Gespräche sich in der Philosophie entwickeln und daher würde das Daimonion diese Gespräche auch in der Zukunft gestatten (vgl. Procl. in Alc. 93,7–10). Olympiodor bezieht sich darauf, dass das Daimonion Sokrates jetzt auch nicht hindert, und das als ein Zeichen dafür angesehen werden kann, dass es auch in der Zukunft die Gespräche mit Alkibiades erlauben wird. Plat. Alc. 103b2–3. Vgl. Plat. Alc. 103b2–4: σχεδὸν οὖν κατανενόηκα ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ σκοπούμενος ὡς πρὸς τοὺς ἐραστὰς ἔσχες· „Während dieser Zeit nun habe ich dich beobachtet und dabei ziemlich genau wahrgenommen, wie du dich deinen Liebhabern gegenüber verhieltest“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 103a5–6: τούτου δὲ τὸ αἴτιον γέγονεν οὐκ ἀνθρώπειον, ἀλλά τι δαιμόνιον ἐναντίωμα. Sokrates nennt an dieser Stelle den Grund für seine Abwesenheit ein „daimonisches“ und nicht menschliches Hindernis. Olympiodor versteht das Daimonische als etwas Göttliches (siehe 14,27–15,4) und dementsprechend an dieser Stelle als einen Daimon oder Gott. Sokrates weist im Dialog mit ‚daimonisch‘ auf das Daimonion und stellt damit einen vielseitig diskutierten Begriff in der platonischen Philosophie vor (vgl. 15,5–23,17). Olympiodor differenziert die Begriffe Daimon, Daimonion und das Adjektiv ‚daimonisch‘ im Sinne von ‚göttlich‘ – wie auch andere Platoniker – nicht deutlich voneinander (siehe dazu 15,1–4 und Anm. 165). Mit dem ‚archaischen Stil‘ weist Olympiodor auf den Chiasmus hin. Dieses Stilmittel besteht, so Fauser (1994, S. 171), aus einer Überkreuzstellung von zwei Wörtern oder Satzgliedern, die auf semantischer Ebene Antithesen hervorheben, dagegen syntaktisch die gleiche oder eine ähnliche Form haben. Auch wenn Chiasmus in der antiken Literatur verwendet wurde, gab es keinen einheitlichen Begriff dafür. Am folgenden Beispiel aus Homer endet der erste Vers mit Laodameia und beginnt der folgende mit demselben Wort. In solchen Fällen kann ein ‚syntaktischer Chiasmus‘ festgestellt werden, der jedoch auf keine weitere semantische Antithese verweist. Vgl. „semantischer Chiasmus“ in Lausberg 2008, S. 359, § 723 und Ders. 1990, S. 116, § 392. Olympiodor bezeichnet diese Art von Chiasmus wahrscheinlich deshalb als ‚archaisch‘, da es in den homerischen Epen häufig vorkommt. Vgl. Hom. Il. VI,197–198. Bei diesen Versen werden die Namen der Kinder von Philonoe und Bellerophontes genannt. In der kritischen Homeredition von West (1998) wird Vers 197 unterschiedlich angegeben (Ἴσανδρόν τε καὶ Ἱππόλοχον καὶ Λαοδάμειαν). Statt Isandros und Hippolochos erwähnt Olympiodor den Hippolochos und die Laodike. Diese Version des Verses wird nur an dieser Stelle bei Olympiodor belegt. Die folgenden Argumente über Alkibiades’ Schönheit – dass er in ganz Griechenland beliebt war; das Zitat von Antisthenes und die Ähnlichkeit der Hermesstatuen – werden auch von Proklos angeführt (vgl. Procl. in Alc. 114,14–115,1). Die Ähnlichkeit der Hermesstatuen mit Alkibiades ist wahrscheinlich eine Erfindung der späteren Literatur, die auf die Argumente seiner Gegner zurückgeht, dass Alkibiades die Statuen des Hermes beschädigt habe (vgl. Plu. Alc. 18,3; Thucy. VI,27–29). Proklos überliefert diesen Spruch und erwähnt Antisthenes als dessen Urheber (vgl. Procl. in Alc. 114,16–17). Hom. Il. II,673–4 (Übers. Schadewaldt 1975). Zur Abstammung von Alkibiades vgl. Plu. Alc. I.

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D. Anmerkungen Thucy. II.65,9; Übers. Landmann 1960. Dieses Zitat wird auch bei Plutarch angeführt (vgl. Plu. Per. 9,1). Obwohl es nicht deutlich ist, ob Olympiodor mit dem Geschichtsschreiber Thukydides oder Plutarch meint, stimmt sein Zitat beinahe wortwörtlich mit Thukydides überein, ausgenommen von zwei Wörtern am Anfang (bei Olympiodor: ἐγίνετο δὲ statt ἐγίγνετό τε). Dagegen formuliert Plutarch dieses Zitat als eine indirekte Überlieferung und nennt Thukydides als Quelle (Plu. Per. 9.1,1–4: ἐπεὶ δὲ Θουκυδίδης μὲν ἀριστοκρατικήν τινα τὴν τοῦ Περικλέους ὑπογράφει πολιτείαν, ‘λόγῳ μὲν οὖσαν δημοκρατίαν, ἔργῳ δ᾽ὑπὸ τοῦ πρώτου ἀνδρὸς ἀρχήν’). Nach Roskam (2012, S. 98–99) stammen die historischen Informationen über Alkibiades und seine Zeit bei Proklos nicht nur von Plutarch, sondern auch von Thukydides, den Proklos mit dem Namen erwähnt und diesen Satz über Perikles zitiert (Procl. in Alc. 115,2–4: τοῦτο Θουκυδίδης μαρτυρεῖ, τὴν ἐκείνου πολιτείαν εἰπὼν ‘λόγῳ μὲν δημοκρατίαν, ἔργῳ δὲ ἑνὸς ἀνδρὸς δυναστείαν.’). Dagegen erwähnt Proklos im Alkibiades-Kommentar Plutarch nicht explizit. Da Proklos für Olympiodor als eine der wesentlichsten Grundlagen diente, könnte dieses Zitat auch von ihm übernommen worden sein. Ausgehend von diesen Tatsachen kann nicht festgestellt werden, ob Olympiodor die Überlieferung von Thukydides berücksichtigt hat. Ein bezeichnendes Argument, das für seine Kenntnis des Thukydides spricht, ist die genaue Übereinstimmung seines Zitats mit Thukydides. Dabei wird in seinem gesamten Textkorpus Thukydides nur einmal mit dem Namen erwähnt – doch in diesem Fall liegt kein direktes Zitat, sondern eine Paraphrase vor (vgl. Olymp. in Cat. 120,11–13). Vgl. Eupolis Fr. 94,3; Scholia in Aristid. 129,15. Dieses Fragment wird dem Stück Demen (Δῆμοι) zugeordnet. Zur Rekonstruktion und Übersetzung dieses Verses siehe Storey 2003, S. 14 und Olson 2017, S. 372. Diese Textstelle handelt von Perikles’ rhetorischen Fähigkeiten durch ein Gleichnis mit den Läufern. Perikles wird somit als der beste Redner dargestellt, da er trotz eines ungünstigen Ausgangspunkts seine Meinung gegen andere Redner durchsetzen kann. Die sprichwortliche Verwendung dieses Ausdrucks zeigt auch Ar. Nu. 429–430: ὦ δέσποιναι, δέομαι τοίνυν ὑμῶν τουτὶ πάνυ μικρόν, τῶν Ἑλλήνων εἶναί με λέγειν ἑκατὸν σταδίοισιν ἄριστον. „Durchlauchtige Fraun, dann bitt’ ich euch nur um ein Kleines: Gewahrt mir die Gnade, / Lasst hundert Meilen als Rednergenie mich vor allen in Hellas voraus sein!“ (Übers. Seeger 2019). Diese drei Argumente, die dagegen sprechen, Alkibiades zu loben, werden von Proklos ausführlich erläutert. Er stellt ebenfalls die Frage, warum Sokrates Alkibiades trotzdem gelobt hat, und gelangt zum Schluss, dass seine Worte in der Tat kein Lob, sondern Vorwürfe beinhalten (vgl. Procl. in Alc. 100,23–101,20). Zur Jagdmetapher (Vogelfänger) über Sokrates siehe 24,5–20. Die Mischung von Widerlegungen mit Lob bezeichnet auch Proklos als eine sokratische Strategie an dieser Stelle des Dialogs (vgl. Procl. in Alc. 102,6–11). Zur sokratischen Katharsis siehe 6,6–7; 86,28–87,1. Die natürlichen Tugenden (φυσικαὶ ἀρεταί) bezeichnen die erste Stufe der Tugenden. Diese sind aufgrund physischer Umstände einer Person vorhanden, wie eine adlige Herkunft oder Schönheit. Sie werden nicht durch Arbeit und Mühe gewonnen, dennoch können sie als eine Grundlage für die weiteren Stufen der Tugend dienen. Für eine ausführliche Erklärung der neuplatonischen Tugenden siehe Griffin 2015, S. 4–16. Im Folgenden argumentiert Olympiodor, dass Sokrates die natürlichen Tugenden (φυσικαὶ ἀρεταί) von Alkibiades lobt, um ihn auf die Kritik aufgrund seiner fehlenden höheren Tugenden vorzubereiten. Dabei sind die natürlichen Tugenden lobenswert, da sie eine erste Stufe sind, um die politischen Tugenden (πολιτικαὶ ἀρεταί) zu erwerben und darauffolgend die höheren philosophischen Tugenden zu erreichen. Olympiodor deutet an dieser Stelle auf den Unterschied zwischen der Tugend aus der Natur und derjenigen aus der Einübung. In der Antike deuten die Wörter verbunden mit dem Verb

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ἀσκέω nach Horn (1997) allgemein auf handwerkliches Arbeiten und auf die Bemühung um etwas. Bereits bei Platon wird die Einübung mit der Erlangung der Tugend verknüpft (vgl. Plat. Euthd. 283a4; Rep. 407a8). In seiner Interpretation ausgehend von der hellenistischen Philosophie betonte Hadot (1987, S. 83–96; 180) den Begriff der Askese, da darin ein Ausdruck der Philosophie im Sinne von einer praktischen Übung zu finden sei: Demnach betrachten Platoniker, Epikureer und Stoiker ihre Philosophie als einen Lebensstil, der die wahre Weisheit in den geistigen Übungen darstellt, die darauf bedacht seien, die Menschen nicht nur theoretisch zu beeinflussen, sondern praktisch zu „formen“. Bei diesen geistigen Übungen der hellenistischen Philosophie in Form von Selbstdisziplin und Verzicht ist das Ziel, die Affekte zu überwinden und dadurch die Autarkie und die Glückseligkeit zu erlangen. Folglich lässt sich dieses Ziel auch mit einem ‚religiösen‘ bzw. ‚asketischen‘ Leben verbinden. Bei den christlichen Philosophen wird die Einübung besonders in der alexandrinischen Schule unter Einfluss von Philon behandelt. Eine bemerkenswerte Parallele findet sich zwischen Clemens von Alexandria und Olympiodor darin, dass auch Clemens die Einübung als eine der drei Stufen geistlicher Entfaltung beschreibt (μάθησις, φύσις und ἄσκησις). Siehe dazu Hauser u. a. 1971. Olympiodor bestimmt zwei Wege zur Erkenntnis, von denen eine ‚Lernen‘ (μάθησις) und die andere ‚selber Herausfinden‘ (εὕρεσις) ist (siehe 63,11–13). Mit der Einübung (ἄσκησις) wird auch ein Weg zur Tugend dargestellt, der für die unvernünftigen Lebewesen geeignet ist (dagegen μάθησις für Vernunft: siehe 147,2–4; 169,13–16; 217,1–2). Die Natur (φύσις) befindet sich, wie an dieser Textstelle, noch unter der Einübung, da für die von Natur gegebene Tugenden keine Bemühung notwendig ist. Vgl. Plat. Phd. 69b. Vgl. Plat. Alc. 104a1–2: οὐδενὸς φῂς ἀνθρώπων ἐνδεὴς εἶναι εἰς οὐδέν· „Du behauptest, du hättest keinen einzigen Menschen für irgendetwas nötig“ (Übers. Döring 2016). Proklos interpretiert diese Stelle auf ähnliche Weise, dass Sokrates mit dem Ausdruck ‚du sagst‘ die Argumentation von sich selbst entfernt (vgl. Procl. in Alc. 102,14–19). Eur. Hipp. 352; Übers. Roth 2015. Sokrates paraphrasiert diesen Vers im Alkibiades (vgl. Plat. Alc. 113c). Vgl. Plat. Alc. 104a1–2; Übers. Döring 2016. Siehe dazu Anm. 289. Proklos deutet diesen Satz ebenfalls in dem Sinne, dass Alkibiades übermäßig stolz war und dadurch die Grenzen der menschlichen Natur nicht beachtet hat (Procl. in Alc. 103,1–7). Im Alkibiades äußert Sokrates, dass die Abhängigkeit von der Meinung der anderen eine Bedürftigkeit darstellt (daher Alkibiades als ἐνδεής, „bedürftig“, Plat. Alc. 104a1–2). Das widerspricht seiner Behauptung, er brauche niemanden. Olympiodor verstärkt diesen Widerspruch ferner dadurch, dass es nur die Eigenschaft des Gottes ist, nichts zu benötigen. Alkibiades ist hingegen, wie alle Menschen, nicht in der Lage, selbstgenügsam zu sein. Dadurch wird Alkibiades’ Mangel an Selbsterkenntnis noch einmal betont. Olympiodor paraphrasiert und verbindet den Anfang des folgenden Satzes (vgl. Plat. Alc. 104a2–3: τὰ γὰρ ὑπάρχοντά σοι μεγάλα εἶναι: „denn die Vorzüge, über die du verfügst, seien so groß“; Übers. Döring 2016) mit der allgemeinen Idee, dass Alkibiades stolz ist. Im Zusammenhang mit Megara wird der Ausdruck ‚in keinem Wort‘ (ἐν οὐδενὶ λόγῳ) in einem Vers verwendet, der verschiedenen Autoren zugeschrieben wird (vgl. Theognis bei Clem. Al. Strom. 7.18.110,2; ein Orakelspruch und Kallimachos bei Paus. Gr. 20.5,14–18). Zur Überlieferung als Gedicht von Mesomedes vgl. Anth. Gr. 14.73,7–8 (ὑμεῖς δ᾽, ὦ Μεγαρεῖς, οὐδὲ τρίτοι, οὐδὲ τέταρτοι, / οὐδὲ δυωδέκατοι, οὔτ᾽ ἐν λόγῳ, οὔτ᾽ ἐν ἀριθμῷ.). Siehe dazu Anm. 117. Dieser Vers erklärt entweder, dass die Megarer sich nicht kümmern oder dass sie nicht erwähnt werden, wenn es um die besten Griechen geht. DerAusdruck ἐν οὐδενὶ λόγῳ ποιεῖσθαι wird im Sinne von ‚gleichgültig sein, nicht beachten‘ verwendet (vgl. Hdt. 1.153,15; 7.16,32). Olym-

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D. Anmerkungen piodor interpretiert diesen Vers als Beispiel für die platonische Ansicht, dass sich selbst zu erkennen wichtiger als das Streben nach den äußerlichen Gütern ist. Paraphrase Plat. Alc. 104a3–6. Vgl. Plat. Epigr. 15,3–4 (Anth. Gr. 6.1,3–4): τῇ Παφίῃ τὸ κάτοπτρον, ἐπεὶ τοίη μὲν ὁρᾶσθαι οὐκ ἐθέλω, οἵη δ’ ἦν πάρος, οὐ δύναμαι. „[Ich, Lais…] weihe meinen Spiegel Aphrodite, denn ich will mich nicht sehen so, wie ich jetzt bin, und kann mich nicht sehen, wie ich einst war.“; Übers. Pfohl 1969, S. 223. Olympiodor verwendet anstelle von der ersten Person die dritte und gibt dadurch den Inhalt des Verses in Form der indirekten Rede wieder. Dieses Beispiel über die Unsicherheit einer guten Abstammung wird in den platonischen Dialogen angeführt (vgl. Plat. Tht. 175a). Auch Proklos kommentiert zu derselben Stelle mit dem gleichen Beispiel der Vorfahren vor 25 Generationen, um zu zeigen, dass die Abstammung einer Person für die Philosophie keinen großen Wert haben soll (vgl. Procl. in Alc. 112,19–113,1). Vgl. Plat. Alc. 104b2: οἳ εἴ τι δέοι ὑπηρετοῖεν ἄν σοι „die dir, falls erforderlich, beistehen würden“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor fasst das Verb ὑπηρετέω an dieser Stelle im Sinne von ‚dienen, helfen‘ auf. Zu dieser Textstelle siehe 36,5–8. Dieser Spruch wird bei verschiedenen Autoren den Pythagoreern zugeschrieben (vgl. Iamb. VP 29.162,10; D. L. VIII.10,6–7; Arist. EN 1157b36; EE 1240b2 und 1241b13). Vgl. Arist. EN 1166a31–32; EE 1245a29–30. Vgl. Plat. Grg. 515c–516d. Bei Platon werden die Mauern und Häfen derAthener als Erfolg von Themistokles und Perikles erwähnt und im Hinblick auf die Bildung eines Politikers thematisiert (vgl. Plat. Grg. 455d–e, 517b–c). Aristeides wird als ein gerechter Politiker in der Generation vor Perikles angesehen (vgl. Hdt. 8,79) und in der späteren Tradition als Anführer der Aristokraten gegen Themistokles positioniert (Plu. Arist. 2). Platon lobt ihn aufgrund seiner außerordentlichen Führungsqualitäten (vgl. Plat. Grg. 526a–b; Men. 94a). Westerink (1966, 175–176) erläutert dazu, dass diese Hinweise auf den ‚Komödiendichter‘ bei Olympiodor meistens auf Eupolis deuten, auch wenn die erhaltenen Fragmente dies nicht eindeutig belegen. Auch für diesen Vers ist nach Westerink die Demen von Eupolis eine mögliche Quelle. In diesem Unterricht wurden andere Verse aus diesem Stück zitiert (siehe 29,10 und Anm. 281). In Demen wird die Auferstehung der vier großen Politiker aus der Vergangenheit (Solon, Miltiades, Aristeides und Perikles) behandelt. Olympiodors Interpretation legt nahe, dass Eupolis in diesem Stück Perikles im Vergleich zu früheren Politikern in einem schlechten Licht darstellte. In seinem Kommentar zum Gorgias behandelt Olympiodor die Stelle, an der Sokrates Aristeides erwähnt (Plat. Grg. 526b) und stellt fest, dass Aristeides, wie in der Komödie gesagt wird, keinen geeigneten Nachkommen hatte (vgl. Olymp. in Grg. 50.9,13–14). Zum Überfluss des Vermögens siehe 34,8–9; vgl. 14,24 und Anm. 162; 130,9–10; 228,12; Procl. Inst. 27. Zu den Gemeinbegriffen siehe 18,1–5 und Anm. 185. Olympiodor betont, dass die menschliche Seele immer eine Art ‚wahre Erkenntnis‘ besitzt, die durch die Anwesenheit der Gemeinbegriffe, die nie ‚verfinstert‘ werden, immer vorhanden ist. Ausgehend von dem Argument des vorherigen Satzes bietet Olympiodor im Folgenden eine Erklärung dazu, warum Sokrates Alkibiades als Schüler ausgewählt hat. Proklos vertritt auch die Interpretation, die sich auf das scheinbar Schöne und die Vorstellung des Schönen durch die Gemeinbegriffe bezieht (vgl. Procl. in Alc. 111,5–112,9). Nach Proklos zeigte der Umgang mit Sokrates doch positive Wirkung auf Alkibiades (vgl. Procl. in Alc. 89, siehe Anm. 263). Dazu sei es nicht notwendig, an die politische Karriere von Alkibiades zu denken. Denn auch wenn Alkibiades in diesem Leben nicht die Lehre von Sokrates praktiziert hat, sei durch die

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Philosophie zumindest seine Seele gerettet. Olympiodors Lösung für diese Frage ist ähnlich wie die von Proklos: Während er die These vertritt, dass Alkibiades im späteren Leben den Nutzen der sokratischen Philosophie haben wird, akzeptiert er nicht, dass das Daimonion Alkibiades trotz seiner Untauglichkeit helfen wollte. Denn dann hätte das Daimonion ganz am Anfang auch helfen sollen (siehe dazu 26,20–27,16 und Anm. 260). Auch an dieser Stelle folgt Olympiodor dieser Argumentation, dass Alkibiades nicht ein grundsätzlich schlechter Mensch war: Er hatte eine Ahnung von einem höheren Prinzip, auch wenn er nur die Erscheinungen geschätzt hat: Durch diesen ‚Instinkt‘ über das Gute war er zumindest bereit, von dem Philosophen zu lernen. Mit den Schatten zu kämpfen (σκιαμαχεῖν) ist eine Metapher in den platonischen Dialogen, die für die Unwissenheit über die Ideen oder der wahren Erkenntnis steht (vgl. Plat. Ap. 18d6; Lg. 830c3). Der Schattenkampf beruht auf einem falschen Verständnis des Guten, so wie viele das Herrschen für das höchste Gut halten und darum miteinander kämpfen (vgl. Plat. Rep. 520c–d). Olympiodor behandelt dieses Thema wiederholt im vorliegenden Kommentar (siehe 42,14–15). Hom. Il. V,451–453 (Übers. Schadewaldt 1975). Olympiodor vertritt den Standpunkt, dass die verursachten Dinge der Natur ihren Ursachen entsprechen. Bei Platon wird der Kosmos in diesem Sinne als Abbild der ersten Ursache dargestellt, da er auf das Ewige ausgerichtet war (τὸ ἀίδιον; vgl. Plat. Ti. 28a–29a). Proklos deutet auf Platons Timaios und Theaitetos im Zusammenhang mit der Erläuterung über Alkibiades’ edle Abstammung (vgl. Procl. in Alc. 112,9–113,13). Über Alkibiades’ Stolz aufgrund vieler Freunde erklärt auch Proklos, dass wahre Freundschaft nur durch ein göttliches und vernunftbegleitetes Leben möglich sei (vgl. Procl. in Alc. 113,13–21). Dieses Gleichnis zwischen Perikles und einem zugeteilten Daimon wird bei Proklos zu der Frage erläutert, warum Alkibiades auf seinen Vormund stolz war (vgl. Procl. in Alc. 113,21–114,13). Der zugeteilte Daimon wirkt wie ein Vormund für uns, da Olympiodor diesen mit dem Bewusstsein gleichsetzt: Dies bezeugt unsere Taten und steht nach dem Tod der Seele vor Gericht unterstützend bei (siehe dazu 23,2–3; Anm. 223 und Anhang 6: ‚Bewusstsein‘.). Plutarch erwähnt, dass Alkibiades dem Staat viel Geld gespendet hat, ohne den genauen Betrag zu nennen (vgl. Plu. Alc. 10,1). Diesen Betrag und andere Ereignisse, bei denen Alkibiades Geld spendete, führt Proklos als Beispiele an, die seine Verachtung für Geld zeigen. Ihm zufolge schreibt Sokrates dieseTugend Alkibiades deshalb zu, da Platon in seiner Philosophie den edlen Charakter mit der Verachtung des Geldes verbindet (vgl. Procl. in Alc. 110,1–111,4). Die Geldliebe, Vergnügungsliebe und Ehrliebe entsprechen den zwei Teilen der Seele in der platonischen Philosophie: Die Begierde zielt darauf, die Vergnügung zu schaffen und das Vergnügungsliebende im Menschen befindet sich daher in diesem Teil der Seele. Da das Geld das Mittel dafür ist, die Objekte der Begierde zu erlangen, ist die Begierde auch der geldliebende Teil der Seele. Die affektvolle Willenskraft ist nach einem guten Ruf gerichtet, daher befindet sich der ehrliebende Seelenteil in der Willenskraft (vgl. Plat. Rep. 580d–581a). Die Vernunft dagegen beschäftigt sich weder mit Geld noch mit dem guten Ruf, sondern mit der Liebe für Lernen und Weisheit (φιλομαθὲς δὴ καὶ φιλόσοφον, Plat. Rep. 581b). Zur negativen Konnotation des Geldes mit der Vergnügung und der unvernünftigen Begierde siehe Schriefl 2013, S. 178–181. Zum Begriff des Strebens siehe 23,17 und Anhang 6: ‚Bewusstsein‘. Zu den drei Seelenteilen Vernunft, Willenskraft und Begierde siehe (2,45–50 und Anm. 35). Platon stellt das Verhältnis der drei Seelenteilen wie einen Kampf dar, bei dem die affektvolle Willenskraft auf der Seite der Vernunft steht (vgl. Plat. Rep. 440a–c). Vgl. Plat. Alc. 103b2–4, siehe dazu den Anfang dieses Unterrichts (28,6) und Anm. 271.

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D. Anmerkungen Die erste Aussage bezieht sich auf die menschliche Liebe, die Sokrates nach der zweiten, der göttlichen Liebe ohne körperliche Anwesenheit erläutert hat. Die Gründe für Sokrates’ menschliche Liebe gegenüber Alkibiades ist, dass er die anderen Liebhaber verachtet (siehe oben 28,15–18) und dass er keinen Wert aufs Geld legt (siehe oben 33,4–18). Zu diesen zwei Gründen siehe 38,9–17; vgl. Procl. in Alc. 95,21–97,1. Vgl. Plat. Alc. 103a1. Zu dieser Stelle erklärt Olympiodor oben, dass Sokrates den Ausdruck ‚ich glaube‘ statt ‚ich weiß‘ verwendet, um Alkibiades langsam und vorsichtig die Philosophie näher zu bringen (siehe 24,11–20). Vgl. Plat. Alc. 103b4, siehe Anm. 271. Alkibiades’ Verachtung gegenüber anderen Liebhabern wird oben erwähnt (siehe 28,15–16). Vgl. Plat. Alc. 103b4–6: πολλῶν γὰρ γενομένων καὶ μεγαλοφρόνων οὐδεὶς ὃς οὐχ ὑπερβληθεὶς τῷ φρονήματι ὑπὸ σοῦ πέφευγεν. „So zahlreich und stolz sie auch waren, haben sie doch alle ohne Ausnahme, von deinem Selbstbewusstsein bezwungen, vor dir die Flucht ergriffen.“ (Übers. Döring 2016). Der Grund für die Beschreibung der gemeinen Liebhaber als ‚stolz‘ ist es, nach Proklos, ihren scheinbaren Stolz zu betonen und die Verachtung des jungen Mannes noch wertvoller darzustellen, obwohl die gemeinen Liebhaber keinen Stolz im wahren Sinne besitzen (vgl. Procl. in Alc. 97,15–98,10). Das Wort πρώην an dieser Stelle kann sowohl „vorhin“ als auch konkret „vor zwei Tagen, vorgestern“ bedeuten (LS. II). Da Olympiodor im Folgenden den Überfluss des Vermögens bezüglich der Liebe erwähnt, die im vergangenen Unterricht behandelt wurde (siehe 14,20–6), interpretiert Griffin (2015, S. 46 und S. 65 Anm. 111) dieses Wort als eine konkrete Zeitangabe. Wenn der genannte Ausdruck im 3. Unterricht vorgestern geäußert wurde, bedeutet es, dass bis zum vorliegenden Unterricht mindestens zwei Tage mit dem 3. Unterricht stattgefunden haben. Hieraus zieht Griffin den Schluss, dass 28 Praxeis mit einer Annahme von 3 Unterrichtseinheiten in einer Woche ungefähr 10–11 Wochen gedauert haben. Gegen diese Berechnung spricht jedoch eine andere Erwähnung von πρώην im 5. Unterricht (46,20), bei der auf eine frühere Stelle im 3. Unterricht (14,5–10) oder auf eine Stelle im selben Unterricht (40,6–16) hingewiesen wird. Demnach sollte der 3. Unterricht mindestens zwei Tage abgedeckt, dagegen 4. und 5. Unterricht am selben Tag stattgefunden haben, oder der 5. Unterricht 3 Tage gedauert haben. Dies ergibt einen Widerspruch in der Zeitfolge, wenn πρώην als ‚vorgestern‘ aufgefasst werden sollte. Zum Überfluss des Vermögens siehe 32,9–10; vgl. 14,24; 130,9–10; 228,12; Procl. Inst. 27. Olympiodor betrachtet das wichtigste Merkmal der sokratischen Philosophie darin, für jeden Menschen die geeignete Methode auszuwählen (siehe dazu 7,5–10; 24,15 und Anm. 236). Die Katharsis von Unwissenheit beruht bei Sokrates auf der Anwendung der gleichen Mittel (siehe 7,5: διὰ τῶν ὁμοίων, Anm. 107). Nach der Katharsis durch Wesensähnlichkeit folgt die Argumentation durch Bekanntheit (οἰκειότης). Bei dieser Stufe achtet Sokrates auf die Übereinstimmung seiner Argumentation mit dem Lebensstil, Charakter, Bildung und Erwartungen seines Gesprächspartners. Durch Themen und Begriffe, mit denen seine Gesprächspartner vertraut sind, vermittelt Sokrates seine Argumente auf eine verständlichere und akzeptable Weise. Damit bewirkt Sokrates nach Olympiodor, dass seine Adressaten die Argumente leichter verstehen und anerkennen, und dadurch eine Katharsis von Unwissenheit geschieht. Siehe dazu im Folgenden 37,5. Vgl. Plat. Alc. 103b4–6, siehe oben Anm. 323. Siehe ebd. Plat. Alc. 103b6–104a1; Übers. Döring 2016.

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Bei diesem Ausdruck (χαυνότητα ψυχῆς), wie am Beispiel über die 25 Generationen oben (siehe 31,16 und Anm. 299), bezieht sich Olympiodor auf eine Stelle in Platons Theaitetos (vgl. Plat. Tht. 175b). Nach Kreuzer (2001) äußert die Feststellung der Unsagbarkeit in der platonischen Philosophie den Zweifel an der Möglichkeit, über etwas eine wahre Aussage zu treffen. Platon verwendet das Wort ἄρρητον entweder in dem Sinne, dass etwas einfach nicht ausgesprochen wird (vgl. Plat. Alc. 122d), oder in Bezug auf die Unmöglichkeit, über das Nichtseiende und Undenkbare zu sprechen, ausgehend von Parmenides in der Argumentation des Gastes (vgl. Plat. Sph. 238c–239a). Ursprünglich wurde dieses Wort, genau wie das Wort ἀπόρρητον hier, im Zusammenhang mit den Mysterienkulten verwendet. Paşcalău (2018, S. 69–70) zufolge liegt der Unterschied beider Wörter darin, dass ἄρρητον etwas beschreibt, das unmöglich zu sagen ist, während ἀπόρρητον auf etwas, das nicht gesagt werden soll, deutet. Bei Plotin ist die Wahrheit, die jenseits der menschlichen Vernunft steht, unsagbar (vgl. Plot.V.3.13,1: Διὸ καὶ ἄρρητον τῇ ἀληθείᾳ·). Besonders im Zusammenhang der Interpretation des platonischen Parmenides werden die Begriffe ἄρρητον und ἀπόρρητον bei Proklos und Damaskios für das Absolute an sich verwendet. In diesem Sinne bezeichnen auch Proklos und Damaskios das Eine als unsagbar (vgl. Procl. Theol. Plat. II.42,5–6: ἕνωσιν τὴν πρὸς τὸ ἄρρητον; Dam. De princ. I.91,19: εἶναι τὴν μίαν … ἀπόρρητον). Das Eine ist nach Proklos trotz seiner Unsagbarkeit in der menschlichen Seele vorhanden, die sich in Form eines unsagbaren Bewusstseins des Einen zeigt; vgl. dazu Paşcalău 2018, S. 36 (gibt als Beispiel Procl. in Prm. 1071,14: ἄρρητον καὶ ἀπερίληπτον τοῦ ἑνὸς συναίσθησιν und Dam. Pr. I.5,19–20: ἄρρητον οὐκ οἶδα ὅπως εἴπω συναίσθησιν). Die Erkenntnis in der Seele, die aus dem Einen stammt, ist nach Proklos unsagbar und muss zuerst ans Licht gebracht werden (vgl. Procl. in Rep. I.1,22; 85,19: ἀπόρρητον γνῶσιν). Nach Damaskios steigt die unsagbare Wahrheit über das begriffliche Denken hinaus (vgl. Dam. Pr. I.6,14–16). Dadurch bezeichnet das Unsagbare eine Art Erkenntnis in der Seele, die nicht durch menschliche Vernunft erreicht werden kann, sondern sich durch die göttliche Abstammung der Seele darin befindet. Proklos erläutert zu dieser Stelle, dass Sokrates Alkibiades’ Hochmut auf die Vernunft bezieht und dabei ihn dazu ermahnen will, ein Leben nach der Vernunft zu führen (τὸ κατὰ λόγον ζῆν, vgl. Procl. in Alc. 100,10–22). Vgl. Plat. Alc. 104a1–2: οὐδενὸς φῂς ἀνθρώπων ἐνδεὴς εἶναι εἰς οὐδέν· „Du behauptest, du hättest keinen einzigen Menschen für irgendetwas nötig“ (Übers. Döring 2016). Zur Darstellung der sokratischen Widerlegung gemischt mit Lob siehe oben 30,9–31,10. Olympiodor paraphrasiert diesen Satz im Sinne von ‚wie du sagst, und nicht ich‘ (siehe 30,11–13). Vgl. Plat. Alc. 104a1–2, siehe dazu oben 31,1 und Anm. 334. Mit diesem Ausdruck macht Olympiodor wahrscheinlich eine Andeutung auf die Mehrheit (οἱ πολλοί) als die Mehrheit der Bevölkerung, für die Alkibiades seine Politik gestaltet. Vgl. Plat. Alc. 104a2–4: τὰ γὰρ ὑπάρχοντά σοι μεγάλα εἶναι, ὥστε μηδενὸς δεῖσθαι, ἀπὸ τοῦ σώματος ἀρξάμενα τελευτῶντα εἰς τὴν ψυχήν. „denn die Vorzüge, über die du verfügst, seien so groß, dass du nichts brauchtest, vom Körper angefangen bis zur Seele.“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 31,4–5. Vgl. Plat. Alc. 104a2–4, siehe Anm. 339 und 31,8–10. Vgl. Plat. Alc. 104a4–5. Im Folgenden erläutert Olympiodor die Stelle des Dialogs zwischen 104a4–b3: οἴει γὰρ δὴ εἶναι πρῶτον μὲν κάλλιστός τε καὶ μέγιστος–καὶ τοῦτο μὲν δὴ παντὶ δῆλον ἰδεῖν ὅτι οὐ ψεύδῃ–ἔπειτα νεανικωτάτου γένους ἐν τῇ σεαυτοῦ πόλει, οὔσῃ μεγίστῃ τῶν Ἑλληνίδων, καὶ ἐνταῦθα πρὸς πατρός τέ σοι φίλους καὶ συγγενεῖς πλείστους εἶναι καὶ ἀρίστους, οἳ εἴ τι δέοι ὑπηρετοῖεν ἄν σοι, τούτων δὲ τοὺς πρὸς μητρὸς οὐδὲν χείρους οὐδ’ ἐλάττους. „Du glaubst nämlich offenkundig, erstens der Schönste und Stattlichste zu sein –

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D. Anmerkungen und was dies betrifft, kann jedermann sehen, dass du nicht lügst – und zweitens aus dem tatkräftigsten Geschlecht in deiner Polis zu stammen, die ihrerseits die größte unter der griechischen Poleis ist, und hier von der Seite deines Vaters her sehr viele herausragende Freunde und Verwandte zu haben, die dir, falls erforderlich, beistehen würden, und von der Seite deiner Mutter her mindestens ebenso viele und ebenso bedeutende.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodors Interpretation stimmt mit Proklos überein, der diesen Ausdruck als eine Widerlegung einer falschen Behauptung ansieht (vgl. Procl. in Alc. 107,7–10). Plat. Alc. 104a5. Vgl. Plat. Alc. 104a4–b3, siehe oben Anm. 341. Siehe dazu 28,16–18. Plat. Alc. 104a6. Vgl. Plat. Alc. 104a4–b3, siehe Anm. 341. Zum Begriff der Unsagbarkeit siehe Anm. 332. Plat. Alc. 104a6–7. Vgl. Plat. Alc. 104a4–b3, siehe Anm. 341. Siehe oben 31,15–16; vgl. Plat. Tht. 175a. Plat. Alc. 104a8–b1; vgl. Plat. Alc. 104a4–b3, siehe Anm. 341. Plat. Alc. 104b2, vgl. Plat. Alc. 104a4–b3, siehe Anm. 341. Olympiodor wiederholt diese Sprüche, die er am Anfang dieses Unterrichts behandelt hat (siehe 31,18–19 und Anm. 301–302). Vgl. Plat. Alc. 104b4. Siehe dazu 34,12–18. Zum Prinzip der gleichen Mittel und Bekanntheit und in der sokratischen Methode siehe 7,4–8; 30,2–4; 34,12–13 und Anm. 327. Dieser Satz ist kein direktes Zitat, sondern Olympiodors Interpretation ausgehend von dem Theaitetos. Die Grundlage dazu ist wahrscheinlich Platons Auffassung des Wissens in der Seele als Quelle aller Erkenntnisse (vgl. Plat. Prt. 352b–d, Rep. 477d). Auch Proklos behandelt dieses Thema (Procl. in Alc. 155, 8–9). Olympiodor verwendet diesen Ausdruck erneut an einer anderen Stelle (siehe 55,17–19). Vgl. Plat. Alc. 104b9–c1. Vgl. Plat. Alc. 104c1. Plat. Alc. 104c3. Vgl. Plat. Alc. 104c2–4: κατὰ πάντα δὴ ταῦτα σύ τε μεγαλαυχούμενος κεκράτηκας τῶν ἐραστῶν ἐκεῖνοί τε ὑποδεέστεροι ὄντες ἐκρατήθησαν, καί σε ταῦτ’οὐ λέληθεν· „Voller Stolz auf alles dies hast du deine Liebhaber unter deine Gewalt gebracht und sie haben sich, weil dir unterlegen, unter deine Gewalt bringen lassen, und das ist dir nicht entgangen.“ (Übers. Döring 2016). Zum Begriff Oikeiosis (Zueignung) im Sinne von Zusammengehörigkeit siehe Kapitel B. II.2.3.2. Die sokratische Katharsis. Die Bekanntheit (οἰκειότης) der Aussagen als ein Teil der sokratischen Methode ist ein wiederkehrendes Thema dieses Kommentars (siehe 34,12–13 und Anm. 327). Plat. Alc. 104c3–4, siehe Anm. 358. Zum Begriff ἀποκατάστασις siehe Bien/Schwabl 1971, wo dessen Gebrauch bei Aristoteles für die Rückversetzung in den naturgegebenen Normalzustand aufgeführt wird (mit dem Hinweis auf Arist. MM II.7.10,1–9). In der stoischen Kosmologie deutet dieser Begriff nach Freund (2006 zu SVF 2,623–624 und 625) im Zusammenhang mit den zyklischen Weltperioden auf die Wiederholung bestimmter astronomischer Konstellationen und die damit verbundene Wiederkehr der früheren Zustände in den späteren Perioden. Ramelli (2017, S. 104–105) weist darauf hin, dass der Gebrauch der Begriffe bezüglich der Wiederherstellung bei Proklos eine bemerkenswerte Häufigkeit zeigt, während sie bei den früheren Platonikern abwesend oder sehr selten sind. Dabei könne argumentiert werden, dass auch Plotin mit der Lehre der Wiederherstellung bekannt war, auch wenn er diesen Begriff nicht verwendet (ebd. S. 105;

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verweist auf Plot. IV.3.27,12; V. 7.18,1–3). Die Verbindung der Wiederherstellung mit der Selbsterkenntnis kann auch an der Selbsterkenntnis bei Plotin durch die Rückwendung auf sich selbst (ἡ ἐπιστροφὴ πρὸς αὐτόν, Plot. V.3.6,40) betrachtet werden. Bei Proklos bedeutet die Wiederherstellung die Rückkehr der Wesen zu der göttlichen Einheit, die ihre Quelle ist (ἀποκατάστασις εἰς ἓν, Procl. in Ti. III.308,10–11). Das bezeichnet zusammen mit ἐπιστροφή und πρόοδος eine der drei Bewegungen der Seele (vgl. Procl. in Ti. I.87,28–88,1). Während durch die Rückwendung die Selbsterkenntnis geschieht, bezeichnet die Wiederherstellung den Zustand, in dem die Selbsterkenntnis stattgefunden hat. Olympiodor bezieht sich an dieser Stelle auf diese Verknüpfung zwischen der Selbsterkenntnis und der Wiederherstellung. Im Folgenden vergleicht er mit dem Adjektiv ἀποκαταστατικός die Wirkung der Wiederherstellung auf der metaphysischen Ebene mit der Argumentation, die diese Wirkung nachahmt. In diesem Sinne verwendet Proklos dieses Adjektiv für etwas, das sich ‚zu dem Anfang oder dem Ursprung richtet‘ (vgl. Procl. in Ti. II.248,19). Baltzly (2013, S. 20) übersetzt ἀποκατάστασις in Procl. in Ti. III.87,27 mit „return to the starting point“. Spezifisch auf die Argumentation bezogen bedeutet es, wie Creuzer feststellt (1821, ad loc. in app.) restitutrix oratio, eine ‚wiederherstellende Rede‘, die eine frühere Bedingung oder eine Aussage wiederherstellt. Im Kontext von einem Argument kann ὁ λόγος ἀποκαταστατικός als eine zum Anfang zurückführende Argumentationsstruktur bezeichnet werden. Dazu merkt Griffin an, dass dieses Wort bei Olympiodor auf etwas mit einer wiederkehrenden Natur deutet (siehe Griffin 2015, S. 36: „having recurrent nature“). An dieser Textstelle verwendet Olympiodor dieses Adjektiv wahrscheinlich in diesem Sinne als rhetorisches Stilmittel, für die Verbindung des aktuellen Satzes zu dem Anfang und der Absicht des Dialogs. Zu diesem Thema kehrt Olympiodor am Ende des Kommentars und betrachtet die Widerherstellung als eine Art Rückwendung (ἐπιστροφή), die sich zur Liebe eignet (siehe 213,5–6). Proklos interpretiert den zweiten Gebrauch des Satzes ‚du wunderst‘ als einen Hinweis für die Rückwendung auf den Ursprung (vgl. Procl. in Alc. 119,14–23). Plat. Alc. 103a1. Vgl. 13,10–20; 24,11–20; 34,1–2. Vgl. Plat. Alc. 104c2–4, siehe dazu Anm. 358. Proklos kommentiert zu dieser Stelle, dass Sokrates durch diese Aussage Alkibiades zur Betrachtung seiner Bewegungen bringt und sein Leben sowie seine Affekte analysiert (vgl. Procl. in Alc. 119,6–13). In dieser Hinsicht zeigen beide Sätze ‚du wunderst dich‘ und ‚ist dir nicht entgangen‘ diese Annäherung von Sokrates. Vgl. Plat. Alc. 104c4–7. Proklos kommentiert zu derselben Stelle des Dialogs, dass Sokrates vorher „ich glaube“ sagte, bevor er die Gründe für Alkibiades’ Bewunderung herausfand. Dagegen verwendet er „ich weiß es sehr gut“, nachdem es offensichtlich wird, warum Alkibiades ihn bewundert (vgl. Procl. in Alc. 120,1–8). Ferner zeigt Sokrates nach Proklos an dieser Stelle mit Blick auf die Zukunft seine Weisheit (vgl. Procl. in Alc. 156,17–20). Plat. Alc. 103a1, siehe dazu 37,12–13. Plat. Alc. 104c8–d1. Olympiodor bezeichnet die Argumente von Sokrates mit λόγος und deutet damit auf Vernunft, Sprache, rationales Denken und Reden sowie logische Argumentation. Im Gegensatz dazu weist er mit φωναί von Alkibiades auf die Töne, Laute der irrationalen Lebewesen, die Stimme und die Fähigkeit zu sprechen hin. Durch diese Darstellung knüpft Olympiodor an die aristotelische Theorie an, dass die menschlichen Wesen von anderen Tieren durch die Begabung der Vernunft und der Sprache (λόγος) unterschieden werden (vgl. Arist. Pol. 1253a10). Ferner verweist er auf den Gegensatz zwischen λόγος als sinnvollem Sprechen und φωνή als bloßem Klang, der bei den Stoikern ausgearbeitet wurde (vgl. dazu Opsomer 2002, S. 259). Nach Opsomer versteht Plotin λόγος als die Vernunft in der Seele (siehe ebd. S. 260–261, vgl. Plot. III.2.2,15–17). Bei den Platonikern wird in diesem Sinne λόγος als Synonym für den vernunftbegabten Seelenteil bei Platon (wie λογιστικόν bei Platon, vgl. Plat.

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D. Anmerkungen Rep. 439d5–6; 441e4–442e3) verwendet, der gegen die anderen unvernünftigen Seelenteile kämpft. Griffin (2015, 195 Anm. 256) merkt zu dieser Stelle an, dass der Kontrast zwischen vernünftiger Rede und sinnlosem Klang auch durch die Verwendung zweier unterschiedlicher Wörter verstärkt wird, indem Olympiodor für Sokrates’ Argumente das Verb „lernen“ (μανθάνειν) verwendet, während er für Alkibiades’ Laute „untersuchen, erforschen“ (ἐξετάζειν) benutzt. Zur Zusammenfassung von zwei Aspekten in Sokrates’ Argumentation siehe 28,7–10. Olympiodor verweist auch oben (28,10) auf einen syntaktischen Chiasmus, wo Sokrates die Reihenfolge der Argumente ändert, als archaischen Stil. Siehe dazu Anm. 273. Ausgehend von der Stelle im Dialog, wo Sokrates von einem daimonischen Hindernis spricht (Plat. Alc. 103a: οὐκ ἀνθρώπειον, ἀλλά τι δαιμόνιον ἐναντίωμα), betrachtet Olympiodor das Daimonische, den Daimon, und das Göttliche, den Gott, als Synonyme füreinander. Siehe dazu 28,10 und Anm. 272. Zu Geldliebe, Ehrliebe und Vergnügungsliebe siehe 33,8–10 und Anm. 315. Der Begriff ὁ σπουδαῖος lässt sich nicht mit einem Wort entsprechend übersetzen. Als Charaktermerkmal vereint σπουδαῖος Ernsthaftigkeit, Eifer und Besonnenheit, und beschreibt eine Person, die sich um die Vervollkommnung ihrer menschlichen Eigenschaften bemüht. Aus diesem Grund werde ich σπουδαῖος als „tugendhaft“ im Sinne einer Kombination mehrerer Tugenden wiedergeben, wie es oft in Übersetzungen der Fall ist. Zum Bedeutungshintergrund führt Wolgast (2002) aus, dass bei Platon eine solche Persönlichkeit im Gegensatz zum gemeinen und nutzlosen Menschen (φαῦλος, vgl. Plat. Rep. 603c) steht; bei Aristoteles wiederum bezeichne σπουδαῖος den Tugendhaften als Normfigur (vgl. Arist. EN 1166a11–13). Nicht zu übersehen ist hier auch eine Reminiszenz der stoischen Philosophie, auf die sich Olympiodor in diesem Kommentar häufig bezieht, da der Begriff σπουδαῖος vor allem in der Stoa zum Idealbild des Weisen geworden ist. Olympiodor bezeichnet an dieser Stelle einen Arzt, der eine theoretische Ausbildung in der Medizin erhalten hat und daher sich mit Argumenten und Erklärungen in diesem Bereich auskennt, mit ὁ λογικός. Dagegen steht ein Arzt, der durch praktische Tätigkeit gelernt hat, und keine theoretischen Erklärungen liefern kann. Diesen Gegensatz thematisiert Olympiodor wiederholt (siehe 135,11–13; in Grg. 2.3,16–18; 12.2,1–10). Wie zuvor im Kommentar (10,1 und Anm. 127) verwendet Olympiodor auch an dieser Stelle das Verb πολυπραγμονεῖν nicht in einem gesellschaftlich oder moralisch negativen Sinne (siehe dazu 20,11 und Anm. 202). Dennoch deutet dieses Verb wahrscheinlich auf die Nutzlosigkeit einer Beschäftigung mit den Äußerungen von Alkibiades. Am Anfang des Kommentars (siehe 2,14 und Anm. 19) erwähnt Olympiodor die Vielwisserei (πολυηκοΐα) über das Leben von Platon in einem ähnlichen Sinne. Nach Müller (2007, S. 304) deutet der Begriff δύναμις (Vermögen, Möglichkeit) bei Platon auf eine aktive Fähigkeit, die mit Kraft und Macht konnotiert wird (vgl. Plat. Rep. 477c1–d6). Dagegen wird ἐνέργεια (Tatkraft, Verwirklichung) in den platonischen Dialogen nicht behandelt, sondern erst bei Aristoteles als ein gegensätzliches Konzept zu δύναμις entwickelt (vgl. Arist. Metaph. 1047a30; 1050a21–23). Menn (1994, S. 78–87) hält es jedoch für möglich, die Grundlagen dieses Begriffs in der platonischen Philosophie zu finden. Bei Aristoteles drückt δύναμις die Möglichkeit aus, die in den Seienden als Kapazität enthalten ist (vgl. Arist. Metaph. 1048a25) und somit wird es als ‚Potential‘ aufgefasst (vgl. dazu Schlüter 1971). Dagegen bedeutet ἐνέργεια die Verwirklichung, die Umsetzung dieses Potentials in die ‚Aktualität‘. Auch ausgehend von der aristotelischen Philosophie beschreibt Plotin das Eine und die Ideen als Vermögen (δύναμις), die Wesen und die Seele, die daraus entstehen, als die Wirkung und Effekt (ἐνέργεια) dieses Vermögens (vgl. Plot. II.5.1,25; 5.2,33–34). Bergemann (2006, S. 72) stellt zu Plotins Konzept des Vermögens fest, dass die Anwesenheit der ‚Wirkkraft‘ an dem

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Vermögen auch dessen Wirkung als Tatkraft impliziert. In diesem Sinne, so Bergemann, wird bei Plotin das Eine als erste ἐνέργεια (vgl. Plot. VI.8.18,51) und als das größte Vermögen bezeichnet (das Eine als ‚unermessliche Kraft‘, vgl. Plot. VI.9.6,1–9). Ungeachtet dessen bleibt im Neuplatonismus die Betrachtung des Vermögens und der Tatkraft als getrennte Kategorien bestehen. Nach Helmig (2006, S. 272) gebraucht auch Proklos δύναμις im Sinne von Wirkkraft, die durch die Ausdehnung der Form in der Materie in Erscheinung tritt. Dagegen äußert sich die reale Tatkraft (ἐνέργεια) als Ergebnis dieser Wirkkraft in der Materie eines Wesens. Auf dieser Grundlage behandelt Olympiodor beide Begriffe als unterschiedliche Aspekte von Sokrates’ Fähigkeiten. Plat. Alc. 104d1, siehe dazu 37,20. Der Reihenfolge nach entsteht das Vermögen vor der Tatkraft, jedoch bleibt ein Vermögen ohne Tatkraft unvollständig. Die Tatkraft ist in der Hinsicht dem Vermögen vorgeordnet, dass das Vermögen im Neuplatonismus als Wirkkraft betrachtet wird und auch seine Wirkung als Tatkraft voraussetzt (wie bei Plotin, siehe oben Anm. 376). Olympiodors Definition des Vermögens ist damit in Übereinstimmung (siehe 40,3–4: „Es ist ein Zeichen des größten Vermögens, überall und immer anwesend zu sein“). Zudem vertritt Olympiodor die These, wie Proklos, dass Sein als Tätigkeit erst ein Sein als Möglichkeit verursachen muss, damit es wiederum im Sein als Tätigkeit hervortritt. Damit ein Sein als Möglichkeit überhaupt existiert, muss es von einem Sein als Tätigkeit hervorgebracht werden. Bei Plotin ist dieser Aspekt und die Frage, inwieweit eine Tätigkeit im Einen sein kann, laut Müller (2007, S. 309) jedoch unklar, während er das Eine als ἐνέργεια im Sinne eines unermesslichen δύναμις definiert. Dabei muss auch die platonische Auffassung von δύναμις berücksichtigt werden, die sowohl das Vermögen als auch seine Verwirklichung beinhaltet (siehe Anm. 376). Dementsprechend bezeichnet Olympiodor im Folgenden Alkibiades als Vermögen, Sokrates dagegen als Tatkraft, welche auch eine Äußerung des größten Vermögens ist (siehe 39,4–5). Olympiodor bezieht sich in diesem Kommentar oft auf Prinzipien, die er ἀξίωμα nennt, wie hier, oder mit anderen Worten δόγμα (vgl. im Folgenden 43,21 δόγματα) und κανών. Die an dieser Stelle genannte Position wird bei Proklos erläutert (vgl. Procl. Inst. 77,1–2: Πᾶν τὸ δυνάμει ὂν ἐκ τοῦ κατ’ἐνέργειαν ὄντος ὃ τοῦτο δυνάμει ἐστὶν εἰς τὸ ἐνεργείᾳ πρόεισι· „Alles als Möglichkeit Seiende tritt zum Sein als Tätigkeit aus demjenigen hervor, das in Tätigkeit das ist, was jenes als Möglichkeit ist.“ Übers. Onnasch/Schomakers 2015). In der zeitlichen Reihenfolge ist das Vermögen zuerst vorhanden, dennoch muss auch dieses Vermögen erst aus einem Sein als Tätigkeit entstehen. Aus diesem Grund hält Westerink es für sinnvoll, an dieser Stelle des Textes („auch wenn nicht durch die zeitliche Ordnung“) hinzuzufügen. Westerinks Erklärung macht den Sinn klarer, ich übernehme jedoch die überlieferte Variante des Satzes, die zu Olympiodors Stil in diesem Kommentar passt, der an mehreren Stellen die Erwartung zum Ausdruck bringt, dass die Rezipienten solche ‚elliptischen‘ Bemerkungen verstehen. Die Begründung für diese Entsprechung wird vorher angegeben (39,2–3). Das Vermögen in einem Wesen wie Alkibiades unterscheidet sich von dem Vermögen im absoluten Sinne, als das größte Vermögen (40,3–4). Das letztere bezeichnet bei Plotin das Eine (vgl. Plot. VI.9.6,1–9, siehe oben Anm. 376). Das Verhältnis zwischen diesen beiden Vermögen wird bei Plotin nicht eindeutig erklärt und sie scheinen auch bei Olympiodor nicht klar differenziert zu sein. Die Entsprechung von Alkibiades zu dem Vermögen soll nicht in dem Sinne aufgefasst werden, dass Alkibiades das absolute Vermögen darstellt; sondern nur in einem hierarchischen Verhältnis dem Vermögen entspricht, das, wie Proklos erklärt, ohne Tatkraft (ἐνέργεια, Sein als Tätigkeit) nicht zustande kommen kann. Olympiodor beendet seine Erklärung über das Vermögen und Tatkraft damit, dass ein anderer Exeget diese Theorie mit dem ‚Vorgreifen‘ des Sokrates verbindet. Da auch Olympiodors

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D. Anmerkungen Erklärung besonders hinsichtlich der Reihenfolge von Tatkraft und Vermögen auf Proklos’ Ansichten beruht, deutet Olympiodor mit ‚einem anderen Exegeten‘ wahrscheinlich auf Proklos. Das Verb ‚vorgreifen‘ (προλαμβάνειν) benutzt Olympiodor an einer anderen Stelle des Kommentars (38,24) für die Erklärung von ‚zuvorkommen‘ (φθάνειν) aus Platons Alkibiades (104d) im Lemma. Vgl. Hp. Ep. 16,32: ψυχαὶ δὲ τῶν θεραπειῶν οἱ καιροὶ, ὧν ἡ παραφυλακὴ τὸ τέλος. „Der rechte Zeitpunkt ist die Seele der Kur, seine Beobachtung das Endziel.“; Übers. Fingerle 1938. Dieser Satz wird bei Proklos (in Alc. 120,14–15) und erneut bei Olympiodor (in Phd. 56,7–8) zitiert. Zu den günstigen Augenblicken siehe Hp. Morb. 1.5,1–3: Καιροὶ δὲ, τὸ μὲν καθάπαξ εἰπεῖν, πολλοί τέ εἰσιν ἐν τῇ τέχνῃ καὶ παντοῖοι, ὥσπερ καὶ τὰ νουσήματα καὶ τὰ παθήματα καὶ τουτέων αἱ θεραπεῖαι. „Günstige Augenblicke gibt es, um es grundsätzlich zu sagen, viele im Bereich der Heilkunst und von verschiedenster Art, entsprechend den Krankheiten, den Leidenszuständen und deren Behandlungsweisen.“ (Übers. Wittern 1974). Dieser und der folgende Satz sind Paraphrasen der aristotelischen Ansicht über καιρός. Zu den Grundlagen dafür vgl. Arist. EN 1096a26–27; APr. 48b35–38. Diese These findet sich auch in Proklos’ Kommentar zu derselben Stelle (vgl. Procl. in Alc. 121,11–13). Wie der Gegensatz zwischen Vermögen und Tatkraft, steht auch an dieser Stelle der Gegensatz zwischen einem vollendeten Wesen (Sokrates) und einem unvollendeten Wesen (Alkibiades) mit dem Vermögen, das in Tatkraft umgesetzt werden muss. Dazu vgl. Procl. in Alc. 122,10–15. Vgl. Plat. Alc. 104d1–4: ἐγὼ γάρ τοι ἐν νῷ εἶχον πρότερός σοι προσελθὼν αὐτὰ ταῦτ’ἐρέσθαι, τί ποτε βούλει καὶ εἰς τίνα ἐλπίδα βλέπων ἐνοχλεῖς με, ἀεὶ ὅπου ἂν ὦ ἐπιμελέστατα παρών· „Ich hatte nämlich im Sinn, meinerseits als erster an dich heranzutreten und dich eben danach zu fragen, was du denn wohl beabsichtigst und was für eine Hoffnung du vorAugen hast, wenn du mich nicht in Ruhe lässt, indem du stets mit größtem Eifer ebendort zugegen bist, wo ich mich aufhalte.“ (Übers. Döring 2016). Proklos vertritt diese These zu derselben Stelle des Dialogs (vgl. Procl. in Alc. 125,5–10; 126,17–18). Die Grundlage für die gute Absichten besteht darin, dass der Demiurg das Gute für alle Seiende beabsichtigt (vgl. Plat. Tim. 30a) und daher alle Seiende nach dem Guten streben (vgl. Procl. Inst. 8–13). Vgl. Plat. Grg. 467c–468d. Olympiodor weist an dieser Stelle darauf hin, dass auch die moralische Einsicht und Erkenntnis mit Hilfe Gottes erfolgt. Entsprechend beginnt auch sein Kommentar zum Gorgias mit dem Ausdruck σὺν θεῷ. In dem vorliegenden Kommentar gibt es einige Hinweise darauf, dass Gorgias nach Alkibiades untersucht wird (siehe dazu 46,17). Auch gemäß der nach Jamblich etablierten Reihenfolge der platonischen Dialoge in der spätantiken Bildung sollte Gorgias nach Alkibiades folgen (siehe dazu Festugière 1969; Tarrant/Renaud 2015, S. 110). Dagegen datiert Westerink (1976, S. 21) den Gorgias-Kommentar an den Anfang von Olympiodors Karriere (um 525 n. Chr.); vgl. Ders. 1990, S. 331. Ein früheres Datum des erhaltenen Kommentars zum Gorgias wird auch von Tarrant (1998, S. 15) angenommen. Ferner liefert Opsomer (2010, S. 15–16) Argumente dafür, dass der Gorgias-Kommentar vor dem Alkibiades-Kommentar entstanden sein muss, auch wenn nicht in einem so frühen Datum, wie Westerink vermutet. Für eine Erklärung dieser Unstimmigkeit bezüglich der Anordnung des Gorgias-Kommentars kann vermutet werden, dass Olympiodor die platonischen Dialoge im Laufe seiner exegetischen Tätigkeit mehrere Male behandelt hatte, wobei die erhaltene schriftliche Fassung des Gorgias-Kommentars von einem früheren Datum als AlkibiadesKommentar stammt. Vgl. Plat. Grg. 467c–468c; Olymp. in Grg. 15,4–5.

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Plat. Alc. 104d3–4, siehe oben Anm. 386. An diesem Satz erscheint das Vermögen als die Fähigkeit, überall anwesend zu sein. Das größte Vermögen und die Tatkraft verbinden sich im Wesen des Einen, wie Plotin darstellt (siehe dazu Anm. 376 und 378). Athene wird bei Homer mit diesem Epitheton bezeichnet (vgl. Hom. Il. II.157; IV,762; Od. 4,762). Plat. Alc. 104d3, siehe Anm. 386. Siehe ebd. Vgl. Plat. Alc. 103a: καὶ ὅτι οἱ μὲν ἄλλοι δι’ὄχλου ἐγένοντό σοι διαλεγόμενοι, „und dass die anderen dir mit ihren Gesprächen zur Last fielen“ (Übers. Döring 2016). Zu dieser Stelle kommentiert Olympiodor im 3. Unterricht (14,5–10). Siehe dazu unten 46,20 und Anm. 446. Zur Interpretation dieser Stelle siehe Kapitel B. III.1: Sprachorientierte Exegese. Zur Metapher der Gefangenen im Platonismus vgl. Plat. Rep. 514a–517a; Procl. in Alc. 126,22–127,4. Arist. Int. 17a35–37. Der Begriff ἀπορία wird in diesem Abschnitt in unterschiedlichen Bedeutungen ausgeführt. Einerseits deutet Olympiodor damit auf Ratlosigkeit und Zweifel von Alkibiades, andererseits wird es im philosophischen Zusammenhang als ‚Widerspruch‘ angesehen. Zur ausführlichen Erklärung dieses Abschnitts siehe Kapitel B. III.1: Sprachorientierte Exegese. Der oberste Philosoph unterscheidet sich von anderen Philosophen, indem er sich der Betrachtung widmet (siehe dazu 2,11–12 und Anm. 16; vgl. Plat. Tht. 173c–d). Platon beschreibt auf ähnliche Weise die Kraft der Dialektik, die die unhypothetischen ersten Prinzipien aller Seienden beherrscht (vgl. Plat. Rep. 511b). Olympiodor bezeichnet diese Art der Philosophie, anlehnend an Aristoteles, als „die erste Philosophie“ (vgl. Arist. Metaph. 1005b19). Im Folgenden steht die Annahme der unhypothetischen Grundlagen auch in Bezug auf die neuplatonische Theorie der Gemeinbegriffe. Siehe dazu 18,3 und Anm. 185. Hier stellt Olympiodor erneut eine ‚aristotelische‘ Position, die scheinbar in der Philosophenschule des Ammonios bezüglich der Definition der Philosophie vertreten wurde. Nach Aristoteles beschäftigt sich die erste Philosophie (πρώτη φιλοσοφία) mit den Grundsätzen, die als Argumente für die anderen Wissenschaften dienen (vgl. Arist. Metaph. 1005b19). Siehe dazu Anm. 239. Zum obersten Philosophen dazu 2,11–12 und Anm. 16. Vgl. Plat. Alc. 104d6; 106b8. Diese Darstellung ist in Übereinstimmung mit Proklos’ Kommentar, der auch diese zwei Bedingungen zusammenfasst und feststellt, dass Sokrates nur einfache Dinge verlangt (vgl. Procl. in Alc. 128,2–9). Paraphrase Plat. Alc. 105d–e. In diesem Zusammenhang soll δύναμις nicht im ontologischen Sinne als Vermögen (siehe oben 38,22 und Anm. 376; 39,4 und Anm. 378), sondern in Bezug auf die Politik als Macht aufgefasst werden. Da Sokrates bei Alkibiades den Eindruck erwecken will, dass er über etwas spricht, was ihn interessiert, verwendet er den Begriff δύναμις. Dabei scheint er über die politische Macht zu sprechen, während er in der Tat das Wissen als Macht bezeichnet (siehe unten 55,15–17). Proklos kommentiert zu dieser Stelle auf ähnliche Weise, dass Sokrates seine Rede verschiebt, um bei Alkibiades eine größere Aufmerksamkeit zu wecken (vgl. Procl. in Alc. 128,17–129,5). Diese zwei Eigenschaften des göttlich inspirierten Liebhabers werden bei Proklos dargestellt (vgl. Procl. in Alc. 130,4–131,12). Zum Begriff σπουδαῖος siehe 38,15 und Anm. 373. Vgl. Plat. Alc. 104e1–2: Ὅρα δή· οὐ γάρ τοι εἴη ἂν θαυμαστὸν εἰ, ὥσπερ μόγις ἠρξάμην, οὕτω μόγις καὶ παυσαίμην. „Nimm dich also in Acht. Es wäre nämlich nicht verwunderlich, wenn ich, wie ich Schwierigkeiten damit hatte zu beginnen, so auch Schwierigkeiten damit haben sollte aufzuhören.“ (Übers. Döring 2016). Zur Untauglichkeit (ἀνεπιτηδειότης) des Alkibiades siehe 27,4 und Anm. 259.

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D. Anmerkungen Siehe dazu 41,21. Hier wird die These wiederholt, dass die sokratische Philosophie den Menschen helfen kann (siehe 21,3–5). Olympiodor erläutert oben die Vollkommenheit des Sokrates und die Unvollkommenheit des Alkibiades im Zusammenhang mit der Tatkraft und dem Vermögen, das nicht zur Verwirklichung gelangt ist (siehe 38,25–39,5). Paraphrase Plat. Alc. 105e. Proklos stellt die verschiedenen Affekte wie folgt dar: Während das Gute das höchste Ziel des Strebens ist, kann die Mehrheit nur einen Teil des Guten erfassen; deshalb streben diese Menschen nach Vergnügen, Geld und Macht (vgl. Procl. in Alc. 153,10–154,2). Vgl. Hom. Il. VI,138; Od. 4,805. Zum ‚Schattenkampf‘ (σκιαμαχεῖν) um die Erscheinungen siehe 32,13–19 und Anm. 309. Die Unbeschwertheit der Götter bezieht sich auf das wahre Glück der intelligiblen Ebene, die in der platonischen Philosophie als Gegensatz des konkret wahrnehmbaren Vergnügens aufgefasst wird (vgl. Plot. V.8,4). Zur Selbstgenügsamkeit des Gottes siehe 31,1–4. Olympiodor betont die platonische Position, dass Selbstgenügsamkeit eine Eigenschaft des Gottes ist (vgl. Plat. Ti. 68e: τὸν αὐτάρκη τε καὶ τὸν τελεώτατον θεὸν; „den selbstgenügsamen und höchst vollkommenen Gott“). Das Konzept von αὐτάρκεια wurde besonders in der stoischen und epikureischen Philosophie als der Grundsatz für ein glückliches Leben entwickelt. Zu den verschiedenen Darstellungen der „Autarkie“ siehe Kappl 2002. Olympiodor paraphrasiert aus Plat. Alc. 105a: εἴ τίς σοι εἴποι θεῶν: ‘ὦ Ἀλκιβιάδη, πότερον βούλει ζῆν ἔχων ἃ νῦν ἔχεις, ἢ αὐτίκα τεθνάναι εἰ μή σοι ἐξέσται μείζω κτήσασθαι;’ δοκεῖς ἄν μοι ἑλέσθαι τεθνάναι: „Wenn einer der Götter dich gefragt hätte: ‚Alkibiades, willst du mit dem leben, was du jetzt hast, oder auf der Stelle sterben, wenn es dir nicht gelingen wird, etwas Größeres zu erreichen?‘, scheint es mir als würdest du vorziehen, zu sterben.“ (Übers. Döring 2016) Paraphrase Plat. Alc. 105a9–b2. Proklos gibt diese Zahl von zwanzig Tagen nicht an, sondern berichtet, dass Sokrates an dieser Stelle Alkibiades’ Alter verraten hat, da die athenischen Jungen mit zwanzig Jahren an der Volksversammlung teilnehmen dürften. Dagegen solle Alkibiades nicht auf den günstigen Augenblick der Ephebie warten, sondern auf die Erlangung des Wissens und die Befreiung von der Unwissenheit (vgl. Procl. in Alc. 146,10–13). Olympiodors Text an dieser Stelle fasst wahrscheinlich die Anzahl der zwanzig Jahren als zwanzig Tage auf. Dagegen gibt das Scholion auf der Handschrift Marc. gr. 196 (Folie 129r) zu dieser Stelle die folgende Erklärung: Ἀθήνῃσιν οἱ νέοι εἰς μὲν τοὺς ἐφήβους εἰσῄεσαν ὀκτωκαίδεκα ἔτη γενόμενοι, δύο δὲ εἰς περιπόλους ἠριθμοῦντο, εἰκοστῷ δὲ ἐνεγράφοντο ληξιαρχικῷ γραμματείῳ, ἐν ᾧ ἐκκλησιάζοντες ἐνεγράφοντο· οἳ παρελάμβανον καὶ τὴν πατρῴαν οὐσίαν, ἥτις καὶ λῆξις ἐκαλεῖτο, ὡς Πολυδεύκης φησίν. „Als die athenischen Jungen achtzehn Jahre alt wurden, gelangten sie zu der Ephebie, zwei Jahre wurden sie zu den Grenzwächtern eingeteilt, mit dem zwanzigsten Lebensjahr wurden sie in das Verzeichnis der zu Beamtenstellen wählbaren Bürger eingetragen (lêxiarchikos), auf dem diejenigen eingetragen wurden, die an der Volksversammlung teilnehmen. Somit übernahmen sie auch den Besitz ihrer Väter, der auch Erbe (lêxis) genannt wurde, wie Polydeukes sagt.“ Dieses Scholion stammt wahrscheinlich, wie Westerink allgemein über Scholia in dieser Handschrift annimmt, von dem ‚Kopisten‘ (siehe Westerink 1982, S. X). Das Scholion selbst gibt Polydeukes als Quelle an, der ein Redner der zweiten Sophistik war. Ἰύλιος Πολυδεύκης (Julius Pollux) ist bekannt für sein lexikographisches Werk Onomastikon aus dem 2. Jh. (siehe dazu Tosi 1999). In diesem Werk erklärt Polydeukes den Begriff der Grenzwächter (περίπολοι), dass athenische Jungen zwischen 18 und 20 Jahren als solche

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dienten und dabei die Kriegskunst lernten, mit zwanzig aber in die Liste der wählbaren Bürger eingetragen wurden und einen Eid leisteten (vgl. Poll. 8.105,1–106,7). Die Aussage des Scholions, dass die Jungen den väterlichen Besitz übernahmen, befindet sich nicht bei Polydeukes, sondern in den Scholia zu den platonischen Dialogen, die ebenfalls Polydeukes als Quelle zeigen. Diese Scholia zu Platon (Alc. 105a) erläutern, dass Alkibiades in wenigen Tagen zwanzig Jahre alt wird und dies das Alter ist, in dem die Jungen in die Liste der wählbaren Bürger eingetragen werden, sowie den Besitz ihres Vaters übernehmen (vgl. Scholia in Plat. 89,15–90,3). Da Proklos die Ephebie mit zwanzigstem Lebensjahr verbindet, wird es auch bei Olympiodor nicht erklärt, dass die Ephebie mit achtzehn Jahren und die Eintragung in die Liste der wählbaren Bürger mit zwanzig Jahren geschieht. Olympiodor schreibt später im Kommentar, dass Alkibiades noch nicht 20 Jahre alt war (siehe 169,7). Paraphrase Plat. Alc. 105a–c. Diese Erklärung der drei Gründe für die Befragung durch den Gott stimmt mit Proklos’ Interpretation überein (vgl. Procl. in Alc. 142,1–143,4). Proklos beginnt mit der zweiten Erklärung (siehe 44,3), indem er auch das Beispiel der Theatermaschine in der Tragödie anführt (Procl. in Alc. 142,1–2). Nach Proklos zielt Sokrates damit zuerst darauf ab, den Jüngling mit der Erscheinung eines Gottes zu begeistern und zweitens, zu verhindern, dass er seine Worte abstreitet (142,4–14). Diese Verse werden von verschiedenen Exegeten ohne Angabe einer Quelle zitiert (vgl. Phlp. in de An. 188,26–27; De aetern. 582,21–22; Ascl. in Metaph. 20,27–28; 123,14–15). Sowohl Asklepios von Tralleis als auch Philoponos waren, wie Olympiodor, im Umkreis Ammonios’ Philosophenschule tätig. Daraus lässt sich schließen, dass diese Verse für den Gedankengang, dass Gott omnipräsent ist, unter den Philosophen dieser Schule allgemein bekannt waren. Die Grundlage dafür könnte die Darstellung von Aristoteles sein, der als Thales’ These anführt, dass alles voller Götter ist (Θαλῆς ᾠήθη πάντα πλήρη θεῶν εἶναι, Arist. de An. 411a8). Bei den spätantiken Kommentatoren scheint diese These von Thales in Bezug auf die Seele eine bezeichnende Rolle zu haben: Dies zeigt Schwab (2018, S. 240–241) am Beispiel von Ps.Simplikios und Johannes Philoponos, die Thales dahingehend interpretieren, dass das Universum eine Seele im Körper sei, und dies die unkörperliche Natur der Seele zeige. Eine andere Überlieferung findet sich im Zusammenhang mit dem Apollon-Orakel, das den Anfang dieser Verse (πάντα θεοῦ πλήρη) als Antwort auf eine Frage, ob Verfehlungen dem Gott verborgen bleiben, angibt (vgl. Anth. Gr. Orac. 155). Olympiodor bezieht sich auf die in der antiken Tragödie gängige Praxis, eine Gottheit mit Hilfe einer Bühnenmaschinerie einzuführen. Dabei wird ein Gott in einem kritischen Moment der Tragödie mit Hilfe eines Krans (μηχανή) in Szene gebracht, um ein unlösbares Problem plötzlich zu klären. Platon stellt dieses Stilmittel als ein Zeichen der Ausweglosigkeit dar (ἀπορῶσιν, vgl. Plat. Cra. 425d). Der Komödiendichter Antiphanes nennt es eine Erfindung der Tragiker, um die festgefahrene Handlung zu retten und so die Erwartung des Publikums zu erfüllen (Antiphanes Fr. 189,15 PCG; siehe dazu Olson 2007, S. 154–155). Besonders im Zusammenhang mit Euripides stellt Aristoteles fest, dass die Lösung eines Theaterstücks von dessen eigenen Handlungsablauf ausgehen muss (Arist. Po. 1453a3–b9). Die gegensätzlicheThese wird von Horaz vertreten, dass der Gott nur dann eingeführt werden soll, wenn der Konflikt für einen Gott geeignet ist (Hor. ars 191–192). In Euripides’ Alkestis treten mehrere Götter in für die Handlung relevanten Rollen auf. Zunächst erzählt Apollon die Vorgeschichte, dass er bei Admetos diente und ihn wegen seines guten Verhaltens belohnte, indem er seinen Tod aufschob, wenn jemand anderes an seiner Stelle starb, was seine Frau Alkestis akzeptierte (V. 1–27). Daraufhin schreitet Thanatos ein (V. 28), um sie zu holen. Später, als Herakles Admetos besucht (V. 477ff.), erfährt er von Alkestis’ Schicksal und holt sie schließlich aus der Unterwelt zurück. An welcher Stelle in diesem Stück

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D. Anmerkungen eine Theatermaschine eingesetzt wurde, ist nicht bekannt. Olympiodors Aussage bezieht sich wahrscheinlich auf die Tatsache, dass die Götter eine derart bezeichnende Rolle für die Ereignisse in dieser Tragödie spielen. Vgl. Plat. Alc. 104d1–4, siehe oben 39,16 und Anm. 386. Dieses Zitat befindet sich nicht im Timaios, sondern in der Politeia (Plat. Rep. 617e). Vgl. Plat. Rep. 617e. Auch Proklos zitiert aus der Politeia und stellt eine Parallele zwischen der Befragung des Gottes und der Rede der Lachesis her (vgl. Procl. in Alc. 143,4–14). Vgl. Hom. Il. XIX, 86–87; Übers. Schadewaldt 1975. Bei Olympiodor steht ἱεροφοῖτις statt ἠεροφοῖτις. Nach West (1998, ad loc. in app.) ist das eine Lesart für ‚im Dunkeln wandelnde‘ (ἠεροφοῖτις) bei Homer, das ein Epitheton für die Erinnyen ist. Olympiodor wiederholt dieses Zitat in Alc. 101,17–18 und in Grg. 24.3,27. Proklos folgert aus Sokrates’ Antworten drei Aussagen, von denen die ersten zwei auch dem ersten und zweiten Grundsatz bei Olympiodor im Folgenden entsprechen (vgl. Procl. in Alc. 144,2–11). Olympiodor zieht hingegen mehr als drei Schlüsse. Ausgehend von Sokrates’ Antworten gibt Proklos diese als erste der drei Folgen an (in Alc. 144,4–5). Paraphrase Plat. Alc. 105a. Dies entspricht der zweiten Folge bei Proklos (vgl. Procl. in Alc. 144,6–9). Nach Proklos geht es aus den Aussagen des Sokrates hervor, dass Alkibiades nicht für das allgemeine Gut, sondern aufgrund seiner Ehrliebe beraten will (vgl. Procl. in Alc. 146,15–20). Vgl. Procl. in Alc. 150,10–19. Zu dieser Stelle erklärt Proklos, dass Alkibiades nicht nur unbegrenzte Begierde hat, sondern auch wünscht, dem Gott ähnlich zu werden. Das begründet er mit der Ansicht, dass die Namen der Götter die ganze Welt erfüllen: Daher möchten die Seelen, dass ihre Namen auch das Gleiche erreichen, um dem Gott ähnlich zu werden. Wer die Ehre im einfachen Sinne liebt, kann diese nicht nach den Menschen differenzieren, die jemanden ehren (Procl. in Alc. 151,5–8). Der Hinweis auf die verschiedenen Charaktermerkmale von Kyros und Xerxes verbindet Proklos mit der These, dass Alkibiades nicht einschätzen kann, welche Ehre gut ist (vgl. Procl. in Alc. 150,24–151,8). Die Charaktereigenschaft ἐπιεικής (hier übersetzt als „Nachsicht“) für Kyros lässt sich im Deutschen nur schwer in einem Wort ausdrücken. Das Adjektiv bezeichnet ein tolerantes, zuvorkommendes, gemäßigtes sowie ein bescheidenes Verhalten eines Herrschers, der deshalb bei seinen Untertanen beliebt ist. Paraphrase, vgl. Aristid. Or. 46,180; siehe dazu Anm. 53. Die Hochmütigkeit des Xerxes ist ein gängiger Topos, der auch bei Isokrates behandelt wird (vgl. Isoc. 4,89). Nach dem Bericht von Herodot wollte Xerxes aus Rache an den Griechen eine Brücke über den Hellespont bauen (vgl. Hdt. VII.8b). Als er erfuhr, dass diese Brücke durch einen Sturm zerstört worden war, wurde Xerxes so wütend, dass er den Hellespont mit 300 Hieben auspeitschen ließ (VII.34–35) und befiehl, ein Paar Fußschellen ins Meer zu versenken (VII.35,1: καὶ κατεῖναι ἐς τὸ πέλαγος πεδέων ζεῦγος). Dareios I. (c. 550–486 v. Chr.), der König des Achämenidenreichs und Vater von Xerxes, befindet sich chronologisch zwischen Kyros und Xerxes. Nach Olympiodors Darstellung gehört auch seine Persönlichkeit entsprechend seiner mittleren chronologischen Position zur Mitte zwischen diesen zwei Herrschern. Die Ausführungen Olympiodors in diesem Abschnitt scheinen sich maßgeblich auf Herodot zu stützen. Die Bezeichnung von Kyros als πατήρ und Dareios als κάπηλος wird bei Herodot erwähnt, der an dieser Stelle Kambyses statt Xerxes als δεσπότης nennt (Hdt. III.98,3: διὰ δὲ ταύτην τὴν ἐπίταξιν τοῦ φόρου καὶ παραπλήσια ταύτῃ ἄλλα λέγουσι Πέρσαι ὡς Δαρεῖος μὲν ἦν κάπηλος, Καμβύσης δὲ δεσπότης, Κῦρος δὲ πατήρ, ὁ μὲν ὅτι ἐκαπήλευε πάντα τὰ πρήγματα, ὁ δὲ ὅτι χαλεπός τε ἦν καὶ ὀλίγωρος, ὁ δὲ ὅτι ἤπιός τε καὶ ἀγαθά σφι πάντα

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ἐμηχανήσατο. „Wegen dieser Abgabenordnung und noch einiger ähnlicher Maßnahmen sagen die Perser, Dareios sei ein Kaufmann, Kambyses ein Herr, Kyros aber ein Vater gewesen; denn Dareios habe in allem nach Krämerart gehandelt; Kambyses sei hart und rücksichtslos gewesen, Kyros mild; und ihm verdankten sie alles Gute.“; Übers. Feix 1963). Dies wird bei Herodot als Kennzeichen der Herrschaft von Dareios genannt (III.89,1: έτάξατο φόρους). Diese Bemerkung führt auch auf Herodot zurück, der von der Thronbesteigung des Dareios berichtet. Er erzählt von dem Brauch, dass die Perser ihre Könige nach einer Tradition bestimmen, bei der sich die Kandidaten mit ihren Pferden zur Wahl stellen. Welches Pferd bei Sonnenaufgang zuerst wiehert, wird zum König ernannt (Hdt. III.84.3). Daraufhin stellt sich Dareios zur Wahl und plant mit seinem Stallmeister Oibares eine List: Dieser bringt in der Nacht eine Stute, die dem Hengst des Dareios besonders gut gefällt. Am nächsten Morgen ist Dareios’ Hengst der erste, der wiehert, als er die Männer dort versammelt sieht, wo die Stute in der Nacht angebunden war. Damit erhält Dareios die Führung (Hdt. III.85–88.1). Siehe dazu 38,22–39,7. Plat. Alc. 104d2, vgl. Plat. Alc. 104d3–4, siehe dazu 39,16; 45,2 und Anm. 386. Siehe dazu 39,19–20. Vgl. Plat. Grg. 467c–468d; 466c–d. Auch an dieser Stelle weist Olympiodor darauf hin, dass er Gorgias nach Alkibiades behandeln wird (siehe dazu 39,19–20 und Anm. 389). Plat. Alc. 103a; siehe dazu 40,6–16. Olympiodor erklärt auch oben (40,6–16), dass diese Stelle des Dialogs bereits behandelt wurde (siehe 14,5–10). Zu der Auffassung von πρώην („vorhin“) als ‚vorgestern‘ siehe 34,8 und Anm. 325. Siehe oben 42,12–15. Zum Schattenkampf siehe 32,13–19 und Anm. 309; 42,15. Zum obersten Philosophen siehe oben 40,18–20 und Anm. 399. Olympiodor betrachtet die unhypothetische Philosophie als Synonym für die erste Philosophie (siehe dazu 40,19 und Anm. 400). Paraphrase Plat. Alc. 105e. Proklos betrachtet diese Aussage ebenfalls als eine Frage (vgl. Procl. in Alc. 129,10–11). Der dritte Grund, warum Sokrates Alkibiades liebt, wurde vorher angeführt (vgl. 41,8–12). Zum Urteilsvermögen und Mitempfinden als Eigenschaften des göttlich inspirierten Liebhabers siehe 41,10–15. Proklos betrachtet ebenfalls schwer anzufangen als ein Zeichen des Urteilsvermögens und schwer aufzuhören als ein Zeichen des Mitempfindens (vgl. Procl. in Alc. 130,4–131,12). Zur Tauglichkeit bzw. Geeignetheit siehe Anm. 259; vgl. dazu Alkibiades’ Untauglichkeit (Anm. 253). Zu dieser Stelle führt Proklos das Beispiel über die Strafen an und erklärt dazu, dass viele schlechte Handlungen erst später und langsam bestraft werden (vgl. Procl. in Alc. 130,22–131,3). Die Bestrafung in diesem Fall ist eine korrigierende Strafe, die in der platonischen Philosophie eine positive Bedeutung trägt (vgl. Plat. Grg. 525b–c). Zur Quellenmetapher siehe Anm. 6. An dieser Stelle habe ich λόγος wie Kinder und Reichtum im gesellschaftlichen Zusammenhang interpretiert. Wenn der Erfolg nicht mit materiellen Besitztümern gemessen wird, ist es auch möglich, λόγος im ontologischen Sinne als ‚Vernunft‘ und logisches ‚Denken‘ aufzufassen. Die korrigierende Strafe für die vergangenen Fehler ist eine „Verbesserung“, da sie der Seele für die Reinigung und danach für die Heilung hilft (vgl. Plat. Grg. 525b–c), siehe dazu 47,25. Plat. Alc. 104d2, siehe dazu 39,17 und Anm. 386.

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D. Anmerkungen Siehe 42,1–6. Proklos stellt ebenfalls ein ‚Wagnis‘ an dieser Stelle fest, da Sokrates hier absteigt und aus seinem inneren Leben in eine niedrigere Bewegung kommt, die er nach der pythagoreischen Art und Weise Wagnis nennt (vgl. Procl. in Alc. 132,11–14). Platons Verständnis der Monade als Bezeichnung für die unteilbare Ideen geht nach Lötzsch u. a. (1984) auf die pythagoreische Philosophie zurück, bei der die Zahl Eins als Urprinzip aller Zahlen und aller Seienden betrachtet wird. Im Neuplatonismus und Neupythagoreismus bezeichnet die Monade laut Hager (1972) das Prinzip des Einen, wobei zwischen dem Einen jenseits aller Gegensätze und dem gegensätzlichen Paar von Monade und Dyade unterschieden wird. Demnach betrachtet Jamblich die Monade als die Zahl Eins und die Einheit ausgehend von dem Einen, das Harmonie der Wesen bewirkt, während die Dyade die Zweiheit und unharmonische Verhältnisse darstellt (vgl. Iamb. in Nic. 78,11–14; 82,27–83,5). Die Loslösung der Dyade von der Monade bezeichnet den Anfang der Pluralität und die Emanation der metaphysisch ‚niedrigeren‘ Prinzipien aus dem Einen. Der Begriff ‚Wagnis‘ wird in diesem Zusammenhang in der platonischen Philosophie verwendet (vgl. Plu. Moralia 381f–382a; Plot.V.1.1,1–10). Vgl. Plat. Alc. 104e6–105a2: ἐγὼ γάρ, ὦ Ἀλκιβιάδη, εἰ μέν σε ἑώρων ἃ νυν δὴ διῆλθον ἀγαπῶντα καὶ οἰόμενον δεῖν ἐν τούτοις καταβιῶναι, πάλαι ἂν ἀπηλλάγμην τοῦ ἔρωτος, ὥς γε δὴ ἐμαυτὸν πείθω· „Sähe ich nämlich, Alkibiades, dass du mit den Lebensumständen zufrieden bist, die ich gerade beschrieben habe, und dass du glaubst, du solltest dein Leben in diesen Rahmen verbringen, dann hätte ich von meiner Liebe längst abgelassen, davon bin ich fest überzeugt.“ (Übers. Döring 2016). Die vier Gründe für Alkibiades’ Verachtung sind seine Schönheit, seine gute Abstammung, seine Freunde und sein Vormund Perikles (vgl. Plat. Alc. 104a–c). Plat. Alc. 105a1, siehe Anm. 466. Olympiodor deutet hier auf Harpokration von Argos, der ein Platoniker im 2. Jh. n. Chr. war. Über Harpokrations Leben und Werke ist kaum etwas bekannt. Der Überlieferung nach schrieb er einen Kommentar zu Platons sämtlichen Dialogen und ein Werk über Platons Wortschatz (vgl. dazu Ferrari 2018). Die Neuplatoniker nehmen Bezug auf Harpokrations Ansichten und betrachten ihn als einen bedeutenden Platoniker (vgl. Iamb. de An. 29,11; Procl. in Rep. II.96,12; Herm. in Phdr. 34,12; Dam. in Phd. 110,2). Plat. Alc. 105a1, siehe Anm. 466. Paraphrase Plat. Alc. 104e–105a. Vgl. Plat. Alc. 105a2–4: νῦν δ’ἕτερ’αὖ κατηγορήσω διανοήματα σὰ πρὸς αὐτὸν σέ, ᾧ καὶ γνώσῃ ὅτι προσέχων γέ σοι τὸν νοῦν διατετέλεκα. „Jetzt aber will ich dir deine ganz anderen Absichten ins Gesicht sagen, woran du auch erkennen wirst, dass ich dich fortwährend beobachtet habe.“ (Übers. Döring 2016). Zum Streben nach den scheinbaren und wahrhaften Gütern und zum Schattenkampf von Alkibiades siehe 32,13–14 und Anm. 309, vgl. dazu 42,15 und 47,2. Plat. Alc. 105a3–4, siehe Anm. 472. Siehe dazu 43,23–44,10. Siehe dazu 44,15–45,10. Über die freiwillige Wahl des Lebens siehe 45,3–5; vgl. Plat. Rep. 617e. Das medizinische Vokabular der „Sezierung“ (ἀνατομή) für die abschnittsweise Behandlung des Lebens stellt hier eine bemerkenswerte Parallele zwischen dem Ansatz von Sokrates und den Ärzten dar. Siehe dazu 43,11–12 und Anm. 421; vgl. Procl. in Alc. 146,12–14. Plat. Alc. 105b2–3, vgl. Plat. Alc. 105a9–b8: ἡγῇ, ἐὰν θᾶττον εἰς τὸν Ἀθηναίων δῆμον παρέλθῃς – τοῦτο δ’ ἔσεσθαι μάλα ὀλίγων ἡμερῶν – παρελθὼν οὖν ἐνδείξεσθαι Ἀθηναίοις ὅτι ἄξιος εἶ τιμᾶσθαι ὡς οὔτε Περικλῆς οὔτ’ ἄλλος οὐδεὶς τῶν πώποτε γενομένων καὶ τοῦτ’ ἐνδειξάμενος

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μέγιστον δυνήσεσθαι ἐν τῇ πόλει, ἐὰν δ’ἐνθάδε μέγιστος ᾖς, καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις Ἕλλησι, καὶ οὐ μόνον ἐν Ἕλλησιν, ἀλλὰ καὶ ἐν τοῖς βαρβάροις, ὅσοι ἐν τῇ αὐτῇ ἡμῖν οἰκοῦσιν ἠπείρῳ. „Du glaubst, du könntest, sobald du vor das Volk der Athener trittst – das aber werde in sehr wenigen Tagen der Fall sein –, sobald du also vor sie trittst, den Athenern klarmachen, dass du einen Anspruch darauf hast, geehrt zu werden wie weder Perikles noch irgendein anderer von denen, die jemals gelebt haben; seiest du aber hier der Mächtigste, seiest du dies auch bei den anderen Griechen, und nicht nur bei den Griechen, sondern auch bei den Barbaren, soweit sie in demselben Erdteil wie wir wohnen.“ (Übers. Döring 2016). Nach Olympiodor unterstreicht Sokrates’ Erwähnung von Perikles seine Verwandtschaft mit Alkibiades. Das Wort ἑστία weist auf enge Familienmitglieder hin, während οἰκεῖος eine Hausgemeinschaft und engere Verwandtschaft umfasst. Eine andere Deutung von ἑστία τῆς ἁμίλλης als „Herd des Eifers“ ist möglich: Dies würde betonen, dass die Quelle von Alkibiades’ Charaktereigenschaft in seiner Familie liegt, woraufhin seine Verwandtschaft genannt wird (καὶ τῶν οἰκείων). Plat. Alc. 105b5–6, vgl. 105a9–b8, siehe dazu Anm. 480. Ar. Pl. 196; Übers. Seeger 2019. Bei diesen Versen handelt es sich um die Geldgier, dass jemand mit zehn Talenten nicht zufrieden ist, sondern versucht, sechzehn oder vierzig Talente zu bekommen. Siehe oben 42,10–43,3. Siehe dazu 42,7–43,8. ‚Der Begriff‘ (ἔννοια) wird an dieser Stelle im Zusammenhang mit den ‚Gemeinbegriffen‘ (κοιναὶ ἔννοιαι) verwendet (vgl. 18,3–4; 50,25–51,15 und Anm. 185). Olympiodor wiederholt diese These mehrmals im vorliegenden Kommentar (vgl. 98,16–20; 101,3–7). In diesem Zusammenhang wird die Ehrliebe als das letzte Gewand der Seele dargestellt (siehe im Folgenden 51,7). Dies betrachtet Proklos als eine platonische Lehre (vgl. Procl. in Alc. 138,8–139,3). Platon stellt die drei Teile der Seele und ihre Affekte dar, indem die Ehrliebe der Willenskraft entspricht und im Kampf gegen die Begierde die Vernunft unterstützt (vgl. Plat. Rep. 440b). Zur Gewandmetapher siehe Anm. 57 und 97. Hom. Od. 22,1 (Übers. Schadewaldt 1958). Vgl. Plat. Alc. 105b8–c6: καὶ εἰ αὖ σοι εἴποι ὁ αὐτὸς οὗτος θεὸς ὅτι αὐτοῦ σε δεῖ δυναστεύειν ἐν τῇ Εὐρώπῃ, διαβῆναι δὲ εἰς τὴν Ἀσίαν οὐκ ἐξέσται σοι οὐδὲ ἐπιθέσθαι τοῖς ἐκεῖ πράγμασιν, οὐκ ἂν αὖ μοι δοκεῖς ἐθέλειν οὐδ’ ἐπὶ τούτοις μόνοις ζῆν, εἰ μὴ ἐμπλήσεις τοῦ σοῦ ὀνόματος καὶ τῆς σῆς δυνάμεως πάντας ὡς ἔπος εἰπεῖν ἀνθρώπους· „Und wenn derselbe Gott wiederum zu dir sagte, deine Macht müsse hier auf Europa beschränkt bleiben und es werde dir nicht erlaubt sein, nach Asien überzusetzen und die Dinge dort anzupacken, dann wärest du, glaube ich, genauso wenig bereit, allein unter dieser Bedingung weiterzuleben, solltest du nicht so gut wie alle Menschen mit dem Ruhm deines Namens und deiner Macht erfüllen können.“ (Übers. Döring 2016). Ausgehend von Platons Ideenlehre erörtert die neuplatonische Philosophie die Beziehung zwischen den Ideen und der Vielfalt der Dinge auf der menschlichen Ebene. Nach Hager (1974) wird das Eine (τὸ ἕν) in Platons Parmenides von Plotin als der ungeteilte Ursprung allen Seins betrachtet. Daraus gehen die Wesen als die Vielheit hervor, die bei Proklos weiter in göttlichen, intelligiblen, seelischen und sinnlich wahrnehmbaren Henaden (ἑνάδες) bzw. ‚Einheiten‘ unterteilt werden (vgl. Procl. Inst. 113–211). Auf diese Weise wird die Entstehung der Vielheit ausgehend von dem absoluten Einen in mehreren Stufen erklärt. Das Eine als absolutes Urprinzip der Einheit bezeichnet den Gott, der auch ungeteilt und einförmig ist. In dieser Hinsicht stellt Olympiodor im Folgenden fest, dass die Vielheit der Dinge aus dem Göttlichen und der Monade (μονάς) bzw. ‚dem Einzelnen‘ hervorgeht.

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D. Anmerkungen Das Wort πράγματα verwendet Platon nachfolgend in 105c3. Dazu vgl. Plat. Alc. 105b8–c6, siehe dazu Anm. 490. Plat. Alc. 105c2–3; siehe dazu Anm. 490. Olympiodor äußert wiederholt den Grundsatz, dass die Charaktere mit den Wörtern, die sie äußern, in Übereinstimmung sind. Dadurch stellt er ein Argument ἐκ προσώπου vor, das er im gesamten Kommentar verwendet, insbesondere in Bezug auf Alkibiades. An dieser Stelle passt das Verb ‚in Angriff zu nehmen‘ Alkibiades’ ambitioniertem Charakter. Zu Kyros und Xerxes als ungleiche Beispiele und ihrer Bezeichnung als Vater und Despot siehe 45,21–24. Olympiodor beschäftigt sich mit dem Ausdruck „ich weiß sehr gut“ (Plat. Alc. 104c5) auch vorher im Kommentar (siehe 37,14–15 und Anm. 365). Hom. Il. X,279–80 (Übers. Schadewaldt 1975). In diesem Vers spricht Odysseus, Diomedes ist der nächste Sprecher. Olympiodor schreibt diesen Vers an einer anderen Stelle des Kommentars erneut Diomedes zu (siehe 68,23–24). Plat. Alc. 105c7–8. Nach Olympiodors Gliederung endet die Einleitung an der Stelle des Dialogs, die im 6. Unterricht behandelt wird (Plat. Alc. 106b). Olympiodor behandelt dieses Thema wiederholt (siehe 14,5–10). Für diese Aussage siehe 15,1–23,18 und 26,1–5. Diese Gründe wurden bereits vorher ausgeführt (28,15–23). Paraphrase Plat. Alc. 105e; siehe dazu 42,8–10. Olympiodor gebraucht in diesem Kommentar öfter den Ausdruck ‚wir rätseln‘ bzw.‚stellen die Aporie dar‘ (siehe 54,9; 55,15; 82,10; vgl. ἀποροῦσι: 161,19; 163,17; 197, 16; 23), um auf die widersprüchlichen Aspekte des Dialogs hinzuweisen. Der Begriff der Ironie (εἰρωνεία) bezeichnet eine falsche Bescheidenheit, um den Gesprächsteilnehmer zu einer bestimmten Meinung zu bewegen. In den platonischen Dialogen wird diese Methode nicht von Sokrates selbst, sondern eher von seinen Gegnern erwähnt. Bei den Platon-Exegeten wurde diese Methode Sokrates zugeschrieben. Zum Begriff der Ironie siehe Boder 1973, S. 86–94. Die Rezeption der sokratischen Ironie erläutert Braounou 2014, S. 297–311. Dies erinnert an die Worte von Thrasymachos in der Politeia (Plat. Rep. 337a: αὕτη 'κείνη ἡ εἰωθυῖα εἰρωνεία Σωκράτους). Diese Darstellung des Sokrates und seiner Philosophie geht aus den platonischen Dialogen hervor. Bei Platon beschreibt Sokrates die Erkenntnis zumeist wie eine Geburt und nicht wie eine Lehre von anderen Menschen. Ferner lehnt er den Vorwurf ab, dass er wie Gorgias etwas für Geld lehren würde (vgl. Plat. Ap. 19d–e) und behauptet, dass er selber nichts wisse (Plat. Tht. 150c–d: εἰμὶ δὴ οὖν αὐτὸς μὲν οὐ πάνυ τι σοφός) und niemand etwas von ihm gelernt habe (vgl. Plat. Tht. 150d: παρ᾽ ἐμοῦ οὐδὲν πώποτε μαθόντες). Den Spruch des delphischen Orakels behandelt Platon in der Apologie (vgl. Plat. Ap. 21a–23d). Olympiodor paraphrasiert an dieser Stelle wahrscheinlich den Orakelspruch in Plat. Ap. 23b: ‘οὗτος ὑμῶν, ὦ ἄνθρωποι, σοφώτατός ἐστιν, ὅστις ὥσπερ Σωκράτης ἔγνωκεν ὅτι οὐδενὸς ἄξιός ἐστι τῇ ἀληθείᾳ πρὸς σοφίαν.’ „Dieser von euch, ihr Menschen, ist der Weiseste, der wie Sokrates erkannt hat, dass er in Wahrheit hinsichtlich seiner Weisheit nichts wert ist [und sie deshalb nur suchen kann].“ (Übers. Ferber 2011). Nach der platonischen Theorie der Sinneswahrnehmung kommt die Sehwahrnehmung durch die Verbindung zwischen dem Licht im menschlichen Auge und dem Licht der Sonne zustande (vgl. Plat. Rep. 506b–507c) und die Hörwahrnehmung durch die von einem Ton bzw. Klang (φωνή) erregte Bewegung im menschlichen Verstand. Ein Ton wird als eine Erschütterung betrachtet, die von der Luft ausgeht (vgl. Plat. Ti. 67b: ὑπ’ἀέρος …πληγὴν). In Übereinstimmung damit argumentiert Plutarch, dass die Hörwahrnehmung dadurch geschieht, wenn

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ein ‚Schlag der Luft‘ (πληγῇ ἀέρος) auf das Ohr trifft und als Stimme empfunden wird (Plu. Moralia 436d). Plotin bezeichnet die Gedanken in diesem Zusammenhang als πληγαί (Eindrücke, Abdrücke) der Sinneswahrnehmungen (vgl. Plot.V.5.1,24–25). Im spätantiken Platonismus wird diese Definition der Stimme als Schlag in die Luft im Zusammenhang mit der Frage diskutiert, wie das Hören von Daimones durch eine Stimme (φωνή) zustande kommt. Hermeias beschreibt den Ton als einen Schlag in die Luft, die es im ganzen Kosmos gibt. Zudem vertritt er die These, dass auch Götter sinnlich wahrnehmen können, wobei sie die Wahrnehmung in einer Art von Erkenntniszustand (γνῶσις) besitzen, die Menschen dagegen nur eine Art der Wahrnehmung durch Affekte haben (πάθος, vgl. Herm. in Phdr. 72,13–73,6). Siehe dazu Kapitel B. II.3.2.‚Sinneswahrnehmungen in der platonischen Philosophie‘. An dieser Stelle bezeichnet Olympiodor die physischen Eigenschaften für Sprechen und Hören mit einem Schlag der Luft und als Geräusch, wobei sie nicht auf eine bedeutungserfüllte Rede hinweisen. Dagegen stehen die Lebenskraft und die göttliche Inspiration. Auch an diesem Gegensatz äußert Olympiodor den Kontrast zwischen dem Philosophen und den einfachen Menschen. Olympiodor stellt die ‚Laute‘ (φωναί; siehe Anm. 508 zu φωνή: Ton, Klang, hier im Sinne von undeutlichem Klang, wie Laute oder Geräusche) des Alkibiades gegenüber den Argumenten (λόγοι) des Sokrates (siehe 38,1–5). In diesem Gegensatz bedeutet λόγος eine sinnvolle, mit logischen Beweisen konstruierte Rede, die den vernunftbegabten Wesen eigen ist. Im Gegensatz dazu verweist ein Laut oder Ton (φωνή) auf die einfache Fähigkeit, eine Schwingung in der Luft als Stimme zu erzeugen, die Menschen und Tiere gemeinsam haben. Proklos behandelt diese Frage in seinem Kommentar (vgl. Procl. in Alc. 155,13–156,9) und erklärt dazu, dass Sokrates zum richtigen Zeitpunkt prahlt. Dabei unterstützt er das Argument, dass diese Haltung für den Philosophen geeignet ist, auch mit denselben Zitaten aus dem Theaitetos und der Apologie, die Olympiodor im Folgenden anführt. Vgl. Plat. Tht. 151d1–3. Siehe dazu 53,11–14. Paraphrase Plat. Ap. 30c–d: οὐ γὰρ οἴομαι θεμιτὸν εἶναι ἀμείνονι ἀνδρὶ ὑπὸ χείρονος βλάπτεσθαι. „denn die gottgegebene Ordnung, so meine ich, lässt nicht zu, dass ein besserer Mann von einem schlechteren Schaden erleidet.“ (Übers. Ferber 2011). Während Platon an dieser Stelle „Schaden erleiden“ (βλάπτεσθαι) mit einem ethischen Schwerpunkt verwendet, steht bei Olympiodor mit dem Verb „beherrscht werden“ (ἄρχεσθαι) der politische Zusammenhang im Vordergrund. Paraphrase Plat. Ap. 30c6–d1. Μέλιτος ist eine alternative Schreibweise von Μέλητος; vgl. Simp. in Epict. 71,42; Rhetorica anonyma in Hermogenem 73,14–16 (Walz); Scholia recentiora in Ar. Nu. 1b. Den Gegensatz zwischen dem allgemeinen oder universellen (κοινός) und dem spezifischen oder strikten (κυρίως) Sinn der Wörter behandelt Olympiodor in diesem Kommentar mehrmals. Bei Platon wird κοινός für Gemeinsamkeiten der einzelnen Dinge, die zu einer allgemeinen Definition derer führen, verwendet (vgl. Plat. Tht. 185b; 185c). Bei Aristoteles tritt der Gegensatz zwischen dem Allgemeinen und dem Einzelnen im Rahmen der Erkenntnistheorie in den Vordergrund (vgl. Arist. Metaph. 987b6–7; Cat. 2b12–13). Für Olympiodor deutet dieser Gegensatz auf die universelle Erkenntnis gegenüber der Erkenntnis der Einzelnen, die im Spezialfall exakter ist. Demnach benutzt Olympiodor κυρίως mit der Bedeutung „im strikten Sinne“ (vgl. κυρίως, LSJ, V). Nach Olympiodors Auffassung ist die Erkenntnis des Allgemeinen nicht ausreichend: Es muss auch das Spezifische und Einzelne – darauf deutet er mit ἄτομον (das Einzelwesen) – gesucht werden, um die wahre Erkenntnis zu erreichen (siehe 204,3–11). Insbesondere bei seiner Erklärung der Selbsterkenntnis steht diese Auffassung im Vordergrund: Obwohl Olympiodor die Erkenntnis des einzelnen Menschen als Ziel der Selbsterkenntnis feststellt, unterscheidet er zwischen der Erkenntnis des einzelnen

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D. Anmerkungen Menschen (αὐτὸ ἕκαστον) als die Zusammensetzung der Seele und des Körpers (als soziales Wesen, πολιτικός) und der Erkenntnis des Menschen im spezifischen Sinne, durch sein unteilbares Wesen, seine Seele bzw. seinen ‚Kern‘ (ἄτομον; siehe 210,1–15). Plat. Alc. 105e5. Plat. Alc. 105d3–4. An dieser Stelle verwendet Olympiodor das Wort πρόσρημα für Präposition, wobei der geläufige Fachbegriff dafür πρόθεσις ist (vgl. Poll. I.66,7). Bei den spätantiken alexandrinischen Exegeten finden sich beide Begriffe im Sinne von Präposition, sowohl πρόθεσις (Ammon. in Int. 12,14; Dam. in Phlb. 252,2; Olymp. in Mete. 40,26–27) als auch πρόσρημα (siehe dazu 60,1–2). Ferner kann πρόσρημα auf ein ‚Fürwort‘ bzw. Pronomen deuten (siehe 3,12) sowie auf Adverbien (siehe 125,14 für εὖ, vgl. Phlp. in Ph. 456,20 χρονικὰ προσρήματα – „Zeitadverbien“). Im Laufe dieses Unterrichts erklärt Olympiodor nochmal, dass der Gebrauch der Präposition ‚ohne‘ die unvollkommene Beschaffenheit von Alkibiades demonstriert, da es eine der materiellen Ursachen ausdrückt (siehe 60,1–4). An dieser Stelle dagegen, da es von Sokrates geäußert wird, interpretiert Olympiodor dieselbe Präposition als die Darstellung der Notwendigkeit der Materie für die Erkenntnis in der wahrnehmbaren Welt. Demnach zeigt Sokrates durch die materielle Präposition seine Bescheidenheit und stellt sich auf die materielle Ebene (siehe 57,22–23). Das ist ein weiterer Aspekt der Argumentation ἐκ προσώπου, dass die Aussagen auf der Grundlage der Person, die diese äußert, eine unterschiedliche Bedeutung bekommen (vgl. Anm. 494). Bohle (2020, S. 208–222) stellt Olympiodors Gedankengang, dass die Rede eines Menschen Aufschluss über seinen Charakter gibt, im Gorgias-Kommentar vor. Zu der ersten Aporie siehe 52,21–23. Zu dieser Aussage kommentiert Proklos, dass Sokrates auf die Macht der Erkenntnis deutet (Procl. in Alc. 154,13–155,5). Olympiodor bezieht sich auch auf diese Interpretation, dass nichts mächtiger ist als das Wissen (36,14–16). Hp. Aph. 1,22; Übers. Sticker 1934. Dieser Ausspruch wird bei den Platonikern häufig in Bezug auf die medizinische Katharsis thematisiert und weist auf die Notwendigkeit hin, die Affekte plötzlich und gewaltsam zu beseitigen (vgl. Porph. VP 22,17; Iamb. VP 7 [34],10; 31 [187] 4). Auch Olympiodor führt dieses Beispiel wiederholt an (vgl. Olymp. in Grg. 164,29–30). In der Antike wurden Brennen und Schneiden als die Heilmethoden für schwierige Krankheitsfälle betrachtet, wie aus der hippokratischen Schriftensammlung hervorgeht. Ein Beispiel dazu ist Hp. Aph. 7,87: Ὁκόσα φάρμακα οὐκ ἰῆται, σίδηρος ἰῆται· ὅσα σίδηρος οὐκ ἰῆται, πῦρ ἰῆται· ὅσα δὲ πῦρ οὐκ ἰῆται, ταῦτα χρὴ νομίζειν ἀνίατα. „Was Arzneien nicht heilen, heilt das Eisen [Messer]; was das Eisen nicht heilt, heilt das Feuer, was das Feuer nicht heilt, das muss für unheilbar gelten.“ (Übers. Sticker 1934). Die anderen Arten der Katharsis werden am Anfang des Kommentars erwähnt, indem sie der sokratischen Methode entgegengestellt werden (siehe 6,6–12). Diese Aufzählung stimmt nicht mit der früheren Darstellung der Katharsis überein (siehe 6,6–12). Olympiodor behandelt vorher die hippokratische, die aristotelische und die pythagoreische Katharsis. Hier werden dagegen die pythagoreische, die sokratische und die peripatetische oder stoische Methode erwähnt. Dazu kommentiert Olympiodor, dass die hippokratische Methode die Gegensätze durch Gegensätze heilt, wobei die aristotelische Methode darauf beruht, dass die unterschiedlichen Seelenteile einander unter Kontrolle halten. Die pythagoreische Katharsis schlägt nach Olympiodor vor, den Affekten etwas nachzugeben, um von diesen befreit zu werden. Die hippokratische Katharsis aus dieser vorherigen Aufzählung ersetzt Olympiodor an dieser Stelle des Kommentars mit der stoischen bzw. peripatetischen Katharsis, und bezeichnet diese als die Heilung durch Gegensätze. Das ist ein

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weiterer Hinweis darauf, dass Olympiodor nicht an einer wahrheitsgemäßen Darstellung dieser Katharsis-Konzepten interessiert ist, sondern sie lediglich als Gegestück zur sokratischen Katharsis anführt (vgl. dazu Kapitel B. II.2.3.2. Die sokratische Katharsis). Das gleiche Thema wiederholt sich später im Kommentar (siehe 145,15–146,9). Die Therapie durch Gegensätze schreibt Olympiodor in verschiedenen Textstellen Hippokrates, Aristoteles sowie den Peripatetikern und den Stoikern zu. Das Thema findet sich bei den spätantiken Platonikern wie Hermeias (vgl. Herm. in Phdr. 74,17). Die Heilung durch Gegensätze hat nach Olympiodor keine Wirkung, da sie einen Affekt mit einem anderen ersetzt. Ferner vertritt Olympiodor dieThese, dass die Gegensätze wie Leid und Vergnügen und das Gute und das Böse nicht gleichzeitig existieren und gleichzeitig aufhören können, da sie per Definition die Abwesenheit ihres Gegensatzes bedeuten (vgl. Olymp. in Grg. 31; 32). Zu dieser Darstellung von Willenskraft und Begierde siehe 6,9–11. Zur Übersetzung der Begriffe für die platonischen Seelenteile vgl. 2,44–48 und Anm. 35. Wörtlich: „männlicheres Verhalten“. Olympiodor thematisiert die weiblichen und männlichen Elemente an mehreren Stellen (siehe 14,12–13; Anm. 159). Obwohl es über die Rolle der Frauen und Männer in Bezug auf die platonische Politeia mehrere Studien gibt, ist der neuplatonische Gebrauch der Begriffe über Männlichkeit und Weiblichkeit im metaphysischen Sinne ein relativ neuer Forschungsbereich. Im Allgemeinen wird das Männliche bei Platon und in der platonischen Tradition mit der Vernunft (λόγος) assoziiert. Dagegen zeigen gegenwärtige Interpretationen wie von Layne (2021), dass bei den späteren Platonikern wie Proklos auch dem Element der Weiblichkeit eine besondere produktive Kraft zugeschrieben wurde. Olympiodors Ansicht zum Thema scheint ambivalent zu sein, wie er an dieser Stelle die Überlegenheit des Männlichen und die Identifizierung der Begierde mit dem Weiblichen vertritt, an anderen Stellen hingegen auf die gleichgestellten Rollen der Frauen und Männer in der Polis hinweist (siehe 194,18–22). Olympiodor weist hier auf die Stabmetapher der stoischen Philosophie hin. Diese Darstellung wird als eine Überlieferung von Chrysipp betrachtet (SVF 3,489). Diogenes Laertios berichtet über Stoiker Zenon und seinen Schülern Chrysipp und Kleanthes, dass sie Stäbe als Symbol der moralischen Aufrichtigkeit ansehen (vgl. D. L. VII.1,127). Auch andere Platoniker gebrauchen das Beispiel der Stäbe in Bezug auf die Bewegung und dieTugenden bei den Stoikern (vgl. Simp. in Cat. 237,27–239,1). Jamblich schreibt den Pythagoreern eine Tradition zu, dass sie üppiges Essen auf den Tisch bringen, ohne selbiges zu essen, um ihre Begierde zu bestrafen (vgl. Iamb. VP 31 [187] 5–10). Dass die Pythagoreer „mit der Fingerspitze“ kosten, wird mehrmals bei Olympiodor (siehe 6,11–12; 145,20–21; in Grg. 46.1,8–12) und bei den anderen alexandrinischen Exegeten erwähnt (David Proll. 1,4–5; Phlp. in de An. 117,26–27). Vgl. Hp. Aph. 2.38: Τὸ σμικρῷ χεῖρον καὶ πόμα καὶ σιτίον, ἥδιον δὲ, τῶν βελτιόνων μὲν, ἀηδεστέρων δὲ, μᾶλλον αἱρετέον. „Getränke und Speise, ein wenig schlechter aber wohl schmeckender, sind der besseren aber widerwärtigen Kost vorzuziehen.“ (Übers. Sticker 1934). Eine bemerkenswerte Parallele zu dieser Aussage findet sich bei Olympiodor in Phd. 1.9; dass ἐλάσσονα …κακά angenommen werden muss, wenn der Körper ein Hindernis für die Seele wird, wie durch eine schwere Krankheit und dergleichen Fälle, in denen der Selbstmord vom philosophischen Standpunkt aus erlaubt wäre. Zu Pandaros siehe Hom. Il. IV,86–103; V,200–203. Olympiodor wiederholt dieses Beispiel (siehe 6,14–7,5). Zu der sokratischen Methode siehe 7,7–8 und Anm. 107. Zur Selbstgenügsamkeit (bzw. ‚Autarkie‘) siehe 31,1–4; 42,15–16. Siehe dazu 42,7–43,8.

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D. Anmerkungen Das ist die dritte Aporie – nach der ersten (52,21–23) und der zweiten (54,9–10). Proklos kommentiert zu dem Hintergrund dieser Aussage, dass Sokrates zuerst Alkibiades’ Begierde nach Macht anspricht, um ihm anschließend das Wissen beizubringen, wie man die Macht nutzt (vgl. Procl. in Alc. 155,5–12). Dies scheint eine Interpretation von Olympiodor zu sein (ähnlich in 36,14-16: ἐπιστήμης δ' ἐνούσης ἐν ψυχῇ δυνατώτερον οὐδέν, mit Verweis auf Theaitetos). Eine Grundlage dafür kann in Platons These gesehen werden, dass das Wissen (ἐπιστήμη) unbesiegbar gegen die Affekte ist (vgl. Plat. Prt. 352b; Rep. 477d–e). Die Rolle der Beweisführung für die Erkenntnis wird in der platonischen Philosophie betont (vgl. Plat. Phd. 92d). Proklos behandelt ebenfalls die Kraft des Wissens im Zusammenhang mit dem Alkibiades (vgl. Procl. in Alc. 103,10; 149,15; 155,9–10). Olympiodor erwähnt diese These mehrmals und ordnet sie dem Theaitetos zu (siehe 36,14–16 und Anm. 537). Zum Begriff σπουδαῖος siehe 38,25 und Anm. 373. Auf der Grundlage des Kontrasts zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen in der neuplatonischen Philosophie definiert Olympiodor die Selbstgenügsamkeit (Autarkie) als eine Eigenschaft der göttlichen Wesen. Siehe dazu 31,1–4 und 42,15–16. Das Wort μεγαλορρημοσύνη ist selten belegt und wird in einem negativen Sinn als „Prahlerei“ aufgefasst (vgl. Lampe). An dieser Stelle ist es nicht eindeutig negativ zu verstehen, sondern unterstreicht, dass die Stoiker anspruchsvolle Thesen aufstellten. Dass der Philosoph der ideale Herrscher sein soll, ist auch eine der Kernthesen in Platons Politeia (Plat. Rep. 473c–d). Diese Position formuliert Platon auch im Politikos (292e: δεῖ γὰρ δὴ τόν γε τὴν βασιλικὴν ἔχοντα ἐπιστήμην). Auch bei den Stoikern wurde diese Position vertreten (vgl. Chrysipp SVF 3,590; 618; D. L. VII. 121–122) und im späteren Platonismus übernommen (vgl. Iamb. Protr. 24,5–25,5). Proklos erläutert in seinem Kommentar, dass nur ein guter Mensch Herrscher sein kann (vgl. Procl. in Alc. 164,17–165,10). Das Ende der Einleitung des Dialogs ist nach Olympiodor Plat. Alc. 106b (siehe dazu 41,5). Danach beginnt der erste Abschnitt, die Widerlegung. Die Zusammenfassung dieser Bedingungen befindet sich im vorherigen Unterricht: Sokrates verlangt von Alkibiades erstens, dass er ihm zuhört, zweitens, dass er seine Fragen beantwortet (siehe 41,4–5). In diesem Abschnitt verwendet Olympiodor λόγος im Sinne von philosophischem Diskurs im Dialog, wie Platon im Phaidros (vgl. Plat. Phdr. 264b–c). Im Phaidros vertritt Platon die These, dass für jede Seele eine andere Art der Rede überzeugend ist und daher ein guter Redner zuerst die Erkenntnis über die verschiedenen Arten der Seele besitzen muss (vgl. Plat. Phdr. 271b–d). Vgl. Plat. Phdr. 264c2–5: ἀλλὰ τόδε γε οἶμαί σε φάναι ἄν, δεῖν πάντα λόγον ὥσπερ ζῷον συνεστάναι σῶμά τι ἔχοντα αὐτὸν αὑτοῦ, ὥστε μήτε ἀκέφαλον εἶναι μήτε ἄπουν, ἀλλὰ μέσα τε ἔχειν καὶ ἄκρα, πρέποντα ἀλλήλοις καὶ τῷ ὅλῳ γεγραμμένα. „Aber das wirst du doch zugeben, denke ich: dass jede Rede wie ein Lebewesen organisch aufgebaut sein und ihren eigenen Leib haben muss, so dass sie weder ohne Kopf noch ohne Füße ist, sondern Mitten und Enden hat, die so geschrieben sind, dass sie zueinander und zu dem Ganzen in einem passenden Verhältnis stehen?“ (Übers. Rufener 1958). Der Kosmos wird in der platonischen Philosophie als das Beispiel des vollkommenen und bestmöglichen Lebewesens angeführt (vgl. Plat. Ti. 92c; Plt. 269d; Plot. IV,4.36,1–10; Anon. Proleg. 209,15–20). Ausgehend von Platons Gleichnissen zwischen einer Rede und einem Lebewesen und zwischen den Lebewesen und dem Kosmos, vergleicht auch Proklos den platonischen Dialog mit dem Kosmos (vgl. Procl. in Alc. 10,2–14). Dementsprechend stellt Olympiodor den Dialog als eine Quelle für alle möglichen Arten von Menschen dar. Nach Bohle (2020, S. 118–121) stellt

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Olympiodor auf diese Weise das literarische Stilmittel ‚poikilia‘ (‚Buntheit‘ bzw. ‚Vielfalt‘) in den platonischen Dialogen heraus. Zur Definition von Poikilia siehe Bandur/Fekadu 2009. Erler (2012) weist daraufhin, dass Platon sich selbst – entgegen dieser Auffassung im Neuplatonismus – über dieses Stilmittel kritisch äußerte. Dieser Satz ist schwer zu verstehen. Offensichtlich ist die Aussage in Klammern (αἱ γὰρ τῶν πραγμάτων ἐνέργειαι οἱονεὶ φωναὶ αὐτῶν εἰσίν) als Erklärung dafür zu dienen, dass im Kosmos alles spricht und handelt. Möglicherweise wird damit auch den Dingen im Kosmos Wirksamkeit zugeschrieben, die sich sonst nicht mit Stimme äußern können. Die Wirkungen der Dinge verweisen also auf die Bewegungen und Auswirkungen der Dinge im Kosmos. Diese Wirksamkeit kann etwa im Zusammenhang mit der zuvor erwähnten Stimme als „Schlag in der Luft“ verstanden werden: Manche Dinge können sich im Kosmos nur durch ihre Eindrücke und Wirkungen äußern, wobei sich Lebewesen durch Stimme und Sprache äußern. Die Rückwendung (ἐπιστροφή) könnte an dieser Stelle eine doppelte Bedeutung haben: Einerseits wendet ein Dialog den Menschen auf sich selbst; andererseits kehren die Fragen und Antworten in einem Dialog zu einer bestimmten Frage am Anfang zurück. Zum Begriff der Rückwendung siehe 9,6–8 und Anm. 119 und zur Wiederherstellung Anm. 361; vgl. Procl. in Alc. 170,5–11; Inst. 15; 17. Eine ähnliche Stelle bei Aischines findet sich in seiner Rede gegen Ktesiphon (Aeschin. 3.192), die wahrscheinlich für Olympiodor an dieser Stelle als Vorlage dient. In dieser Rede kritisiert Aischines das vorliegende Gerichtsverfahren, da die Richter nicht aufmerksam zu sein scheinen. Diese beschreibt Aischines, dass sie „in Gedanken woanders sind, als würden sie einer Rezitation oder einem belanglosen Sachverhalt zuhören“ (οἱ δὲ δικασταὶ ὥσπερ ἐπῳδὴν ἢ ἀλλότριόν τι πρᾶγμα ἀκροώμενοι, πρὸς ἑτέρῳ τινὶ τὴν γνώμην ἔχουσιν.). Dieses Zitat wird im Kommentar wiederholt (siehe 108,9–11). Auch die anonym überlieferten Prolegomena zur platonischen Philosophie, die im Umfeld Olympiodors entstanden ist, führt dieses Beispiel an (vgl. Anon. Proleg. 15,35–50). Da Aischines in beiden Fällen explizit erwähnt wird und der Autor der Prolegomena die Textstelle ausführlicher behandelt, lässt sich daraus schließen, dass diese Rede des Aischines bei den alexandrinischen Philosophen bekannt war. Olympiodor führt dieses Zitat als Stellungnahme gegen die langatmige Rede an und gibt damit einen weiteren Hinweis auf seine intensive Beschäftigung mit der Rhetorik. Bemerkenswert ist auch, dass Olympiodor diese Aussage bei Aischines dahingehend interpretiert, dass nicht die Richter, die einschlafen (gegen die Aischines seine Kritik richtet), schuld sind, sondern der Redner, der eine ungeschickte Rede hält. Die Widerlegung folgt erst am Ende dieses Unterrichts und im 7. Unterricht. Im Folgenden gibt es zunächst weitere sprachliche Erläuterungen (λέξις). Vgl. Plat. Alc. 103a2–3. Zur Kommentierung dieses Satzes siehe 13,10–11. Proklos erläutert zur Anrede mit den Namen seiner Eltern, dass dies das ganze Leben des Alkibiades und sowohl die weiblichen als auch die männlichen Aspekte seiner Seele umfasst (vgl. Procl. in Alc. 157,3–9). Olympiodors Interpretation scheint keinen derartigen metaphysischen Schwerpunkt zu haben, sondern erwähnt ausdrücklich Alkibiades’ adlige Abstammung und seine mächtige Verwandtschaft aus beiden elterlichen Linien. Paraphrase Plat. Alc. 105b–d. Paraphrase Plat. Alc. 105a–b. Siehe 43,9–19. Die Präpositionen ‚mit‘ und ‚ohne‘ bei derAussage des Sokrates erklärt Olympiodor am Anfang dieses Unterrichts (siehe oben 54,3–8). Während Olympiodor zuvor zwischen den Wirkungen der Dinge (πραγμάτων ἐνέργειαι) und der Stimme (φωναί) der Lebewesen unterschieden hat (vgl. Anm. 550), gibt er hier die Dinge (πράγματα) als Gegenstück zu den Handlungen (ἐνεργεῖαι) an. An dieser Stelle bezeichnen

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D. Anmerkungen ἐνεργεῖαι nicht die Wirkungen von Dingen, wie vorher, sondern spezifisch die Handlungen von Menschen. Der Gegensatz zwischen Wesen und Handlungen ist ein platonisches Motiv: Nach Proklos ist die Seele das wahre Wesen des Menschen, dagegen befinden sich ihre Handlungen (ἐνεργεῖαι), die mit dem Körper verbunden sind, auf der Ebene der Sinneswahrnehmungen (vgl. Procl. Inst. 9; in Alc. 157,10–13). Zur Bedeutung von κυρίως siehe oben 53,21 und Anm. 515. Vgl. Plat. Ap. 30b–c. Die gleiche Textstelle wurde in diesem Unterricht bereits erwähnt (siehe 53,18–22). Paraphrase Plat. Alc. 105d. Die These, dass Gott nichts vergeblich macht, wird von Aristoteles formuliert (vgl. Arist. Cael. 271a33: Ὁ δὲ θεὸς καὶ ἡ φύσις οὐδὲν μάτην ποιοῦσιν. „Der Gott und die Natur machen nichts ohne Grund“.). Bei seiner Deutung der gleichen Stelle gibt Proklos ebenfalls dieses Zitat von Aristoteles an (vgl. Procl. in Alc. 162,15–18). Die Auffassung über einen bestimmten Zweck der Lebewesen lässt sich mit der platonischen Ansicht über den Kosmos als ein Lebewesen verknüpfen. Ausgehend von dieser Grundlage wird in der platonischen Exegese auch die Theorie über dieAbsicht (σκοπός) der platonischen Philosophie erläutert. Siehe dazu Kapitel B. II.1.3.1: Die Absicht (σκοπός). Zum Begriff σπουδαῖος siehe oben 38,25 und Anm. 373. Die Grundlage für diese Aussage und für die Erklärung der damit verbundenen Analogie scheint bei Proklos zu sein (Procl. in Alc. 159,11–22). Während Proklos bei seiner Erklärung auf die ontologische Zuordnung des Sokrates zwischen dem Göttlichen und Alkibiades hinweist, betont Olympiodor an dieser Stelle die Überlegenheit durch die Funktion als Ratgeber: Wie Alkibiades gegenüber den Bürgern, so ist Sokrates gegenüber Alkibiades und der Gott gegenüber Sokrates in einer ratgebenden Funktion. Olympiodor stellt die Methoden der Philosophie und der Rhetorik durch den Unterschied zwischen dem Dialog und der Rede einander gegenüber. Diese literarischen Formen benutzen auch verschiedene Methoden der Beweisführung: Während ‚die Hinweisung‘ (ἔνδειξις) eine Analogie zwischen einem sichtbaren Zeichen und dem unsichtbaren Bezeichneten bedeutet, bezieht sich ‚die Vorzeigung‘ (ἐπίδειξις) auf die Vorstellung der Beweise. Ferner baut sich die Demonstration bei ἐπίδειξις auf die allgemein bekannten Ansichten der Zuhörer auf, wie Platon im Gorgias darstellt. Für ἔνδειξις ist eine Interaktion im Dialog nötig, während bei ἐπίδειξις die Zuschauer nicht beteiligt sind. Für diese Unterscheidung kann bei Platon keine theoretische Erklärung gefunden werden, sondern ausgehend von dem unterschiedlichen Sprachgebrauch in den platonischen Dialogen lässt sich dies schließen. Platon verwendet ἐπίδειξις für die Reden oder Beweistechniken der Sophisten, wie des Gorgias (vgl. Plat. Grg. 447a; 449c), des Lysias (vgl. Plat. Phdr. 235a) oder des Protagoras (vgl. Plat. Prt. 320b). Im Protagoras stellt Platon eine langatmige Rede den kurzen Antworten im Dialog gegenüber (vgl. Plat. Prt. 234c–235c). Auch Aristoteles behandelt ἐπίδειξις als eine Art Rede, die den Zuhörer nicht zu Urteil oder Entscheidung auffordert, sondern ihn in die Rolle des bloßen Zuschauers versetzt (vgl. Arist. Rh. 1358b). Paraphrase Plat. Alc. 105e. Plat. Alc. 105d. Dieses Lemma wurde oben behandelt (siehe 58,1–5). Plat. Alc. 103a7. Sokrates spricht an dieser Stelle von Daimonion (siehe dazu 26,17–21; 15,1 und Anm. 165). Paraphrase Plat. Alc. 105e7–8. Plat. Alc. 106a1–2. Olympiodor interpretiert die Einführung des Gottes in den Dialog als eine strategische Entscheidung von Sokrates. Die Aussage, dass der Gott dem Gespräch zugestimmt hat, soll Alkibiades dazu bringen, sich von der Argumentation des Sokrates überzeugen zu lassen.

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Plat. Alc. 106a3–4. Das Adjektiv ἄτοπος bezeichnet ein sinnloses oder absurdes Verhalten (vgl. Plat. Cra. 391c; Phd. 68d). Im Gorgias benutzt Kallikles ἄτοπος für Sokrates, im Sinne von ‚seltsam‘ (vgl. Plat. Grg. 494d). Der Begriff ist ambivalent, da ‚etwas Ortloses und Fremdes‘ sowohl positiv als ‚außergewöhnlich, auffällig‘ (wie Olympiodor an dieser Stelle), als auch als ‚unangenehm, unpassend‘ interpretiert werden kann. Proklos deutet diese Aussage auf gleiche Weise und betont, dass nur die guten Menschen genauso bewundernswert sind, wenn sie schweigen, als wenn sie sprechen (vgl. Procl. in Alc. 165,11–12). Zu der Rolle der ‚Erleuchtung‘ (ἔλλαμψις) für die platonische Erkenntnistheorie siehe 21,10 und Anm. 207. Proklos kommentiert zu dieser Stelle, dass die Menschen die Götter mehr verehren, wenn sie ihre Erleuchtung wahrnehmen, als wenn sie auf andere Weise Erkenntnis über diese Götter haben. Durch seine Erscheinung ähnelt sich der Philosoph den Göttern (vgl. Procl. in Alc. 166,1–6). Zur Erleuchtung in Bezug auf Erkenntnis siehe Kapitel B. II.3.1. Die göttliche und menschliche Erkenntnis. Die Bezeichnung einer Erkenntnis als ‚hypothetisch‘ bedeutet einerseits, dass sie auf Hypothesen beruht, andererseits wird dadurch die Unsicherheit dieser Erkenntnis betont. Olympiodor verwendet den Begriff ‚unhypothetisch‘ stets in Bezug auf die sokratische Philosophie (siehe 41,3; 47,6; 61,1), dagegen betrachtet er die Aussagen des Alkibiades als ‚hypothetisch‘ im Sinne von zweifelhaft und ambivalent. Auch Proklos deutet darauf, dass Alkibiades hier eine ambivalente Antwort gibt (vgl. Procl. in Alc. 166,18–167,10). Die Quelle dieses ‚Gesetzes‘ ist unbekannt. Eine Darstellung der Gesetze von Kleisthenes bei Aristoteles (vgl. Arist. Ath. 22,1) überliefert, dass Ostrakismos aus diesem Grund eingeführt wurde, um die Machtergreifung eines einzelnen Mannes zu verhindern. Paraphrase Plat. Alc. 106a. Olympiodor vertritt an dieser Stelle eine teleologische Ansicht des Kosmos und stellt ein ‚vollkommeneres‘ (τελειότερος) Wesen vor, das ontologisch dem weniger Vollkommenen überlegen ist. Dieses Verhältnis zwischen dem Unvollkommenen und dem, was es zur Vollkommenheit bringt, erwähnt Olympiodor im vergangenen Unterricht (siehe 39,11–15). In diesem Unterricht erläutert Olympiodor, dass alles im Kosmos nach einem Zweck (τέλος) geschieht (siehe dazu 58,5). Die Theorie der Ursachen besitzt eine wesentliche Stellung bereits in der Philosophie vor Sokrates. Bei der Untersuchung der Ursachen, die dem Zweck und der Ordnung im Kosmos zugrunde liegen, wurden verschiedene Urprinzipien festgestellt, wie Wasser bei Thales (vgl. Arist. Metaph. 983b6–33) oder Nous bei Anaxagoras (Fr. 59 B12 DK). Platon erläutert die Theorie der Ursachen ausgehend von Anaxagoras und unterscheidet zwischen einer erscheinenden und einer tatsächlichen Ursache (vgl. Plat. Phd. 97b–102a). Es gibt eine wahre Ursache (auch ‚erste Ursache‘ genannt) und eine Art sekundäre Ursache (συναίτιον: ‚Mitursache‘), die die Wirkung der ersten Ursache ermöglicht (vgl. Plat. Rep. 281d1–e5). Ausgehend von dieser Grundlage weist die instrumentale Ursache auf die Mittel und Wege, die die Wirkung einer schaffenden Ursache ermöglichen. Die letztere bezeichnet dagegen die erste und wahre Ursache. Zu den Ursachen im Gorgias-Kommentar siehe Bohle 2020, S. 150–208. Die Wirkursache, wörtlich „schaffende Ursache“ (τὸ ποιητικὸν αἴτιον) wird besonders im Kontext der aristotelischen Theorie als eine der vier Ursachen behandelt (Materialursache oder die Stoffursache, Formursache, Wirkursache, Zweckursache, vgl. Arist. Ph. 195a15–26). In der neuplatonischen Theorie werden die Arten der Ursachen weiterhin differenziert und in wahre und scheinbare Ursachen (‚Mitursachen‘) aufgeteilt. Die Mitursachen werden dabei als materielle Ursachen aufgefasst, die sich in der physischen Welt befinden (vgl. Procl. in Prm. 888,20; Inst. 70,30–72,1; 75). Im wahren Sinne sind nur die immateriellen, intelligiblen und transzendenten Ursachen als Ursachen zu bezeichnen (vgl. Procl. in Ti. I.414,2–4). Die drei

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D. Anmerkungen wahren Ursachen nach Proklos sind: 1. Wirkursache, 2. Ziel- oder Zweckursache und 3. Paradigmatische Ursache. Diese werden von drei „Begleitursachen“ oder „Mitursachen“ gefolgt: 4. Formale Ursache, 5. Materialursache und 6. Instrumentale Ursache. Diese Ursachen stehen in einer ontologischen Reihenfolge, die mit der Wirkursache als die erste und überlegenste Ursache anfängt und bis zur instrumentalen Ursache absteigt. Olympiodor erläutert an dieser Stelle die erste und letzte dieser Ursachen: Die Präposition διά (‚durch‘) mit Genitiv stellt das Werkzeug einer Handlung dar und daher ist es geeignet für die instrumentale Ursache. Dagegen wird die Wirkursache mit der Präposition σύν (‚mit‘) eingeführt, die auf das Zusammensein der vollkommeneren Seelen mit ihrer göttlichen Ursache deutet. Proklos interpretiert die Aussage ‚durch dich‘ bezüglich des Wesens, das mit dieser Ursache verbunden ist. Daher wird die schaffende Ursache („mit Gottes Hilfe“) dem Gott, dagegen die instrumentale Ursache („durch dich“) Sokrates zugeordnet (vgl. Procl. in Alc. 168,17–169,8). Olympiodor bezieht sich dagegen auf den Sprecher: Da Sokrates vollkommener als Alkibiades ist, benutzt er die Aussage der Wirkursache; dagegen kann Alkibiades nur an die instrumentale Ursache denken. Platon vertritt diese Ansicht, dass die Seele in einem vollkommenen Zustand (τελέα) den Kosmos verwaltet, dagegen diejenige Seele, die ihr Gefieder verliert, in die sinnlich wahrnehmbare Ebene absteigt (vgl. Plat. Phdr. 246b–c). Ausgehend von der platonischen Philosophie klassifizieren die Neuplatoniker die Seelen nach ihrer Vollkommenheit (vgl. Iamb. Myst. II,7; Plot. V.1,8). Proklos nennt mehrere Stufen der Seele, von denen die Einzelseele, die sich auf den Menschen bezieht, grundsätzlich weniger vollkommen als die Seele auf der göttlichen Ebene ist (vgl. Procl. in Alc. 32,15–20). Vollkommene Seelen können anderen Seelen durch Wahrsagung oder Ritualen helfen, während weniger vollkommene Seelen sich auf die Erscheinungen der sinnlich wahrnehmbaren Ebene richten und dadurch aufsteigen müssen (Procl. in Alc. 33–34). Zu dieser Darstellung der Strafe durch die anderen Seelen vgl. Plat. Lg. 870d–e; Plu. Moralia 550a; Procl. De prov. 49. Vgl. Plat. Alc. 106a9: πῶς διὰ σοῦ μοι ἔσται καὶ ἄνευ σοῦ οὐκ ἂν γένοιτο; „Wie wird ihre Verwirklichung durch dich zustande kommen und ohne dich wohl nicht?“ (Übers. Döring 2016). Nach Proklos deutet Sokrates mit dieserAussage auf die Unterschiede zwischen einer Rede und einem philosophischen Dialog: Obwohl Alkibiades an die Struktur der Reden gewöhnt ist, versucht Sokrates durch die kurz abwechselnden Fragen und Antworten im Dialog die Aufmerksamkeit seines Gesprächspartners aufrechtzuerhalten. Während die erste Art und Weise der Rede den Zuhörer auf den Einfluss des Redners offen macht, ist es für die Sprecher in einem Dialog nicht der Fall, da sie am Prozess der dialektischen Argumentation aktiv beteiligt sind (vgl. Procl. in Alc. 169,17–170,5). Das Adjektiv ῥητορικός kann für die Personen im Sinne von „redebegabt, zum Redner geeignet“ aufgefasst werden. An verschiedenen Stellen habe ich dieses Adjektiv über Alkibiades mit „rednerisch begabt“ oder „in Rhetroik ausgebildet“ übersetzt. Alkibiades’ rhetorische Bildung wird bei den Platonikern als eine positive Eigenschaft hervorgehoben (vgl. Plu. Alc. 10,2–3). Vgl. Plat. Alc. 106b2–3. Der Gebrauch des Verbs ἐνδείξασθαι (ἐνδείκνυμι: hinweisen) mag hier auf eine spezielle Art der Beweisführung in den platonischen Dialogen deuten. Die ‚Hinweisung‘ (ἔνδειξις) unterscheidet sich von ἐπίδειξις (Vorzeigung, Schaustellung) und ἀπόδειξις (Aufzeigung, Darlegung, Demonstration im Sinne von endgültiger Beweisführung) darin, dass hierbei ein Schluss von einem sichtbaren Zeichen auf ein unsichtbares Gezeichnete erfolgt. In diesem Sinne verwendet Proklos ἔνδειξις als eine Art Analogie; siehe Maróth 1998, S. 63. Auf der anderen Seite stellt Galen ἔνδειξις in dem Sinne dar, dass es im Gegensatz zu

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ἀπόδειξις keine apodeiktischen Erkenntnisse, sondern nur wahrscheinliche und allgemein angenommene Thesen ergibt. Diese Art der Beweisführung entstammt der Geometrie und deutet auf Grund einer allgemeinen These auf einen konkreten Fall. Die Quelle von ἔνδειξις ist meistens eine Erfahrung, wohingegen ἀπόδειξις auf Axiomen und bewiesenen Thesen beruht. Die Vorzeigung (ἐπίδειξις) ferner bezieht sich auf die Sichtbarkeit der Beweise und deutet auf das rhetorische Verfahren, bei dem die Beweise vorgestellt und der Gesprächspartner in die Lage des Zuschauers versetzt wird; vgl. Maróth 1981, S. 57–60. An dieser Stelle wird mit ἐνδείξασθαι ein Hinweis auf die Erkenntnis gegeben, die in der Seele zwar zuerst unsichtbar ist, aber durch die sichtbaren Argumente im Dialog wiedererkannt wird. Nach Olympiodor zeichnet sich die sokratische Philosophie dadurch ab, dass sie nicht auf hypothetische Grundlagen, sondern auf Gemeinbegriffen beruht (κοιναὶ ἔννοιαι, siehe 40,19). Deswegen fordert Sokrates nicht viel (siehe 41,3; 47,5–6). Dies wird an dieser Stelle auch als eine Philosophie ‚ohne viele Argumentationsschritte‘ bezeichnet. Für die Quellen dieser Darstellung bei Platon und im Platonismus siehe 40,19 und Anm. 400. Siehe oben 56,6–57,4. Olympiodor erwähnt es als die Ansicht des Aristoteles, dass das Selbstbewegende überlegener zu dem Fremdbewegten ist (siehe 11,14). Bereits Platon betrachtete die Selbstbewegung als überlegen (vgl. Plat. Phdr. 245c–246a). Im Neuplatonismus wurde die aristotelische Bewegungstheorie in die platonische Seelenlehre integriert. Demnach wird die Seele als das Prinzip der Selbstbewegung im menschlichen Wesen gekennzeichnet, was bei der Rückwendung (ἐπιστροφή) und Wiederherstellung (ἀποκατάστασις) der Seele eine wichtige Rolle einnimmt (vgl. Procl. Inst. 40–51; 80–83). Das folgende Beispiel über Thrasymachos befindet sich nicht im Gorgias, sondern in der Politeia (vgl. Plat. Rep. 336b–354b). Im kommenden Abschnitt erwähnt Olympiodor auch Polos und Kallikles, die zwei Sprecher im Gorgias sind. Nach Westerink (1982, S. IX) führt Olympiodor diese mit Thrasymachos zusammen, da er sie gemeinsam als die Darsteller der Sophistik in den platonischen Dialogen betrachtet (wiederholt im 9. Unterricht, siehe 86,2; vgl. Olymp. in Grg. 1.1,18–19; 7.1,10–11; 92.1,8–14). An dieser Stelle wird der Begriff θυμός im engeren und deutlich negativen Sinne als ‚Zorn‘ verwendet. In den platonischen Dialogen wird θυμός öfter als ‚Mut‘ aufgefasst; vgl. Plat. Rep. 375b2 bei Rufener (1991). Andere Übersetzungen wiedergeben θυμός mit „Zorn“; vgl. Plat. Lg. 649d5 bei Schöpsdau (1994) und Plat. Rep. 440c4 bei Apelt (1923). Als „Zornesmut“ wird θυμός mit der Tatkraft verglichen, „welche da hervortritt, wo die Gewalt und Gemütsbewegungen wie Zorn, Schrecken usw. die willkürliche Tat bestimmen“ (Apelt 1923, S. 448, Anm. 46). Während Mut und Zorn einzelne, konkrete Affekte sind, scheint eine Übersetzung, die auf den Sitz der gesamten Affekte deutet, den Umfang des Thymos im Altgriechischen näher zu repräsentieren (siehe zur ‚Willenskraft‘ 54,18–20 und Anm. 527). Zur Identifizierung des Thrasymachos mit dem Machtstreben und reaktionierendem Verhalten als Eigenschaften des Thymos in der Politeia siehe Wilson 1995. Thrasymachos ist ein Redner des 5. Jh. v. Chr., den Platon in der Politeia als einen der Sophisten schildert (vgl. Plat. Rep. 336b; 354b). In diesem Dialog lässt Platon Thrasymachos die These vertreten, dass das Gerechte nichts anderes sei als das, was dem Stärkeren nützlich ist (vgl. Plat. Rep. 338c). Daher symbolisiert Thrasymachos, nach Kerferd/Flashar (1998, S. 54) das Recht der Stärkeren oder den Gebrauch der philosophischen Argumentation für den Vorteil der Mächtigeren. Kallikles wird im Gorgias als ein athenischer Sophist und Politiker dargestellt (vgl. Plat. Grg. 481b–527e), wobei er auch nur als eine fiktive Figur gedient haben könnte, um einige sophistischen Ansichten zu vertreten. Nach Platons Darstellung hielten Gorgias und sein Schüler Polos aus Sizilien sich in Athen als Gäste des Kallikles auf. Dieser verteidigt eine

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D. Anmerkungen ähnliche These über ‚das Recht des Stärkeren‘ wie Thrasymachos. Für Olympiodors Erwähnung der Vergnügungsliebe kann die Quelle eine Ansicht des Kallikles sein, dass die Begierden zu befriedigen eine Tugend ist, wenn sie mit Macht unterstützt werden (Plat. Grg. 492b–492c). Polos von Akragas war ein Sophist und Redner des 5. Jh. v. Chr., der bei Platon als Begleiter des Gorgias in den Dialog mit Sokrates tritt. Im Gorgias wird das Konzept der Ehrliebe (φιλότιμον) in Bezug auf Polos nicht behandelt (vgl. Plat. Grg. 461b–481b). Dennoch stellt Olympiodor Polos als eine Charakterisierung für die Ehrliebe dar (vgl. Olymp. in Grg. 5,27–28). Diese Aussage deutet wahrscheinlich auf die These des Protagoras, dass jede Erscheinung (φαντασία) wahr sei, die Platon kritisierend darstellt (vgl. Plat. Tht. 170c–171c). Olympiodors Auffassung über Protagoras ist auch in seinen anderen Kommentaren ähnlich. Im GorgiasKommentar vertritt er die Ansicht, dass Protagoras die sophistische These verteidigt, dass nichts falsch, sondern alles wahr ist, und die Erkenntnis auf Sinneswahrnehmungen beruht (οὕτω γοῦν καὶ Πρωταγόρας σοφίζεται ὅτι οὐδέν ἐστι ψεῦδος ἀλλὰ πάντα ἀληθῆ ἐστίν, καὶ ὅτι ἡ αἴσθησις ἐπιστήμη ἐστίν, Olymp. in Grg. 13.2,24–26). Auch nach Proklos befindet sich Sokrates in einem höheren ontologischen Rang als Alkibiades, da er die Erkenntnis besitzt, die Alkibiades nicht hat (vgl. Procl. in Alc. 172,23–173,1). Proklos erklärt zu dieser Stelle, dass Alkibiades das in der Tat für eine schwierige Aufgabe hält, sowohl im Hinblick auf die Größe der Unternehmung als auch im Hinblick auf seine eigenen Fähigkeiten (Procl. in Alc. 173,2–4). Vgl. Plat. Alc. 106b8–9. Vgl. Plat. Alc. 106b10. Auf ähnliche Weise thematisiert Proklos die Schwierigkeit eines Dialogs mit einem erfahrenen Sophisten (vgl. Procl. in Alc. 171,9–18). Bemerkenswert ist an dieser Stelle Olympiodors Darstellung des Aristoteles als „Eristiker“. Dies steht im Widerspruch zu Aristoteles’ Kritik an der Eristik als einer sophistischen Methode und einem Trugschluss, der nur darauf abzielt, unter allen Umständen zu gewinnen (vgl. Arist. SE 171b24–25). Aristoteles wurde von den Platonikern wegen seiner Ablehnung der platonischen Philosophie als Eristiker bezeichnet, wie etwa von Syrianos (vgl. Syrian. in Metaph. 1,25–2,3). Die Bezeichnung für jemanden, der Geburtshilfe leistet (ὁ μαιευτικός), wird im übertragenen Sinne für jemanden verwendet, der die Methode einer Hebamme (μαῖα), die auch als Mäeutik bekannt ist, in einem anderen Bereich anwendet. In der platonischen Philosophie wird die Mäeutik mit der sokratischen Methode identifiziert, die verborgene Erkenntnis der Gesprächspartner durch Fragen und Antworten im Dialog wieder in den Vordergrund zu bringen. Platon beschreibt Sokrates als den Sohn der Maia und als eine ‚philosophische Hebamme‘ (vgl. Plat. Tht. 151c: μαιευτικόν; Tht. 161e: ἡ μαιευτικὴ τέχνη). Ausgehend von dieser Darstellung bezeichnet Diogenes Laertios den Alkibiades als einen ‚mäeutischen Dialog‘ (vgl. D. L. III. 59,2). Auch nach Proklos ist Sokrates im Theaitetos als μαιευτικός anzusehen (vgl. Procl. in Alc. 28,4). Vgl. Plat. Alc. 106c2. Vgl. Plat. Alc. 106c2–3. Ab dieser Stelle beginnen Kommentare zu dem ersten Abschnitt des Dialogs (Plat. Alc. 106c–119a), den Olympiodor als Widerlegung (ἔλεγχος) bezeichnet. Die sokratische Widerlegung oder „Elenktik“ besteht nicht nur aus der Widerlegung der Argumente des Gesprächspartners, sondern umfasst auch die Fragen und Antworten im Gespräch, mit denen die Argumente geprüft, Beweise erbracht und die endgültige Widerlegung präsentiert werden. Die Eigenschaften eines guten Redners ist ein geläufiger Topos der antiken Rhetorik. Nach Aristoteles muss ein guter Redner den Verstand (φρόνησις), die Tugend (ἀρετή) und die gute Gesinnung (εὔνοια) besitzen (vgl. Arist. Rh. 1378b7–20). Proklos erwähnt die drei Eigenschaften eines guten Beraters als ein Vorhaben (προαίρεσις), das aus dem Guten stammt; die richtige Erkenntnis für dieses Vorhaben (ἐπιστήμη) und die Durchsetzungskraft (δύναμιν

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νεανικωτάτην), um dieses Ziel zu erreichen (vgl. Procl. in Alc. 184,11–185,4). Olympiodor behandelt dieses Thema auch in seinem Kommentar zum Gorgias, indem er die drei Eigenschaften des guten Beraters als Erkenntnis (ἐπιστήμη), gute Gesinnung (εὔνοια) und Redefreiheit (παρρησία) angibt (vgl. Olymp. in Grg. 27.2,3–10). Olympiodor fasst Sokrates’ Argumentation in Form einer logischen Schlussfolgerung auf, die aus zwei Prämissen gezogen wird und vom Allgemeinen zu dem Spezifischen herleitet. Proklos formuliert den gleichen Syllogismus wie folgt: Ein guter Berater muss Erkenntnis haben, die Erkenntnis ist durch Lernen und Finden möglich. Aus diesen zwei Prämissen wird der Schluss gezogen, dass Alkibiades kein guter Berater ist (Procl. in Alc. 176,10–178,24; 187,19–188,15). Olympiodor weist – wie Sokrates im Dialog (Plat. Alc. 106d) – mehrmals auf den Unterschied zwischen den zwei Wegen der Erkenntnis hin: Das ‚Lernen‘ (μάθησις) steht im Gegensatz zum Finden (εὕρεσις) oder Herausfinden (ἐξευρεῖν). Diese Terminologie beruht auf dem platonischen Gebrauch von μανθάνειν als das Passiv von διδάσκειν, den Tarrant (1990) darlegt (vergleicht dazu Plat. Men. 70a3; Prt. 319c1 und 320b6–8). Sokrates nennt auch in Platons Phaidros die zwei Wege, durch die die Seelen ihren eigenen Gott und die dazu angemessene Art der Liebe erkennen, als Lernen und selbst der Sache nachzugehen (αὐτοὶ μετέρχονται, Plat. Phdr. 252e). Während Olympiodors folgende Beschreibung für Finden bzw. Entdecken der Geburt der Erkenntnis im Sinne von Anamnesis entspricht, ist die Lehre insofern überlegener zu dieser Erkenntnis, wenn sie von den Göttern stammt. Am Anfang des Kommentars stellt Olympiodor diesen Zusammenhang zwischen der Erkenntnis und der Bewegung her (siehe 11,10–15). Zur Selbstbewegung und Fremdbewegung siehe 7,12–8,12; 11,14 und Anm. 111. Damit verweist Olympiodor auf die Darstellung des Hermes in der antiken Dichtung (vgl. Hom. Od. 14,435; Hes. Th. 938–939). In der platonischen Philosophie spielt Hermes als der Sohn der Maia und als Entdecker und Erfinder eine metaphorische Rolle bei der Erklärung der Erkenntnis. Siehe dazu 12,10 und vgl. Plat. Cra. 407e–408a; Procl. in Alc. 187,19–188,2. Eine ähnliche These wird im Alkibiades von Sokrates vertreten, dass von einer überlegeneren Kraft beherrscht zu werden dem selber Herrschen vorzuziehen ist (vgl. Plat. Alc. 135b). Ausgehend von der platonischen Philosophie vertreten auch die spätantiken Platoniker die These, dass die Führung des Gottes besser als die Selbstbewegung der Seele ist (vgl. Iamb. Myst. III,7; Procl. in Alc. 188,1–15; Herm. in Phdr. 86,15–20). Hier wird Alkibiades in der 3. Person erwähnt, womit eine Zusammenfassung ausgehend von den vorherigen Aussagen des Dialogs erkennbar wird. Im griechischen Text sind die Sätze in Anführungszeichen gesetzt: Dies deutet nicht unbedingt darauf hin, dass hier jemand zitiert wird, sondern dient dazu, die Schlussfolgerung nach εἶτα in ihrer Gesamtheit anzuführen und von den anderen Ausführungen abzuheben. Zu dieser Schlussfolgerung vgl. Procl. in Alc. 179,1–180,3. Durch Zusammensetzung bzw. Aufeinanderfolge (συνθετικῶς) von mehreren Schlüssen wird von spezifischen Begriffen auf allgemeinere geschlossen. Im Gegensatz dazu können auf analytische Weise bzw. durch Auseinanderlösung (ἀναλυτικῶς) allgemeine Begriffe in ihre Teile zerlegt werden, so dass spezifische Begriffe erkennbar werden. Die erste Methode ist in der Philosophie auch als Induktion bekannt, die zweite als Deduktion. Das Vorgehen bei der ersten ist eine Art Abstieg nach unten, die zweite wiederum gleicht einem Aufstieg vom Spezifischen zum Allgemeinen. In der spätantiken Philosophie wird der Unterschied zwischen diesen Arten der Schlussfolgerung oft behandelt. Eine ἀνάλυσις ist eine Schlussfolgerung ausgehend von den ersten Prinzipien oder aus dem Universellen zu dem Spezifischen; dagegen ist σύνθεσις umgekehrt die Schlussfolgerung zu den ersten Prinzipien. Proklos nennt die zwei Arten des Syllogismus ‚bejahend‘ (ἀποφατικός) und ‚verneinend‘ (καταφατικός). Ein beja-

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D. Anmerkungen hender Syllogismus führt ausgehend von dem Vollkommeneren zu dem weniger Vollkommenen und ist daher ein Abstieg; ein verneinender dagegen führt zu den vollkommeneren ersten Prinzipien und ist daher ein Aufstieg (vgl. Procl. in Alc. 180,17–19). Dementsprechend vergleicht Olympiodor diese zwei Syllogismen mit dem Abstieg und Aufstieg der Seele. Proklos gibt diesen Syllogismus an (vgl. Procl. in Alc. 177,19–178,10). Zur Gewandmetapher in diesem Kommentar siehe Anm. 57 und 97. Hom. Od. 22,1 (Übers. Schadewaldt 1958). Dieser Vers wird im Kommentar mehrmals zitiert (siehe 5,11; 51,10). Die folgende Argumentation wird auch von Proklos angeführt (vgl. Procl. in Alc. 200,13–203,13). Proklos zitiert dabei nicht Sokrates, sondern analysiert den theoretischen Inhalt: Sokrates zeigt in seinen Argumenten, dass Alkibiades weder über die Themen beraten kann, die er zu wissen glaubt, noch über die Themen, die die Athener brauchen. Zudem ist sein Schwerpunkt nach Proklos nicht derjenige eines Politikers, sodass er nicht den Nutzen dieser Themen für die Polis untersucht, sondern nur ihre Methode hinterfragt. Olympiodor stellt diese Argumentation als eine Aussage von Sokrates dar. Olympiodor bezieht sich auf Hom. Il. I,62–67. Dieser Vers ist ein Teil des Orakelspruchs, der im Rahmen der Schlacht von Salamis (480 v. Chr.) überliefert wird. Nach Herodots Darstellung fragt Themistokles aufgrund der unterlegenen Zahl der Athener das Orakel von Delphi um Rat und bekam die Antwort: „Eine Mauer aus Holz gibt der Tritogeneia Zeus, der weithin Blickende“ (τεῖχος Τριτογενεῖ ξύλινον διδοῖ εὐρύοπα Ζεύς, Hdt. VII.141,3). Themistokles interpretierte die „Mauer“ aufgrund der Tatsache, dass das Holz Baumaterial für die Schiffe ist, als Herstellung einer Kriegsflotte. Auch Plutarch erzählt von diesem Orakel (Plu. Them. 18–19). Dieser Satz aus dem Orakelspruch wird in den platonischen Kommentaren und bei Olympiodor an einer anderen Stelle dieses Kommentars verwendet (siehe 224,17; vgl. Syrian. in Hermog. II.203,5–7; Elias in Cat. 126,21). Das ist eine geläufige Definition der Philosophie im spätantiken Platonismus. Ursprünglich wurde bei Platon und Aristoteles das Wissen eines Politikers als die höchste der Wissensbereiche dargestellt, der in der Tat dem Bereich der Philosophie entspricht (vgl. Plat. Rep. 304c–d; Arist. EN 1094a1–b1). Auch diese Aussage ist eine der zahlreichen Definitionen der Philosophie, die Ammonios in seinem Kommentar zu Porphyrios’ Isagoge mehrmals vorstellt (Ammon. in Porph. 6,25-27; 7,13; 9,6; 23,7-8; vgl. in APr. 10,18-19). Zu den anderen Definitionen siehe Anm. 239, 400 und 402. Die Übersetzung von τέχνη mit „Kunst“ dient hier dazu, die Prägnanz der Definition im Griechischen zu erhalten. An mehreren Stellen habe ich dieses Wort jedoch seinem breiteren Bedeutungsspektrum entsprechend mit „Wissensgebiet“ oder „fachliche Fertigkeit“ oder „Fachgebiet“ übersetzt. In den platonischen Dialogen unterscheidet Sokrates zwischen der einfachen und der doppelten Unwissenheit: Doppelte Unwissenheit bedeutet, etwas nicht zu wissen, während man glaubt, dieses Wissen zu haben. Daher ist es ein Grund für Fehler, wobei einfache Unwissenheit kein Grund für Fehler sein kann, da jemandem in dieser Situation bewusst ist, dass er nicht weiß (vgl. Pat. Lg. 863c). Zur doppelten Unwissenheit bei Proklos vgl. Procl. in Alc. 9; 13; 89; 102. Olympiodor zitiert fast wortwörtlich aus Plat. Alc. 107b9–10: εἰδότος γὰρ οἶμαι περὶ ἑκάστου ἡ συμβουλή, καὶ οὐ πλουτοῦντος. Für dieses Zitat siehe die folgenden Stellen: 69,18–20; 70,15–16; 76,16–17; 128,20; 181,12–13. Diese sind drei Fächer, die Olympiodor auch im Platons Leben erwähnt hat (siehe 2,44–48). Auch Proklos behandelt diese drei als gewöhnliche Fächer der Bildung im klassischen Athen (vgl. Procl. in Alc. 193,21–196,1). Zu den Seelenteilen siehe 2,44–48 und Anm. 35.

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Vgl. Plat. Alc. 106e. Auch in anderen Dialogen stellt Platon den Aulos als ein ungeeignetes Instrument für Bildung dar (vgl. Plat. Phlb. 56a; Lg. 700d). Bei den Platonikern wird dieses Thema aufgenommen und auch im Zusammenhang mit Alkibiades’ Bildung erwähnt. Nach Plutarch hat Alkibiades nicht gelernt, Aulos zu spielen, da er das unwürdig fand (Plu. Alc. 2,4). Olympiodor bezieht sich mehrmals auf dieses Thema (siehe 2,50; 11,15–20). Dieser Gebrauch des Begriffs ἐνθουσιαστικός deutet nicht auf die Inspiration im philosophischen Sinne (wie die Inspirationen aus der platonischen Philosophie am Anfang des Kommentars, 1,9–2,13), sondern auf die mystische Erfahrung als einen Gegensatz zum rationalen Denken, das Olympiodor mit der Bildung (παίδευσις) identifiziert. Der Begriff λόγος wird sowohl im Sinne der Sprache als auch der Vernunft bzw. des rationalen Denkens verwendet. Da beim Spielen vom Aulos gleichzeitig zu sprechen nicht möglich ist, ist dieses Instrument nach Olympiodor mit der Sprache und daher auf eine gewisse Weise mit der Vernunft unvereinbar. Dagegen sind die Saiteninstrumente mit dem logischen Denken im Einklang, da diese das Sprechen nicht verhindern. Nach Olympiodor ist es gewöhnlich, beim Kitharaspielen zu singen; daher sei das Wort ‚Kitharodie‘ bzw. ‚Kithara-Gesang‘ ein bekanntes Wort. Dagegen weist er daraufhin, dass es das Wort ‚Aulodie‘ nicht gibt: Denn dies drückt einen Widerspruch aus, da gleichzeitig Aulos zu spielen und zu singen unmöglich ist. Dieser Gegensatz wird in den platonischen Dialogen thematisiert (vgl. Plat. Lg. 700d). Auch an dieser Stelle hat λόγος den Sinn gleichzeitig als Vernunft und Sprache (siehe oben 66,6). Die Geschichte über Athene und Aulos wird bei Plutarch überliefert (vgl. Plu. Alc. 2,5) und auch von Proklos erwähnt (Procl. in Alc. 197,1–8). In einer Reihe von Formulierungen spricht Olympiodor metaphorisch über abstrakte Begriffe und vergleicht sie mit den konkreten Phänomenen. Die Beschreibung der Sprache als Gesicht des Nachklangs (πρόσωπον τῆς ἀπηχήσεως ὁ λόγος) verstehe ich im Zusammenhang mit vergleichbaren Fällen wie Wirksamkeiten der Dinge als ihre Stimme (56,20: τῶν πραγμάτων ἐνέργειαι οἱονεὶ φωναὶ αὐτῶν; siehe Anm. 550). Eine weitere Grundlage für die Darstellung der Sprache als Gesicht des Nachklangs findet sich in der Definition des Tons bei Dionysios Thrax als „Nachklang des anpassenden Lautes“ (vgl. D.T. 1.1.6,15–7,2: Τόνος ἐστὶν ἀπήχησις φωνῆς ἐναρμονίου, ἡ κατὰ ἀνάτασιν ἐν τῇ ὀξείᾳ, ἡ κατὰ ὁμαλισμὸν ἐν τῇ βαρείᾳ, ἡ κατὰ περίκλασιν ἐν τῇ περισπωμένῃ.). Die Sprache, die aus den Tönen (bzw. Nachklängen) besteht, wird so zum „Gesicht des Nachklangs“. Vgl. Hom. Il. IX,186; Od. 1,155. Hom. Il. III,2 (Übers. Schadewaldt 1975). Dieses Zitat wird nochmal in kurzer Form wiederholt (siehe 166,12). Vgl. Hom. Il. II,862. Zu diesen Instrumenten erklärt Plinius, dass die Syrinx von Pan erfunden wurde. Ferner sei die Erfindung der Doppelflöte (bzw. Aulos) von Midas, die der Querflöte von Marsyas geschehen, die beide aus Phrygien stammen (vgl. Plin. HN VII,57). Die Neuplatoniker deuten die Phrygier bei Homer dahingehend, dass sie die unvernünftige Seele repräsentieren, die an den Körper gebunden ist – im Gegensatz zu den Griechen, die die vernunftbegabte Seele symbolisieren (vgl. Herm. in Phdr. 77,20–25). In der platonischen Philosophie werden die Phrygier mit den ekstatischen Kulten in Verbindung gebracht (vgl. Procl. in Rep. I.61,19–24). Olympiodor verwendet auch oben (siehe 66,5) den Begriff der Inspiration (ἐνθουσιασμός) im Sinne von der religiösen Entrückung. Die Geschichte des Marsyas wird in der Philosophie vielfältig rezipiert (vgl. Plat. Rep. 399e; Arist. Pol. 1341a39), um den Gegensatz zwischen der ekstatischen Musik und der vernunftgemäßen Philosophie zu betonen. Auch die Geschichtsschreiber behandeln dieses Thema (vgl. Hdt. VII.26,3; Paus. I.24,1).

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D. Anmerkungen Dieser Satz ist wahrscheinlich eine Paraphrase beruhend auf Plutarchs Darstellung (vgl. Plu. Alc. 2,5) und wird auch bei Aristoteles in Bezug auf Alkibiades angegeben (vgl. Arist. Pol. 1341a). Olympiodor wiederholt den Satz unten (68,19–20) und in anderen Kommentaren (vgl. Olymp. in Phd. 3.10,2–3). Drei Kriterien für einen guten Berater wurden am Anfang dieses Unterrichts genannt (62,22–23). Olympiodor hebt erneut die guten Charaktereigenschaften des Alkibiades hervor (siehe Anmerkung 308). Auf dieser Grundlage sollte auch seine Absicht, die Athener zu beraten, gut sein. Deshalb kann Sokrates seine Absicht nicht in Frage stellen. Vgl. Plat. Alc. 106c6–7: εἰ οὖν μέλλοντός σου ἰέναι ἐπὶ τὸ βῆμα λαβόμενος ἐροίμην· „Angenommen nun, ich würde dich, während du im Begriff bist, dich auf die Rednerbühne zu begeben, anpacken und Folgendes fragen“ (Übers. Döring 2016). Proklos interpretiert diese Stelle dahingehend, dass Sokrates das lebendige Bild des Redners vor dem Publikum vorstellt, um zu zeigen, dass man nichts ohne Vorbereitung anfangen sollte (vgl. Procl. in Alc. 186,4–10). Vgl. Plat. Alc. 106c6–7; siehe Anm. 631. Diese These wurde in der theoretischen Untersuchung vorgestellt (siehe oben 63,6–10). Zu den zwei Arten der Erkenntnis siehe 63,12–13, Anm. 609. Vgl. Plat. Alc. 106d11–12: τί δέ; ἠθέλησας ἂν ζητῆσαι ἢ μαθεῖν ἃ ἐπίστασθαι ᾤου; “Wie nun? Hättest du etwas suchen oder lernen wollen, was du schon zu wissen glaubtest?” (Übers. Döring 2016). Zu dem passiven Verb διδάσκεσθαι im Sinne von aktiv μανθάνειν siehe 63,12 und Anm. 609. Olympiodor gibt im Folgenden diese Erklärung, dass „lernen“ als „gelernt werden“ aufgefasst werden sollte (67,29). In diesem Abschnitt habe ich den Begriff ‚Syllogismus‘ wie im Griechischen behalten, um die sprachliche Verbindung zum Vor-Syllogismus herzustellen, wobei er an anderen Stellen als „Schlussfolgerung“ übersetzt wurde (vgl. 195,15–196,5). Eine Reihenfolge bestimmter Prämissen, die zu den festen Ergebnissen führt, wird in der aristotelischen Logik „Figur“ (σχῆμα) genannt (vgl. Arist. APr. 26b33). Ein Prosyllogismus ist eine Schlussfolgerung, dessen Folge die erste Prämisse bzw. den Ausgangspunkt des folgenden Schlusses bildet. Für die Erklärung dieses Syllogismus vgl. Procl in Alc. 178,11–14. Diese Darstellung der Syllogismen ausgehend von der Textstelle des Dialogs entspricht der Interpretation von Proklos, der die drei Syllogismen in Form von einer Figur miteinander verbindet (κατὰ τὸ συνθετικὸν λεγόμενον σχῆμα προάγωμεν, vgl. Procl. in Alc. 178,11–24). Der Sinn von σκευάριον an dieser Stelle kann nicht eindeutig bestimmt werden. Dieses Wort trägt Bedeutungen wie ‚ein kleines Gerät‘ (Diminutiv von σκεῦος: Gerät, Gefäß) oder ein ‚Spielgerät‘ wie Würfel (vgl. LSJ mit dem Verweis auf Aeschin. 1.59). Im Alkibiades verwendet Sokrates dieses Wort im Sinne von einem abgenutzten ‚Kleidungsstück‘, das ein verworfenes Argument symbolisiert (vgl. Plat. Alc. 113e). In allen diesen Fällen kann dieses Wort als ‚etwas Unwichtiges‘ aufgefasst werden. Wiederholung des oben angeführten Zitats, siehe 67,4–5. Plat. Alc. 106e9–10; Übers. Döring 2016. Hom. Il. X,279–80 (Übers. Schadewaldt 1975). Olympiodor zitiert diesen Vers auch vorher im Kommentar (52,3–4). In beiden Fällen steht, dass der Sprecher dieses Verses Diomedes ist, während bei Homer der Satz Odysseus gehört, und Diomedes nach ihm spricht. Auch Proklos gibt dieses Zitat zu derselben Textstelle als Odysseus’ Ausdruck an (Procl. in Alc. 198,19–20). Proklos sieht dies auch als einen Hinweis darauf, dass Sokrates wie ein guter ‚Schutzgeist‘ (δαίμονος ἀγαθοῦ) handelt (vgl. Procl. in Alc. 198,12–199,3). Der Begriff des Bewusstseins (συνειδός) wird in der Diskussion über Daimones behandelt (23,2–17). In diesem Zusammen-

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hang identifiziert Olympiodor den zugeteilten Daimon als persönlichen Schutzgeist mit dem individuellen Bewusstsein. Nach Olympiodor ist es das Bewusstsein, das unsere Handlungen beobachtet und beurteilt, wobei manche Menschen dafür den Begriff ‚Daimon‘ benutzen. Ausführlich dazu siehe Anhang 6: ‚Bewusstsein‘. Vor diesem Hintergrund vergleicht Olympiodor Sokrates’ Verhalten zum Bewusstsein, während Proklos es als Verhalten eines Daimons betrachtet. Die folgende Argumentationsstruktur wurde am Anfang dieses Unterrichts angegeben (65,10–19). Olympiodor erwähnt diese Fächer als Bestandteile von Alkibiades’ Bildung an mehreren Stellen (2,48–50; 64,19–25). Paraphrase Plat. Alc. 107a10–11: ὅταν οὖν περὶ τίνος βουλεύωνται; οὐ γάρ που ὅταν γε περὶ οἰκοδομίας. „Um was für Beratungen handelt es sich also? Doch wohl nicht um Beratungen über Baumaßnahmen?“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 107a13–14. Plat. Alc. 107b9–10. Dieses Zitat wird wiederholt (siehe oben 65,14–15). Das Verhältnis von Wahrsagung und dem göttlichen Wahnsinn (μανία) wird in Platons Phaidros dargelegt (vgl. Plat. Phdr. 244c). Paraphrase Plat. Alc. 107b4: μάντις γὰρ αὖ ταῦτα ἄμεινον ἢ σύ. „Denn in diesen Dingen ist wiederum ein Seher ein besserer Ratgeber als du.“ (Übers. Döring 2016). Dieses Argument wird vorher im Kommentar erläutert (65,12–13). Olympiodor führt dieses Zitat im vorherigen Unterricht zweimal an (65,14–15; 69,19–20) und wiederholt an dieser Stelle, da es sich für das zentrale Thema über die Eigenschaften eines guten Beraters eignet. Zum Wissen als Licht, das nicht unbewusst bleibt, siehe 65,14–17. Der Begriff διαίρεσις bezeichnet eine Bestimmung durch dialektisches Verfahren und eine Definition, die durch Frage und Antwort erreicht wird. Paraphrase Plat Alc. 107c6–7. Diesen Gebrauch von Personalpronomen ‚dich‘ gegenüber den ‚Angelegenheiten‘ behandelt Olympiodor im 6. Unterricht (siehe 57,24–27). An dieser Stelle verwendet Alkibiades die Aussagen ‚wir‘ und ‚Angelegenheit‘ nicht im exakten Sinne (κυρίως) wie ‚Seele‘ und ‚Körper‘, sondern mit ihrer alltäglichen Bedeutung. Deswegen ist seine Antwort nach Olympiodor nicht geeignet. Paraphrase Plat. Alc. 107c8–9. Der Orakelspruch besagte, dass eine hölzerne Befestigung den Athenern gegen den persischen Angriff helfen würde. Themistokles deutete aus dem Orakelspruch, dass Athen eine Schiffsflotte bauen und sich auf eine Seeschlacht vorbereiten muss (vgl. Hdt. VII,140–4). Dieses Zitat wird im Kommentar wiederholt (65,5; 224,18). Vgl. Plat. Alc. 107d3–4. Die folgenden fünf Themen der Beratung werden von Aristoteles erläutert (vgl. Arist. Rh. 1359b19–23). Die Verbindung zwischen den menschlichen Eigenschaften und den Herrschaftsformen wird bei Platon thematisiert (vgl. Plat. Rep. 544b–569c). Dabei gilt die Aristokratie als die beste Herrschaft und entspricht der Seele, die von der Vernunft (λόγος) geleitet wird. Die Timokratie ist die von der Liebe zur Ehre geleitete Herrschaft, auf die Oligarchie, Demokratie und Tyrannis folgen. Olympiodor identifiziert an dieser Stelle die Charaktereigenschaften der Menschen mit den entsprechenden Herschaftsformen. Olympiodor bezieht sich an dieser Stelle auf die historischen Gegebenheiten der Zeit, in der Alkibiades eine politische Karriere anstrebte. Nachdem die Perserkriege mit dem sogenannten ‚Kalliasfrieden‘ zu Ende kamen (449/448 v. Chr.), setzte sich Athen als die mächtigste Polis in

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D. Anmerkungen Griechenland durch. Die athenische Politik in diesem Zeitraum konzentrierte sich auf die Bündnisse gegen Sparta. Megara suchte zuerst Anschluss an den Attischen Seebund, nachdem jedoch Athen Megaras Niederlage gegen Korinth (451 v. Chr.) nicht verhindern konnte, wandten die Megarer sich dem Peloponnesischen Bund zu. Aus diesem Grund verhängte Athen im Jahr 432 v. Chr. Handelssanktionen gegen Megara. Auch gegen Ägina hatte Athen Maßnahmen ergriffen, um die wirtschaftliche Konkurrenz und eine mögliche Unterstützung Spartas zu verhindern. Zu diesem Zweck wurde die Insel gezwungen, dem Attischen Seebund beizutreten und hohe Tribute zu zahlen (456 v. Chr.). Diese Ereignisse haben den Aufbruch der Peloponnesischen Kriege (431–404 v. Chr.) vorbereitet (vgl. Thucy. 1.67,4; 1.88,1; 1.139–40). Für diese Aufteilung siehe oben 71,7–14. Im Folgenden, siehe 72,26–74,7. Vgl. Plat. Alc. 107d5–6: ἆρα λέγεις ὅταν βουλεύωνται πρὸς τίνας χρὴ εἰρήνην ποιεῖσθαι καὶ τίσιν πολεμεῖν καὶ τίνα τρόπον; „Du meinst, wenn sie darüber beraten, mit wem sie Frieden schließen und gegen wen sie Krieg führen sollen und auf welche Weise?“ (Übers. Döring 2016). Zum Begriff ἐπιχείρημα siehe 3,1–5, Anm. 77. Die These, dass die gegensätzlichen Elemente in der Natur um ihr Zugrundeliegendes kämpfen, kann auf die Vorsokratiker zurückgeführt werden. Bei den Platonikern wird dieser Gedanke mit Verweis auf Anaximander behandelt (vgl. Simp. in Ph. 24,13–21). Neben Anaximander (Fr. 12 B1 DK) findet sich diese Ansicht auch bei Heraklit (Fr. 22 B53 DK) und Empedokles (Fr. 31 B15 DK). Im Zusammenhang mit dieser Textstelle erörtert auch Proklos diese These (vgl. Procl. in Alc. 222,2–7). Olympiodor bezieht sich auf die drei Seelenteile bei Platon: Das Vernunftbegabte (τὸ λογιστικόν), das Affektvolle (τὸ θυμοειδές) und das Begehrende (τὸ ἐπιθυμητικόν) (vgl. Plat. Rep. 434d–441e). In diesem Rahmen untersucht Platon auch die Stellung der Gerechtigkeit in der Polis in Bezug auf die Teile der Seele: So wie in der Seele alle drei Teile eine gewisse Ordnung haben müssen, stellt die Gerechtigkeit in der Polis diese Ordnung, die Harmonie und die Gesundheit des Systems dar (vgl. Plat. Rep. 444d). Für Olympiodor spielen diese Seelenteile auch im Kontext der Bildung eine zentrale Rolle, wie er in diesem Unterricht und am Anfang des Kommentars (2,44–48) über Alkibiades erläutert. Diese Interpretation ausgehend von Platons Politeia wird auch bei Proklos dargestellt, der erläutert, dass alle andere Tugenden nur einen Seelenteil betreffen. Dagegen erstrecke sich die Gerechtigkeit auf die gesamte Seele und sei der Grund dazu, dass Menschen die Gerechtigkeit – bewusst oder unbewusst – sehr stark verteidigen (vgl. Procl. in Alc. 216,14–20). Auf gleiche Weise erklärt Proklos die verschiedenen Ziele eines Feldherrn und eines Politikers (vgl. Procl. in Alc. 213,14–214,6). Vgl. Hom. Il. III,205–224. Eur. Andr. 696; Übers. Buschor 1972. Die platonische Philosophie sieht die Aufgabe eines Politikers darin, dass er seine Bürger zu guten und vortrefflichen Menschen macht, während Tyrannen sie zu schlechteren Menschen umwandeln können (siehe dazu Plat. Alc. 134b–c; Grg. 513e–515d). Diese Redewendung weist auf einen Sieg hin, der dem Sieger mehr Schaden als Nutzen bringt. Bei diesen Ausführungen über die Ziele des Politikers und des Feldherrn beruft sich Olympiodor auf Proklos, der diese Formulierung verwendet (Procl. in Alc. 221,11–12: νῖκαι μὲν γὰρ πολλαὶ Καδμεῖαι γεγόνασιν). Olympiodor bezieht sich auf eine vorherige Stelle des Dialogs (Plat. Alc. 107a–c). An dieser Stelle zieht Sokrates eine Parallele zwischen den alten, ungültigen Argumenten und den abgenutzten Kleidungstücken (vgl. Plat. Alc. 113e). Dies stellt auch einen Hinweis auf den Gebrauch der Gewandmetapher in Bezug auf den Alkibiades dar, der Olympiodor einen Ausgangspunkt für diese Metapher bietet (dazu siehe Anm. 57 und 97). Olympiodor inter-

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pretiert diesen Satz in dem Sinne, dass man alte Argumente nicht verwerfen, sondern bei der Beweisführung wieder benutzen sollte. Darüber hinaus rechtfertigt er mit diesem Grundsatz die Wiederholung der Argumente, die im Laufe des sokratischen Dialogs geprüft werden und im vorliegenden Kommentar dementsprechend mehrmals behandelt werden. Proklos betrachtet Sokrates’ Annäherung in diesem Punkt nicht als eine Anwendung der Aussagen von Alkibiades gegen sich selbst, sondern als eine Widerlegung ausgehend von den Gemeinbegriffen, sodass durch diese Methode Alkibiades’ Unwissenheit über viele verschiedenen Themen durch gleiche Prinzipien festgestellt werden kann (vgl. Procl. in Alc. 298,10–299,8). Zur Übersetzung von σκευάριον (Kleidungsstück) siehe Anm. 651. Zur sokratischen Argumentation durch Bekanntheit und Zueignung (Oikeiosis) siehe 34,12–13 und Anm. 327. Das Adjektiv οἰκεῖος wird im Folgenden auch im Sinne von ‚relevant‘ verwendet. Auch für die sokratische ‚Geburt der Erkenntnis‘ ist eine vorherige Bildung wichtig, damit die dialektische Argumentation Erfolg hat. Sokrates wird bei Platon häufig als Hebamme beschrieben (vgl. Plat. Tht. 150c–d). Mehrfach wird Sokrates auf diese Art bei Olympiodor dargestellt (siehe 12,10–12; 63,15–17; 74,21). Nach Olympiodor besteht ein Gegensatz zwischen der sokratischen Methode und der Lehre als eine einseitige Übermittlung der Meinungen. Die sokratische Geburtshilfe (Mäeutik oder Hebammenkunst) veranlasst die Geburt der Erkenntnis, wobei die Person in diesem Prozess aktiv bleibt und an der Entstehung der Erkenntnis arbeitet. Dagegen ist eine Belehrung (διδασκαλία) unproduktiv, da mit dieser Methode nicht gelehrt wird, wie man die Erkenntnis erreicht, sondern es wird jeweils eine einzelne konkrete Erkenntnis beigebracht. Paraphrase Plat. Alc. 108b–d. Proklos stellt dazu die Voraussetzungen für einen geeigneten Fachbegriff dar, die eine Teilnahme in der Existenz, Verwandtschaft im Namen und Änderung in der letzten Silbe sind. Daher stammt ‚Musik‘von den ‚Musen‘ und das Musische aus der ‚Musik‘ (vgl. Procl. in Alc. 205,10–206,12) Zur gleichen Aufteilung von Gesang, Rhythmus und Melodie vgl. Procl. in Alc. 208,5–8. Diese Begriffe sind entweder im Kontext der Dichtung als unbetonter und betonter Taktteil oder bezüglich des Rhythmus als aufwärtsgeführter und abwärtsgeführter Schlag beim Taktschlagen aufzufassen. An diesen Beispielen wird das Ziel mit einem vom gleichen Wortstamm abgeleiteten bzw. paronymischen Wort bezeichnet. Die Definition der paronymischen Begriffe wird bei Aristoteles behandelt (vgl. Arist. Cat. 1a13–15) und auch von Proklos bezüglich dieser Stelle des Dialogs erwähnt (vgl. Procl. in Alc. 223,5–16). ZurAbleitung der verschiedenen Wörter aus einem bestimmten Sinn eines Wortes vgl. Olymp. in Cat. 34,22–29. Dieser Prozess beruht auf der Teilhabe dieser Begriffe an ihrem Überliegenden durch die Verwandtschaft (vgl. Procl. Inst. 110). An dieser Stelle nimmt Olympiodor auf das Gleichnis zwischen der Polis und der Seele bei Platon Bezug (vgl. Plat. Rep. 368d–369a). Darin argumentiert Sokrates, dass die Gerechtigkeit in der Seele untersucht werden kann, wenn eine Analogie mit der Staatsverfassung gezogen wird. Plat. Alc. 107b9–10. Olympiodor führt dieses Zitat mehrmals an (siehe 65,14–15; 69,19–20; 70,15–16). Diese fünf Themen wurden bereits oben erwähnt (siehe oben 71,7–14). Diese Darstellung bezieht sich auf Alkibiades’ militärische Erfolge, während die Historiker auch seine Misserfolge, wie den sizilischen Feldzug, thematisieren. Im Allgemeinen wurde Alkibiades bei seinen Zeitgenossen und späteren Platonikern sehr ambivalent bewertet. Vgl. hierzu Piepenbrink 2013. Olympiodor berücksichtigt an dieser Stelle jedoch nur seine Siege, die er durch sein Geschick und erfolgreiche Taktik gewonnen habe (vgl. Plu. Alc. 31,2–4). Zum Prinzip der Bekanntheit, siehe oben 74,14–16 und Anm. 688.

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D. Anmerkungen Wiederholung einer vorherigen Aussage (72,20–22). Zu den Prinzipien in der Seele siehe 10,8 und Anm. 130. Diese Interpretation stimmt mit dem Dialog nicht überein. Alkibiades antwortet zweifelsohne auf die Frage von Sokrates, dass es „der Musik entsprechend“ ist (Plat. Alc. 108d). Im Fall von Sokrates deutet πολιτικός sowohl auf einen Menschen mit politischer Tugend als auch auf den idealen Politiker mit philosophischer Annäherung. Zum Begriff des politischen Menschen siehe Anm. 68 und 87. Bei Homer wird Thersites als der hässlichste Mann beschrieben, der nach Ilios kam: Er hatte krumme Beine und hinkte auf einem Fuß, seine beiden Schultern waren gekrümmt, sein Kopf war spitz und hatte nur wenige Haare (Hom. Il. II,211–222). Seine körperliche Erscheinung steht auch im Einklang mit seinem Verhalten, da er von Odysseus und Achilles gehasst wurde und die Achaier stets zur Rückkehr drängte. Auch bei Platon wird Thersites als Symbol für hässliche und schlechte Charaktere angeführt (Plat. Rep. 620c). In diesem Satz ist es nicht eindeutig, ob es eine allgemeine Aussage ist, dass die Augen nicht mit Blau gemalt werden sollen, oder ob es sich nur auf Thersites’ Auge bezieht. Als die blaue Farbe an dieser Textstelle wurde das Adjektiv κυάνεος aufgefasst. Die Identifizierung dieses Wortes als Blau steht jedoch nicht fest. Zur Übersetzung der Farbwörter weist Hose (2016, S. 30) daraufhin, dass diese in der Rezeption der antiken Literatur nicht immer in ihrem ursprünglichen Sinne aufgefasst werden. Bei Homer erscheine das Wort κυάνεος „als Bezeichnung eines reflektierenden Blauschwarz-Tones“ (ebd. S. 21); während ein Adjektiv für ‚Blau‘ nicht belegt zu sein scheint (ebd. S. 22). An dieser Stelle wird κυάνεος mit ‚blau‘ wiedergegeben, da es sich konkret auf die Augenfarbe bezieht. Wie Hoesch (1998) erklärt, war die blaue Farbe aufgrund der Schwierigkeit, diese Farbstoffe zu beschaffen, sehr teuer. Der gehobene Status der blauen Farbe zeigt sich auch daran, dass ab der Kaiserzeit und besonders zur justinianischen Epoche der Kaiser und seine Anhänger sich mit der blauen Zirkuspartei identifizierten. Vgl. hierzu Hönle 1998. Fachterminologisch werden diese als Arsis und Thesis bezeichnet, siehe oben Anm. 693. Bei Platon wird die Konstruktion des Ganzen aus den Teilen behandelt (vgl. Plat. Tht. 204a–205c; Plt. 262a–263b; Ti. 33a). Ein platonischer Grundsatz besteht darin, dass die Universalien (bzw. Ganzen) sich vor den spezifischen Dingen befinden, sowie in diesen Dingen anwesend sind, und auch nach diesen Dingen immer noch bestehen (vgl. Procl. Inst. 67; Theol. Plat. III,25; Hermias in Phdr. 90,9–15). Zu den Prinzipien in der Seele siehe oben 77,23; 10, 8 und Anm. 130. Olympiodor bezieht sich auf den Mythos des Tantalos und seiner Nachkommenschaft. Nach Ovids Darstellung (Ov. met. VI,515–529) hat Tantalos Pelops, seinen Sohn, in Stücke geschnitten und gekocht. Den Göttern hat er ihn als Speise angeboten, um deren Allwissenheit auf die Probe zu stellen. Sie merkten den Betrug und aßen nichts. Nur verzehrte Demeter, die wegen der Trauer um ihre Tochter Persephone abgelenkt war, eine Schulter. Diese fehlende Schulter ersetzte Demeter durch eine elfenbeinerne, die ein besonderes Merkmal des Pelops war. Dieser Mythos eignet sich gut, um das Verhältnis zwischen dem Ganzen und den Teilen zu verbildlichen. Wie im Fall des Pelops ausgehend von einem bestimmten Teil (elfenbeinerne Schulter) ihn als gesamten Menschen zu erkennen möglich ist, so ist das Ganze manchmal auch aus einem Teil erkennbar. Mnemosyne ist die Mutter der neun Musen und die für das Erinnerungsvermögen zuständige Göttin. Aus diesem Grund wird Alkibiades durch die Musen an Mnemosyne erinnert. Vgl. Plat. Alc. 108d9–e1: ἴθι δή, καὶ τὸ ἐν τῷ πολεμεῖν βέλτιον καὶ τὸ ἐν τῷ εἰρήνην ἄγειν, τοῦτο τὸ βέλτιον τί ὀνομάζεις; „Nun weiter: Mit welchem Ausdruck bezeichnest du das Bessere, wenn man Krieg führt und Frieden hält?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 109b1–2.

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Im vorherigen Unterricht wurde erläutert, dass Alkibiades einen dreifachen Fehler macht (siehe 72,12; 25). Die Fehler bei Alkibiades’ Antworten und das folgende Beispiel über einen gesunden Menschen, der ein Schwert abgibt und danach verrückt wird, verdeutlichen, dass man in diesem Fall für gute Zwecke lügen sollte. Diese Interpretation geht auf Platons Darstellung in der Politeia zurück (vgl. Plat. Rep. 331c) und wurde auf ähnliche Weise von Proklos angeführt (vgl. Procl. in Alc. 214,13–216,9). Olympiodor fasst diese Argumente zusammen und verbindet sie mit seiner exegetischen Methode, indem er verschiedene Bedeutungen einer einzelnen Aussage betont und auf unterschiedliche Ebenen der Begriffe durch ‚dreifache Fehler‘ deutet. Olympiodor betont mehrmals als ein Argument der Widerlegung, wie hier, dass Alkibiades‘ Antworten keine eindeutigen Begriffe nennen, sondern doppeldeutig gestaltet sind (οὐχ ἁπλᾶ ταῦτα, ἀλλ’ ἐπαμφοτερίζοντα). Auf dieser Grundlage können seine Antworten nicht stimmen, da derartig doppeldeutige Begriffe gleichzeitig widersprüchliche Dinge wie gut und schlecht beinhalten würden. Vgl. dazu 118,25–27; 181,20–25. Vgl. Hom. Od. 3,20: ψεῦδος δ᾽ οὐκ ἐρέει: „Falsches wird er nicht reden“ (Übers. Schadewaldt 1958). An dieser Stelle spricht Athene mit Telemachos über Nestor. Hier liegt ein Beispiel für die Homer-Zitate vor, die Olympiodor zu jedem Thema bietet, so Westerink (1982, S. IX): „There is a quatotation from Homer for almost any occasion, but they are often no better than confused reminiscences pieced together from different lines (26,15; 28,13; 80,21).“ Nachfolgend stellt Westerink eine Hypothese dar, die sich allerdings nicht zweifelsfrei bestätigen lässt: „In the case of ψεῦδος δ᾽οὐκ ἐρεῖς (80,19), the 2nd person may be due to the editor, who came from a Christian family, it seems (28,20), and who possibly thought that this was one of the ten commandments in a Homeric guise.“ Vgl. Hom. Od. 19,394–396: Παρνησόνδ’ ἐλθόντα μετ’Αὐτόλυκόν τε καὶ υἷας, / μητρὸς ἑῆς πάτερ᾽ἐσθλόν, ὃς ἀνθρώπους ἐκέκαστο / κλεπτοσύνῃ θ᾽ὅρκῳ τε: θεὸς δέ οἱ αὐτὸς ἔδωκεν: „als er zum Parnass kam, zu Autolykos und seinen Söhnen, dem edlen Vater seiner Mutter, der ausgezeichnet war unter den Menschen in Diebeskunst und Kunst des Schwörens. Ein Gott selbst hatte es ihm gegeben:“ (Übers. Schadewaldt 1958). Griffin (2015, S. 212, Anm. 479) hat darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Kombination aus zwei Versen handelt: Die Beschreibung von Autolykos, Odysseus’ Großvater, der „allen Männern in dieberischem Verstand (κλεπτοσύνῃ) und Eide überlegen ist“ (Hom. Od. 19,394–396; siehe Anm. 717) und die homerische Formel „in seinem Land geehrt wie ein Gott“ (vgl. Hom. Il. V,78; X,33: θεὸς δ’ὣς τίετο δήμῳ, „War wie ein Gott geehrt im Volk“). Siehe dazu die Ansicht von Westerink (Anm. 716) zu derartigen ‚zusammengebastelten‘ HomerZitaten bei Olympiodor. Im Unterschied zu Proklos lobt Olympiodor Alkibiades’ Antwort in zwei Aspekten. Proklos kommentiert zu dieser Stelle, dass das Gerechte sich auf die gesamte dreiteilige Struktur der Seele bezieht und Alkibiades bei seinen Antworten einzelne Seelenteile erwähnt hat. Daher fällt er in die Erkenntnis des Einzelnen, anstelle die Erkenntnis des Universellen zu erlangen (vgl. Procl. in Alc. 216,12–15). Olympiodor verwendet die Metapher der Kleidungsstücke für Argumente an mehreren Stellen (siehe 74,9–11; 100,15–18; 108,24–109,1). Diese zwei Wege wurden vorher im Kommentar erklärt (siehe 63,12–14; 67,25–26). Die Spur (ἴχνος) ist ein Begriff in der platonischen Philosophie über die Teilnahme und Teilhabe (μέθεξις), die die ‚Spuren‘ der Ideen bei den Dingen auf der menschlichen Ebene bezeichnen (vgl. Plat. Rep. 432d: Spur des Gerechten, 462a: Spur des Guten). In diesem Sinne wurde der Begriff besonders von Plotin behandelt (vgl. Plot. III.8.11,19: ἴχνος τοῦ ἀγαθοῦ, „Spur des Guten“) und bei den späteren Platonikern aufgenommen (vgl. Procl. in Alc. 49,8; 101,11; 106,2; Theol. Plat. V. 34,1).

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D. Anmerkungen Platon identifiziert das Leben wie die Seele im menschlichen Körper mit dem Bewegungsprinzip (vgl. Plat. Phdr. 245c–e für die Idee des Lebens als Bewegung). Im Neuplatonismus stellt die unkörperliche Seele die Ursache der Selbstbewegung dar, während der Körper aufgrund seiner Materialität nur Fremdbewegung (bzw. Bewegung von außen) haben kann (vgl. Plot. IV.3,15–20). Auch Proklos betont die Bewegung als eine Eigenheit der Seele (vgl. Procl. in Alc. 116,9–14; 225,11–226,10). Siehe dazu 7,12–8,12 und Anm. 111. Die Eigenschaften der Wesen wie Dimension, Größe, Bewegung und Zeit werden bei Platon thematisiert (vgl. Plat. Ti. 43a) und bei Aristoteles ausführlich behandelt (Arist. Ph. 219a10–14; 220a25–30). Spätere Platoniker behandeln diese Eigenschaften nicht als gleichwertige Begriffe, sondern die Zeit als eine transzendente Monade, die eins und unteilbar ist und zu der Ebene der Vernunft gehört. Diese Zeit als Monade existiert vor der Zeit auf der menschlichen Ebene, daher wird die Zeit in unserer Welt geteilt, wobei die Zeit als Monade unteilbar ist. Im Allgemeinen handelt es sich bei diesen Begriffen um zwei Ebenen, von denen eine göttlich, eine andere geeignet für den menschlichen Verstand ist, aber nicht der Wahrheit entspricht. Der Unterschied zwischen der Zeit auf der intelligiblen und auf der menschlichen Ebene wird bei Jamblich erläutert (vgl. Iamb. in Ti. Fr. 68) und auch bei Proklos dargelegt (vgl. Procl. in Alc. 237,5–15; Inst. 54; 87; 198–200; in Ti. III. 3,9–4,29). An den Formen auf der intelligiblen Ebene sind keine Glieder erkennbar, wie die Füße oder Kopf im menschlichen Körper. Dagegen besitzen die Dinge in der Materie messbare Flächen und daher Dimensionen. Olympiodor verwendet dieses Gleichnis zwischen Körper und Formen auch im Kommentar zum Phaidon (vgl. Olymp. in Phd. 4.4,13; 13.2,30). Gemäß der platonischen Philosophie nimmt die menschliche Seele eine mittlere Stellung zwischen der intelligiblen Welt und der wahrnehmbaren Welt und zwischen der Vollkommenheit und Unvollkommenheit (vgl. Plat. Ti. 35a–37c; Plot. IV.4.3,10–12; Iamb. Myst. I.5,22–29; Procl. Inst. 20; in Alc. 116,12–14; Dam. Pr. I.144,15–23). Olympiodor stellt diese These zuvor im Kommentar auf (siehe 9,5–15). Proklos interpretiert diese Stelle des Dialogs auf ähnliche Weise und hebt die Gemeinbegriffe hervor, die sich in der Seele befinden (vgl. Procl. in Alc. 189,4–11). In der platonischen Philosophie besteht die Erkenntnis aus der Wiedererinnerung der λόγοι in der Seele. Diese sind ‚Formel‘ (siehe 15,11) oder ‚Prinzipien‘, die unveränderlich sind und die Seele mit der wahren Erkenntnis verbinden (siehe dazu 77,23; 10,8 und Anm. 130). Dieses Beispiel wird in verschiedenen platonischen Dialogen angeführt. Dadurch beschreibt Platon die Erkenntnis wie einen Traum des armen Menschen von Geld (vgl. Plat. Tht. 208b) oder die Freundschaft wie einen Traum von Reichtum (vgl. Plat. Ly. 218c). Mit den Begriffen κατ’ ἐνέργειαν und καθ’ ἕξιν werden die aktive und passive Erkenntnis verglichen: Sokrates betrachtet die Erkenntnis in Bewegung und fragt nach einer Zeit, in der diese Erkenntnis in einem anderen Zustand war. Alkibiades begreift das Wissen dagegen wie einen Zustand, und antwortet ausgehend von einer nach Gewohnheit immer in seiner Seele verborgenen Erkenntnis. Eine ähnliche Darstellung findet sich bei Platon (vgl. Plat. Tht. 196d–200d). Auch Proklos bietet die gleiche Erklärung an, dass Alkibiades die Erkenntnis in seiner Seele besitzt und diese passiv ist, weil sie verborgen ist; Sokrates dagegen eine aktive Erkenntnis hat (vgl. Procl. in Alc. 240,10–20). Siehe dazu 78,26–79,2. In Hinsicht auf methodisches Verfahren bedeutet μεταβατικῶς eine analogische oder diskursive Argumentation, die von Begriff zu Begriff fortschreitend aufgebaut wird (vgl. LSJ. I, 2). Proklos stellt die Diskussion um ‚das Bessere‘ ähnlich dar und erklärt, dass das Bessere durch das Ziel des jeweiligen Wissens definiert wird (vgl. Procl. in Alc. 222,20–223,5).

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Hier wurde μουσικὴ τέχνη mit ‚Musik‘ übersetzt. Im Griechischen hat diese ‚Kunst‘ ein breiteres Spektrum als nur Musik und umfasst den gesamten Zuständigkeitsbereich der Musen, der allgemein als „schöpferische Tätigkeit“ aufgefasst werden kann Platon führt zwei Bereiche, die Musik und die Gymnastik, als Beispiele (vgl. Plat. Alc. 107e–108e), die er wiederum in verschiedene Arten teilt. Bei der Musik sind diese der Gesang, die Melodie und der Rhythmus. Proklos erläutert in seinem Kommentar diese Textstelle auf ähnliche Weise, dass der Ausdruck „in jedem von diesen“ sich auf die einzelnen Arten der Musik bezieht. Vgl. Procl. in Alc. 208,5–8: Τὸ δὲ ‘ὥσπερ ἐκεῖ ἐφ’ ἑκάστῳ’ τὸ κοινὸν λέγει τῶν τῆς μουσικῆς μερῶν, ᾠδῆς, μέλους καὶ βάσεως· ἐφ’ ἑκάστῳ γὰρ τούτων τὸ μουσικῶς λέγομεν ὡς ἄμεινον λέγοντες. καὶ γὰρ τὸ ᾠδικῶς ⟦τὸ⟧ μουσικῶς ἦν καὶ τὸ ἐμμελῶς καὶ εὐρύθμως. „The phrase “just as previously in each case” refers to the ensemble of the divisions of music viz. song, melody and step. In each of these cases we use the word “musically” to indicate what is preferable. Since both chorally, harmoniously and rhythmically mean musically.” (Übers. O’Neill 1965). An dieser Stelle erläutert Olympiodor, dass ἕκαστος für ein Element in einer Gruppe der drei Elemente verwendet wird, wobei in einer Gruppe der zwei Elemente ein anderes Wort wie ‚beide‘ (ἄμφω) vorkommt. Daraus zieht er den Schluss, dass ἕκαστος sich notwendigerweise auf eine der drei Arten der Musik, und nicht auf eine der zwei Beispielen (Musik und Gymnastik) bezieht. Proklos deutet diesen Ausdruck ebenfalls als Ausdruck von Alkibiades’ hilflose Lage (vgl. Procl. in Alc. 208,9–13). Zu dieser Stelle kommentiert auch Proklos, dass Sokrates die Widerlegung mit Geburtshilfe vermischt, um seine Argumentation für Alkibiades erträglicher zu machen. Zudem erwähnt er, dass Sokrates von einem für Alkibiades bekannten Thema ausgeht (vgl. Procl. in Alc. 209,17–210,1). An dieser Stelle betont Olympiodor, dass der Begriff für das Schändliche (αἰσχρόν) gleichzeitig auch hässlich bedeutet. Proklos betrachtet die Unwissenheit als Hässlichkeit der Seele und erörtert, dass es aus diesem Grund nicht mit Alkibiades’ Schönheit vereinbar ist (vgl. Procl. in Alc. 210,15–211,15). Olympiodor führt ein Zitat mit geändertem Wortlaut an: ἔνδεια μήτηρ ὑγείης. Vgl. Hp. Epid. VI.4,18: Ἄσκησις ὑγιείης, ἀκορίη τροφῆς, ἀοκνίη πόνων. „Gesundheitspflege: ungesättigt vom Mahl, unverdrossen in Leibesübungen“. (Übers. Sticker 1934). Sokrates hilft bei der Erinnerung der Erkenntnis wie ein Daimon, da Olympiodor den persönlichen Daimon mit dem Bewusstsein identifiziert. Siehe dazu 23,2 und Anm. 223; 68,24 und Anm. 655. Vgl. Anhang 1: ‚Daimonion/Daimon‘. Für den menschlichen Verstand ist es leichter, die niedrigeren, wahrnehmbaren Wesen zu erkennen als die höheren Wesen zu begreifen. Diese These wird auch bei Aristoteles behandelt (vgl. Arist. Ph. 184a16–b10; EN 1095b2) und von mehreren Platonikern vertreten (vgl. Iamb. Protr. 38,20–30; Procl. in Ti. I.27,1–10; Anon. Proleg. 208,15–22). An dieser Stelle kombiniert Olympiodor die neuplatonische Terminologie des Teilnahmebegriffs mit der aristotelischen Darstellung über den Erkenntnisprozess. Demnach geht die Erkenntnis aus dem uns Bekannteren in die Richtung des der Natur nach wahrlich Erkennbaren (vgl. Arist. Ph. 184a17–21). Der Teilnehmende ist für uns die bekanntere, alltägliche, zusammengesetzte Entität, wobei der Teilgebende der einfachen und unteilbaren Form entspricht. Zum Begriff der Teilnahme im Neuplatonismus siehe Procl. Inst. 65. Siehe oben 80,11–12 und 81,10–19. Hom. Il. II,33 (Übers. Schadewaldt 1975). Der erste von den oben erwähnten drei Fehlern, siehe 80,12–81,10. Plat. Alc. 109b3–4.

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D. Anmerkungen Plat. Alc. 109b5–6. Proklos kommentiert zu dieser Stelle, dass hierbei der Gegensatz zwischen ‚ganz‘ und ‚alles‘ betont wird (vgl. Procl. in Alc. 217,9–15). Die Gegenüberstellung dieser Begriffe beruht auf der platonischen Philosophie (vgl. Plat. Tht. 204a–205a). Zu Olympiodors Darstellung des männlichen und weiblichen Elements siehe 14,12–13 und Anm. 159; 54,20; Anm. 528. Olympiodor führt einige Beispiele der Frauen und Männer aus Homer an, um seine Argumentation zu verstärken, dass nicht alle Mäner zu allen Frauen überlegen sind. Diese Strategie ist bei Platon zu beobachten, auch konkret mit diesen Charakteren als Beispiel (Zu Thersites vgl. Plat. Grg. 525e). Nach Homers Darstellung ist Thersites ein Soldat im griechischen Heer im Trojanischen Krieg. Homer schildert ihn als hässlichen und verachteten Charakter (Hom. Il. II,211–277). Theano ist eine Priesterin der Athene in Troja und die Tochter des Königs der Thraken, Kisseus. In der Ilias wird erzählt, dass die Griechen sie respektierten und ihr Haus bei der Zerstörung der Stadt unberührt ließen (Hom. Il. IV,298–299; IX,223). Ferner ist Koroibos ein Verbündeter Trojas, der während des Trojanischen Krieges dahin kommt. Er will Kassandra, die Tochter des Priamos, heiraten. Diese Beispiele entsprechen der These bei Platon, dass die Frauen und Männer gleiche Fähigkeiten besitzen (vgl. Plat. Rep. 454b–456b). An dieser Stelle des Dialogs sagt Glaukon, dass, obwohl Frauen ‚im Ganzen‘ schwächer als die Männer sind, es auch genug Beispiele stärkerer Frauen gibt (vgl. Plat. Rep. 455d). Vgl. Plat. Grg. 483c–484c; Rep. 348b–349d. Olympiodor erwähnt hier Politeia nicht explizit. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass er Thrasymachos für einen Charakter aus Gorgias hält. Auch an einer anderen Stelle des Kommentars wird Thrasymachos zusammen mit Kallikles erwähnt (siehe 61,9). Wiederholung vom Lemma (86,1–2). Proklos behandelt diese Stelle mit der gleichen Darstellung des Alkibiades im Sinne von einem mittleren Charakter zwischen Sokrates und Thrasymachos (vgl. Procl. in Alc. 218,13–219,1). Platon thematisiert insbesondere im Kratylos den Gegensatz zwischen den Gesetzen gemäß der Natur und Gesetzen gemäß der Konvention. Die Gesetze gemäß der Natur bzw.‚Naturgesetze‘ sind allgemeingültig, wobei Gesetze gemäß der Konvention sich je nach Ort und Gesellschaft ändern. Die göttlichen Gesetze betreffen die Seele, die Gemeinbegriffe und die Vernunft. Die Vernunft wiederum lebt auf der menschlichen Ebene gemäß den Naturgesetzen. Die Gesetze nach der Konvention bestimmen den Frieden und die Harmonie in einem Staat. An dieser Stelle verwendet Olympiodor den spezifischen Begriff für den Fortschritt in der stoischen Philosophie (προκόπτω). Der Schüler als ‚der Fortschreitende‘ (προκόπτων) beseitigt die unrichtigen Gedanken und akzeptiert, dass das einzig Gute die Tugend ist (vgl. Epict. Diss. 1.4,1). Paralipse ist eine rhetorische ‚Absichtserklärung‘, um ein Thema dadurch besonders hervorzuheben, dass es nicht als Absicht der folgenden Aussage angekündigt wird. Nach Lausberg (1990, § 407) ist dieses Stilmittel eine Art „Hinwendung zur Rede-Situation“ (vgl. ebd. § 410 „praeteritio“). An dieser Stelle steht ‚ist es etwas anderes‘ Olympiodor zufolge für ‚wenn es nicht das ist‘. Das Letztere lenkt die Aufmerksamkeit auf ‚das‘ und deutet darauf, dass die Antwort dieser Frage in dem im Folgenden genannten Begriff (‚das Gerechtere‘, 109c13) zu finden ist, die hier noch nicht ausgesprochen wird. Durch die Erwähnung dieses Stilmittels demonstriert Olympiodor seine Kenntnisse über Rhetorik und seine Analyse der platonischen Sprache. Olympiodor beschreibt die sokratische Widerlegung als ‚mit Honig verabreichte Medikamente‘ an mehreren Stellen des Kommentars (siehe 6,5–7; 30,2–3). Proklos verwendet diesen

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Vergleich nicht, dennoch interpretiert er die Aussage ‚mein Freund‘ ebenfalls in diesem Sinne, dass Sokrates dadurch seine Widerlegung mildert (vgl. Procl. in Alc. 228,21–4; 232,10–233,7). Plat. Alc. 109d8–9. Nach Proklos sind sowohl Eros als auch Zeus als Gott der Freundschaft zu bezeichnen (vgl. Procl. in Alc. 233,8–234,4). Vgl. Plat. Alc. 135d. Proklos zieht ebenfalls diesen Schluss (vgl. Procl. in Alc. 233,9–10), indem er das Epitheton φίλιος mit Zeus assoziiert, da dieser Gott die Freundschaft beschützt. Auch bei Platon wird Zeus als Aufseher der Freundschaft benannt (vgl. Plat. Grg. 500b; Phdr. 234e). Dies entspricht der Definition der Philosophie als „Kunst der Künste und Wissenschaft der Wissenschaften“, die Olympiodor vorher erwähnt hat (siehe 65,8–9). Die Platoniker stellen die Philosophie als das höchste Wissen dar, das über allen anderen Fachbereichen herrscht. Diese Position erwähnt Olympiodor als die Meinung der Stoiker auch an einer anderen Stelle (siehe 55,23–56,1). Olympiodor paraphrasiert diesen Satz wahrscheinlich aus Platons Phaidros. Vgl. Plat. Phd. 250b: ἑπόμενοι μετὰ μὲν Διὸς ἡμεῖς, „wir [Philosophen] folgen [den Festzug] des Zeus“. Zu dieser Stelle des Dialogs konstatiert Proklos Zeus als Anführer der Philosophen und zitiert ähnliche Stellen aus Platon (vgl. Procl. in Alc. 148,16–149,11). Proklos stellt in seinem Kommentar die These auf, dass die Unwissenheit eine Folge des Vergessens ist (vgl. Procl. in Alc. 229,14–17). Statt Bewusstsein benutzt Proklos den Begriff ‚Daimon‘, dem alle unsere Gedanken nicht verborgen bleiben (vgl. Procl. in Alc. 229,18–230,1). Zum Daimon als Bewusstsein bei Olympiodor siehe oben 84,10 und Anm. 741; vgl. Anhang 1: ‚Daimonion/Daimon‘ und 6: ‚Bewusstsein‘. Nach Proklos liegt in dieser Aussage nicht nur eine Ironie vor, sondern ist es die Wahrheit, da Sokrates einen Menschen mit wahrer Erkenntnis gerne zuhören würde (vgl. Procl. in Alc. 230,14–15). Dieses Zitat stammt aus dem platonischen Phaidros und gehört zur Argumentation von Phaidros, dass die Freunde alles gemeinsam haben (vgl. Plat. Phdr. 279c). Proklos zufolge behauptet Sokrates mit diesem Ausdruck, dass er vielleicht bei anderen Göttern seinen Eid breche, aber bei Freundschaft (φιλία) das nicht machen würde. Da er mit Alkibiades spricht, treffe es zu, dass er bei diesem Gott keinen Meineid schwören möchte. Denn das Gespräch finde zwischen einem Liebenden und dem Geliebten statt und brauche daher die Unterstützung des Gottes der Freundschaft (vgl. Procl. in Alc. 234,6–23). Obwohl sich die folgende Aussage nicht im Kratylos befindet, ist dieser in der platonischen Exegese eine bezeichnende Quelle für Namenserklärungen, besonders aber für die Namen der Götter. Dies wird in Proklos’ Kommentaren zum Kratylos deutlich (vgl. Procl. in Cra. 11,2–6; 25,10–12; 47,12–16). Dieser Gegensatz zu den anderen Göttern besteht nach Proklos darin, dass Zeus für den Gegenstand des Gesprächs, die Freundschaft, relevanter als andere Götter ist. Sokrates würde nicht nur bei dem Gott der Freundschaft, sondern auch bei allen anderen Göttern keinen Meineid schwören (vgl. Procl. in Alc. 234,5–22). Die Auseinanderlösung bezeichnet die analytische Methode, die aus den ersten Prinzipien hervorgeht. Dagegen ist das Argument durch Zusammensetzung ein synthetisches Vorgehen, das durch eine Folge von Schlüssen von spezifischen Begriffen auf allgemeinere fortschreitet (siehe dazu 64,9 und Anm. 615). Den Gedankengang, dass Alkibiades über politische Angelegenheiten nichts weiß, zeigte Sokrates vorher auf Grundlage der Bildungsinhalte, die Alkibiades erhielt (synthetisches Verfahren). Hier wird das gleiche nach Olympiodor ausgehend von der Definition der Erkenntnis nochmal aufgezeigt (analytisches Verfahren).

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D. Anmerkungen Nach Proklos bemüht sich Sokrates nicht darum, Alkibiades’ natürliche Tugenden zu widerlegen oder als unwichtig zu betrachten: Im Gegenteil sei er darauf bestrebt, diese zu fördern, damit er über die natürlichen Tugenden hinauskommt (vgl. Procl. in Alc. 235,4–5 und 237,15–17). Bei einer Gegenüberstellung der subjektiven und sachlichen Erklärungen verwendet Olympiodor, auch in seinem Kommentar zum Phaidon, den Begriff ἱστορία im Sinne von einer persönlichen Darstellung (vgl. Olymp. in Phd. 2,16). Proklos interpretiert diese Aussage ähnlich und begründet es damit, dass der gute Mensch nichts vergeblich machen soll (vgl. Procl. in Alc. 238,8–15). Der Begriff μεταληπτικόν wird bei Aristoteles als eine platonische Definition der Materie im Timaios angeführt (μεταληπτικός, Arist. Ph. 209b12). Grundlage dazu kann in der Beschreibung der Materie im Timaios betrachtet werden, die als „die aufnehmende Gattung“ (τὸ… δεχόμενον, Plat. Ti. 50d) oder ‚aufnehmende‘ μεταλαμβάνον (51a) gilt. An dieser Stelle deutet Materie (ὕλη) auf die Prämissen hin. Ausgehend von der aristotelischen Logik betrachtet Olympiodor die Prämissen eines syllogistischen Arguments als Materie für die Schlussfolgerung. Wenn die Prämissen als Materie das möglich machen, können wahre Aussagen aus falschen Prämissen gefolgert werden. Das bleibt dennoch nur eine logische Schlussfolgerung: In der Wahrheitsebene kann ein Ergebnis ausgehend von falschen Prämissen nicht erzwungen werden. Dieser Ausdruck deutet darauf, dass ab dem vierzehnten Lebensjahr der Prozess zur Ephebie anfängt. Dass nach der Beendigung dieses Prozesses die Aufnahme in die Ephebenliste geschieht, erläuterte Olympiodor zuvor im Kommentar (siehe 43,10–15). Ursprünglich war Ephebie eine militärische Einrichtung, die junge athenische Bürger ab 18 Jahren als Soldat auf den Staatsdienst vorbereitete. Absolvierung der Ephebie mit 20 Jahren wurde als Eintritt ins volle Bürgerrecht betrachtet. Ab der zweiten Hälfte des 5. Jh. traten neben dem militärischen Aspekt auch andere für den Staatsdienst nützliche Bildungsinhalte wie Rhetorik und Philosophie hervor. Aus heutiger Sicht korrespondiert Ephebie mit der Lebensphase zwischen Kindheit und dem Erwachsenwerden, die als Ende der Pubertät gesehen werden kann. Mit 18 Jahren wurden die Athener in die Ephebie aufgenommen, und somit hatte auch ihre Ausbildungsphase unter der Aufsicht eines ‚Kosmeten‘ (bzw. „Ordners“) angefangen. Zu den Einzelheiten dieser Lehrer und zur Ephebie in späteren Zeiten vgl. Gehrke 1997. Wie Proklos und das Scholion im Olympiodors Kommentar erklären (siehe Anm. 421), hatten die Jungen diese Ausbildung mit 20 Jahren beendet und wurden darauf in die Liste der Bürger eingetragen. Zur Zeit des Dialogs steht Alkibiades kurz vor der Eintragung in die Ephebenliste, siehe dazu Anm. 778. Die Gemeinbegriffe werden in mehreren Stellen dieses Kommentars behandelt (siehe 18,30; 40,20). Diese Theorie beruht auf der stoischen Doktrin über gemeinsame Erkenntnis aller menschlichen Wesen, die eine Reihe der wahren Konzepte beinhaltet. Diese sind nicht auf der bewussten Ebene, sondern können mit Mühe in den Vordergrund gebracht oder philosophisch geäußert werden. Paraphrase Plat. Alc. 110b7–8: ἀλλὰ τί ἔμελλον ποιεῖν, ὦ Σώκρατες, ὁπότε τίς με ἀδικοῖ; „Aber was hätte ich tun sollen, Sokrates, wenn mir jemand Unrecht tat?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor paraphrasiert und folgert ausgehend von dem Dialog. Die Freude am Lernen ist eine Eigenschaft des Philosophen in der platonischen Philosophie, die sich nicht in der entsprechenden Textstelle des Alkibiades befindet, aber in anderen Dialogen mit der Bezeichnung φιλομαθής aufgefasst wird (vgl. Plat. Phd. 67b; Rep. 581b). Vgl. Plat. Alc. 110c6–7. Paraphrase Plat. Alc. 106d und 110d. An diesen Stellen gibt Sokrates diese zwei Wege der Erkenntnis und ihre Voraussetzungen an. Er fasst diese nochmal zusammen, um festzustellen,

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dass Alkibiades weder einen Lehrer nennen noch behaupten kann, die Erkenntnis über das Gerechte selbstständig gefunden zu haben. Plat. Alc. 110b1. Diese Fächer wurden unter Alkibiades’ Bildung erwähnt. Ein παιδοτρίβης ist ein Übungsleiter, der die Jungen in verschiedenen Bereichen des Sports ausbildet. Der γραμματιστής entspricht dem Elementarlehrer, der Lesen und Schreiben, wörtlich die „Buchstaben“ (γράμματα), beibringt. Olympiodor bezieht sich auf die zwei Prämissen von Sokrates, die er an vorherigen Stellen des Kommentars behandelt hat (siehe 64,9–89,1). Damit Alkibiades behaupten kann, dass er das Gerechte weiß, muss eine der folgenden Prämissen akzeptiert werden: Entweder hat Alkibiades das Gerechte von jemandem anderen gelernt; oder er hat es selber erforscht und herausgefunden. Vgl. Plat. Alc. 110d. Olympiodor paraphrasiert zusammenfassend aus Plat. Alc. 110d5–8 und verbindet zwei Sätze, die Alkibiades äußert. Diese Fragen hat Sokrates vorher an Alkibiades gerichtet, um festzustellen, dass er das Gerechte nicht gelernt hat, da er weder seine Lehrer, noch eine Zeit, nennen kann, in der er das gelernt hat (vgl. Plat. Alc. 106e; siehe 64,1–10). Zur Konvention und Natur in der platonischen Philosophie siehe oben 86,10–15 und Anm. 755. Paraphrase Plat. Alc. 110e5–10. Westerink (ad loc. in app.) erkennt hier den Gedankengang über die Konstruktion der Körper aus den Elementen in den hippokratischen Schriften und verweist auf Hp. De carnibus, 2. Diese Feststellung trägt eine zentrale Bedeutung für Olympiodors Interpretation verschiedener philosophischen Ansichten. Da die Philosophen als die Wissenden miteinander einig sein müssen, bleiben die Gegensätze ihrer Theorien nach Olympiodor nur oberflächlich. Vgl. dazu 96,5–6; 139,1–4. Demokrits Ansicht über die Leere wurde bei dem Neuplatoniker Simplikios behandelt (Simpl. De cael. 294,33ff. = DK A37). Simplikios verweist hier auf eine Schrift des Aristoteles mit dem Titel ‚Über Demokrit‘ und erläutert die darin dargestellte Theorie wie folgt: Δ. ἡγεῖται τὴν τῶν ἀιδίων φύσιν εἶναι μικρὰς οὐσίας πλῆθος ἀπείρους· ταύταις δὲ τόπον ἄλλον ὑποτίθησιν ἄπειρον τῶι μεγέθει. προσαγορεύει δὲ τὸν μὲν τόπον τοῖσδε τοῖς ὀνόμασι τῶι τε κενῶι καὶ τῶι οὐδενὶ καὶ τῶι ἀπείρωι, τῶν δὲ οὐσιῶν ἑκάστην τῶι τε δενὶ καὶ τῶι ναστῶι καὶ τῶι ὄντι. „Demokrit meint, die Natur der ewigen Dinge seien kleine, an Anzahl unendliche Wesenheiten. Er nimmt als Grundlage für sie einen anderen, an Größe unendlichen Raum an. Diesen Raum bezeichnet er mit folgenden Namen: das ‚Leere‘, das ‚Nichts‘ und das ‚Unendliche‘, die einzelnen Wesenheiten aber mit den Ausdrücken das ‚Ichts‘, das ‚Feste‘ und das ‚Seiende‘“ (Übers. Marciano 2013). An dieser Stelle argumentiert Olympiodor wie im Fall von συνήθεια bei Proklos, dass die allgemeine Akzeptanz einer Ansicht diese nicht als Wahrheit darstellt. Siehe dazu 21,11; Anm. 209 und 222; vgl. Anhang 3: ‚Üblicher Sprachgebrauch‘. Eine logische Umkehrung bezeichnet einen Schluss, der auch in umgekehrter Richtung Gültigkeit besitzt, wenn die Begriffe der Schlussfolgerung einander entsprechen, beziehungsweise aufgrund ihrer Austauschbarkeit im Syllogismus zueinander gleichgesetzt werden können. Siehe dazu im Folgenden 104,20–105,2. Die These, dass das Gerechte die gesamte Seele betrifft, vertritt Olympiodor auch vorher im Kommentar (siehe 73,5–12). Zu dieser Stelle des Alkibiades äußert Proklos diese These ausgehend von Platons Politeia (vgl. Procl. in Alc. 216,14–20). Da die Gerechtigkeit das Wesen (οὐσία) des Menschen betrifft, fühlen sich diejenigen, die Unrecht erleiden, wie Wesenlose (ἀνούσιος).

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D. Anmerkungen Vgl. Hdt. I,2–4. Diese gegenseitigen Anschuldigungen des Telemachos und der Freier (vor allem Antinoos) werden in der Odyssee dargestellt (vgl. Hom. Od. 2,35–223). Olympiodor interpretiert den Gebrauch von vielfältigen Elementen als eine literarische Strategie bei Platon. Zum Konzept ‚poikilia‘ bei Olympiodor (hier: καταποικίλλων) siehe Bohle 2020, S. 118–121; vgl. Anm. 549. Vgl. dazu Hom. Il. I,260–273. Vgl. Isoc. 9,16. Hom. Il. XXIV,486 (Übers. Schadewaldt 1975). Paraphrase Plat. Alc. 110d. Vgl. Plat. Alc. 110e1. Das Adjektiv κρήγυος wird im Folgenden im Sinne von ‚förderlich‘ aufgefasst, wenn es sich auf die Menschen bezieht, während es als ‚gedeihlich‘ im Zitat aus Homer übersetzt wird, da es sich hierbei auf die Objekte (an dieser Stelle auf die Inhalte der Wahrsagung) bezieht. Vgl. Plat. Alc. 111e. Nach Olympiodors Interpretation verwendet Platon an dieser Stelle κρήγυος nicht, um auf ‚rechtschaffene‘ oder ‚anständige‘ Lehrer zu deuten; vgl. Übersetzung von Döring (2016) für Plat. Alc. 111e1, sondern um auf die Frage hinzuweisen, ob diese Lehrer ‚förderlich‘ für die Jugendlichen sind. Hom. Il. I,106; Übers. Schadewaldt 1975. Olympiodor interpretiert an dieser Stelle einen Gegensatz zwischen κακών (schlechte, unglückliche Dinge) und κρήγυον (das Förderliche, Gedeihliche) und leitet daraus den Sinn von κρήγυον als den Gegensatz von ‚schlecht, übel‘, also als ‚gut‘ (ἀγαθός), ab. Hom. Il. I,107 (Übers. Schadewaldt 1975). Vgl. Plat. Alc. 110e2–3. Bei Platon ergibt dieser Satz durch die Partikel γε einen einschränkenden oder gegenüberstellenden Sinn wie ‚aber, allerdings‘ (vgl. Döring 2016: „Das ist allerdings kein bedeutender Lehrer, bei dem du deine Zuflucht suchst, wenn du dich auf die breite Masse der Bevölkerung berufst.“). An dieser Stelle wird das Adjektiv σπουδαῖος bezüglich der Lehrer als ‚beachtenswert‘ übersetzt (auch unten in 95,4 ‚wichtigere Dinge‘), während es vorher in Bezug auf dieTugend interpretiert wurde (der tugendhafte Mensch; siehe 38,25 und Anm. 373). Dieses Apophthegma wird dem Bias von Priene zugeschrieben und in verschiedenen Formen tradiert. Siehe dazu unten 94,21 („die Meisten sind schlecht“). Olympiodor führt hier die Argumentation an, dass, wenn in der Natur das, was natürlich ist, häufiger vorkommt als die Ausnahmen (wie sechs Finger), so müsste auch in der menschlichen Gesellschaft das, wovon es mehr gibt (die Mehrheit), natürlich sein. Dies würde aber nur dann gelten, wenn die Seele der Menschen in dieser Welt an ihrem natürlichen Ort wäre (was nicht der Fall ist). Die Kondition, sich an einem fremden Ort zu befinden (d. h. nicht in der eigentlichen Heimat: ἀνοικείῳ), weist in diesem Punkt Parallelen zur stoischen Philosophie auf. Ein Beispiel findet sich bei Marcus Aurelius, vgl. M. Ant. III.7,6–13: τὸ μέγιστον, ζήσει μήτε διώκων μήτε φεύγων, πότερον δὲ ἐπὶ πλέον διάστημα χρόνου τῷ σώματι περιεχομένῃ τῇ ψυχῇ ἢ ἐπ̓ ἔλασσον χρήσεται, οὐδ̓ ὁτιοῦν αὐτῷ μέλει: κἂν γὰρ ἤδη ἀπαλλάσσεσθαι δέῃ, οὕτως εὐλύτως ἄπεισιν, ὡς ἄλλο τι τῶν αἰδημόνως καὶ κοσμίως ἐνεργεῖσθαι δυναμένων ἐνεργήσων, τοῦτο μόνον παρ’ ὅλον τὸν βίον εὐλαβούμενος, τὸ τὴν διάνοιαν ἔν τινι ἀνοικείῳ νοεροῦ καὶ πολιτικοῦ ζῴου τροπῇ γενέσθαι. „Er kümmert sich in keiner Weise darum, ob er seine Seele für längere oder kürzere Zeit in seinem Körper eingeschlossen hat. Selbst wenn er sofort gehen muss, geht er so bereitwillig, als ob er irgendeine der anderen Handlungen verrichten würde, die man auf anständige und geordnete Weise tun kann, wobei er sein ganzes Leben lang allein darauf achtet, dass sein Geist sich niemals in einem Zustand befindet, der dem eines vernünftigen und sozialen Wesens fremd ist.“

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Zu dieser Stelle weist Creuzer (ad loc. 94 Anm. 26) darauf hin, dass der Ausdruck ‚Vater‘ eine Parallele zu den Paulusbriefen darstellt (Creuzer verweist Phil. 3,20 und Hebr. 11,13). Vgl. Phil. 3,20: ἡμῶν γὰρ τὸ πολίτευμα ἐν οὐρανοῖς ὑπάρχει, ἐξ οὗ καὶ σωτῆρα ἀπεκδεχόμεθα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν. Andererseits ist diese Ansicht auch fest im Platonismus verwurzelt, vgl. Plot. I.6.8,21: Πατρὶς δὴ ἡμῖν, ὅθεν παρήλθομεν, καὶ πατὴρ ἐκεῖ. Für Olympiodor nimmt dieses Prinzip eine wesentliche Stellung im Kontext der kathartischen Tugend ein (vgl. Olymp. in Phd. 13,9; 16,4; 39.2,4). Im Kommentar zum Phaidon führt er dieses Zitat in Bezug auf Sokrates’ Definition des Todes als Befreiung der Seele vom Körper; vgl. Olymp. in Phd. 7.2.4: ‘πατὴρ γὰρ ἡμῶν καὶ πατρὶς ’. Zur Erklärung dieserAporien siehe oben 91,16–92,1. Olympiodor weist mit dem Begriff ἀπορία auf eine Frage, die sich auf einen Widerspruch bezieht (siehe dazu 52,21–23 und Anm. 504). Vgl. Plat. Alc. 110e11–12: ἄλλα γοῦν πολλὰ οἷοί τ’εἰσὶν διδάσκειν σπουδαιότερα τοῦ πεττεύειν. „Jedenfalls sind sie in der Lage, viele andere Dinge zu lehren, die bedeutender sind als das Brettspiel.“ (Übers. Döring 2016). Zur Konvention und Natur in der platonischen Philosophie siehe oben 86,10–15 und Anm. 755. Siehe dazu 91,11–13. Vgl. Plat. Alc. 111b12–c2: καὶ ἐάν τινα ἐρωτᾷς, ἆρ᾽οὐ τὰ αὐτὰ ὁμολογοῦσιν, καὶ ἐπὶ ταὐτὰ ὁρμῶσιν ὅταν βούλωνται λαβεῖν λίθον ἢ ξύλον; „Und wenn du irgendjemanden fragst, sagen die Leute dann nicht übereinstimmend eines und dasselbe, und begeben sie sich nicht zu demselben Gegenstand, wenn sie einen Stein oder Holz ergreifen wollen?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor bezieht „dieselben Dinge“ bei Platon auf die Erkenntnis (ἡ γνῶσις) und „dasselbe“ auf das Leben (ἡ ζωή). Daher benutzt er im Folgenden das Femininum ταὐτή statt des Neutrums (ταὐτά, Dinge), das sich bei Platon befindet. Siehe dazu Kapitel C. III: ‚Olympiodors Platon-Text‘. Vgl. Plat. Alc. 111d6–9: Τί δ’ εἰ βουληθεῖμεν εἰδέναι, μὴ μόνον ποῖοι ἄνθρωποί εἰσιν ἢ ποῖοι ἵπποι, ἀλλὰ καὶ τίνες αὐτῶν δρομικοί τε καὶ μή, ἆρ’ ἔτι οἱ πολλοὶ τοῦτο ἱκανοὶ διδάξαι; „Wenn wir nun aber nicht nur wissen wollten, was Menschen oder was Pferde sind, sondern auch, welche von den letzteren Rennpferde sind und welche nicht, ist die breite Masse der Bevölkerung da noch geeignet, dies zu lehren?“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 96,15 zu Plat. Alc. 111c. Olympiodor gibt die Bereiche bei Alkibiades’ Bildung an mehreren Stellen an (siehe 2,45–52; 65,20–66,3). Vgl. Plat. Alc. 112d7–9: Πῶς οὖν εἰκός σε εἰδέναι τὰ δίκαια καὶ τὰ ἄδικα, περὶ ὧν οὕτω πλανᾷ καὶ οὔτε μαθὼν φαίνῃ παρ’ οὐδενὸς οὔτ’ αὐτὸς ἐξευρών; „Wie soll es also glaubhaft sein, dass du weißt, was gerecht und was ungerecht ist, wo du doch, was dies betrifft, so sehr im Dunkeln tappst und es offenkundig weder von jemandem gelernt noch selbst gefunden hast?“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 109e–112d. Platon erläutert im Alkibiades eine Art der Unwissenheit, bei der jemand glaubt, etwas zu wissen, obwohl er es nicht weiß (vgl. Plat. Alc. 117d). Demgegenüber steht die Darstellung des Sokrates in der Apologie, der sich dessen bewusst ist, dass er nichts im wahren Sinne weiß (vgl. Plat. Ap. 21d–22a). Diese beiden Arten von Unwissenheit wurden in der neuplatonischen Exegese als ‚einfache‘ und ‚doppelte‘ Unwissenheit bezeichnet: Wenn jemand etwas nicht weiß und sich dessen bewusst ist, deutet es auf eine einfache Unwissenheit. Dagegen bedeutet die doppelte Unwissenheit, etwas nicht zu wissen und dennoch diese Unwissenheit nicht zu merken. Vgl. dazu Procl. in Alc. 102,20: διπλῆ ἄγνοια; 189,1: „doppelte Ungebildetheit“ διπλῆ ἀμαθία; Anon. Proleg. 16,19–27. Olympiodor bekräftigt diese Position an mehreren Stellen des Kommentars (vgl. 11,9–10; 65,14–15; siehe dazu 100,4). Zur Uneinigkeit als Zeichen der Unwissenheit siehe 92,1–5 und Anm. 794.

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D. Anmerkungen Paraphrase Plat. Alc. 112e4–5: ΑΛ. Τί δέ; οὐ σὺ λέγεις ὡς ἐγὼ οὐδὲν ἐπίσταμαι περὶ τῶν δικαίων καὶ ἀδίκων; „Na und? Bist nicht du es, der behauptet, ich wüsste nicht, was gerecht und was ungerecht ist?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor bezeichnet die Ehrliebe als einen Affekt, die schwer von uns zu entfernen ist. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur Vernunft, die sich im Wesen des Menschen befindet, ist es unmöglich, sich von der Ehrliebe fernzuhalten (siehe 50,25 und 51,1–10). Bei seiner Darstellung der Affekte macht Olympiodor von der ‚Gewandmetapher‘ Gebrauch. Die Seele bekleidet sich mit den Affekten bei ihrem Abstieg in die sinnlich wahrnehmbare Ebene, wobei sie diese ‚Kleider‘ bei ihrem Aufstieg in die immaterielle Ebene wieder ablegen muss (siehe 2,105–108; 16,11–17,5; 64,15–17). Platon zufolge kann die Seele sich mit dem materiellen Körper ohne ein mittleres Element nicht verbinden (vgl. Plat. Ti. 30b). Diese Annahme leitet zu der Theorie des Seelenwagens (ὄχημα, vgl. Plat. Ti. 41e–44e). Für dieses verbindende Element betrachten die Platoniker auch die Gewandmetapher als Bezeichnung für den Leib, der die Seele umhüllt und ihr das Leben auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene ermöglicht. Ausführlich hierzu Kehl 1978, Sp. 952–962. Olympiodor erinnert an den Anfang von Politeia: Dort erläutert Kephalos allgemeine negative Ansichten bezüglich des Alters und zeigt, dass das Alter auch positive Seiten haben kann. Dabei berichtet er über eine Anekdote, die von einer Frage über Liebe im Alter handelt, die an Sophokles gerichtet wurde. Nach seiner Darstellung soll Sophokles mit diesem Satz geantwortet haben (Plat. Rep. 329c2–3): „ἁσμενέστατα μέντοι αὐτὸ ἀπέφυγον, ὥσπερ λυττῶντά τινα καὶ ἄγριον δεσπότην ἀποφυγών.” „Mit der größten Freude bin ich dem entronnen, als wäre ich von einem wütenden und wilden Herrn losgekommen.“ (Übers. Rufener 1991). An dieser Stelle und im Folgenden wird λέγειν im Sinne von ‚Argumente äußern, Behauptungen machen‘ verwendet (vgl. LS. III.b, 15). Auch Platon benutzt dieses Verb im Alkibiades in diesem Sinne (vgl. Plat. Alc. 113a7–10, Übersetzung von Döring 2016: „behaupten“). Olympiodor thematisiert die Rolle des Antwortgebers und des Fragestellers in einem Dialog im Rahmen dieses Kommentars (siehe 12,8). Dieser Aspekt im Alkibiades wurde bereits von Proklos erläutert, der die Bedeutung des Antwortgebens für die Widerlegung des Gesprächspartners in einem sokratischen Dialog betont (vgl. Procl. in Alc. 280,1–286,20). Vgl. im Folgenden 100,5–10; 102,5; 20–23; 104,10; 108,4–5; 113,18–20. Olympiodor deutet auf die Unterschiede bezüglich verschiedener Arten der Fragen. Während ἐρώτημα eine Frage ist, die „ja“ oder „nein“ als Antwort zur Folge hat (LS. I,2), weist πύσμα auf eine offene Frage hin, die eine komplexere Antwort erlaubt (LS. I,2). In diesem Sinne wird es besonders in der stoischen Philosophie bei Chrysipp verwendet (vgl. SVF 2,186). In den platonischen Dialogen verwendet Sokrates meistens eine ‚dialektische‘ Frage (ἐρώτημα) zur Bestätigung eines Arguments, während eine offene Frage (πύσμα) in den Fällen vorkommt, in denen die anderen Gesprächsteilnehmer aufgefordert werden, eine Definition anzugeben. Diese These wiederholt Olympiodor im gesamten Unterricht, siehe dazu 98,24–99,6; vgl. Olymp. in Grg. 25,18–20. Der Gebrauch der Sprache ‚auf bestimmende Weise‘ (ἀποφαντικῶς) bedeutet nicht nur Feststellungen und Behauptungen zu äußern, sondern diese auch auf ‚kategorische‘ oder ‚apodiktische‘ Weise, als unwiderlegbare Wahrheiten darzustellen. Daher wird dieses Adverb hier nicht nur als ‚auf behauptende Weise‘ aufgefasst. Auf fragende Weise (ἐρωτηματικῶς) zu sprechen bedeutet, dass man Fragen (ἐρώτημα) stellt und eine interrogative Art der Sprache benutzt, statt eigene Argumente darzulegen. DieThese, dass jede Aussage entweder etwas Falsches oder Wahres beinhalten soll, geht auf die platonische Philosophie zurück und wird insbesondere im Kratylos thematisiert (vgl. Plat. Cra. 385a–c; siehe Kapitel B. II.1.4: ‚Sprache als Werkzeug der Exegese‘.

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Die Bezeichnung προσδιαλεγόμενος weist auf einen Teilnehmer des platonischen Dialogs, der eher ein Antwortgeber auf die Fragen des Sokrates als in weiterem Sinne ein Gesprächsteilnehmer ist. Ausgehend von der Darstellung des Sokrates als ‚Geburtshelfer‘ bei Platon (vgl. Plat. Tht. 148e–151d, Ap. 33a–c), verwendet Olympiodor diese Bezeichnung mehrmals im Kommentar (siehe 12,5–10; 63,15–17; 74,21). Der Begriff πλοκή gehört zu den Konzepten, die in der aristotelischen Hermeneutik behandelt werden. Nach Aristoteles deutet dieses Konzept auf die Verwicklung der dramatischen Handlung, die aus Knüpfung (δέσις) und Lösung (λύσις) besteht (vgl. Arist. Po. 1455b24–30; 1456a9). In den Kommentaren zu den logischen Schriften des Aristoteles wurde der Begriff im Sinne von Verknüpfungen der Schlüsse in einem Syllogismus aufgefasst (vgl. Ammon. in APr. 67,30). Olympiodor gebraucht diesen Begriff für die Zusammensetzung der Prämissen in Form eines Syllogismus. Nach Proklos ist es die Aufgabe des Fragestellers, diese Zusammensetzung vorzustellen und daraus zu folgern (vgl. Procl. in Alc. 303,1–16). Dagegen erwähnt Proklos das Wort πλοκή nicht in diesem Zusammenhang, sondern als ‚Verflechtung‘ der Redefiguren (τῶν ἰδεῶν ἡ πλοκή, Procl. in Alc. 10,12) oder als Gegenstand der Handlung (vgl. Procl. in Alc. 180,22). In der Logik bezeichnet συμπέρασμα den Schlusssatz eines Syllogismus (vgl. Arist. APr. 30a5). In diesem Sinne wird der Begriff im Folgenden ausgehend von der Fachterminologie mit ‚Konklusion‘ übersetzt. Paraphrase Plat. Alc. 114b1–3. Wie Proklos erläutert, wurde Alkibiades in der platonischen Exegese in eine Reihenfolge von zehn Syllogismen aufgeteilt (vgl. Procl. in Alc. 12,18–13,15). Diese Gliederung stellt Proklos als die Meinung „einiger Exegeten“ dar und kritisiert diese als eine allzu formale Gliederung. Dagegen verbindet Proklos Jamblichs Interpretation, der drei Hauptteile im Dialog unterscheidet, mit der Gliederung in zehn Syllogismen (vgl. Procl. in Alc. 13,16–14,24). Siehe dazu Kapitel B. II.1.3.3. Die Stellung (τάξις) und die Gliederung (διαίρεσις). Der dritte Syllogismus stellt fest, dass bei Fragen und Antworten derjenige etwas behauptet, der Antworten gibt. Paraphrase Plat. Alc. 110d5–e1. Diese Aussage wurde im vorherigen Unterricht mehrmals behandelt (siehe 91,1–5; 93,22–25). Paraphrase Plat. Alc. 113d1–4. Diese These wird im Unterricht noch einmal wiederholt (siehe 105,6–16). Diese Erklärung lässt sich auf Aristoteles’ Unterscheidung der drei Arten von Reden (epideiktische Rede, Gerichtsrede und Beratungsrede) in der Rhetorik zurückführen. Dabei vertritt Aristoteles die Auffassung, dass das Gerechte und Ungerechte das Thema der Gerichtsrede sind, wobei die Beratungsrede das Nützliche als sein Ziel bestimmt (vgl. Arist. Rh. 1358b20–27). Proklos führt diese rhetorischen Themen ebenfalls an (vgl. Procl. in Alc. 294,21–295,4). Dieser Satz wird in ähnlicher oder gleicher Form mehrmals im Kommentar wiederholt (siehe 74,10; 81,22; 106,23–107,13; 108,24–109,1). Ausgehend vom Gebrauch der Gewandmetapher bezüglich der Argumente im Alkibiades (vgl. Plat. Alc. 113d–114a) erklärt Olympiodor die Wiederholungen der gleichen Argumente bei Platon (siehe dazu 74,10 und Anm. 687). Der platonischen Philosophie zufolge ist das Ziel der Seienden das Gute (vgl. Plat. Rep. 505d–e, Grg. 499e; Plot.V.9.2,20–27). Auf dieser Grundlage argumentiert Olympiodor, dass Alkibiades durch diese Zielbestimmung auch für sich selbst nicht gemerkt hat, dass er über das Gute nichts weiß, da alles sich bewusst oder unbewusst nach dem Guten richtet. Für ἔνδειξις im Sinne von einem Hinweis im Prozess der Beweisführung siehe 58,12–14. Olympiodor weist auf den Widerspruch dieses Verhaltens hin, wenn ein Mensch genau aufgrund der Ehrliebe so erscheint, als würde er die Ehre geringschätzen. Damit wird die

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D. Anmerkungen Schwierigkeit, bestimmte Affekte beiseitezulegen, erneut betont (siehe dazu 38,14–15; 50,25–51,1). Vgl. Epict. Ench. 5b: Ἀπαιδεύτου ἔργον τὸ ἄλλοις ἐγκαλεῖν ἐφ’ οἷς αὐτὸς πράσσει κακῶς· ἠργμένου παιδεύεσθαι τὸ ἑαυτῷ· πεπαιδευμένου τὸ μήτε ἄλλῳ μήτε ἑαυτῷ. „Ein Ungebildeter pflegt seinen Mitmenschen vorzuwerfen, dass es ihm schlecht geht. Ein Anfänger in der philosophischen Bildung macht sich selbst Vorwürfe. Der wirklich Gebildete schiebt die Schuld weder auf einen anderen noch auf sich selbst.“ (Übers. Nickel 2006). Diese Sätze werden sowohl von Proklos als auch von Olympiodor in den Kommentaren zum Alkibiades zitiert, wobei Olympiodor sie beinahe wortwörtlich wiedergibt, während Proklos paraphrasiert, indem er statt „Anfänger“ (ἠργμένος) den stoischen Begriff des ‚Fortschreitenden‘ (ὁ προκόπτων) benutzt und diese als eine allgemeine stoischeThese beschreibt. Dennoch bezieht auch Proklos diese Ansicht auf Alkibiades’ Forstschritt, wie Olympiodor es an dieser Textstelle interpretiert (vgl. Procl. in Alc. 287,9–288,3). Siehe dazu 102,14–16; 106,2–4. Proklos interpretiert diese Stelle auf ähnliche Weise, dass Alkibiades aus der doppelten in die einfache Unwissenheit wechselt, dennoch nicht die vollkommene Erkenntnis erreicht, sodass er weder sich noch andere beschuldigt (vgl. Procl. in Alc. 287,9–288,3). Hom. Il. XIX, 86–87 (Übers. Schadewaldt 1975). Bei Olympiodor erscheint ἱεροφοῖτις als eine Lesart von ἠεροφοῖτις (‚die Luft durchwandelnd, im Nebel wandelnd‘) in der Textüberlieferung (siehe ad loc. in app. zu Ilias XIX,87 bei West 2000; vgl. West 1998, ad loc. in app. zu Ilias IX,571). Olympiodor führt dieses Zitat mehrmals an (siehe 45,10; vgl. in Grg. 24.3,27). In diesen Versen erklärt Agamemnon, warum nicht er an dem Streit mit Achilleus schuld ist, sondern die Götter. Vgl. Plat. Alc. 112e4–5: Τί δέ; οὐ σὺ λέγεις ὡς ἐγὼ οὐδὲν ἐπίσταμαι περὶ τῶν δικαίων καὶ ἀδίκων; „Na und? Bist nicht du es, der behauptet, ich wüsste nicht, was gerecht und ungerecht ist?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Eur. Hipp. 352: Τρ. Ίππόλυτον αὐδᾷς; Φα. σου τάδ', ούκ ἐμοῦ κλύεις. „Amme: Sag nicht: Hippolytos. Phaidra: Du sprachst dieses Wort, nicht ich.“ (Übers. Buschor 1972). Proklos interpretiert die Erwähnung des Euripides im Alkibiades in dem Sinne, dass Sokrates hier die Regeln des Zitierens feststellt. Dadurch zeigt er, dass die Dichtung in Form von Prosa paraphrasiert werden muss, um in der Dialogform bleiben zu können. Anschließend fasst Proklos die Stelle bei Euripides zusammen und kommentiert, dass Phaidra weder die Beschuldigung gegen sie akzeptieren noch ihre Liebe verleugnen wollte. Genauso verhält sich Alkibiades mit seiner Aussage, da er weder seine Unwissenheit gestehen, noch diese Schlussfolgerung verneinen will (vgl. Procl. in Alc. 291,15–292,13). Auch Olympiodor stellt unten (104,3–6) diese Erwähnung von Euripides als Platons Beispiel für Zitieren dar. Bei diesem Beispiel weist Döring daraufhin, dass Platon hierbei einen Anachronismus darstelle, da die Aufführung von Euripides’ Hippolytos mit einem späteren Datum korrespondiert (428 v. Chr.) als die Zeit, in der vermutlich das Gespräch zwischen Sokrates und Alkibiades stattgefunden haben könnte (433/2 v. Chr., siehe Döring 2016, S. 25 Anm. 12). Paraphrase Plat. Alc. 113c2–4: ΣΩ. Τὸ τοῦ Εὐριπίδου ἄρα συμβαίνει, ὦ Ἀλκιβιάδη· σοῦ τάδε κινδυνεύεις, οὐκ ἐμοῦ ἀκηκοέναι, οὐδ’ ἐγώ εἰμι ὁ ταῦτα λέγων, ἀλλὰ σύ, ἐμὲ δὲ αἰτιᾷ μάτην. „Hier trifft also das Wort des Euripides zu, Alkibiades: Du scheinst dies von dir selbst, nicht von mir gehört zu haben, und nicht ich bin der, der dies behauptet, sondern du bist es, mich aber bezichtigst du grundlos.“ (Übers. Döring 2016). Mit Hilfe der Notwendigkeit im Sinne von logischem Zwang der Geometrie (γραμμικαῖς ἀνάγκαις) wird ein Argument als Grundlage einer stringenten Beweisführung geäußert (vgl. DGE, γραμμικός I). Olympiodor verwendet diese Bezeichnung bei seiner Analyse der Argumente (siehe 49,1;102,4; vgl. in Grg. 18.1). Dabei ist die Zuordnung des Begriffs γραμμικός

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unklar, da es einerseits eine andere Form von γραμματικός (die Grammatik, vgl. LS. II) sein kann, andererseits auf die Geometrie deutet (γραμμικός: linear, geometrisch). Vgl. Plat. Alc. 112e10–11: Ὧδε εἴσῃ. ἐάν σε ἔρωμαι τὸ ἓν καὶ τὰ δύο πότερα πλείω ἐστί, φήσεις ὅτι τὰ δύο; „Auf folgende Weise wird es dir klar werden: Wenn ich dich frage, was von beidem mehr ist, eins oder zwei, wirst du sagen, zwei.“ (Übers. Döring 2016). Zum Unterschied zwischen investigativen und dialektischen Fragen siehe 99,3. Investigative Fragen benötigen, im Gegensatz zu den dialektischen, eine komplexere Antwort als einfach ‚ja‘ oder ‚nein‘. Proklos bezeichnet Fragen, für die Verweigerung durch Zurückwerfen des Kopfes oder Bestätigung durch Kopfneigen als Antwort nicht reichen, als ‚Erkundigung‘ oder ‚nachforschende Frage‘ (πευστικός). Zur Bestimmung der investigativen Fragen und Erläuterung der dialektischen sowie anderen Arten der Fragen bei Proklos vgl. Procl. in Alc. 283,1–285,15. Sowohl πυσματικός bei Olympiodor als auch πευστικός bei Proklos werden von dem Verb πυνθάνομαι (nachforschen, erkundigen, befragen) abgeleitet. Vgl. Plat. Alc. 112e15–16: Πότερος οὖν ἡμῶν ὁ λέγων ὅτι τὰ δύο τοῦ ἑνὸς ἑνὶ πλείω; „Wer von uns beiden ist es also, der behauptet, zwei sei um eins mehr als eins?“ (Übers. Döring 2016). Alkibiades bestätigt zuerst, dass zwei mehr als eins ist. Auf die Frage von Sokrates, um wie viel es mehr ist, antwortet er, dass es eins mehr ist (vgl. Plat. Alc. 112e10–14). Diese beiden Aussagen bringt Sokrates in seiner Frage zusammen. Vgl. Plat. Alc. 113a3–5: ΑΛ. Ἐγώ. ΣΩ. Τί δ’ ἂν ἐγὼ μὲν ἔρωμαι ποῖα γράμματα Σωκράτους, σὺ δ’εἴπῃς, πότερος ὁ λέγων; „Alk.: Ich. So.: Und wenn ich dich frage, aus was für Buchstaben der Name Sokrates besteht, und du es sagst, wer von uns beiden ist dann der, der etwas behauptet?“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 113a–b. Vgl. Plat. Alc. 113a7–9: Ἴθι δή, ἑνὶ λόγῳ εἰπέ· ὅταν ἐρώτησίς τε καὶ ἀπόκρισις γίγνηται, πότερος ὁ λέγων, ὁ ἐρωτῶν ἢ ὁ ἀποκρινόμενος; „Gut denn, sag es mit einer Formel: Wenn gefragt und geantwortet wird, wer von beiden ist dann der, der etwas behauptet, der, der fragt, oder der, der antwortet?“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 99,25–100,3. Vgl. Plat. Alc. 113b6–7: Φαίνομαι μέν, ὦ Σώκρατες, ἐκ τῶν ὡμολογημένων ἐγώ. „Nach dem, worauf wir uns geeinigt haben, offenkundig ich, Sokrates.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 113b8–11: Οὐκοῦν ἐλέχθη περὶ δικαίων καὶ ἀδίκων ὅτι Ἀλκιβιάδης ὁ καλὸς ὁ Κλεινίου οὐκ ἐπίσταιτο, οἴοιτο δέ, καὶ μέλλοι εἰς ἐκκλησίαν ἐλθὼν συμβουλεύσειν Ἀθηναίοις περὶ ὧν οὐδὲν οἶδεν; οὐ ταῦτ’ ἦν; „War nun nicht behauptet worden, Alkibiades, der Schöne, der Sohn des Kleinias, verfüge über kein Wissen davon, was gerecht und ungerecht ist, meine es aber und schicke sich an, in die Volksversammlung zu gehen und den Athenern seinen Rat zu erteilen in Bezug auf Dinge, in denen er sich nicht auskenne? War es nicht dies?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor bezeichnet eine Reihenfolge der Widerlegungen an dieser Stelle des Dialogs als einen verbalen Angriff bestehend aus Widerlegungen (καταδρομή ἐλέγχων). Proklos analysiert die Strategie der Widerlegung, die Sokrates verfolgt (vgl. Procl. in Alc. 289,2–290,12) und definiert diese als eine schärfere Art der Widerlegung (πληκτικωτέρους τῶν ἐλέγχων, 290,1). Die folgenden Beispiele aus Homer und Demosthenes werden auch von Proklos angeführt (vgl. Procl. in Alc. 290,1–5). Olympiodor bezeichnet das Gemeine als den Gegensatz des Göttlichen und somit als den Gegensatz davon, was dem Philosophen angemessen ist (siehe zu dem göttlichen und dem gemeinen Liebhaber 13,12–14,26). Phoinix ist der Erzieher und Berater des Achilleus, der in der Ilias als Gesandter eine Rede hält, um Achilleus wieder in den Kampf zurückzubringen (vgl. Hom. Il. IX,435–605). Bei dieser Rede erzählt Phoinix über sein eigenes Leben, wie er die Geliebte seines Vaters getötet und

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D. Anmerkungen anschließend bei Peleus Zuflucht gefunden hat. Das hierbei betonte respektvolle und gastfreundliche Verhalten des Peleus stellt Olympiodor zufolge eine indirekte Kritik gegenüber Achilleus dar. Dagegen erfolgt diese Art der indirekten Kritik nicht auf gleiche Weise wie die unten dargebotene Kritik des Demosthenes gegen Athener: Bei dem ersten Beispiel wird die Kritik gegen Achilleus durch die Darstellung des Peleus versteckt und somit die kritisierte Person mit einer anderen Person ersetzt. In dem zweiten Fall hingegen stellt Demosthenes seine Meinung als die Ansicht anderer dar und ersetzt dabei den Kritiker mit einer anderen Person. In seiner Rede „Über die Angelegenheiten im Chersonesos“ stellt Demosthenes hypothetisch dar, dass die Griechen fragen würden, warum die Athener die Abwesenheit des Philippos nicht nutzten, um die verlorenen Gebiete zurückzuerobern (vgl. Dem. 8,34–37). Paraphrase Plat. Alc. 113b8–11. Die drei Hypostasen bestehend aus dem Einen und seinen Manifestationen Vernunft und der Weltseele wurden auf der Grundlage der Plotins Philosophie entwickelt; jedoch von ihm vielmehr als die drei grundlegenden Urprinzipien (ἀρχαί) bezeichnet (vgl. Plot. II.9.1,12–20). Die Formulierung der ‚Drei Hypostasenlehre‘ stammt nach Ziebritzki (1994, S. 179) wahrscheinlich von Porphyrios, der die Titel der Enneaden aufgestellt hat. Bei Plotin sind die drei Hypostasen das Eine (auch als Gott bezeichnet, vgl. Plot.V.1,17–22), die Vernunft (auch ‚Geist‘, ‚Denkvermögen‘ oder ‚Nous‘ genannt) und die Seele. Im späteren Neuplatonismus dagegen wurde das Eine, wie Dörrie (1954, S. 331) erklärt, von der Vernunft getrennt und ins Jenseits aller Seienden gesetzt, da die anderen Hypostasen aus dem Einen hervorgehen, das Eine aber aus keinem anderen. In diesem Sinne wird die ‚Lehre der drei Hypostasen‘ des spätantiken Platonismus nach Opsomer (2002a) als ‚unplotinisch‘ betrachtet, insofern es bei Plotin die Bezeichnung der Hypostasen um die wahre Existenz dieser Entitäten geht, bei den späteren Platonikern dagegen auch jedes selbstständig Seiende als Hypostase bezeichnet werden kann. Ferner ist eine Einstufung der Hypostasen und Ausgrenzung des transzendenten Einen von den anderen Hypostasen zum spätantiken Platonismus zuzuordnen. Edwards (2018, S. 1337) stellt die Hypostasen bei Porphyrios wie folgt dar: Der Gott/das Gute; der Schöpfer/der Demiurg, und die Seele als ganze und vollkommene Hypostasen unterhalb des Einen; wobei diese sich von den unvollkommenen Hypostasen unterscheiden. Porphyrios und Jamblich haben die Identifizierung des Einen mit der Vernunft bei Plotin verworfen und damit zu einer weiteren Differenzierung der Hypostasen geführt. Demzufolge wird die Vernunft als zweite Hypostase bei Proklos von dem Einen ausgegrenzt und in drei Ebenen unterteilt: das Sein, das Leben und die Vernunft (vgl. Procl. Inst. 101). Proklos gibt außerdem Speusippos als seine Quelle für diese Theorie an (vgl. Procl. in Prm. 501,61–67; siehe dazu Kavvadas 2009, S. 26). Ferner unterscheidet Proklos zwischen den vollständigen Hypostasen und ihren ‚Ausstrahlungen‘ (vgl. Procl. Inst. 64). Ausgehend von dieser Differenz zwischen den vollkommenen und unvollkommenen Hypostasen, bezeichnet Olympiodor Vernunft, Gott und Seele als die ursprünglichen Hypostasen. Die Anordnung der Vernunft vor dem Gott (bzw. dem Einen) scheint zuerst eine Abweichung von plotinischer Reihenfolge (Eins-Vernunft-Seele) zu sein. Diese ist jedoch nicht als eine theoretische Ausführung formuliert, sondern bezieht sich auf Alkibiades’ Fehler in Betracht verschiedener Hypostasen. Dabei gibt Olympiodor zuerst die Reihenfolge von Vernunft, Gott und Seele an, im Folgenden dagegen erklärt er die Verfehlungen von Alkibiades bezüglich Seele, Vernunft und Gott in umgekehrter Reihenfolge. Zu der gleichen Stelle des Dialogs betont auch Proklos, dass es Alkibiades an Fähigkeiten mangelt. Während Proklos die Hypostasen nicht erwähnt, bezeichnet er Alkibiades als „Übeltäter“ (κακοποιός) und abgetrennt vom (ἀφαιρέσει) Wissen der Seele (τῆς ἐπιστήμης ψυχικῆς), der Vernunft (νοερᾶς) und von der göttlichen Güte (θείας ἀγαθότητος; vgl. Procl. in Alc. 291,1–4).

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Die Identifizierung des Gottes mit dem Guten ist eine Kernthese der platonischen Philosophie. Diese geht aus der Idee des Guten hervor, das bei Platon das höchste Prinzip jenseits der Seienden ist (vgl. Plat. Rep. 509b) und bei Proklos im Rahmen des Alkibiades behandelt wird (vgl. Procl. in Alc. 291,1–4). Alkibiades’ doppelte Unwissenheit ist ein wiederholendes Argument im Kommentar (siehe 65,12–13; 70,14). Dieses Thema behandelt Proklos ausführlich (vgl. Procl. in Alc. 9; 13; 89; 102). Auch Proklos identifiziert die Unwissenheit mit dem Wahnsinn, wobei er eine Stelle der Gesetze Platons (vgl. Plat. Lg. 716a) als Grundlage für diese Ansicht nennt (vgl. Procl. in Alc. 293,14–19). Vgl. Soph. Aj. 18–65. Vgl. Plat. Alc. 113c5–7, siehe unten 104,15–16. Sokrates bezeichnet hier nicht Alkibiades, sondern seine Absicht als wahnsinnig. Wahrscheinlich liegt an dieser Stelle eine Verwechslung vor, die aus dem folgenden Unterricht hervorgeht, in dem dieAussage „Du bist zur Wahrsagung geneigt“ (Μαντικὸς γὰρ εἶ, Plat. Alc. 115a1) untersucht wird. Vgl. Plat. Alc. 113b8–11: Οὐκοῦν ἐλέχθη περὶ δικαίων καὶ ἀδίκων ὅτι Ἀλκιβιάδης ὁ καλὸς ὁ Κλεινίου οὐκ ἐπίσταιτο, οἴοιτο δέ, καὶ μέλλοι εἰς ἐκκλησίαν ἐλθὼν συμβουλεύσειν Ἀθηναίοις περὶ ὧν οὐδὲν οἶδεν; οὐ ταῦτ’ ἦν; „War nun nicht behauptet worden, Alkibiades, der Schöne, der Sohn des Kleinias, verfüge über kein Wissen davon, was gerecht und ungerecht ist, meine es aber und schicke sich an, in die Volksversammlung zu gehen und den Athenern seinen Rat zu erteilen in Bezug auf Dinge, in denen er sich nicht auskenne? War es nicht dies?“ (Übers. Döring 2016). Proklos zufolge mischt Sokrates an dieser Stelle die Widerlegung mit Lob, sodass Alkibiades’ Vorteile genannt werden, um nur zu betonen, dass diese Vorteile ohne Erkenntnis unvollkommen und fern von dem Guten sind (vgl. Procl. in Alc. 290,16–19). Vgl. Plat. Alc. 113c2: τὸ τοῦ Εὐριπίδου ἄρα συμβαίνει, ὦ Ἀλκιβιάδη. „Dazu passt wohl das Wort des Euripides, Alkibiades.“ (Übers. Döring 2016) Platon zeigt die Regeln des Zitierens nach Olympiodor dadurch, dass er eine Stelle von Euripides nicht wortwörtlich zitiert, sondern nur mit ausgewählten Wörtern darauf hinweist (siehe unten 104,7–9 zu Plat. Alc. 113c3: σοῦ τάδε κινδυνεύεις, οὐκ ἐμοῦ ἀκηκοέναι). Diese Stelle wird vorher in diesem Unterricht untersucht (siehe oben 101,19–102,3). Dort wurden die Verse von Euripides angeführt (σοῦ τάδε κοὐκ ἐμοῦ κλύεις, Eur. Hipp. 352). Siehe dazu Anm. 856. Zu dieser Stelle erläutert auch Proklos den Hintergrund bei der Tragödie des Euripides. Nach seiner Interpretation zeigt Platon dadurch, wie die Dichtung in der Prosa zitiert werden soll: Die Verse sollen in Form von Prosa paraphrasiert werden, damit die Struktur eines Dialogs bewahrt wird (vgl. Procl. in Alc. 292,1–17). Vgl. Plat. Alc. 113c3: σοῦ τάδε κινδυνεύεις, οὐκ ἐμοῦ ἀκηκοέναι. „Du scheinst dies von dir selbst, nicht von mir gehört zu haben.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 113c3–4: οὐδ’ ἐγώ εἰμι ὁ ταῦτα λέγων, ἀλλὰ σύ, ἐμὲ δὲ αἰτιᾷ μάτην. „und nicht ich bin der, der dies behauptet, sondern du bist es, mich aber bezichtigst du grundlos.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor weist auf die platonischeThese hin, dass die Seelen ihr Leben freiwillig auswählen (siehe 20,1–15; 45,3–8). In der Politeia stellt Platon dar, dass die Seelen ihren Daimon und ihr Leben selber auswählen und für die Konsequenzen dieser Wahl selber verantwortlich sind (vgl. Plat. Rep. 617d–e). Auch Proklos thematisiert die gleiche Stelle aus der Politeia bei seiner Interpretation und vergleicht Alkibiades mit den Seelen, die den Gott für ihre eigene Wahl verantwortlich machen (vgl. Procl. in Alc. 292,17–293,6). Vgl. Plat. Alc. 113c5–7: μανικὸν γὰρ ἐν νῷ ἔχεις ἐπιχείρημα ἐπιχειρεῖν, ὦ βέλτιστε, διδάσκειν ἃ οὐκ οἶσθα, ἀμελήσας μανθάνειν. „Denn ein wahnwitziges Vorhaben beabsichtigst du in

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D. Anmerkungen Angriff zu nehmen, mein Bester, nämlich Dinge zu lehren, die du nicht weißt, weil du dich nicht darum bemüht hast, sie zu lernen.“ (Übers. Döring 2016). Siehe oben 103,26. Vgl. Plat. Alc. 113d1–3: Οἶμαι μέν, ὦ Σώκρατες, ὀλιγάκις Ἀθηναίους βουλεύεσθαι καὶ τοὺς ἄλλους Ἕλληνας πότερα δικαιότερα ἢ ἀδικώτερα· „Ich glaube allerdings, Sokrates, dass die Athener und die anderen Griechen nur selten darüber beraten, welche von zwei Handlungsweisen gerechter und ungerechter ist.“ (Übers. Döring 2016). Diese Interpretation entspricht der Darstellung bei Proklos, dass Alkibiades mit dieserAussage die Widerlegungen vermeiden möchte, indem er behauptet, dass das Gerechte kein Thema bei den Volksversammlungen sei (vgl. Procl. in Alc. 294,8–14). Vgl. Plat. Alc. 113d1–4, siehe dazu 100,14. Das Gerechte und Nützliche werden im Folgenden als unterschiedliche Fragestellungen erwähnt (siehe dazu Anm. 899; vgl. Procl. in Alc. 295,4–9). Diese Ansicht behandelt Olympiodor auch am Anfang des Kommentars über den Tod des Menoikeus, der sich für den Sieg der Thebaner geopfert hat (siehe 4,1–2). Proklos erwähnt zu dieser Stelle, dass Sokrates diejenigen verflucht hat, die das Gerechte und das Nützliche voneinander getrennt haben (vgl. Procl. in Alc. 296,2–297,2). Für die Entsprechung der Begriffe benutzt Olympiodor an dieser Stelle und im Folgenden das Verb ἀντιστρέφειν („nach entgegengesetzter Richtung wenden“), das auch im vergangenen Unterricht für die logische Umkehrung verwendet wurde (siehe 92,8–9). Die Austauschbarkeit der politischen Tugenden beruht auf der platonischen Ansicht über die Einigkeit und Wechselbezüglichkeit der Tugend (vgl. Plat. Prt. 333b4; Rep. 434d–445b; Plot. I.2.1,1–25; Procl. in Alc. 319,10–11; Dam. in Phd. I,164). Diese Ansicht ist ein Grundsatz der platonischen Philosophie. In der platonischen Auffassung des Glückbegriffs (εὐδαιμονία) spielt Tugend (ἀρετή) eine entscheidende Rolle (vgl. Plat. Grg. 508a–b; Rep. 357d–358a). Die schlechten Handlungen bringen dem Handelnden dagegen Unglück. Zur Abhängigkeit der Glückseligkeit von der Tugend siehe Buddensiek 2007, S. 118. Olympiodor konstatiert diese These mehrmals, siehe oben 10,13–15; unten 109,10–15; 230,1–5. Hier liegt eine Andeutung auf die Überlieferung über den Philosophen Anaxarchos vor. Bei Diogenes Laertios wird Anaxarchos unter den Philosophen der Schule Demokrits angegeben (vgl. D. L. IX,57–59). Nach seiner Überlieferung lebte Anaxarchos im 4. Jh. v. Chr. in Abdera. Diogenes berichtet von Anaxarchos’ furchtlosem Verhalten gegenüber politischen Autoritäten. Bei einem Gastmahl bei Nikokreon, dem Tyrannen auf Zypern, soll Anaxarchos ihn öffentlich kritisiert haben. Ferner erzählt Diogenes, dass der Philosoph aus diesem Grund gefoltert wurde, währenddessen er diesen Spruch wiederholte: „πτίσσε τὸν Ἀναξάρχου θύλακον, Ἀνάξαρχον δὲ οὐ πτίσσεις.“ „Zerstampfe nur, zerstampfe des Anaxarchos Ranzen, den Anaxarch zerstampfst du nicht.“ (D. L. IX, 59); Übers. Apelt 1921. Das Thema der Standhaftigkeit in Verbindung mit diesem Spruch des Anaxarchos wurde in der antiken Literatur öfters aufgegriffen, beispielsweise von Cicero (vgl. Cic. Tusc. II. 22,52; nat. deor. III 33,82). Auch bei den spätantiken alexandrinischen Platonikern fand dieser Spruch verbreiteten Gebrauch (vgl. Olymp. in Grg. 36.3,9–10; Elias in Porph. 22,25–26). Bei den alexandrinischen Kommentatoren diente Anaxarchos als Vorbild für die Standhaftigkeit des Philosophen. In der Rhetorik der Kaiserzeit wurde κεφάλαιον (wörtlich ein „Haupt“ oder „Kapitel“) als Fachbegriff für die verschiedenen Arten von Fragestellungen in Gerichtsprozessen (στάσεις) benutzt (hierzu Kennedy 1983, S. 80). Als ein Bestandteil der rhetorischen Theorie bei Hermogenes und Apsines (vgl. Hermog. Stat. VII, Aps. Rh. II) wurde dieser Begriff auch bei den Platonikern aufgenommen und für den Gegenstand oder die Schwerpunkte einer Schrift verwendet (vgl. Procl. in Alc. 295).

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Olympiodor macht hier wahrscheinlich eine Andeutung auf die aristotelische Theorie der Rhetorik, bei der das Ziel jeder Art der Rede anders definiert wird. Während Beratungsrede (συμβουλευτικόν) auf die Bestimmung des Nützlichen und Schädlichen abzielt, stellt die Gerichtsrede (δικανικόν) das Gerechte und Ungerechte dar, die Lobrede (ἐπιδεικτικόν) hingegen das Schöne und das Hässliche (vgl. Arist. Rh. 1358b 20–28). Diese Ansicht trennt auch nach Proklos’ Interpretation das Gute und das Schöne voneinander. Nach Proklos akzeptiert Alkibiades, dass das Gerechte auch das Schöne ist – nur unter der Voraussetzung, dass das Schöne der Konvention gemäß ist. Da das Gute der Natur gemäß ist, kann eine Identifizierung des Guten mit dem Gerechten auch das Gerechte als der Natur gemäß definieren. Alkibiades möchte dagegen das Gerechte als ein konventionelles Konzept erklären (vgl. Procl. in Alc. 327,21–328,4). In der Politeia ergreift Kleitophon das Wort, um Thrasymachos’ Argumentation zu unterstützen (vgl. Plat. Rep. 340a–b). Dabei vertritt er die These, dass das Gerechte das Vorteilhafte für die Stärkeren ist, und die Schwächeren sich dem Willen der Stärkeren fügen müssen. Diese Stellungnahme interpretiert Olympiodor als eine Ansicht über den Ursprung des Guten als Konvention, da das Gute durch die Stärkeren bestimmt werden. Nach Griffin (2016, S. 159, 85) könnte dies eine Anspielung auf Plat. Rep. 367a sein. Westerink nennt Plat. Phd. 103a4–5 und Ti. 17a1–3 als weitere Stellen. Die Anordnung dieses Satzes bei Platon ist nicht eindeutig. Westerink (ad loc. in app.) gibt eine Stelle in der Politeia an, wo Adeimantos über die Argumentation des Thrasymachos spricht (vgl. Plat. Rep. 367a6–9: ταῦτα, ὦ Σώκρατες, ἴσως δὲ καὶ ἔτι τούτων πλείω Θρασύμαχός τε καὶ ἄλλος πού τις ὑπὲρ δικαιοσύνης τε καὶ ἀδικίας λέγοιεν ἄν, μεταστρέφοντες αὐτοῖν τὴν δύναμιν φορτικῶς, ὥς γέ μοι δοκεῖ. „Dies und vielleicht noch derartiges mehr, Sokrates, könnte Thrasymachos oder sonst einer über die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit sagen und damit die Bedeutung der beiden auf plumpe Art verdrehen, wie mir scheint.“; Übers. Rufener 1991). Olympiodor zufolge deutet Platon an dieser Stelle mit ‚jemandem anderen‘ auf Kleitophon. Bei den Platonikern wird die Theorie der Gemeinbegriffe vertreten, die allgemeingültige Wahrheiten, wie die Existenz des Göttlichen, beinhalten. Wenn eine Aussage nicht mit den Gemeinbegriffen in Übereinstimmung ist, kann es keine Wahrheit äußern (vgl. Olymp. in Grg. 44,7). Zu den Quellen über die Gemeinbegriffe siehe 18,3–4; 40,20. Zu den griechischen Zahlensystemen vgl. Folkerts 2002. Nach dem milesischen Zahlensystem, das auch als alphabetisches System bekannt ist, beträgt die Summe der Buchstaben im Namen Δημόκριτος 822, wie Griffin (2016, S. 159, 87) und Filippi (2017, Anm. 479) angemerkt haben. Die Berechnung ist folglich: Δ (4) + η (8) + μ (40) + ο (70) + κ (20) + ρ (100) + ι (10) + τ (300) + ο (70) + σ (200) = 822. Nach welchem Zahlsystem und welcher Methode Olympiodor an dieser Stelle die Zahl 651 erreicht, ist unklar (vgl. hierzu Lakmann 2017, S. 93). Die Identität von Demokritos wirft hier eine weitere Frage auf: Von dem Exegeten Demokritos, der im 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr. gelebt haben soll, sind keine Werke erhalten geblieben. Lakmann (2017, S. 93–96) legt Zeugnisse zu seiner Person vor: Demnach nennt Longin Demokritos als einen Bekannten, und er wird auch von Syrian, Jamblich, Porphyrios, Proklos und Damaskios erwähnt. In diesen Erwähnungen wird Demokrit laut Lakmann (ebd. S. 94) vor allem mit der Theorie über die Urbilder und Abbilder in Verbindung gebracht. Maßgeblich für Olympiodors Ausführung scheint hier Proklos zu sein, der sich auf Demokrits Auffassung über Flächenzahlen und Mittel bezieht (Procl. in Ti. II.33,13–28). Warum Olympiodor hier scheinbar ohne weiteren Zusammenhang den Namen Demokritos als Zahl angibt, ließe sich möglicherweise – wenn überhaupt – mit seinem theoretischen Bezug auf Zahlen erklären. Die Identität von Demokrit hat auch Creuzer beschäftigt, der dazu (Creuzer 1821, zu 105,19 Anm. 40) anmerkt: „Hic est idem ille Democritus cujus mentionem facit Porphyrius in vita Plotini 20, 3. p. 128. in

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D. Anmerkungen Fabricii Bibl. Gr. IV. p. 128. ed. pr.“ „Dies ist derselbe Demokrit, von dem Porphyrios in Vita Plotini 20,3, 128. in Fabricius’ Bibl. Gr. IV,128. ed. pr. spricht.“ Siehe oben 101,13–14. Vgl. Plat. Alc. 113d3, siehe oben 100,11–13. Vgl. Plat. Alc. 113d9–e2: Τί οὖν; εἰ ὅτι μάλιστα ἕτερα μὲν τὰ δίκαια τυγχάνει ὄντα, ἕτερα δὲ τὰ συμφέροντα, οὔ τί που αὖ σὺ οἴει ταῦτ’ εἰδέναι ἃ συμφέρει τοῖς ἀνθρώποις, καὶ δι’ ὅτι; „Wie nun? Mögen sich die gerechten und die nützlichen Handlungsweisen auch noch so sehr voneinander unterscheiden, du meinst doch nicht etwa auch jetzt wieder zu wissen, was den Menschen nützt und warum dies so ist?“ (Übers. Döring 2016). Die Analyse der Widerlegung wird auch von Proklos durchgeführt (vgl. Procl. in Alc. 303,17–304,22). Er bestimmt diese Stelle des Dialogs als der Anfang der Widerlegung, bei dem Sokrates zeigt, dass Alkibiades in zwei Bereichen unwissend ist. Der Begriff ἔνστασις (Einwand) wird von Aristoteles als eine Strategie der Widerlegung behandelt (vgl. Arist. Rh. 1403a29). Im Folgenden wird zwischen einem (direkten) Einwand (ἔνστασις) und einem indirekten Einwand (ἀντιπαράστασις) unterschieden: Ein Einwand richtet sich gegen die allgemeine Aussage der Argumentation, wobei ein indirekter Einwand die Argumentation als Allgemeinprinzip nicht behandelt und für bestätigt hält, dennoch ausgehend von spezifischen Bedingungen widerlegt. Da in diesem Sinne die Zulässigkeit der vorgelegten Argumentation nicht in Gesamtheit abgelehnt wird, sondern durch die Ablehnung jeweiliger untergeordneten Bedingungen, wird dieses Zugeständnis mit Einwand im Folgenden als ‚indirekter Einwand‘ bezeichnet. Vgl. Lindberg 1997, Sp. 2058: ἔνστασις und ἀντιπαράστασις als „direct and indirect refutation“. In der Rhetorik der Kaiserzeit werden ἀντιπαράστασις und ἔνστασις zusammen behandelt. Hermogenes beschreibt diese Begriffe als Arten der Antwort auf die Fragestellung einer Gegenklage (ἀντίληψις, vgl. Hermog. Inv. 3,6). Nach seiner Darstellung gestattet der indirekte Einwand (ἀντιπαράστασις) rein hypothetisch die Möglichkeit, dass der Angeklagte das Recht haben könnte, die ihm vorgeworfene Tat zu begehen. Dabei wird argumentiert, dass er unter den bestimmten Umständen des Tathergangs trotzdem die Schuld trägt (siehe Kennedy 1983, S. 79). Durch Syrianos’ Kommentar zu den Werken des Hermogenes wird diese rhetorische Theorie von seinem Schüler Hermeias und dessen Sohn Ammonios in die alexandrinische Schule aufgenommen. Die Begriffe ἔνστασις und ἀντιπαράστασις werden bei Syrianos (in Hermog. 4.379,25) und Ammonios (in Cat. 52,22–53,6) erläutert. Gertz (2018, S. 85) übersetzt bei David (Proll. 3.7.9,14) ἔνστασις als „objection“ und ἀντιπαράστασις als „counter-argument“. Bei diesen Übersetzungen kann nicht bestimmt werden, ob ein indirekter Einwand und eine Gegenargumentation unterschiedliche Prozesse verdeutlichen. Ausgehend von Olympiodors Darstellung an dieser Stelle, erscheint ἀντιπαράστασις nicht nur als eine Gegenargumentation, sondern auch als eine solche, die spezifischer als der Einwand (ἔνστασις) ist und einige besonderen Aspekte der Argumentation des Gegners als Angriffspunkt nimmt. Daher fängt Sokrates nicht damit an, die Argumentation gegen die Differenzierung des Gerechten von dem Nützlichen zu widerlegen, da es einen umfangreichen Einwand benötigt. Stattdessen erwähnt er die Beweisführung über Alkibiades’ Unwissenheit, da er keinen Lehrer und keinen Zeitpunkt nennen kann, in dem er das Gerechte und das Nützliche gelernt haben soll. Durch diese Konklusion wird demonstriert, dass Alkibiades diese Themen nicht wissen kann, auch wenn man annehmen würde, das Gerechte und das Nützliche seien unterschiedlich. Vgl. Plat. Alc. 114b. Paraphrase Plat Alc. 114b. Vgl. Plat. Alc. 113e3–4: Τί γὰρ κωλύει, ὦ Σώκρατες; εἰ μή με αὖ ἐρήσῃ παρ’ὅτου ἔμαθον ἢ ὅπως αὐτὸς ηὗρον. „Was steht dem entgegen, Sokrates? Es sei denn, du willst mich erneut fragen, von wem ich es gelernt oder wie ich es selbst gefunden habe.“ (Übers. Döring 2016).

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Vgl. Plat. Alc. 113e5–114a1: εἴ τι μὴ ὀρθῶς λέγεις, τυγχάνει δὲ δυνατὸν ὂν ἀποδεῖξαι δι’οὗπερ καὶ τὸ πρότερον λόγου: οἴει δὴ καινὰ ἄττα δεῖν ἀκούειν ἀποδείξεις τε ἑτέρας, ὡς τῶν προτέρων οἷον σκευαρίων κατατετριμμένων, καὶ οὐκέτ’ἂν σὺ αὐτὰ ἀμπίσχοιο, εἰ μή τίς σοι τεκμήριον καθαρὸν καὶ ἄχραντον οἴσει. „Wenn du eine falsche Behauptung aufstellst und es möglich ist, dies mit derselben Argumentation aufzuzeigen wie zuvor, da meinst du doch tatsächlich, du müsstest irgendwelche neuen Gesichtspunkte und andere Beweise zu hören bekommen, als ob die früheren wie Kleidungsstücke abgenutzt wären, und du würdest sie nicht mehr anziehen, es sei denn, jemand bringt dir einen reinen und fleckenlosen Nachweis.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 113e7–114a1, siehe dazu Anm. 914. Vgl. Plat. Alc. 113a9. Nach Proklos deutet Platon mit dem Wort „Kleidungsstück“ auf die fremdbewegten und leblosen Objekte. Ferner verbindet Proklos diese Aussage, dass Alkibiades diese Kleidungsstücke nicht noch einmal anziehen würde, mit der üppigen Lebensweise von Alkibiades (vgl. Procl. in Alc. 301,1–6). Diogenes Laertios berichtet über eine Schrift des Aristippos, die „Über die Üppigkeit der alten Zeit“ betitelt wird und den Lebensstil des Alkibiades behandelt (vgl. D. L. II.23,4–8). Proklos deutet auf ‚bestimmte Autoren‘, die über Alkibiades’ luxuriöse Lebensweise schrieben (vgl. Procl. in Alc. 302,18–21). Siehe dazu auch Plu. Alc. 13,2 und bei Olympiodor im Folgenden (161,14–16). An dieser Stelle wird erneut durch die Gewandmetapher das Verhältnis der Seele zu dem Leib als das Verhältnis der Kleider zu dem Körper erläutert (siehe Anm. 53,91 und 819). Zu dem pneumatischen und schalenähnlichen Seelenwagen siehe 5,7–9; 16,11–17,9. Vgl. Hom. Od. 5,167: εἵματά τ’ἀμφιέσω, „und ich will dir Kleider antun“, und Od. 5,264 εἵματά τ’ἀμφιέσασα, „nachdem sie ihm Kleider angetan [hat]“ (Übers. Schadewaldt 1958). Die beiden Stellen handeln von den Vorbereitungen für Odysseus’ Heimreise. Zu den inneren Umhüllungen und der Gewandmetapher siehe 98,15–20. Zu dieser Stelle erklärt Proklos, dass die Erläuterung über die unbefleckten Bekleidungen eine Metapher für die Diskussion über die höheren Seelen ist (vgl. Procl. in Alc. 301,7–15). Vgl. Plat. Alc. 114a1–4: ἐγὼ δὲ χαίρειν ἐάσας τὰς σὰς προδρομὰς τοῦ λόγου οὐδὲν ἧττον ἐρήσομαι πόθεν μαθὼν αὖ τὰ συμφέροντ’ ἐπίστασαι, καὶ ὅστις ἐστὶν ὁ διδάσκαλος, καὶ πάντ’ ἐκεῖνα τὰ πρότερον ἐρωτῶ μιᾷ ἐρωτήσει: „Doch ich will deine Präventivschläge gegen die Argumentation auf sich beruhen lassen und dich nichtsdestoweniger erneut fragen, woher dein Wissen davon, welche Handlungsweisen nützlich sind, stammt, und wer deine Lehrer ist, und fasse alles, was ich dich zuvor gefragt habe, in einer Frage zusammen.“ (Übers. Döring 2016). Platon benutzt hier ‚das Vorlaufen‘ (προδρομή) im übertragenen Sinne für einen vorweggenommenen Angriff gegen die Argumente des Gesprächspartners. Proklos interpretiert diese Aussage im Alkibiades als einen Ausdruck für den Widerspruch der menschlichen Seele zwischen körperlichen Affekten und höheren Kräften wie Vorsehung. Die Seelen auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene vermeiden eine vollständige Reinigung, indem sie eine ‚Vorwegnahme der Argumente‘ durchführen. Dazu vgl. Procl. in Alc. 301,16–20; Übers. von O’Neill (1965): „anticipations of my argument“. Da Olympiodors Erklärung des Begriffs in den Rahmen des Kriegsvokabulars passt, scheint an dieser Stelle die Übersetzung von Döring mit „Präventivschlag“ zutreffend zu sein. Vgl. Plat. Alc. 114a2–3, siehe Anm. 923. Vgl. Plat. Alc. 106c–110d. Proklos kommentiert zu dieser Stelle, dass Sokrates eine Zusammenfassung der Argumente anbietet, um die unnötigen Wiederholungen der gleichen Argumente zu vermeiden (vgl. Procl. in Alc. 305,1–3).

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D. Anmerkungen Hom. Od. 12, 452–453 (Übers. Schadewaldt 1958). An dieser Stelle beendet Odysseus die Erzählung seiner Geschichte bei den Phaiaken. Vgl. Plat. Alc. 114b1–2: πότερον δὲ ταὐτά ἐστι δίκαιά τε καὶ συμφέροντ’ ἢ ἕτερα, τί οὐκ ἀπέδειξας; „Ob aber dieselben Handlungsweisen oder verschiedene gerecht und nützlich sind, das hättest du schon längst aufzeigen sollen.“ (Übers. Döring 2016). Bis jetzt wurde der indirekte Einwand vorgestellt und der umfangreichere Einwand verschoben (siehe oben 106,8–15). Paraphrase Plat. Alc. 114b, siehe dazu 106,11–14. Die Rollen des Fragestellers und des Antwortgebers im Dialog werden bei Proklos ausführlich behandelt (vgl. Procl. in Alc. 303,1–16). Siehe dazu 98,21–100,1 und Anm. 832. Vgl. Aeschin. 3,192 (Gegen Ktesiphon). Für die Anführung des gleichen Zitats siehe 57,1–2 und Anm. 552. Der unbekannte Autor von Prolegomena zur platonischen Philosophie behandelt dieseTextstelle ausführlicher. Er stellt eine Gerichtsrede dar, bei derAischines die Richter fragt, als sie wieder von ihrem Schlaf erwachen, ob sie guteTräume von dem Urteil hatten (vgl. Anon. Proleg. 15,35–50). Vgl. Plat. Alc. 114b4–5: Ἀλλ’ οὐκ οἶδα εἰ οἷός τ’ ἂν εἴην, ὦ Σώκρατες, πρὸς σὲ διελθεῖν. „Aber ich weiß nicht, Sokrates, ob ich in der Lage werde, es dir gegenüber darzulegen.“ (Übers. Döring 2016). Proklos konstatiert ebenfalls hierzu, dass Alkibiades’ Wortwahl eine Rivalität ausdrückt und seine kampflustige Natur widerspiegelt (vgl. Procl. in Alc. 306,10–15). Vgl. Plat. Alc. 114b4–5: Ἀλλ’ οὐκ οἶδα εἰ οἷός τ’ ἂν εἴην, ὦ Σώκρατες, πρὸς σὲ διελθεῖν. „Aber ich weiß nicht, Sokrates, ob ich in der Lage sein werde, es dir gegenüber darzulegen.“ (Übers. Döring 2016). Am Ende des vorherigen Unterrichts wurde dieses Lemma bereits erwähnt, siehe oben 108,13–14. Im vorherigen Unterricht wurden diese Widerrufe von Alkibiades behandelt (siehe 100,8–15). Die erste Prämisse war, dass Alkibiades das Gerechte nicht gelernt hat. Diese ließ sich aus den Prämissen folgern, dass er keinen Zeitpunkt nennen kann, in dem er lernen wollte und dass er die Mehrheit als Lehrer anerkennt. Die zweite bzw. ‚übriggebliebene‘ Prämisse ist, dass die Athener in der Volksversammlung darüber beraten, welche Handlungen gerecht sind. Der Syllogismus ist wie folgt: Alkibiades hat das nicht gelernt und daher weiß er nicht, was gerecht ist (1. Prämisse). Das Thema der Beratung in der athenischen Volksversammlung ist das Gerechte (2. Prämisse). Dadurch wird demonstriert, dass Alkibiades darüber, was gerecht ist, keine Beratung anbieten kann (Konklusion). Darauffolgend widerruft Alkibiades diese Prämissen, um diese Konklusion ungültig zu machen. Paraphrase Plat. Alc. 113d1–4, siehe dazu 100,11–3. Zum Einwand und indirekten Einwand siehe 106,8–14. Vgl. Plat. Alc. 113d–114a. Diesen Satz wiederholt Olympiodor in diesem Kommentar öfters, siehe 74,9–11; 81,22; 100,15–18. Zu der Bedeutung von ‚Kleidungsstücken‘ (σκευάρια) siehe 68,16 und 106,23–107,13. Sokrates hatte angekündigt, dass er seine These dadurch demonstrieren wird, dass das Gerechte dem Nützlichen entspricht (siehe 104,20–105,2). Diese Entsprechung zweier Begriffe zueinander führt zu ihrer logischen Umkehrung oder Austauschbarkeit. Dies bedeutet, dass man diese wie Synonyme benutzen kann. Auch Proklos zufolge ist das Gerechte und das Nützliche das Gleiche, da das menschliche Wesen die Seele und nicht die Kombination der Seele mit dem Körper ist (vgl. Procl. in Alc. 296,9–297,2). Die folgende Darstellung über die Konsequenzen des vorliegenden Syllogismus entspricht der Interpretation von Proklos (vgl. Procl. in Alc. 315,5–317,15). Das Konzept εὖ εἶναι wurde an dieser Stelle mit ‚sich wohl zu befinden‘ übersetzt. Dieser Ausdruck ist doppeldeutig, genau wie εὖ πράττειν im Alkibiades (vgl. Plat. Alc. 116b3). Damit

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weist Platon einerseits darauf, dass diese Menschen gut handeln, andererseits verbindet er dadurch das gute Handeln mit dem Wohlbefinden des Menschen. Genauso konstituiert sich auch ‚Gutsein‘ bzw. ‚Wohlsein‘ (εὖ εἶναι) daraus, dass jemand sowohl in einer guten Verfassung bezüglich materieller Umstände, als auch ein guter Mensch ist. Darüber hinaus bezeichnet es eine Steigerung des einfachen Seins im späteren Platonismus, im Sinne von einer höheren Seinsebene im Gegensatz zur einfachen Existenz (so bei Damaskios in Phd. 83,2 und bei Proklos für die Existenz der himmlischen Wesen, Procl. Inst. 38,10; 43,5). Ferner wird die These, dass das ‚Wohlsein‘ des Menschen dort ist, wo das ‚Sein‘ sich befindet, bei Proklos und Olympiodor betont (vgl. Procl. in Alc. 317,2; Olymp. in Grg. 38.3,22–24; 41.12,21). Diese These stellt die Notwendigkeit der Rückwendung auf sich selbst und auf das Sein des Menschen dar, um das Wohlbefinden des Menschen zu ermöglichen. Dieser Weg führt durch die Tugendgrade und der Fortschritt in der Tugend bringt somit auch ‚Wohlbefinden‘, wie Olympiodor am Beispiel der Tapferkeit zeigt (siehe 117,14). Diese These wurde bereits erwähnt (105,2–4). Zu der Entsprechung oder Austauschbarkeit der Begriffe siehe 109,3. Proklos behandelt die Austauschbarkeit des Gerechten mit dem Nützlichen in dem Syllogismus über die Gleichheit dieser Begriffe (vgl. Procl. in Alc. 318,20–319,11). Vgl. Plat. Alc. 115a–116d. Die Bedeutung des Begriffs τὸ καλόν umfasst nach Horn/Rapp (2002) das ästhetisch Schöne, ontologisch die Idee des Schönen und im ethischen Sinne das moralisch Gute und Vorzügliche, konkret die gute und ehrenhafte Handlungsweise. Im Rahmen der platonischen Philosophie wird es als ‚das Schöne‘ übersetzt, wobei der Begriff vielmehr in ethischen Zusammenhängen vorkommt als in der ästhetischen Bedeutung. In der platonischen Theorie der Ideen stehen diese beiden Aspekte in Verbindung, da alles Schöne auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene eine Widerspiegelung der Idee des Schönen ist (vgl. Plat. Smp. 210a–212a; Phdr. 249d–253c; Rep. 506d–509c). An dieser Stelle verwendet Olympiodor κανών (Gesetz) ähnlich zu δόγμα (Grundsatz, siehe Anm. 379). Proklos erläutert den Unterschied zwischen höheren und niederen Wesen (vgl. Procl. Inst. 130). Zu dieser Stelle (130,9) benutzt er καταδεέστερος (schwächer, untergeordnet) statt κοιλοτέρος („tiefer“) bei Olympiodor. Damit betont Proklos die ontologische Hierarchie aus der Perspektive der Überlegenheit. Olympiodor weist mit dieser Aussage auf die platonische Auffassung hin, dass dem Nützlichen das Gute zugrunde liegt und alles Nützliche durch die Mitwirkung der Idee des Guten zustande kommt (vgl. Plat. Rep. 379b–c; Prt. 333d; Procl. in Alc. 315,10–316,1). An vorherigen Stellen des Kommentars behandelte Olympiodor den Zusammenhang der Ehrliebe und der Vernunft (siehe 51,2–4). Da der Begriff des Schönen (τὸ καλόν, siehe 109,17) auch die ehrenhaften Handlungen umfasst, sind diese auch mit der Vernunft verbunden. Olympiodor bedient sich auch hier einer metaphorischen Sprache. Proklos behandelt den Mythos von Ouranos und der Geburt derAphrodite aus dem Schaum, der im Meer entstand, wo Kronos das Geschlechtsorgan des Ouranos hinwarf (vgl. Procl. in Cra. 183,19–54). Die Deutung dieser Geschichte ist nach Proklos, dass der Schaum den reinsten Bereich des Meeres bezeichnet, der auch ihre Blüte an der Spitze ist (ebd. 49–54: δηλοῖ δ’ ἡ θάλασσα τὴν ἡπλωμένην καὶ ἀπεριόριστον ζωὴν καὶ τὸ βάθος αὐτῆς τὸ ἐπὶ πᾶν προϊόν, ὁ δ’ ἀφρὸς τὸ καθαρώτατον καὶ φωτὸς γονίμου πλῆρες καὶ δυνάμεως καὶ ἐπινηχόμενον πάσῃ τῇ ζωῇ καὶ οἷον ἄνθος αὐτῆς τὸ ἀκρότατον.). In diesem Sinne bezeichnet Schaum den Gipfel und den höchsten Teil einer Einheit, wie hier im Olympiodor „Schönheit ist der Schaum der Form“ (ἀφρὸς…τοῦ εἴδους). Die Blüte (ἄνθος) ist ein Begriff für die Kraft der Seele, die das Denken übersteigt und die Einung mit dem Göttlichen ermöglicht (vgl. dazu Heidrich 1995). In diesem Sinne verwendet

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D. Anmerkungen Proklos „Blüte des Geistes“ (ἄνθος τοῦ νοῦ, Procl. in Alc. 248,3; in Prm. 1047,18). Die Beschreibung als ‚Form der Formen‘ für das Schöne ist in Übereinstimmung mit der neuplatonischen Philosophie, die das Schöne als die höchste Form definiert (vgl. Plot. I.6.9,35–43). Diese Theorie wird bei Plotin ausgehend von der platonischen Theorie der Ideen entwickelt. Nach seiner Auffassung sind die Formen auf der intelligiblen Ebene unbestimmt und nehmen erst auf der materiellen Ebene eine Gestalt an (Plot. II.4,4). Zuerst existieren Seiende wie Denkvermögen und die Form nur einmal und sie haben keine weiteren Teile (Procl. Inst. 22). Die Form in diesem absoluten Sinne wird jedoch im Prozess von Entwicklung der körperlichen Gegenstände geteilt (Procl. in Ti. II.280, 23–26). Die Prinzipien (λόγοι) sind Olympiodor zufolge nicht teilbar, da sie intelligible Wesen sind; dagegen sind die materiellen und sinnlich wahrnehmbaren Wesen teilbar. Durch die materielle Form, die bei der Gestaltung der wahrnehmbaren Wesen verantwortlich ist, entstehen verschiedene Teile des Körpers, wobei die Form im absoluten Sinne nicht teilbar ist (siehe dazu Anm. 951). Platon ordnet die Idee des Gerechten der Seele zu (vgl. Plat. Rep. 448d). Diese These wird auch von Proklos vertreten (vgl. Procl. in Alc. 16,8–11; 184,1–15). Olympiodor behandelt im vorliegenden Kommentar diese Auffassung über die Gerechtigkeit mehrmals (siehe 3,15–16; 73,8–10; 199,1). Das Gute ist Plotin zufolge der Grund des vernünftigen Lebens als die Kraft, aus der das Leben der vernünftigen Lebewesen stammt (ζωῆς γὰρ ἔμφρονος καὶ νοερᾶς αἴτιος δύναμις: Plot.V.5.10,12). Als die Grundlage der Vernunft in den Lebewesen erstreckt das Gute sich bis in die materielle Ebene. An dieser Stelle erläutert Olympiodor diese hierarchische Reihenfolge: Das Gute besitzt eine höhere Stellung als die Vernunft, der Vernunft wiederum folgt die Seele. Aus ontologischer Sicht betrachtet, bezeichnet νοῦς als ‚Vernunft‘, ‚Intellekt‘ und ‚Geist‘ bei Plotin die zweite Hypostase nach dem Einen bzw. dem Guten und der Weltseele. Auf der erkenntnistheoretischen Ebene trägt der Begriff, so Buddensiek (2002b), die Bedeutung des Denkvermögens. Im Folgenden werden diese zwei Bedeutungen mit Berücksichtigung auf den Kontext verwendet. Der Zusammenhang zwischen der Vernunft und von der Form geschaffenen Dingen (εἰδοπεποιημένα) wird im spätantiken Platonismus thematisiert (vgl. Procl. in Alc. 267,15–21; Inst. 190,5–15; Dam. in Prm. 281,16). Die unvernünftige Seele (ἄλογος ψυχὴ, vgl. 203,8–10) bezeichnet die Seele der Lebewesen, die kein λόγος haben, das heißt, keine Erkenntnis durch Sprache und logische Argumentation erwerben können. Olympiodor betont, dass die Prinzipien in der Seele und selbst bei diesen Lebewesen vorhanden sind. Proklos hebt die Differenz zwischen der unvernünftigen und vernunftbegabten Seele auf dieser Grundlage stärker hervor: Während unvernünftige Lebewesen nicht lernfähig sind, besitzt nur die menschliche Seele diese Fähigkeit (vgl. Procl. in Alc. 187). Olympiodor verweist auf das Beispiel der Störche, das sich am Ende des Alkibiades befindet (135e1). An dieser Stelle äußert νοῦς das Denkvermögen der Lebewesen. Hier kehrt Olympiodor die vorher erwähnte Reihenfolge – das Gute, die Vernunft und die Seele – um. Aus dem Blickpunkt der Lebewesen existiert das Sein vor dem Leben und das Leben vor der Vernunft. Plotin thematisiert die Priorität des Seins vor dem Denken, wobei diese beiden grundsätzlich identisch sind, jedoch das Denken als die Tätigkeit des Seins nach dem Sein erfolgt (vgl. Plot.V.9.8,8–18). Proklos stellt diese Reihenfolge deutlicher dar, indem das Seiende jenseits des Denkvermögens steht und daher das Denkvermögen grundsätzlich nach dem Sein entstehen muss (vgl. Procl. Inst. 138).

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In der platonischen Bildung der Spätantike ist der Sophistes der Reihenfolge nach der sechste Dialog. Über die Reihenfolge der platonischen Dialoge, die von mehreren Exegeten dem Jamblich zugeschrieben wird, ist nichts mit Sicherheit bekannt (vgl. Tarrant 1998, S. 23). Ausgenommen von der expliziten Stellung des Alkibiades in die erste Reihe, sind der Gorgias und der Phaidon als zweite und dritte Dialoge üblich. Das bestätigen auch die Kommentare von Olympiodor zum Gorgias und zum Phaidon sowie Damaskios zum Phaidon. Es lässt sich vermuten, dass der Kratylos und der Theaitetos als vierter und fünfter Dialog folgten, zu denen die Kommentare des Proklos erhalten sind. Der an dieser Stelle erwähnte Sophistes bezeichnete wahrscheinlich den sechsten Dialog. Proklos behandelt die Reihenfolge von Sein, Leben und Denkvermögen (vgl. Procl. in Alc. 321,5–10). Jamblich stellt dieseThese dar (vgl. Iamb. in Ti. Fr. 65 überliefert in Procl. in Ti. III,45), die folglich als Grundlage der ontologischen Hierarchie bei Proklos aufgenommen wurde (vgl. Inst. 101,1–3). Olympiodor konstatiert diese Reihenfolge in seinen Kommentaren mehrmals (siehe 45,11–12; 50,1–2; 111,1–2). Proklos zufolge sind Sein, Leben und Vernunft an sich unterschiedlich, jedoch in der Seele vereint (Procl. in Alc. 321,7–10). An dieser Stelle erläutert Olympiodor das platonische Konzept von Teilnahme (μέθεξις) und Teilgabe (μετάδοσις). Proklos’ Argumentation, die direkt vor dieser Aussage angeführt wurde, stellt die Menge der Teilgabe in ihren Mittelpunkt. Da die höheren Wesen schneller einen größeren Fortschritt machen, erreichen sie mehrere Wesen. Deshalb kann die Seele die irrationalen Wesen erreichen. Ferner gibt es mehrere Wesen, die eine einfache Existenz haben, als diejenigen, die ihre Vernunft benutzen. Dadurch entfaltet sich auch das Gerechte, das sich in der Seele befindet, in einen größeren Bereich als das Schöne und das Nützliche. Das Gute, die Vernunft und die Seele werden der Reihenfolge nach, als Teilgeber des Nützlichen, des Schönen und Ehrenhaften und des Gerechten angesehen. Olympiodor deutet auf Jamblichs Standpunkt, dass alles – und damit auch die Seele – in die materielle Ebene absteigt (vgl. Iamb. Protr. 38,20–30). Diese Position verwirft Plotin mit seiner Theorie der Seele, dass ein Teil der Seele auf der göttlichen Ebene bleibt (vgl. Plot. II.9.2,1–10). Bei den späteren Platonikern findet weitestgehend Jamblichs Theorie Zustimmung. Diese These wird wiederholt, siehe dazu 110,9. Olympiodor legt diese Paraphrase im vergangenen und in diesem Unterricht vor, siehe 108,13–15 und 17–18. Auch Proklos’ Interpretation zufolge zeigt dieser Syllogismus, dass unser Sein abgetrennt von unserem Körper ist (vgl. Procl. in Alc. 307,19–308,9). Zur rednerischen Begabung von Alkibiades und seiner Bildung in der Rhetorik vgl. Procl. in Alc. 307,9–15. Vgl. Plat. Alc. 114b9–c2: Οὐκοῦν τοῦ αὐτοῦ ἕνα τε οἷόν τε εἶναι κατὰ μόνας πείθειν καὶ συμπόλλους περὶ ὧν ἂν εἰδῇ, ὥσπερ ὁ γραμματιστὴς ἕνα τέ που πείθει περὶ γραμμάτων καὶ πολλούς; „Ist es nun nicht Sache einer und derselben Person fähig zu sein, einen Einzelnen für sich allein und viele gemeinsam von dem zu überzeugen, was er weiß, so wie der Elementarlehrer sowohl einen Einzelnen als auch viele auf dem Gebiet des Lesens und Schreibens überzeugt?“ (Übers. Döring 2016). An dieser Stelle erscheint die Überlieferung nicht vollständig. Obwohl Westerink die Wörter Σωκράτη περὶ αὐτοῦ als unecht betrachtet, nehme ich diese in der vorliegenden Übersetzung, wie Griffin (2016, S. 161, 113), als Teil des Texts an. Wenn in diesem Satz das Verb ‚überzeugen‘ (πείθειν) angedeutet wird, dann ist Sokrates die Person (als Akkusativ-Objekt), die überzeugt wird. Daraus ergibt sich der Sinn,‚Sokrates davon zu überzeugen‘ und das bezieht sich auf das oben angeführte Lemma (112,4; vgl. Plat. Alc. 114b). Siehe dazu Plat. Alc. 114b9–c2.

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D. Anmerkungen Vgl. Plat. Alc. 114c7: οὗτος δ᾽ ἔσται ὁ εἰδώς, ὁ ἀριθμητικός; „Das wird aber der sein, der über das entsprechende Wissen verfügt, der Mathematiker?“ (Übers. Döring 2016). Ähnlich zu den mathematischen Gesetzen (μαθηματικαῖς ἀνάγκαις) verwendet Olympiodor auch die geometrische Notwendigkeit (γραμμικαῖς ἀνάγκαις, im Sinne von ‚stringenter Beweisführung‘, siehe 102,4 und Anm. 858). Vgl. Plat. Alc. 114c14–d2: ἄλλο τι οὖν τοσοῦτον μόνον διαφέρει τοῦ ἐν τῷ δήμῳ ῥήτορος ὁ ἐν τῇ τοιᾷδε συνουσίᾳ, ὅτι ὁ μὲν ἁθρόους πείθει τὰ αὐτά, ὁ δὲ καθ᾽ ἕνα; „Von dem Redner in der Volksversammlung unterscheidet sich der Redner in einer Zusammenkunft wie der unsrigen also insoweit, als der eine viele auf einmal von demselben überzeugt, der andere dagegen jeweils nur einen Einzelnen?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 114d3. κινδυνεύει kann wörtlich mit „es besteht die Gefahr“ übersetzt werden und drückt eine Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit aus (vgl. LSJ, A4b). Mit dieserAussage stimmt Alkibiades Sokrates zu. Olympiodor kommentiert es als Wendepunkt für eine Meinungsänderung und versteht diese Aussage als eine Bestätigung. Für die bejahenden Antworten bei Platon ist dieses Wort üblich (vgl. Plat. Phdr. 262c; Sph. 256e). Das Wort κλιμακτήρ deutet auf eine Leiter, die oberste Stufe oder die Wende einer Leiter (ausgehend von κλῖμαξ: Leiter, Höhepunkt bzw. Wendepunkt einer dramatischen Handlung; stufenartige Steigerung in der Rhetorik). Im übertragenen Sinne bezeichnet es in derAstrologie einen kritischen Wendepunkt im Leben eines Menschen (vgl. LS. II). An dieser Stelle weist Olympiodor auf den Zwang der Argumentation hin (ἀνάγκη, LSJ 2: logische Notwendigkeit, Naturgesetze) und bezeichnet damit den kritischen Wendepunkt für Alkibiades. Proklos findet Sokrates’ Zustimmung an dieser Stelle überraschend und kommentiert, dass der Philosoph damit sein höheres Niveau zeigt und sich nicht aufdringlich gegenüber dem Jungen verhält, sondern für die Wahrheit kämpft (vgl. Procl. in Alc. 313,10–17). Dieser Satz wird bei den spätantiken Vertretern der alexandrinischen Philosophie öfters verwendet, besonders als Beispiel bei der Interpretation der aristotelischen Logik (vgl. Ammon. in Int. 93,15–18; 95,4; David Proll. 28,6). Die Aussage ‚alle Menschen wandeln umher‘ kann durch ihren Gegensatz („kein Mensch wandelt umher“) oder durch das ‚mittlere Argument‘ (d. h. ‚einige Menschen wandeln nicht umher‘) demonstriert werden. Olympiodor zufolge ist es übermütiger, durch das Gegenteil aufzuzeigen, als durch das mittlere Argument. Aristoteles behandelt das mittlere Argument als eine falsche Argumentation der Sophisten, was er unter anderen an dem Beispiel des Wortes ‚gehen‘ (βαδίζειν) erläutert (Arist. SE 166a22–27). Paraphrase Plat. Alc. 114d7–9. Vgl. Plat. Alc. 114e1. An dieser Stelle fordert Alkibiades Sokrates auf, seine Argumentation in Form einer Rede aufzuführen. Vgl. Plat. Alc. 114e2: Τί δ’; οὐχ ὅτι μάλιστα βούλει πεισθῆναι; „Was? Willst du denn nicht so gründlich wie möglich überzeugt werden?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 114e7–9: Ἀποκρίνου δή· καὶ ἐὰν μὴ αὐτὸς σὺ σαυτοῦ ἀκούσῃς ὅτι τὰ δίκαια καὶ συμφέροντά ἐστιν, ἄλλῳ γε λέγοντι μὴ πιστεύσῃς. „Antworte also; und wenn du nicht aus deinem eigenen Mund hörst, dass die gerechten Handlungsweisen auch nützlich sind, dann glaub es keinem anderen, wenn er es behauptet.“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 114e7–9. Eur. Hipp. 345. An dieser Stelle spricht Phaidra mit der Amme und will ihre Liebe nicht selber aussprechen, sondern möchte, dass dieAmme das errät. Zu anderen Erwähnungen von Phaidra siehe 30,13 und 101,19. In der platonischen Erkenntnistheorie bezeichnet Anamnese die Wiedererinnerung der Erkenntnis der höheren Wesen, die die Seele im Jenseits besaß, durch die Verkörperung dagegen größtenteils vergessen hat (vgl. Plat. Men. 81c.d; Phdr. 249c–d; Phd. 73a). Olympiodor

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betont an dieser Stelle die Bedeutung der sokratischen Methode für die Anamnese. Dieser Begriff steht in Verbindung mit der sokratischen Mäeutik bzw. ‚Hebammenkunst‘; siehe dazu Seitschek 2007, S. 331. Diese Interpretation für diese Stelle ist ähnlich zu Proklos’ Erklärung, dass Alkibiades nicht ausgehend von der Erkenntnis, sondern ausgehend von einer Vermutung spricht. Daher kann er als ein ‚vorhersagender‘ Mensch bezeichnet werden – im Unterschied zu einem Wahrsager (vgl. Procl. in Alc. 314,17–21). Olympiodor erwähnt, wie Proklos, dass der Alkibiades aus zehn Syllogismen besteht (siehe oben 100,3–10, vgl. Procl. in Alc. 12,18–13,1). Zur gegenseitigen Entsprechung der Begriffe, ausgehend von ihrer logischen Umkehrung siehe 109, 110 und 121,7–8. Vgl. Procl. in Alc. 318,20–23. Die Bedeutung des Begriffs τὸ καλόν umfasst im moralischen Sinne das Ehrenhafte, im ontologischen Sinne das Schöne. Im Rahmen des Alkibiades wird dieser Begriff mit diesen beiden Bedeutungen benutzt, da der Dialog einerseits um die Schönheit von Alkibiades, andererseits um das ehrenhafte Verhalten ausgehend von der Erscheinung der Idee des Schönen handelt. Zu dem Begriff des Schönen siehe 109,17. Paraphrase Plat. Alc. 116c–d. In der aristotelischen Logik bezeichnet ἐλάττων den Untersatz und somit ist es die ‚kleinere‘ Prämisse (propositio minor) eines Syllogismus, der auch ‚Nebenprämisse‘ genannt wird. Dagegen ist μείζων der Obersatz (propositio maior) und konstituiert die ‚größere‘ Prämisse (bzw. Hauptprämisse). In der aristotelischen Darstellung der syllogistischen Figuren ist die erste Prämisse üblicherweise der Obersatz, der eine allgemeinere Formulierung beinhaltet. Die zweite Prämisse als Nebenprämisse gibt einen speziellen Fall an. Dennoch ist diese Reihenfolge von Hauptprämisse und Nebenprämisse für die logische Gültigkeit unwesentlich (vgl. Arist. APr. 26a–29a). Bei Olympiodors Darstellung des vorliegenden Syllogismus ist Haupt- und Nebenprämisse vertauscht: Die zuerst vorgestellte Prämisse wird als Nebenprämisse und die zweite Prämisse wird als Hauptprämisse bezeichnet. Diese Reihenfolge entspricht der späteren Interpretation der aristotelischen Logik. So stellt Alexander von Aphrodisias die hypothetischen Schlüsse als solche dar, bei denen zuerst der Untersatz und danach der Obersatz vorkommen (vgl. Alex. Aphr. in APr. 326,20–328,5). Die Ansicht, dass die gerechten Handlungen schön sind, wird im Gorgias behandelt (vgl. Plat. Grg. 476b). Olympiodor fasst in seinem Kommentar die Prämisse „alles Gerechte ist schön“ als das Argument von Polos auf (Olymp. in Grg. 21.2,15–19; siehe dazu im Folgenden 119,7). Siehe dazu Plu. Alc. 10; vgl. Procl. in Alc. 110,11–12 und 231,24–26. Das Hässliche (τὸ αἰσχρόν) besitzt, wie das Schöne, im übertragenen Sinne eine moralische Bedeutung im Platonismus (vgl. Plat. Rep. 431e–432a; Smp. 178c–180b). Wie das Schöne auch das ehrenhafte Verhalten bedeutet, so bezeichnet das Hässliche auch das schändliche Verhalten. Zur Bedeutungsübersicht vgl. Rapp 2002. Vgl. Procl. in Alc. 332,3–20. An dieser Stelle kommt die Bedeutung des Schönen dem Ehrenhaften näher. Siehe dazu Anm. 989. Vgl. Ael. VH III.44,8–9: ἀνδρὶ φίλῳ θνήσκοντι παρὼν πέλας οὐκ ἐβοήθεις. / οὔ σε θεμιστεύσω· περικαλλέος ἔξιθι νηοῦ· „Dem sterbenden Freund nah eiltest du ihm doch nicht zu Hilfe! / Götterspruch geb ich dir nicht. Verlasse den herrlichen Tempel!“ (Übers. Brodersen 2018). Dieser Orakelspruch wird auch bei Simplikios behandelt (vgl. Simp. in Epict. 39,93–94). Aelianus erwähnt diese Verse im Zusammenhang mit der Geschichte des delphischen Orakels. Dieser Orakelspruch bezieht sich auf drei Männer, die auf dem Weg nach Delphi von Räubern angegriffen werden. Während einer von ihnen getötet wird, flieht der zweite und kommt

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D. Anmerkungen seinem Freund nicht zur Hilfe. Der zweite kämpft mit den Übeltätern und der dritte versucht, ihm zu helfen. Er trifft jedoch mit seinem Schwert aus Versehen seinen Freund und tötet ihn. Das Orakel verurteilte den ersten Mann, der weggelaufen war, beschuldigte dagegen nicht den dritten Mann, der aus Versehen seinen Freund tötete. Daraus folgt, dass die Absicht der Handlungen wichtiger ist als deren Konsequenz. Vgl. Ael. VH III.44,11–12: ἔκτεινας τὸν ἑταῖρον ἀμύνων· οὔ σ’ ἐμίανεν / αἷμα, πέλεις δὲ χέρας καθαρώτερος ἢ πάρος ἦσθα. „Getötet hast du den Freund, als helfen du wolltest; nicht befleckt / hat dich das Blut, deine Hände sind reiner als vorher.“ (Übers. Brodersen 2018). Wenn es nicht um den Nutzer und das Werkzeug, sondern um einen Teil und das Ganze ginge, können die Schäden der Teile auf das Ganze bezogen werden. Im Fall von Nutzer und Werkzeug handelt es sich jedoch um zwei grundsätzlich verschiedene Entitäten. Ausgehend von der platonischen Philosophie definieren die Neuplatoniker das Verhältnis der Seele zu dem Körper durch das Gleichnis des Nutzers und des Werkzeugs (vgl. Plot. I.1.3,2–5; Procl. in Alc. 332,21–332,8). Die Identifizierung des Menschen mit der Seele geht aus der platonischen Philosophie hervor, wobei diese Formulierung den spätantiken Kommentatoren zuzuschreiben ist. Da die menschlichen Eigenschaften und Ideen bei Platon der Seele zugeordnet werden, spielt der Körper für das Wesen des Menschen eine unwichtige oder negative Rolle – als ‚Fessel‘ (δεσμός, Plat. Phd. 67d) oder ‚Käfig‘ (εἱργμός, 82d9–83a1) der Seele. Der Grundsatz „Der Mensch ist die Seele“ erfährt breite Resonanz (vgl. Plu. Moralia 1119a5–6; Simp. in Epict. Praefatio 27–28, Procl. in Alc. 73,14–15; Aen. Gaz. Thphr. 52,2–3). Nach Olympiodors Deutung würde es viele philosophische Vorkenntnisse erfordern, diese These als direkte Frage zu stellen und daher verfolgt Sokrates den Syllogismus durch die Tugenden. Auf ähnliche Weise interpretiert Proklos diesen Syllogismus (vgl. Procl. in Alc. 334,9–11). Olympiodors Gedankengang in dieser Passage baut logisch aufeinander auf: Er spricht von „Dingen“ (τινά, hier übersetzt als „Ergebnisse“), die aus einer Tugend wie Tapferkeit hervorgehen können: Entweder bewirkt Tapferkeit eine gute Handlung (z. B. einem Freund zu helfen) oder eine schlechte Handlung (z. B. sich in den Tod zu stürzen), die ebenfalls gute und schlechte Folgen haben (zumindest aus der menschlichen Perspektive, die den Tod als schlecht ansieht). Diese werden im Folgenden als eine prinzipielle und eine akzidentielle Folge differenziert. Platon stellt im Phaidros den Tod als die Befreiung der Seele vom Körper vor (vgl. Plat. Phd. 67d). Diese Ansicht findet bei den spätantiken Platonikern Zustimmung (vgl. Procl. in Alc. 333,15). Da Alkibiades sich auf der Ebene der politischen Tugend befindet, ist für ihn wichtig, dass die Seele den Körper benutzt. Aus seinem Blickpunkt ist daher der Tod schlecht, da er die Seele vom Körper trennt. DieThese, dass die Befreiung der Seele vom Körper gut ist, wird erst im Kommentar zum Phaidon behandelt, der sich nach dem Alkibiades und dem Gorgias an der dritten Stelle der platonischen Bildung in der Spätantike befindet. Proklos kommentiert dazu, dass die gleiche tapfere Handlung prinzipiell ehrenhaft und akzidentiell schädlich sein kann, jedoch manchmal Menschen diesen akzidentiellen Fall prinzipiell für wahr halten und nicht durch philosophische Argumentation differenzieren (Procl. in Alc. 333,10–334,5). Vgl. Procl. in Alc. 333,10–334,5. Vgl. Plat. Tht. 150c7–8: μαιεύεσθαί με ὁ θεὸς ἀναγκάζει, γεννᾶν δὲ ἀπεκώλυσεν. „Zu entbinden nötigt mich der Gott, zu gebären aber hat er mir versagt.“ (Übers. Rufener 1965). Für das gleiche Zitat siehe 120,14–15. Im Charmides bezeichnet Kritias Charmides als einen sehr besonnenen Jüngling, der seinen Altersgenossen überlegen ist (Plat. Charm. 157d). Vgl. Plat. Alc. 105a. Vgl. Procl. in Alc. 337,10–14.

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Zu dieser Aussage siehe 45,11–12; 50,1–2; 110,19–111,2. Zum Aufbau des Syllogismus siehe 99,19–20 und 117,26; vgl. Procl. in Alc. 336,5–8. Die Liebe (ἔρως) nimmt eine höhere ontologische Stellung bei Platon ein (Plat. Smp. 203d–204b; Phdr. 246d–e; Phlb. 65a) und gilt im Neuplatonismus als die verbindende Kraft zwischen den Lebewesen und der Vernunft (vgl. Procl. Inst. 151; 157). Daher wird Liebe im Neuplatonismus allgemein als erstrebenswert bezeichnet („begehrenswert“, Procl. in Alc. 336, 28 und „intensive Begierde“, Procl. in Alc. 336,1–20). Nach Olympiodor ist die Tapferkeit als etwas Schönes und Ehrenhaftes auch liebenswert (ἐραστόν). Er verbindet ferner das Ziel des Krieges mit der Liebe (ἔρως, vgl. Procl. in Alc. 29,1–10; 32,1–20; 48,8; 111,16–17). Wenn die Bestandteile in einem Syllogismus einander gegenseitig entsprechen (ἀντιστρέφει πρὸς ἑαυτόν), ergibt eine logische Umkehrung (ἀντιστροφή) dieser Teile auch das Gleiche. Folglich zwingt eine Aussage, die einen Teil aus einer Summe bejaht, eine Zustimmung dieser Aussage mit der umgekehrten Reihenfolge seiner Elemente. Siehe dazu 92,8–9; 104,26; 108,21. Vgl. Procl. in Alc. 339,7–15. Aristoteles baut eine Schlussfolgerung mit den Begriffen ἀγένητον und γενητόν (vgl. Arist. Cael. 281b25–282a30). Hierbei zeigt er, dass ingeneriert und vergänglich sowie generiert und ewig einander ausschließen. Vgl. 282a20–25: Οὔτε δὴ τὸ ἀεὶ ὂν γενητὸν οὐδὲ φθαρτόν, οὔτε τὸ ἀεὶ μὴ ὄν. Δῆλον δ’ ὅτι καὶ εἰ γενητὸν ἢ φθαρτόν, οὐκ ἀΐδιον. Ἅμα γὰρ ἔσται δυνάμενον ἀεὶ εἶναι καὶ δυνάμενον μὴ ἀεὶ εἶναι· τοῦτο δ’ ὅτι ἀδύνατον, δέδεικται πρότερον. „Demzufolge ist weder das immer Seiende noch das immer nicht Seiende entstanden oder vergänglich. Es ist aber auch klar, dass etwas, wenn es entstanden oder vergänglich ist, nicht ewig ist. Denn dann wäre es zugleich fähig, immer zu sein und nicht immer zu sein, und dass dies unmöglich ist, ist bereits zuvor aufgezeigt worden.“ (Übers. Jori 2009). Platon bezeichnet die folgenden Begriffe als „in diametralem Gegensatz“ (ἐναντιώτατον, Plat. Alc. 115d). Proklos’ Interpretation zufolge gilt, wenn zwei Begriffe und ihre Gegensätze einander entsprechen, kann der Gegensatz eines dieser Begriffe nicht dem anderen Begriff selbst entsprechen, sondern nur dem Gegensatz von diesem Begriff (vgl. Procl. in Alc. 339,7–15). In diesem Sinne verwendet Olympiodor die Bezeichnung ‚diagonale Gegensätze‘ (διαγώνιοι), dass sie sich nicht nur in der entgegengesetzten Stellung befinden, sondern auch in der Kombination der vier Begriffe diagonal gegenüberstehen. Siehe dazu 115,3 und Anm. 991. Die Idee der ehrenhaften Handlungen im Krieg, die einerseits notwendig sind, andererseits dem Körper des handelnden Menschen Schaden zufügen, erläutert Olympiodor öfter (siehe 4,1–2; 104,21–23). Siehe dazu 117,8–10. Olympiodor bezeichnet Hippolytos als besonnen, der nach der literarischen Darstellung deshalb von Poseidon getötet worden war, weil er die Liebe seiner Stiefmutter Phaidra nicht erwiderte. Dabei bezieht er sich wahrscheinlich auf Euripides’ Hippolytos (vgl. Eur. Hipp. 1365: ὅδ’ ὁ σωφροσύνηι πάντας ὑπερσχών), wie mehrere Anspielungen in diesem Kommentar zeigen (vgl. Anm. 291, 352, 883, 943, 1026, 1175). Hippolytos ist ein weiteres Beispiel dafür, wie man aus guten Absichten heraus sterben kann, wie Menoikeus (vgl. Anm. 83). Zu der Tapferkeit als etwas an sich Schönes, dagegen für den Körper etwas Schlechtes siehe 4,1–2; 104,21–23 und 119,16. Siehe dazu 119,22–23. Diese Aussage wiederholt sich im Unterricht (siehe 117,1). Vgl. Plat. Tht. 150c7–8: μαιεύεσθαί με ὁ θεὸς ἀναγκάζει, γεννᾶν δὲ ἀπεκώλυσεν. „Zu entbinden nötigt mich der Gott, zu gebären aber hat er mir versagt.“ (Übers. Rufener 1965). Für das gleiche Zitat siehe 117,1–2. Diese These wurde bereits aufgestellt (118,1–2).

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D. Anmerkungen Olympiodor macht in diesem Unterricht wiederholende Andeutungen auf die Geschichte des Hippolytos im Zusammenhang mit der Frage, ob der Tod für den Körper oder für die Seele schlecht ist (siehe dazu 119,19–20). Vgl. Plat. Alc. 115d10: Ἐξ ἴσου τῷ τεθνάναι, ὡς ἔοικε. „Auf einer Stufe mit dem Tod, wie es scheint?“ (Übers. Döring 2016) Der hier als ‚in schlechtem Zustand zu sein‘ übersetzte Ausdruck κακῶς εἶναι ist, wie εὖ εἶναι (sich wohl befinden/gut sein) doppeldeutig (siehe dazu 109,9). Der platonischen Philosophie zufolge ist ein schlechter Mensch zu sein mit der schlechten Verfassung der Seele verbunden. Olympiodor stellt diese These an einer anderen Stelle umgekehrt vor (siehe 50,3; 117,15: Nicht zu existieren ist besser als schlecht bzw. in einem schlechten Zustand zu sein). Für diesen Widerspruch sind zwei Gründe möglich: Zum einen kann das Wort „schlechter“ (χεῖρον) an dieser Stelle des Texts eine Verwechslung für das Wort „besser“ (κρεῖττον, vgl. 50,3) sein; zum anderen gibt Olympiodor diesen Satz als eine fehlerhafte Meinung von Alkibiades wieder. Vgl. Plat. Alc. 115e9–11: Τὸ ἄρα βοηθεῖν ἐν πολέμῳ τοῖς φίλοις, ᾗ μὲν καλόν, κατ’ἀγαθοῦ πρᾶξιν τὴν τῆς ἀνδρείας, καλὸν αὐτὸ προσεῖπας; „Die Hilfe, die man seinen Freunden im Krieg leistet, hast du also, insofern es schön ist, d. h. im Hinblick darauf, dass es sich um die Vollbringung von Gutem, nämlich eines Aktes der Tapferkeit, handelt, als schön bezeichnet?“ (Übers. Döring 2016). Zu ἐπιχείρημα als dialektischer Beweis oder erweiterte Argumentation siehe 3,4 und Anm. 77. Vgl. Plat. Alc. 116a3–4: Ἆρ’ οὖν καὶ ᾗ ἀγαθόν, καλόν· ᾗ δὲ κακόν, αἰσχρόν; „Insofern sie Gutes hervorbringt, doch auch schön, und insofern sie Übles hervorbringt, hässlich?“ (Übers. Döring 2016). Die Entsprechung (ἀντιστροφή) verschiedener Begriffe zueinander beruht auf der Tatsache, dass eine logische Umkehrung mit diesen Begriffen wahre Aussagen trifft. In diesem Fall sind die Prämissen ‚Alles Schöne ist gut‘ und ‚Eine Handlung, insofern sie gut ist, ist auch schön‘ zeigen, dass das Gute dem Schönen entspricht. Vgl. Plat. Alc. 116a6–8: Τὴν ἄρ’ ἐν τῷ πολέμῳ τοῖς φίλοις βοήθειαν λέγων καλὴν μὲν εἶναι, κακὴν δέ, οὐδὲν διαφερόντως λέγεις ἢ εἰ προσεῖπες αὐτὴν ἀγαθὴν μέν, κακὴν δέ. „Wenn du von der Hilfe, die man seinen Freunden im Krieg leistet, behauptest, sie sei schön, aber übel, dann sprichst du nicht anders, als wenn du sie als gut, aber übel bezeichnen würdest.“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 118,13–26 und Anm. 1014. Paraphrase Plat. Alc. 116a6–8. Vgl. Plat. Alc. 116b2–3: Ἔτι τοίνυν καὶ ὧδε σκέψαι. ὅστις καλῶς πράττει, οὐχὶ καὶ εὖ πράττει; „Betrachte dies aber auch noch so: Wer schön handelt, handelt der nicht auch gut?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor bezeichnet die Schönheit als die Blüte der Form (109,22) und als die Ansammlung der Tugenden (120,19), die in diesem Sinne als das Synonym für den höchsten Teil einer Entität und für das Schöne benutzt wird. Aristoteles erläutert zum Unterschied zwischen den universellen und spezifischen Syllogismen, dass je spezifischer eine Beweisführung ist, desto unbestimmter und unklarer das Ergebnis wird (vgl. Arist. APo. 85b4–26). Diese Gleichstellung des Schönen mit dem Guten beruht auf der platonischen Philosophie. Platon erklärt die Idee des Schönen durch ihr Verhältnis auch zu der Idee des Guten, indem das Gute sich in dem Schönen offenbart (vgl. dazu Rese 2007, S. 247 mit Verweis auf Plat. Phlb. 61a). Diese These führt vor allem im Symposion zu der Aufstiegsvorstellung der Seele von dem sinnlich Schönen zu dem intelligiblen Schöne (siehe Horn/Rapp 2002, S. 231). Nach Plotin ist das Gute nur durch seine Eigenschaft als das absolut Schöne erreichbar, die den Aufstieg der Seele durch Eros ermöglicht. Das Verhältnis zwischen dem Guten und dem Schönen ist jedoch

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problematisch, wie Tornau (2002, S. 13) feststellt, da das Gute einerseits als überlegen betrachtet wird, andererseits auch mit dem Schönen auf gewisse Weise identisch ist, da es sich durch das Schöne offenbart (verweist auf Plot. I.6,9). An dieser Stelle interpretiert Olympiodor diese drei Begriffe – das Gute; das, was auf gute Weise ist und das Schöne – in Übereinstimmung mit den ontologischen Positionen im Neuplatonismus. Das Gute steht am Anfang dieser Begriffe und bringt das Schöne durch den Einfluss seiner Kraft ‚auf gute Weise‘ zustande. Die Reihenfolge von dem Guten und dem Schönen prägt die neuplatonische Philosophie bereits bei Plotin, der das Gute durch ihre Offenbarung das Schöne als erkennbar definiert (vgl. Plot. I.6,7). Nach Proklos ist das Gute der Grund des Schönen in der Seele (vgl. Procl. in Alc. 330) oder der Grund des „Wohlseins“ (τὸ εὖ) der Seienden (vgl. Procl. Inst. 31) und steht somit über dem Schönen. Wie im platonischen Kratylos, stellt Olympiodor im Folgenden etymologische Erklärungen für bestimmte Begriffe vor. Den Begriff des Schönen (καλόν) erklärt Platon dadurch, dass es mit der Vernunft zu identifizieren ist, da die Vernunft die Dinge bei ihren Namen nennt (τὸ καλοῦν, Plat. Cra. 416c). Auf dieser Grundlage gibt Olympiodor „zu sich selbst rufen“ (καλοῦν ἐφ’ἑαυτό) als Erklärung für das Schöne (καλόν) an. Zur Erklärung des Schönen in der platonischen Philosophie vgl. Plat. Smp. 206c–d; Procl. in Alc. 328,11–14. Das Schöne wird bei den Neuplatonikern öfters als erstrebenswert bezeichnet (vgl. Plot. I.3.1,1–5; Procl. in Alc. 329,1–2). Eine weitere etymologische Erklärung für das Gute (ἀγαθόν) ist „sehr zu sich zu eilen“ (ἄγαν θεῖν ἐπὶ αὐτό). Diese Etymologie ist von Orion überliefert, der im 5. Jh. n. Chr. ein etymologisches Lexikon verfasst hat (vgl. Orion, Etymologicum 1,1). Platon bietet im Kratylos eine andere etymologische Ableitung an (vgl. Plat. Cra. 412c: ἀγαστόν θοοῦ, „das Bewundernswerte von dem Schnellen“). Im Neuplatonismus wird das Eine und Gute als der Ursprung und das Streben alles Seins betrachtet (vgl. Plot. I.6.1,7). Proklos identifiziert das Gute mit der Kraft, die die Wesen auf sich selbst zurückwendet (vgl. Procl. Theol. Plat. II.40,25–26: Ἐπιστρεπτικὸν ἄρα τὸ ἀγαθόν ἐστι). Ferner stellt Damaskios fest, dass die Vernunft nach dem Guten strebt, da es ihr Ursprung ist (vgl. Dam. in Phd. I,413–414). Für diese Ansicht über Aristoteles können einige Stellen bei Proklos als Grundlage betrachtet werden, an denen Aristoteles im Zusammenhang mit dem Begriff der Vernunft erwähnt wird (vgl. Procl. in Alc. 318,1: καὶ ἐραστόν ἐστιν ὁ νοῦς καὶ ὀρεκτόν, ὥς φησιν Ἀριστοτέλης). An einer anderen Stelle des Kommentars stellt Olympiodor die platonische Philosophie der aristotelischen gegenüber, indem Platon das Gute, Aristoteles dagegen die Vernunft als Urprinzip (ἀρχή) anerkennt (siehe 145,7). Aristoteles behandelt die Vernunft auch in Bezug auf „das, was auf gute Weise ist“ und erläutert, dass das Gute in Seienden teilweise durch die gute Ordnung und teilweise durch ein getrenntes, an sich Seiendes Gute in ihrem Wesen entsteht, wie der Feldherr in einem Heer (vgl. Arist. Metaph. 1074b35–1075a25). Olympiodor führt das gleiche Beispiel im Folgenden auf (siehe 122,15–16). Das Schöne ist mit der Vernunft verbunden, da es gleichzeitig das Ehrenhafte ist, dadurch ist die Ehrliebe ein Affekt, der zu der Vernunft am nächsten kommt (siehe 51,2–4). Diese Ansicht entspricht nicht der ontologischen Reihenfolge nach Proklos, bei der das Gute und die Vernunft über dem Schönen stehen (siehe dazu 122,5 und Anm. 1039). Die zweite Frage derjenigen, die den Syllogismus von Platon verspotten (siehe oben 122,1–3). Die Begriffe von ‚oben‘ und ‚unten‘ werden im Folgenden auch in der philosophischen Methode als vom Allgemeinen ausgehend (deduktiv) und vom Spezifischen ausgehend (induktiv) dargestellt. Zu diesen Begriffen im ontologischen Sinne siehe 5,1–5 und Anm. 92; 94,21–22. Die menschliche Tugend wird in der platonischen Philosophie als eine Ausstrahlung der Idee des Guten oder des Göttlichen betrachtet. Plotin zufolge streben die Menschen nach dem

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D. Anmerkungen scheinbar Guten, daher ist die menschliche Tugend nur insofern als Tugend zu betrachten, als sie sich an das wahrhafte Gut richtet (vgl. Plot. II.2.4,15–29). Zum Begriff derAusstrahlung bzw. Erleuchtung (ἔλλαμψις) siehe 21,10 und Anm. 207. Olympiodor erläutert diese Ansicht auch in seinem Gorgias-Kommentar (vgl. Olymp. in Grg. 48.7,7–15). Diese Feststellung verbindet die aristotelische Bewegungstheorie mit der neuplatonischen Ontologie und wird von Olympiodor öfters betont (siehe 11,12–15; 61,3–8; in Phd. 2,9). Die deduktive (ἄνωθεν: „von oben“) und induktive (κάτωθεν: „von unten“) Schlussfolgerungen wurden vorher im Kommentar als analytische und synthetische Methode, bzw. Auseinanderlösung und Zusammensetzung, erwähnt (vgl. 64,9; Anm. 615 und 773). Am Anfang des Unterrichts wird die Schlussfolgerung erörtert, dass alles Schöne (und Ehrenhafte) gut ist. Jetzt wird es mit zwei Prämissen verbunden: 1. Eine gute Handlung ist eine nützliche Handlung; 2. Eine gerechte Handlung ist eine ehrenhafte (bzw. schöne) Handlung. Da das Schöne mit dem Guten identifiziert wurde, muss es auch im Fall der anderen Prämissen gelten: Wenn gut auch ehrenhaft ist, dann ist eine gerechte Handlung nützlich. Die Prämisse im mittleren Abschnitt war das Folgende: ὅστις καλῶς πράττει, οὐχὶ καὶ εὖ πράττει; „Wer schön handelt, handelt der nicht auch gut?“ (Plat. Alc. 116b2–3; Übers. Döring 2016). Diese wird im Folgenden umgekehrt und lautet: Οὐκοῦν καλὸν ἡ εὐπραγία; „Das gute Handeln ist doch wohl schön?“ (Plat. Alc. 116b13, Übers. Döring 2016). Diese stellt Olympiodor auf syllogistische Weise dar, dass wer auf gute Weise handelt, auch schöne Handlungen vornimmt. Vgl. Plat. Alc. 116e2–4: Ἀλλὰ μὰ τοὺς θεούς, ὦ Σώκρατες, οὐκ οἶδ’ ἔγωγε οὐδ’ ὅτι λέγω, ἀλλ’ ἀτεχνῶς ἔοικα ἀτόπως ἔχοντι· τοτὲ μὲν γάρ μοι ἕτερα δοκεῖ σοῦ ἐρωτῶντος, τοτὲ δ’ἄλλα. „Aber bei den Göttern, Sokrates, ich weiß selbst nicht einmal mehr, was ich behaupte, sondern scheine schlechterdings in einer sonderbaren Verfassung zu sein. Wenn du fragst meine ich nämlich bald das eine, bald etwas anderes.“ (Übers. Döring 2016). Im Rahmen der Erkenntnistheorie behandelt Platon nach Meixner (2007) die Meinung (δόξα) als den Anschein, der je nach der Person verschieden ist (Plat. Men. 97e–98a) und sich dadurch von der begründeten und sicheren Erkenntnis (ἐπιστήμη) unterscheidet (vgl. Plat. Ti. 51d). Bei den Neuplatonikern wird die Meinung auch als die niedrigste Fähigkeit des menschlichen Denkvermögens bezeichnet und als die Stufe zwischen der Unwissenheit und sicheren Erkenntnis betrachtet (vgl. Procl. in Ti. I.248,25–249,15; in Alc. 199,8–9). An dieser Stelle werden die einfache und doppelte Unwissenheit als entgegengesetzte Begriffe (ἀντικείμενα) dargestellt. Dagegen stehen die Begriffe generiert, ingeneriert, zerstörbar und unzerstörbar in einem „diagonalen“ Gegensatz (διαγώνιοι, siehe 118,15) und bei Platon in einem „diametralen“ Gegensatz (ἐναντιώτατον, Plat. Alc. 115d). Den Unterschied zwischen dem Arzt mit theoretischer Kenntnis und dem Arzt mit praktischer Erfahrung benutzt Olympiodor öfters als Beispiel (siehe 38,16–18; 114,18–19; Olymp. in Grg. 2.3,12–15). Zum Begriff des Hässlichen siehe 115,7–10 und 125,16–17. Der an dieser Stelle verwendete Begriff αἶσχος deutet auf die Hässlichkeit der Seele im moralischen Sinne von ‚Schande‘ als eine Folge von Unwissenheit. Platon definiert die Hässlichkeit als eine Art von Schlechtigkeit und verbindet sie mit der Krankheit der Seele (vgl. Plat. Sph. 227d–228d). Platon zufolge ist die Schönheit die Gesundheit der Seele, Schlechtigkeit dagegen die Krankheit, die Hässlichkeit und die Schwäche (Plat. Rep. 444e1–2: κάλλος καὶ εὐεξία ψυχῆς, κακία δὲ νόσος τε καὶ αἶσχος καὶ ἀσθένεια). Olympiodor verwendet diesen Begriff in Übereinstimmung mit dem platonischen Gebrauch. Zur Bezeichnung des Hässlichen siehe 115,5–10. Im Folgenden wird der Unterschied zwischen den Begriffen der Hässlichkeit (αἶσχος) und Krankheit (νόσος) behandelt. Da Platon die Gesundheit als Ausgleich der Elemente oder

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Seelenteile beschreibt (vgl. Plat. Rep. 444d), ist der Schmerz, wie die Krankheit, eine Folge des Kampfs zwischen verschiedenen Elementen. Ausgehend von der platonischen Seelentheorie definiert die neuplatonische Philosophie die Krankheit der Seele als den Streit zwischen den Seelenteilen, die aufgrund des Aufstands anderer Seelenteile gegen die Herrschaft der Vernunft zustande kommt (vgl. Herm. in Phdr. 57,10–20, Procl. in Alc. 210,4–15). Die Gerechtigkeit teilt jedem Element seinen Platz zu und schützt ihre Grenzen, daher betrachtet auch Proklos die Gerechtigkeit und dieTugend insgesamt als die Gesundheit und ihr Gegenteil als die Krankheit für die Seele (vgl. Procl. in Ti. II.28,20–28). Folglich ist die Krankheit in der gesamten Seele zu betrachten, während Hässlichkeit nur in dem vernunftbegabten Seelenteil herrscht. Aufgrund der engen Verbindung der Vernunft mit dem Schönen und Ehrhaften (τὸ καλόν, siehe 51,2–4; 109,17) wird auch die Hässlichkeit als dessen Gegenteil an der Vernunft beobachtet (siehe 197,1–3). Die Verderbtheit (πονηρία) bedeutet bei Platon eine Art der Schlechtigkeit, die ausgehend von der Verfehlung des Körpers in einen moralischen Sinn übertragen wurde (vgl. Plat. Rep. 444d–e; Sph. 228b). Zur Begriffserklärung siehe Schmidt-Wiborg 2002. Olympiodor führt den Satz „εἰ γὰρ ἓν ἦν ὁ ἄνθρωπος, οὐκ ἂν ἤλγεεν“ als ein Zitat von Hippokrates an. Dieses Zitat scheint unter den alexandrinischen Platonikern geläufig zu sein (vgl. Herm. in Phdr. 257,24–25: ὅθεν Ἱπποκράτης βουλόμενος δεῖξαι ὅτι οὐκ ἔστιν ἁπλοῦν εἶπεν· εἰ ἓν ἦν τὸ σῶμα, οὐκ ἂν ἤλγεεν; Ammon. in Porph. 112,1–2: “εἰ γὰρ ἓν ἦν ὁ ἄνθρωπος”, φησὶν ὁ Ἱπποκράτης, “οὐκ ἂν ἤλγεεν, εἰ δὲ καὶ ἤλγεεν, ἓν ἦν καὶ τὸ ἰώμενον αὐτόν”; Phlp. in Arist. GC 4,33–5,1: καὶ γὰρ καθ’ Ἱπποκράτην “εἰ ἓν ἦν ὁ ἄνθρωπος οὐκ ἂν ἤλγεεν, εἰ δὲ καὶ ἤλγεεν ἓν ἦν καὶ τὸ ἰώμενον αὐτόν”). Die Grundlage hierzu findet sich bei Gal. Elem. 434,9–12 (nach Kühn 1821): εἰ δ’ οὖν καὶ ἀλγήσειεν, ἀνάγκη „καὶ τὸ ἰώμενον ἓν εἶναι.“ εἰ ἓν, φησίν, ὑπῆρχεν ὁ ἄνθρωπος, οὐκ ἂν ἤλγεεν. εἰ δέ γε καὶ ἤλγεεν, ἀναγκαῖον ἂν ἦν ἓν εἶναι καὶ τὸ ἰώμενον. Für die gleiche Aussage über die Abweichung von Alkibiades von den drei Hypostasen siehe 103,9–16. Der neuplatonischen Philosophie zufolge gilt auf sich selbst zurückzuwenden als eine Eigenschaft der Vernunft, da das selbstreflexive Denken in der Vernunft stattfindet (vgl. Procl. in Alc. 10,5–10; Inst. 193; Theol. Plat. II.40,25–26; Dam. Pr. I,133–134). Damaskios schreibt diese Ansicht Jamblich zu (siehe Dam. Pr. I.87,1–25). Im Neuplatonismus kann die Einfachheit eine Eigenschaft sowohl des Göttlichen als auch der niedrigsten der Seienden bezeichnen. Während das Göttliche durch seine Unteilbarkeit einfach ist, sind die niedrigen Wesen einfach, weil sie aus einer Ursache hervorgehen. Die Zusammengesetzten befinden sich zwischen diesen beiden einfachen Wesen (vgl. Procl. Inst. 59). Als Schicksalsgöttinnen und als Todesgottheiten tragen die Keren (κῆρες) nach Walde (1999) auch die Bedeutung von „Schadegeist“, die den Menschen Verderben bringen und sie in die Unterwelt ziehen. Daher gehören sie Olympiodor zufolge nicht der Ebene der Götter an und bezeichnen den Tod und das Verderben, die der menschlichen Ebene angehören. Im Gegensatz zu den Keren steht das Selige, das auf die Götter zutrifft. Dieses Thema wiederholt sich im Folgenden (130,10). Eur. Or. 4; Übers. Buschor 1977. Indem er sich erneut auf Euripides bezieht, zeigt Olympiodor seine Auseinandersetzung mit den Tragödien. In diesem Vers am Anfang von Orestes spricht Elektra über Tantalos und seiner Begegnung mit den Göttern. Der Gebrauch dieser Adjektive im Rahmen der platonischen Dialoge weist auf ihre gegensätzliche Bedeutung hin, indem die Bezeichnung ‚selig‘ (μακάριος) auf die Glückseligkeit (Plat. Lg. 739c2), dagegen ‚verschmäht, schmählich‘ (ἐπονείδιστος) auf die Beschäftigungen, die einen Charakter verderben, bezogen wird (Plat. Lg. 741e4). Auch in diesem Sinne werden sie bei Aristoteles verwendet (Arist. EN 1100b28–30; 1101a20–22; 1118b2). Proklos erwähnt „selig“ (Procl. Theol. Plat. I.89,22; in Alc.

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D. Anmerkungen 93,21) und dessen Gegensatz „nicht selig“ (οὐδὲ μακάριον, Procl. in Alc. 109,14). Dagegen ist das Adjektiv „schmählich“ bei Proklos nur an einer Stelle belegt (Procl. in Rep. I.144,23). Vgl. Plat. Alc. 116b2–3: ὅστις καλῶς πράττει, οὐχὶ καὶ εὖ πράττει; „Wer schön handelt, handelt der nicht auch gut?“ (Übers. Döring 2016). Die Begriffe ἄνωθεν und κάτωθεν wurden vorhin im Sinne von deduktivem und induktivem syllogistischen Verfahren benutzt (siehe oben 123,5–10). An dieser Stelle scheint der Schwerpunkt am Unterschied zwischen der göttlichen und der menschlichen Ebenen zu liegen. Daher werden die Richtungen „von oben her“ und „von unten aus“ im Sinne von Abstieg und Aufstieg der Seele interpretiert. Siehe dazu 110,2–3. Das Zugrundeliegende (τὸ ὑποκείμενον) ist ein Begriff, der besonders von Aristoteles mit zwei Bedeutungen verwendet wird, die miteinander in Verbindung stehen: Nach Rapp (2002a, S. 212) deutet es im syntaktisch-formalen Sinn auf das Subjekt einer Aussage, oder im ontologischen Sinn auf den Träger einer Eigenschaft. In der aristotelischen Philosophie kann dieser Begriff sowohl die Ursache derAffekte als auch die materielle Grundlage für die Existenz einer Form bezeichnen (vgl. Arist. Metaph. 1038b3–8). Im Neuplatonismus wird das Zugrundeliegende insbesondere mit der Materie identifiziert, die keine Eigenschaften hat und daher als Träger der Eigenschaften bei den Wesen dient (Plot. VI.1.27,9–16). In diesem Sinne erklärt Proklos, dass die Wesen, die in der Materie verwirklicht werden, entweder aus mehreren Komponenten bestehen oder eines Unterliegenden als Materie bedürfen (vgl. Procl. Inst. 48,4–5). Im Fall des menschlichen Wesens ist das Unterliegende der Körper (Procl. Inst. 72,11; in Alc. 45,15–20). Das Gute und das Schöne sind in diesem Sinne durch ihr Zugrundeliegendes miteinander austauschbar, da dieses Zugrundeliegende bei den beiden Begriffen gleiche Eigenschaften trägt. Aristoteles macht des Öfteren axiomatische Feststellungen über die Natur des Menschen, bei denen er u. a. auch das Beispiel des „zum Lachen fähigen Wesens“ anführt (vgl. Arist. HA 593b1; PA 673a8–28). In der neuplatonischen Philosophie äußert Porphyrios die These, dass das Lachen eine Eigenschaft alleine für menschliches Wesen ist (vgl. Porph. Intr. 3,3–5; vgl. 20,12–13: εἰ γὰρ ἄνθρωπος, γελαστικόν, καὶ εἰ γελαστικόν, ἄνθρωπος·). Diese Position wird auch von Jamblich (Iamb. Protr. 21, 26); Simplikios (Simp. in Ph. 104,27) und anderen alexandrinischen Neuplatonikern (Elias in Porph. 101,7–102,21) vertreten. In diesem Zusammenhang erklärt Olympiodor, dass zum Lachen fähig zu sein mit dem Wesen des Menschen vereinbar ist. Zu diesem Thema widmet David einen ganzen Abschnitt (Κἂν γὰρ μὴ γελᾷ ἀεί, ἀλλὰ γελαστικὸν λέγεται οὐ τῷ ἤδη γελᾶν ἀλλὰ τῷ πεφυκέναι· τοῦτο δὲ ἀεὶ αὐτῷ σύμφυτον, David in Porph. 203,8–204,22) mit dem folgenden Einwand: Die Definition des Menschen als lachfähiges Tier stimmt nach David mit der Definition des Menschen überein, dagegen ist die Definition des lachfähigen Tieres nicht mit der Definition des Menschen austauschbar. Daher gehört nach David lachfähig zu sein nicht dem Wesen des Menschen, da das Lachen eine Fähigkeit der irrationalen Seele ist und auch Tiere lachen können. Olympiodor bezieht sich auf die These, dass jede Tugend gut ist, woraus folgt, dass ein Mensch mit einer bestimmten Tugend wie Tapferkeit auch gut ist. Diese Argumentation befindet sich im Dialog (Plat. Alc. 116c5). Dieser Satz scheint eine logische Aussage auszudrücken, die schwer zu interpretieren ist. Das Verb ἐκφεύγειν („entgehen“) erfordert zwei Akkusative (vgl. LSJ: ἐκφεύγει μέ τι), die hier μηδὲν und τὸ ὑποκείμενον sind, daher „nichts entgeht dem Zugrundeliegenden“. Der vorangestellte Dativ τῷ kann im Sinne von Begründung („dadurch, weil“) verstanden werden. Die Aussage, dass „nichts dem Zugrundeliegenden entgeht“, bedeutet, dass es keinen Fall gibt, in dem die Gleichsetzung des Guten mit dem Schönen nicht möglich ist, da keines dieser Elemente im Zugrundeliegenden fehlt.

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Nach Proklos sind diese Begriffe durch ihr Zugrundeliegendes gleich, obwohl sie verschiedene Konzepte sind. Das Gute und das Schöne stellen verschiedene Bereiche der Seele dar und deshalb sind sie gleich, da die Seele an sich keine ‚Teile‘ hat und alles vereint (vgl. Procl. in Alc. 321,16–322,15). Dass alle Tugenden sich auf ein und dieselbe Sache beziehen, ist eine platonische Ansicht (vgl. Plat. Prt. 333b4). Platon vertritt diese Ansicht über verschiedene Tugenden in mehreren Dialogen: Beispielsweise ist im Laches die Tapferkeit ein besonderer Teil der Tugend (190c–d; 199e); oder im Euthyphron (11e–12e) die Frömmigkeit ein Teil der Gerechtigkeit. Wiederholung von der vorhin erwähnten Ansicht, dass das Schöne, das Gerechte und das Nützliche im Zugrundeliegenden gleich, jedoch in speziellen Eigenschaften getrennt sind (siehe 122,19–23). In seinem Kommentar betont Döring (2016, S. 89), dass Platon im Alkibiades auf die Doppeldeutigkeit der Aussagen εὖ πράττειν und κακῶς πράττειν anspielt, um seine ethische Theorie zu begründen. Im einfachen Sinne verdeutlichen diese Ausdrücke auf gute oder schlechte Weise zu handeln; im moralischen Sinne hingegen, dass es jemandem aufgrund seiner guten oder schlechten Handlungen gut oder schlecht geht. Aporie bezeichnet hier nicht die Ausweglosigkeit oder die Unmöglichkeit, eine Frage zu beantworten, sondern den Zustand, bei dem widersprüchliche Aussagen über eine Frage gleichzeitig gemacht werden. Folglich stellt Olympiodor auch die Lösungen der Aporien dar (siehe 227,17). Für die erwähnten Aporien an dieser Stelle siehe 122,3–123,5. Zum Begriff siehe 52,21–23 und Anm. 504; 95,1–3 und Anm. 815. Zu dieser Reihenfolge – das Gute, das, was auf gute Weise ist, und das Schöne – siehe 122,4–11. Plat. Alc. 116c1–2: Ταὐτὸν ἄρα ἐφάνη ἡμῖν πάλιν αὖ καλόν τε καὶ ἀγαθόν. „So hat sich uns also erneut eines und dasselbe sowohl als schön als auch als gut erwiesen.“ (Übers. Döring 2016). Siehe oben 126,3–20. In diesem Satz ist ein Akkusativ für das Verb ἐκφεύγω durch τι τοῦ ὑποκειμένου („etwas von dem Zugrundeliegenden“) gegeben. Der folgende Dativ (τῇ δικαιοσύνῃ) ist jedoch nicht eindeutig zu interpretieren: entweder hat er einen possessiven Sinn und spezifiziert das Zugrundeliegende als das der Gerechtigkeit, oder er trägt die Gerechtigkeit wieder als Grund. Ausgehend von dem Gedankengang, dass das Gute und das Gerechte in ihrem Zugrundeliegenden dasselbe sind, erscheint die erste Deutung plausibler: Dem Zugrundeliegenden der Gerechtigkeit entgeht nichts, was zugleich auch gut ist. Siehe dazu Anm. 1072. Vgl. Plat. Alc. 116c7: Τί δέ; τὰ ἀγαθὰ συμφέρει ἢ οὔ; „Und weiter: Das, was gut ist, nützt, oder nicht?“ (Übers. Döring 2016) Vgl. Plat. Alc. 116d5: Τί οὖν; ταῦτα οὐ σὺ ὁ λέγων, ἐγὼ δὲ ὁ ἐρωτῶν; „Wie nun? Ist es nicht so, dass du der bist, der dies behauptet, während ich der bin, der fragt?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 116d7–8: Εἰ οὖν τις ἀνίσταται συμβουλεύσων εἴτε Ἀθηναίοις εἴτε Πεπαρηθίοις, „Wenn nun jemand aufsteht, um den Athenern oder den Peparethiern seinen Rat zu erteilen“ (Übers Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 116d7–10. Vgl. Plat. Alc. 116d7–8. Peparethos ist eine Insel der Kykladen, die heute den Namen Skopelos trägt. In der Forschung wurde zu dieser Stelle die Frage gestellt, warum Platon neben den Athenern auch die Peparethier erwähnt hat. Döring (2016, S. 91) erklärt diesbezüglich, dass Peparethos hier nicht in dem Sinne wie ‚unbedeutende Provinz‘ als Gegensatz zu Athen erwähnt wird, sondern als ein nicht allzu unbedeutendes Mitglied des Attisch-Delischen Seebundes. In der Tat hatte die Insel eine große Summe von drei Talenten als Tribut gezahlt. Nach 340 v. Chr. im Verlauf der Kriege gegen die Makedonen wurde Peparethos verwüstet, nach 200 v. Chr. wurde es Athen untergeordnet. In der byzantinischen Zeit hatte die Insel, auf der sich ein Bistum unter dem Namen Skopelos befand, wie Külzer (2000) vermutet, bereits

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D. Anmerkungen ihre große Bedeutung verloren. Olympiodor stützt die Aussage, dass Peparethos eine unbedeutende Insel ist, wahrscheinlich auf diesen Zustand der Insel in seiner Zeit. Vgl. Plat. Alc. 107b9–10: εἰδότος γὰρ οἶμαι περὶ ἑκάστου ἡ συμβουλή, καὶ οὐ πλουτοῦντος. „Denn Rat zu erteilen ist, wie ich meine, bei jeder Angelegenheit Sache eines solchen, der über das betreffende Wissen verfügt, nicht eines solchen, der reich ist.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor zitiert und paraphrasiert diese Stelle mehrmals (siehe 65,14–15; 69,19–20; 70,15–16). Vgl. Plat. Alc. 116e2–4. Vgl. Plat. Alc. 110b–d; siehe dazu Procl. in Alc. 240,5–241,9. Die erste Begründung dafür, warum Alkibiades nicht schwört, liegt daran, dass die Bezeichnung als Freund für Alkibiades den Einfluss der Beschuldigung gemildert hat. Der zweite Grund hängt mit den neuplatonischen Tugendgraden zusammen, die Olympiodor als „Stufen“ (βαθμοί) auffasst (vgl. Olymp. in Phd. 8.2,2). Der Begriff der Tugend erklärt andererseits nicht das ganze Spektrum dieser Stufen, die vielmehr als gesamten Zustand eines Wesens hinsichtlich Erkenntnis und Tugend in jeweiliger Stufe aufgefasst werden sollen. Ab hier verlässt Alkibiades die Ebene der natürlichen und angeborenen (φυσικαί) sowie angewöhnten (ἠθικαί, in Phd. 8.2.2,1–5) Tugenden und fängt an, die Tugenden durch die Philosophie zu lernen, deren erste Stufe die politische Tugend ist (πολιτικαί, in Phd. 8.2.2,10). Vgl. Plat. Alc. 117b5: Τί οὖν; οἶσθα ὅντινα τρόπον ἀναβήσῃ εἰς τὸν οὐρανόν; „Wie nun? Weißt du, wie du zum Himmel hinaufsteigen kannst?“ (Übers. Döring 2016). Das Adjektiv οἰκεῖος wird an dieser Stelle in Bezug auf Perikles sowohl im Sinne von ‚zu Hause, zur Familie gehörig, verwandt‘ als auch im Sinne von ‚geeignet, passend‘ benutzt. Olympiodor betont öfters die Rolle der passenden philosophischen Methode für die Schüler, die es durch eine Art Bekanntheit durch ihre Erfahrungen oder Verwandtschaft in ihrer Seele besser verstehen können (siehe 74,15–18; 126,28). Der Beiname Olympier für Perikles wird bei verschiedenen Autoren überliefert (vgl. Plu. Per. 8,2–3; Ar. Ach. 530; D. S. XII.40.6,13). D. S. XII.40.6,14; Übers. Veh 1998. Dieser Spruch über Perikles wird auch bei Aelius Aristides in der Rede gegen Platon überliefert, auf die sich Olympiodor in diesem Kommentar öfters bezieht (Aristid. Or. 46.137,11; vgl. Anm. 53 und 58). Diese Behauptung äußert Aristophanes im Frieden (Ar. Pax 603–610). Plutarch schreibt dazu, dass das arrogante und kampflustige Verhalten von Perikles als Ursache der Peloponnesischen Kriege angesehen wurde (vgl. Plu. Per. 31) und Perikles außerdem alle finanziellen Mittel der Polis zum Zweck des Krieges eingesetzt hatte (Plu. Per. 12,3–4; siehe dazu 173,15–16). Siehe dazu 129,9–10. Hier wird als erstes Beispiel die Frage aufgefasst, die von der Fähigkeit, zum Himmel hinaufzusteigen, handelte. Neuplatoniker vertreten diese Auffassung über einen Politiker ausgehend von der These bei Platon, dass ein idealer Politiker, nachdem er die höchsteTugend erreicht hat, wieder absteigen soll, um anderen Menschen zu helfen (vgl. Plat. Rep. 519b–520d). Hom. Il. I,249 (Übers. Schadewaldt 1958). Auch am Anfang des Kommentars zitiert Olympiodor diesen Vers, um die Bedeutung der Redner darzustellen (siehe 2,29). In diesem Zusammenhang wird dieser Vers auch in den anonymen Prolegomena zitiert (vgl. Anon. Proleg. 198,29). Vgl. Plat. Alc. 116e7–10: Οἴει ἂν οὖν, εἴ τις ἐρωτῴη σε δύο ὀφθαλμοὺς ἢ τρεῖς ἔχεις, καὶ δύο χεῖρας ἢ τέτταρας, ἢ ἄλλο τι τῶν τοιούτων, τοτὲ μὲν ἕτερα ἂν ἀποκρίνασθαι, τοτὲ δὲ ἄλλα, ἢ ἀεὶ τὰ αὐτά; „Angenommen jemand fragte dich: ‚Hast du zwei oder drei Augen?‘ und: ‚Hast du zwei oder vier Hände?‘ oder anderes dergleichen, meinst du, du würdest dann bald diese und bald jene Antwort geben oder stets dieselbe?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor hält an dieser Stelle die Auswahl der Fragen für angemessen, da diese Fragen falsch zu beantworten unmöglich ist und Alkibiades dadurch sehen kann, dass er auch einige Sachen mit Sicherheit

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weiß. Wie Alkibiades die erste Frage auf verschiedenen Weisen beantworten könnte, erklärt Olympiodor nicht eindeutig. Möglicherweise könnte er antworten, er habe insgesamt zwei Augen, aber jeweils ein auf jeder Seite des Gesichts. Vgl. Plat. Alc. 117a1–2: Δέδοικα μὲν ἔγωγε ἤδη περὶ ἐμαυτοῦ, οἶμαι μέντοι τὰ αὐτά. „Ich bin zwar schon voller Angst um mich, glaube jedoch, ich würde stets dasselbe geben.“ (Übers. Döring 2016). Zum Überfluss des Vermögens siehe 14,24; 32,9–10; 34,8–9; 228,12. Dieser Spruch stammt wahrscheinlich aus einer Tragödie und wird unter den anonymen Fragmenten der Tragödiendichter klassifiziert (siehe TrGF II,323a: ἴσασιν Ἀργείων οἱ πεπληγμένοι). Vgl. Plat. Alc. 117b2–3: Ἆρ’ οὖν οὕτω καὶ ἔχει· ἐπειδάν τίς τι μὴ εἰδῇ, ἀναγκαῖον περὶ τούτου πλανᾶσθαι τὴν ψυχήν; „Es verhält sich also doch wohl so: Wenn jemand etwas nicht weiß, dann muss seine Seele, was dies betrifft, notwendigerweise schwanken?“ (Übers. Döring 2016). An dieser Stelle bezeichnet παχυμερῶς (wörtlich „aus dicken Teilen bestehend, in groben Zügen“) ein nicht tiefergehendes Argumentieren, das bisher nur in wesentlichen Punkten dargestellt wurde (auch in diesem Sinne siehe 208,11–14; 209,13–14). Zum Angriff als argumentative Strategie siehe 102–103 und Anm. 869. Vgl. Plat. Alc. 117d7–9: Ἐννοεῖς οὖν ὅτι καὶ τὰ ἁμαρτήματα ἐν τῇ πράξει διὰ ταύτην τὴν ἄγνοιάν ἐστι, τὴν τοῦ μὴ εἰδότα οἴεσθαι εἰδέναι; „Bist du dir nun bewusst, dass auch die Fehler beim Handeln wegen dieser Form von Unwissenheit zustande kommen, die darin besteht, dass man etwas, wiewohl man es nicht weiß, dennoch zu wissen glaubt?“ (Übers. Döring 2016). Der Begriff der Verfehlung (ἁμαρτία/ἁμάρτημα) wird bei Platon eng mit der Erkenntnis verbunden. Vgl. hierzu Kappl 2007. Platon vertritt die These, dass niemand freiwillig schlecht handelt und die Ursache des schlechten Handelns Unwissenheit ist (vgl. Plat. Prt. 345e). Im Neuplatonismus werden die Fehler des Menschen damit begründet, dass die menschliche Seele aufgrund ihrer Verbindung mit dem Körper und mit den Affekten fehlerhafte Erkenntnis besitzt (vgl. Plot. I.1,12; Procl. in Rep. II.355,15–25). Die Gewalt (βία) als Ursache der Verfehlung deutet wahrscheinlich auf den Einfluss der Begierde (ἐπιθυμία) auf die menschliche Seele, welche die Vernunft gewaltsam unterdrückt (wie im Seelenwagen in Plat. Phdr. 253c–255a). Auf der anderen Seite kann die Gewalt in der platonischen Philosophie als eine nötige Maßnahme im politischen Bereich interpretiert werden, wie etwa im Höhlengleichnis (vgl. Rep. 515e5) oder als die Eigenschaft des Politikers als jemand, der durch Gewalt die Kontrolle über die Begierde geschafft hat (vgl. Rep. 558d). Vgl. Plat. Alc. 118a 4–5: Αὕτη ἄρα ἡ ἄγνοια τῶν κακῶν αἰτία καὶ ἡ ἐπονείδιστος ἀμαθία; „Diese Form von Unwissenheit ist also die Ursache der Übel und der Inbegriff schimpflicher Ignoranz?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor erwähnt Keren oben als Gegensatz des Seligen (siehe 125,20). Vgl. Plat. Alc. 118a10–11: Τί οὖν; ἔχεις μείζω εἰπεῖν δικαίων τε καὶ καλῶν καὶ ἀγαθῶν καὶ συμφερόντων; „Wie nun? Kannst du etwas nennen, was wichtiger ist als das, was gerecht, was schön, was gut und was nützlich ist?“ (Übers. Döring 2016). Zu den Gemeinbegriffen bei Olympiodor siehe 18,3–4; 40,20 und vgl. in Grg. 44,7. Diese Handlungen beziehen sich nach Olympiodor auf die drei Begriffe (das Gerechte, das Gute und das Nützliche) und zeigen, dass diese Begriffe bei allen Menschen gemeinsam sind und sich in der Natur der Menschen als Gemeinbegriffe befinden. Zu drei Arten der Rhetorik siehe 105,11–12. Die Benennung der zwei Teile der Seele an dieser Stelle deutet wahrscheinlich an die aristotelische Theorie hin, auf die Olympiodor schon vorher Bezug nahm (vgl. rational und irrational in Arist. EN 1102a–b; siehe Anm. 103). Die platonische Seelentheorie hingegen unterscheidet drei Teile der Seele (zu platonischer Seelenlehre vgl. Brinker 2007 mit Verweis

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D. Anmerkungen auf Plat. Rep. 439c–445e). Während der vernunftbegabte Seelenteil (λογιστικόν) unter die Bezeichnung des ‚Erkennenden‘ fällt, werden die beiden anderen Seelenteile (θυμοειδές: affektvoller Seelenteil und ἐπιθυμητικόν: begehrender Seelenteil) unter dem Begriff des ‚Lebenden‘ aufgefasst. Das Erkennende und das Lebende sind keine ‚Teile‘ der Seele, sondern die Fähigkeiten, die im Körper voneinander abgesondert, jedoch in der Seele vereint sind. Während einige Wesen nach dem Leben streben, zielen andere auf die Erkenntnis ab (vgl. Procl. Inst. 39). Proklos betont in dieser Hinsicht, dass die Seele keine ‚Teile‘ wie materielle Dinge hat, sondern diese unterschiedlichen Kapazitäten verbindet (vgl. Procl. Inst. 197). Folglich eignet sich eine Übersetzung als ‚das Erkennende‘ und ‚das Lebende‘ bzw. als ‚das Erkenntnisvermögen‘ und ‚das Lebensvermögen‘ der neuplatonischen Philosophie. Dagegen werden sie im Folgenden als Teile der Seele vorgestellt, da Olympiodor am Anfang des Abschnitts die Bezeichnung der „Teile“ (μόρια) verwendet. Siehe dazu 124,5. Vgl. Plat. Alc. 117d–118a; siehe 125,10–15. Der Begriff ὁμακόιον oder ὁμακοεῖον (die Hörversammlung, Mithörerkreis) ist der Überlieferung zufolge eine Bezeichnung der pythagoreischen Schule (vgl. Iamb. VP 6,29–30; Porph. VP 20,6; Procl. in Ti. I. 22,8). An dieser Stelle macht Olympiodor mit ‚Vermögen‘ (χρήμασι) eine Andeutung zur Überlieferung über die Tradition der Pythagoreer, dass die Schüler ihre Besitztümer verbrannt und ihr Geld der pythagoreischen Schule gestiftet haben (vgl. Hippol. Haer. 1.2,16: τὰ ὑπάρχοντα καὶ τὸ ἀργύριον). Diese Tradition der Pythagoreer wird auch bei anderen Neuplatonikern überliefert (vgl. Iamb. VP 17,73–74; 34,246). Nach Olympiodor wurde die pythagoreische Schule von einem Schüler in Brand gesetzt, weil er auf diese Weise aus der Gemeinschaft hinausgeworfen wurde. Damit begründet Olympiodor die Reise des Philolaos nach Böotien, nachdem die pythagoreische Schule vernichtet wurde (vgl. Olymp. in Phd. 1.13,13–23). Vgl. Eur. Or. 1–3: Οὐκ ἔστιν οὐδὲν δεινὸν ὧδ’ εἰπεῖν ἔπος / οὐδὲ πάθος οὐδὲ ξυμφορὰ θεήλατος, / ἧς οὐκ ἂν ἄραιτ’ ἄχθος ἀνθρώπου φύσις. „Dies Wort besteht: es gibt kein hartes Los, / Kein gottverhängtes Leid, kein Mißgeschick, / Das sich der Mensch nicht auf den Nacken lädt.“ (Übers. Buschor 1977). Dieser Satz befindet sich am Anfang der Tragödie und stellt Elektra klagend über Orestes’ Schicksal dar. Olympiodor vergleicht Alkibiades’ Lage mit Orestes. Dabei verwendet er οὐδὲ statt ὧδε (so, auf diese Weise) bei Euripides und bringt dadurch eine doppelte Verneinung zum Ausdruck. Aposiopese (ἀποσιώπησις) bezeichnet eine rhetorische Figur, die aus einem bewussten Schweigen einer Aussage besteht, wo ein Satz abgebrochen oder letzter Teil der Aussage nicht ausgesprochen und das Unausgesprochene dadurch betont wird (siehe Lausberg 2008, 438, § 887). Nach Plutarchs Darstellung hat Alkibiades in seinen Reden öfters eine Pause gemacht (vgl. Plu. Alc. 10,3: μεταξὺ λέγων ἀπεσιώπα) und einen bestimmten Ausdruck übersprungen, um danach eine Zusammenfassung mit sorgfältig ausgewählten Worten anzubieten und somit den Ausdruck der Rede zu steigern. Olympiodor paraphrasiert dieAussage ‚nicht namentlich erwähnen‘ mit diesen Adjektiven, die gemäß der neuplatonischen Philosophie unterschiedliche Bedeutungen tragen können. Einerseits bezeichnet das Schweigen und das Unsagbare (ἄρρητον) bei Damaskios das Transzendente, was der menschliche Verstand nicht begreifen kann (vgl. Paşcalău 2018, S. 287–290). Andererseits bezeichnet das Undefinierbare (ἄφραστον) sowohl die intelligiblen Wesen (Procl. in Alc. 53,3) als auch die Materie, da das Wesen der Materie auch die undefinierbare erste Ursache widerspiegelt (vgl. Dam. in Prm. 298,15–20). Der Zustand der doppelten Unwissenheit, in dem Alkibiades sich befindet, wird mit den Eigenschaften der Materie erläutert. In der neuplatonischen Philosophie werden sowohl die

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transzendenten Wesen (vgl. Procl. in Rep. I.72,30; Dam. Pr. I.6,14–16) als auch die Materie (Procl. in Alc. 189,17; Inst. 72) als unsagbar (ἄρρητον) und formlos (ἀνείδεος) bezeichnet. Platonischer Philosophie zufolge kann eine Entität aus zwei Gründen unsagbar sein: Entweder überschreitet es die Wesen und Erkenntnis auf der menschlichen Ebene wie das Eine, oder befindet es sich unter dem Wesen als das Zugrundeliegende und ist daher – wie die Materie – nicht erkennbar. Siehe dazu Anm. 1122. Plutarch überliefert eine Anekdote über Pythagoras und einen Schüler, der sich aufgrund öffentlicher Kritik umgebracht hat. Nach Plutarch haben die Philosophen nach diesem Ereignis darauf geachtet, Menschen nicht in Anwesenheit anderer zu kritisieren (vgl. Plu. Moralia 70f). Zum neuplatonischen Topos über die pythagoreische Schule vgl. Anm. 1119. Vgl. Plat. Alc. 118b6–7: ἀμαθίᾳ γὰρ συνοικεῖς, ὦ βέλτιστε, τῇ ἐσχάτῃ, ὡς ὁ λόγος σου κατηγορεῖ καὶ σὺ σαυτοῦ· „Nemlich mit der Thorheit hausest du und zwar mit der schimpflichsten wie die Rede dich beschuldiget und du dich selbst.“ (Übers. Schleiermacher 1809). Dagegen übersetzt Döring (2016) an dieser Stelle συνοικεῖς mit „du bist verheiratet“. An dieser Stelle des Dialogs personifiziert Platon die Unwissenheit. Im Einklang damit vergleicht Olympiodor im Folgenden den Zustand in der Unwissenheit mit einem Leben im Krieg und benutzt συνοικεῖς in diesem Sinne wie ‚zusammen zu leben, Hausgenosse zu sein‘. Daher wäre es schlimmer als Bürgerkrieg, den Krieg als Hausgenosse zu erleben (hier im hypothetischen Sinne), da die eigene Hausgemeinschaft für einen Menschen viel näher steht als die anderen Mitbürger. Zur Erklärung der Begriffe des Krieges siehe 92,9–19. Vgl. Hom. Il. IX,63–64: ἀφρήτωρ ἀθέμιστος ἀνέστιός ἐστιν ἐκεῖνος / ὃς πολέμου ἔραται ἐπιδημίου ὀκρυόεντος. „Ohne Geschlecht, ohne Gesetz, ohne Herd muss der sein, / Der sich sehnt nach dem Krieg, dem schaudervollen, im eigenen Volk!“ (Übers. Schadewaldt 1975). Nestor wendet sich in diesen Versen gegen Diomedes und beschreibt jemanden, der einen Krieg anstrebt. Vgl. Plat. Alc. 113a; siehe 98,21–100,1. Als Rahmenbedingung des Dialogs legt Olympiodor diesen Aspekt am Anfang des Kommentars fest (siehe 6,2). Vgl. Plat. Alc. 118b8–c2: πέπονθας δὲ τοῦτο οὐ σὺ μόνος, ἀλλὰ καὶ οἱ πολλοὶ τῶν πραττόντων τὰ τῆσδε τῆς πόλεως, πλὴν ὀλίγων γε καὶ ἴσως τοῦ σοῦ ἐπιτρόπου Περικλέους. „So geht es dir aber nicht als Einzigem, sondern auch der Mehrzahl derer, die die Geschäfte unserer Polis betreiben, mit Ausnahme einiger weniger und vielleicht deines Vormundes Perikles.“ (Übers. Döring 2016). Der Begriff κηδεμών bezeichnet bei Platon die Wächter des Staats, die für die Verteidigung und Erziehung verantwortlich sind und den Seelenteil repräsentieren, der als ‚affektvolle Willenskraft‘ (θυμοειδές) beschrieben wird (vgl. Plat. Rep. 412c; 463d). Durch diesen Begriff deutet Olympiodor auf die Rolle der sokratischen Philosophie für die Ordnung in der Gesellschaft und im Staat. Vgl. Plat. Alc. 118c1–2. Vgl. Plat. Grg. 515c–516d; Olymp. in Grg. 32,2. Platon bezweifelt Perikles’ politische Begabung sowohl im Alkibiades (119a) als auch im Gorgias (515c–516d). Dagegen verfasste Aelius Aristides eine Rede für die Verteidigung der vier Politiker (Aristid. Or. 46, 229) Perikles zusammen mit Miltiades, Kimon und Themistokles. Auf diese Rede bezieht sich Olympiodor in diesem Kommentar mehrmals (vgl. Anm. 53, 58 und 1094). Rapp (2002b, S. 148) definiert die Erkenntnis in der platonischen Philosophie als das begründete Wissen (ἐπιστήμη), das sich von der richtigen Meinung (ὀρθὴ δόξα) unterschiedet,

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D. Anmerkungen die durch Zufall entsteht und keine Gewissheit darstellt (vgl. Plat. Tht. 201c–210b; Rep. 506c; 520c). Dieses Beispiel wiederholt Olympiodor an verschiedenen Stellen des Kommentars, siehe 38,16–18; 124,2–3; in Grg. 2.3,12–18. Vortrefflich ist eine annähernde Übersetzung für die Bedeutung des Begriffs καλὸς καὶ ἀγαθός, der sowohl die körperliche Schönheit als auch das moralische Gutsein beinhaltet und wörtlich „der gute und ehrenhafte Mensch“ bedeutet. Zu Begriffserklärung vgl. Töpfer 2002. Vgl. Hom. Il. XXII,60; Od. 15,246. Zu Damon, der ebenfalls als Platons Lehrer erwähnt wurde, vgl. Anm. 33. Dieser Satz hängt wohl mit der Position zusammen, dass die Handlungen und das Wesen eines Philosophen grundsätzlich voneinander unterschieden werden sollten. Daher können die Handlungen nicht immer Auskunft über die Person geben, falls es wie in den folgenden Beispielen nicht möglich wäre, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu realisieren. An dieser Stelle weist Olympiodor auf die Spannung zwischen der theoretischen und praktischen Tätigkeit des Philosophen hin. Während Platon häufiger das Wort θεωρεῖν in Bezug auf die sinnliche Wahrnehmung verwendet (vgl. Plat. Rep. 529b), stellt es in Bezug auf die politische Tätigkeit ein Problem dar, da die Realität mit der Betrachtung des Göttlichen nicht übereinstimmt; vgl. Mesch (2002) mit Verweis auf Plat. Rep. 517d. Nach Mesch (ebd.) wird der Gegensatz des theoretischen und praktischen Lebens bei Aristoteles deutlich betont (vgl. Arist. EN 1095b17). Bei Plotin wird dieser Gegensatz nicht als eine Spannung aufgefasst, sondern ist das Theoretische als wahrhaft Seiende zu dem Praktischen als Begleiterscheinung überlegen. Neuplatoniker lösen diese gegensätzliche Stellung der theoretischen und praktischen Tugenden, indem sie die politischen und die theoretischen Tätigkeiten als verschiedene Stufen der Tugenden betrachten (vgl. Iamb. Protr. 3,21–4,5; Procl. in Rep. I.12,25–13,11; Dam. in Phd. I,138–151; Olymp. in Phd. 8.2,2). An dieser Stelle knüpft Olympiodor an den politischen Diskurs in der platonischen Philosophie an. In der Politeia deutet Platon darauf, dass die Bürger gegenüber dem Philosophenherrscher feindlich sein können, besonders wenn sie seine Ansichten und politische Maßnahmen nicht verstehen (vgl. Plat. Rep. 499e–501a). In Übereinstimmung mit dieser Andeutung stellt Olympiodor an dieser Stelle fest, dass nicht nur die politische Tugend des Herrschers ausreichend ist, sondern die gleiche Tugend auch bei seiner Gesellschaft vorhanden sein muss. Aspasia wird als Lehrerin des Perikles und von anderen berühmten Persönlichkeiten wie Sokrates in verschiedenen Quellen benannt: Plat. Mx. 235e, wo Sokrates Aspasia als Lehrerin für sich selbst und für Perikles im Bereich der Rhetorik angibt; Plu. Per. 24,2–7 sowie Aristides’ Rede gegen Platon Aristid. Or. 46,131. Von einer Frau ausgebildet zu sein trägt in der platonischen Philosophie keine negative Konnotation (beispielsweise die Darstellung der Diotima im Symposion). Von der Bildung des Perikles durch eine Frau, nämlich Aspasia, berichtet auch Diogenes Laertios (vgl. D. L. II.83). An dieser Stelle wird Aristippos der Jüngere erwähnt, der Enkel des Aristippos ist, der ein Schüler des Sokrates war. Von Aristippos wird überliefert, dass er die Philosophie von seiner Mutter Arete lernte (vgl. D. L. II.86). Durch die große Macht Athens unter Perikles’ Herrschaft wurden viele Poleis dazu verpflichtet, an Athen Tribut zu zahlen (vgl. Plu. Pericl. 15,1). Olympiodor verwendet diesen Ausdruck in Anlehnung an Platon, der den Zustand der Polis mit einem Menschen vergleicht, der gesund oder „fieberhaft“ (φλεγμαίνουσαν πόλιν, Plat. Rep. 372e) sein kann. Platon behandelt verschiedene Herrschaftsformen in der Politeia, wo er einige Staatsverfassungen in eine Reihenfolge von den besten in die schlechteste darstellt. Demnach ist die beste Herrschaftsform die Aristokratie und daraus entstehen Timokratie, Oligarchie, Demo-

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kratie und Tyrannis (Plat. Rep. 544e–569c). Olympiodor vertritt diese Ansicht besonders in seinem Gorgias-Kommentar, dass eine aristokratische Herrschaftsform besser als eine demokratische ist (vgl. Olymp. in Grg. 32,4; 42,2). Dieses Zitat verwendet Olympiodor in unterschiedlichem Wortlaut (siehe 29,7–8). Die Quelle dafür ist entweder Thukydides (vgl. Thucy. II.65,9) oder Plutarch (Plu. Per. 9,1). Platon stellt die Instabilität der Königsherrschaft fest, da die menschlichen Begierden nach kurzer Zeit zu einem Verfall des Systems führen (vgl. Plat. Lg. 690d–691a; 875a–d). Deshalb waren die früheren Könige wie Kronos die Unsterblichen, die in ihrem Sinn die Gerechtigkeit hatten, während sterbliche Könige nur nach eigenen Interessen handeln (ebd. 713b-714a). Zur Königsherrschaft und Demokratie vgl. Plat. Plt. 258e–267a; Rep. 474c; 499a–502a; 560a–576e; Lg. 710d–712c; 714a–b. Hp. Aph. 2,10. Olympiodor wiederholt dieses Zitat in diesem Kommentar (226,7–9) und in anderen Werken (Olymp. Proll. in Cat. 10,7–8; in Grg. 40.6,23–24). Auch andere Exegeten beziehen sich auf dieses Zitat (vgl. Simp. in Epict. 7,122–123; Elias in Cat. 117,29–30). Siehe dazu 141,4. Vgl. Plat. Alc. 118b8–c2, siehe 134,18. Die folgende Bemerkung, dass Sokrates deswegen zum Tode verurteilt wurde, weil er die Mehrheit verschmäht hat, ist im Lichte der Darstellung zu Beginn des Kommentars (vgl. 22,16 und Anm. 223) bemerkenswert, wo Olympiodor erklärt, dass Sokrates wegen des Vorwurfs verurteilt wurde, er habe der Jugend Daimones als Götter vorgestellt. Vgl. Plat. Alc. 118c3–5: Λέγεταί γέ τοι, ὦ Σώκρατες, οὐκ ἀπὸ τοῦ αὐτομάτου σοφὸς γεγονέναι, ἀλλὰ πολλοῖς καὶ σοφοῖς συγγεγονέναι, καὶ Πυθοκλείδῃ καὶ Ἀναξαγόρᾳ· „Tatsächlich sagt man von ihm, Sokrates, dass er nicht von selbst ein wissender Mann geworden sei, sondern dass er zu vielen wissenden Männern freundschaftliche Beziehungen gepflegt habe, darunter Pythokleides und Anaxagoras.“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 118c3–5. Vgl. Anaxagoras Fr. B12 DK. Zur Freundschaft zwischen Perikles und Anaxagoras vgl. Plu. Per. 4,4; 6,1–2; 8,1. Die Darstellung der Ansichten von Anaxagoras über die Vernunft wird in verschiedenen philosophischen Schriften überliefert (vgl. Plat. Phd. 97b–99d; Arist. Metaph. 984b15–20; 985a17–22). Diese Stelle verweist auf die ontologische Reihenfolge der Vernunft, die ‚über‘ den Lebewesen steht und herrscht, da sie sich ‚nach‘ ihr befinden. Zu den drei Hypostasen bei Plotin (das Eine, die Vernunft und die Seele) siehe Plot.V.1. Proklos unterscheidet zwischen den vollständigen Hypostasen und ihren „Ausstrahlungen“ (vgl. Procl. Inst. 64). Ausgehend von dieser Unterscheidung zwischen den vollkommenen und unvollkommenen Hypostasen, bezeichnet Olympiodor Vernunft, Gott und Seele als die prinzipiellen Hypostasen (siehe 103,10). Vgl. Hom. Od. 3,265–272. Plat. Alc. 118c5–6: καὶ νῦν ἔτι τηλικοῦτος ὢν Δάμωνι σύνεστιν αὐτοῦ τούτου ἕνεκα. „Und auch jetzt, wo er doch schon betagt ist, unterhält er noch eine freundschaftliche Beziehung zu Damon zu ebendiesem Zweck.“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 136,2–3. Vgl. Hom. Il. XXII, 60; Od. 15,246. In der Überlieferung wird Damon als Perikles’ Musiklehrer genannt (vgl. Plu. Per. 4,1). Zu Damon siehe Anm. 33. Platon erwähnt Damon als seinen Lehrer (vgl. Plat. Rep. 400b–c; 424c), worauf sich Olympiodor am Anfang des Kommentars im Platons Leben bezieht (vgl. 2,43–44; Anm. 33). Plat. Alc. 118c7–10: Τί οὖν; ἤδη τιν’ εἶδες σοφὸν ὁτιοῦν ἀδυνατοῦντα ποιῆσαι ἄλλον σοφὸν ἅπερ αὐτός; ὥσπερ ὅς σε ἐδίδαξεν γράμματα, αὐτός τ’ἦν σοφὸς καὶ σὲ ἐποίησε τῶν τε ἄλλων ὅντιν’ ἐβούλετο· ἦ γάρ; „Wie nun? Hast du schon einmal gesehen, dass jemand, der auf einem bestimmten Gebiet wissend war, nicht in der Lage war, einen anderen auf dem Gebiet wissend

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D. Anmerkungen zu machen, auf dem er selbst war? So wie der, der dich Lesen und Schreiben gelehrt hat, auf diesem Gebiet selbst wissend war und dich und, wen er sonst noch wollte, wissend gemacht hat. Ist es nicht so?“ (Übers. Döring 2016). Diese drei Kriterien für einen weisen Menschen behandelt Olympiodor auch im Kommentar zum Gorgias (vgl. Olymp. in Grg. 3,10). Vgl. Plat. Alc. 109d. Vgl. Plat. Alc. 111a–112d. Plat. Alc. 118d6–8: Καλὸν γὰρ δήπου τεκμήριον τοῦτο τῶν ἐπισταμένων ὁτιοῦν ὅτι ἐπίστανται, ἐπειδὰν καὶ ἄλλον οἷοί τ’ὦσιν ἀποδεῖξαι ἐπιστάμενον. „Denn dies ist offenkundig ein schöner Beweis dafür, dass diejenigen, die auf einem bestimmten Gebiet über Sachverstand verfügen, diesen Sachverstand tatsächlich besitzen, wenn sie auch einen anderen sachverständig zu machen versuchen.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 118d10–11: Τί οὖν; ἔχεις εἰπεῖν Περικλῆς τίνα ἐποίησεν σοφόν, ἀπὸ τῶν ὑέων ἀρξάμενος; „Wie nun? Kannst du mir, beginnend mit seinen Söhnen, sagen, wen Perikles wissend gemacht hat?“ (Übers. Döring 2016). Der Gegensatz zwischen Perikles und seinen Söhnen, die als durchschnittliche Menschen bezeichnet werden, wird auch bei anderen Autoren thematisiert (vgl. Plu. Per. 36,1–3). An dieser Stelle begründet Alkibiades seine Unwissenheit mit seiner Trägheit, daher kann der Satz mit ‚bin ich nicht weise geworden‘ ergänzt werden. Vgl. Hom. Od. 4,371: νήπιός εἰς, ὦ ξεῖνε, λίην τόσον ἠδὲ χαλίφρων: „Bist du gar so kindisch, Fremder, oder schlaffen Sinnes?“ (Übers. Schadewaldt 1958). An dieser Stelle erzählt Menelaos Telemachos über seine Irrfahrt nach Ägypten. Mit diesen und folgenden Sätzen spricht ihn Eidothea, die Tochter des Proteus, an. Hom. Od. 4,372 (Übers. Schadewaldt 1958). Die an dieser Stelle geschilderte Situation, dass Odysseus die Schmerzen erfreut (τέρπεαι), sieht Olympiodor ähnlich zur Bezeichnung des „angenehmen Übels“ (τερπνὸν κακόν) bei dem Zitat von Euripides im Folgenden. Vgl. Eur. Hipp. 384: μακραί τε λέσχαι καὶ σχολή, τερπνὸν κακόν: „Und schlimmste Übel sind: Das ach, so allbeliebte müßige Geschwätz“ (Übers. Buschor 1972). Vgl. Plat. Alc. 119a1–6: Ἀλλὰ τῶν ἄλλων Ἀθηναίων ἢ τῶν ξένων δοῦλον ἢ ἐλεύθερον εἰπὲ ὅστις αἰτίαν ἔχει διὰ τὴν Περικλέους συνουσίαν σοφώτερος γεγονέναι, ὥσπερ ἐγὼ ἔχω σοι εἰπεῖν διὰ τὴν Ζήνωνος Πυθόδωρον τὸν Ἰσολόχου καὶ Καλλίαν τὸν Καλλιάδου, ὧν ἑκάτερος Ζήνωνι ἑκατὸν μνᾶς τελέσας σοφός τε καὶ ἐλλόγιμος γέγονεν. „Dann nenn mir doch bitte von den anderen Athenern oder den Fremden einen Sklaven oder einen Freien, von dem man sagt, er sei durch den persönlichen Umgang mit Perikles wissender geworden, so wie ich dir Pythodoros, den Sohn des Isolochos, und Kallias, den Sohn des Kalliades, als solche nennen kann, bei denen dies durch den persönlichen Umgang mit Zenon geschah; beide zahlten Zenon 100 Minen und wurden wissend und namhaft.“ (Übers. Döring 2016). Ein erneuter Hinweis auf Timon, nachdem er in Platons Leben erwähnt wurde, der anscheinend eine bekannte Figur in der alexandrinischen Philosophenschule war (vgl. 2,147 und Anm. 63). Plat. Alc. 119a1–6, siehe Anm. 1176. Kallias, der Sohn des Hipponikos, lebte im 5. Jh. v. Chr. in Athen. Als Staatsmann nahm er an der Schlacht von Marathon teil und wirkte als Gesandter bei dem sogenannten „KalliasFrieden“ mit Sparta. Er wird als der reichste Mann Athens seiner Zeit dargestellt und deshalb in der Komödie verspottet; vgl. hierzu Will 1999. Der Sohn von Kallias hieß Hipponikos und dessen Sohn wiederum Kallias. Dieser Kallias war 450 v. Chr. geboren; seine Mutter war mit Perikles und seine Schwester mit Alkibiades verheiratet. Auch dieser Kallias wurde in der Komödie von Eupolis verspottet (vgl. Kallias [5] bei Will 1999). Kallias, der Sohn des

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Hipponikos, wird in anderen platonischen Dialogen als Gastgeber der Sophisten genannt (vgl. Plat. Prt. 314e; Tht. 165a). Kallias, der Sohn des Kalliades, war ein athenischer Politiker des 5. Jh. v. Chr. Seine Politik zielte auf die Verstärkung Athens gegen Sparta; vgl. dazu Meier 1999. Platon erwähnt Kallias als einen Schüler des Zenon (Plat. Alc. 119a). Plat. Alc. 119a1–6, siehe dazu Anm. 1176. Platon stellt Zenon von Elea als der Schüler des Parmenides vor, der mit einer Schrift seinen Lehrer verteidigt und damit berühmt wurde. Im Dialog prüft er die Richtigkeit der eleatischen Lehre, indem er die gegenteilige Auffassung vertritt und versucht, diese zu widerlegen (vgl. Plat. Prm. 126e–128e). Dementsprechend wird Zenon auch von Proklos im Kommentar zu Parmenides erwähnt (vgl. Procl. in Prm. 619,4–6: ἀφίκοντο Παρμενίδης καὶ Ζήνων Ἀθήναζε, διδάσκαλος μὲν ὁ Παρμενίδης ὤν, μαθητὴς δὲ ὁ Ζήνων, Ἐλεάται δὲ ἄμφω, „Parmenides und Zenon kamen nach Athen; Parmenides war der Lehrer, Zenon war der Schüler, beide Eleaten“). Bei Proklos finden sich zahlreiche Hinweise auf Zenon, bei Damaskios hingegen nicht. Dennoch scheinen Zenon und seine Lehren in der Spätantike weithin bekannt gewesen zu sein, auch aufgrund der umfangreichen Kommentare von Proklos zu Parmenides. Olympiodor thematisiert die Einnahmen der Philosophenschule und erwähnt Zenon in diesem Rahmen auch in anderen Kommentaren (vgl. Olymp. in Phd. 7.5,4–10: ὁ δέ γε φιλόσοφος Ἀμμώνιός φησιν ὅτι ἐπειδὴ σκοπὸς αὐτῷ διακρῖναι οὐ φιλόσοφον ἀπὸ μὴ φιλοσόφου, ἀλλὰ ἀπὸ προσποιουμένου εἶναι φιλοσόφου, ὁ δὲ τοιοῦτος κἂν φιλήδονος ᾖ συγκρύψει μὲν τὰς ἡδονὰς καὶ προσποιήσεται σωφρονεῖν, τὸ δὲ φιλοχρήματον οὐ συγκρύψει ἴσως οὐδὲ τὸ φιλότιμον, ἀλλὰ προφασίσοιτο εὐλόγους τινὰς αἰτίας, καθάπερ καὶ Ζήνων ἔλεγεν λαμβάνειν ἐκ τῶν μαθητῶν ἢ ἐθίζων αὐτοὺς καταφρονεῖν μισθοῦ ἢ διὰ τὸ μεταδιδόναι τοῖς ἀπορωτέροις· „According to the philosopher Ammonius, however, the reason is that he does not intend to distinguish the philosopher from the non-philosopher, but from the pretended philosopher, who, even if he loves pleasure, will try to conceal his pleasures and feign temperance, whereas he will probably not conceal his greed for money or his ambition, but use certain plausible pretexts, as Zeno did when he said he took fees from his students either to teach them contempt of money or to dispense it to their poorer fellow-students“ (Übers. Westerink 1976). Aus dieser Darstellung wird deutlich, dass Olympiodor im Phaidon-Kommentar die Tatsache der Zahlung Zenons keineswegs positiv bewertet, sondern sie als Zeichen der Habgier ansieht. Bemerkenswert ist hingegen der Kontext im Alkibiades-Kommentar, da Olympiodor im Folgenden die Geschichte über Zenons Standhaftigkeit gegenüber dem Tyrannen erwähnt. Im PhaidonKommentar findet sich dagegen nur die Bemerkung über Zenons Lehre, dass er seine Schüler zur Nachahmung anregte. Diese Bezeichnung für Zenon wird von verschiedenen Neuplatonikern erwähnt (Simp. in Ph. 139,4: Elias in Cat. 109,7–10). Wie Simplikios erläutert, wurde Zenon deshalb als zweizüngig benannt, da er zu jedem Thema zwei gegensätzliche Argumente vertreten könnte: Simp. in Ph. 139,3–4: καὶ εἰκὸς μὲν ἦν τὸν Ζήνωνα ὡς ἐφ’ ἑκάτερα γυμναστικῶς ἐπιχειροῦντα (διὸ καὶ ‘ἀμφοτερόγλωσσος’ λέγεται). Im Gegensatz dazu sagt Olympiodor im Folgenden, dass dies nicht der Grund für seinen Beinamen ist, sondern er diese Bezeichnung trägt, weil er sich verstellt. Diogenes Laertios berichtet über diese Anekdote zwischen Zenon und dem Tyrannen Nearchos. Als Zenon vorgeworfen wurde, den Umsturz der Tyrannis zu planen, wurde er festgenommen. Bei seinem Verhör hat er laut Diogenes diese Antwort gegeben und deshalb wurde er getötet (vgl. D. L. IX.5,26). Durch dieses Verhalten wird Zenon als Vorbild für die Standhaftigkeit des Philosophen dargestellt, die angesichts der politischen Tugend im Alkibiades-Kommentar eine besondere Bedeutung erhält.

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D. Anmerkungen Nach der platonischen Philosophie besteht die Aufgabe eines Philosophen darin, dass er aus seinen Schülern zu guten Menschen macht. Wenn ein Philosoph Geld verlangt hätte, würde er seine Schüler nicht nach Geeignetheit, sondern nach Reichtum auswählen (vgl. Plat. Ap. 33a3–33b9; siehe Schriefl 2013, S. 31–35). An dieser Stelle macht Olympiodor eine Andeutung darauf, obwohl der Philosoph keine Zahlung für seine Lehre fordert, seine Schüler ihn trotzdem aus Dankbarkeit finanziell unterstützen könnten. Diese Andeutung mag nach Tarrant (1998, S. 17) daran liegen, dass Olympiodor die finanzielle Unterstützung der Schüler gebraucht hat. Auf der anderen Seite wird über die Philosophenschule in Alexandria berichtet, dass diese öffentlich finanziert wurde. Es ist dennoch naheliegend, dass die Philosophen im spätantiken Alexandria nicht in der Lage waren, finanziell genauso unabhängig zu sein wie Sokrates und Platon. In dieser Aussage erkennt Tarrant also den Gedankengang an, dass Olympiodor keine Einwände gegen Geschenke von wohlhabenden Studenten hat. Andererseits kann sich der Ausdruck „von den Schülern nicht ungerecht behandelt werden“ auch auf das allgemeine Verhalten der Schüler und insbesondere auf ihre Rolle angesichts der politischen Spannungen zwischen dem Philosophen und dem Staat beziehen. Dieser Hinweis auf die Beschlagnahmen ist bei den Untersuchungen zu der philosophischen Bildung in der Spätantike öfter thematisiert worden (siehe Westerink 1990, S. 329; Wildberg 2005, S. 332–334). Olympiodors Aussage deutet darauf, dass das Anwesen (τὰ διαδοχικά, wörtlich „Nachfolgerlohn“) der Philosophenschule in Athen zur Zeit der Verfassung dieses Kommentars in der Mitte des 6. Jh. immer noch existierte. Ausgehend von ähnlichen Zeugnissen zieht Cameron (1969) den Schluss, dass die athenische Philosophenschule nicht geschlossen sei, sondern ihre führende Rolle als Bildungsinstitution verloren habe. Dies begründet er u. a. mit der Subjektivität einiger Philosophen, die von der ‚Schließung der athenischen Akademie‘ berichten (wie Damaskios, Vita Isidori). Olympiodor bezeichnet den widerlegenden Teil des Dialogs zwischen 7. und 15. Unterricht (62,17–141,4) als den ersten Abschnitt. Zu dieser Gliederung siehe Kapitel B. I. 2. DieAbschnitte des Dialogs, vgl. Procl. in Alc. 13,16–14,23. Die drei Abschnitte des Dialogs bezeichnen nach Olympiodor den Hauptteil der Argumentation. Der erste Abschnitt ist der Teil, wo die Widerlegung des Alkibiades behandelt wird (Unterricht 7–15; Plat. Alc. 106c–119a). An dieser Stelle beginnt der zweite Abschnitt, der die Ermunterung des Alkibiades darstellt, damit er aufgrund seiner Unwissenheit nicht auf die Suche nach Erkenntnis verzichtet (Unterricht 16–18; Plat. Alc. 119a–124a). Darauf folgt im dritten Abschnitt die philosophische Geburtshilfe (oder ‚Mäeutik‘, Unterricht 19–25; Plat. Alc. 124a–135d). Vgl. Plat. Alc. 119a8–9: Εἶεν· τί οὖν διανοῇ περὶ σαυτοῦ; πότερον ἐᾶν ὡς νῦν ἔχεις, ἢ ἐπιμέλειάν τινα ποιεῖσθαι; „Sei’s drum. Was hast du nun mit dir selbst im Sinn? Es bei dem Zustand zu belassen, in dem du dich jetzt befindest, oder dich in irgendeiner Weise zu bemühen?“ (Übers. Döring 2016). Zum Begriff des Erkennenden und des Lebenskräftigen siehe 132,1–5. Diesen Unterschied erörtert Olympiodor auch im Rahmen der kognitiven Eigenschaften, dass eine Art von Bewusstsein ‚erkennend‘ und eine andere ‚strebend‘ (ὀρεκτικός) ist (siehe dazu 23,15–17). Vgl. Plat. Alc. 117d–118a, siehe dazu 124,5–125,5; 132,5–10. Das Verb ἐπιγράφω kann in diesem Satz auf zwei verschiedene Weisen interpretiert werden. Einerseits ist es möglich, dieses Wort im juristischen Kontext aufzufassen: Demnach wird ἐπιγράφω auch für die Festlegung der Strafen (wörtlich „eintragen“) verwendet (vgl. Isoc. 16,47: τιμημάτων ἐπιγεγραμμένων). Eine andere Lösung ist die Übersetzung mit „betiteln“. In diesem Fall beziehen sich ἐπιγραφομένῳ ἐλεγκτικῷ auf ἐν τῷ πρώτῳ τμήματι (im ersten Abschnitt) am Anfang des Satzes. Ausgehend von der grammatikalischen Struktur ist diese Interpretation naheliegender.

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Dies scheint eine weitgehend lose Paraphrase des Dialogs zu sein, wahrscheinlich aus dem Abschnitt zwischen 119c–120d; oder auch 127d9–e2 (Ἀλλὰ χρὴ θαρρεῖν. εἰ μὲν γὰρ αὐτὸ ᾔσθου πεπονθὼς πεντηκονταετής, χαλεπὸν ἂν ἦν σοι ἐπιμεληθῆναι σαυτοῦ·). Für diese Übersetzung von ἡγεμονικόν siehe Schmidt-Wiborg (2002a). Bei Platon bezeichnet das Anführende die Vernunft in der Seele, die durch erkennende Tätigkeit die Seele in die intelligible Ebene führt (vgl. Plat. Prt. 352b, Phdr. 246e). Bei den Stoikern steht dieser Begriff für das herrschende Prinzip des Kosmos und des menschlichen Wesens (vgl. D. L. VII,139; SVF 2,823–33). Wie Olympiodor im Folgenden zeigt, wird dieses Prinzip von den Platonikern mit der Vernunft identifiziert. Olympiodor paraphrasiert diesen Abschnitt des Dialogs zusammenfassend und verknüpft ihn mit einer späteren Stelle, an der Platon die Aussage der „Sorge um sich“ (ἐπιμέλεια ἑαυτοῦ) verwendet (Plat. Alc. 129a9: ἐπιμέλειαν ἡμῶν αὐτῶν). Das Konzept ἐπιμέλεια hat Bedeutungen wie ‚Bemühung‘, ‚Sorge‘, ‚Pflege‘ und ‚Kultivierung‘. Im Sinne von einer ‚Sorge um sich selbst‘ wurde, wie Schmid (1995) erklärt, zuerst zu Sokrates’ Zeit verwendet. Die platonische Philosophie behandelt dieses Konzept einerseits als Sorge für das soziale Umfeld im ethischen und politischen Sinne, andererseits als Bemühung um sich selbst als reflexive Tätigkeit der Seele, die zur Selbsterkenntnis führt. Im Alkibiades thematisiert Platon diese beiden Bedeutungen und begründet die Tätigkeit eines Politikers als die Sorge um die Polis ausgehend von der Sorge um sich selbst. Dieser Abschnitt, der ‚Ermunterung‘ genannt wird, umfasst die Stelle des Alkibiades von 119a bis 124a. Olympiodor bezeichnet den letzten Abschnitt des Dialogs als die Geburtshilfe (Plat. Alc. 124a–135d). Vgl. Plat. Alc. 129e–130c. Für die Definition des politischen Menschen siehe 2,154–155 und Anm. 64. An dieser Stelle erwähnt Olympiodor drei Schritte der Tugend, die eine stufenweise Befreiung von dem Körper darstellen. Im vorliegenden Kommentar werden insbesondere die politische, kathartische und theoretische Tugendstufen hervorgehoben und an mehreren Stellen behandelt (siehe 4,20; 5,7). Zur Übersicht der Tugendstufen siehe Kapitel B. II.2.1. Die Tugendgraden bei Olympiodor; vgl. Procl. in Rep. I.208,5–10; Dam. in Phd. I,138–151; Olymp. in Phd. 8.2,2. Hier liegt ebenfalls eine zusammenfassende Paraphrase vor (vgl. Plat. Alc. 119b). Zur Tugend an sich und Tugend im Verhältnis vgl. Arist. EN 1140b5–20. Zum Begriff ὁ σπουδαῖος siehe 38,15 und Anm. 373. Zum indirekten Einwand siehe 106,7–10 und Anm. 910. Olympiodor wiederholt diesen Spruch im Kommentar mehrmals (siehe 12,2; 155,10; 168,16). Obwohl dieser Satz nicht im Alkibiades geäußert wird, ist er wahrscheinlich eine Paraphrase aus Plat. Alc. 124b: ὧν ἄλλῳ μὲν οὐδ’ ἂν ἑνὶ περιγενοίμεθα, εἰ μή περ ἐπιμελείᾳ γε ἂν καὶ τέχνῃ. Zum direkten und indirekten Einwand siehe Anm. 910. Dieser Satz wird auch als ein Fragment aus dem Protreptikos des Aristoteles betrachtet (siehe Arist. Fr. 1.6.51,15–17 nach Rose 1886; vgl. Arist. Protr. 8,5–7; 41,5–8) und wird auch bei anderen alexandrinischen Platonikern zitiert (vgl. David Proll. 9,2–5; Elias in Porph. 3,19–20). Platon stellt Protagoras mit der These dar, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist und deshalb die Aussagen von Protagoras keine absolute Richtigkeit aufweisen können (vgl. Plat. Tht. 170e–171c). Bei den spätantiken Platonikern wird Protagoras deshalb überspitzt als Lügner dargestellt (vgl. Olymp. Proll. 4,9–15; Elias in Cat. 110,7–8; 204,35). Aristoteles behandelt den philosophischen Diskurs über das Urprinzip (ἀρχή), dennoch stellt er nicht die Vernunft (Nous) als das Urprinzip fest (vgl. Arist. Metaph. 1074b–1076a).

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D. Anmerkungen Hier findet sich wahrscheinlich eine Andeutung auf die Darstellung der Lüge zum guten Zweck in der platonischen Politeia (vgl. Plat. Rep. 414e–415c). Die platonische Philosophie vertritt die Ansicht, dass die Auffassung des Guten und Schlechten auf der menschlichen und göttlichen Ebene unterschiedlich ist. Demnach können die Menschen etwas als schlecht wahrnehmen, was in Betracht der göttlichen Erkenntnis gut ist (vgl. Plot. III.2.5,1–25; Procl. Theol. Plat. I.48–49; 20–25; Olymp. in Phd. 30,3). Plat. Alc. 124a9–b1. Die Anrede μακάριε wird öfter mit „mein Bester“ übersetzt (vgl. die Übersetzung von Döring 2016). Olympiodor erklärt diese Anrede durch den wörtlichen Sinn des Adjektivs μακάριος (selig, glücklich), siehe dazu 125,19–22 und 171,6–10. Olympiodor bezeichnet das Erkennende und das Lebenskräftige als zwei Teile der Seele, siehe dazu 132,1–7. Hp. Aph. II,38. Olympiodor führt dieses Zitat aus den hippokratischen Schriften an mehreren Stellen an (siehe 55,3: 6,5–7,8; 54,15–55,14). Zum Begriff des Anführenden (ἡγεμονικόν) siehe oben Anm. 1194. Das Anführende (ἡγεμονικόν), das Olympiodor an dieser Stelle auf die Bildung von Alkibiades bezieht, wird nicht im Alkibiades, sondern in anderen platonischen Dialogen behandelt (vgl. Plat. Phdr. 252e; Prt. 352b). Zu der aristotelischen Katharsis siehe 54,15–23. Zu möglichen Grundlagen für Olympiodors Darstellung vgl. Arist. Pol. 1342a1–1342b30. Später im Dialog räumt Alkibiades ein, dass ein guter Politiker in der Lage sein soll, dieTugend zu erkennen und diese seinen Bürgern beizubringen (vgl. Plat. Alc. 134b–c). Zu diesem Aspekt der sokratischen Katharsis siehe 7,7–8; 55,5–10 und Kapitel B. II. 2.3.2 Die sokratische Katharsis. Siehe dazu 42,10–13; vgl. Hom. Il. VI,138; Od. 4,805. Siehe dazu 132,1–7 und 145,18–20. Vgl. Hom. Il. X,43 (Übers. Schadewaldt 1975). Vgl. Plat. Alc. 119b5–7: Εἰ μέν που ἦσαν πεπαιδευμένοι, ἔδει ἂν τὸν ἐπιχειροῦντα αὐτοῖς ἀνταγωνίζεσθαι μαθόντα καὶ ἀσκήσαντα ἰέναι ὡς ἐπ’ ἀθλητάς· „Hätten sie eine Ausbildung, dann dürfte jeder, der sich daran machte, mit ihnen zu konkurrieren, wie gegen Sportler erst dann gegen sie antreten, wenn er sich zuvor Kenntnisse angeeignet und trainiert hat.“ (Übers. Döring 2016). Zum Unterschied zwischen Lernen und Einüben in Bezug auf die Vernunft der Wesen, die das Wissen erwerben wollen, siehe 169,13–16; 217,2–3; vgl. Procl. in Alc. Fr. 9. Vgl. Plat. Alc. 119b7–9: νῦν δ’ἐπειδὴ καὶ οὗτοι ἰδιωτικῶς ἔχοντες ἐληλύθασιν ἐπὶ τὰ τῆς πόλεως, τί δεῖ ἀσκεῖν καὶ μανθάνοντα πράγματα ἔχειν; „Da diese nun aber auch ihrerseits als Laien in die Politik eingetreten sind, warum soll man da trainieren und sich damit abmühen, Kenntnisse zu erwerben?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 119c2–3: Βαβαῖ, οἷον, ὦ ἄριστε, τοῦτ’ εἴρηκας· ὡς ἀνάξιον τῆς ἰδέας καὶ τῶν ἄλλων τῶν σοι ὑπαρχόντων. „Oje, mein Bester, was hast du da nur gesagt; wie unwürdig ist dies deines schönen Aussehens und deiner sonstigen Vorzüge.“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 119c5. Vgl. Hom. Il. IV,350: Ἀτρεΐδη ποῖόν σε ἔπος φύγεν ἕρκος ὀδόντων; „Atreus-Sohn! was für ein Wort entfloh dem Gehege deiner Zähne?“ (Übers. Schadewaldt 1975). Hom. Od. 14,466; Übers. Schadewaldt 1958. Vgl. Hom. Il. III,44–45: φάντες ἀριστῆα πρόμον ἔμμεναι, οὕνεκα καλὸν / εἶδος ἔπ’, ἀλλ’ οὐκ ἔστι βίη φρεσὶν οὐδέ τις ἀλκή. „Die meinten, dass du der beste Vorkämpfer seist, weil du ein schönes / Aussehen hast! Doch nicht ist Kraft im Innern und nichts von Stärke!“ (Übers. Schadewaldt 1975). Plat. Alc. 119d3; Übers. Döring 2016.

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Olympiodor paraphrasiert diese Aussage zusammenfassend aus dem vorliegenden Unterricht (vgl. Plat. Alc. 119d4–5). An vorherigen Stellen des Kommentars wurde der Bezug zwischen Schiffbaukunst und Politik sowie spezifisch die Triere als Kriegsschiff behandelt (siehe 65,1–5; 71,1–5). Olympiodor wiederholt in diesem Unterricht das Gleichnis vom Kampf gegen Wind und Wellen (siehe oben 143,11–15). Vgl. Plat. Alc. 119d4. Vgl. Plat. Alc. 119e5–8: Πάνυ σοι ἄρα ἄξιον ἀγαπᾶν εἰ τῶν στρατιωτῶν βελτίων εἶ, ἀλλ’οὐ πρὸς τοὺς τῶν ἀντιπάλων ἡγεμόνας ἀποβλέπειν εἴ ποτε ἐκείνων βελτίων γέγονας, σκοποῦντα καὶ ἀσκοῦντα πρὸς ἐκείνους. „Es ist deiner also in höchstem Maße würdig, zufrieden damit zu sein, wenn du besser bist als die einfachen Soldaten, nicht aber darauf zu blicken, ob du dich irgendwann einmal als besser erwiesen hast als die Anführer unserer Gegner, und deine Überlegungen und dein Training auf sie auszurichten!“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 120a10–b1: Οὔκ, ὠγαθέ, ἀλλὰ πρὸς Μειδίαν σε δεῖ τὸν ὀρτυγοκόπον ἀποβλέπειν καὶ ἄλλους τοιούτους „Nein doch, mein Guter, sondern du musst deinen Blick auf Meidias, den Wachtelzüchter, und andere Leute seiner Art richten“ (Übers. Döring 2016). Meidias, den Platon als Wachtelzüchter bezeichnet, war ein athenischer Redner und ein Zeitgenosse von Platon. Auch bei anderen Quellen zwischen 420 und 400 v. Chr. wird er unter anderem wegen seiner Wachtelzucht verspottet; vgl. dazu Schmitz 1999. Nach Patzer (1985, S. 49) stammt unser Wissen über Meidias wesentlich aus der Attischen Komödie. Darin wird Meidias als eine Art „Möchtegern-Demagoge“ charakterisiert. Einigen Texten zufolge war er auch Barbier (ebd. S. 48–49, basierend auf Plu. Moralia l86f-187a). Meidias war offenbar für die Zucht der Kampftiere zuständig, weshalb er u. a. bei Aristophanes (Av. 1297) als „Wachtelzüchter“ erwähnt wird (Patzer, S. 50). Vgl. Plu. Alc. 10,1. In den platonischen Dialogen wird der Gebrauch der Vögel im Rahmen öffentlicher Reden erwähnt (vgl. Plat. Ly. 211e; Lg. 789b–d). Vgl. Dem. 21. Meidias war ein athenischer Redner und lebte zur gleichen Zeit wie Demosthenes (ca. 400–330 v. Chr.). Da er als ein Gegner des Demosthenes angesehen wurde, kam es der Überlieferung zufolge zu einer Ohrfeige zwischen zwei Rednern während der Dionysien von 349/8 v. Chr. Demosthenes schreibt in seiner nicht zugelassenen Gerichtsrede über die Ohrfeige, wobei der Streit mit einem außergerichtlichen Vergleich endete; vgl. hierzu Engels 1999. Meidias der Wachtelzüchter wurde offenbar früher geboren als Meidias der Redner, wenn er ein Zeitgenosse von Platon war. Vgl. Plat. Alc. 120b1–5: οἳ τὰ τῆς πόλεως πράττειν ἐπιχειροῦσιν, ἔτι τὴν ἀνδραποδώδη, φαῖεν ἂν αἱ γυναῖκες, τρίχα ἔχοντες ἐν τῇ ψυχῇ ὑπ’ἀμουσίας καὶ οὔπω ἀποβεβληκότες, ἔτι δὲ βαρβαρίζοντες ἐληλύθασι κολακεύσοντες τὴν πόλιν ἀλλ’οὐκ ἄρξοντες. „Leute, die sich daranmachen, die Angelegenheiten der Polis in die Hand zu nehmen, obwohl sie in ihrer Seele wegen ihrer mangelhaften Bildung, wie die Frauen sagen würden, ‚die Haartracht der Sklaven haben‘ und sie nicht abgelegt haben, und die, obwohl sie wie Barbaren stammeln, hergekommen sind, um der Polis zu schmeicheln, nicht aber um sie zu regieren.“ (Übers. Döring 2016). Zum Ausdruck „Haartracht der Sklaven zu tragen“ und zu den Gründen, warum dieser Ausdruck gerade von Frauen verwendet wurde, siehe Döring 2016, S. 98–99. Olympiodor erklärt an dieser Stelle das Adjektiv ἀνδραποδώδης, das mit ‚sklaveneigen‘ übersetzt wurde, mit dem Adjektiv δουλικός, das mit „sklavisch“ wiedergegeben wird. Der Unterschied zwischen diesen beiden Adjektiven beruht darauf, dass sie die verschiedenen Kategorien der Sklaven verdeutlichen. Während ἀνδράποδον allgemein einen Sklaven oder einen Kriegsgefangenen bezeichnet, der als Sklave verkauft wird, deutet δοῦλος auf einen in Sklaverei geborenen Menschen.

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D. Anmerkungen Diese Namen weisen auf die Abstammung von Sklaven hin. Geta deutet auf eine Abstammung von den Geten in Thrakien; Daos auf die Dahae, die ein persischer Stamm waren; und Phyrix auf Phrygien. Olympiodor bezieht sich an dieser Stelle wahrscheinlich auf die gesellschaftlichen Änderungen im spätantiken Alexandria, da er den Satz mit ‚jetzt, gegenwärtig, heutzutage‘ (νῦν) beginnt und einen Hinweis auf seine aktuelle Gesellschaft gibt. Damit deutet Olympiodor darauf, dass die Sklaven in seiner Zeit auch Namen wie die freien Menschen tragen können und wahrscheinlich einen geänderten gesellschaftlichen Status haben. Zum Verhältnis der Sklaven und freien Menschen in der spätantiken Gesellschaft siehe Lenski 2017. Paraphrase Plat. Alc. 120b. Plat. Alc. 120b9–c1. Hom. Il. II,382 (Übers. Schadewaldt 1975). Dieser Spruch verbildlicht die Erkenntnis, die ausgehend von einer praktischen Erfahrung gewonnen wurde. Auf einer anderen Seite ist Pithos ein besonderes Vorratsgefäß, das darauf deutet, dass dieTöpferkunst direkt mit einem anspruchsvollen Gefäß beginnt. Im übertragenen Sinne sagt es aus, dass ein Thema mit dem schwersten Aspekt angefangen oder eine neugelernte Kunst zuerst bei einem anspruchsvollen Projekt ausprobiert wird. Dieser Spruch wird bei Platon überliefert (vgl. Plat. La. 187b; Grg. 514e). Vgl. dazu Plu. Paroem. 2,12; Simp. in Epict. 8,41–42; Olymp. in Grg. 40.6,27–28. Der Begriff σπουδή bezeichnet gleichzeitig Ernst, Eifer und Mühe, die zum Erreichen eines Ziels notwendig sind (zur Bedeutung als Tugend siehe Anm. 373). Vgl. Plat. Alc. 120c3–5: Ἀλλ’, ὦ Σώκρατες, δοκεῖς μέν μοι ἀληθῆ λέγειν, οἶμαι μέντοι τούς τε Λακεδαιμονίων στρατηγοὺς καὶ τὸν Περσῶν βασιλέα οὐδὲν διαφέρειν τῶν ἄλλων. „Schon gut, Sokrates, du scheinst mir ja recht zu haben. Ich meine aber, dass die Heerführer der Spartaner und der König der Perser sich von den anderen in keiner Weise unterscheiden.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 120c9–d2: Πρῶτον μὲν ποτέρως ἂν οἴει σαυτοῦ μᾶλλον ἐπιμεληθῆναι, φοβούμενός τε καὶ οἰόμενος δεινοὺς αὐτοὺς εἶναι, ἢ μή; „Zunächst einmal: Auf welche Weise meinst du, dich mehr um dich zu bemühen, wenn du diese Männer fürchtest und für gefährlich hältst, oder wenn du dies nicht tust?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 120d13–120e1. Zu ἐπιχείρημα als dialektischer Beweis oder erweiterte Argumentation siehe 3,4 und Anm. 77; vgl. 121,1. Porphyrios schreibt am Anfang der Isagoge, dass die Abstammung der Menschen entweder ausgehend von den Eltern oder von dem Geburtsort hergeleitet wird (vgl. Porph. Intr. 1,23–2,5). Während παιδεία die richtige Bildung je nach der philosophischen Auffassung bezeichnet, besteht προπαιδεία aus der Vorbereitung für diese Bildung. Aus der Sicht der Philosophie bezeichnet Platon die vorbereitende Phase für die Dialektik (vgl. Plat. Rep. 536d) ausgehend von den Zahlen durch Mathematik (525b–c), Geometrie (526c) und Astronomie (527d). Nach Platon steht die Dialektik über allen diesen Bereichen (534e). Die christlichen Exegeten betrachten hingegen, so Jaeger (1963, S. 46), die Philosophie als vorbereitende Bildung, wie bei Clemens von Alexandria. Olympiodor geht an dieser Stelle nicht weiter auf die Propaideia ein, sondern stellt nur fest, dass die Bildung diese beiden Phasen hat. Im Alkibiades wird erwähnt, dass die persischen und spartanischen Könige ihre Herkunft auf Zeus zurückführen (vgl. Plat. Alc. 121a). Die Geschichte von Andromeda wird in literarischen Werken unterschiedlich dargelegt. Aratos zufolge wurde sie nach ihrem Tod von Athene zusammen mit Perseus und ihren Eltern an den Himmel als Sternbild gesetzt (vgl. Arat. 187–204).

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In der griechischen Mythologie ist Achaimenes der Sohn von Andromeda und Perseus (Plat. Alc. 120e) oder er stammt von Perses, dem Sohn von Andromeda und Perseus; vgl. hierzu Kuhrt 1996. Daidalos ist eine mythologische Figur, die mit vielen Erfindungen assoziiert wird. Insbesondere wird er in Verbindung mit dem kretischen König Minos erwähnt (Apollod. III.15,8; Ov. met. VIII,183–187). Nach Diodor (D. S. 4,76) ist er der Erste gewesen, der Statuen mit offenen Augen und in schreitender Haltung geschaffen hat. Da er durch seine Intelligenz und Begabung passend für athenische Identität war, so Kearns/Neudecker (1997), erklärten Athener ihn für den Enkel des attischen Königs Erechteus und errichteten den einzigen Heroenkult in Attika. Platon erwähnt die Geschichte des Daidalos mehrmals (vgl. Plat. Euthphr. 11c–d; Men. 97d–e). Über Daidalos und seine Änderung bei den Füßen an den Statuen der Aphrodite schreibt auch Aristoteles (vgl. Arist. de An. 406b15–20; Pol. 1253b33–34). Paraphrase Plat. Alc. 122d. Da die Könige von der gleichen Abstammung sind, bleibt das Geschlecht persischer Könige ‚unverfälscht‘, während bei den Athenern keine derartige Folge der Archonten möglich ist. Alkibiades führt seine Abstammung auf Eurysakes und dadurch auf Zeus zurück (vgl. Plat. Alc. 121a). Der Vater von Eurysakes war Aias. An dieser Stelle erwähnt Olympiodor verschiedene Orte als Herkunft, indem er Aias als „aus Salamis“, seinen Großvater Aiakos dagegen „aus Ägina“ beschreibt. Nach der mythologischen Darstellung war Aiakos der König von Ägina. Dennoch wurde Telamon König auf Salamis, da er mit Glauke, der Tochter des salaminischen Königs Kechreus, heiratete (vgl. D. S. 4,72). Vgl. dazu Zimmermann 2002. Diese Aussage ist eine Paraphrase aus der Stelle des Dialogs, an der Sokrates die unterschiedliche Herkunft der Ahnen des Alkibiades erwähnt (vgl. Plat. Alc. 121b). Hieraus zieht Olympiodor den Schluss, dass Alkibiades nicht im richtigen Sinne Athener ist. Olympiodor kommentiert hier über die Aussage im Alkibiades, dass die persischen Frauen überwacht werden (vgl. Plat. Alc. 121b) und vergleicht es mit der Situation der athenischen Frauen. Dabei macht er ein Wortspiel mit Δίϊος (von Zeus) und μοιχίδιος (von Ehebruch). Das Wort μοιχίδιος scheint in den griechischen Texten selten belegt zu sein. Ein ähnliches Wortspiel befindet sich bei Lukian, in einem Gespräch zwischen Pan und Hermes, bei dem Pan Hermes als seinen Vater nennt, da er „durch Ehebruch entstanden“ sei (Μοιχίδιός εἰμι: Luc. DDeor. 2.1,5). Menander, CAF 343: Λακωνικὴ κλείς ἐστιν ὡς ἔοικέ μοι περιοιστέα. An dieser Stelle in Menanders Komödie Μισούμενος („Der Gehasste“) äußert der Protagonist Thrasonides, dass er einen „lakonischen Schlüssel“ haben sollte. Kraus (1971, S.6) zufolge sperrte man eine Haustür mit einem lakonischen Schlüssel von außen zu, um die Frauen davon abzuhalten, das Haus zu verlassen (vgl. Ar. Th. 423; Plaut. Most. 404–405). Olympiodors Zitat weicht von der Überlieferung des Textes ab und ändert die Bedeutung. Bei Menander soll der Mann den Schlüssel mit sich herumtragen, damit seine Frau die Tür von innen nicht öffnen kann. Olympiodors Aussage impliziert durch die Negation οὐ die Bedeutung, dass der Schlüssel nicht mit sich herumgetragen werden soll. Da dieses Zitat die Überwachung der lakedaimonischen Frauen unterstreichen soll, bedeutet es wahrscheinlich, dass der Schlüssel nicht überall mitgeführt werden sollte, damit er nicht verloren geht. Zum lakonischen Schlüssel siehe 166,6. Das ist die einfache Bedeutung vom Adjektiv χωλός, das im übertragenen Sinne auch mit „schwach, unvollkommen“ aufgefasst werden kann. Damit hängt die folgende Diskussion über den Sinn des Orakels zusammen. Xenophon überliefert diesen Orakelspruch und die Diskussion über den Sinn des Spruchs. Der Orakelspruch besagte, dass die Lakedaimonier verlieren werden, wenn sie einen „lahmen“ König haben. Ob „lahm“ hier tatsächlich im Sinne von „einem lahmen Fuß“ oder „lahm“ im Sinne von einer Abstammung bedeutet, geht daraus nicht eindeutig hervor (vgl. Xen. HG III.3,3).

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D. Anmerkungen Ausgehend von Herakles’ mythologischer Darstellung in Verbindung mit Argos und insgesamt mit Peloponnes haben die peloponnesischen Könige ihn als Begründer ihrer Dynastie betrachtet (vgl. Olymp. in Grg. 44.2,1–3). Das scheint der einzige Beleg des Adjektivs ἐπιμοιχίδιος (‚ehebrecherisch‘) in den überlieferten griechischen Texten zu sein (vgl. LSJ; TLG). Der Ausdruck κατόπιν ἔπραξαν lässt keine eindeutige Interpretation dieses Satzes zu. Das Adverb κατόπιν kann sowohl ‚nachher‘ als auch ‚fehlerhaft‘ bedeuten. In einem ähnlichen Zusammenhang verwendet Elias den Ausdruck κατόπιν ἔπραξε (Elias in Cat. 126,20) im Fall von einem Orakelspruch, der nicht eindeutig war und dessen Bedeutung Kroisos als Ergebnis nach seinem Feldzug erfahren musste. Aus diesem Hintergrund ergibt dieser Satzteil widersprüchliche Bedeutungen, wie ‚sie haben nach dem Orakel gehandelt‘ bzw. danach, wie sie das Orakel gedeutet haben, oder ‚gegen das Orakel gehandelt‘ bzw. darin verfehlt, entsprechend dem Orakel zu handeln. Siehe dazu unten 173,8–10. Leotychidas war von Agis II. erst kurz vor seinem Tode als Sohn anerkannt worden. Grund dafür waren Gerüchte darüber, dass seine Frau Timaea von Alkibiades entführt worden war. Aus diesem Grund konnte Leotychidas nicht Thronnachfolger werden, stattdessen wurde Agis’ Stiefbruder Agesilaos König. Siehe dazu Welwei (1999) mit dem Verweis auf Plu. Alc. 23,7–8; Xen. HG 3.3,1–3. Diese Bemerkung beruht auf dem Alkibiades, wo Platon wahrscheinlich auf die Strafen als Folge des Ehebruchs unter den Persern hinweist (Plat. Alc. 121a; vgl. Plu. Them. 26,3–4). Das erste von vier dialektischen Beweisen, die vorher erwähnt wurden (151,4–6). Vgl. Plat. Alc. 121c8–d2; siehe dazu 157,21. Vgl. Plat. Alc. 121d. Die Adlernase wurde in der Antike als ein Kriterium für einen guten Herrscher betrachtet. Die spätantiken Abbildungen der Kaiser weisen, wie Delbrueck (1933, S. 9–34) darstellt, insbesondere im Fall des konstantinischen Hauses eine charakteristische Adlernase auf. Vgl. Xen. Cyr. VII.1,4. Adler spielen eine bedeutende Rolle in der Mythologie des persischen Königshauses, da Aigeus, Vater des Achaimenes, mythologischer Darstellung zufolge von einem Adler ernährt worden war (Ael. NA 12,21). Daher ist der Adler Symbol des persischen Reichtums; vgl. dazu Kuhrt 1996. Eine mögliche Quelle über Kyros und Adlernase befindet sich bei Xenophon, der eine Anekdote zwischen Kyros und Chrysantas über die ideale Ehefrau darstellt (Xen. Cyr. VIII.4,21). Diese Anekdote wird auch bei Plutarch behandelt (vgl. Plu. Moralia 633b–c). Er verbindet eine krumme Gestalt mit der Eigenschaft der Könige (vgl. Plu. Moralia 172e) und schreibt diese Auffassung auch Platon zu (vgl. Plu. Moralia 56d). An dieser Stelle wird Alkibiades’ Erzieher mit dem Wort ὠνητός bezeichnet, das auf einen gekauften Diener hinweist. Dies zeigt, dass Alkibiades im Vergleich zu den besten persischen Eunuchen unterlegene Erzieher hatte. Vgl. dazu Plu. Alc. I,3. Für Lehrer wird hier das Wort παιδαγωγός (Knabenaufseher) benutzt. Meistens ist dieser ein Sklave, der dafür verantwortlich ist, die Kinder seines Herrn in die Schule zu begleiten. An dieser Stelle genannte Bereiche deuten jedoch auf ein breiteres Umfeld der Aufgaben, dadurch scheint die Übersetzung mit ‚Lehrer‘ geeigneter zu sein. Diese vier Tugenden (Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Besonnenheit) werden in der platonischen Philosophie als die zentralen Tugenden behandelt (vgl. Plat. La. 194d; Prt. 350d; Procl. in Rep. I,26). Vgl. Xen. Cyr. I.2,2–12. Vgl. Plat. Alc. 122b; Übers. Döring 2016. An dieser Stelle ist für die Übersetzung von παιδαγωγός ‚Knabenaufseher‘ passend, im Gegensatz dazu siehe Anm. 1276.

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Im Folgenden fasst Olympiodor die neuplatonische Theorie über die Tugendgrade zusammen. Diese fangen mit den natürlichen Tugenden, die die physischen Eigenschaften und das familiäre Umfeld umfassen und daher nicht mit der Lehre verbunden sind (siehe dazu 30,5–7; vgl. Plat. Plt. 306a–308b; Lg. 963c–e; Dam. in Phd. I,113–118; Elias in Porph. 19,30–35). Danach folgen die ethischen Tugenden, die durch die Erziehung vermittelte Verhaltensweisen beinhalten, wobei diese nicht tiefgründig untersucht, sondern nur aus Gewohnheit gelernt werden. Erst mit der politischen Tugend fängt der Mensch an, sich als die rationale Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, aufzufassen und die tugendhafte Verhaltensweise in der Polisgemeinschaft rational zu begründen. Diese ist die erste Stufe der philosophischen Tugenden, die nach Olympiodors Ansicht bei den Persern nicht gelehrt wurde. Stattdessen ordnet er ihre Tugenden der Ebene der ethischen Tugend zu. Olympiodor behandelt die Austauschbarkeit der Begriffe und der Tugenden an mehreren Stellen des Kommentars (siehe 104,26–105,2; 126,1–127,1; 214,10–215,2). Der Begriff der „ethischen Tugend“ wird von Aristoteles behandelt (vgl. Arist. EN 1103a14–32). Er definiert die ethischen Tugenden als solche, die durch Ausüben und Lernen gewonnen werden. Im Gegensatz zu den natürlichen Tugenden, wie Sinneswahrnehmungen, die die Menschen von Natur aus besitzen und erst danach betätigen, kommen die ethischen Tugenden nur durch Belehrung und Betätigung zustande. Obwohl dieser Aspekt die ethischen Tugenden ähnlich zu den politischen Tugenden macht, sind sie dennoch nach Olympiodor unterschiedlich. Während die politischen Tugenden eine Einheit bilden und miteinander in wechselseitiger Beziehung stehen, sind die ethischen Tugenden im Prinzip verschiedene Gewohnheiten. Unter ethischen Tugenden versteht Olympiodor solche wie Ernährung (siehe 161,5), wobei die politischen Tugenden solche wie Tapferkeit und Gerechtigkeit sind. Diese Aussage wird an mehreren Stellen des Kommentars wiederholt (siehe 12,2; 144,3; 168,16). Ob diese Aussage sich auf die Athener oder die Perser bezieht, ist unbestimmt. Wenn Sokrates im Folgenden Schwierigkeiten haben sollte, sie zu kritisieren, kann es sich vermutlich um die Athener handeln. Im Folgenden aber schreibt Olympiodor, dass Sokrates die persische Staatsverfassung auf diese Weise beschrieb. Zu Platons Kritik gegen die athenische Staatsverfassung siehe Lg. 697c–698a. Diese Geschichte erwähnt Olympiodor auch vorher (siehe 46,8–9 und Anm. 442). Die Verbindung des Dareios zur persischen Dynastie wird von Eder (2002) wie folgt erklärt: In einer Inschrift wird Teispes, der Bruder des Arsames und ein weiterer Sohn des Achaimenes, als Urgroßvater des Dareios genannt, um dessen Thronfolge zu legitimieren. Es folgt der Hinweis, dass Dareios von Verwandten in der Seitenlinie abstammt: Denn Kyros stammte von Teispes ab, während Dareios in Wirklichkeit von einem Bruder des Teispes abstammt (vgl. Hdt. VII.11,12). Hom. Il. V,631; Übers. Schadewaldt 1975. Vgl. Plat. Alc. 120d13–120e1, siehe dazu 150,18–19. Hom. Il. V,269; Übers. Schadewaldt 1975. Vgl. Plat. Alc. 120e6–8: Σκεψώμεθα δή, τοῖς ἐκείνων τὰ ἡμέτερα ἀντιτιθέντες, πρῶτον μὲν εἰ δοκοῦσι φαυλοτέρων γενῶν εἶναι οἱ Λακεδαιμονίων καὶ Περσῶν βασιλῆς. „Stellen wir also die Verhältnisse bei ihnen den Verhältnissen bei uns gegenüber und prüfen als Erstes, ob die Könige der Spartaner und der Perser von geringerer Herkunft zu sein scheinen.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 120e9–11: ἢ οὐκ ἴσμεν ὡς οἱ μὲν Ἡρακλέους, οἱ δὲ Ἀχαιμένους ἔκγονοι, τὸ δ’ Ἡρακλέους τε γένος καὶ τὸ Ἀχαιμένους εἰς Περσέα τὸν Διὸς ἀναφέρεται; „Oder wissen wir nicht, dass die einen Nachkommen des Herakles und die anderen Nachkommen des Achaimenes sind und dass das Geschlecht des Herakles ebenso wie das des Achaimenes auf Perseus, den Sohn des Zeus, zurückgeführt wird?“ (Übers. Döring 2016).

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D. Anmerkungen Zu Herakles und 50 Frauen vgl. Paus. 10.28,8; Anth. Gr. 16,92; Apollod. II.4,10. Diese Frage aus Proklos’ Kommentar ist nur durch Olympiodor überliefert (vgl. Procl. in Alc. Fr. 10). Nach der Darstellung von Pherekydes erhält Perseus von den Nymphen die geflügelten Schuhe, da er sie von den Gorgonen befreit hat (Pherecyd. Fr. 26; vgl. Apollod. II.36–42). Vgl. PEG I, Fr. 10 (Peisandros, Heraclea). Olympiodor weist auf die Elemente der mythischen Darstellung um Perseus hin und macht eine Anspielung auf die Tötung von Gorgo mit einer Sichel. Vgl. Plat. Alc. 121a5–8: ἀλλὰ τὰ μὲν τούτων ἀπ’ αὐτῶν ἀρξάμενα βασιλῆς εἰσιν ἐκ βασιλέων μέχρι Διός, οἱ μὲν Ἄργους τε καὶ Λακεδαίμονος, οἱ δὲ τῆς Περσίδος τὸ ἀεί, πολλάκις δὲ καὶ τῆς Ἀσίας, ὥσπερ καὶ νῦν· „Sie und ihre Familien aber sind, angefangen bei ihnen selbst, durchgehend Könige, die von Königen abstammen, bis hin zu Zeus, die einen Könige von Argos und Sparta, die anderen von Persien in ununterbrochener Abfolge, häufig aber auch, wie auch jetzt, von ganz Asien.“ (Übers. Döring 2016). Zu den Quellen über Peloponnes siehe Eder 2015. Vgl. Plat. Alc. 121b5–c1: ἢ οὐκ ᾔσθησαι τοῖς τε Λακεδαιμονίων βασιλεῦσιν ὡς μεγάλα τὰ ὑπάρχοντα, ὧν αἱ γυναῖκες δημοσίᾳ φυλάττονται ὑπὸ τῶν ἐφόρων, ὅπως εἰς δύναμιν μὴ λάθῃ ἐξ ἄλλου γενόμενος ὁ βασιλεὺς ἢ ἐξ Ἡρακλειδῶν; „Oder hast du nicht vernommen, wie groß die Privilegien sind, die die Könige der Spartaner haben, deren Frauen von Staats wegen durch die Ephoren überwacht werden, damit, soweit möglich, verhindert wird, dass ihr König unvermerkt von einem anderen abstammt als von Nachkommen des Herakles?“ (Übers. Döring 2016). Diese Gesetze der Lakedaimonier werden bei Platon (vgl. Plat. Lg. 771e–774c) und Plutarch (vgl Plu. Lyc. 15; Lys. 30) behandelt. Vgl. Plat. Alc. 121c4–8: ἐπειδὰν δὲ γένηται ὁ παῖς ὁ πρεσβύτατος, οὗπερ ἡ ἀρχή, πρῶτον μὲν ἑορτάζουσι πάντες οἱ ἐν τῇ βασιλέως, ὧν ἂν ἄρχῃ, εἶτα εἰς τὸν ἄλλον χρόνον ταύτῃ τῇ ἡμέρᾳ βασιλέως γενέθλια πᾶσα θύει καὶ ἑορτάζει ἡ Ἀσία· „Sobald aber der älteste Sohn, dem die Herrschaft zufällt, geboren ist, feiern zunächst einmal alle Menschen im Reich, über die der König herrscht, und in der Folgezeit feiert dann ganz Asien an diesem Tag den Geburtstag des Königs mit Opfern und Festlichkeiten.“ (Übers. Döring 2016). Dieser Satz wird wiederholt, siehe 153,9. Zu diesem Brauch der Perser vgl. Hdt. IX.110,2. In diesem Abschnitt zeigen Olympiodors Ausführungen Ähnlichkeit zur Erzählung der persischen Sitten bei Herodot; vgl. Hdt. I.131,2–3. Vgl. Plat. Alc. 121c8–d2: ἡμῶν δὲ γενομένων, τὸ τοῦ κωμῳδοποιοῦ, οὐδ’ οἱ γείτονες σφόδρα τι αἰσθάνονται, ὦ Ἀλκιβιάδη. „Wenn wir dagegen geboren werden, dann bemerken dies, wie der Komödiendichter sagt, kaum auch nur die Nachbarn, Alkibiades.“ (Übers. Döring 2016). Es ist nicht bekannt, auf welchen Komödiendichter sich Platon an dieser Stelle des Dialogs bezieht. Nach Lamb 1955 (ad loc.) wird hier ein Zitat von Platon, dem Komödiendichter, der zwischen 460–389 v. Chr. in Athen lebte, angenommen. Vgl. Plat. Alc. 121e1–3: ἐπειδὰν δὲ ἑπτέτεις γένωνται οἱ παῖδες, ἐπὶ τοὺς ἵππους καὶ ἐπὶ τοὺς τούτων διδασκάλους φοιτῶσιν, καὶ ἐπὶ τὰς θήρας ἄρχονται ἰέναι. „Wenn die Knaben aber sieben Jahre alt geworden sind, dann begeben sie sich zum Lernen zu den Pferden und zu den Reitlehrern und fangen an, auf die Jagd zu gehen.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor verwendet an dieser Stelle den Begriff ἐπιμέλεια, der im Rahmen der Selbsterkenntnis im Alkibiades im Sinne von ‚Sorge und Bemühung um sich selbst‘ (ἐπιμέλεια ἑαυτοῦ, vgl. Plat. Alc. 127e) erörtert wird (siehe dazu Anm. 1195). An dieser Stelle bezieht er sich konkret auf die Bildung. Platon erwähnt im Dialog „Aufzucht und Erziehung“ (τροφήν τε

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καὶ παιδείαν, Übers. Döring 2016) und μέλει im Rahmen der Aussage „niemand kümmert sich“ (Plat. Alc. 122b). An dieser Textstelle ist es nicht eindeutig, ob Olympiodor ein ungeborenes Kind im siebten Monat der Schwangerschaft oder ein neugeborenes Kind, das sieben Monate alt ist, meint. Die antiken Schriften über Medizin geben einen Hinweis darauf, dass eine Geburt im siebten Schwangerschaftsmonat als sicherer im Vergleich zu derjenigen im achten Monat betrachtet wurde (vgl. Hp. Septim. 1; Arist. HA 584a–b; Sor. Gyn. 1.55,3–56,2), da die Mutter und das Kind um den achten Monat eine 40-tägige Phase durchmachen, in der sie krankheitsanfällig sind. Auch in der antiken Literatur wird das Motiv der siebenmonatigen Geburt behandelt (vgl. Hom. Il. XIX,117–8). Dies liegt nahe, dass Olympiodor auf diese bekannte Meinung deutet. Eine andere Quelle ist die Ansicht über die Zahlen in der platonischen Philosophie, die im Allgemeinen auf die Pythagoreer zurückgeführt wird. In diesem Zusammenhang erklärt Jamblich, dass die siebenmonatigen Neugeborenen von Pythagoreer als vollkommen bezeichnet wurden, da die Zahl sieben bei den Krankheiten entscheidend ist (vgl. Iamb. Theol. arith. 55,5–7; 62,20–63,3). Ferner erwähnt Philon als eine hippokratische Ansicht, dass ein siebenmonatiges Kind gegenüber einem achtmonatigen physisch stärker ist (vgl. Philon De opif. 124). Jamblich berichtet, dass die Pythagoreer die Zahl sieben (ἑπτάς und ἑβδομάς) mit der Ehrwürdigkeit (σεβασμός) assoziiert und dadurch von allen anderen Zahlen hervorgehoben haben. Aus diesem Grund haben sie diese Zahl mit einem zusätzlichen Sigma am Anfang als σεπτάς ausgesprochen (vgl. Iamb. Theol. arith. 57,13–19). Die ähnliche Aussprache von der Zahl sieben (ἑπτάς) und dem Wort „Ehrwürdigkeit“ (σεβασμός) wird auch bei anderen Platonikern erörtert (vgl. Philon, De opif. 127). Dieser Ausdruck lässt sich keinem anderen Text zuordnen und es liegt an dieser Stelle, wie Westerink (1982, S. IX) erläutert, vermutlich ein Missverständnis vor. Westerink weist ferner darauf hin, dass Creuzer ζʹ zurecht als σʹ korrigiert hat. Zudem vermutet er, dass an dieser Stelle in Olympiodors Textvorlage σʹ stand. Dabei interpretiert Olympiodor das Wort ‚septem‘ bei den Römern fälschlich als das Wort für die Zahl, da es sonst kein Zusammenhang mit dem folgenden Zitat von Homer, das die Besonderheit der Zahl sieben hervorhebt, hergestellt werden kann. In der platonischen Philosophie wird sieben als die wichtigste Zahl angesehen, da es vollständig und „Anführer“ (κεφαλή) aller anderen Zahlen ist (vgl. Iamb. Theol. arith. 71,3–13; Philon, De opif. 123). Hom. Il. VIII,281. Platon macht eine Andeutung auf diesen Vers (vgl. Plat. Phdr. 264a: Φαῖδρε, φίλη κεφαλή). Proklos verwendet dieses Zitat von Homer im Zusammenhang mit der Erklärung, warum das herrschende Element im Kosmos κεφαλή genannt wird (vgl. Procl. in Ti. I.358,3). Westerink (1982, S. IX) betrachtet dieses Zitat als eine Synekdoche, die erklärt, dass die Römer alle Zahlen nach dem Wort ‚sieben‘ benennen, da diese Zahl besonders ist. Vgl. Plat. Alc. 121e4–6: δὶς ἑπτὰ δὲ γενόμενον ἐτῶν τὸν παῖδα παραλαμβάνουσιν οὓς ἐκεῖνοι βασιλείους παιδαγωγοὺς ὀνομάζουσιν· „Ist der Knabe zweimal sieben Jahre alt geworden, dann übernehmen ihn die, die sie die königlichen Knabenaufseher nennen.“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 154,6–7 und Anm. 1276 und 1279. Vgl. Plat. Alc. 121e6–8: εἰσὶ δὲ ἐξειλεγμένοι Περσῶν οἱ ἄριστοι δόξαντες ἐν ἡλικίᾳ τέτταρες, ὅ τε σοφώτατος καὶ ὁ δικαιότατος καὶ ὁ σωφρονέστατος καὶ ὁ ἀνδρειότατος. „Es sind dies vier Männer im besten Alter, die aus den Persern ausgewählt wurden, weil sie in dem Ruf stehen, die tüchtigsten zu sein, der weiseste, der gerechteste, der besonnenste und der tapferste.“ (Übers. Döring 2016). Zur Gerechtigkeit im Wesen siehe 73,5–10; vgl. Plat. Rep. 444d; Procl. in Alc. 218,15–17. Vgl. Plat. Alc. 122a.

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D. Anmerkungen Siehe dazu 157,17. Diese etymologische Erklärung wird bei Platon behandelt (vgl. Plat. Cra. 397d). Diese Bezeichnung für Aischines beruht auf seiner polemischen Darstellung bei Demosthenes (18,130 und 259). In dieser Rede schildert Demosthenes, wie Aischines seine Mutter in die phrygischen Mysterienkulte initiiert. Vgl. Plat. Alc. 122a1–8: ὧν ὁ μὲν μαγείαν τε διδάσκει τὴν Ζωροάστρου τοῦ Ὡρομάζου–ἔστι δὲ τοῦτο θεῶν θεραπεία- διδάσκει δὲ καὶ τὰ βασιλικά, ὁ δὲ δικαιότατος ἀληθεύειν διὰ παντὸς τοῦ βίου, ὁ δὲ σωφρονέστατος μηδ’ ὑπὸ μιᾶς ἄρχεσθαι τῶν ἡδονῶν, ἵνα ἐλεύθερος εἶναι ἐθίζηται καὶ ὄντως βασιλεύς, ἄρχων πρῶτον τῶν ἐν αὑτῷ ἀλλὰ μὴ δουλεύων, ὁ δὲ ἀνδρειότατος ἄφοβον καὶ ἀδεᾶ παρασκευάζων, ὡς ὅταν δείσῃ δοῦλον ὄντα· „Von ihnen lehrt der Erste den Knaben die auf Zoroastres, den Sohn des Horomazes, zurückgehende Weisheit der Mager – es ist dies die Verehrung der Götter –, er lehrt ihn aber auch die spezifischen Aufgaben eines Königs; der Gerechteste lehrt ihn, sein ganzes Leben lang die Wahrheit zu sagen; der Besonnenste, sich nie auch nur von einer einzigen Lust beherrschen zu lassen, damit er sich daran gewöhnt, frei und ein wahrer König zu sein, indem er zuallererst seine inneren Regungen beherrscht und ihnen nicht wie ein Sklave dient; der Tapferste schließlich erzieht ihn, indem er ihn zu einem Menschen macht, der frei von Furcht und Angst ist, da er, wenn er in Furcht gerate, ein Sklave sei.“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 122a3–4, siehe Anm. 1323. Plat. Alc. 122a4–5, siehe Anm. 1323. Vgl. Plat. Alc. 122a7–8, siehe Anm. 1323. Vgl. Plat. Alc. 122a8–b3: σοὶ δ’, ὦ Ἀλκιβιάδη, Περικλῆς ἐπέστησε παιδαγωγὸν τῶν οἰκετῶν τὸν ἀχρειότατον ὑπὸ γήρως, Ζώπυρον τὸν Θρᾷκα. „Bei dir dagegen, Alkibiades, betraute Perikles den wegen seines Alters unbrauchbarsten seiner Sklaven, den Thraken Zopyros, mit der Aufgabe des Knabenaufsehers.“ (Übers. Döring 2016). An dieser Stelle wird der Knabenaufseher Zopyros absichtlich schlecht dargestellt, um die mangelhafte Erziehung des Alkibiades zu unterstreichen. Olympiodor ergänzt die Bemerkung Platons, dass sich auch zu seiner Zeit in der Spätantike nichts an der Qualität solcher Erzieher verbessert habe. Vgl. Plat. Alc. 122b3–6: διῆλθον δὲ καὶ τὴν ἄλλην ἄν σοι τῶν ἀνταγωνιστῶν τροφήν τε καὶ παιδείαν, εἰ μὴ πολὺ ἔργον ἦν καὶ ἅμα ταῦθ’ἱκανὰ δηλῶσαι καὶ τἆλλα ὅσα τούτοις ἀκόλουθα· „Ich würde dir auch noch die weitere Aufzucht und Erziehung deiner Gegner schildern, wenn dies nicht zu umständlich wäre und nicht zugleich das bisher Gesagte ausreichte, auch alles Weitere deutlich zu machen, was sich daraus ergibt.“ (Übers. Döring 2016). Zur Paralipse (παράλειψις) siehe 86,23 und Anm. 757. Vgl. Plat. Alc. 122b6–9: τῆς δὲ σῆς γενέσεως, ὦ Ἀλκιβιάδη, καὶ τροφῆς καὶ παιδείας, ἢ ἄλλου ὁτουοῦν Ἀθηναίων, ὡς ἔπος εἰπεῖν οὐδενὶ μέλει, εἰ μὴ εἴ τις ἐραστής σου τυγχάνει ὤν. „Um deine Geburt, dagegen, Alkibiades, und um deine Aufzucht und Erziehung oder die jedes beliebigen anderen Atheners kümmert sich so gut wie niemand, es sei denn, jemand ist zufällig dein Liebhaber.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor paraphrasiert aus der Stelle des Dialogs, an der Platon das Verb μέλει („kümmert sich“) verwendet (Plat. Alc. 122b5–7). Die Bezeichnung φιλοκάθολος für jemanden, ‚der Verallgemeinerungen liebt‘, stellt bei den spätantiken Platonikern eine Eigenschaft des Philosophen dar (vgl. Ammon. in APr. 53,32; Olymp. in Mete. 2,11; 55,9; Elias in Cat. 107,10; 130,28) und wird spezifisch über Aristoteles verwendet (vgl. Elias in Cat. 161,20; 163,6). Olympiodor äußert das als eine Verallgemeinerung, statt es wie bei Platon und bei seiner oben angeführten Paraphrase (160,15–16) auf die Ausbildung von Alkibiades zu beziehen.

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Vgl. Plat. Alc. 122b9–c4: εἰ δ’ αὖ ἐθέλεις εἰς πλούτους ἀποβλέψαι καὶ τρυφὰς καὶ ἐσθῆτας ἱματίων θ’ἕλξεις καὶ μύρων ἀλοιφὰς καὶ θεραπόντων πλήθους ἀκολουθίας τήν τε ἄλλην ἁβρότητα τὴν Περσῶν, αἰσχυνθείης ἂν ἐπὶ σεαυτῷ, αἰσθόμενος ὅσον αὐτῶν ἐλλείπεις. „Willst du andererseits deinen Blick auf die Reichtümer, den Luxus, die Gewänder und die Schleppen der Mäntel, die kostbaren Salben, das riesige Gefolge von Dienern und den sonstigen üppigen Lebensstil der Perser richten, dann dürftest du dich wohl über dich schämen, wenn du bemerkst, wie weit du hinter ihnen zurückstehst.“ (Übers. Döring 2016). Mit δίαιτα wird der Lebensstil im materiellen Bereich aufgefasst, wie Ernährung, Kleidung und Unterkunft. Im Folgenden wird dieser Begriff zum Teil konkret auf die Ernährung bezogen, teilweise auch verallgemeinernd für den gesamten Lebensstil verwendet. Zu Beginn des Kommentars wurde der Mensch als die vernunftbegabte Seele definiert, die den Körper benutzt (4,17–18). Dabei stellt Olympiodor fest, dass nur der politische Mensch den Körper benutzt (142,15–16). Von hier an setzt sich die Definition des Menschen als Ganzes als Seele durch, ohne auf diese früheren Überlegungen einzugehen (vgl. 177,14–15; 205,5–6; 206,3–4; 212,10–11). Siehe dazu 160,20; vgl. Plat. Alc. 122b9. Plat. Alc. 122d2. Olympiodor erwähnt die Bücher über Alkibiades auch an einer früheren Stelle des Kommentars (107,4–6). Der Überlieferung von Diogenes Laertios zufolge schrieb Aristippos ein Buch, das „Über die Üppigkeit der Alten“ hieß, in dem er auch Alkibiades behandelt hat (vgl. D. L. II.23,7–8). Zum Reichtum von Sybaris, das auf fruchtbarem Boden in Süditalien gegründet wurde, siehe Muggia 2001. Aufgrund des Reichtums und der üppigen Ernährung in Sybaris wurde in der Antike das Sprichwort „sybaritische Tafel“ benutzt, wie Zenobios überliefert (Zen. 5,87; vgl. CAF III.684,1). Der sich selbst bewegende Reichtum verweist auf Sklaven und Nutztiere, während der sich von außen bewegende Reichtum die Materialien, insbesondere Geld, umfasst, die von Menschen bewegt werden. In diesem Sinne können sie mit „beweglich“ übersetzt werden. Die unbeweglichen Reichtümer sind die Grundstücke, Häuser und im weiteren Sinne der Besitz eines Staatsgebiets. Dies sind die unbeweglichen Reichtümer, was dem modernen Sinn der Immobilie nahekommt. Messene bezeichnet die Polis und den Gebiet Messenien, die südwestliche Region der Peloponnes, die von Lakedaimoniern Anfang des 7. Jh. v. Chr. erobert wurde; vgl. dazu Lafond 2000. Tyrtaios Fr. 4,3 (Diehl); Übers. Dreher 2012, S. 37. Nach der Eroberung Messeniens wurden die Messenier Untertanen der Lakedaimonier als ‚Heloten‘. Sie arbeiteten als unfreie Bevölkerung meistens in der Landwirtschaft und leisteten Abgaben; vgl. dazu Cartledge 1998. Olympiodors Verwendung des Begriffs ὑπηρεσία (Dienst) ist bemerkenswert, um zu betonen, dass dieses System spezifisch für Sparta ist und nicht mit Sklaverei gleichgesetzt werden kann. Hom. Il. III,75; Übers. Schadewaldt 1975. Die hier genannten Untertanen (ὑπήκοοι) deuten wahrscheinlich auf die Verbündeten Spartas, wie sie in der attisch-delischen Seebund mit diesem Begriff bezeichnet werden (vgl. Thucy. 1.77,1–2). Thukydides zufolge hatten die Spartaner keine Tributzahlungen von ihren Verbündeten verlangt (vgl. Thucy. 1.19,1). Bezüglich des spartanischen Steuersystems liegen keine ausreichenden Kenntnisse vor. Daher ist es nicht eindeutig, auf welche Quellen Olympiodor sich an dieser Stelle bezieht und aus wie vielen Teilen der Einnahmen diese zwei Teile bestehen. Über die Steuer innerhalb der spartanischen Bevölkerung werden Abgaben der landwirtschaftlichen Produkte in bestimmten Mengen erwähnt (vgl. Plu. Lyc. 12). Jedoch ist es nicht

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D. Anmerkungen möglich, diese Mengen mit der gesamten Produktion zu vergleichen und zu bestimmen, welchen Anteil der Produkte es umfasst. Zur Berechnung der Produktionsmenge pro spartanischen Haushalt und die Abgaben der landwirtschaftlichen Produkte siehe Hodkinson 2000, S. 187–208. Vgl. Hom. Il. VII,180; IX,46; Od. 3,304 (Übers. Schadewaldt 1958 und 1975). Der Begriff μῦθος im Altgriechischen umfasst nicht nur Mythen über Götter, sondern auch Erzählungen im weitesten Sinne. In der Politeia behandelt Platon diesen Begriff als eine erste Stufe der Bildung, bei der komplexe Themeninhalte durch Erzählungen vermittelt werden (vgl. Plat. Rep. 377a). Auch in der philosophischen Argumentation besitzen die allegorischen Erzählungen eine wichtige Rolle, wie Platon an dieser Stelle des Dialogs (Plat. Alc. 122e) durch die Andeutung auf eine Tierfabel des Aisopos zeigt. Vgl. Aesop. 147. Vgl. Plat. Alc. 123a1–5. Platon behandelt die spartanische Verfassung als eine Art Mischung der Aristokratie und der Oligarchie (vgl. Plat. Rep. 544c–545a), wobei auch die Bezeichnung einer gemäßigten Königsherrschaft zutreffend wäre (vgl. Plat. Lg. 691e–692a). Olympiodor stellt dagegen die Aristokratie als den Lebensstil der Spartaner dar. Der Kreislauf der Verfassungen wird von Platon in der Politeia behandelt (vgl. Plat. Rep. 545c–576b). Olympiodors Schlussfolgerung ausgehend von der Fabel scheint einseitig zu sein, da der Löwe durch listiges Verhalten zu seinem Fressen kommt. Das deutet aus einer anderen Perspektive darauf, dass die Spartaner ihren Reichtum nicht durch rechtmäßige Mittel erreicht haben. Platon benutzt an dieser Stelle des Dialogs den Begriff πόλις, wobei die persischen Städte nicht mit den griechischen Poleis gleichzusetzen sind (vgl. Plat. Alc. 123b, Übers. Döring 2016 mit „Gegend“). An dieser Stelle und im Folgenden wird πόλις bei den Persern mit ‚Stadt‘ übersetzt, wobei sowohl Platon als auch Olympiodor den Begriff πόλις ohne Differenzierung von einer griechischen Polis auch für die Perser verwendeten, um sie mit den Griechen vergleichen zu können. Vgl. Plat. Alc. 123b–c. Nachdem Themistokles durch einen Ostrakismos verbannt wurde (472/71 v. Chr.), ging er nach Persien und wurde von Artaxerxes I als Verwalter für Magnesia eingesetzt; vgl. dazu Kinzl 2002. Mit dem Geschichtsschreiber deutet Olympiodor hier wahrscheinlich auf Thukydides (vgl. Thucy. 1.137,4–138,5). Olympiodor erwähnt diese Geschichte über Themistokles auch im Kommentar zum Gorgias (vgl. Olymp. in Grg. 33,2). An dieser Stelle befindet sich erneut eine negative Darstellung der Frauen (siehe dazu 14,10–15 und Anm. 159). Olympiodor folgt an einigen Stellen auch Platons Ansicht über die Gleichstellung der Frauen und Männer in Bezug auf die Tugend in der Politeia (siehe 188,5–15; vgl. Plat. Rep. 451c–455e). Einen Überblick zur Geschichte der Luxuskritik bietet Bernhardt 2003. Die Darstellung der Perser mit Schmuck und in weiblichen Gewändern dient als ein Topos bei der Verfassungsdebatte in der griechischen Antike (vgl. Hdt. 7.83,3). Während die Tragödien des 5. Jh., wie Perser des Aischylos, die Perser mit einem gewissen Respekt oder Furcht behandelten, wird diese Einstellung im 4. Jh., so Bernhardt (ebd. S. 126–128) mit Kritik und Geringschätzung ersetzt. Bei Platon stehen nach Bernhardt (ebd.) besonders die Aspekte der Luxuskritik und Erziehungspolitik im Vordergrund (vgl. Plat. Lg. 637d–e). In Übereinstimmung damit werden die Perser als ἑλκεσίπεπλοί (diejenigen mit schleppenden Gewändern) und mit Schmuck dargestellt, um die Üppigkeit ihrer Kleidungen zu betonen.

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Dieser Orakelspruch wird bei verschiedenen Autoren überliefert (vgl. Arist. Fr. 544 nach Rose 1886; Plu. Agis 9,1; D. S. 7.12,4; Cic. off. 2,77; Clem. Al. Strom. 4.5.24,5). Auch im Alkibiades wird die Geldgier der Spartaner angedeutet (vgl. Plat. Alc. 122d–123a). Zu den Schaden der Geldliebe für Spartaner vgl. Plu. Lyc. 30,1. Olympiodor wiederholt das gleiche Zitat unten (174,5–6). Zur Forschung über diesen Spruch siehe Van Wees 1999, S. 2–3. Plutarch berichtet, dass Lykurgos Eisen als Material für Geld festgesetzt hat (vgl. Plu. Lyc. 9). Dagegen schreibt Olympiodor auch woanders, dass das Material der Währung Bronze war (vgl. Olymp. in Grg. 44,2). Das in der Textüberlieferung stehende Wort σιδηρᾶ (Eisen) ändert Westerink daher in χαλκᾶ (Bronze), das auch mit den weiteren Ausführungen von Olympiodor übereinstimmt und ich daher ebenfalls übernehme. Ein theologisches Buch, das von Pherekydes geschrieben worden ist, wird in der Suda erwähnt (vgl. Pherekydes Fr. 7 A2 DK). Diogenes erzählt über Pherekydes, dass er den Spartanern von einem Traum berichtete: Ihm sei von Herakles der Befehl erteilt, dass sie kein Gold und Silber anhäufen sollten (vgl. D. L. I.11,117). Zur Bedeutung des Adjektivs μακάριος siehe 125,19–22 und Anm. 1064. Zur Übersetzung der Anrede μακάριε siehe 145,16–17 und Anm. 1210. Vgl. Plat. Alc. 124a9–b1. Die Erklärung dieses Lemmas wird im folgenden Unterricht angegeben (siehe 170,3–4). Vgl. Plat. Alc. 122b9–c4: εἰ δ’αὖ ἐθέλεις εἰς πλούτους ἀποβλέψαι καὶ τρυφὰς καὶ ἐσθῆτας ἱματίων θ’ἕλξεις καὶ μύρων ἀλοιφὰς καὶ θεραπόντων πλήθους ἀκολουθίας τήν τε ἄλλην ἁβρότητα τὴν Περσῶν, αἰσχυνθείης ἂν ἐπὶ σεαυτῷ, αἰσθόμενος ὅσον αὐτῶν ἐλλείπεις. „Willst du andererseits deinen Blick auf die Reichtümer, den Luxus, die Gewänder, und die Schleppen der Mäntel, die kostbaren Salben, das riesige Gefolge von Dienern und den sonstigen üppigen Lebensstil der Perser richten, dann dürftest du dich wohl über dich schämen, wenn du bemerkst, wie weit du hinter ihnen zurückstehst.“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 122d2. Olympiodor betrachtet an mehreren Stellen des Kommentars den Gebrauch von Plural als ein Stilmittel (siehe 51,15–20). An dieser Stelle betonen diese Begriffe in der Mehrzahl nach Olympiodor die übermäßigen Dimensionen des persischen Reichtums. Zu den Begriffen der Kleidungen siehe 107,1–10. Zur Bezeichnung ἑλκεσίπεπλοί („diejenigen mit schleppenden Gewändern“) siehe 164,6. Plat. Alc. 122c2. Vgl. Plat. Alc. 122c5–d1: εἰ δ᾽αὖ ἐθελήσεις εἰς σωφροσύνην τε καὶ κοσμιότητα ἀποβλέψαι καὶ εὐχέρειαν καὶ εὐκολίαν καὶ μεγαλοφροσύνην καὶ εὐταξίαν καὶ ἀνδρείαν καὶ καρτερίαν καὶ φιλοπονίαν καὶ φιλονικίαν καὶ φιλοτιμίας τὰς Λακεδαιμονίων, παῖδ᾽ἂν ἡγήσαιο σαυτὸν πᾶσι τοῖς τοιούτοις. „Willst du andererseits deinen Blick auf die Besonnenheit und den Anstand der Spartaner richten und auf ihre Umgänglichkeit, ihre Anspruchslosigkeit, ihren stolzen Sinn, ihre Disziplin, ihre Tapferkeit, ihre Ausdauer, ihren Fleiß, ihren Ehrgeiz, und ihr Streben nach Anerkennung, dann dürftest du dich selbst wohl in alledem für ein Kind halten.“ (Übers. Döring 2016). Menander, CAF 343. Siehe dazu 152,12–14; vgl. Plu. Lyc. 15,8–10. Dieser Spruch wird dem Komödiendichter Aristophanes zugeschrieben (vgl. Aristophanes, CAF 902), wobei es auch von Aristophanes dem Grammatiker überliefert wird (vgl. Paroemiae Fr. 5). Mit diesem Spruch wird Korinth als eine derart reiche Stadt dargestellt, erläutert Tzamalikos (2016, S. 83 Anm. 202), dass nur Menschen mit einem gewissen Vermögen dahin fahren konnten. Strabon behandelt diesen Ausdruck im Zusammenhang mit dem Reichtum von Korinth (Geographica 8.6,20). Der Grund für diesen Reichtum war nach Strabon der Tempel der Aphrodite: Dort befanden sich mehrere Tausend Hetären und deshalb war der Tempel von

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D. Anmerkungen Schiffseigner öfters besucht. Da diese ihr Geld dort leicht ausgaben, ist Korinth reich geworden. Dabei spielt dieser Spruch durch πλοῦς (Schiffsreise) auf den Reichtum (πλούσιον) der Tempel und der Stadt an. An dieser Stelle wird Lais aus Korinth erwähnt, wobei es mit diesem Namen zwei Hetären in Korinth bekannt sind, von denen eine als Kriegsgefangene dahin gebracht wurde. Siehe dazu Strothmann 1999. Diese Lais wird in der Literatur mit der Tochter der Timandra identifiziert, die eine ‚Gefährtin‘ des Alkibiades gewesen sein soll (vgl. Plu. Alc. 39). Wahrscheinlich spielt sie an dieser Stelle durch diese Verbindung zu Alkibiades eine besondere Rolle. Joeres (2013) erläutert, dass Lais als literarische Figur von mehreren Autoren behandelt und als ein allgemeiner Name für Hetären betrachtet wird. Auch Helene dient als eine literarische Figur, um ihr Vergehen als die Ursache des trojanischen Krieges darzustellen. Hom. Il. III,2. Dieses Zitat wiederholt Olympiodor an einer anderen Stelle des Kommentars (siehe 66,14–67,5). Hom. Il. IV,431. Im Neuplatonismus wird Besonnenheit (σωφροσύνη) als die Tugend definiert, die darin besteht, sich von einer höheren Macht beherrschen und lenken zu lassen. Siehe dazu 63,20–64,1; vgl. Plot. I.2.1,16–21; Procl. in Rep. I.12,25–13,5. Zur Besonnenheit, die sich im niedrigsten Teil der Seele aufhält siehe 227,10–15. Hier zeigt das Partizip nicht eindeutig an, dass die Besonnenheit zu diesem Teil der Seele gehört, sondern dass sie absichtlich im untersten Teil der Seele angesiedelt ist, um die Seele zur Vernunft zu bringen. Plat. Alc. 122c8, vgl. Plat. Alc. 122c5–d1, Anm. 1372. Zu φιλοπονία siehe 2,149–150 und Anm. 65. Vgl. Eur. Andr. 595–600; Plu. Lyc. 14,2. Olympiodor stellt das Wort φιλονικία als eine Schreibform von φιλονεικία, Liebe für ‚Konkurrenz‘ oder ‚Streit‘ (νεῖκος), dar. Daher muss dieses Wort mit ‚ι‘ und nicht mit ‚ει‘ geschrieben werden, damit die Bedeutung mit dem ‚Sieg‘ (νίκη) assoziiert werden kann (daher φιλο-νικία: Liebe für Sieg). Platon definiert die Timokratie als die ehrliebende Verfassung, da es sich nach dem Prinzip der Ehre (τιμή) und dem ständigen Machtkampf unter den Adligen richtet (vgl. Plat. Rep. 545c–546d). Plat. Alc. 122d6. Vgl. Plat. Alc. 122d5–e2: γῆν μὲν γὰρ ὅσην ἔχουσιν τῆς θ᾽ἑαυτῶν καὶ Μεσσήνης, οὐδ᾽ ἂν εἷς ἀμφισβητήσειε τῶν τῇδε πλήθει οὐδ᾽ ἀρετῇ, οὐδ᾽ αὖ ἀνδραπόδων κτήσει τῶν τε ἄλλων καὶ τῶν εἱλωτικῶν, οὐδὲ μὴν ἵππων γε, οὐδ᾽ὅσα ἄλλα βοσκήματα κατὰ Μεσσήνην νέμεται. „Einen Grundbesitz, wie sie ihn in ihrem eigenen Land und in Messenien haben, würde hier kein einziger für sich beanspruchen, weder im Hinblick auf Ausdehnung und Bodenqualität noch im Hinblick auf den Besitz an Sklaven und besonders an helotischen, gewiss auch nicht an Pferden und allem sonstigen Vieh, das in Messenien weidet.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 122d5–7, siehe Anm. 1385. Plat. Alc. 122e4–5. Platon gebraucht im Timaios nicht den Begriff μεταληπτικόν, sondern μεταλαμβάνον (vgl. Plat. Ti. 51a–b, siehe Anm. 777). Dieser Begriff wurde wahrscheinlich bereits bei früheren Platonikern verwendet und wird bei Aristoteles als die Ansicht von Timaios vorgestellt (vgl. Arist. Ph. 209b10–16). Aristoteles zufolge definiert Timaios die Materie als das, was dieTeilhabe des Sinnlichen am Intelligiblen ermöglicht (daher wird es auch als ‚das Teilhabefähige‘ bezeichnet). In dieser Hinsicht ist es das Aufnehmende gleichzeitig auch ‚das Teilnehmende‘, da es einige Eigenschaften der Sinneswahrnehmungen annimmt, um durch die Vernunft begriffen werden zu können.

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Vgl. Plat. Alc. 123a2–5: καὶ τοῦ εἰς Λακεδαίμονα νομίσματος εἰσιόντος μὲν τὰ ἴχνη τὰ ἐκεῖσε τετραμμένα δῆλα, ἐξιόντος δὲ οὐδαμῇ ἄν τις ἴδοι. „Auch von dem Geld, das nach Sparta hineingeht, sind die dorthin führenden Spuren unübersehbar, von Geld, das herauskommt, kann dagegen nirgendwo jemand Spuren sehen.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor interpretiert an dieser Stelle die Ansichten im Alkibiades im Hinblick auf Platons politische Theorie. Platon vergleicht in der Politeia das Geld zu einem wilden Tier (vgl. Plat. Rep. 588b–589b). Vgl. Plat. Alc. 123b4–8: ἐπεί ποτ᾽ἐγὼ ἤκουσα ἀνδρὸς ἀξιοπίστου τῶν ἀναβεβηκότων παρὰ βασιλέα, ὃς ἔφη παρελθεῖν χώραν πάνυ πολλὴν καὶ ἀγαθήν, ἐγγὺς ἡμερησίαν ὁδόν, ἣν καλεῖν τοὺς ἐπιχωρίους ζώνην τῆς βασιλέως γυναικός· „Habe ich doch einmal gehört, wie ein glaubwürdiger Mann, der zu denen gehörte, die zum König hinaufgezogen waren, sagte, er habe einen sehr großen fruchtbaren Landstrich durchquert, nahezu einen Tag lang, den die Einheimischen den Gürtel der Gemahlin des Königs nennen würden“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Xen. An. I.4,9. Wörtlich „hinaufging“. Artoxerxes ist in der griechischen Antike die bevorzugte Schreibweise für Artaxerxes (vgl. TLG). Artaxerxes II, der Sohn des Dareios und Bruder des Kyros, wurde König der Perser zwischen 405/4–359/8 v. Chr. Nachdem Artaxerxes an die Macht kam, unternahm Kyros einen Feldzug gegen ihn, an dessen Ende er den Machtkampf und sein Leben verlor (vgl. Xen. An. I,7–8; Plu. Art. 6–9). Vgl. Plat. Alc. 123b7–8, siehe oben Anm. 1391. Die Bezeichnung des Königs (βασιλεύς) war in der Spätantike für oströmische Kaiser gebräuchlich und wurde von Herakleios zum ersten Mal im Jahr 629 als offizieller Titel verwendet; vgl. dazu Tinnefeld 1997. Zur purpurfarbenen Bekleidung erläutert Schneider (2001), dass diese Farbe aufgrund der Kosten seit der Antike nur höheren Amtsinhaber und später nur dem römischen Kaiser vorbehalten war, während der Besitz solcher Kleidung für private Menschen untersagt wurde. Siehe dazu 164,2–3. Zum persischen Schmuck siehe 164,6 und Anm. 1359. Vgl. Plat. Alc. 123c5–d3: ὥστ᾽οἶμαι ἐγώ, εἴ τις εἴποι τῇ βασιλέως μητρί, Ξέρξου δὲ γυναικί, Ἀμήστριδι, ὅτι ἐν νῷ ἔχει σοῦ τῷ ὑεῖ ἀντιτάττεσθαι ὁ Δεινομάχης ὑός, ᾗ ἔστι κόσμος ἴσως ἄξιος μνῶν πεντήκοντα εἰ πάνυ πολλοῦ, τῷ δ᾽ὑεῖ αὐτῆς γῆς πλέθρα Ἐρχίασιν οὐδὲ τριακόσια, θαυμάσαι ἂν ὅτῳ ποτὲ πιστεύων ἐν νῷ ἔχει οὗτος ὁ Ἀλκιβιάδης τῷ Ἀρτοξέρξῃ διαγωνίζεσθαι, καὶ οἶμαι ἂν αὐτὴν εἰπεῖν ὅτι οὐκ ἔσθ᾽ὅτῳ ἄλλῳ πιστεύων οὗτος ἀνὴρ ἐπιχειρεῖ πλὴν ἐπιμελείᾳ τε καὶ σοφίᾳ· „Wenn also, glaube ich, jemand zu der Mutter des jetzigen Königs und der Gemahlin des Xerxes, Amestris, sagen würde: ‚Der Sohn der Deinomache, deren Schmuck, großzügig gerechnet, 50 Minen wert ist und deren Sohn nicht einmal 300 Plethren Land in Erchia besitzt, beabsichtigt, sich deinem Sohn entgegenzustellen,‘ dann würde diese sich gewiss verwundert fragen, worauf dieser Alkibiades da denn wohl sein Vertrauen setze, wenn er beabsichtigt, sich mit Artaxerxes im Kampf zu messen, und sie würde, glaube ich, gewiss sagen, dass dieser Mann sein Vertrauen bei seinem Vorhaben einzig und allein auf Bemühung und Wissen setze“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 123c5–d3, siehe dazu Anm. 1398. Olympiodor erklärt an mehreren Stellen des Kommentars, dass die Athener diesen Brauch hatten, durch Weisheit zu siegen (siehe 12,1–5; 144,3). Dies wird oben auch durch Olympiodors Deutung der Fabel über den alten Löwen und den Fuchs betont (siehe 162,10–18). Paraphrase Plat. Alc. 123c–d. Platon erwähnt die Lehrer der persischen Könige (Plat. Alc. 121e–122a, siehe 154,5–10). In Olympiodors vorheriger Darstellung der persischen Bildung wird anstelle des Denkens (φρόνησις) Besonnenheit (σωφροσύνη) hervorgehoben (siehe oben 154,5–155,5). Der Begriff

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D. Anmerkungen φρόνησις kann als ‚Denken, Sachverstand, sachgerechtes Denken‘ betrachtet werden. Damit deutet Olympiodor darauf, dass die Perser Kenntnisse in bestimmten Gebieten erlangten, jedoch nicht das ‚Denken‘ im Sinne von philosophischer Tätigkeit. Zur Übersetzung von φρόνησις als „praktisches Wissen“ siehe Rowe 1989. Olympiodor definiert oben die Tugenden, die bei den Persern gelehrt werden, als ethische Tugenden (siehe dazu 154,5–155,5). Die höheren Tugenden fangen dagegen mit der politischen Tugend an, die die erste Stufe der ‚philosophischen‘ Tugenden bildet. Paraphrase Plat. Alc. 124a. Plat. Alc. 123c7, siehe Anm. 1398. Siehe dazu 168,11–13. Plat. Alc. 123c10–d1, siehe oben Anm. 1398. Vgl. Plat. Alc. 123d6. An dieser Stelle gibt Platon einen anderen Hinweis auf Alkibiades’ Alter. Eine weitere Andeutung auf Alkibiades’ Ephebie befindet sich am Anfang des Dialogs (Plat. Alc. 105b, siehe dazu 43,11–12; Anm. 421 und 778). Vgl. Hes. Op. 293: „Der vor allen ist gut, der selber alles erkannt hat“; Übers. Schirnding 1991. Hes. Op. 295; Übers. Schirnding 1991. Zur Lehre und Einübung siehe 30,6 und Anm. 287. Olympiodor bezieht Lernen auf die vernünftigen, Einübung dagegen auf die vernunftlosen Wesen (siehe 147,2–4). Dabei stellt er Disziplin und Einübung als Schlüssel für den Erfolg der Spartaner dar (siehe 150,8–10; 166,17–167,4). Plat. Alc. 123e9. Vgl. Plat. Alc. 123e8–124a5: οἶμαι δὲ κἂν Λαμπιδώ, τὴν Λεωτυχίδου μὲν θυγατέρα, Ἀρχιδάμου δὲ γυναῖκα, Ἄγιδος δὲ μητέρα, οἳ πάντες βασιλῆς γεγόνασιν, θαυμάσαι ἂν καὶ ταύτην εἰς τὰ παρὰ σφίσιν ὑπάρχοντα ἀποβλέψασαν, εἰ σὺ ἐν νῷ ἔχεις τῷ ὑεῖ αὐτῆς διαγωνίζεσθαι οὕτω κακῶς ἠγμένος. „Ich glaube aber, auch Lampido, die Tochter des Leotychidas, Frau des Archidamos und Mutter des Agis, die allesamt Könige waren, würde sich ihrerseits mit dem Blick auf die Verhältnisse bei ihnen in Sparta wundern, dass du beabsichtigst, dich mit ihrem Sohn im Kampf zu messen, wo du doch so schlecht erzogen bist.“ (Übers. Döring 2016). Zur Wiederholung dieser Interpretation siehe 168,11–13 und 169,3–5. Vgl. Plat. Alc. 124a6–8: καίτοι οὐκ αἰσχρὸν δοκεῖ εἶναι, εἰ αἱ τῶν πολεμίων γυναῖκες βέλτιον περὶ ἡμῶν διανοοῦνται, οἵους χρὴ ὄντας σφίσιν ἐπιχειρεῖν, ἢ ἡμεῖς περὶ ἡμῶν αὐτῶν; „Scheint es dir nun aber nicht beschämend zu sein, wenn die Frauen unserer Feinde im Hinblick auf uns besser darüber nachdenken, welche Qualitäten wir haben müssen, um sie angreifen zu können, als wir im Hinblick auf uns selbst?“ (Übers. Döring 2016). Der dritte Abschnitt (170,1–209,21; vgl. Plat. Alc. 124a–130d) beinhaltet die philosophische Geburtshilfe und bereitet Alkibiades darauf vor, die Erkenntnis des Selbst zu erlangen. Vgl. Plat. Alc. 124a9–b2: ἀλλ’, ὦ μακάριε, πειθόμενος ἐμοί τε καὶ τῷ ἐν Δελφοῖς γράμματι, γνῶθι σαυτόν, ὅτι οὗτοι ἡμῖν εἰσιν ἀντίπαλοι, ἀλλ’ οὐχ οὓς σὺ οἴει· „Darum, mein Bester, hör auf mich und auf den Spruch in Delphi und erkenne dich selbst: Diese sind unsere Gegner und nicht die, die du dafür hältst.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor zitiert diesen Satz im Folgenden und in der sprachlichen Erläuterung (λέξις) mit leichten Änderungen, während sein Zitat in 173,21 mit dem platonischen Text übereinstimmt. Olympiodor verwendet an dieser Stelle das Wort καταγώγιον, abgeleitet von dem Verb κατάγω („herabführen, zurückführen“ oder medial „einkehren, zurückkehren“). In diesem Zusammenhang deutet καταγώγιον darauf, dass Sokrates während der dialektischen Untersuchung mit Alkibiades absteigt, um mit ihm zusammen aufzusteigen. Die drei Ebenen der Unwissenheit um sich selbst werden im platonischen Philebos auf ähnliche Weise erläutert (Plat. Phlb. 48c–49a). Diese Ebenen sind erstens die Besitztümer bzw. Äußerlichkeiten, zweitens der Körper bzw. die physischen Eigenschaften und drittens die

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Erkenntniskapazität. In allen diesen Ebenen bezeichnet er das als Unwissenheit, wenn man sich etwas Anderes vorstellt, als in der Tat der Fall ist. Hier liegt eine weitere Anspielung an Euripides’ Orestes vor (vgl. Eur. Or. 258–259: μέν’, ὧ ταλαίπωρ’, ἀτρέμα σοῖς ἐν δεμνίοις· / ὁρᾶις γὰρ οὐδὲν ὧν δοκεῖς σάφ’ εἰδέναι). Zu weiteren Stellen vgl. Anm. 1064 und 1120. Zur besonderen Beliebtheit des Orestes bei Olympiodor vgl. Schramm (2020, S. 325–326), der dieses Zitat im Kontext von tatsächlichem und scheinbarem Wissen interpretiert. Olympiodor bezieht dieses Zitat auf Alexander, der, wie Philipp van der Eijk mir erklärte, mit Alexander von Aphrodisias identifiziert werden sollte. Dies geht nach Van der Eijk aus Olympiodors Werken hervor: Wenngleich diese Stelle die einzige explizite Nennung des Alexanders im Alkibiades-Kommentar ist, wird er in Olympiodors anderen Kommentaren mehrmals zitiert (vgl. Proll. 13,32–33: Ἀλεξάνδρου τοῦ Ἀφροδισιέως εἰς τὰς Κατηγορίας; in Mete. 6,19–20: Ἀλέξανδρος ὁ Ἀφροδισιεὺς; 51,27–28; in Cat. 28–30). Mit diesem Zitat bringt Olympiodor zum Ausdruck, dass ein Arzt sich nicht in die Bereiche der Philosophie einmischen und sich somit als Philosoph betrachten sollte. Ferner kann nach Van der Eijk mit dem Arzt konkret Galen gemeint sein, wodurch sich dieser Gedankengang mit der peripatetischen Kritik an Galen verbindet und der Bezug auf Alexander von Aphrodisias erklärt wird. Die in arabischer Übersetzung erhaltene Abhandlung von Alexander, deren Titel „Ein Brief von Alexander von Aphrodisias, in dem er Galen in Bezug auf seine Kritik an Aristoteles’ These widerlegt, dass alles, was sich bewegt, von einem Beweger bewegt wird“ lautet, macht diese Kritik deutlich (vgl. hierzu Pines 1961). Nach Flashar (1962, S. 415) besteht in der Spätantike die Tendenz, Galen als einen Nachahmer von Hippokrates zu betrachten, während letzterer hoch angesehen war. Später wird die Kritik an Galen bei Al-Farabi deutlich, der eine Schrift mit dem Titel „Gegen Galen“ verfasste. Zur Übersicht über die Kritik gegen Galen vgl. Pietrobelli 2020; zu Farabi vgl. Vallat 2020. Hier stellt sich die Frage, welche Rolle die Kritik an Galen oder an Ärzten im Allgemeinen für Olympiodors Bildungskonzept spielen könnte. An einigen Stellen des Kommentars kritisiert er das medizinische Verständnis von Katharsis. Hier richtet er seine Kritik zudem gegen Ärzte, die sich als Philosophen verstehen. Olympiodor scheint es darum zu gehen, die Autorität der Philosophie gegenüber anderen Disziplinen zu behaupten und zu sichern. Auffallend ist auch das Vokabular: Da Olympiodor hier die Ärzte kritisiert, verwendet er σπληνίον (Verband, Kompresse), was ein medizinisches Wort ist (vgl. LSJ gibt Hp. Fract. 27 als Beleg an). Bei Homer wird Thersites als ein Kämpfer an der Seite der Achaier erwähnt (vgl. Hom. Il. II,212–277). Er hält eine Rede bei der Heeresversammlung nach dem Streit zwischen Agamemnon und Achilleus. Er wird dabei als ein körperlich missgebildeter, verachteter Mann geschildert, der Agamemnons Selbstsucht für den Krieg verantwortlich macht und anschließend von Odysseus mit dem Zepter geschlagen wird. Dadurch erscheint er als ein lächerlicher und verachteter Charakter. Zur Erwähnung von Thersites siehe 85,13. Plat. Alc. 124a9, siehe dazu 170,3–4. Zur Bedeutung von μακάριος siehe 165,9–11. Es ist eine allgemeingehaltene Übersetzung für κήρ. Der Begriff bedeutet auch Tod und Verderben, Todeslos und die Göttinnen, die diese den Menschen bringen. Siehe dazu Anm. 1063. In der neuplatonischen Theorie wird der Körper von der Seele differenziert und die Erkenntnis wird grundsätzlich als eine Aufgabe der Seele betrachtet, daher kann der Körper nicht im platonischen Sinne eine richtige Erkenntnis erwerben. Olympiodor wiederholt diese These an anderen Stellen (siehe 9,1–20; 81,25–27). Diese Ansicht wird auch von anderen Platonikern vertreten (vgl. Dam. in Phd. I,78; Procl. in Rep. I.229,14–17). Die Unterscheidung zwischen der vegetativen, vernunftlosen und vernünftigen Seele wurde bei den Neuplatonikern ausgehend von der aristotelischen Seelentheorie angenommen.

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D. Anmerkungen Demnach stellt die vegetative Seele die lebenswichtigen Funktionen dar; während die vernunftlose Seele für die Bewegung und Wahrnehmung verantwortlich ist und auch den Tieren zuteilwird. Dagegen besitzen nur die menschlichen Wesen die vernünftige Seele (vgl. Arist. de An. 413a23; 414a29–b2; 416b17–20). Die vernunftlose Seele kann die Rückwendung auf sich selbst nicht erreichen, da dazu eine reflexive Tätigkeit des Denkens nötig ist. Diese Ansicht beruht auf der platonischen Erklärung der Seele im Timaios (vgl. Plat. Ti. 34b–36d; 41b–43a). Proklos begründet den Unterschied zwischen der vernünftigen und vernunftlosen Seele auch damit, dass die vernünftige Seele erkennen kann (vgl. Procl. in Alc. 112,15–20; Theol. Plat. III.128,20–25). Die vernunftbegabte Seele muss in der platonischen Philosophie nicht immer die Erkenntnis besitzen. Gemäß der Theorie über den Abstieg und Aufstieg der Seele ist es nötig, dass die vernünftige Seele in die Lage der Unwissenheit fällt, um daraus die Suche nach der Erkenntnis anzufangen. Besonders bei den Platon-Exegeten der Spätantike tritt diese Ansicht in den Vordergrund (dazu vgl. Dam. in Phd. II.6,5: μετὰ λήθην ἀναμιμνήσκεται; Procl. in Alc. 175,5: ἄνοδος ἐκ τῆς ἁπλῆς ἀγνοίας εἰς τὴν ἐπιστήμην). Die ‚Sorge‘ (ἐπιμέλεια) in diesem Zusammenhang kann im Sinne von einer richtigen Kultivierung und Pflege der Persönlichkeit, das heißt, im weitesten Sinne als ‚Bildung‘ aufgefasst werden. Auf der anderen Seite deutet die Erwähnung der‚Sorge‘ alleine auf eine Bemühung der Person selbst, um sich selbst zu erkennen, beziehungsweise auf eine ‚Sorge um sich selbst‘. In der platonischen Philosophie sind diese beiden Elemente miteinander verbunden, sodass die richtige Bildung eine geeignete Denkweise für die Menschen ermöglicht. Aufgrund dieser vielfältigen Bedeutungsebenen wird ἐπιμέλεια im Folgenden als ‚Sorge‘ übersetzt. Zur Bedeutung von ἐπιμέλεια vgl. Anm. 1195. Die unterschiedlichen Bedeutungen der Selbsterkenntnis wird bei Platon behandelt (vgl. Plat. Phlb. 48c–49a). Die Vorstellung von mehreren Begriffsebenen ist ein zentrales Thema bei Olympiodor, wie auch im vorliegenden Kommentar deutlich wird (πολλαχῶς; siehe 2,161; 184,21). Die Dreiteilung der Seele besteht aus der Vernunft (λόγος), der affektvollen Willenskraft (θυμός) und der sinnlichen Begierde (ἐπιθυμία). Wenn ein Mensch erkennt, dass die Seele die Einigkeit dieser drei Teilen und er selbst die vernunftbegabte Seele ist, die den Körper als Werkzeug benutzt, deutet es auf die politische Selbsterkenntnis. Diese Selbsterkenntnis wird im Alkibiades angestrebt. Zu diesen Tugendgraden siehe Kapitel B. II.2.1. Die Tugendgraden bei Olympiodor. Paraphrase Plat. Phdr. 229e5–230a1. Die unvorteilhafte Beschaffenheit des menschlichen Wesens im Vergleich zu anderen Tieren ist ein Topos der antiken Literatur und Philosophie, der dazu dient, die Bedeutung der Vernunft für die Menschen zu betonen (vgl. Hdt. VII.46,2–4). Da Menschen keine natürlichen Vorteile haben, müssen sie durch rationales Denken Lösungen finden. Dieses Thema wird bei Platon behandelt (vgl. Plat. Prt. 320d–322a; Phd. 66b–e) und bei den späteren Platonikern aufgenommen (vgl. Iamb. Protr. 47,12–48,20). Die Übersetzung von ποικίλλων mit ‚vervielfältigt‘ interpretiert das Verb ποικίλλω (ausschmücken, mit Farben ausgestalten) als eine Andeutung auf die vielen Hindernisse auf der Heimkehr des Odysseus (vgl. Hom. Od. 10,307–372). Zu ‚poikilia‘ als Stilmittel siehe Anm. 549. Hom. Od. 18,130 (Übers. Schadewaldt 1958). Siehe dazu 153,1–5; vgl. Plu. Alc. 23. Vgl. dazu 26,26–27; 129,15–17. Das war ein Argument für die Kritiker gegen Alkibiades; vgl. Plu. Alc. 7,2; Per. 31–32. Dieses Wortspiel geht wahrscheinlich auf Aristophanes zurück (vgl. Scholia in Ar. Nu. 859).

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Perikles wird von Geschichtsschreibern für den Anfang der peloponnesischen Kriege verantwortlich gemacht (vgl. Plu. Per. 32). Olympiodor bezieht sich mehrmals auf diese Ansicht (siehe 129,15–16). Vgl. dazu 26,24–27,5; 129,14–17. Als terminus technicus bezeichnet τὸ ὑψηλόν den gehobenen Stil (vgl. Longin De sublimitate 1.1,10). Hier wird es als Ausdruck für die höhere Stellung der sokratischen Philosophie verwendet. Durch diese höhere Gesinnung seiner Philosophie, kann Sokrates sich wie unwissend verhalten, obwohl er weiß. Auf der anderen Seite kann Olympiodors Wortwahl auch als ‚Hochmütigkeit‘ aufgefasst werden. Da Olympiodor die Unwissenheit des Sokrates in einem höheren Grad der Erkenntnis betont und ihn nicht als perfekten Philosophen darstellt, wäre diese Interpretation auch passend. Vgl. Plat. Alc. 124a9–b2, siehe dazu 170,3–4. Diese Bezeichnung erwähnt Olympiodor mehrmals, die sich in der Tat nicht im Phaidros, sondern im Phaidon befindet (Plat. Phd. 85b). Vgl. 2,30. Zu diesem Zitat siehe 164,10 und Anm. 1360. Olympiodor verwendet diese Aussage aus dem Theaitetos an mehreren Stellen dieses Kommentars (vgl. Plat. Tht. 151d1–3; siehe 53,11–14). Vgl. Plat. Alc. 124b1–2. Vgl. Plat. Alc. 124b–c. Vgl. Plat. Alc. 124b4–6: ὧν σὺ εἰ ἀπολειφθήσῃ, καὶ τοῦ ὀνομαστὸς γενέσθαι ἀπολειφθήσῃ ἐν Ἕλλησί τε καὶ βαρβάροις, οὗ μοι δοκεῖς ἐρᾶν ὡς οὐδεὶς ἄλλος ἄλλου. „Mangelt es dir daran, dann wird es dir auch an dem Ruhm unter Griechen und Barbaren mangeln, den du, wie mir scheint, so leidenschaftlich begehrst wie sonst keiner irgendetwas.“ (Übers. Döring 2016). Der Vergleich mit Medizin wird in den platonischen Dialogen mehrmals verwendet (Plat. Lg. 720d–e; Phdr. 266d–272a). Olympiodor bezieht sich auf diese Metapher an mehreren Stellen des Alkibiades-Kommentars. Zur Beseitigung des Schleims vor den Augen siehe 12,10–15; vgl. 6,6–7; 225,1–5. Im Folgenden verbindet Olympiodor das Wort ἐξηγήσασθαι im Sinne von ‚erläutern‘ mit der Exegese als philosophischer Tätigkeit. Siehe dazu Kapitel B. II.1.1. Aufgabe der Exegese. Vgl. Plat. Alc. 124b7–9: Τίνα οὖν χρὴ τὴν ἐπιμέλειαν, ὦ Σώκρατες, ποιεῖσθαι; ἔχεις ἐξηγήσασθαι; παντὸς γὰρ μᾶλλον ἔοικας ἀληθῆ εἰρηκότι. „In welcher Weise muss ich mich also bemühen, Sokrates? Kannst du mir das erläutern? Denn du scheinst mir voll und ganz die Wahrheit gesagt zu haben.“ (Übers. Döring 2016). Das Orakel von Apollon spielte bei den politischen Entscheidungen Athens eine wichtige Rolle. Darüber berichten Geschichtsschreiber (vgl. Hdt. VII,141). Bei Platon wird diese Rolle des Orakels auch erwähnt (vgl. Plat. Rep. 427c). Vgl. Plat. Alc. 124b10–11: Ναί· ἀλλὰ γὰρ κοινὴ βουλὴ ᾧτινι τρόπῳ ἂν ὅτι βέλτιστοι γενοίμεθα. „Ja, das kann ich. Doch wir wollen gemeinsam darüber beraten, auf welche Weise wir so tüchtig wie möglich werden.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor interpretiert dieses Verhalten als einen Bestandteil der sokratischen Methode. Dadurch löst er die Frage, warum Sokrates im Alkibiades sagt, dass auch er selbst Sorge braucht: Das meint Sokrates nicht im wörtlichen Sinne, sondern nur um sich selbst in die gleiche Lage wie Alkibiades zu versetzen, damit er zusammen mit ihm aufsteigen kann (siehe dazu 192,8). Vgl. Plat. Alc. 124c1–2: ἐγὼ γάρ τοι οὐ περὶ μὲν σοῦ λέγω ὡς χρὴ παιδευθῆναι, περὶ ἐμοῦ δὲ οὔ· „Denn ich behaupte gewiss nicht, dass du erzogen werden musst, ich aber nicht.“ (Übers. Döring 2016). Den Gott als Vormund zu haben bedeutet in Olympiodors Ansicht, gemäß eigener Natur zu leben (vgl. 20,4–10), denn es wurde ursprünglich jedem Menschen ein göttlicher Daimon als Vormund zugeteilt.

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D. Anmerkungen Vgl. Plat. Prt. 336b–c. Zum Daimon als Zeuge unserer Handlungen und als unser Vormund siehe 23,1–10. Zu den Grundlagen dieser Auffassung vgl. Plat. Phd. 107d; Procl. in Alc. 75,3–10. Vgl. Plat. Alc. 124c9–11: ᾧ καὶ πιστεύων λέγω ὅτι ἡ ἐπιφάνεια δι’ οὐδενὸς ἄλλου σοι ἔσται ἢ δι’ ἐμοῦ. „Er ist es auch, auf den ich mein Vertrauen setze, wenn ich behaupte, dass dir das glanzvolle Erscheinen in der Öffentlichkeit durch keinen anderen ermöglicht werden wird als durch mich.“ (Übers. Döring 2016). Der Begriff ἐπιφάνεια kann sowohl auf das Erscheinen im Sinne von Ansehen oder Ruhm, der einem Menschen zuteilwird, als auch auf die Erscheinung eines göttlichen Wesens auf der menschlichen Ebene deuten. Olympiodor stellt an dieser Stelle nochmals den allgemeinen Sinn gegen den strikten Sinn eines Begriffs (siehe dazu 53,21). Hom. Il. I,599–600 (Übers. Schadewaldt 1975), mit Änderung der Präposition bei Olympiodor (περί: um das Haus) statt bei Homer διά (‚durch‘ das Haus). Vgl. Hom. Il. I,607. Die Platoniker betrachten Hephaistos als ein Symbol für den Demiurg der materiellen Welt (vgl. Herm. in Phdr. 260,22–26). Nach Proklos wird er deswegen als ‚lahm‘ dargestellt, da die materielle Welt mangelhaft ist (vgl. Procl. in Ti. II.98,9–13; in Rep. I.126,5–128,23). Vgl. Plat. Alc. 124d2–4: λέγω μέντοι ἀληθῆ, ὅτι ἐπιμελείας δεόμεθα, μᾶλλον μὲν πάντες ἄνθρωποι, ἀτὰρ νώ γε καὶ μάλα σφόδρα. „Ich sage jedoch die Wahrheit, wenn ich behaupte, dass wir der Bemühung bedürfen, in hohem Maße die Menschen insgesamt, wir beide aber ganz besonders dringend.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Hom. Il. XVI,98–99; Übers. Schadewaldt 1975, mit der Änderung des Verbs ἐκδῦμεν („hervortauchten“ bei Schadewaldt) zu φύγοιμεν (entgehen). Paraphrase Hom. Il. XVI,98–99. Zur Bezeichnung des Sokrates als Wächter der Menschheit siehe 135,2–3 und Anm. 1132. Da das Adjektiv ἀγαθός im Folgenden auf die konkreten menschlichen Eigenschaften und nicht auf ein universelles Prinzip (τὸ ἀγαθόν, das Gute) hinweist, wird es, – folgend Döring 2016 – mit dem Adjektiv ‚tüchtig‘ (daher wird der Superlativ ἅριστος: äußerst tüchtig) übersetzt. Dabei knüpft die Darstellung des Tüchtigen und Guten (ἀγαθόν) und des Edlen, Schönen und Ansehnlichen (καλόν) an die vorherigen Ausführungen an (Unterricht 11–14). Olympiodor stellt die Absicht (σκοπός) des Dialogs am Anfang des Kommentars auf gleiche Weise dar (siehe 3,3–9,20). Olympiodor zufolge werden die höheren Stufen der Tugenden im Alkibiades nicht behandelt. Die erste ‚philosophische‘ Tugend ist diejenige, die daraus besteht, sich selbst als auf politische Weise handelnden Menschen und sich als einen Teil der Polisgemeinschaft zu erkennen. Die anderen Stufen der Tugend erwähnt Olympiodor im vorliegenden Kommentar nur kurz und vergleichend. Zur Theurgie vgl. Anm. 59. Vgl. Plat. Alc. 118b8–9: διὸ καὶ ᾁττεις ἄρα πρὸς τὰ πολιτικὰ πρὶν παιδευθῆναι. „Deshalb stürmst du auch so heftig in die Politik zu, bevor du eine Ausbildung erhalten hast.“ (Übers. Döring 2016). An dieser Stelle des Dialogs stellt Sokrates die These vor, dass die Identität des Sprechers etwas anderes als die Sprache ist, die er als Werkzeug benutzt. Dementsprechend wird der Mensch als Wesen, das den Körper als Werkzeug benutzt, definiert (Plat. Alc. 129e). Olympiodor nimmt diese Definition auf und erläutert sie mehrmals im vorliegenden Kommentar (siehe dazu 202,1–212,25). Zum kathartischen Menschen als dem Menschen im Prozess der Befreiung vom Körper siehe 4,20; 5,7. Vgl. Arist. de An. 411b18–19: ποῖον γὰρ μόριον ἢ πῶς ὁ νοῦς συνέξει, χαλεπὸν καὶ πλάσαι. Olympiodors Zitat an dieser Stelle verwendet das Verb ἐφέξει (auf etwas zielen, in der Gewalt

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haben) statt συνέξει (zusammenhalten, umfassen) und stellt eine andere Reihenfolge dar. Andere Platoniker zitieren diesen Satz mit dem Verb συνέξει, und folgen meistens der Textüberlieferung von Aristoteles (vgl. Phlp. in de An. 11,22–23; 199,24; 241,35–36; De aetern. 252,14–15; 576,10–11; Simp. in de An. 78,35–79,1; Sophon. in de An. 38,29; 124,35). Gemäß Jamblichs Zuordnung folgt nach Alkibiades der Dialog Gorgias über die politische Tugend und danach Phaidon über die kathartische Tugend. Olympiodor bezeichnet Menschen mit ihren entsprechenden Tugenden, sodass jemand mit der politischen Tugend ein politischer Mensch, oder mit der theoretischen Tugend ein ‚theoretischer Mensch‘ wird. Die Ursachen an dieser Stelle können als Grundlagen aufgefasst werden. Zur Theorie der Ursachen vgl. Anm. 580 und 581. Zu den Ursachen siehe 60,1–5; Anm. 580 und 581. Zur Theorie der Ursachen im spätantikern Platonismus vgl. Procl. in Ti. I.3,14–19. Während Aristoteles vier Ursachen bestimmt, werden sechs verschiedene Ursachen im Neuplatonismus thematisiert: Materialursache (Stoffursache), Formursache, Wirkursache, Zielursache, Exemplarursache (paradigmatische Ursache), Instrumentalursache (vgl. Olymp. in Grg. 5,1–6,1). Bei Platon deutet der Begriff πρακτέον auf die notwendige oder richtige Handlung, „was getan werden muss“ (vgl. Plat. Prt. 356b8; Grg. 499e7; Rep. 457a9). Auch in ähnlichem Sinne benutzt Aristoteles πρακτά für die Themen bezüglich ethischer Handlungen als ‚das Tunliche‘ (vgl. Arist. EN 1094a19–22;1140b15–20; EE 1217a31–35; 1226a33; 1241a17). An verschiedenen Stellen wird πρακτά bei Aristoteles mit ‚Handlung‘ übersetzt, wobei es nicht selten verallgemeinernd die Fragen und Rahmenbedingungen bei den Handlungen bezeichnet; vgl. „alles, was zum Handeln gehört“ in der Übersetzung von Frede 2020. Dieser Begriff umfasst nach Joachim (1951, S. 13 und 21) auch die Objekte und Resultate der überlegten Handlungsentscheidungen. Im verallgemeinernden Zusammenhang der ethischen Handlungen wird πρακτά in der vorliegenden Übersetzung ausgehend von den Bedeutungen als ‚das Auszuführende, das Tunliche, das was getan werden muss‘ mit ‚notwendigen Handlungen‘ übersetzt. An dieser Stelle dagegen gibt Olympiodor Holz und Schiff als Beispiele für πρακτά, das dem Sinn als Objekt einer Handlung entspricht. Daher wurde πρακτά im Folgenden mit ‚Handlungsgrundlage‘ übersetzt, wenn es die materiellen Grundlagen ausdrückt, die für eine Handlung vorhanden sein müssen. Ferner wird πρακτά im vorliegenden Kommentar auch mit ‚ausgeführten Handlungen‘ wiedergegeben, insbesondere wenn es der Theorie oder Worten gegenübergesetzt wird (siehe 186,17). Damit wird πρακτά als konkrete Handlung beziehungsweise Tat von der πρᾶξις als allgemeine Bezeichnung für das Handeln und die Handlung unterschieden. Dabei muss angemerkt werden, dass Olympiodor diese Begriffe nicht konsequent differenziert, sodass er auch πράγματα (was meistens die Angelegenheiten ausdrückt) gelegentlich in dem Sinne wie konkrete Handlungen verwendet (siehe 186,23). Diese Ansicht stimmt mit Platons Definition über den Umfang des politischen Fachwissens (vgl. Plat. Plt. 305e) und seiner These überein, dass das Ziel des politischen Handelns (τέλος… πολιτικῆς πράξεως) darin besteht, dass es unterschiedliche Bürger zu einer Gemeinschaft vereinigt und ihre Fähigkeiten für das Glück des Staates harmonisiert (vgl. Plat. Plt. 311b–c). Ferner schreibt Platon auch die Aufgabe dem politischen Wissen zu, zu bestimmen, welche Handlungen auszuführen sind und welche nicht (vgl. Plat. Plt. 304d). Auch Aristoteles definiert am Anfang der Politik jede Polis als eine Gemeinschaft, welche für eine Art des Guten existiert, das in den Handlungen der Menschen bestrebt wird (Arist. Pol. 1252a1–5). An dieser Stelle wird πράττειν mit ‚Handlungen auszuführen‘ wiedergegeben. Obwohl viele Begriffe über Handlungen mit diesem Verb im Zusammenhang stehen, bezeichnen sie deren verschiedene Aspekte. Während πρᾶξις allgemein das Handeln und das gesamte Umfeld der Handlungen darstellt, bezieht sich πρακτά konkret auf die ethisch notwendigen und richtigen Handlungen,

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D. Anmerkungen ferner stellt es auch die Grundlagen und Ergebnisse dieser Handlungen dar (daher Taten und Handlungsgrundlagen, siehe dazu Anm. 1476). Die Darstellung des Demiurgs in Platons Timaios liegt Olympiodors Ausdruck an dieser Stelle zugrunde. Im Timaios wird der Demiurg bei der Schöpfung der Erde so dargestellt, dass er Ordnung zu Allem gebracht hat, was in unordentlichem Zustand ist (vgl. Plat. Ti. 30a). Das politische Fachwissen verwaltet alle anderen Fachkenntnisse (siehe dazu 65,8–11). Der Ursprung dieser Ansicht ist bei Platon zu finden (vgl. Plat. Plt. 304c–305d). Aristoteles stellt die Staatskunde in der Politik auf ähnliche Weise als der Meister aller Fachkenntnisse dar (vgl. Arist. EN 1094a20–1094b12). Vgl. Hom. Il. I,62–67. Vgl. Plat. Criti. 109c1. Vgl. Plat. Alc. 125c4–6: οὐκοῦν τῶν καὶ συμβαλλόντων ἑαυτοῖς καὶ χρωμένων ἀλλήλοις, ὥσπερ ἡμεῖς ζῶμεν ἐν ταῖς πόλεσιν. „Über solche, die Kontakte zueinander unterhalten und geschäftlich miteinander verkehren und miteinander zu tun haben, so wie dies in unserem alltäglichen Leben in unseren Poleis der Fall ist.“ (Übers. Döring 2016). Mit diesem Satz betont Olympiodor den Unterschied zwischen der theoretischen Weisheit (σοφία) und dem praktischen Sachverstand (φρόνησις). Während Weisheit sich auf die philosophische Diskussion bezieht, liegt der Sachverstand darin, die Möglichkeiten über die praktische Umsetzung zu erwägen. In diesem Sinne unterscheidet auch Aristoteles diese beiden Begriffe im ethischen Bereich: Die Weisheit ist für die theoretischen Überlegungen über die ethischen Begriffe verantwortlich, der Sachverstand hingegen regelt die sinnvolle Handlung unter den vorhandenen Möglichkeiten (vgl. Arist. EN 6,3). Bei Platon wird die Rolle der Gleichgesinntheit durch den Vergleich mit einem Gewebe dargestellt, in dem verschiedene gesellschaftliche Gruppen als Träger verschiedener Tugenden miteinander friedlich leben (vgl. Plat. Plt. 310e–311c). Hier und im Folgenden ist φιλία als eine freundliche Gesinnung aufzufassen. An dieser Stelle thematisiert Olympiodor erneut die Rolle der Frauen und Männer in der Gesellschaft, wobei er eine stereotypische Verteilung der Arbeiten darstellt. Dagegen schreibt er unten, wie Platon, dass die Männer und Frauen gleiche Tugenden besitzen können (siehe 188,13). Die Ausdrücke ‚sich auf dasselbe besinnen‘ (τὰ αὐτὰ νοοῦσι) und ‚Gleichgesinntheit‘ (ὁμονοία) haben ‚Denken‘ (νοεῖν) und ‚Vernunft‘ (νοῦς) gemeinsam. Ein Sinngehalt von ὁμονοία kann als ‚Gleichheit der Gedanken‘ aufgefasst werden. Dadurch deutet Olympiodor auf eine Übereinstimmung der Meinungen ausgehend von dem gleichen Kenntnisstand. Um den relevanten Bezug auf diese intellektuelle Einigung zu wiedergeben, wird in der vorliegenden Übersetzung ὁμονοία mit ‚Gleichgesinntheit‘, ὁμονοεῖν als ‚die gleiche Gesinnung hegen/gleicher Gesinnung sein‘ übersetzt. Vgl. Hes. Op. 25. Platon zitiert diesen Vers (vgl. Plat. Ly. 215c). Olympiodor wiederholt dieses Zitat unten (siehe 192,19). Dieser Satz wird bei Platon als ein alter Spruch zitiert (vgl. Plat. Phdr. 240c). Der Erkenntnistheorie der platonischen Philosophie zufolge stellen die Sinneswahrnehmungen eine Quelle der Abdrücke (τύποι) und dadurch Meinungen (δόξαι) als ungenaues Wissen dar (vgl. Plat. Tht. 190e–196d; Phdr. 242e; Cra. 440c; Phd. 69b). Bei den Neuplatonikern wird diese Ansicht auch öfters erörtert (vgl. Procl. in Alc. 245,5–10; in Prm. 1025,4–8; in Ti. I.248,25; 250,1–5; Herm. in Phdr. 19,23–27). Auf der anderen Seite sind die Sinneswahrnehmungen auch nach Aristoteles die niedrigste Fähigkeit des Bewusstseins (vgl. Arist. Metaph. 980a21–982a5). Vgl. Plat. Alc. 124d10–e1. An dieser Stelle ist das Zitat übereinstimmend mit Platon, vgl. oben 177,2.

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Der Lebensabschnitt als μεῖραξ ist nach einigen Quellen zwischen παῖς und νεανίσκος vor dem 21. Alter (vgl. LSJ, A), entweder vor oder gleich nach der Ephebie. Bei Platon deutet dieses Wort allgemein auf Kindheit (vgl. Plat. Tht. 173b), während es auch im negativen Sinne das ‚kindische‘ Verhalten der Erwachsenen äußert (vgl. LSJ 2). Zur Bedeutung von πρακτά siehe oben 178,5 und Anm. 1476. Olympiodor weist auf seine theoretische Untersuchung am Anfang des Unterrichts über die Materialursache des Politikers hin (siehe 178,1–15). Vgl. Plat. Alc. 124e7: ποῖα; ἆρα τὰ ἱππικά; „Was für Angelegenheiten? Die, die mit Pferden zu tun haben?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 124e9: παρὰ τοὺς ἱππικοὺς γὰρ ἂν ᾖμεν; „In diesem Fall würden wir selbstverständlich zu den Fachleuten auf dem Gebiet der Pferdezucht gehen?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 107b9–10. Olympiodor zitiert diesen Satz an mehreren Stellen (siehe 65,14–15; 69,19–20; 70,15–16). Vgl. Plat. Alc. 124e16; Übers. Döring 2016. An dieser Stelle antwortet Alkibiades auf die Frage, welche Menschen diese Angelegenheiten erledigen. Zur gegenseitigen Entsprechung der Tugenden siehe 104,26 und Anm. 896. Die Austauschbarkeit des Edlen und Schönen (καλόν) mit dem Tüchtigen und Guten (ἀγαθόν) wird in diesem Zusammenhang behandelt (siehe 126,5–10). Paraphrase Plat. Alc. 125a–b. An dieser Stelle bedeuten ἀγαθός und κακός nicht ‚gut‘ und ‚schlecht‘, sondern konkret bezüglich eines Fachwissens ‚tüchtig‘ und ‚ungeschickt‘. Vgl. Plat. Alc. 125b6–7: Ἦ οὖν λέγεις τοὺς ἀγαθοὺς ἄνδρας εἶναι καὶ κακούς; „Meinst du also, die tüchtigen Männer seien auch schlecht?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 125b9: Ἀλλὰ τίνας ποτὲ τοὺς ἀγαθοὺς λέγεις; „Aber wen meinst du denn, wenn du von tüchtigen Männern sprichst?“ (Übers. Döring 2016). Wiederholung der These, die bereits erwähnt wurde (siehe 178,17). Dies äußert Alkibiades im Folgenden. Vgl. Plat. Alc. 125c4–6: Οὐκοῦν τῶν καὶ συμβαλλόντων ἑαυτοῖς καὶ χρωμένων ἀλλήλοις, ὥσπερ ἡμεῖς ζῶμεν ἐν ταῖς πόλεσιν. „Über solche, die Kontakte zueinander unterhalten und geschäftlich miteinander verkehren und miteinander zu tun haben, so wie dies in unserem alltäglichen Leben in unseren Poleis der Fall ist.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 125c1: Ἀλλ’ οὐδὲν ποιούντων ἤ τι ποιούντων; „Über solche, die nichts tun, oder über solche, die etwas tun?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 125c4–6, siehe dazu Anm. 1504. Plat. Alc. 125d7–8. Das Thema ist weiterhin die Form des Politikers (εἶδος τοῦ πολιτικοῦ, 181,25–182,1). Diese Definition wurde oben angegeben (siehe 182,3–4). Plat. Alc. 125d10; Übers. Döring 2016. Siehe dazu oben 179,5–6 und Anm. 1483. Plat. Alc. 125e6. An dieser Stelle ist es nicht eindeutig, auf welchen Teil des Dialogs Olympiodor sich bezieht. Am Beispiel der Ungerechtigkeit nennt Alkibiades drei Teilaspekte dieses Begriffs, obwohl diese mit dem gleichen Namen bezeichnet werden können (siehe 84,10–20). Das Gleichnis über die Buchstaben wird bei Platon angegeben (vgl. Plat. Rep. 368d) und auch von Proklos verwendet (vgl. Procl. in Rep. I.12,5–13,5). Vgl. Plat. Alc. 126a6–7: Ἄμεινον δὲ διοικεῖται καὶ σῴζεται τίνος παραγιγνομένου ἢ ἀπογιγνομένου; „Was aber ist es, was vorhanden sein muss bzw. nicht vorhanden sein darf, wenn die Polis besser verwaltet und ihre Sicherheit gewährleistet werden soll?“ (Übers. Döring 2016).

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D. Anmerkungen Olympiodor erläutert vorher im Kommentar den Unterschied zwischen verschiedenen Begriffen für Krieg (siehe dazu 92,10–15). Hom. Il. IX,63–64; Übers. Schadewaldt 1975. Vgl. Plat. Alc. 126b2–5: Καὶ εἴ μ’αὖ ἔροιο· “Τίνος δὲ παραγιγνομένου ἄμεινον ὄμματα;” ὡσαύτως εἴποιμ’ ἂν ὅτι ὄψεως μὲν παραγιγνομένης, τυφλότητος δὲ ἀπογιγνομένης. „Und wenn du mich wiederum fragtest: ‚Was ist es, was vorhanden sein muss, wenn Entsprechendes fürAugen gewährleistet werden soll?‘, dann würde ich in der gleichen Weise antworten: ‚Wenn Sehkraft vorhanden und Blindheit nicht vorhanden ist.‘“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor bezieht sich auf den medizinischen Begriff für die Augenentzündung (ἐπίχυσις), die eine vorübergehende Einschränkung der Sehkraft verursacht. Nur in diesem Fall, und nicht im Fall der angeborenen Blindheit, kann die Blindheit dank menschlicher Kompetenz geheilt werden (vgl. Celsus, De Medicina VI.6,32). In diesem Zusammenhang deuten ἐπίχυσις und ὑπόχυσις auf den Augenkatarrh (vgl. Ael. NA, 7.14, Iamb. Myst. III,25; Phlp. in de An. 291,32–33). Vgl. Plat. Alc. 126c1–3: Ἐμοὶ μὲν δοκεῖ, ὦ Σώκρατες, ὅταν φιλία μὲν αὐτοῖς γίγνηται πρὸς ἀλλήλους, τὸ μισεῖν δὲ καὶ στασιάζειν ἀπογίγνηται. „Mir scheint, Sokrates, dass dies dann der Fall ist, wenn unter den Menschen gegenseitige Freundschaft herrscht, Hass und Parteikämpfe aber nicht vorhanden sind.“ (Übers. Döring 2016). Zu den Ursachen siehe 178,2 und Anm. 1475. Der Begriff ἐπ’εὐθείας bezeichnet eine geradlinige Bewegung oder einen geraden Weg. Bei einer logischen Argumentation ist es als ein ‚direkter Beweis‘ zu betrachten. In der aristotelischen Logik bezeichnet διὰ ἀδυνάτου ein Argument von der Unmöglichkeit des Gegenteils, bzw. einen indirekten Beweis. Bei diesem Verfahren wird, statt das Argument selbst zu beweisen, die Unmöglichkeit seines Gegenteils aufgezeigt. Der Begriff wird auch als ‚Unmöglichkeitssatz‘ (τόπος ἐκ τοῦ ἀδυνάτου) in der Logik behandelt. Bei Aristoteles steht δεικτικῶς im Gegensatz zu ἐξ ὑποθέσεως, zu dem auch der indirekte Beweis (durch Widerspruch: διὰ τοῦ ἀδυνάτου) gehört (vgl. Arist. APr. 40b25). Zum Argument durch die Unmöglichkeit vgl. Arist. APr. 40b17ff; 41a20ff; Phlp. in APr. 2,246. Nach Mignucci (2019) ist dieser Begriff ein Synonym für ἄτοπον und bedeutet damit sowohl widersprüchlich als auch absurd, da es nicht plausibel ist. Aristoteles spricht in diesen Fällen von διὰ τοῦ ἀδυνάτου συλλογισμός (vgl. Arist. APr. 34b30–31). Zur Erklärung des Arguments durch Unmöglichkeit an dieser Stelle des Dialogs siehe im Folgenden 188,5–10. Zu dieser Definition siehe 179,8–14 und 180,8–9. Hom. Il. VIII,57. Zum Unterschied zwischen kurzfristigen und langfristigen Zielen siehe 193,2–3. Nach Aristoteles ist eine zweite Figur ein Syllogismus, bei dem der mittlere Begriff in beiden Prämissen das Prädikat ist (vgl. Arist. APr. 26b34, siehe dazu 68,1–5). Die platonische Philosophie beschreibt die Gerechtigkeit unter anderem damit, dass die Gerechten sich mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigen (vgl. Plat. Rep. 432e–434c; Plot. I.2.1,1–15; Porph. Sent. 32; Procl. in Rep. I. 12,5–13,5). Grund dieser Annahme ist, dass in diesem Fall niemand die Rechte anderer verletzen würde und jeder seine eigene Aufgabe mit bestem Erfolg erfüllen will. Demgegenüber wird die Vielgeschäftigkeit kritisiert. Was diese Verstandesgleichheit von der Gleichgesinntheit unterscheidet, erläutert Olympiodor nicht. Ein Hinweis ist dennoch, dass die ὁμόνοια mit νοῦς (Vernunft, Sinn, Gesinnung), dagegen ὁμοφροσύνη mit φρόνησις (Verstand, Sachverstand, Klugheit) und mit dem folgenden Zitat von Homer mit φρήν identifiziert wird. Der Begriff φρήν ist schwer zu übersetzen und umfasst im weitesten Sinne die Geistes- und Verstandeskräfte. An dieser Stelle des Kommentars wird es in Bezug auf διανοία (Denkvermögen) mit „Gedanken“ übersetzt. Von der Meinung (δόξα) im Folgenden unterscheiden sich die Gedanken in Bezug auf den Verstand

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(φρόνησις), insofern es sich auf einer dianoetischen Tätigkeit der Vernunft beruht (vgl. Plat. Smp. 202a), während Meinung aus einer Vermutung auf Grundlage der Sinneswahrnehmungen entsteht (vgl. Plat. Ti. 52a). Vgl. Hom. Il. VIII,366; XIV,165; XV,81; XX,35: „mit klugen Sinnen“ bei Schadewaldt 1975. Vgl. Plat. Phdr. 240c1–2. Vgl. Plat. Alc. 126c4: Ἆρ’ οὖν φιλίαν λέγεις ὁμόνοιαν ἢ διχόνοιαν; „Meinst du mit Freundschaft Einigkeit oder Uneinigkeit?“ (Übers. Döring 2016). Die Definition von Gleichgesinntheit (ὁμόνοια) als „dasselbe zu denken“ (τὰ αὐτὰ νοεῖν) wurde im vorherigen Unterricht behandelt (siehe 179,16). Paraphrase Plat. Alc. 126d. Mit ἔχεις in der zweiten Person spricht Olympiodor seine Adressaten an. Die folgende Erläuterung dieser drei Arten der Quantitäten beruht auf der aristotelischen Philosophie. Zum Gebrauch des Begriffs der Quantität (πόσος/ποσόν) bei Platon siehe Plat. Tht. 198c; Phlb. 24b–d. Olympiodor befasst sich mit der Quantität im Gorgias-Kommentar im Zusammenhang mit der Frage über das Recht des Stärkeren (siehe dazu Bohle 2020, S. 194 und 230). Die Quantität bzw. das Quantitative hat nach Aristoteles zwei Arten: diskret (διωρισμένον) und kontinuierlich (συνεχές, vgl. Arist. Cat. 4b20–5a15). Eine Art diskreter Quantitäten sind die Zahl und die Rede, die bei den vorherigen Fragen des Sokrates erwähnt wurden. Kontinuierliche Quantitäten sind Linie, Fläche, Körper, Zeit und Ort. Bei den diskreten Quantitäten haben die Teile keine gemeinsame Grenze und sind messbar (beispielsweise ist die Rede durch Silben messbar). Bei den diskontinuierlichen Quantitäten dagegen ist eine gemeinsame Grenze zu finden möglich, beispielsweise bei der Linie ist es der Punkt, an dem ihre Teile zusammenstoßen. Den an dieser Stelle verwendeten Begriff für Gewicht (ῥοπή) beschreibt Aristoteles als eine Bezeichnung des ‚Schweren‘ (τὸ γὰρ βάρος), was ein Maß (μέτρον) für Quantität (τὸ ποσόν) ist und die Gewichtskraft bezeichnet (vgl. Arist. Metaph. 1052b25–30). Platon verwendet im Alkibiades im Folgenden für Gewicht ὁ σταθμός (vgl. Plat. Alc. 126d). Vgl. Plat. Phlb. 55e; Charm. 166b. Vgl. Plat. Alc. 126c–d. Platon beschreibt Arithmetik und Geometrie als hilfreiche Fachwissen für Dialektik (vgl. Plat. Rep. 524c–525d). Paraphrase Plat. Alc. 126c13–d5. Aristoteles erklärt das Verhältnis zwischen Gewicht und Größe, indem er ausgehend von dem Beispiel des Punktes feststellt, dass körperliche Größe nicht gleichbedeutend mit dem Gewicht sein muss. Vgl. Arist. Cael. 299a30–b7: Ἀλλὰ μὴν ὅτι τὴν στιγμὴν οὐχ οἷόν τε βάρος ἔχειν, φανερόν. Τὸ μὲν γὰρ βαρὺ ἅπαν καὶ βαρύτερον καὶ τὸ κοῦφον καὶ κουφότερον ἐνδέχεταί τινος εἶναι. Τὸ δὲ βαρύτερον ἢ κουφότερον ἴσως οὐκ ἀνάγκη βαρὺ ἢ κοῦφον εἶναι, ὥσπερ καὶ τὸ μὲν μέγα μεῖζον, τὸ δὲ μεῖζον οὐ πᾶν μέγα· πολλὰ γάρ ἐστιν ἃ μικρὰ ὄντα ἁπλῶς ὅμως μείζω ἑτέρων ἐστίν. Εἰ δὴ ὃ ἂν βαρὺ ὂν βαρύτερον ᾖ, ἀνάγκη βάρει μεῖζον εἶναι, τὸ βαρὺ ἅπαν διαιρετὸν ἂν εἴη. Ἡ δὲ στιγμὴ ἀδιαίρετον ὑπόκειται. „Dass jedoch der Punkt kein Gewicht besitzen kann, ist offensichtlich: Alles Schwere kann auch schwerer und alles Leichte leichter als etwas anderes sein. Das Schwerere oder Leichtere muss wohl nicht notwendigerweise schwer oder leicht sein, wie ja auch das Große größer sein kann, aber nicht alles Größere groß ist; es gibt nämlich vieles, das zwar schlechthin klein, dennoch aber größer als anderes ist. Wenn also das, was schwer und schwerer (als etwas anderes) ist, notwendigerweise dem Gewicht nach größer (als dieses andere) sein muss, dann müsste alles Schwere teilbar sein. Wir haben jedoch vorausgesetzt, dass der Punkt unteilbar ist.“ (Übers. Jori 2009). Dementsprechend unterscheidet Olympiodor an dieser Stelle die Begriffe Gewicht und Ausdehnung und zeigt, wie zwischen den beiden Realitäten keine direkte proportionale Beziehung besteht: Das

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D. Anmerkungen Gewicht eines Körpers wird durch die Masse und die Fallgeschwindigkeit bestimmt, nicht durch sein Volumen. Auf den entsprechenden Unterschied der metrischen Kunst und der Kunst der Gewichtung bei Platon vgl. Plat. Charm. 166b, Phlb. 55e. Der Begriff σολοικισμός deutet auf einen Fehler hinsichtlich der grammatikalischen Korrektheit der Sprache. Diese Art von Sprachfehler wird als ein Fehler im syntaktischen Gebrauch der Wörter von βαρβαρισμός unterschieden, was ein sinngemäß inkorrekter Gebrauch von Wörtern bedeutet (vgl. A. D. Synt. 198,8). In der stoischen Logik bedeutet σολοικισμός eine inkorrekte Schlussfolgerung, wie bei Chrysipp (περὶ σολοικισμῶν, Titel eines Werkes von Chrysipp, vgl. SVF 2,13; D. L. VII, 189). Zur Kritik des Soloikismos bei Platon vgl. Plat. Rep. 397a. Am folgenden Beispiel deutet dieser Begriff darauf, dass die Sprache eines Texts seinen Inhalt widerspiegeln soll. Das zeigt nach Olympiodors Ansicht ein Beispiel von Homer, wo die unordentliche Bewegung eines Pferdes mit inhaltlich passenden Wörtern beschrieben wird. Hom. Il. VI,506 (Übers. Schadewaldt 1975). Vgl. Hom. Il. VI,511: ῥίμφά ἑ γοῦνα φέρει μετά τ’ ἤθεα καὶ νομὸν ἵππων· „Tragen es leicht die Knie zu den gewohnten Plätzen und der Pferdeweide“ (Übers. Schadewaldt 1975). Wenn Platon seinen Gesprächspartner in seiner Sprache nachahmt, geschieht es im philosophischen Kontext und kann daher keine falsche Grammatik beinhalten, da der platonischen Philosophie zufolge die Dialektik selbstverständlich die Sprache korrekt verwendet. Vgl. Plat. Alc. 126d8–9: Ἣν δὲ δὴ σὺ λέγεις ὁμόνοιαν, τίς ἐστι καὶ περὶ τοῦ, καὶ τίς αὐτὴν τέχνη παρασκευάζει; „Kommen wir nun also zu der Einigkeit, von der du sprichst: Um was für eine Form von Einigkeit handelt es sich und worauf bezieht sie sich und welches Fachwissen bringt sie hervor?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor interpretiert die Frage des Sokrates im Sinne von Wirkursache. Vgl. Plat. Alc. 126d8–9. Vgl. Plat. Alc. 126d13–14: μὴ κάμῃς ἀποκρινόμενος, ἀλλὰ προθυμοῦ εἰπεῖν. „Werde nicht müde mir zu antworten, sondern fass dir ein Herz und sag es mir.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Grg. 466c–d. Diese Definition befindet sich im vorherigen Unterricht (siehe 179,9). Für πρακτά als auszuführende Handlungen im ethischen Bereich siehe 178,3 und Anm. 1476. Als Form der Lehre deutet διδαχή darauf, dass dabei die Vermittlung der normativen Regelungen, beispielsweise im militärischen Bereich, erfolgt. In diesem Sinne kann es als ‚Instruktion‘ aufgefasst werden. Zu diesem Begriff siehe Plat. Lg. 788a; 968c; Rep. 399b; Procl. in Alc. 180,13. Die Gleichstellung der politischen, ethischen und häuslichen Sphäre beruht auf der platonischen These, dass die Ordnung der Polis der Ordnung der Seele entspricht (vgl. Plat. Rep. 368d–e). Zu πράγματα als Angelegenheiten siehe Anm. 1476. Zur Gegenüberstellung von Angelegenheiten und Wesen vgl. Anm. 668. Vgl. Plat. Alc. 114b–d. Als Bezeichnung einer Person und der dazugehörender Tugendstufe wird das Adjektiv ἠθικός in der vorliegenden Übersetzung mit ‚ethisch‘ übersetzt. Dies entspricht nicht dem Sinn des ‚moralisch Richtigen‘, sondern einer Person, die ethische Handlungen im gesellschaftlichen Rahmen vornimmt. An dieser Stelle spricht Olympiodor mit dem Imperativ εἰπέ erneut seine Adressaten direkt an. Im Folgenden wird mit λόγος die erweiterte und ausgedehnte Rede aufgefasst, die sich von kurzen Antworten mit „Ja“ und „Nein“ unterscheidet und vielfältigere Erklärungen ermöglicht. Siehe dazu 102,5–10.

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Investigative Fragen sind offene Fragen, die man mit vollständigen Aussagen beantworten kann (siehe dazu 99,1–5). Hom. Od. 1,170 (Übers. Schadewaldt 1958). Vgl. Plat. Alc. 126d9–11: καὶ ἆρα ἥπερ πόλει, αὑτὴ καὶ ἰδιώτῃ, αὐτῷ τε πρὸς αὑτὸν καὶ πρὸς ἄλλον; „Und ist sie dieselbe für die Polis und für den einzelnen Menschen und für ihn sowohl im Verhältnis zu sich selbst als auch im Verhältnis zu einem anderen?“ (Übers. Döring 2016). Für den Zusammenhang zwischen dem Menschen und der Polis in der platonischen Philosophie vgl. Plat. Rep. 368d–369a. Vgl. Plat. Alc. 126d12, Übers. Döring 2016. Plat. Alc. 114b–d, siehe oben 186,24–25. Vgl. Plat. Alc. 126e2–4: Ἐγὼ μὲν οἶμαι φιλίαν τε λέγειν καὶ ὁμόνοιαν, ἥνπερ πατήρ τε ὑὸν φιλῶν ὁμονοεῖ καὶ μήτηρ, καὶ ἀδελφὸς ἀδελφῷ καὶ γυνὴ ἀνδρί. „Ich glaube, ich meine die Freundschaft und die Einigkeit, die einen Vater und eine Mutter, die einen Sohn lieben, mit diesem einig sein lässt und einen Bruder und einen Mann mit einer Frau.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 126e2–4. Vgl. Plat. Alc. 126e5–7: Οἴει ἂν οὖν, ὦ Ἀλκιβιάδη, ἄνδρα γυναικὶ περὶ ταλασιουργίας δύνασθαι ὁμονοεῖν, τὸν μὴ ἐπιστάμενον τῇ ἐπισταμένῃ; „Meinst du also, Alkibiades, ein Mann könnte mit einer Frau in Bezug auf das Spinnen von Wolle einig sein, er, der nichts davon versteht, mit ihr, die sich darauf versteht?“ (Übers. Döring 2016). Zum Argument durch Unmöglichkeit siehe oben 183,20. Vgl. Eur. Med. 245. In diesem Vers sagt Medea, dass unglückliche Männer ihr Haus verlassen dürfen, wobei es für Frauen nicht erlaubt ist. Olympiodors Bemerkung an dieser Stelle über die Frauen ist zweideutig, da sie einerseits belastbarer sind als Männer, andererseits mit Maultieren verglichen werden. Olympiodor spricht im Folgenden jedoch gegen die Differenzierung der Männer und Frauen (siehe dazu 189,8–10). Vgl. Plat. Rep. 454d–457c. Nach Platon sollen Frauen den gleichen Anteil wie Männer in der Verwaltung und Bildung haben, wenn eine Verfassung richtig geordnet ist (vgl. Plat. Rep. 456c; Lg. 780e–781d; 805d–806d). Die Ungleichheit der Geschlechter ist ein Zeichen der schlechten Staatsverfassung, wie in Athen zur Platons Zeit. Diese Bemerkung könnte auch auf Olympiodors Ansicht über seine Gesellschaft hinweisen. Daher ist es nicht eindeutig, welche als „derartige“ Verfassung bezeichnet wird, ob sie diejenige in Platons Zeit oder die „aktuelle“ in Olympiodors Zeit ist. Ausgehend von der Wiederholung dieser Bemerkung im folgenden Unterricht (195,4–5) ist es plausibel, dass Olympiodor auf eine Verfassung deutet, die gegensätzlich zu der platonischen Politeia eine solche Differenzierung der Arbeiten zwischen Männer und Frauen ordnet. Vgl. Plat. Alc. 127a1–2: Τί δέ; γυνὴ ἀνδρὶ περὶ ὁπλιτικῆς δύναιτ’ ἂν ὁμονοεῖν μὴ μαθοῦσα; „Und weiter: Könnte eine Frau mit einem Mann in Bezug auf das Fachwissen in Umgang mit Waffen einig sein, wenn sie es doch nicht gelernt hat?“ (Übers. Döring 2016). In Platons Politeia wird dargelegt, dass die Frauen sich in den gleichen Bereichen wie Männer beweisen können, wenn sie gleiche Themen wie Männer lernen. In den Gesetzen verwendet Platon auch das Beispiel der Amazonen, um zu diskutieren, ob die Frauen einen halben Anteil bei den Kriegsübungen erhalten sollten, wie bei anderen Tätigkeiten (Plat. Lg. 806a–b). Vgl. Plat. Alc. 127a4–5: Ἀνδρεῖον γὰρ τοῦτό γε ἴσως αὖ φαίης ἂν εἶναι. „Du würdest das vermutlich wiederum als eine spezifisch männliche Fachkenntnis bezeichnen?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 127a4–5, siehe Anm. 1572. Olympiodor deutet daraufhin, dass Sokrates diese Bereiche nicht als „männlich“ bezeichnen würde, da es keine grundsätzlichen Unterschiede

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D. Anmerkungen zwischen Männern und Frauen im Bereich der Tugend gibt. Deshalb schreibt Sokrates diesen Ausdruck Alkibiades zu und sagt „würdest du sagen“. Diese These behandelt Platon in der Politeia (vgl. Plat. Rep. 451d). Siehe dazu oben 194,17–195,2. Vgl. Plat. Rep. 456b–457c; Procl. in Rep. I.46,1–47,5. Vgl. Plat. Alc. 127a13: Οὐδ’ ἄρα φιλία, εἴπερ ἡ φιλία ὁμόνοια ἦν. „Also auch keine Freundschaft, wenn denn die Freundschaft Einigkeit war.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 127b5–6: Οὐδ’ εὖ ἄρα ταύτῃ οἰκοῦνται αἱ πόλεις, ὅταν τὰ αὑτῶν ἕκαστοι πράττωσιν; „Und die Poleis werden also auf diese Weise nicht gut verwaltet, wenn die einzelnen Menschen ihre je spezifischen Tätigkeiten ausüben?“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 127a–b. Vgl. Plat. Alc. 127b10–11: Ἀλλά μοι δοκεῖ καὶ κατὰ τοῦτ’ αὐτοῖς φιλία ἐγγίγνεσθαι, ὅτι τὰ αὑτῶν ἑκάτεροι πράττουσιν. „Mir scheint jedoch, dass auch deshalb in ihnen Freundschaft herrscht, weil beide, Männer wie Frauen, ihre je spezifischen Tätigkeiten ausüben.“ (Übers. Döring 2016). Dieser Satz wird auch in den Scholia zu Alkibiades als Erklärung für Sokrates’ Ausdruck οὐκ ἄρτι γε (127c1) angegeben (vgl. Scholia in Plat. Alc. 127b4). Vgl. Plat. Alc. 127c5–6: Δίκαια δὲ πράττουσιν ἢ ἄδικα, ὅταν τὰ αὑτῶν ἕκαστοι πράττωσιν; „Handeln die einzelnen Menschen gerecht oder ungerecht, wenn sie ihre spezifischen Tätigkeiten ausüben?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 127d6–8: Ἀλλὰ μὰ τοὺς θεούς, ὦ Σώκρατες, οὐδ’ αὐτὸς οἶδ’ὅτι λέγω, κινδυνεύω δὲ καὶ πάλαι λεληθέναι ἐμαυτὸν αἴσχιστα ἔχων. „Bei den Göttern, Sokrates, auch ich selbst weiß nicht mehr, was ich meine, und schon lange scheine ich, ohne es zu merken, in einer äußerst beschämenden Verfassung zu sein.“ (Übers. Döring 2016). Hier liegt ein weiteres Zitat aus Aristides’ Rede gegen Platon vor (Aristid. Or. 46.307,6–7; siehe Anm. 53). Olympiodor bezieht sich im Gorgias-Kommentar darauf, dass Aristides Demosthenes als Hermes bezeichnete, während Demosthenes Platon gelobt habe (vgl. Olymp. in Grg. 41.10,17–20). Die Ähnlichkeit zu Hermes scheint bei den Exegeten die Bedeutung der rednerischen Fähigkeiten hervorzuheben: So betrachtet Damaskios Isidoros als einen Philosophen nach dem Muster des Hermes (Dam. Isid. Fr. 16). Eine Anspielung auf Sokrates’ Vater Sophroniskos, der Steinmetz war. Möglicherweise war die Ansicht, dass Sophroniskos Hermesstatuen angefertigt habe, bereits im mittleren Platonismus verbreitet. Stobaios nennt Plutarchs Κατὰ εὐγενείας (De nobilitate, das dem Biographen Pseudo-Plutarch zugeordnet wird) als eine Quelle dazu (vgl. Stob. 4.29.22,6–7; Plu. Fr. 140,8). Erwähnt wird Sokrates als der Sohn des Hermesschnitzers auch bei Lukian (vgl. Luc. Somn. 12,10–18). Kyrill nennt dazu Porphyrios als Quelle (vgl. Cyrill. c. Iul. 6.34,11–18). In diesem Vers wird dargestellt, wie Hermes mit seinem Stab die Augen der Männer verzaubert. Vgl. Hom. Il. XXIV,344; Od. 5,48; 24,4: ὧν ἐθέλει, τοὺς δ’ αὖτε καὶ ὑπνώοντας ἐγείρει· „von welchen er es will, und auch die Schlafenden wieder aufweckt“ (Übers. Schadewaldt 1975). Paraphrase Plat. Alc. 127d9–e3. Vgl. Plat. Rep. 536d. Hom. Il. XXII,71. Paraphrase Plat. Alc. 127d9–e3. Hom. Od. 11,315 (Übers. Schadewaldt 1958). Die Geschichte von Otos und Ephialtes wird in der Odysseia behandelt (vgl. Hom. Od. 11,305–321). In den mythologischen Darstellungen sind Otos und Ephialtes Söhne des Poseidons und der Iphimedeia. Bei Homer wird dargestellt, dass sie die Berge Pelion und Ossa und Olymp aufeinandergereiht und damit versucht haben, in den Himmel zu steigen und die Götter zu entthronen. Wegen dieses Verhaltens wurden sie bestraft und von Apollon getötet (vgl. Hom. Od. 11,319–20). Nach einer anderen Darstellung haben sie

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Ares in einen Pithos gesperrt, aus dem er von Hermes befreit wurde. Deshalb werden sie von Artemis dazu getrieben, Pfeile aufeinander zu schießen (vgl. Hom. Il. V,385–391). Die „Hebeschraube“ (βαρουλκός) wird als ein mechanisches Gerät bei Heron von Alexandria erwähnt (vgl. Fr. 2.1) und bei Pappos wird die Erfindung dieses Geräts Archimedes zugeschrieben (vgl. Papp. 8.1060,1–10). Dieser ‚Gewichtheber‘ bestand aus aneinandergereihten Zahnrädern, durch deren Drehung große Gewichte mit geringem Kraftaufwand gehoben werden konnten. Dieser Spruch von Archimedes wird in den Quellen in verschiedenen Formen überliefert (vgl. Plu. Marc. 14,12; Papp. 8.1060,3–4; Plb. 8,5–8; Procl. in Euc. I.63,15–64,2). Olympiodors Version stimmt in vielen Punkten mit der von Pappos überein [vgl. Papp. 8.1060,3–4: δός μοί (φησι) ποῦ στῶ καὶ κινῶ τὴν γῆν]. Olympiodor hat βῶ (gehen) statt στῶ (stehen). Archimedes soll der Überlieferung zufolge bei der Erfindung des Geräts diesen Satz ausgesprochen haben: „Δός μοι ποῦ στῶ, καὶ τὴν γῆν κινήσω“ („Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln“). Diese Bemerkung (ἀδύνατον γὰρ μὴ εἶναι ἐν τόπῳ) scheint nicht mit den vorherigen Ausführungen verknüpft zu sein und wird wahrscheinlich von Olympiodor im Zusammenhang mit physikalischen Gesetzen verwendet. Darin liegt wiederum ein Hinweis auf die Position, dass im Universum alles in einem Raum ist. Gegen die Auffassung der Demokriteer, dass es eine Leere gibt, hat Olympiodor bereits Kritik geäußert (vgl. 92,6–7; Anm. 795). Die Leere bezeichnet bei Demokrit einen grenzenlosen Raum, in dem sich Atome befinden (ἄτομα καὶ κενόν, DK B 125). Nach Platons Timaios befindet sich das Eine nirgendwo, dagegen alles andere ist in einem Ort (vgl. Plat. Ti. 52a–b). Ebenfalls bei Aristoteles äußert die „Raum-These“ einen naturwissenschaftlichen Grundsatz (Arist. Ph. 205b32). Die Neuplatoniker beziehen sich auf diesen Grundsatz, um den Unterschied zwischen körperlichen und göttlichen Wesen zu verdeutlichen, dass die ersteren mit einem bestimmten Platz/Raum bestimmt und beschränkt sind (Porph. Sent. 1,33; Iamb. in Ti. Fr. 90; Protr. 72,20–73,15). Vgl. Plat. Alc. 127e5–7: Ἀποκρίνεσθαι τὰ ἐρωτώμενα, ὦ Ἀλκιβιάδη· καὶ ἐὰν τοῦτο ποιῇς, ἂν θεὸς θέλῃ, εἴ τι δεῖ καὶ τῇ ἐμῇ μαντείᾳ πιστεύειν, σύ τε κἀγὼ βέλτιον σχήσομεν. „Auf das antworten, was man gefragt wird, Alkibiades. Und wenn du das tust, dann wird sich, so Gott will und sofern man meiner Prophezeiung ein wenig trauen darf, sowohl deine als auch meine Verfassung bessern.“ (Übers. Döring 2016). Zu dem göttlichen und dem zugeteilten Daimon siehe 20,5. Vgl. Plat. Alc. 127e5–7, siehe oben Anm. 1594. Siehe dazu 69,21–70,3. Da Alkibiades natürlicheTugenden hat, und damit die Voraussetzung, Philosophie zu erlernen. Vgl. Plat. Alc. 127e5–7, siehe oben Anm. 1594. In diesem Unterricht behandelt Olympiodor kein neues Lemma aus dem Alkibiades, sondern fasst die Themen des vorherigen Unterrichts zusammen. Es befindet sich dementsprechend auch keine theoretische Untersuchung. Zu diesem Lemma siehe 183,15. An dieser Stelle liest Griffin die Zuneigung und die Gleichgesinntheit mit dem Dativ (στοργῇ, ὁμονοίᾳ), im Vergleich zu der folgenden Textstelle in 193,4–5. Während es mit dem Verb ὑπάρχειν im Sinne von ‚zugrunde liegen, bei etwas bestehen‘ Dativ notwendig ist, wäre der Gebrauch des Verbes mit Nominativ im Sinne von ‚sein, existieren‘ bei Olympiodor nicht ungewöhnlich. Die Erläuterung über die Existenz des Daimons als Bewusstsein (23,2: τὸ συνειδὸς ὑπάρχειν) bietet ein weiteres Beispiel dazu. Siehe dazu Anhang 6: ‚ Bewusstsein‘. Olympiodor verwendet an dieser Stelle einen Ausdruck aus der Aussagenlogik. Dabei werden Zwietracht und Gleichgesinntheit, sowie Feindschaft und Freundschaft, als Gegensätze aufgefasst. Nach diesem Schema sind zwei Prämissen miteinander gleichzusetzen, wenn der Gegensatz von der ersten Prämisse (Zwietracht) dem Gegensatz von der zweiten Prämisse

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D. Anmerkungen (Feindschaft) entspricht. Da das Argument für diese Gleichstellung durch die Gleichheit ihrer Gegensätze entsteht, betont Olympiodor, dass diese zuerst kommt, damit die Gleichstellung der Begriffe als das Zweite daraus folgt. Hes. Op. 25. Dieses Zitat wird im Kommentar wiederholt (siehe 179,19–20). Siehe dazu 184,1–10. Siehe dazu 185,5. Zur Definition der Gleichgesinntheit (ὁμόνοια) als „dasselbe denken“ (τὰ αὐτὰ νοεῖν) siehe 179,16; 185,5. Siehe dazu 192,19–20. Diese Frage wurde bereits behandelt (siehe 186,8). Das ist eine Wiederholung der These, die im vorherigen Unterricht erörtert wurde (siehe 186,16–17). Zu den auszuführenden bzw. ausgeführten Handlungen siehe 178,3 und Anm. 1476. Siehe dazu 186,10. Die Wirkursache paraphrasiert Olympiodor aus der Frage des Sokrates (Plat. Alc. 126d9: καὶ τίς αὐτὴν τέχνη παρασκευάζει; „Welches Fachwissen bringt sie hervor?“). Dieses Argument wiederholt im Kommentar, siehe 186,20–22. Vgl. Plat. Ap. 20b. Diese Fragen stellt Sokrates bezüglich des Lehrers, den Kallias erwähnt. Olympiodor diskutiert die mehrfachen Fragen von Sokrates im vorherigen Unterricht (siehe 186,8–15; 187,8–16). Obwohl man nicht viele Fragen auf einmal stellen soll, betont Olympiodor in diesen Fällen, dass es in einem platonischen Dialog möglich ist, wie auch ein Beispiel von Homer zeigt, da eine investigative Befragung auf einmal mehrere Fragen stellen und beantworten kann. Plat. Alc. 126d12; Übers. Döring 2016. Siehe dazu 187,21. Aristoteles erläutert die Ansicht einiger Menschen, dass Politiker (πολιτικός), König (βασιλικός), Hausverwalter (οἰκονομικός) und Familienoberhaupt (δεσποτικός) eine einheitliche Natur haben und sich voneinander nur durch die Größe ihres Herrschaftsbereichs unterscheiden. Dagegen wendet er ein, dass diese Arten von Gemeinschaften jeweils unterschiedliche Bedürfnisse und ein eigenes Motiv für ihre Gründung haben, sodass ihre Herrschaftsform auch nicht gleich sein kann (vgl. Arist. Pol. 1252a1–25). Durch diese Aussage betont Olympiodor die neuplatonische Ansicht, dass die platonische Philosophie der aristotelischen überlegen ist. Deshalb bestand die philosophische Bildung in der Schule des Ammonios in den Anfangsphasen aus der aristotelischen Philosophie (insbesondere Logik), als höhere Bildung wurde jedoch die platonische Philosophie betrachtet. Vgl. Plat. Alc. 126e2–4; siehe dazu 187,24. Dieses Beispiel über die Erkenntnis der einzelnen und konkreten Dinge wird im Kommentar wiederholt (siehe 182,20–23 und Anm. 1513). Olympiodor betrachtet Alkibiades’ Schwierigkeit an dieser Stelle, dass er nur konkrete Beispiele nennen kann, obwohl er nach der platonischen Philosophie eine universelle Definition der Zuneigung suchen musste. Vgl. Plat. Alc. 126e5–7; siehe 188,5. Siehe dazu 179,9; 184,2 und 186,16. Vgl. Plat. Alc. 127a4–5, siehe 189,3. Vgl. Plat. Rep. 455d–e. Dazu siehe 189,5–10. Aristoteles vertritt das Gegenteil in Pol. 1257b20–25. Dies ist eine merkwürdige Bemerkung von Olympiodor, die bisher keine Erklärung gefunden hat. Möglicherweise verbirgt sich dahinter ein platonischer Gedankengang, wie die Geschichte von den „Kugelmenschen“ im Symposion zeigt, dass Männer und Frauen ursprünglich eine gemeinsame Natur hatten. Zu männlichen und weiblichen Geschlechtern siehe 189,2–10. Siehe dazu 188,13–15; vgl. Plat. Rep. 454d–457c. An dieser Stelle führt Olympiodor ein Beispiel von Homer an, wobei der Text den handelnden Charakter an der entsprechenden Stelle bei Olympiodor als Agamemnon identifiziert. Bei

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Homer ist dagegen an dieser Stelle Menelaos derjenige, der die Stute des Agamemnons mit seinem Hengst Podargos zusammengebunden und so die männlichen und weiblichen Geschlechter kombiniert hat (vgl. Hom. Il. XXIII,293–295). Vgl. Hom. Il. XXIII,295. Siehe dazu im vorherigen Unterricht 188,15. Vgl. Plat. Alc. 127a. Zur Definition der zweiten Figur siehe 184,10–15; vgl. 68,1–5. Vgl. Plat. Alc. 127b5–6; siehe 189,13. Siehe 184,11–20. Zu einem Syllogismus der ersten Figur ausgehend von Negationen vgl. Arist. APr. 26a5–10. Zum Vorsyllogismus (bzw. Prosyllogismus) siehe 68,1–5 und Anm. 648. Vgl. Plat. Alc. 127b8–9: πῶς λέγεις, φιλίας μὴ παρούσης, ἧς ἔφαμεν ἐγγιγνομένης εὖ οἰκεῖσθαι τὰς πόλεις, ἄλλως δ᾽ οὔ; „Wie meinst du das? Dass Poleis gut verwaltet werden, wenn keine Freundschaft vorhanden ist, wenn wir doch sagten, dass sie nur dann gut verwaltet werden, wenn Freundschaft in ihnen herrscht, anders aber nicht?“ (Übers. Döring 2016). Das Adverb ‚schön‘ (καλῶς) deutet darauf, dass eine Handlung auf geeignete Weise durchgeführt wird. An dieser Stelle wird es als Ersatz für εὖ (‚gut‘: siehe 196,2–3) im gleichen Sinne verwendet. Paraphrase Plat. Alc. 127b10–11. Dieser Ausdruck entspricht der früheren Definition der Gleichgesinntheit als „Kenntnis der gleichen Dinge“ (siehe oben 194,13). Zur analytischen und synthetischen Methode vgl. Anm. 773 und 1049. Vgl. Plat. Alc. 127d1–5. Plat. Alc. 127d6–8; siehe 190,12. Siehe ebd. Siehe ebd. Plat. Sph. 227d–228e; vgl. 124,14–125,5. Zu Verderbtheit (πονηρία) und Krankheit siehe 124,15–20. Vgl. Plat. Alc. 127e5–7. Zu dieser Stelle siehe 191,19–192,8. In diesem Unterricht beginnt Olympiodor die Stellen des Dialogs zu kommentieren, die von der Selbsterkenntnis handeln. Auf diese Weise knüpft der Kommentar an die am Anfang angekündigten Absicht (σκοπός) des Dialogs an (siehe 3,3–9,19). Im Alkibiades ist die Selbsterkenntnis eng mit dem Verb ἐπιμελέομαι verbunden, das im Sinne von ‚sich um etwas zu sorgen‘ oder ‚pflegen, kultivieren‘ aufgefasst wird. Siehe dazu Anm. 1195 und 1427. Das Wesen des Menschen wird mit dem Pronomen ‚ich‘ aufgefasst, während ‚das Meinige‘ der Körper bedeutet, den die Seele als Werkzeug benutzt. Ferner sind die Dinge, die dem Meinigen gehören, die äußeren Besitztümer. Diese drei Aspekte der Selbsterkenntnis wurden am Anfang des Kommentars thematisiert (siehe 3,12). Diese drei Stufen um die Persönlichkeit werden auch bei anderen Platonikern erwähnt (vgl. Iamb. Protr. 28,19–26; Elias in Porph. 22,35; 23,1; David Proll. 41,7–9). Olympiodor verwendet häufig den Ausdruck ‚sie rätseln darüber/stellen Aporien dar‘ (ἀποροῦσιν). In diesem Zusammenhang bezeichnet ἀπορία eine Frage, welche die Exegeten über die widersprüchlichen Aspekte einer Argumentation stellen. Siehe dazu 52,21–23; 95,1–3; 127,4–5. Der platonischen Philosophie zufolge existiert die Seele vor ihren Handlungen auf der intelligiblen Ebene und besitzt als das erste Eigentum die Vernunft. Auf der Ebene des körperlichen Lebens hingegen ist dieTätigkeit das wichtigste Eigentum der Seele, durch die sie den Körper als Werkzeug verwendet (vgl. Procl. Theol. Plat. I. 47,6–15; Inst. 191; Dam. Pr. I.23,1–11).

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D. Anmerkungen Zum Begriff ‚Aporie‘ siehe Anm. 1648. Olympiodor bezieht sich auf die Exegeten zum Alkibiades (siehe dazu 197,16). Die körperliche Ertüchtigung und die Medizin als die Fertigkeiten, die sich um den Körper kümmern, werden bei früheren Platonikern behandelt (vgl. Iamb. Protr. 38,16–17; Procl. in Ti. I.41,16–17). Die Sorge um sich und die Bemühung um Kultivierung (ἐπιμέλεια) ist der Weg zur Vollkommenheit (τελειότης) eines Wesens. Die neuplatonische Philosophie unterscheidet verschiedene Stufen der Wesen, deren Vollkommenheit durch verschiedene Kriterien geschehen kann. Nach Proklos kommt das Wesen vor der Vollkommenheit, wie er zu Beginn feststellt, und somit das Hauptthema des Dialogs und seines Kommentars bestimmt (vgl. Procl. in Alc. 1,1–5). In Bezug auf die Vollkommenheit der verschiedenen Lebewesen behandelt Aristoteles ihre richtige „Ernährung“ (τροφή, vgl. Arist. de An. 416a–b). Die Aufgaben der vegetativen Seele bestehen darin, die Ernährung, Wachstum (αὔξησις) und Veränderung (ἀλλοίωσις) zu regulieren (vgl. Arist. de An. 415b23–27). Das Verb „erneuern“ (ἀνυφαίνειν) wird bei Platon im wörtlichen Sinne als „neu weben“ verwendet und äußert die Ansicht, dass die Seele in einen neuen Körper gelangt und sich diese Kleidung „neu webt“ (vgl. Plat. Phd. 87e). Dadurch knüpft Olympiodor, wie Platon, wiederum an die Gewandmetapher an, die im vorliegenden Kommentar öfters verwendet wird (siehe 74,9–11; 100,15–18, 106,25–107,15; 108,24–109,1). Hom. Il. I,288. Zur Willenskraft bei Platon vgl. Rep. 440c–441c; Lg. 633b. Siehe im vorliegenden Kommentar 33,8–11; 38,14–15; 50,25–51,15. Olympiodor betont in diesem Satz erneut, dass das Wesen des Menschen nicht die Seele in ihrer Dreiteilung ist, sondern der vernunftbegabte Seelenteil. Obwohl Willenskraft durch die Mäßigung der Affekte und die Begierde durch die Pflege des Körpers und die Beschaffung der Besitztümer dazu beitragen, dass der Mensch sich der Vernunft widmen kann, sind diese beide Seelenteile dennoch nicht wesentlich für den Menschen. An dieser Stelle bezieht sich Olympiodor auf die neuplatonische Tugendgrade (siehe dazu 4,20; 5,7). Der politische Mensch harmonisiert die drei Teile der Seele (vgl. Plat. Rep. 443c–e), indem er die unvernünftigen Teile der Seele in Maßen benutzt. Dagegen bemüht sich der Kathartische, sich von seiner unvernünftigen Seite zu befreien. Der theoretische Mensch ist dagegen die vernunftbegabte Seele, die sich selbst betrachtet und von seinem unvernünftigen Teil unabhängig wird. Olympiodor merkt an, dass nach der Darstellung der Selbstsorge auch bestimmt werden sollte, was die richtige Sorge für den Menschen ist, wobei stattdessen erörtert wird, was der Mensch ist. Sokrates behandelt zunächst die richtige Sorge um etwas (vgl. Plat. Alc. 128a–e). Dabei wird die Notwendigkeit gesehen, dass der Mensch zunächst definiert werden muss, um die richtige Sorge um uns selbst zu erkennen. Was die Sorge um uns selbst ist, wird erst später im Dialog angesprochen, nachdem festgestellt wurde, „was wir sind“ (vgl. Plat. Alc. 132b). Olympiodor bestimmt Lernen (μανθάνειν) und Erkennen (γιγνώσκειν) als zwei Wege zur Erkenntnis (siehe dazu 38,1–5; 63,10–20; 67,23–25). In diesem Zusammenhang wird der Gegensatz zwischen Medizin und Philosophie öfters als Beispiel angeführt (siehe 6,5–11; 140,18–141,3). Gemäß der platonischen Philosophie beinhaltet die Seele Prinzipien (λόγοι) aller Seienden. Diese Prinzipien stellen eine Abbildung der Formen dar, die sich auf der intelligiblen Ebene befinden (vgl. Plot. IV.3.10,10–13; Procl. Inst. 195; in Alc. 92,3–15). Zu den Begriffen bezüglich der Abbilder siehe 211,6–7. Die Bezeichnung ‚Abbildung in jeder Form‘ (πάμμορφον ἄγαλμα) befindet sich außer bei Olympiodor nur bei den chaldäischen Orakeln (vgl. Orac. Chald. 186bis; Olymp. in Phd. 4.2,3; 11.7,2). Vgl. dazu πάμμορφον εἰδώλων (Cyrill. c. Iul. 6.14,33); παμμόρφους ἰδέας (Orac. Chald. 37,2; Procl. in Prm. 935,3; Dam. in Prm. 178,1–2). Olympiodor wiederholt an dieser Stelle die zu Beginn geäußerte These, dass die Erkenntnis der Seele für die Erkenntnis aller Seienden reicht (siehe dazu 10,5–10).

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Zur Gerechtigkeit als ein Prinzip in der Seele siehe 109,7–8; 110,2. Die Verknüpfung von Tugend und Bildung ist eine platonische Position, die auch im Gorgias vorgestellt wird (vgl. Plat. Grg. 460b; Olymp. in Grg. 10.1,14–2,1). Die Platoniker vertreten weitgehend diese Position, dass Tugend gelernt werden kann und ausgehend von der Erkenntnis um Tugend auch notwendigerweise das tugendhafte Verhalten ausgeführt wird. Nach Aristoteles hingegen sind die Erkenntnis der Tugend und das tugendhafte Handeln nicht miteinander verbunden, da die Tugend nicht gelernt werden kann, wie man Geometrie mit wissenschaftlicher Vorgehensweise lernt (vgl. Arist. EE 1216b2–25). Der Spruch in Delphi wird außerhalb des Alkibiades auch in anderen platonischen Dialogen behandelt, vgl. Plat. Charm. 165a; Phdr. 229b–230a; Prt. 343b. Wie oben im Fall von ‚ich‘ und ‚Meinigen‘, betont Olympiodor mit dem Genitiv (τοῦ αὐτοῦ) und mit doppeltem Genitiv (τῶν τοῦ αὐτοῦ) die Entfernung der Äußerlichkeiten zu dem wahren Selbst. Paraphrase Plat. Alc. 128a1–3. Paraphrase Plat. Alc. 128a8–9. Aristoteles erläutert in der Physik, dass Parmenides den Unterschied zwischen einer Sache und ihrem Zugrundeliegenden nicht eingesehen hat (vgl. Arist. Ph. 186a30–32: οὐ γὰρ ᾗ χωριστὸν ἀλλὰ τῷ εἶναι ἕτερον τὸ λευκὸν καὶ ᾧ ὑπάρχει. ἀλλὰ τοῦτο Παρμενίδης οὔπω συνεώρα.). Ausgehend von dem platonischen Dialog Parmenides wird er als Platons Lehrer betrachtet. Siehe dazu 197,15–198,2. Zum Begriff ‚Aporie‘ siehe Anm. 1648. Zum Gegensatz zwischen dem Wesen (οὐσία) und der Tätigkeit (ἐνέργεια) der Seele siehe 197,21–23. Diese drei Aspekte wurden am Anfang des Kommentars thematisiert, vgl. dazu 197,13–14. Paraphrase Plat. Alc. 128b–c. Vgl. Plat. Alc. 128e5–6: Ἦ οὖν ἔγνωμεν ἄν ποτε τίς τέχνη ὑπόδημα βέλτιον ποιεῖ, μὴ εἰδότες ὑπόδημα; „Hätten wir nun jemals erkannt, welches Fachwissen einen Schuh besser macht, wenn wir nicht wüssten, was ein Schuh ist?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 129a2–4: Πότερον οὖν δὴ ῥᾴδιον τυγχάνει τὸ γνῶναι ἑαυτόν, καί τις ἦν φαῦλος ὁ τοῦτο ἀναθεὶς εἰς τὸν ἐν Πυθοῖ νεών, ἢ χαλεπόν τι καὶ οὐχὶ παντός; „Ist es nun also leicht sich selbst zu erkennen, und war es ein einfältiger Mensch, der diese Aufforderung am Tempel anbringen ließ, oder ist es etwas Schwieriges und nicht jedermanns Sache?“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor identifiziert an dieser Stelle Chilon als den Urheber des Spruchs „Erkenne dich selbst“ (vgl. Stob. 3.1.172,34). Diogenes schreibt diesen Spruch Thales zu, wobei er bei Antisthenes verwendet wurde, und er wiederum auf Chilon hinweist, der sich den Spruch angeeignet haben soll (vgl. D. L. I.40,1–3). Vgl. Plat. Alc. 129a5–6: Ἐμοὶ μέν, ὦ Σώκρατες, πολλάκις μὲν ἔδοξε παντὸς εἶναι, πολλάκις δὲ παγχάλεπον. „Mir schien es häufig jedermanns Sache zu sein, Sokrates, häufig aber auch außerordentlich schwierig.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Ion von Chios, CAF 389,1–2. Der Gegensatz zwischen Wesen und Tätigkeit (siehe dazu 200,4–5; 197,21–23 und Anm. 1633) spiegelt sich auch an dem Gegensatz zwischen Worten und Taten wider. Dieses Thema wird an mehreren Stellen des Kommentars behandelt (siehe die Erwähnung von πράγματα und λόγοι in 104,7–9; 159,20–21; 186,7). Vgl. Plat. Alc. 129a7–8: Ἀλλ’, ὦ Ἀλκιβιάδη, εἴτε ῥᾴδιον εἴτε μή ἐστιν, ὅμως γε ἡμῖν ὧδ’ ἔχει· „Doch ganz gleich, Alkibiades, ob dies leicht ist oder nicht, für uns verhält sich die Sache auf jeden Fall so“ (Übers. Döring 2016). Siehe ebd. Olympiodor schreibt an einer anderen Stelle ein ähnliches Zitat Aristoteles zu (144,16: εἴτε φιλοσοφητέον, φιλοσοφητέον· εἴτε μὴ φιλοσοφητέον, φιλοσοφητέον·)

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D. Anmerkungen Vgl. Plat. Rep. 365c–d. In der aristotelischen Logik werden die kategorischen und verneinenden (στερητικός) Schlüsse behandelt, von denen nur die ‚kategorischen Schlüsse‘ aussagekräftig sind (vgl. Arist. APr. 29a21; 28; 59a34; 68a3). Die Schlüsse, die auf einerAnnahme beruhen (ἐξ ὑποθέσεως) werden dabei nur als eine Art des Syllogismus erwähnt (vgl. Arist. APr. 40b23–30). Diese Schlüsse bestehen mindestens aus einer hypothetischen Aussage. Theophrast erörterte die hypothetischen Schlüsse zuerst, wobei diese beiden Schlüsse erst bei den Stoikern wie Chrysipp in einer Theorie der Logik verbunden wurden (vgl. D. L. VII,80–81). In den späteren Kommentaren zu den aristotelischen Werken wie bei Alexander von Aphrodisias wurden diese als hypothetische Schlüsse bezeichnet und den kategorischen Schlüssen bei Aristoteles gegenübergestellt (vgl. Alex. Aphr. in APr. 265,9–29). Die alexandrinischen Exegeten der Spätantike behandeln diesen Aspekt der aristotelischen Logik ausführlich, wie Ammonios’ Werke zeigen (vgl. Ammon. in Int. 3,7–10; in APr. 65,35–66,2). Ammonios’ Lehre spiegelt sich in Olympiodors Kommentaren sowie in den Werken seines Mitschülers Philoponos (vgl. Phlp. in APr. 242,5–23) wider. Philoponos behandelt die logischen Schlüsse ausführlicher und vertritt die These, dass die hypothetischen Schlüsse nicht als selbstständige Schlüsse behandelt werden können und mit einem kategorischen Schluss ergänzt werden müssen (Phlp. in APr. 248,7–11). Zur spätantiken und byzantinischen Logik siehe Ierodiakonou 1999. Olympiodor verbindet hier wieder die Seelen- und Bewegungstheorie, wonach es die Seele ist, die die Bewegung des Körpers bewirkt, während der Körper nur mit Hilfe anderer Kräfte von außen bewegt werden kann (siehe dazu 203,16). Zur Nebenprämisse und Hauptprämisse siehe 115,1–5 und Anm. 991. An dieser Stelle fasst Olympiodor die Fragen im Alkibiades 129c–130c als einen Syllogismus zusammen. Der oben vorgestellte Syllogismus lässt sich wie folgt analysieren: Die Hauptprämise ist, dass der Mensch den Körper als Werkzeug benutzt (Plat. Alc. 129e). Darauf folgt die Nebenprämisse, dass es die Seele ist, die den Körper als Werkzeug benutzt (130a). Folglich ist der Mensch die Seele (130c). Die zweite Prämisse wurde bei den Fragen an der Stelle (129c) noch nicht aufgezeigt, sondern als eine Hypothese angenommen. Erst an den Folgenden Beispielen wird demonstriert, dass der Mensch etwas anderes als sein Körper sein muss und es daher nicht der Körper sein kann, der den Körper als Werkzeug benutzt. Paraphrase Plat. Alc. 129c7–129e9. An dieser Stelle betont Olympiodor den Unterschied der zusammengesetzten und nicht zusammengesetzten Wesen, in Hinsicht auf ihr Verhältnis zu ihren Teilen. Das Ganze besitzt seine Existenz in allen seinen Teilen, wenn es aus der Zusammensetzung der Teile besteht. Deswegen wird es durch die Zerstörung eines seiner Teile auch selbst zerstört. Den Unterschied zwischen dem Ganzen und den Teilen erläutert Proklos, indem er alle Seienden entweder als Ganzes oder als Teil auffasst (vgl. Procl. Inst. 66). In diesem Zusammenhang ist ein Wesen entweder ein Ganzes von den Teilen (wie die Seele des Menschen), oder ein Ganzes aus den Teilen, bei denen das Fehlen eines Teils die Verringerung des Ganzen verursacht (vgl. Procl. Inst. 67). Die Grundlagen für diese Ansicht befinden sich bei Platons Darstellung des Kosmos und des menschlichen Körpers als Ganzes (vgl. Plat. Ti. 32c–40a; 63a) sowie bei seiner Definition des Ganzen als bestehend aus Teilen, die dadurch eine andere Einheit als die Zusammensetzung der Teile bilden (vgl. Plat. Prm. 157c–e; Tht. 207a). Darüber hinaus ist bei Aristoteles eine Untersuchung der Begriffe ‚Ganzes‘ und ‚Teil‘ zu finden, wobei er zwischen dem natürlichen und künstlichen Ganzen unterscheidet. Ein natürliches Ganze ist im richtigen Sinne eine Ganzheit und Eins, was etwas Anderes als die Zusammensetzung seiner Teile ist (vgl. Arist. Metaph. 1023b26–38). Dagegen kann der Mensch auf seinen Körper verzichten, ohne seine Existenz zu gefährden, da nach der Ansicht der platonischen Philosophie die Existenz des Menschen nicht im Körper liegt.

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Die Argumentation bringt Olympiodor dazu, dass auch die Tiere identisch mit der Seele sein sollen. Da auch die Tiere ihren Körper unter Umständen aufgeben, sollten sie ebenfalls der Überzeugung sein, dass ihr Wesen nicht aus dem Körper besteht. Damit sie nicht gleichermaßen identisch mit der Seele wie die Menschen sein können, differenziert Olympiodor die vernunftlose Seele, in der das Wesen der Tiere als vernunftloses Lebewesen besteht. Der Begriff ὀστρέϊνος bezeichnet in der platonischen Philosophie den schalenartigen Wagen der Seele (siehe 5,9: ὀστρεΐνου καὶ πνευματικοῦ ὀχήματος) oder den Körper insgesamt als den Sitz der Seele (siehe 16,11: τὸ ὀστρέϊνον σῶμα). Die platonische Philosophie betrachtet die Seele als unkörperlich, daher kann keine feste Verbindung zwischen der Seele und dem Körper geschehen. Auf dieser Grundlage wird im Neuplatonismus die Ansicht über die Hülle der Seele entwickelt. In diesem Zusammenhang bezeichnet Jamblich den Körper als „schalenförmig“ (ὀστρεώδες, Iamb. Myst. IV.13,21; V. 15,5). Nach Proklos erklären die Platoniker diese unfeste Verbindung der Seele und des Körpers mit dem Begriff ὀστρέϊνος (Procl. in Ti. III.285,1–12; in Rep. I.119,12–18; 120,26–121,2). Dabei deutet ὀστρέϊνος auf die materielle Hülle der Seele hin, während es von der ‚lichtförmigen‘ (αὐγοειδής) Hülle, die immateriell ist, differenziert wird (Iamb. Myst. III.14,10; Dam. in Phd. 168,1–7). Diese lichtförmige Hülle wird bei Jamblich auch als αὐγοειδές πνεῦμα bezeichnet (vgl. Iamb. Myst. III.11,33). Olympiodor vergleicht die schalenartige Hülle mit den Kleidern, die nur materielle Hüllen über dem menschlichen Körper sind (siehe 107,9; Olymp. in Phd. 10,5,5–6). Die Hauptprämisse des Syllogismus ist: Der Mensch benutzt den Körper als Werkzeug (siehe dazu 202,6–9). Olympiodor definiert den Körper in diesem Kommentar mehrmals als fremdbewegt und passiv (siehe 81,26–28; 171,11–12). Diese Ansicht beruht auf Platons Definition der Seele mit der Bewegung (vgl. Plat. Lg. 895b). Dagegen wird der Körper so dargestellt, dass er von der Seele fremdbewegt wird. Zu den theoretischen Grundlagen der Bewegung siehe 7,11–8,9. In der Kombination von Körper und Seele wird die Seele ein Teil von dieser Kombination. Dieser Teil kann jedoch nicht als identisch mit dem Werkzeug betrachtet werden, sondern mit dem Nutzer (des Körpers). Olympiodor gibt hier einen Hinweis darauf, dass diese Schlussfolgerung im Dialog zu finden ist (vgl. Plat. Alc. 130a–c). Für die Übersetzung des Begriffs τὸ ἄτομον wird an dieser Stelle und im Folgenden das Einzelwesen verwendet. Dies beruht auf der Definition dieses Begriffs als „jedes einzelne selbst“ im Sinne von konkreten einzelnen Menschen. Die wörtliche Bedeutung von τὸ ἄτομον ist „das Unteilbare“ oder „das Ungeteilte“ und bezieht sich auf das Wesen des Einzelnen als seinen nicht weiter teilbaren Kern, in dem seine Identität besteht. Die von Griffin 2016 („individual“) und Filippi 2017 („l’individuo“) bevorzugte Übersetzung im Sinne von „Individuum“ lehnt sich an die Etymologie dieses Wortes aus dem lateinischen für „unteilbaren“ (individuum). Olympiodor äußert mit τὸ ἄτομον nicht pauschal einen nicht weiter teilbaren einzelnen Menschen als Individuum, das Griffin (2015, S. 42–43) zufolge in diesem Kommentar mit Alkibiades symbolisiert wird, sondern sein Wesen. Während das einzelne Individuum gemäß platonischer Philosophie mit seiner Seele identisch ist, scheint der Begriff Individuum den Menschen im Sinne von einer Kombination des Körpers und der Seele aufzufassen. Dagegen betonen das Unteilbare und das Einzelwesen dieseTatsache, dass es um das Wesen des Einzelnen handelt. Olympiodor erläutert diesen Unterschied gleich am Anfang des Kommentars (siehe 4,7–14). Olympiodor weist auf den Text des Dialogs hin (vgl. Plat. Alc. 130d). An dieser Stelle baut Olympiodor eine Analogie zwischen der Erkenntnis des Einzelwesens und der Erkenntnis der einzelnen Handlungen (πράξεις). Genau wie wir einzelne Handlungen jeweils unter den jeweiligen Bedingungen (Zeit, Ort, Person) erkennen, so kann auch der

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D. Anmerkungen Mensch in jeder seiner Erscheinungen anerkannt werden. Die Ansicht über die jeweiligen Momente der einzelnen Handlungen wird bei Plotin erörtert (vgl. Plot. II.3.1,6–12). Olympiodor beschreibt als Ansicht der Peripatetiker, dass das Einzelwesen aus der Summe seinerAkzidenzien besteht. Diese Behauptung stimmt mit der aristotelischen Ansicht über den einzelnen Menschen nicht überein, daher wird es als die Meinung der Peripatetiker differenziert. Aristoteles behandelt die Akzidenzien im Gegensatz zu der Substanz eines Wesens als die unwesentlichen Qualitäten der Seienden (vgl. Arist. APo. 71b10). Der einzelne (καθ᾽ἕκαστα) Mensch wie Sokrates und Kallias unterscheidet sich nach Aristoteles von seiner unteilbaren Form (ἄτομον εἶδος), die das einzelne Wesen hervorbringt (vgl. Arist. Metaph. 1033b20–1034a8). Porphyrios definiert das Einzelwesen als eine Versammlung bzw. Anhäufung (ἄθροισμα), dessen Zusammensetzung in anderen Fällen nicht das Gleiche ist (vgl. Porph. Intr. 7,22). Ausgehend von dieser Ansicht besteht im Neuplatonismus die Kritik gegenüber den „Peripatetikern“, wobei auch die Differenzierung des Aristoteles von dieser Position angestrebt wurde. Die Argumentation, dass man aus dem Schlechteren nicht das Bessere machen sollte, wird von Olympiodor wiederholt vorgestellt (vgl. Olymp. in Grg. 21.2,1–8). Die Bezeichnungen „schlecht“ und „besser“ deuten auf die Einstufung von niedrigen und höheren Wesen in der neuplatonischen Philosophie. Siehe dazu 4,11–5,10; vgl. Dam. in Phd. I,141–142. An dieser Stelle wird die Exegese ausgehend von der fachlichen Kenntnis (ἐπιστημονικώτερον) der Methode, die den Text als Schwerpunkt setzt (ἐξηγηματικώτερον), gegenübergestellt. Olympiodor behauptet, dass die unterschiedlichen Definitionen des Proklos und des Damaskios einander nicht widersprechen, sondern nur ihre Perspektiven unterschiedlich sind. Während Damaskios seine Erklärung ausgehend von seinen Kenntnissen der platonischen Philosophie gestaltet, konzentriert sich Proklos in erster Linie auf die Textstelle und ihre Interpretation. Deswegen ist zwar dieAnsicht des Damaskios exakter, die des Proklos hingegen stimmt in wesentlichen Teilen mit dem Text des Dialogs überein. Olympiodor betont die praktischen Angelegenheiten (πράγματα) bei der Auslegung des Damaskios und erklärt, dass er das selbst mit der politischen Seele identifiziert, die durch den Gebrauch des Körpers auf der menschlichen Ebene handelt. Dagegen stellt er Proklos’ These, dass er zuerst die Dreiteilung der Seele als ‚Selbst‘ analysiert, die vernunftbegabte Seele als ‚das Selbst selbst‘, und folglich jedes einzelne Selbst selbst als das Einzelwesen. Hinsichtlich des Textes des Dialogs bezeichnet Olympiodor Proklos’ Interpretation als exakter. Obwohl im Alkibiades die Begriffe ‚vernunftbegabte Seele‘ und ‚Einzelwesen‘ nicht behandelt werden, wird die Frage nach der Definition des ‚Selbst selbst‘ und ‚jedes Selbst selbst‘ diskutiert (vgl. Plat. Alc. 130d). Als Antwort auf diese Frage erläutert Sokrates, dass die Seele sich selbst erkennt, indem sie auf den besten und göttlichen Teil in ihr blickt, in dem Denken und Wissen ihren Sitz haben (133b–c). Daraus folgt Proklos’ Schlussfolgerung, dass jedes Selbst selbst die vernunftbegabte Seele ist. Abschließend kommentiert Olympiodor, dass Proklos mit dem Einzelwesen das Gleiche wie Damaskios meint, nämlich den politischen Menschen, wobei er dies nicht konkret formuliert. Paraphrase Plat. Alc. 129b1–3: φέρε δή, τίν̓ ἂν τρόπον εὑρεθείη αὐτὸ ταὐτό; οὕτω μὲν γὰρ ἂν τάχ̓ εὕροιμεν τί ποτ̓ ἐσμὲν αὐτοί, τούτου δ ̓ ἔτι ὄντες ἐν ἀγνοίᾳ ἀδύνατοί που. „Nun denn, auf welche Weise kann wohl das Selbst selbst ausfindig gemacht werden? Gelingt uns dies nämlich, werden wir vielleicht ausfindig machen, was wir selbst sind, solange wir dies nicht wissen, werden wir vermutlich nicht dazu in der Lage sein.“ (Übers. Döring 2016).

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Die platonische Philosophie verbindet die Sprache (λόγος) sowie das logische Denken (λογίζεσθαι) mit der vernunftbegabten Seele (λογικὴ ψυχή). Deshalb können nur Menschen ihre Gedanken äußern, da sie die vernunftbegabte Seele haben. Die aristotelische Logik wird bei den Peripatetikern und den Platonikern als ein Instrument der Philosophie angesehen, das für die richtige Argumentation eingesetzt wird (vgl. Alex. Aphr. in Top. 74,29; in APr. 2,3–4; Ammon. in APr. 10,19–20; 37–38). Der Körper als Werkzeug wird in diesem Fall durch zwei verschiedene Aufgaben geteilt, da der Mensch einen Teil des Körpers für Hören, einen anderen dagegen für Sprechen verwendet. Die Wesen werden in der platonischen Philosophie als teilhaft/geteilt (μερικόν) und Einheit/ ganz (ὅλον) unterschieden, von denen erstere nur die Zusammensetzung der Akzidenzien, letztere dagegen eigenständige Einheiten sind (vgl. Procl. Inst. 108; in Ti. I.424,7–15). Infolgedessen eignet sich ein teilhaftes Beispiel nicht für den Syllogismus über die Seele, die eine Einheit ist. Vgl. Plat. Alc. 129c7–8: Ὥσπερ σκυτοτόμος τέμνει που τομεῖ καὶ σμίλῃ καὶ ἄλλοις ὀργάνοις. „Der Schuster zum Beispiel schneidet doch wohl mit Messern mit runder und gerader Klinge und anderen Geräten.“ (Übers. Döring 2016). Mit gerader Klinge ist σμίλη ein Messer, das zum Schnitzen von Leder sowie bei anderen Materialien benutzt wurde. Dieses Messer entspricht dem Meißel; siehe dazu Berti u. a. 2015. Dagegen entspricht τομεὺς einem Messer mit abgerundeter Klinge. Die Bezeichnung als „Schusterkneif “ muss jedoch von dem Sichelmesser (ἄρβηλος), dass ein halbkreisförmiger Schustermesser ist, unterschieden werden (vgl. LSJ ἄρβηλος A; Frisk ἄρβηλος: „rundes Schustermesser, auch übertragen von einer geometrischen Figur“). Siehe dazu Hurschmann 2000. Zum Unterschied zwischen σμίλη und τομεὺς siehe Döring 2016, S. 126 Anm. 202. Die Definition von τομεύς als einem runden Messer befindet sich bei Euc. III,10. Beide Wörter werden häufig mit „Schustermesser“ übersetzt. Olympiodor gibt im Folgenden die gleiche Erklärung über Meißel und Schusterkneif. Siehe dazu auch 210,22–23. Olympiodor weist auf die Beispiele im Alkibiades hin, die Füße und Hände als einzelne Teile und Werkzeuge der Seele aufführen, dabei aber die Verwendung des ganzen Körpers als Werkzeug darstellen (vgl. Plat. Alc. 129e). In der platonischen Philosophie nimmt der Begriff Ausfluss (ἀπορροία) eine bedeutende Stellung bezüglich der Sinneswahrnehmungen ein. Die Eigenschaften der Gegenstände, wie die Farbe, sind Ausflüsse, die von unserem Auge wahrgenommen werden (vgl. Plat. Ti. 67c). Parallel zu dem Sehen ist auch die Wahrnehmung der Ideen von der Seele, die durch den Ausfluss der Ideen in der Seele geschieht (wieAusfluss des Schönen, vgl. Plat. Phdr. 251b). Diese Ausflüsse ermöglichen die Verbindung der Seele mit den Ideen (vgl. Plat. Men. 76d). Bei Aristoteles beziehen sich die Ausflüsse konkret auf die Sinneswahrnehmungen (vgl. Arist. Pr. 906a24; Sens. 438a4–5; vgl. Alex. Aphr. in Sens. 57,8). Gemäß der platonischen Ansicht wird ἀπορροία bei den Neuplatonikern hinsichtlich der Erkenntnis erörtert (vgl. Iamb. Myst. I.18,46; Porph. De philosophia 160,10) und bei den Exegeten der Spätantike behandelt (Herm. in Phdr. 82,31; Simp. in Ph. 1176,18; Ammon. in Cat. 28,28; Olymp. in Phd. 8.1,7; Phlp. in de An. 391,27; Elias in Cat. 152,16). Bei Plotin (νοῦ ἀπόρροια, Plot. II.311,9) sowie bei Proklos (Procl. in Rep. I,105,3; in Alc. 34,13) werden die Ausflüsse auf die intelligible Ebene bezogen. Die folgende Ansicht ist nicht dem „Peripatos“ zuzuschreiben, sondern stammt von Aristoteles. An anderen Stellen des Kommentars befindet sich Kritik gegen Peripatos, an dieser Stelle hingegen gibt Olympiodor Peripatos recht. Diese Interpretation bietet einerseits einen Hinweis darauf, dass aristotelische Positionen bei den Platonikern geschätzt werden, auch wenn sie unter dem Begriff ‚Peripatos‘ angeführt werden. Auf der anderen Seite zeigt Olympiodor, dass die Platon-Exegeten auch die Ansichten anderer Philosophen übernehmen können, wenn sie sich für die Untersuchung als hilfreich erweisen.

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D. Anmerkungen Aristoteles erklärt das Verhältnis des Ganzen und dem Teil auf diese Weise (vgl. Arist. GA 730b15–19). An dieser Textstelle bezieht sich Olympiodor auf die Beispiele des Dialogs (vgl. Plat. Alc. 129b–c). Damit weist Olympiodor darauf hin, dass das Beispiel über verschiedene Arten von Messern dieses Werkzeug nicht als Ganzes behandelt, sondern ein geteiltes Argument darstellt. Dagegen können im Fall der Sprache und der Hand keine verschiedenen Arten getrennt als Beispiel angegeben werden. Plat. Alc. 129e12, Übers. Döring 2016. Die Hauptprämisse ist, dass der Mensch den Körper als Werkzeug benutzt, die Sokrates im Folgenden äußert. Vgl. Plat. Alc. 129e13–14: Ἔχεις μὲν οὖν, ὅτι γε τὸ τῷ σώματι χρώμενον. „Doch, das kannst du, nämlich: Er ist das, was sich des Körpers bedient.“ (Übers. Döring 2016). Diese Sätze beziehen sich auf die Seele, die sich des Körpers bedient (vgl. Plat. Alc. 130a1–3). Vgl. Plat. Alc. 130a5–6: Καὶ μὴν τόδε γ’ οἶμαι οὐδένα ἂν ἄλλως οἰηθῆναι. „Und das Folgende wird, glaube ich, gewiss niemand in Zweifel ziehen.“ (Übers. Döring 2016). Im vorherigen Unterricht wurde dieser Syllogismus aufgezeigt (siehe 203,15–19). Zur Erläuterung der kategorischen und hypothetischen Schlussfolgerung siehe 202,1–9. In der logischen Terminologie bezeichnet λῆμμα einen ‚Hilfssatz‘, der von außerhalb des Schemas in die Schlussfolgerung als Hilfe hinzugefügt wird. An dieser Stelle und im Folgenden wird es verallgemeinernd als ‚These‘ übersetzt. Siehe dazu 184,13; 189,14; 197,11. Vgl. Plat. Alc. 130a13–14. In der platonischen Philosophie bezeichnet ‚beherrscht zu sein‘ (ἐγκρατῶς ἔχειν) nicht die höhere Besonnenheit (τὸ σωφρονεῖν), sondern die angeborene Beherrschung, die bei Kindern und Tieren beobachtet wird (das Gegenteil ist gegenüber der Lust unbeherrscht zu sein: ἀκρατῶς ἔχειν πρὸς τὰς ἡδονάς, Plat. Lg. 710a7–8). Nach Platon geschieht es nicht freiwillig, sondern aufgrund der falschen Erziehung und der Fehler des Körpers, dass der Mensch keine Enthaltsamkeit der Genüsse zeigen kann (ἡδονῶν ἀκράτεια, Plat. Ti. 86d6). Olympiodor merkt dazu an, dass man das unbeherrschte Verhalten unter Zwang nicht tadeln würde, sondern nur wenn es freiwillig geschieht. Auch Aristoteles behandelt Unbeherrschtheit unter den Eigenschaften, die vermieden werden sollen (vgl. Arist. EN 1145a16–20; zu Beherrschtheit und Unbeherrschtheit 1149b23–26). Der Unbeherrschte begeht bewusst schlechte Taten (φαῦλα) und wird von dem Affekt (πάθος) überwunden (EN 1145b8–15). Daher ist diese Eigenschaft nicht nur zu vermeiden, sondern auch zu tadeln (EN 1148b5–6). Ebenfalls weist Aristoteles daraufhin, dass Verworfenheit (μοχθηρία) nicht bestraft wird, wenn sie unter Zwang oder aufgrund von Unwissenheit geschieht (EN 1113b20–25). Nach der platonischen Philosophie ist die Rückwendung auf sich selbst eine Eigenschaft der Seele (vgl. Plot. I.1,13; Procl. in Alc. 15,10–14; Dam. in Phd. I,135). Proklos stellt diese Ansicht als einen Grundsatz dar, dass Alles, was sich auf sich selbst zurückwenden kann, unkörperlich und ohne Teile sein muss (εἴ τι ἄρα πρὸς ἑαυτὸ ἐπιστρεπτικόν ἐστιν, ἀσώματόν ἐστι καὶ ἀμερές, Procl. Inst. 15). Zu Proklos’ Theorie der Selbstreflexion siehe Steel 2006, S. 241. Das Beispiel des Honig-Wassers wird neben den medizinischen Schriften (vgl. Hp. Aph. V,41; Gal. Elem. 1. 458,11) auch in der Philosophie für die Erläuterung der Mischungen verwendet (vgl. Arist. Metaph. 1092b29; Alex. Aphr. in Metaph. 334,33–34; in de An. 11,17–18; Porph. in Ti. 2.71,9; Syrian. in Metaph. 189,7; Simp. in Cat. 49,14; Procl. in Ti. II.253,28). Die Analogie zwischen Honig-Wasser und der Kombination von Seele und Körper kann keinem bestimmten Philosophen zugeordnet werden. Olympiodor kritisiert grundsätzlich einen Vergleich zwischen Honig-Wasser und dem Menschen, da ein solcher Vergleich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass Honig-Wasser identisch mit Wasser sein muss, wenn es weder als Honig noch als Mischung von Honig und Wasser bezeichnet werden kann. Eine derartige

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Schlussfolgerung kann in den philosophischen Quellen nicht gefunden werden, da HonigWasser gerade als Beispiel für die Mischung benutzt und dabei betont wird, dass diese Mischung weder mit Honig noch mit Wasser identifiziert werden kann (vgl. Alex. Aphr. in Metaph. 334,33–34; Ascl. in Metaph. 298,11–12). Platon bezeichnet die Wesen über der Erde und auf der Ebene der Sterne als „himmlisch“ οὐράνιος (vgl. Plat. Ti. 90a; Criti. 107d). Diese Himmelskörper stellen durch ihre Bewegung die Weltseele und die kosmische Vernunft dar und gehören zu der Ebene der Gottheit (vgl. Plat. Lg. 896e–897b). Ausgehend von dieser Grundlage wurde in der platonischen Philosophie eine Differenzierung der himmlischen Seele unternommen, die die Seele der Himmelskörper bezeichnet (vgl. Procl. in Ti. II.273,27; Theol. Plat. III.19,3; Simp. in de An. 32,12). In der platonischen Philosophie wird die Bewegung in gerader Linie als eine Eigenschaft der materiellen Körper betrachtet, während sich die himmlischen Körper kreisförmig bewegen (vgl. Plat. Ti. 33b–40b). Diese Differenzierung der Wesen durch ihre Art der Bewegung wurde im Neuplatonismus weiterhin vertreten (vgl. Plot. II.2.1,14–25; Syrian. in Metaph. 34,30–35; Procl. in Prm. 1163,17–20; Simp. in Cael. 198,18; Olymp. in Mete. 5,5–7; Phlp. De aetern. 278,15–18). Die geradlinige Bewegung bezeichnet auch die Bewegung der Vernunft, die den unmittelbaren Weg zur Rückwendung auf sich durch die Meinung (δόξα) ermöglicht, während die Vernunft sich selbst durch kreisförmige Bewegung und seine wahre Beschaffenheit (τὴν ἀληθῆ ἕξιν) durch schraubenförmige Bewegung des dialektischen Denkens (διανοίᾳ) erkennt (vgl. Herm. in Phdr. 22,8–21). Auch in der aristotelischen Philosophie wird der Unterschied zwischen der kreisförmigen und geradlinigen Bewegung behandelt (vgl. Arist. Ph. 227b17–20). Dabei wird die kreisförmige Bewegung den höheren Wesen zugeteilt, während die Körper ohne Seele in geraden Linien bewegen (vgl. Arist. Cael. 286a3–7; 286b10–16; Alex. Aphr. in Ph. 8.6,667). Sokrates weist im Alkibiades daraufhin, dass diese Definition nicht exakt ist (vgl. Plat. Alc. 130c–d). In den kathartischen, theoretischen und inspirierten Tugendgraden löst sich der Mensch zunehmend vom Körper, während der politische Mensch noch den Körper für seine Aktivitäten braucht (siehe dazu 4,20; 5,1–15). Siehe dazu 207,2; vgl. Plat. Alc. 130a1–3. Das Wort αὐτεπίστροφον wird nur an zwei Stellen bei Olympiodor überliefert (vgl. Olymp. in Phd. 1,2,5). Die platonische Ansicht, dass der Körper sich nicht auf sich selbst zurückwenden kann, wird in diesem Kommentar wiederholt behandelt (siehe 81,26–28; 207,10–11). Vgl. Plat. Alc. 130b8–9: ἀλλ᾽ ἄρα τὸ συναμφότερον τοῦ σώματος ἄρχει, καὶ ἔστι δὴ τοῦτο ἄνθρωπος; „Übt also die Kombination von beidem die Macht über den Körper aus, und ist der Mensch somit ebendies?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 130c8: μὰ Δία, ἀλλ᾽ ἱκανῶς μοι δοκεῖ ἔχειν. „Nein, bei Zeus, mir scheint dies auszureichen.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 130c9–10: εἰ δέ γε μὴ ἀκριβῶς ἀλλὰ καὶ μετρίως, ἐξαρκεῖ ἡμῖν· „Wenn es auch nicht in exakter, aber immerhin in angemessener Weise aufgezeigt wurde, genügt es uns“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 130d4–5: ὃ ἄρτι οὕτω πως ἐρρήθη, ὅτι πρῶτον σκεπτέον εἴη αὐτὸ τὸ αὐτό· „Was gerade etwa so formuliert wurde, dass zuerst das Selbst selbst untersucht werden müsse.“ (Übers. Döring 2016). Wiederholung der Ansichten von Proklos und Damaskios über die Einstufungen des Selbst (siehe 4,8–14; 203,20–205,7). Paraphrase Plat. Alc. 130c10–d2: ἀκριβῶς μὲν γὰρ τότε εἰσόμεθα, ὅταν εὕρωμεν ὃ νυν δὴ παρήλθομεν διὰ τὸ πολλῆς εἶναι σκέψεως. „genau werden wir es nämlich erst dann wissen, wenn wir das ausfindig gemacht haben, was wir eben beiseitegelassen haben, weil es eine sehr

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D. Anmerkungen umfangreiche Untersuchung erfordert.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor stellt den verallgemeinernden Sinn (ἁπλῶς) des „Selbst selbst“ gegenüber dem strikten Sinn (κυρίως) dieses Begriffs. An dieser Stelle des Dialogs befindet sich die Folgerung, dass ein jeder Selbst (αὐτὸν ἕκαστον) die Seele ist. Gleichzeitig merkt Sokrates an, dass damit „das Selbst selbst“ noch nicht gefunden wurde, dennoch das wahrscheinlich auch die Seele ist, da es in uns nichts Machtvolleres (κυριώτερον) gibt (vgl. Plat. Alc. 130d4–8). Olympiodor interpretiert dieses Wort nicht im Sinne von „machtvoll“, sondern im Sinne von „striktem Sinn“. Die Erläuterungen an dieser Stelle des Dialogs stellen nach Olympiodor eine Präzision der Definition des „Selbst selbst“ dar. Im Dialog dagegen wird diese Definition nicht weiter behandelt, außer einer Bemerkung, dass sich selbst zu erkennen dadurch geschieht, indem wir auf den Sitz des Wissens und Denkens in der Seele blicken (eine Andeutung auf vernunftbegabte Seele, vgl. Plat. Alc. 133c). An dieser Stelle des Kommentars deutet dieser Titel auf Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ausgehend von den vorherigen Erläuterungen. Der Begriff ἀποσημείωσις wird als Titel bei Hippokrates als ‚Anmerkungen‘ oder ‚Notizen‘ aufgefasst (vgl. DGE). Als Verb bedeutet ἀποσημειόομαι „aufschreiben, notieren“ und ἀποσημαίνω „Zeichen geben, durch Zeichen verkünden, andeuten“. In der Pluralform wie an dieser Textstelle (Ἀποσημειώσεις) befindet sich der Titel auch bei Johannes Philoponos am Anfang seiner Kommentare (vgl. Phlp. in APr. 1,2T; in APo. 1,2T, in de An. 1,2T). Dabei betitelt Philoponos den gesamten Kommentar als ΣΧΟΛΙΚΑΙ ΑΠΟΣΗΜΕΙΩΣΕΙΣ ΕΚ ΤΩΝ ΣΥΝΟΥΣΙΩΝ ΑΜΜΩΝΙΟΥ ΤΟΥ ΕΡΜΕΙΟΥ, „Schulnotizen aus den Zusammenkünften des Ammonios, Sohn des Hermeias“ (nach Schramm 2018, S. 2010). Vgl. Ἀποσημειώσεις als „lecture notes“ in der Übersetzung von Van der Eijk (2005). Dieser Titel wird von Schwab/Gaeb (2011, S. 123) als „Vorlesungsmitschriften“ bezeichnet. Demzufolge scheint Ἀποσημειώσεις ein gewöhnlicher Titel für die Kommentare in der sog. Ammonios-Schule zu sein, der den Charakter der Schrift als ‚Unterrichtsnotizen eines Schülers‘ stärker betont. Ausgehend von der Tatsache, dass dieser ‚Unterricht‘ einen zusammenfassenden Charakter vor dem Abschluss des Kommentars aufweist, wird es im Vorliegenden mit ‚Zusammenfassung‘ übersetzt. Der Inhalt des Unterrichts kann dabei entweder einer Kurzfassung des Kommentars oder einem Rückblick mit der Zusammenfassung wesentlicher Schlussfolgerungen entsprechen. Vgl. Plat. Alc. 129b1–2: Φέρε δή, τίν’ ἂν τρόπον εὑρεθείη αὐτὸ τὸ αὐτό; „Nun denn, auf welche Weise kann wohl das Selbst selbst ausfindig gemacht werden?“ (Übers. Döring 2016). Der Ausdruck αὐτὸ τὸ αὐτό im Alkibiades wird öfter mit ‚das Selbst selbst‘ übersetzt. Diese Interpretation stimmt mit der Ansicht der neuplatonischen Exegese überein und wird deshalb auch in der vorliegenden Übersetzung übernommen. Dagegen beruht diese neuplatonische Interpretation für αὐτὸ τὸ αὐτό als ‚das Selbst selbst‘ und als eine höhere Stufe der Seele möglicherweise zu einer speziellen Interpretation des platonischen Textes, die im Rahmen des Alkibiades jedoch anders betrachtet werden sollte. Zum Verständnis dieses Ausdrucks bei den neuplatonischen Exegeten und in der modernen Forschung ist die Analyse von Gill (2006, S. 344–359) über die Konzeption des Selbst im Alkibiades aufschlussreich. Darin konstatiert Gill, dass die neuplatonische Interpretation dieses Konzept als eine höhere Stufe der Seele betrachtete (ebd. S. 346). Gegen diese Interpretation spreche, dass Platon an dieser Textstelle nicht über unser wahres Selbst, sondern über die Bedeutung des Konzepts ‚selbst‘ überhaupt diskutiere und nach den Kriterien frage, um etwas als sein ‚selbst‘ zu definieren. Folglich bedeutet diese Aussage nach Gill so gut wie ‚der Gegenstand selbst an sich‘ („the itself itself “, ebd. S. 349). Die hier angeführte These gehört nach Olympiodors Darstellung im vorherigen Unterricht (209,15–17) zur Interpretation des Proklos. Im platonischen Alkibiades wird der Mensch als

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Seele definiert (130c6), die durch den Gebrauch von Logos (τοῖς λόγοις χρωμένους, 130d9) mit anderen kommuniziert. Mit „er“ bezieht Olympiodor sich daher auf Sokrates bzw. Platon. Vgl. Plat. Alc. 130d4–8. Als rhetorisches Stilmittel bezeichnet παρενθήκη etwas nebenbei Hinzugefügtes, eine Ergänzung oder einen gesamten unabhängigen Exkurs innerhalb eines Texts (vgl. „parenthesis“ bei Lausberg 1990, 317 § 414). Durch diesen Satz betont Olympiodor erneut, dass Proklos den Text als Schwerpunkt hatte (vgl. 204,15–205,2). An dieser Textstelle werden die Begriffe κοινός und ἴδιος einander gegenübergestellt. Der Mensch als Allgemeinbegriff (ὁ κοινὸς ἄνθρωπος) zu kennen ist nicht ausreichend, um zu wissen, was im Fall eines bestimmten Menschen (ὁ ἴδιος) das Wesen des Menschen ist. Zu den Peripatetikern siehe Anm. 1695–1696. Diese These äußert Olympiodor auch im 24. Unterricht (siehe 204,10–11). Olympiodor fasst diese Argumentation mit Gebrauch von logischer Sprache in Form von syllogistischen Prämissen auf. Dabei konstatiert er, dass wir jeden einzelnen Menschen wie Sokrates und Alkibiades nur dann wissen können, nachdem wir den Menschen als Allgemeinbegriff erkannt haben. Diese Erkenntnis ist dagegen nicht möglich, wenn der Mensch als Zusammensetzung der Akzidenziden definiert wird. Da die Zusammensetzung der Akzidenzien sich bei jedem einzelnen Menschen ändert, wäre in diesem Fall keine sichere Erkenntnis über den Menschen möglich. Siehe dazu 205,5–10. Im Folgenden werden einige Thesen aufgezählt, die bisher behandelt worden sind. Das Wort ὅτι am Anfang dieser Sätze deutet darauf hin, dass es sich um eine Zusammenfassung handelt. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, ob es sich hier um einen Auszug (aus dem ursprünglichen 26. Unterricht von Olympiodor) handelt, dessen Verfasser sogar ‚der Schüler‘ oder ‚Schreiber‘ sein könnte. Da alle diese Thesen bisher vorgestellt wurden, ist es auch möglich, dass Olympiodor die bisherige Argumentation rekapituliert, bevor er den Kommentar abschließt. Der Text des Unterrichts zeigt im Gesamten die Merkmale des Kommentarteils mit den sprachlichen Erklärungen (λέξις), jedoch folgen die angeführten Lemmata nicht ihre Reihenfolge im Dialog. Ich werde im Folgenden ὅτι am Satzanfang nicht übersetzen. Der Begriff λόγος wird auch im Alkibiades im Sinne von einem Werkzeug für Menschen verwendet, die miteinander sprechen (vgl. Plat. Alc. 129b–c). Auf dieser Grundlage wird es hier und im Folgenden nicht im weiteren Sinne als Vernunft, sondern spezifisch mit Sprache als Werkzeug und Äußerung der Vernunft übersetzt. Siehe dazu im Folgenden 212,19–24; vgl. Kapitel B. II.1.4 zu den sprachphilosophischen Grundlagen. Die hier angeführten Beispiele für Werkzeuge werden sowohl bei der Tätigkeit des Nutzers benutzt als auch entstehen sie als Ergebnis aus der Tätigkeit des Nutzers. Siehe dazu 205,15–18. Siehe dazu 205,19–206,5. Vgl. Plat. Alc. 129c7–8, siehe 206,12–14. Zum Unterschied zwischen σμίλη und τομεύς siehe Döring 2016, S. 126 Anm. 202. Die Definition von τομεύς im Sinne von einem runden Messer befindet sich bei Euc. III,10. Beide Begriffe werden häufig mit ‚Schustermesser‘ übersetzt. Bei Homer werden unter verschiedenen Geräten des Hephaisthos auch die Blasebälge erwähnt (vgl. Hom. Il. XVIII,372; 412; 468). Warum die Blasebälge die Natur darstellen sollen, erklärt Olympiodor nicht. Da die Blasebälge (φῦσα) ähnlich wie Natur (φύσις) genannt werden, zeigt dies nach Olympiodor wahrscheinlich, dass sie die Natur widerspiegeln. Diese Erklärung gibt Olympiodor auch im Kommentar zum Gorgias an (Olymp. in Grg. 47.5,28–33). Plat. Alc. 130d6. Vgl. Plat. Alc. 130d 4–8: Ὃ ἄρτι οὕτω πως ἐρρήθη, ὅτι πρῶτον σκεπτέον εἴη αὐτὸ τὸ αὐτό· νῦν δὲ ἀντὶ τοῦ αὐτοῦ αὐτὸ ἕκαστον ἐσκέμμεθα ὅτι ἐστί. καὶ ἴσως ἐξαρκέσει· οὐ γάρ που κυριώτερόν γε οὐδὲν ἂν ἡμῶν αὐτῶν φήσαιμεν ἢ τὴν ψυχήν. „Was gerade etwa so

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D. Anmerkungen formuliert wurde, dass zuerst das Selbst selbst untersucht werden müsse. Jetzt aber haben wir anstatt des Selbst selbst nur untersucht, was ein jeder selbst ist. Und vielleicht wird es uns das genügen; denn wir werden wohl nichts Machtvolleres von uns nennen können als unsere Seele.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor kommentiert ausgehend von dieser Textstelle im Folgenden, dass die in diesem Punkt erreichte Erkenntnis (ein jeder selbst, dass nach Olympiodor der politische Mensch ist) vielleicht fürAlkibiades genügt, aber nicht für Sokrates. Die Stellung der Seele im Menschen wird hiermit nach neuplatonischer Theorie des Abbilds (εἴδωλον) erläutert. Platon verwendet verschiedene Begriffe für die Erklärung der Abbildverhältnisse zwischen den Urformen (εἶδος) und den Wesen auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene (εἴδωλα), die ihre Erscheinungen sind und ihr Sein durch Teilhabe an den Urbildern besitzen (vgl. Plat. Smp. 211d–212b). Bei Plotin äußert dieser Begriff nach Schniewind (2002) das sinnliche Abbild der Seele im Gegensatz zu ihrer intelligiblen Quelle (verweist auf Plot. I.1.8,9–20). In diesem Rahmen wird auch der Begriff ἴνδαλμα verwendet, der ein ‚geistiges‘ oder ‚inneres‘ Bild im Gegensatz zu dem wahren Wesen bezeichnet (vgl. Plot. I.4.3,35). Am Anfang des Kommentars weist Olympiodor darauf hin, dass die Erkenntnis der Seele auch die Erkenntnis aller Seienden bedeutet, da die Seele als eine Abbildung (ἴνδαλμα) die Prinzipien (τοὺς λόγους) der wahrhaft Seienden (τῶν ὄντων) in sich birgt (siehe dazu 10,8–10). Im Alkibiades wird die These behandelt, dass der Mensch nicht aus einer Kombination von Seele und Körper besteht (vgl. Plat. Alc. 130b–c). Ausgehend von der platonischen Auffassung über Pflanzen und Gewächse gegenüber dem Lebewesen (vgl. Plat. Phd. 70d; Rep. 532b; Tht. 149e3) verallgemeinert Olympiodor diese Aussage für alle Lebewesen (ζῷον), die er im Folgenden von den Pflanzen unterscheidet. Bei Platon hat der Begriff φυτόν auch die Bedeutung vom ‚Leib‘ als Körper ohne Seele (Plat. Rep. 380e5), oder allgemein vom ‚Geschöpf‘ (Plat. Ti. 90a6). In der platonischen Philosophie wird der Unterschied zwischen Lebewesen und Pflanzen darin konstituiert, dass die Pflanzen eine Zusammensetzung von Seele und Körper sind, wobei Lebewesen mit der Seele identisch sind (vgl. Olymp. in Cat. 56,22–25). Über die folgende Feststellung erläutert Proklos, dass bei Aristoteles die Materialursache (ὑλικὸν αἴτιον) ‚das, aus dem‘ (etwas entsteht) bedeutet, wobei Timaios (im platonischen Timaios, 50d1) diese als ‚das, in dem‘ definiert. Die Form hingegen beschreibt Proklos als ‚das, gemäß dem‘ (τὸ μὲν εἶδος καθ’ ὅ, Procl. in Alc. 169,1–2). Für die Form in Materie (εἶδος ἐν ὕλῃ) gibt Olympiodor im Folgenden zwei Beispiele, von denen das erste den Menschen als Form in Materie (sc. Ort) bezeichnet, das andere wiederum ein Bild eines Menschen (Achilleus) auf einer bemalten Tafel. Die Definition der ‚Form in Materie‘ im Unterschied zu der Form, die der Materie überlegen ist, wird später in platonischer und aristotelischer Philosophie, jedoch nicht bei Platon und Aristoteles behandelt (vgl. Alex. Aphr. in Metaph. 215,15; Plot. I.1.4,18; Simp. in Ph. 252,33; Phlp. in de An. 53,2; Ammon. in Cat. 27,1; Olymp. in Cat. 47,15; Elias in Cat. 149,28). An dieser Stelle werden Ideen als paradigmatische Formen thematisiert, die Quelle der Formen für die Wesen auf der wahrnehmbaren Ebene sind. Dazu vgl. Plat. Ti. 50c–51b; Arist. Metaph. 987b10. Aristoteles definiert ὕλη als „das, woraus etwas entsteht“ (τὸ ἐξ οὗ, vgl. Arist. Metaph. 1013a24–26, Ph. 194b23–26). Dagegen gibt Olympiodor als Platons Ansicht die Definition für Materie an (τὸ ἐν ᾦ γίγνεται „das, in dem etwas entsteht“, Plat. Ti. 50d1). Diese identifiziert Platon mit dem Konzept des Raumes (χώρα, vgl. Plat. Ti. 52a–b; 49e–51d). Zur Definition der Form als ‚ὅ‘ vgl. Plat. Ti. 50a (μόνον ἐκεῖνο αὖ προσαγορεύειν τῷ τε τοῦτο καὶ τῷ τόδε προσχρωμένους ὀνόματι, „wovon man die Aussage ‚dies ist’ und ‚das ist’ gebrauchen darf “) und Arist. Metaph. 988a8–10. Hierbei erklärt Aristoteles zwei Ursachen der

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Wesen nach Platon, von denen eine die Materie ist, die andere die Form, nämlich die Ursache von „was es ist“ (αἰτία… τοῦ τί ἐστι). Siehe dazu 207,15–17. Vgl. Plat. Ti. 50b; 52a. Olympiodor deutet auf den Syllogismus an dieser Stelle des Alkibiades (129d–e), bei dem die zweite Prämisse den Menschen beinhaltet: Derjenige, der sich einer Sache bedient, und die Sache, derer er sich bedient, sind verschiedene Dinge. Der Mensch bedient sich seines Körpers. Folglich ist der Mensch verschieden von seinem Körper. Siehe dazu 202,5–10. Zur geradlinigen Bewegung des Körpers siehe 208,10. Proklos stellt die kreisförmige Bewegung der himmlischen Wesen gegenüber der geradlinigen Bewegung der Wesen auf der Erde (vgl. Procl. in Rep. II.233,10–20). Bei Platon wird εὐθύπορος nur einmal im Sinne von ‚aufrichtigem Charakter‘ verwendet (ἦθος, Plat. Lg. 775d). Zu den Himmelswesen siehe 208,8–10. Wer den Menschen im wahren Sinne erkennt, wird weder die vegetative noch die vernunftlose Seele, sondern die vernunftbegabte Seele erkennen (siehe 9,1–4; 116,25; 120,5; 171,10–19). Die Neuplatoniker stellen die These auf, dass die vegetative und die vernunftlose Seele keine Existenz unabhängig von dem Körper besitzen (vgl. dazu Procl. in Alc. 210,5; Plot. II.9.11,19–24). Wie vorher erläutert wurde, kann ein Ganzes seine Teile benutzen, daher reicht es nicht zu sagen, dass der Mensch den Körper benutzt, als Beweis dazu, dass Nutzer und Werkzeug unterschiedlich sind. Wenn eine vegetative Seele eine Pflanze belebt, nutzt diese Seele nicht nur den Körper der Pflanze als Werkzeug, sondern besteht ihre Identität auch aus diesem Körper. In diesem Fall ist das Zugrundeliegende zugleich die Form und der Körper. Olympiodor stellt die allgemeine Absicht des Dialogs am Anfang des Kommentars fest. Nach seiner Darstellung ist Proklos der Auffassung, dass diese Absicht sich selbst zu erkennen sei (siehe 3,3–4). Dagegen beschreibt Olympiodor die Ansicht des Damaskios als „exakter“, da er die Absicht als „sich selbst auf politische Weise zu erkennen“ definiere (siehe 4,15–19). Der Grund dafür sei, dass Platon in diesem Dialog den ‚politischen‘ Menschen behandelt. Dieser entspricht dem menschlichen Wesen in der Gesellschaft, dass eine vernunftbegabte Seele ist, die den Körper als Werkzeug benutzt. Dagegen gibt es höhere Stufen, in denen sich die vernunftbegabte Seele vom Körper entfernt (wie bei dem kathartischen oder theoretischen Menschen, siehe 4,21–5,3). Vgl. Plat. Alc. 130b11. Vgl. ἀποδειχθῆναί, Plat. Alc. 130c6. Plat. Alc. 129b5–6: Ἔχε οὖν πρὸς Διός. τῷ διαλέγῃ σὺ νῦν; ἄλλο τι ἢ ἐμοί; „Halt, bei Zeus! Mit wem sprichst du jetzt? Doch wohl mit mir, nicht wahr?“ (Übers. Döring 2016). Nach Tarrant/ Renaud (2015, S. 21) findet hier ein „Heureka-Moment“ für Sokrates statt. Diese Interpretation ist im Einklang mit Olympiodors These, dass Sokrates vorher auch nicht wusste, was der Mensch ist, und zusammen mit Alkibiades auch selber eine Wandlung zur Erkenntnis erlebt. Er demonstriert das anhand von der Frage, warum Sokrates sich auch erkennen muss, und beantwortet, dass es deswegen sei, dass Sokrates sich selbst nicht auf allen Ebenen, beispielsweise als ‚inspirierten Menschen‘, kannte (vgl. 172,10–15). Vgl. Plat. Alc. 129b–131a. Sokrates konstruiert den Beweis für die Hauptprämisse (dass der Mensch den Körper als Werkzeug benutzt), indem er diesen in spezifische Fälle unterteilt, wie den Gebrauch von Stimme oder den Gebrauch des Körpers bei bestimmten handwerklichen Tätigkeiten. Vgl. Plat. Alc. 129d. Nur zu zeigen, dass der Mensch den Körper benutzt, würde nicht beweisen, dass der Mensch nicht aus der Kombination von Seele und Körper besteht. Denn ein Gesamtes

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D. Anmerkungen kann auch seineTeile benutzen. Auch dieses Argument zeigt nach Olympiodor, dass der Nutzer sich von dem Benutzten unterscheidet. Vgl. Plat. Alc. 130d10–12: Οὐκοῦν καλῶς ἔχει οὕτω νομίζειν, ἐμὲ καὶ σὲ προσομιλεῖν ἀλλήλοις τοῖς λόγοις χρωμένους τῇ ψυχῇ πρὸς τὴν ψυχήν; „Es ist also doch wohl richtig, davon überzeugt zu sein, dass wenn ich und du miteinander kommunizieren, indem wir uns der Wörter bedienen, die eine Seele mit der anderen kommuniziert?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 130e2–6: τοῦτ᾽ ἄρα ἦν ὃ καὶ ὀλίγῳ ἔμπροσθεν εἴπομεν, ὅτι Σωκράτης Ἀλκιβιάδῃ διαλέγεται λόγῳ χρώμενος, οὐ πρὸς τὸ σὸν πρόσωπον, ὡς ἔοικεν, ἀλλὰ πρὸς τὸν Ἀλκιβιάδην ποιούμενος τοὺς λόγους· τοῦτο δέ ἐστιν ἡ ψυχή. „Das war also das, was wir vor Kurzem gesagt haben: Dass Sokrates, wenn er sich, indem er sich der Sprache bedient, mit Alkibiades unterhält, seine Worte offenbar nicht an dein Gesicht richtet, sondern an Alkibiades; das aber ist seine Seele.“ (Übers. Döring 2016). Das Verb μεθύω (213,4) mit Akkusativ-Objekt ist ungewöhnlich. Dieses Verb hat eine passive Bedeutung und wird im Sinne von ‚betrunken sein‘ oder‚im Rauschzustand sein‘ verwendet. In diesem Fall wird der Grund dieses Zustands im Dativ oder mit der Präposition ὑπό mit Genitiv angegeben. Für den aktiven Gebrauch im Sinne von ‚in Rausch versetzen‘ wird das Verb μεθύσκω benutzt und die Begründung dieses Zustands mit einem Akkusativ angegeben (vgl. Lampe μεθύω, 1). An dieser Stelle der Übersetzung wird das Verb in diesem Sinne aufgefasst. Die Wiederherstellung (ἀποκατάστασις) bezeichnet die Rückkehr der Wesen zu ihrer Quelle (siehe Anm. 361). Die platonische Philosophie betrachtet die Liebe (ἔρος) als die Wirkkraft für die Rückwendung auf sich selbst und für die Wiederherstellung der göttlichen Einheit. Im Symposion stellt Platon Eros als Mittler zwischen Menschen und Göttern dar (vgl. Plat. Smp. 202e). Somit wird er zum Wegweiser für den Menschen auf dem Weg zu seinem Ursprung. Dieser Auffassung folgend betrachtet Proklos Liebe als die wichtigste Grundlage für die Rückwendung auf sich selbst und auf den Einen (vgl. Procl. in Rep. XI.272,10; 286,25; in Alc. 329,15–20; 27,15–28,10; 30,15; 68,1–10). An dieser Stelle äußert λόγος sowohl die Sprache im Allgemeinen als auch den Gebrauch der Vernunft durch logische Argumentation. Paraphrase Plat. Alc. 129b–c. Olympiodor paraphrasiert die Stelle des Alkibiades (129b–e) mit der Auffassung der Gemeinschaft (κοινωνία) durch Liebe (vgl. Plat. Smp. 188b–c), die eine Voraussetzung für Freundschaft und für das Zusammensein der Menschen und Götter darstellt (vgl. Plat. Grg. 507e–508a). Der Begriff πόρισμα stammt ursprünglich aus der Geometrie und bezeichnet eine Folgerung aus einem Beweis (vgl. Archim. Sph. Cyl. 1.36,13t; Euc. 1.15,21). Bei den Platon-Exegeten etabliert sich dieser Begriff im Sinne von einer philosophischen Konsequenz (vgl. Simp. in Ph. 1002,3; Ammon. in Cat. 40,8). Proklos stellt die Definition dieses Begriffs dar, die einerseits ein geometrisches Problem, andererseits eine aus einer Apodeixis gewonnene Konsequenz bedeutet (vgl. Procl. in Euc. 212,12–17; in Alc. 217,8–10). Olympiodor verwendet πόρισμα, wie Proklos, als eine philosophische Konsequenz, die sich aus einer bereits bewiesenen Schlussfolgerung selbstverständlich ableitet und sich als einen zusätzlichen Gewinn des Beweises darstellt (zum Bedeutungsinhalt vgl. Gatzemeier 1989). In der Logik wird eine solche Folge auch ‚Korollar‘ oder ‚Folgesatz‘ benannt. Vgl. Plat. Alc. 124a–130d. Vgl. Plat. Alc. 106c–119a. Vgl. Plat. Alc. 119a–124a. Die rationalen Prinzipien (λόγοι) sind ursprünglich ein Konzept der stoischen Philosophie, das Plotin in die platonische Metaphysik integriert; vgl. dazu Opsomer 2002, S. 260. Diese Prinzipien sind die Abbilder der Ideen, die sich im vernunftbegabten Teil der Seele und in der Natur befinden (vgl. Plot. I.2.3,27–30). Die von Menschen gemachte Handwerke dagegen,

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als Abbilder der Abbilder, besitzen diese Prinzipien nicht (vgl. Plat. Rep. 596b; Ti. 28a–b; Lg. 965b–c; Procl. in Ti. I.343,18–344,25). Auf dieser Grundlage vertritt Aristoteles die These, dass Platon für die Handwerke keine Formen vorgesehen hat (vgl. Arist. Metaph. 991b5–10; 1071a15–20; Alex. Aphr. in Metaph. 79,22–80,6). Der Begriff ἔξοδος bezeichnet eine Ausreise, metaphorisch auch eine Rettung aus einer schwierigen Situation. In der platonischen Philosophie wird mit diesem Begriff die Abreise der Seele des Menschen aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt nach dem Tod des Körpers als ein glückliches Ereignis bezeichnet. Das Adverb ‚hier‘ (τῇδε) deutet auf die sinnlich wahrnehmbare Ebene, mit dem darauffolgenden ‚dort‘ (ἐκεῖ) dagegen wird auf die intelligible und göttliche Ebene hingewiesen. Olympiodor verwendet diese Wörter mehrmals in diesem Sinne (siehe dazu 2,3 und Anm. 9; 5,3–5 und Anm. 92). Vgl. Plat. Phd. 107d. Zum Verhältnis zwischen der Rückwendung auf sich und der Besonnenheit vgl. Plot. I.2.7,1–18; Porph. Sent. 32,51–62; Procl. Theol. Plat. IV.44,23–26; 45,7–15. Die Besonnenheit kann ab einem Punkt nicht weiter absteigen und bringt den Menschen dazu, sich aus der Unwissenheit zu retten. Daher bezeichnet Platon die Besonnenheit als Selbsterkenntnis (vgl. Plat. Charm. 164d–165a) und die Mitte zwischen Glück und Leid. Vgl. Plat. Phdr. 237d–238b; Phd. 68c; Rep. 430e. Im Symposion wird Besonnenheit als dieTugend definiert, die die Beherrschung der Begierde verwirklicht (vgl. Plat. Smp. 196c: σωφροσύνη τὸ κρατεῖν ἡδονῶν καὶ ἐπιθυμιῶν). Hp. Aph. I.3,1: Ἐν τοῖσι γυμναστικοῖσιν αἱ ἐπ’ ἄκρον εὐεξίαι σφαλεραὶ, ἢν ἐν τῷ ἐσχάτῳ ἔωσιν· „Bei den Leuten, die sich einseitiger Leibesübung ergeben, wird der aufs Höchste getriebene Kräftezustand unsicher, sobald er zum Äußersten gelangt ist.“ (Übers. Sticker 1934). Olympiodor wiederholt dieses Zitat unten (227,14) und in anderen Kommentaren (vgl. Olymp. in Cat. 121,20). Mit dem Wohlbefinden (εὐεξίαι, wörtlich „gute Gewohnheiten“) ist in diesem Zusammenhang die physische Gesundheit und Stärke gemeint, die durch gymnastische Übungen erreicht werden. Diese fördern bis zu einem gewissen Punkt die Gesundheit, jedoch bewirken sie den Gegensatz, wenn sie übertrieben werden. Siehe dazu 214,2. In der platonischen Philosophie wird eine Rolle der Tapferkeit darin gesehen, dass diese Tugend den Menschen Mut zur Forschung gibt und sie zur Erkenntnis führt (vgl. Plat. La. 194a; Plot. I.2.7,1–15; Porph. Sent. 32; Procl. in Rep. I.12,25–13,5). Dieses Thema wird nicht im Parmenides, sondern im Charmides behandelt (Plat. Charm. 164d–175d). Olympiodor wiederholt seine Schlussfolgerung ausgehend von einer logischen Umkehrung, dass die Tugenden sich gegenseitig entsprechen (vgl. 92,8–9; 104,20–105,2; 118,11–27; 126,3–127,3; 155,3–6). Bei Platon wird die These aufgestellt, dass die Tugenden einander beinhalten, ohne ihre besonderen Eigenschaften zu verlieren. Dadurch kann jede Tugend sich auf eine bestimmte Weise bei einer anderen Tugend äußern (vgl. Plat. Prt. 349b–c, 359a–360e). Gemäß dem ‚platonischen Grundsatz‘, dass „alles in allem“ anwesend ist (vgl. Procl. Inst. 103), sind verschiedene Götter, wie auch die Tugenden, gegenseitig ineinander präsent (vgl. Plot.V.8,4; Porph. Sent. 10; Procl. Theol. Plat. VI.52,19–53,2; in Ti. II.27,24–27; Dam. Pr. I.244,2–14; in Prm. 14,12–15). Diese Aussage gilt, wie unten mit dem vierten Folgesatz erläutert (215,13–21), für alle Wesen auf der höheren Ebene der Seele und der Vernunft. Vgl. Anaxagoras Fr. B6 DK. Siehe dazu Arist. Metaph. 984a12–b22; Olymp. in Mete. 133,28; 30; D. L. II. 3,8.

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D. Anmerkungen An dieser Stelle wurde λόγος mit Prinzip übersetzt. Es ist auch möglich, dieses Wort im Dativ als Lokativ mit der Bedeutung ‚in der Vernunft‘ oder ‚in der sprachlichen Definition‘ aufzufassen. Zu logos als Prinzip siehe 10,8. Wie die Tugend allgemein, besteht auch die Besonnenheit aus den politischen, kathartischen und theoretischen Ebenen. Im Gegensatz zu der Bewegung der Wesen, die aus dem Einen entstehen und in die materielle Ebene hinabsteigen, bezeichnet die Rückwendung eine Bewegung zurück zu der Quelle, die auch eine Bewegung aus dem Schlechten in das Bessere ist. Vgl. dazu Plot. I.4.6,17–19; Procl. in Alc. 20,8–13; Theol. Plat. VI.95.6,1–8; Dam. in Prm. 136,3–8. Das Verhältnis zwischen Raum und Körper wird in der aristotelischen Philosophie ausführlich behandelt (vgl. Arist. Ph. 205a32–35; 209a31–b5; 212a20–21). Auf dieser Grundlage erörtern die Platoniker diese Fragestellung (vgl. Porph. Sent. 1; Iamb. in Ti. Fr. 90; Procl. in Alc. 34,1–10; in Ti. II.88,15–20). Dabei kommt der stoischen Philosophie eine zentrale Bedeutung zu, deren Position Wildberger (2006, S. 7–13 und spezifisch zu Chrysipp S. 100–102) wie folgt erläutert: Die Stoiker vertreten dieThese, dass die Körper nicht mit dem Raum begrenzt werden, sondern den Raum begrenzen und für sich einnehmen (siehe Chrysipp, SVF 2,503). Sie betrachten auch die Entitäten wie Luft und Wasser, die keine stabile Form haben, als Körper. Diese Körper können ineinander vollständig verschmelzen und eine Einheit bilden, oder sie mischen sich miteinander und dabei können sie dank ihres Widerstands ihre individuellen Eigenschaften behalten. Der neuplatonischen Seelentheorie zufolge ist erste Seele auf der intelligiblen Ebene eine Einheit, während die Seelen auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene von dieser Einheit herausgelöst und geteilt sind. Vgl. dazu Plot. III.8.5,1–15; Iamb. in Ti. Fr. 54; Procl. Inst. 21. Das Verhältnis der Ideen mit dem Raum und Materie wird im Neuplatonismus vielseitig diskutiert. Plotin stellt die These auf, dass die Ideen nicht räumlich begrenzt sind und die Materie die Idee berührt, ohne dass die Idee aus sich heraus durch die ganze Materie hindurchgeht (διὰ πάσης διεξελθούσης, Plot. VI.5.8,21). Spätere Platoniker fassen mit dem Begriff δίϊξις die Eigenschaft der Ideen auf, sich miteinander vereinen und dabei ihre Eigenschaften behalten zu können, die einen Gegensatz zu der Materie darstellt (Procl. in Ti. II.88; Simp. in Ph. 18,9; Elias in Cat. 250,6). Der Darstellung im Timaios zufolge erschafft der Demiurg die lebenden Wesen auf der Welt nach dem Paradigma des „wahrhaft lebenden Wesens“ (ὃ ἔστιν ζῷον, Plat. Ti. 39e). In der platonischen Philosophie wird der Begriff ‚τὸ αὐτοζῷον‘ erstmals von Plotin verwendet, um das Leben an sich im Gegensatz zu dem Leben an etwas anderem zu äußern (Plot. III.8.8,12: Τὸ γὰρ ἐν ἄλλῳ ζῶν δι’ ἐκεῖνο, οὐκ αὐτοζῶν.). Plotin zufolge existiert das lebende Wesen an sich vor dem Leben in der sinnlich wahrnehmbaren Welt (vgl. Plot. VI.6.8,1–2). Auf der anderen Seite wird dieser Begriff im Rahmen der aristotelischen Logik und Definition des Menschen untersucht (Alex. Aphr. in Metaph. 748,5–15; Syrian. in Metaph. 89,2–5; Simp. in Cat. 82,28–83,10; Phlp. in APo. 241,25–242,5). Ausgehend von Platons Konzept des Kosmos als lebendiges Wesen (κόσμος ζῷον, Plat. Ti. 30b) wird dieser Begriff auch in den platonischen Kommentaren thematisiert (vgl. Porph. in Ti. 2,41; Iamb. in Ti. Fr. 43,22–29). In diesem Zusammenhang analysiert Proklos den Gebrauch dieses Begriffs bei Plotin und Platon (Procl. in Ti. I.427,6–431,9). Er konstatiert dabei drei intelligible Triaden bei Platon: Vernunft, Vater und als dritte im Timaios „das Lebendige selbst“ (Procl. Theol. Plat. III.2,20–3,2). Damaskios erklärt mit diesem Begriff die These, dass das Leben an sich vor dem menschlichen Leben entstand (Dam. Pr. I.210,22–27; 299,9–12). Neuplatoniker bezeichnen die Materie als hässlich und formlos, da sie einen Gegensatz zu den intelligiblen Formen darstellt. Zu dieser Ansicht vgl. Plot. II.5.4,12–13; Porph. Sent. 20,1–4; Simp. in Ph. 135,1–14; Procl. in Alc. 318,1–6; Inst. 72.

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Vgl. Plat. Alc. 132a1–3, siehe dazu 221,10–11. Platon bezeichnet Sophisten und ihre Schüler ironisch als ‚gewaltig‘ (δεινός), mit der Bedeutung von sowohl ‚einflussreich, geschickt‘ als auch ‚schrecklich, furchtbar‘. Beispiele dazu sind seine Darstellungen von Protagoras (vgl. Plat. Phdr. 267d; Prt. 341a) und Homer als Lehrer aller Tragödiendichter (Plat. Rep. 595c). Auf dieser Grundlage werden die Redner, die sich nach den Wünschen des Volkes und nach der Lehre der Sophisten richten, hier als Schüler eines doppeldeutig ‚gewaltigen‘ Lehrers dargestellt. Zu Hermes und Odysseus vgl. Hom. Od. 10,275–306. Dieses Wort wurde wahrscheinlich von μωλύνω/μωλύω „entkräften, entfernen, abwenden“ abgeleitet. Die Pflanze μῶλυ wird in der Odyssee als das zauberhafte Kraut dargestellt, das Hermes Odysseus als Hilfe gegen Kirkes Zauber gibt (Hom. Od. 10,302–307). Daher kann es als ‚Abwehrkraut‘ gegen Zauber bezeichnet werden. Homer beschreibt dieses Kraut mit schwarzer Wurzel und weißer Blüte. Die Identifikation dieser Pflanze kann jedoch nicht eindeutig geklärt werden. Die platonische Philosophie wird häufig als ‚Gegenmittel‘ definiert (φάρμακον ἀλεξητήριον, wörtlich „schützendes Medikament“). Siehe dazu im Folgenden 217,1 und 222,1–2; vgl. Plat. Charm. 155e–158d; Xen. Mem. I.3,7; Apollod. VII,16; Olymp. in Phd. 2.8.1–3; Elias in Cat. 119,22–23. Mit dem Verb θηριωθῆναι deutet Olympiodor zum einen auf die Geschichte von Kirke, die die Männer von Odysseus in Schweine verwandelt hat (vgl. Hom. Od. 10,235–64), zum anderen auf den platonischen Gebrauch der Metapher des wilden Tieres gegenüber der Vernunft (vgl. Plat. Rep. 588c; Alc. 110d–e; Procl. in Alc. 243,13–244,11). Diese Aussage ist der Schlüsselsatz zu der These, dass nicht die Menschen allgemein, sondern den einzelnen Menschen zu erkennen, wichtig ist. Auch im Fall der Gesellschaft müssen nach Olympiodor zuerst einzelne beteiligte Menschen erkannt werden. Vgl. Hom. Od. 19,163; Plat. Ap. 34d. Im 5. und 4. Jh. v. Chr. wird ein γναφεύς (oder κναφεύς) mit Walker identifiziert; vgl. dazu Erxleben 1975, S. 385. Der Arbeitsbereich von einem γναφεύς in der Spätantike kann als allgemein Kleidungsherstellung definiert werden und bezieht sich auf mehrere Schritte bei der Herstellung der Kleider, wie Schneiderei, Tuchschererei, Tuchwalkerei und Wollkämmerei. Olympiodor erklärt an einer früheren Stelle des Kommentars, dass einen Syllogismus auf Negationen zu bauen zu einer widersprüchlichen Dialektik führt (siehe 195,15–18). In den Fällen, bei denen es eine einzelne negative Prämisse gibt, ist eine Schlussfolgerung möglich. Zum Syllogismus ausgehend von Negationen vgl. Arist. APr. 33a5–20. An dieser Stelle deutet Olympiodor erneut auf die gegensätzliche Stellung der Mehrzahl (τὸ πλῆθος) und des Einzelnen (ἕκαστον). Die folgende Geschichte wird bei Ailianos dargestellt (Ael. VH 2,1). Eine andere Quelle für diese Überlieferung kann nicht identifiziert werden. Olympiodor paraphrasiert diese Anekdote wahrscheinlich ausgehend von dem Alkibiades 130a–132b. In diesem Teil des Dialogs fragt Sokrates über die Menschen und deren einzelnen Berufe, ob sie sich um sich selbst sorgen. Dadurch zeigt Sokrates, dass das Volk für die Erkenntnis des Selbst kein guter Lehrer sein kann. Siehe dazu 216,4. An dieser Stelle greift Olympiodor auf die Gewandmetapher auf, um im Zusammenhang damit das Volk als Menge mit mehreren Kleidungsschichten (bzw. Tuniken) zu vergleichen. Siehe dazu 107,8–11. Das ist eine Andeutung auf Odysseus’ Beobachtung der Kirkes’ Insel (Od. 10,197), wobei dieser Ausdruck sich im Zusammenhang mit dem Zyklopen an einer anderen Stelle der Odyssee befindet (9,218).

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D. Anmerkungen Im Zusammenhang mit der Darstellung der sokratischen Philosophie als Heilung verwendet Olympiodor die Wörter Heilmittel (φάρμακον) und Gegenmittel (ἀλεξιφάρμακον) im vorliegenden Unterricht (siehe dazu 7,4–11; 54,9–55,14; 145,12–146,11). Vgl. 147,2–4; 169,13–16. Für die folgende Paraphrase vgl. Plat. Alc. 132d–133b. Die Rückwendung auf sich selbst wird durch die Selbstbewegung ermöglicht, dagegen können sich die fremdbewegten Wesen nicht auf sich selbst zurückwenden. Dazu siehe 7,11–8,9; 81,26–28; 171,11–12. Die fremdbewegten Wesen können sich selbst nur durch ihre Wiederspiegelungen sehen (dazu siehe 81,26–28; vgl. Procl. Inst. 15; Dam. Pr. 32,17–25). Diogenes berichtet über Sokrates, dass er den Jugendlichen geraten habe, öfters auf ihr Spiegelbild zu schauen, damit sie sich verbessern können (D. L. II.5,33). Zur Fremdbewegung von Alkibiades siehe 10,1; vgl. Procl. in Alc. 116,5–14. Die göttlichen Abbilder (θεῖα ἀγάλματα) bedeuten sowohl konkret die Götterstauen und Götterbilder als auch die abstrakten Vorstellungen über die Gottheiten (vgl. Plat. Smp. 216e; Procl. in Alc. 190,10–11). Der Gott im Verhältnis deutet auf den Bezug der Seele auf den Gott: Durch ihren göttlichen Teil kann diese sich mit dem Gott vereinen. Olympiodor unterteilt auch die Daimones in diese Kategorie (siehe 15,8). Zur Klassifizierung der Götter vgl. Procl. in Ti. I.211,8–212,1. Die Gemeinbegriffe entstehen durch die Erleuchtung der Vernunft (siehe dazu 18,3–4; 40,20; in Grg. 44,7). Zu dieser These vgl. Procl. in Alc. 247,2–3; 274,1; Inst. 64; in Cra. 28,22–26; in Ti. I.360,30; 438,29–30; II.144,15; Simp. in Cat. 12,26–13,4. Sokrates bemüht sich darum, Alkibiades dazu zu bringen, selbstständig die höheren Einheiten wie die Vernunft und den Gott zu erkennen. Daher ist es nach OlympiodorAlkibiades’ Aufgabe, nicht einfach Sokrates zu folgen, sondern in Zusammenarbeit mit ihm die Erkenntnis in der Seele zu suchen. Der Begriff εἴδωλον wurde an dieser Stelle mit ‚Bild‘ übersetzt, da es aus einer Verbindung des inneren Bildes (ἴνδαλμα) und äußeren, materiellen Bildes (ἄγαλμα) besteht (siehe dazu Anm. 1755). Die Grundlage für diese Aussage bildet die platonische Theorie über die Sinneswahrnehmungen. In mehreren Dialogen beschreibt Platon die Sehwahrnehmung als die Wahrnehmung der ‚Abdrücke‘ der echten Gegenstände (vgl. Plat. Ti. 45b–46c; Men. 76d; Tht. 156d–e). Auch Proklos erwähnt es als Platons Ansicht (vgl. Procl. in Rep. I.290,7–21; in Prm. 840,23–30). Bemerkenswert an dieserAussage ist die kritische Distanz Olympiodors zu Proklos, da er selbst diese Ansicht offensichtlich nicht auf Platon zurückführen will. Diese These stammt ursprünglich von Epikur (Epicur. Ep. 49–50). Olympiodor bezeichnet es als peripatetisch und mechanistisch, da Aristoteles und Aristoteles-Exegeten die Entstehung der Schatten als einen mechanischen Prozess auffassen. Demnach werden die Schatten durch die mittlere Position eines Körpers zwischen Licht und einer anderen Fläche verursacht (vgl. Arist. Mete. 373a35–b34; Alex. Aphr. in Mete. 141,3–144,9; Olymp. in Mete. 209,15–217,19; Phlp. in de An. 330–341; 605,22–31). Zu ὑποστάσις als Wesen in der konkreten Existenz vgl. Lampe II.B; III,3. Mit dem Konzept von Ausströmungen (ἀπόρροιαι) werden die Ausstrahlung körperlicher Gegenstände von der göttlichen Ausstrahlung unterschieden. Zum Begriff siehe Horn 2002a. Spätere Platoniker betonen die körperliche Beschaffenheit von Ausströmungen (vgl. Elias in Cat. 241,16–17). Gemäß der platonischen Erkenntnistheorie ermöglicht die Ähnlichkeit der Gegenstände auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene zu den Ideen auf der intelligiblen Ebene die Wiedererinnerung (Anamnesis) und die Erkenntnis (vgl. Plat. Ti. 45b–46c). Die Neuplatoniker

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vertreten ebenfalls diese Position (vgl. Plot. IV.5.1,9–10; Porph. Sent. 25; Procl. in Alc. 248,12–16; in Ti. I.102,29–103,3). In der platonischen Theorie der Sehwahrnehmung geschieht Sehen durch Ähnlichkeit der Ausströmungen mit der Quelle der Ausströmung selbst. Die Kristalllinse des Auges kann sich deshalb auf dem Spiegel erkennen, da ihre Ausströmung auf dem Spiegel mit ihr selbst ähnlich ist. Die Festigung (πῆξις) bezeichnet neben Stabilisierung auch die Materialisierung und die Verkörperung eines Gegenstands. Durch diesen Begriff werden nach Olympiodors Auffassung die Schatten als konkrete Wesen gekennzeichnet. Diese Passage lässt sich nicht eindeutig interpretieren. Die Festigungsgeschwindigkeit (τὸ ὀξύ τῆς πήξεως) soll hier scheinbar die Wirkung der daimonischen Macht nach einem physischen Gleichnis erklären: Wie einige Substanzen erst flüssig oder dunstig sein, sich dann aber in anderen Temperaturen wieder befestigen können, so kann die daimonische Kraft in bestimmten Situationen konkret spürbar sein. Der Ausdruck „daimonischer Prozess“ befindet sich bei Plat. Sph. 266b (δαιμονίᾳ καὶ ταῦτα μηχανῇ γεγονότα). Die Entstehung der Schatten im Zusammenhang mit der Festigungsgeschwindigkeit in einem daimonischen Prozess wird im Neuplatonismus behandelt. Bei Jamblich begründet diese These die Erscheinungen der Daimones im Feuer (Iamb. Protr. 77,10–15). Er verwendet die Ausdrücke παχύτης (Protr. 124,18) und κατὰ πῆξιν (Myst. 1.18,48) bezüglich der Wahrnehmung der Götter. Proklos bezeichnet die leuchtende Ausstrahlung der Daimones mit deren „Dichte“ (παχύς, Procl. in Ti. III.135,9). Ferner gebraucht Proklos auch den Ausdruck bei Platon, „daimonischer Prozess“ (Procl. in Rep. I.290,9: δαιμονίᾳ μηχανῇ). Aristoteles wird in der Philosophie häufig mit der Bezeichnung ‚daimonisch‘ verbunden (Alex. Aphr. in Metaph. 812,9; Syrian. in Metaph. 6,6–7; Procl. in Rep. II.349,13; in Alc. 237,2; Anon. Proleg. 1,1). Olympiodor erwähnt diese Anrede auch früher im Kommentar (siehe 122,12). Als Begründung führt er an, dass Aristoteles außergewöhnlich schnell (ὀξύτατον) sei. Dieses Adjektiv deutet in der platonischen Philosophie auch auf die Scharfsinnigkeit (Plat. Lg. 741d; Plu. Dio 4,5). Hom. Il. XX,392. Die Abdrücke (ἐμφάσεις) gehören, wie Reflexionen (ἀνακλάσεις, siehe oben 217,25), nicht den Gegenständen selbst, sondern sind sie nur ihre Repräsentationen. Die Ausströmungen (ἀπόρροιαι) werden dagegen als materielle Ausstrahlungen der Gegenstände definiert (siehe dazu Anm. 1839). Dieser Satz wird in der aktuellen Forschung im Rahmen andererAnsichten über Frauen bei den Platonikern diskutiert (vgl. Layne 2021). Diese Repräsentation des Femininen deutet Layne daraufhin, dass Olympiodor ein typisches Bild der Frau im Sinne von einem ‚Objekt‘ biete, um diese problematische Darstellung im Platonismus zur Diskussion zu stellen. Es ist jedoch nicht möglich, Olympiodors Intention herauszufinden. Obwohl dieser Satz auf dem ersten Blick eine negative Interpretation unterstützt, deutet er dabei wahrscheinlich auf die früheren Theorien über Spiegel und Reflexionen. Auch Aristoteles verwendet das Beispiel des weiblichen Zyklus in Verbindung mit dem Sehvermögen (vgl. Arist. Insomn. 459b25–30). Deshalb kann diese Bemerkung als ein philosophischer Topos betrachtet werden. Vgl. Plat. Alc. 135d, siehe dazu 117,4–6. Diese Etymologie für die Liebe wird bei Platon angeführt (vgl. das Adverb ἐρρωμένως, „mit lebendiger Kraft“, Plat. Phdr. 238c). Bei den Platonikern wird Liebe mit männlicher Kraft identifiziert (vgl. Procl. in Alc. 25,20–21). Vgl. Plat. Cra. 398c–d. Vgl. Plat. Alc. 131e1–4: Ὡς οὕτω γέ σοι ἔχει· οὔτ’ ἐγένεθ’, ὡς ἔοικεν, Ἀλκιβιάδῃ τῷ Κλεινίου ἐραστὴς οὔτ’ ἔστιν ἀλλ’ ἢ εἷς μόνος, καὶ οὗτος ἀγαπητός, Σωκράτης ὁ Σωφρονίσκου καὶ

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D. Anmerkungen Φαιναρέτης. „So nämlich ist es um dich bestellt: Alkibiades, der Sohn des Kleinias, hat, wie es scheint, weder einen Liebhaber gehabt noch hat er einen, ausgenommen einen einzigen und zwar einen ersehnten: Sokrates, den Sohn des Sophroniskos und der Phainarete.“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 131e1–4, siehe Anm. 1851. Vgl. Plat. Alc. 131e3, siehe Anm. 1851. Im oben angeführten Zitat (220,13) wird für ἀγαπητός kein Artikel benutzt, in Olympiodors Paraphrase befindet sich dagegen Artikel. Dadurch bezieht sich das Adjektiv ‚geschätzt‘ auf Sokrates. DerAusdruck „so ist es bei dir“ (ὡς οὕτω γέ σοι ἔχει) braucht nach Olympiodor eine Erklärung, da es nicht konkret gesagt wird, was bei der Person auf diese Weise ist. Nachfolgend spezifiziert er das als „Angelegenheiten“ (πράγματα). Vgl. Plat. Alc. 131e6–8: Οὐκοῦν ἔφησθα σμικρὸν φθῆναί με προσελθόντα σοι, ἐπεὶ πρότερος ἄν μοι προσελθεῖν, βουλόμενος πυθέσθαι δι’ὅτι μόνος οὐκ ἀπέρχομαι; „Sagtest du nun nicht, dass ich, als ich an dich herantrat, dir um ein weniges zuvorkam, da du sonst deinerseits als erster an mich herangetreten wärest in der Absicht, mich zu fragen, warum ich als einziger nicht von dir fortginge?“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 104c8–d4. Paraphrase Plat. Alc. 131e10–132a4. Zur Blüte der Seele als dem höchsten und göttlichen Teil der Seele, der sie mit dem Gott verbindet, vgl. Anm. 949, 950 und 1036. Vgl. Plat. Alc. 132a1–3: καὶ νῦν γε ἂν μὴ διαφθαρῇς ὑπὸ τοῦ Ἀθηναίων δήμου καὶ αἰσχίων γένῃ, οὐ μή σε ἀπολίπω. „Und wenn du dich jetzt nicht vom Volk der Athener verderben lässt und hässlicher wirst, dann werde ich dich gewiss nicht verlassen.“ (Übers. Döring 2016). Dieses Beispiel ist ähnlich zu dem oben erwähnten Beispiel der gefälschten Münzen (siehe 216,8–10). Siehe dazu 216,10–11. Vgl. Plat. Alc. 132a4–5: πολλοὶ γὰρ ἤδη καὶ ἀγαθοὶ αὐτὸ πεπόνθασιν Ἀθηναίων. „Das ist nämlich schon vielen tüchtigen Athenern widerfahren.“ (Übers. Döring 2016). Die Veranlagung (ἕξις) bezeichnet bei Aristoteles die Voraussetzungen, sich auf eine Art und Weise verhalten zu können (vgl. Arist. EN 1098b33–1099a7). Zur Begriffserklärung vgl. Buddensiek 2002. Vgl. Plat. Alc. 132a5–7: εὐπρόσωπος γὰρ ὁ τοῦ μεγαλήτορος δῆμος Ἐρεχθέως· „Denn nach außen sieht ‚das Volk des großherzigen Erechtheus schön aus“ (Übers. Döring 2016). Platon zitiert an dieser Stelle aus der Ilias (II,547) mit veränderter Wortfolge. Das Zitat wird auch bei anderen Platonikern verwendet (vgl. Plot. IV.4.43,20–22). Vgl. Hom. Il. II,547. Dieser Ausdruck ist wie ein Zitat angeführt, dessen Quelle nicht überliefert ist (siehe oben 216,17–18). Im Folgenden schließt Olympiodor ausgehend von diesem Satz, dass das Gegenmittel, das Sokrates bietet, als Auskleidung bezeichnet wird. Entweder interpretiert Olympiodor diese Aussage als einen Teil des Dialogs, oder ist dieser Satz als eine zusammenfassung in Anführungszeichen gesetzt. Hom. Od. 9,218; siehe dazu 216,18–20. Vgl. Plat. Alc. 132b1–4: Γύμνασαι πρῶτον, ὦ μακάριε, καὶ μάθε ἃ δεῖ μαθόντα ἰέναι ἐπὶ τὰ τῆς πόλεως, πρότερον δὲ μή, ἵν’ἀλεξιφάρμακα ἔχων ἴῃς καὶ μηδὲν πάθῃς δεινόν. „Üb dich zunächst, mein Bester, und lern das, was man gelernt haben muss, wenn man sich in die Politik begeben will, vorher aber tu dies nicht, damit du dich mit Gegenmitteln ausgestattet in die Politik begibst und dir nichts Furchtbares widerfährt.“ (Übers. Döring 2016).

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Vgl. Plat. Alc. 132b5–7: ἀλλὰ πειρῶ ἐξηγεῖσθαι ὅντιν’ἂν τρόπον ἐπιμεληθεῖμεν ἡμῶν αὐτῶν. „Doch versuch mir zu erklären, auf welche Weise wir uns um uns selbst bemühen können.“ (Übers. Döring 2016). In der Grammatik bezeichnet διπλασιασμός Verdopplungen auf verschiedenen Ebenen, entweder von einzelnen Buchstaben oder von ganzen Wörtern (siehe LSJ, II). An diesem Beispiel (uns selbst) bedeutet die Verdopplung den Gebrauch von zwei Wörtern mit ähnlicher, einander betonender Bedeutung. Auf der Ebene der ethischen Tugend wird der Mensch als in der Gesellschaft handelnde Person betrachtet. Daher benutzt die Seele den Körper als Werkzeug, genau wie bei der politischen Tugend. Dagegen stehen kathartische und theoretische Tugenden über der ethischen Ebene. Olympiodor weist daraufhin, dass der Dialog ab diesem Punkt von diesen höheren Stufen der Tugend handelt. Olympiodor zufolge bezeichnet Proklos die Absicht des Dialogs als ethisch, da er das Selbst selbst als die Seele definiert, die den Körper benutzt. Dies entspricht der ethischen Tugend. Damaskios hingegen identifiziere das Selbst selbst mit der Seele ohne Körper als Werkzeug und das Selbst mit der Seele mit Werkzeug. Auch in diesem Fall wird die ethische Tugend von den höheren Tugenden unterschieden. Siehe dazu 204,10–205,15; 209,15–20. Vgl. Plat. Alc. 132b8–11: Οὐκοῦν τοσοῦτον μὲν ἡμῖν εἰς τὸ πρόσθεν πεπέρανται -ὃ γὰρ ἐσμέν, ἐπιεικῶς ὡμολόγηται–ἐφοβούμεθα δὲ μὴ τούτου σφαλέντες λάθωμεν ἑτέρου τινὸς ἐπιμελόμενοι ἀλλ’οὐχ ἡμῶν. „Nun denn, so viel sind wir vorangekommen: Was wir sind, darüber haben wir uns in annehmbarer Weise verständigt. Wir fürchteten aber, wir könnten in diesem Punkt in die Irre gehen und uns deshalb, ohne es zu merken, um etwas anderes statt um uns selbst bemühen.“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 132b–c. Sokrates und Alkibiades haben sich geeinigt, dass der Mensch die Seele sei. Nach Olympiodor deutet diese Feststellung darauf, dass sie den Menschen auf politische Weise anerkannt haben. Plat. Alc. 132b10. Diese Worte werden von Alkibiades als Bestätigung geäußert, deren passendere Übersetzung „sie sind so“ (wie Döring) lauten müsste. Olympiodor betont dabei den Plural in ταῦτα. Vgl. Plat. Alc. 132c1–2: Καὶ μετὰ τοῦτο δὴ ὅτι ψυχῆς ἐπιμελητέον καὶ εἰς τοῦτο βλεπτέον. „Und danach haben wir uns darüber verständigt, dass man sich um seine Seele bemühen und seinen Blick ebendarauf richten muss.“ (Übers. Döring 2016). Paraphrase Plat. Alc. 132c. Olympiodor paraphrasiert Sokrates’ Aussage, dass wir nachfolgend uns selbst erkennen werden, in dem Sinne, dass die kathartische und theoretische Selbsterkenntnis danach folgt. In diesen Stufen der Tugend erkennt der Mensch die Seele abgesondert von dem Körper und von dem Besitz des Körpers. Vgl. Plat. Alc. 132c8–9: ἐπειδὴ τοῦτο γνόντες, ὡς ἔοικεν, καὶ ἡμᾶς αὐτοὺς γνωσόμεθα. „Denn wenn wir dies erkannt haben, werden wir, wie es scheint, auch uns selbst erkennen.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 132c7–8: Τίν’ οὖν ἂν τρόπον γνοῖμεν αὐτὰ ἐναργέστατα; „Auf welche Weise können wir diese Dinge nun wohl am klarsten erkennen? (Übers. Döring 2016). Carlini und Burnet haben, ausgehend von Schleiermacher, αὐτὸ („das“) statt αὐτὰ („diese Dinge“) in der Überlieferung. Da Apollon als Gottheit die Sonne symbolisiert, gehört der Befehl „erkenne dich selbst“ der Sonne (siehe dazu 8,15–9,15). Siehe dazu 222,5. Vgl. Plat. Alc. 132d2–4: κινδυνεύει γὰρ οὐδὲ πολλαχοῦ εἶναι παράδειγμα αὐτοῦ, ἀλλὰ κατὰ τὴν ὄψιν μόνον. „Es scheint nämlich kaum irgendwo einen Parallelfall dazu zu geben, sondern allein beim Sehen.“ (Übers. Döring 2016). Der Befehl ist der delphische Spruch „Erkenne dich selbst“.

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D. Anmerkungen Vgl. Plat. Alc. 132e2–3: Δῆλον δή, ὦ Σώκρατες, ὅτι εἰς κάτοπτρά τε καὶ τὰ τοιαῦτα. „Offenkundig in Spiegel und Gegenstände gleicher Art, Sokrates.“ (Übers. Döring 2016). Das Wort κόρη bezeichnet gleichzeitig die Pupille des Auges sowie eine unverheiratete junge Frau. Darauf bezieht sich Olympiodor im Folgenden: Die Wörter ‚Pupille‘ und ‚Mädchen‘ werden im Griechischen gleich geschrieben, während sich auf Deutsch die Übersetzung des Wortes κόρη ins Lateinische (pupilla, „kleines Mädchen“) eingebürgert hat. Diese Bezeichnungen für das Sehloch des Auges gehen auf die Wahrnehmung zurück, dass Menschen sich auf dem Auge ihres Gegenübers wie eine kleine Figur sehen. Olympiodor vergleicht die Mädchen, die sich zum Schutz mehrere Tuniken anziehen, mit dem Augenlid, das die Pupille des Auges schützt. Vgl. Plat. Alc. 133c18–19: τὸ δὲ γιγνώσκειν αὑτὸν ὡμολογοῦμεν σωφροσύνην εἶναι; „Wir stimmten aber doch darin überein, dass das Sich-selbst-Erkennen Besonnenheit ist?“ (Übers. Döring 2016). Mit dem gleichen Wort πολιτικός wird im Folgenden die politischeTugendstufe, der Mensch in dieser Tugendstufe, sowie konkret der Politiker bezeichnet. Vgl. Plat. Alc. 118b. Die öffentlichen Einnahmen (πρόσοδον) deuten auf die Einkünfte, die von einem bestimmten Landgebiet stammen. Dieses Wort wird bei Platon allgemein im Sinne von staatlichen Einnahmen benutzt (vgl. Plat. Lg. 847a). Die Werften, Häfen, Mauern und öffentliche Einnahmen verweisen auf die politischen Aktivitäten von Perikles (vgl. Thucy. II.65,2–9; Plu. Per. 12,1–13,8). Olympiodor erwähnt auch in anderen Kommentaren den Bau der Mauer von Piräus, vgl. Olymp. in Grg. 7.3,5–8. Hdt. VII.141,17. Dieser Satz aus dem Orakelspruch wird auch an einer anderen Stelle des Kommentars angeführt (siehe 65,5). Herodot erwähnt diesen Ausdruck in dem Zusammenhang, dass Themistokles vor der Schlacht von Salamis das Delphische Orakel um Rat gefragt hat, woraufhin ein Orakelspruch kam, der von einer hölzernen Mauer handelt. Im Folgenden behandelt Olympiodor diese drei Schlussfolgerungen: Derjenige, der sich selbst nicht kennt, ist kein Politiker (225,1–14). Ein solcher Mensch ist weder eine ethische Person noch ein Haushaltsverwalter (225,15–24). Ein Politiker erkennt sich selbst (225,25–226,2). Siehe dazu 197,12–199,10; 200,4–10; vgl. Plat. Alc. 131a–c. Die Objekte, die einem Menschen gehören, haben die Ähnlichkeit mit dem Körper, der auch ein Besitz des Menschen ist, da diese beiden eine materielle Eigenschaft im Gegensatz zu der Seele nachweisen. Ein Arzt kennt den menschlichen Körper und der Geschäftsmann kennt die materiellen Besitztümer: Durch die Ähnlichkeit dieser Bereiche kennen sie beides, ohne sich selbst zu kennen. Nachfolgend widerlegt Olympiodor diese These und erklärt, dass die Erkenntnis dessen, was zum Selbst gehört, und die Erkenntnis des Selbst das Gleiche ist. Dieses Argument erklärt im Alkibiades den Unterschied zwischen der Sprache und dem Sprechenden. Während die Sprache ein Werkzeug ist, ist der Mensch die Seele, die dieses Werkzeug benutzt. In diesem Sinne kennt ein Arzt sich nicht, wobei er den Körper kennt (vgl. Plat. Alc. 131a). Eine andere Grundlage dieses Widerspruchs liegt daran, dass die Werkzeuge nicht ein Teil des Selbst sind (vgl. Plat. Alc. 129c–d). Wenn jemand sich selbst erkennt, würde er dadurch nicht die Erkenntnis seiner Werkzeuge besitzen, da diese nicht zu dem Selbst gehören. Vgl. Plat. Alc. 133d11–13: Οὐκ ἄρα πάνυ τι ὀρθῶς ὡμολογοῦμεν ὁμολογοῦντες ἄρτι εἶναί τινας οἳ ἑαυτοὺς μὲν οὐ γιγνώσκουσιν, τὰ δ’αὑτῶν, ἄλλους δὲ τὰ τῶν ἑαυτῶν. „Es war also schwerlich richtig, wenn wir uns vorhin darauf einigten, dass es Leute gebe, die zwar sich selbst nicht erkennen, wohl aber die Dinge, die zu ihnen gehören, und wiederum andere, die diejenigen Dinge erkennen, die zu den Dingen gehören, die zu ihnen gehören.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 131a–c.

D. Anmerkungen 1897

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Dieser Satz bezieht sich auf die oben erwähnten zwei Widersprüche, die zu dieser Schlussfolgerung führen. Wenn man erstens betrachtet, dass einige Menschen die Dinge erkennen, die zum Selbst gehören, ohne sich selbst zu erkennen, erscheint diese Schlussfolgerung als richtig. Der zweite Widerspruch ist, dass diejenigen, die sich selbst erkennen, ihre Werkzeuge nicht kennen: Das ist eine Umkehrung der Aussage, dass einige Leute ihre Werkzeuge kennen, ohne sich selbst zu erkennen. Olympiodor erklärt nachfolgend, dass Platon im Dialog diese Behauptung als falsch verwirft, da die Erkenntnis der Gegensätze das Gleiche ist. Zu dieser Stelle siehe 228,1–21. Der platonischen Philosophie zufolge benötigt die Kenntnis von einem bestimmten Gegenstand auch die Kenntnis seines Gegensatzes, damit eine klare Definition konstruiert werden kann. Vgl. dazu Plat. Hp. Mi. 366e–368b; Plot. I.3.4,6–9; Herm. in Phdr. 245,25–26; Procl. in Alc. 230,6–11; Elias in Porph. 85,26–27. Hom. Od. 11,315; siehe dazu 191,13. Ein ethischer Mensch verwaltet nur sein eigenes Leben, ein Hausverwalter ein gesamtes Haus und ein Politiker einen Staat. Zum Vergleich mit den Buchstaben siehe 186,21–24. Siehe oben 224,5–17. Von den oben erwähnten drei Schlussfolgerungen (225,1) ist hier nur dieser explizit als Syllogismus benannt, der unten fälschlicherweise als zweiter Syllogismus bezeichnet wird (229,6–9; 19), obwohl er der dritte ist. Dagegen wird der Syllogismus („wer kein Politiker ist, ist auch kein ethischer Mensch bzw. Privatperson und Hausverwalter“) zurecht als zweiter Syllogismus angeführt (siehe 228,26–28). Dieses Beispiel zeigt, dass im mündlichen Unterricht nicht in allen Fällen eine strikte Reihenfolge der Argumentation eingehalten wird. Vgl. Plat. Grg. 513d–516e; Olymp. in Grg. 40.2,6–10. Vgl. Plat. Alc. 134c. Der Begriff Seelengipfel findet sich am Anfang des Kommentars bei der gleichen Aussage des Sokrates (siehe 8,5 und die Paraphrase zwischen 7,11–8,14). Damit wird der Höhepunkt der Seele als ihr göttlicher Teil aufgefasst. Für die Aufblüte steht hier ἀπάνθισμα. Bei den Platonikern wird hingegen für die ‚Blüte der Seele‘ häufiger ἄνθος verwendet (vgl. Procl. in Prm. 1071,23: ἄνθος τῆς ψυχῆς; in Alc. 247,11: ἄνθος τῆς οὐσίας; Dam. Pr. I.294,22: τὸ ἄνθος αὐτὸ τῆς οὐσίας). Auch Philoponos benutzt das Wort ἀπάνθισμα im philosophischen Zusammenhang (Phlp. De aetern. 493,15). In diesem Kommentar bevorzugt Olympiodor ἄνθος mit anderen Begriffen zu verbinden (Siehe 109,22: ἄνθος τοῦ εἴδους; 121,15–16: ἄνθος τῶν ἀρετῶν). Dagegen wird im vorherigen Unterricht in Bezug auf die Seele ἀπανθοῦντος (221,8–9) ausgehend vom Verb ἀπανθέω im Sinne von ‚aufblühen‘ gebraucht. Vgl. Plat. Alc. 135a. Hp. Aph. II,10 (Übers. Sticker 1934). Vgl. Olymp. in Cat. 10,7–8. Vgl. Plat. Alc. 135a5–7: Τί δ’ἐν νηί, εἴ τῳ ἐξουσία εἴη ποιεῖν ὃ δοκεῖ, νοῦ τε καὶ ἀρετῆς κυβερνητικῆς ἐστερημένῳ, καθορᾷς ἃ ἂν συμβαίη αὐτῷ τε καὶ τοῖς συνναύταις; „Und wenn einer auf einem Schiff die Befugnis haben sollte zu tun, was er für gut befindet, jedoch bar jeglichen Sachverstandes und der für einen Schiffskommandanten erforderlichen Tüchtigkeit wäre, ist dir klar, was dann wohl ihm selbst und seinen Mitreisenden widerfahren dürfte?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Rep. 617e1–5: οὐχ ὑμᾶς δαίμων λήξεται, ἀλλ’ ὑμεῖς δαίμονα αἱρήσεσθε. πρῶτος δ’ὁ λαχὼν πρῶτος αἱρείσθω βίον, ᾧ συνέσται ἐξ ἀνάγκης. ἀρετὴ δὲ ἀδέσποτον, ἣν τιμῶν καὶ ἀτιμάζων πλέον καὶ ἔλαττον αὐτῆς ἕκαστος ἕξει. αἰτία ἑλομένου· θεὸς ἀναίτιος. „Nicht wird ein Daimon euch erlosen, sondern ihr werdet euch einen Daimon wählen. Wer das erste Los gezogen hat, der soll sich als erster den Lebenslauf wählen, mit dem er dann notwendig verbunden bleibt. Die Tüchtigkeit aber ist keinem Herrn zu eigen, je nachdem ein jeder sie ehrt

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D. Anmerkungen oder geringachtet, erhält er mehr oder weniger von ihr. Schuld hat, wer gewählt hat; Gott ist schuldlos.“ (Übers. Rufener 1991). Mit diesen Sätzen spricht Lachesis in Platons Politeia die Seelen an, die ihre künftigen Leben auswählen sollen. Diese Stelle der Politeia wird öfters in Bezug auf das Verhältnis zwischen der Tugend und dem Schicksal bei den Platonikern thematisiert (Vgl. ἀδέσποτον ἀρετὴν: Plot. II.3.9,17; Procl. in Ti. I.201,15; De prov. 23,3). Im vorliegenden Kommentar zitiert Olympiodor verschiedene Fragmente aus dieser Stelle (siehe 45,3–5; 104,12–13). Vgl. Plat. Phdr. 246a–b. Mit dem Verb ἀντιπελαργέω bezeichnet Olympiodor die Gegenliebe wie die Liebe der Störche, die sich um ihre Eltern kümmern, wenn sie alt werden, so wie die Eltern sie als Kind großgezogen haben. Dazu vgl. Plat. Alc. 135e1 (πελαργοῦ ἔρως); Iamb. VP 5,23–24 (ἀντιπελαργήσω); Olymp. in Alc. 13,5–8. Das Verhalten der Störche, alles für ihre Eltern zu tun, was die Eltern für sie früher gemacht haben, wird auch als eine Rückwendung bezeichnet. Das ist eine Art natürliche Rückwendung, bei der eine reflexive Bewegung entgegen der anfänglichen Bewegung stattfindet. Dadurch symbolisieren die Störche in der platonischen Philosophie die Rückwendung der Seele auf sich selbst. Vgl. Plat. Phdr. 252b. Zu diesem Lemma siehe 224,2; vgl. Plat. Alc. 133c18–19. Siehe dazu 213,25–214,6. Zu der These, dass Besonnenheit der Liebe gehört, vgl. 214,2–3. Die Besonnenheit befindet sich im niedrigsten Teil der Seele, nicht weil sie mit der Begierde prinzipiell verbunden ist, sondern weil sie den Aufstieg der Seele von unten aus verwirklicht (vgl. 166,14–16). Nicht in Bewegung zu sein (ἠρεμεῖν) ist nicht angemessen zur menschlichen Natur, da die Seele immer in Bewegung ist. Die platonische Philosophie beschreibt die Seele als dauerhaft selbstbewegend (vgl. Plat. Lg. 893b–896c). Nach Aristoteles war diese die These von Demokrit und Leukipp, die die Seele als das Bewegende in den Lebewesen, das nie zur Ruhe kommt, aufgefasst haben (Arist. de An. 404a1–20). Dagegen wendet er ein, dass bei dem Lebewesen einige Teile notwendig ruhen müssen, wenn andere sich bewegen. Da Aristoteles die Bewegung der Lebewesen als körperliche Bewegung definiert, zieht er daraus den Schluss, dass der ganze Körper nicht gleichzeitig in Bewegung sein kann (Arist. MA 698a–b). Vgl. Hp. Aph. I.3. Dieses Zitat wiederholt im vorliegenden (siehe 214,3) und anderen Kommentaren Olympiodors (vgl. Olymp. in Cat. 121,20). Vgl. Plat. Alc. 133c 21–23: ἆρ᾽οὖν μὴ γιγνώσκοντες ἡμᾶς αὐτοὺς μηδὲ σώφρονες ὄντες δυναίμεθ᾽ἂν εἰδέναι τὰ ἡμέτερα αὐτῶν κακά τε καὶ ἀγαθά; „Wenn wir nun uns selbst nicht erkennen und nicht besonnen sind, können wir dann wohl die Dinge kennen, die zu uns gehören, die schlechten und die guten?“ (Übers. Döring 2016). In der Philosophie nach hellenistischer Zeit wird πρόβλημα als Synonym für ζήτημα verwendet, dass ein Einzelproblem und eine Forschungsfrage bezeichnet, die eine Lösung (λῦσις) braucht; vgl. dazu Gärtner 2002. In diesem Sinne ist es auch stellvertretend für einen Syllogismus mit Aporien, der als eine ‚Aufgabe‘ zum Lösen dargestellt wird. Olympiodor fasst an dieser Stelle als Aufgabe den oben diskutierten Syllogismus auf, der Platon zu einem Selbstwiderspruch führt (225,1–14). Siehe oben 225,1–14. Zu den Aporien bei Olympiodor vgl. 197,16 und Anm. 1648. In der platonischen Philosophie ist die Erkenntnis des Wesens mit der Erkenntnis der Vollkommenheit verknüpft. Proklos hebt diese These besonders im Zusammenhang mit dem Alkibiades hervor (Procl. in Alc. 1,3–4,16). Plat. Alc. 133c23: κακά τε καὶ ἀγαθά.

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Vgl. Plat. Alc. 133d1–3: ἀδύνατον γὰρ ἴσως σοι φαίνεται μὴ γιγνώσκοντα Ἀλκιβιάδην τὰ Ἀλκιβιάδου γιγνώσκειν ὅτι Ἀλκιβιάδου ἐστίν. „Denn vermutlich erscheint es dir unmöglich, dass man, wenn man Alkibiades nicht erkennt, erkennt, dass die Dinge, die zu Alkibiades gehören, solche sind, die zu Alkibiades gehören.“ (Übers. Döring 2016). Zur Aporie und Lösung siehe oben 227,17. Vgl. Plat. Alc. 133c–d. An dieser Stelle des Dialogs bestätigt Alkibiades, dass man ohne Selbsterkenntnis auch die Dinge nicht kennen kann, die zum Selbst gehören. Dennoch kennt Alkibiades sich selbst noch nicht, daraus folgert Olympiodor, dass Alkibiades auch die Dinge nicht kennt, die ihm gehören. In der klassischen Rhetorik bezeichnet ἀναφορά (wörtlich „Hinaufführung“ ausgehend von dem Verb ἀναφέρω, „hinauftragen, zurückbringen“) eine Wiederholung. Meistens ist es eine Wortwiederholung am Satzanfang oder eine Aussage, die sich auf eine frühere bezieht. In der Philosophie bezeichnet ἀναφορά ein Verhältnis zwischen zwei Elementen, das in Form von einer Bezugnahme zueinander geschieht (vgl. Arist. Cat. 5b20: πρὸς ἕτερον ἡ ἀναφορά) und in Bezug auf etwas anderes zu sein ausdrückt (πρὸς ἀναφοράν, Alex. Aphr. in APr. 179,19–20; Phlp. in de An. 482,23). In den philosophischen Kommentaren bezeichnet es ferner eine Verbindung der Seele mit den göttlichen Wesen (Alex. Aphr. de An. 113,7: πρὸς τὴν τῶν θείων ἀναφοράν; Herm. in Phdr. 65,7–9: ἢ λέγοιτο ἂν θεοῖς τιμία ὡς πρὸς ἀναφορὰν πάλιν τῶν ἀνθρώπων, ἅτε αὐτοὺς τοῖς θεοῖς συνάπτουσα.). Mit diesem Satz betont Olympiodor, dass Alkibiades die Gegenstände, die ihm gehören, jeweils nach ihrem Wesen kennen kann, dennoch nicht in Bezug auf sich selbst, da er sein eigenes Wesen nicht kennt. Die Überfülle an Kraft (περιουσίαν δυνάμεως) beschreibt bei Olympiodor das Vermögen, seinen Gegensatz unter seinen Einfluss zu nehmen. Diese Kraft besitzt die Wahrheit (siehe 32,9), die Liebe (siehe 34,8) und die sokratische Dialektik (siehe 130,9–10: ἐστὶν τὴν περιουσίαν τῆς διαλεκτικῆς δυνάμεως τοῦ Σωκράτους·). Der Ausdruck τῇ σχέσει bezeichnet, wie κατὰ σχέσιν (in Relation), ein Verhältnis zwischen zwei Elementen, dass eine Abhängigkeit darstellt. Olympiodor verwendet diese Kategorie bei der Klassifizierung von Daimones, sodass die Daimones in Relation ihre Existenz nur durch ihre Abhängigkeit von den Daimones im Wesen (κατ’οὐσίαν: 15,5–17) haben. Auch an dieser Stelle werden die Besitztümer als die Dinge aufgefasst, die nicht unserem Wesen gehören und deshalb in Relation zu dem Selbst stehen. Vgl. Plat. Alc. 133d11–13: οὐκ ἄρα πάνυ τι ὀρθῶς ὡμολογοῦμεν ὁμολογοῦντες ἄρτι εἶναί τινας οἳ ἑαυτοὺς μὲν οὐ γιγνώσκουσιν, τὰ δ᾽αὑτῶν, ἄλλους δὲ τὰ τῶν ἑαυτῶν. „Es war also schwerlich richtig, wenn wir uns vorhin darauf einigten, dass es Leute gebe, die zwar sich selbst nicht erkennen, wohl aber die Dinge, die zu ihnen gehören, und wiederum andere, die diejenigen Dinge erkennen, die zu den Dingen gehören, die zu ihnen gehören.“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 225,7–10. Diese sind die drei Grundbegriffe des Dialogs, die Olympiodor am Anfang des Kommentars feststellt (3,11–12). Siehe dazu 225,1–10. Vgl. Plat. Alc. 133e4–5: ὅστις δὲ τὰ αὑτοῦ ἀγνοεῖ, καὶ τὰ τῶν ἄλλων που ἂν ἀγνοοῖ κατὰ ταὐτά. „Wer aber die Dinge nicht kennt, die zu ihm gehören, der wird wohl aus demselben Grund auch die Dinge nicht kennen, die zu den anderen gehören.“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 225,12. Vgl. Plat. Alc. 133e7. Vgl. Plat. Alc. 133e9. Vgl. Plat. Alc. 134a4.

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D. Anmerkungen Vgl. Plat. Alc. 134b4–5: οὐκ ἄρα οὐδ᾽ὁ πλουτήσας ἀθλιότητος ἀπαλλάττεται, ἀλλ᾽ ὁ σωφρονήσας. „Also befreit sich auch nicht der, der zu Reichtum gelangt ist, davon, unglücklich zu sein, sondern nur der, der zur Besonnenheit gelangt ist?“ (Übers. Döring 2016). Ausgehend von dem Begriff ἐπίνοια als ‚Gedanke‘ oder ‚Konzept‘ stellt κατ’ἐπίνοιαν die Vorstellung eines Gegenstandes im Gedanken dar. In diesem Sinne wird es bei den Stoikern der konkreten Erscheinung eines Gegenstandes gegenübergestellt (κατὰ περίπτωσιν, S. E. M. 8.58,1–2). Der folgende Gedankengang wird in Platons Timaios dargestellt (vgl. Plat. Ti. 42e). Vgl. Plat. Alc. 134b7–9: οὐκ ἄρα τειχῶν οὐδὲ τριήρων οὐδὲ νεωρίων δέονται αἱ πόλεις, ὦ Ἀλκιβιάδη, εἰ μέλλουσιν εὐδαιμονήσειν, οὐδὲ πλήθους οὐδὲ μεγέθους ἄνευ ἀρετῆς. „Die Poleis brauchen also keine Mauern, Kriegsschiffe und Werften, Alkibiades, wenn sie glücklich sein sollen, und auch keine umfangreiche Bevölkerung und große Ausdehnung, solange ihnen Tüchtigkeit fehlt.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor bezeichnet diese Schlussfolgerung oben als die dritte (siehe 225,25). Der zweite Syllogismus behauptet dagegen, dass, wer kein Politiker ist, auch kein ethischer Mensch und kein Haushaltsverwalter ist (siehe 225,15–24; 228,26–28). Wahrscheinlich beruht diese Aussage darauf, dass ein Teil des ursprünglich zweiten Syllogismus („wer sich selbst nicht kennt, bringt anderen größeres Unglück, wenn er an der Macht ist“) zuerst ohne Beweis angenommen wurde (siehe 226,1–5; vgl. 225,21–24). Der Schluss dieser Argumentation wird unten auch als erstes Argument bezeichnet (πρώτου λόγου, siehe 230,3–5: „Wer sich selbst nicht kennt, macht andere unglücklich“). Darauf folgt der an dieser Stelle angeführte Syllogismus als der zweite Syllogismus (siehe 230,6–9: „Der zweite Syllogismus, dass ein Politiker sich selbst kennt“). Wenn dieser Gedankengang zutrifft, dann betrachtet Olympiodor von den drei Argumenten nur das erste und das dritte als Syllogismen im eigentlichen Sinne. Auf der anderen Seite ist es auch möglich, dass an dieser Stelle des Texts die Syllogismen verwechselt wurden oder ihre Reihenfolge nicht strikt beachtet wurde. Die Begriffe εὐδαιμονία und κακοδαιμονία werden häufig mit Glückseligkeit und Unglückseligkeit übersetzt, wobei die Bedeutung dieser Begriffe in der Philosophie viel umfangreicher ist. Ursprünglich beschreibt εὐδαιμονία die Idee, mit dem eigenen Daimon in Übereinstimmung zu sein, sodass er dem Menschen gegenüber wohlgesinnt ist (siehe Szaif 2002, S. 158). Bei Platon und Aristoteles sind diese Begriffe eng mit den Handlungen verbunden, sodass es jemandem gut geht, der gut handelt und umgekehrt die gute Verfassung der Seele, gute Handlungen veranlasst. Damit reicht der Umfang des Begriffs εὐδαιμονία vom ‚gut leben‘ und ‚gut handeln‘ (vgl. Plat. Rep. 354a; Grg. 507c; siehe dazu Buddensiek 2007) bis zum ganzheitlichen Wohlergehen (Arist. EN 1095a17–20, siehe Szaif ebd.). Die Verbalnomen εὐδαιμονεῖν und κακοδαιμονεῖν können als Vorhandensein des seelischen und physischen Wohlbefindens und Schlechtbefindens aufgefasst werden. An dieser Stelle werden sie als nominalisierte Verben mit Glücklichsein und Unglücklichsein übersetzt. Vgl. Plat. Alc. 134c3. Vgl. Plat. Alc. 134c10–12: οὐκ ἄρα ἐξουσίαν σοι οὐδ᾽ἀρχὴν παρασκευαστέον σαυτῷ ποιεῖν ὅτι ἂν βούλῃ, οὐδὲ τῇ πόλει, ἀλλὰ δικαιοσύνην καὶ σωφροσύνην. „Nicht also die Befugnis und die Macht zu tun, was du willst, musst du dir verschaffen und auch nicht der Polis, sondern Gerechtigkeit und Besonnenheit.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 134d1–2: δικαίως μὲν γὰρ πράττοντες καὶ σωφρόνως σύ τε καὶ ἡ πόλις θεοφιλῶς πράξετε. „Denn wenn du und die Polis gerecht und besonnen handeln, werdet ihr gottgefällig handeln.“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 225,28.

D. Anmerkungen 1949

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Vgl. Plat. Alc. 134d4–5: καὶ ὅπερ γε ἐν τοῖς πρόσθεν ἐλέγομεν, εἰς τὸ θεῖον καὶ λαμπρὸν ὁρῶντες πράξετε. „Und ihr werdet, wie wir im Vorangehenden sagten, handeln, indem ihr auf das Göttliche und Leuchtende schaut.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 134e4–6: Ἀδίκως δέ γε πράττοντες, εἰς τὸ ἄθεον καὶ σκοτεινὸν βλέποντες, ὡς τὰ εἰκότα, ὅμοια τούτοις πράξετε ἀγνοοῦντες ὑμᾶς αὐτούς. „Handelt ihr dagegen ungerecht, weil ihr auf das Gottlose und Finstere blickt, dann wird es euch, wie zu erwarten, dementsprechend gehen, weil ihr euch selbst nicht kennt.“ (Übers. Döring 2016). Da die Kenntnis der Gegensätze ein und dasselbe ist (siehe 225,12), ist es ausreichend, einen Begriff zu nennen, um auch auf dessen Gegensatz hinzuweisen. Diese Klassifikation verwendet Olympiodor auch über verschiedene Daimones (15,5–17): In Analogie (κατ’ ἀναλογίαν), im Wesen (κατ’ οὐσίαν) und in Relation (κατὰ σχέσιν). Nachfolgend erklärt Olympiodor, dass die Daimones in der Analogie den höchsten Rang haben und die Prinzipien der Daimones in ihrem Wesen besitzen. Daher werden sie auch Daimones in Ursache (κατ’αἰτίαν) genannt. Die zweite Gruppe, die im Wesen Daimones sind, entspricht denjenigen, die als selbstständiges Dasein existieren (καθ’ ὕπαρξιν, daher ‚in Existenz‘). Die Kategorie ‚in Relation‘ (κατὰ σχέσιν) wird an dieser Stelle mit ‚in Teilhabe‘ (κατὰ μέθεξιν) ersetzt: Diese Wesen haben ihre Existenz nur durch ihre Abhängigkeit von einem höheren Wesen. Vgl. Plat. Alc. 134e1–2: ἀλλὰ μὴν οὕτω γε πράττοντας ὑμᾶς ἐθέλω ἐγγυήσασθαι ἦ μὴν εὐδαιμονήσειν. „Nun denn, handelt ihr so, dann bin ich bereit, mich dafür zu verbürgen, dass ihr fürwahr glücklich sein werdet.“ (Übers. Döring 2016). Diese ist eine Kernthese der platonischen Philosophie, die Olympiodor im vorliegenden und in den anderen Kommentaren wiederholt betont (siehe 10,13–15; 105,1–10; 109,10–15; vgl. Olymp. in Grg. 35.2,11–15). Vgl. Plat. Alc. 134e1–2: ἀλλὰ μὴν οὕτω γε πράττοντας ὑμᾶς ἐθέλω ἐγγυήσασθαι ἦ μὴν εὐδαιμονήσειν. „Nun denn, handelt ihr so, dann bin ich bereit, mich dafür zu verbürgen, dass ihr fürwahr glücklich sein werdet.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 134e3: ἀσφαλὴς γὰρ εἶ ἐγγυητής. „Du bist ja ein sicherer Bürge.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor deutet mit Peripatos auf die aristotelische Philosophie. Das erste Argument, dass die Schlechtigkeit zur Unglückseligkeit ausreicht, ist eine Kernthese der platonischen Philosophie (vgl. Plat. Cra. 415c–d κακία als Gegensatz von ἀρετή; Plu. Moralia 498a–500a). Diese Position wird auch von Aristoteles und den Peripatetikern vertreten (vgl. Arist. EN 1099a31–32; Alex. Aphr. de An. 154,25–30). Das Argument, dass die Tugend für die Glückseligkeit ausreicht, wird auch als eine Folge des ersten Arguments in der platonischen Philosophie vertreten (vgl. Procl. in Prm. 1014,14–15; Dam. in Phlb. 81). Bei Platon ist diese Aussage in dieser deutlichen Form nicht zu finden, sondern wird erst später zu einer Diskussion der platonischen Philosophie. Diogenes Laertios überliefert diesen Satz als eine Ansicht der stoischen Philosophie (von Chrysipp, D. L. VII,128; SVF 49,5–6). Die peripatetische Stellung geht hingegen auf Aristoteles’ Definition des Sachverstands zurück, die diesen als die Tugend bezeichnet, die die Menschen für die Glückseligkeit vorbereitet (vgl. Arist. Protr. 93–94; VV 1250a1–30). Ferner definiert Aristoteles die Tugend als das Vermögen, sich Güter zu verschaffen und zu erhalten (Arist. Rh. 1366a31–35). Diese Güter bestehen sowohl aus einzelnen Tugenden als auch aus äußerlichen Gütern, die insgesamt die Glückseligkeit herstellen. Peripatetiker folgern daraus, dass die Tugend alleine nicht glücklich macht. Alexander von Aphrodisias bezeichnet die Schlechtigkeit und Tugend als gegensätzliche Begriffe (in Arist. Top. 72,14–15). Dabei vertritt er die Ansicht, dass zwar die Schlechtigkeit unglücklich macht, aber die Tugend alleine nicht

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D. Anmerkungen glücklich macht, wenn die Glückseligkeit als diejenige im physischen Leben definiert wird (Alex. Aphr. de An. 159,15–22; 162,35–163,5). In diesem Abschnitt bietet Olympiodor eine Verschmelzung der Positionen von Aristoteles und Peripatetikern an. Dabei befindet sich keine direkte Kritik gegenüber diesen Theorien, sondern wird die aristotelische Stellung lediglich als ‚menschzentriertere‘ (ἀνθρωπινώτερον) bezeichnet. Das Adverb ἀνθρωπινώτερον, das eine ‚menschenmöglichere‘ Art und Weise (Plat. Cra. 392b; Dem. 18.252,10) darstellt, befindet sich nicht häufig in den platonischen Kommentaren. Die Bezeichnung ἀνθρώπινος wird bei Platon und Aristoteles im Sinne von ‚einem Menschen gehörend und angemessen‘ verwendet (vgl. Plat. Lg. 737b; Arist. EN 1177b32). Auch in diesem Sinne ist es bei den Platonikern zu finden (ἀνθρώπινον βίον, Ammon. in Int. 256,11; ἀνθρώπινον εἶδος, in Cat. 29,15; Procl. in Alc. 87,13: ἀνθρωπίνως; bei Damaskios als Gegensatz zu daimonisch und göttlich, Dam. Pr. I.263,1). Die Diskussion über den Stellenwert der äußerlichen Güter hat in der platonischen Philosophie eine lange Tradition. Einerseits liegt dieser Diskussion zugrunde, dass Aristoteles die Tugend als ein Vermögen für die Beschaffung der Güter betrachtet und in diesem Sinne die Tugend mit der Glückseligkeit verknüpft (vgl. Arist. Rh. 1360b14–26; EN 1099a31–32; 1101a14–16; 1153b17–19). Dabei bezeichnen diese Güter nicht nur äußere Eigentümer, sondern auch einzelne Tugenden und Eigenschaften, die ein gutes Leben ermöglichen. Auf der anderen Seite befindet sich der Standpunkt der Stoiker, dass alle äußerlichen Güter für die Glückseligkeit irrelevant sind (vgl. D. L. VII.128; SVF 49,5–6). Bei Platon können keine der beiden Ansichten die Überhand erlangen, da beide, die Tugend und das Eigentum einen Einfluss auf die Glückseligkeit haben, indem das letztere einem Menschen die Freiheit ermöglicht. Vgl. Plat. Alc. 134e8–10: ὧι γὰρ , ὦ φίλε Ἀλκιβιάδη, ἐξουσία μὲν ᾖ ποιεῖν ὃ βούλεται, νοῦν δὲ μὴ ἔχῃ, τί τὸ εἰκὸς συμβαίνειν, ἰδιώτῃ ἢ καὶ πόλει; „Wenn nämlich einer zwar die Befugnis hat zu tun, was er will, mein lieber Alkibiades, aber nicht über den Verstand verfügt, was wird dem aller Wahrscheinlichkeit nach widerfahren, einem Einzelnen oder auch einer Polis?“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 134e–135c. Vgl. Plat. Alc. 134e10–135a3: οἷον νοσοῦντι ἐξουσίας οὔσης δρᾶν ὃ βούλεται, νοῦν ἰατρικὸν μὴ ἔχοντι, τυραννοῦντι δὲ ὡς μηδὲν ἐπιπλήττοι τις αὐτῷ, τί τὸ συμβησόμενον; ἆρ᾽οὐχ, ὡς τὸ εἰκός, διαφθαρῆναι τὸ σῶμα; „Wenn zum Beispiel ein Kranker die Befugnis hat zu tun, was er will, er aber nicht über ärztlichen Sachverstand verfügt, sondern sich wie ein Tyrann gebärdet, so dass niemand ihn tadelt, was wird dann die Folge sein? Nicht, wie zu erwarten, dies, dass sein Körper ruiniert wird?“ (Übers. Döring 2016). Hom. Od. 16,294; 19,13 (Übers. Schadewaldt 1958). Dieser Satz gehört zum Gespräch des Odysseus mit Telemachos, während er ihn vor der Wahrscheinlichkeit eines Kampfes unter den Freiern warnt, da diese mit Wein berauscht sind. Deshalb rät er ihn, die Waffen drinnen zu verstecken. Diese Szene stellt nach Olympiodor ein geeignetes Beispiel für eine Situation dar, in der Menschen einen schlechten Gebrauch von Werkzeugen machen und dadurch sich selbst und anderen Schaden zufügen. Plat. Alc. 134e10–135a3. Vgl. Plat. Alc. 135b8–9: πρὶν δέ γε ἀρετὴν ἔχειν, τὸ ἄρχεσθαι ἄμεινον ὑπὸ τοῦ βελτίονος ἢ τὸ ἄρχειν ἀνδρί, οὐ μόνον παιδί. „Bevor man Tüchtigkeit besitzt, ist es aber besser, sich der Macht eines Tüchtigeren unterzuordnen als selbst Macht auszuüben, auch für einen Mann, nicht nur für ein Kind.“ (Übers. Döring 2016). Zur Unterstützung dieses Arguments siehe oben 230,16–17. Nach der neuplatonischen Philosophie steht die Materie in der größten Entfernung zu dem Einen. Daher ist sie ‚das Entfernteste‘ oder auch das Niedrigste, da die Wesen ausgehend von dem Einen in einer hierarchischen Reihenfolge stehen. In diesem Sinne wurde oben die

D. Anmerkungen

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Bezeichnung ‚unterste‘ (wörtlich „schlechteste“, τῇ ὕλῃ χειρίστῃ οὔσῃ, siehe 226,26) verwendet. Ein Sklave des Gottes zu sein und von dem Gott fremdbewegt zu werden ist der einzige Fall, bei dem die Sklaverei und Fremdbewegung für den Menschen zu der Freiheit und der Selbstbewegung überlegen ist. Zur Wiederholung von dieser These siehe 123,3–5; Olymp. in Phd. 2.9,3–5. Der Begriff τὸ καλόν (das Edle und das Schöne) und seine Gleichsetzung mit dem Guten (τὸ ἀγαθόν) wird im Alkibiades erklärt und bei Olympiodor an mehreren Stellen behandelt (vgl. Plat. Alc. 115a–116d; Olymp. in Alc. 110,10–15; 122,5–20). Plat. Alc. 135c11–12: αἰσθάνῃ δὲ νῦν πῶς ἔχεις; ἐλευθεροπρεπῶς ἢ οὔ; „Merkst du jetzt, wie es um dich bestellt ist: So, wie es einem Freien angemessen ist, oder nicht?“ (Übers. Döring 2016). Siehe dazu 115,3–4; vgl. Plu. Alc. 10. Vgl. Plat. Alc. 135c14–15: οἶσθ᾽οὖν πῶς ἀποφεύξῃ τοῦτο τὸ περὶ σὲ νῦν; ἵνα μὴ ὀνομάζωμεν αὐτὸ ἐπὶ καλῷ ἀνδρί. „Weißt du nun, wie du dieser Verfassung, in der du dich jetzt befindest, entkommen kannst? Denn wir wollen sie bei einem schönen Mann nicht beim Namen nennen.“ (Übers. Döring 2016). Zur Aposiopese (ἀποσιώπησις) als Stilmittel siehe 133,1. Olympiodor identifiziert den Zustand des Alkibiades, den Sokrates an dieser Stelle nicht nennen will, mit dem Adjektiv „sklavenhaft“ (δουλοπρεπές, vgl. Plat. Alc. 135c4; δουλοπρέπειαν, Plat. Alc. 135c8). Plat. Alc. 135d3. Vgl. Plat. Alc. 135d3–5. Vgl. Plat. Alc. 135d7–9: λέγω δή. καὶ πρὸς τούτοις μέντοι τόδε λέγω, ὅτι κινδυνεύσομεν μεταβαλεῖν τὸ σχῆμα, ὦ Σώκρατες, τὸ μὲν σὸν ἐγώ, σὺ δὲ τοὐμόν· „Dann sage ich es also so. Und zusätzlich sage ich noch dies: Wie es scheint, wird jeder von uns eine andere Rolle übernehmen, Sokrates, ich die deinige und du die meinige.“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 135d7–9. Vgl. Plat. Alc. 135e4–5: ἀλλὰ οὕτως ἔχει, καὶ ἄρξομαί γε ἐντεῦθεν τῆς δικαιοσύνης ἐπιμέλεσθαι. „Ja, so verhält es sich, und von jetzt an werde ich damit beginnen, mich um die Gerechtigkeit zu bemühen.“ (Übers. Döring 2016). Plat. Alc. 135e6; Übers. Döring 2016. Vgl. Plat. Alc. 132a3–4: τοῦτο γὰρ δὴ μάλιστα ἐγὼ φοβοῦμαι, μὴ δημεραστὴς ἡμῖν γενόμενος διαφθαρῇς· „Denn dies fürchte ich in der Tat am meisten, dass du uns ein Liebhaber des Volkes und dadurch verdorben wirst.“ (Übers. Döring 2016). Vgl. Plat. Alc. 135e6–8: ὀρρωδῶ δέ, οὔ τι τῇ σῇ φύσει ἀπιστῶν, ἀλλὰ τὴν τῆς πόλεως ὁρῶν ῥώμην, μὴ ἐμοῦ τε καὶ σοῦ κρατήσῃ. „Doch fürchte ich, nicht weil ich deiner Natur misstraue, sondern weil ich die Stärke der Polis vor Augen habe, dass diese mich und dich überwältigen wird.“ (Übers. Döring 2016). Olympiodor betont an dieser Stelle die Ansicht, die Platon in der Apologie darstellt, dass Sokrates nicht vom Volk zerstört wurde, da der Tod nur den Körper zerstört (vgl. Plat. Ap. 41d). Den Gott mit der Vollkommenheit zu bezeichnen ist in Übereinstimmung mit der neuplatonischen Philosophie. Jamblich setzt die göttliche Hilfe für die Erkenntnis der höheren Bereiche voraus. Bei den Neuplatonikern nach Jamblich wird diese Auffassung übernommen. Das Eine stellt dabei das göttliche und vollkommene Prinzip des Universums dar (vgl. Phlp. De aetern. 88,10). Ferner weist dieser Ausdruck auf eine literarische Konvention in der Kaiserzeit und Spätantike hin, die auch in den patristischen Schriften zu finden ist (vgl. Theophilos, Ad Autolycum, 2.15,11; Athanasios, DeTrinitate, 28.1604,42). Am Ende des Kommentars weist diese Anmerkung wahrscheinlich nicht nur auf die Vollkommenheit des Göttlichen, sondern auch auf die göttliche Kraft, die den Menschen bei der Vollendung ihrer Aufgaben hilft. Wie

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D. Anmerkungen Olympiodor seine Kommentare ‚mit Hilfe Gottes‘ (σὺν θεῷ) anfängt, betont er am Ende des Kommentars auch, dass die Vervollständigung seiner Aufgabe mit Hilfe der göttlichen Macht geschieht.

Anhang Die Anmerkungen zu der Übersetzung beziehen sich in erster Linie auf relevante Textstellen. Nachfolgend befinden sich ausführlichere Erläuterungen einiger zentraler Begriffe des Alkibiades-Kommentars.

1. Daimonion/Daimon Olymp. in Alc. 20,5–28,10: Der Begriff δαιμόνιον deutet bei Platon auf eine göttliche Macht, die Sokrates durch eine ‚Stimme‘ von einigen Handlungen abriet (vgl. Plat. Ap. 31d; Tht. 151a). In der Politeia wird der Daimon als die Bestimmung des persönlichen Schicksals aufgefasst (vgl. Plat. Rep. 617e). In der Apologie wird eine Verflechtung zwischen Daimon und Daimonion dargestellt, indem Sokrates von δαιμόνια redet und sagt, dass δαίμονες selbst Götter oder Kinder der Götter sind (vgl. Plat. Ap. 27c–d). Folglich stellt Platon fest, dass derjenige, der an δαιμόνια und θεῖα glaubt, auch an δαίμονες glauben soll (vgl. Plat. Ap. 27e–28a). Dies führt zu einer Auffassung des Daimons als mittleres Wesen zwischen Menschen und Göttern (vgl. Plat. Phdr. 246e; Smp. 292d–203a). An einer anderen Stelle definiert Platon den Daimon jedoch als Vernunft (νοῦς), die jedem Menschen von Gott gegeben wurde (δαίμονα θεὸς ἑκάστῳ δέδωκεν, Plat. Ti. 90a). Auf dieser Grundlage ist es bei Platon nicht eindeutig, ob „Daimonion“ die wahren göttlichen Wesen, Zeichen der Götter oder gar ein Erfassen des Göttlichen im kognitiven Sinne bedeutet. Aufgrund dieser Mehrdeutigkeiten wurde die Frage nach dem Daimon bei den Sokratikern und Platonikern ausführlich diskutiert. Nach Xenophon ist das Daimonion nicht nur ein göttliches Zeichen, sondern Gott selbst, der Sokrates nicht nur abriet, sondern auch zu guten Handlungen ermutigte (vgl. Xen. Mem. I.1,1–5). Im Platonismus nach der Kaiserzeit gewann die Identifizierung des Daimonions mit einem persönlichen ‚Schutzgeist‘ zunehmend an Bedeutung. Besonders bei Apuleius ist dies der Fall (vgl. Apul. De deo, 6–9).1 Plutarchs Darstellung des Daimonions spiegelt den doppelten Sinn bei Platon wider: Einerseits erklärt er das Daimonion als Vernunft (νοῦς, Plu. Moralia 591e–592d), andererseits als den persönlichen Schutzgott (οἰκεῖος δαίμων: ebd. 594a).2 1 2

Nach Hager 1972b. Vgl. dazu Dörrie/Baltes 1993, S. 316. Vgl. Döring 1984, S. 384–387.

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Das Daimonion wird erst im Neuplatonismus eindeutig mit der Lehre über Daimones verknüpft. Plotin interpretiert den persönlichen Daimon als Vernunft, die er als einen Teil der Seele bezeichnet (vgl. Plot. III.4.3,1–9). Dagegen wurde eine Darstellung des Daimonions als mittleres Wesen bei Jamblich und späteren Platonikern bevorzugt.3 Es wurde bereits festgestellt, dass sowohl Jamblich als auch Hermeias Plotins Auffassung kritisieren, dass der persönliche Daimon ein Teil der Seele sei.4 Proklos verwirft ebenfalls Plotins Theorie und trennt das Intelligible und das Daimonische grundsätzlich voneinander (Procl. in Alc. 76,20–24). Somit betrachtet er den persönlichen Daimon des Sokrates als ein Mittelwesen (μεταξύ) zwischen Menschen und Göttern.5 Olympiodor interpretiert das Daimonion des Sokrates als seinen zugeteilten Daimon, wobei er die Auffassung des Daimonions als Mittelwesen nicht übernimmt. Andererseits vermeidet er auch eine Identifizierung des Daimonions mit der menschlichen Erkenntniskapazität und seine Zuordnung zu einem Teil der Seele. Stattdessen definiert er den zugeteilten Daimon als Bewusstsein, das wie eine Kraft für die Seele wirkt, ihre Handlungen bezeugt und sie auf die göttliche Ebene zurückführt (Olymp. in Alc. 23,2).

2. Seelenwagen (ὄχημα) Olymp. in Alc. 5,9; 16,12; 17,4: Olympiodor bezieht sich bei seiner Argumentation über die Seele (16,7–17,10; 20,3–7) überwiegend auf Platons Phaidros. In diesem Dialog stellt Platon die Verbindung zwischen dem Körper und der Seele mit einem Vergleich zu einem Wagen dar, der die Seele vor ihrem Abstieg ins Werden symbolisiert. In diesem Wagen befinden sich ein Wagenlenker sowie ein gehorsames und ein ungehorsames Pferd, die als drei Teile der Seele aufgefasst werden (vgl. Plat. Phdr. 246a–257a). Wenn die Seele ihr Gefieder verliert und in die materielle Welt absteigt, erinnert sie sich an die Ideen, die sie im Seelenwagen betrachten konnte, und kann dadurch erneut aufsteigen. In diesem Zusammenhang ist die Stellung der vernunftbegabten Seele im Neuplatonismus bezeichnend. Ausgehend von Phaidros vertritt Plotin dieThese, dass von den drei Seelenteilen lediglich die unvernünftige Seele absteigt, während der höchste Teil der menschlichen Seele auf der göttlichen Ebene bleibt (vgl. Plot. IV.8.8,1–13). Ferner ist nach Plotin die unvernünftige Seele, wie jede Art der Seele, auch nach Abtrennung von der göttlichen Seele unsterblich 3 4 5

Siehe dazu Timotin 2018, S. 195. Ebd. 196–197; verweist auf Herm. in Phdr. 70,3–10. Ebd. S. 199.

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(vgl. Plot. IV.7.14,1–3) und die Verbindung dieser mit dem Körper geschieht auf die Weise, dass sie den Körper umschließt (IV.3,20–24).6 Jamblich wendet gegen dieseTheorie ein, dass die Menschen immer glücklich sein sollten, wenn ein Teil der menschlichen Seele bei den Göttern bleibt. Daher ist nach ihm die Seele mit allen drei Teilen in die sinnlich wahrnehmbare Welt abgestiegen.7 Proklos erwähnt dieses Argument von Jamblich (vgl. Procl. in Ti. III.334,10–15) und erläutert dazu, dass in der Seele ein Teil existiert, der befreit von Leidenschaften und stets mit der Vernunft verbunden ist (vgl. Procl. in Ti. III.333,29–30). Dabei konstatiert Proklos, dass auch die mit der Vernunft verbundene Seele in diese Welt einkehrt und nicht auf der göttlichen Ebene bleibt.8 Durch verschiedene Seelenwagen, die den menschlichen Körper mit der Seele auf der göttlichen Ebene verbinden, kann die Seele nach dem Tod der unvernünftigen Seele aufsteigen.

3. Üblicher Sprachgebrauch (συνήθεια) Olymp. in Alc. 21,11; 16; 106,24: Das Wort συνήθεια trägt diverse Bedeutungen wie „Umgang“, „Gewohnheit“, „gewöhnlicher oder verbreiteter Brauch“, „Tradition“ und „allgemeiner Gebrauch in der Sprache“ (vgl. LSJ). Platon weist mit diesem Begriff auf die allgemein akzeptierten ‚Tatsachen‘ hin (vgl. Plat. Rep. 516a). Dieses Verständnis des Konsenses scheint in der platonischen Philosophie einen negativen Sinn zu vermitteln: Proklos zeigt mit dem Begriff συνήθεια, dass dieAllgemeingültigkeit einer Meinung nicht ihre Wahrheit beweist. Dies offenbart sich nach Proklos in der Frage, ob die Mehrheit ein guter Lehrer für einige Themen sein kann. Er stellt zuerst die Ansicht heraus, dass die Majorität bezüglich des allgemeinen sprachlichen Gebrauchs der Wörter in Übereinstimmung ist (vgl. Procl. in Alc. 263,13–15: οἱ πολλοὶ περὶ τῶν ὀνομάτων τῶν κειμένων τοῖς πράγμασι κατὰ τὴν συνήθειαν ὁμολογοῦσιν ἀλλήλοις·). Dies widerlegt er im Folgenden, da Begriffe vorliegen, über die der Großteil nicht eine Meinung vertritt, zum Beispiel über die Götter (vgl. Procl. in Alc. 264,5–6: ἐν γὰρ τῷ παρόντι χρόνῳ περὶ τοῦ μὴ εἶναι θεοὺς ὁμολογοῦντες οἱ πολλοὶ δι’ἀνεπιστημοσύνην τοῦτο πεπόνθασι.). Nach Proklos verfügen diese Menschen außerdem im Hinblick auf die Inhalte vieler Begriffe wie die Gerechtigkeit, deren Existenz sie akzeptieren, über kein Wissen (vgl. Procl. in Alc. 259,1–3; 267,7–9). Aus diesen Gründen bezeichnet er die Mehrheit als einen schlechten Lehrer. 6 7 8

Vgl. Halfwassen 1995. Vgl. Steel 1978, S. 38–45. Ausführlich hierzu Opsomer 2006, S. 165–166.

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Westerink (1962, S. XVIII) deutet συνήθεια hinsichtlich der Ansichten der Mehrzahl bei Proklos als eine Bezeichnung des allgemeinen Glaubens der Zeit, der die Existenz mehrerer Götter ablehnt – das heißt, als eine Anspielung auf Christentum. Hierbei vertritt er die These, dass Olympiodor bei seiner Position bezüglich der Mehrheit Proklos folgt. Dagegen lässt sich einwenden, dass die Leugnung mehrerer Götter auch bei den monotheistischen paganen Kulten der Fall ist.9 Zu diesem Thema konstatiert Cameron einige ‚Schlüsselwörter‘,10 die unter paganen Philosophen als Hinweis auf das Christentum gedient haben. Der Ausdruck über die „vorliegenden Ansichten“ (τοῖς παροῦσι: Olymp. in Alc. 22,15–23,1) stellt nach Cameron einen dieser Hinweise dar.11 In diesem Zusammenhang betrachtet auch Griffin συνήθεια als die geltende christliche Sichtweise und vergleicht den Gebrauch des Wortes in Olympiodors übrigen Kommentaren.12 Dagegen bezieht sich Olympiodor an diesen von Griffin genannten Stellen auf den allgemein geltenden Sprachgebrauch im Vergleich zur alten Nutzung (Olymp. in Cat. 117,28–31) bzw. auf den allgemein geltenden Sprachgebrauch (Olymp. in Mete. 264,3–4). Auch Proklos verwendet das Wort συνήθεια generell im Hinblick auf geltende und verbreitete Ansichten der Griechen oder früherer Menschen (κοινὴν τῶν Ἑλλήνων συνήθειαν, Procl. in Alc. 25,14–15; συνήθεια … τῶν παλαιῶν, Procl. in Alc. 216,5–6). Folglich kann συνήθεια bei Olympiodor als der übliche Sprachgebrauch aufgefasst werden. In diesem Sinne übersetzt Filippi dieses Wort mit „cultura popolare“.13

4. Teilung des Kosmos Olymp. in Alc. 22,1–3: Nach Olympiodor hat Platon im Gegensatz zu den ‚Chaldäern‘ den mittleren Bereich zwischen den Menschen und den Göttern nicht in weitere Bereiche geteilt. Diese Auffassung wiederholt er auch im Fall der Engel (Anhang 5). In den chaldäischen Orakeln wird eine Gliederung des Universums in sieben Teile überliefert (vgl. Orac. Chald. 57–70). Diese Sphären sind der feuerhafte und der göttliche, der ätherische als der Sitz der Sterne und der Planeten und der hylische bzw. materielle Kosmos, der aus sublunarer Welt und der Erde besteht. Erstere Welt setzt sich aus vier Elementen (Erde, Feuer, Luft und Wasser)

9 10 11 12 13

Ausführlich hierzu Frede 1999; S. 41–68. Cameron 1969, S. 22: „code phrases“. Ebd. S. 24. Griffin 2015, S. 3. Er vergleicht dazu Olymp. in Cat. 117,30; in Mete. 264,3. Filippi 2017, S. 87 (die Übersetzung für Olymp. in Alc. 21,11; 16).

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zusammen.14 In der Überlieferung der Spätantike wird die Dreiteilung des Universums den Chaldäern zugeschrieben, auch wenn die erhaltenen Fragmente diese Theorie nicht eindeutig bestätigen.15 Eine Dreiteilung des Universums im Platonismus scheint von den platonischen Dialogen auszugehen. Dazu dienen die Darstellung der drei Moiren in der Politeia 617b–c (vgl. Plu. Moralia 745a–747a) sowie die Teilung des Kosmos im Timaios als Ausgangspunkt (vgl. Plat. Ti. 39e–40b). Für diese Theorie wurde auch die Bezeichnung des Daimons als mittleres Wesen im Symposion (vgl. Plat. Smp. 202e) als Grundlage genutzt. Nach Apuleius teilte Platon im Symposion den gesamten Bereich des Seins in drei, von denen sich oben die Götter, in der Mitte Daimones und unten die Menschen befinden (vgl. Apul. De deo 6). Nachdem Jamblich die chaldäische Ansicht in die platonische Philosophie integrierte, wurde die Übereinstimmung zwischen den beiden Positionen untersucht. Die spätantiken Platoniker wie Proklos kombinieren zu diesem Zweck verschiedene platonische Thesen mit Aristoteles, Stoikern und Chaldäern.16 In diesem Sinne vertreten Proklos und Damaskios den Standpunkt, dass die chaldäische Teilung der Bereiche des Kosmos ihrer Darstellung bei Platon entspricht. Nach Damaskios stimmen die Zahlen der Sphären über und unter dem Mond bei Platon und den Chaldäern miteinander überein (vgl. Dam. in Prm. 232,13–16). Mit der platonischen Vorstellung des Kosmos setzt Proklos sich in seinem Kommentar zum Timaios auseinander. Dabei nennt er verschiedene Ansichten zum Thema: Während einige ausgehend von dem Timaios behaupten, dass der Demiurg zwischen Sterblichen und göttlichen Wesen einen mittleren Bereich erschaffen musste, stützen andere sich auf die Darstellung des platonischen Epinomis, dass die Götter im Himmel, Daimones in der Luft, andere Götter im Wasser und die Sterblichen auf der Erde sind (vgl. Procl. in Ti. III.107,26–108,16; vgl. Plat. Epin. 981c). Hierbei unternimmt Proklos eine Vereinbarung der Thesen im Timaios mit den Positionen ausgehend von Symposion und Epinomis (vgl. auch seinen Hinweis auf Symposion, Procl. in Alc. 31–32). Auf diese Weise begründet er die Existenz von drei Arten der mittleren Wesen zwischen den Göttern und Menschen, nämlich Daimones, Engel und Heroen. Während Engel den Bereich in der Nähe der Götter einnehmen, bewegen die Daimones sich zwischen Himmel und der sublunaren Welt und verbinden menschliche Seelen mit den himmlischen Wesen (vgl. Procl. in Ti. III.167,8–16). Die Heroen dagegen vereinen die Menschen mit der Vernunft und der Rückwendung zu sich (vgl. Procl. in Ti. III.165,14–22). Obwohl Proklos 14 15 16

Ausführlich hierzu Ferrari 2018a, S. 1213. Ebd. S. 1212. Siehe dazu O’Neill 1965, S. 229–230.

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die Gesamtheit dieser mittleren Wesen als genauso himmlische Kreaturen wie die Götter betrachtet (vgl. Procl. in Ti. III.109,20–25), beanspruchen sie trotzdem verschiedene Teile des mittleren Bereiches zwischen Göttern und Menschen. Olympiodors Bemerkung, dass Platon den mittleren Bereich ungeteilt lässt, deutet darauf hin, dass dieseTheorie im späteren Platonismus entwickelt wurde. Er legt folglich den verschiedenen Teilungen des Kosmos im Platonismus einige theoretische Differenzierungen zugrunde, während er diese grundsätzlich als miteinander vereinbar ansieht.

5. Engel (ἅγγελος) Olymp. in Alc. 21,12–22,5: Im Rahmen seines Exkurses über Daimones führt Olympiodor eine weitere Bedeutung des Daimons als ‚Engel‘ (21,7) an. Dies wird anhand von drei Sinngehalten erläutert: 1. Engel als Götterbote; 2. zugeteilter Daimon; 3. ein gottähnliches Wesen wie Daimones und Heroen im mittleren Bereich. Seine Erwähnung des Engels veranlasst die Interpretation, dass Olympiodor hierbei eine exegetische Behandlung des christlichen Sprachgebrauchs vornimmt.17 Jedoch ist auch in diesem Fall fraglich, inwiefern Olympiodor auf die Christen Bezug nimmt. Er scheint an diesen Stellen vielmehr zu problematisieren, dass ‚einige‘ mit dem Ausdruck ‚Engel‘ auf den Daimon hinweisen, obwohl Platon diesen Begriff nicht in diesem Sinne verwendet und den Bereich zwischen den Göttern und Menschen nicht in drei Fragmente geteilt hat. Somit deutet er auf einen philosophischen Diskurs über die Stellung der Engel. Die erste Bedeutungsebene des Engels steht dem Gebrauch dieses Wortes in der Antike nahe. Der Begriff ἅγγελος referiert in der antiken Literatur auf Hermes als ‚Götterboten‘ (vgl. Hom. Od. 5,29) und wird in diesem Sinne bei Platon für Hermes verwendet (Plat. Cra. 407e). Olympiodor legt damit die Anwesenheit oder ‚Erleuchtung‘ einer Gottheit dar (21,12–13). Auf der zweiten Ebene stellt er den Engel dem zugeteilten Daimon gleich. Eine wesentliche Frage im Hinblick auf diese Interpretation besteht darin, auf welcher Grundlage diese Auffassung des Daimons als Engel beruht. Der Begriff des Engels im Christentum kann in diesem Kontext nicht zugrunde liegen: Entgegen der Assoziation des Daimons mit Engeln ist bei den christlichen Gelehrten die These verbreitet, dass der Daimon des Sokrates eine böse Macht verkörperte.18 In der christlichen Theologie werden Daimones zunehmend als

17 18

Griffin 2015, S. 6. Beispielsweise bei Tertullian. Ausführlich hierzu Döring 1979, S. 154–160.

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bösartige Dämonen aufgefasst, während die Engel die Vermittlerrolle zwischen Menschen und dem Gott übernehmen.19 Eine Beschreibung des Daimons als Engel findet sich ausschließlich bei Clemens von Alexandria. Er betrachtet das Daimonion von Sokrates als einen Engel.20 Hierzu wendet Wyrwa ein, dass Clemens in seinem Werk keine schlüssige These zu diesem Thema äußert.21 Im Gegensatz dazu interpretiert beispielsweise Dionysios Areopagites die Engel als göttliche Wesen, die Daimones dagegen als zur Materie neigende und daher böse Kräfte.22 Eine Gleichsetzung des Daimons mit dem Engel ist ferner aus der Sicht der paganen Kulte unbegründet. Aus der Kaiserzeit und der Spätantike sind mehrere Kulte der Götterboten überliefert.23 Dabei scheint in der Spätantike die Unterscheidung zwischen den bösartigen ‚Dämonen‘ und wohltätigen Engeln ein verbreitetes Glaubenselement zu sein, das sich in den chaldäischen Orakeln widerspiegelt (vgl. Orac. Chald. 3,68–85).24 Darüber hinaus ist es fraglich, ob Olympiodor die paganen Kulte der Spätantike in Alexandria als ‚allgemeingültig‘ bezeichnen würde, während die Mehrheit der Bevölkerung aus Christen besteht. In diesem Sinne ist es plausibel, mit Griffin25 zu behaupten, dass Olympiodor erneut auf die Differenz zwischen den Philosophen und der einfachen Bevölkerung Bezug nimmt: Im allgemeinen Sprachgebrauch wird dieses Phänomen als ‚Engel‘ bezeichnet, während die Philosophen es ‚den zugeteilten Daimon‘ nennen würden. Dieser Auffassung liegt die platonische Philosophie zugrunde: Die Identifizierung der Daimones mit den Engeln des jüdischen Glaubens geht auf den Platoniker Philon zurück. Er stellt Daimones den Engeln gleich (vgl. Philon, De gig. 6–18), wobei er nicht allen Daimones grundsätzlich eine positive Rolle zuschreibt.26 Die Neuplatoniker repräsentieren Daimones als gute Wesen, die ähnlich wie Engel zu betrachten sind. Im spätantiken Platonismus werden die ἄγγελοι nicht als die Boten der Götter bewertet, sondern sie stehen über den 19 20 21 22 23 24 25

26

Vgl. Habermehl 1997. Früchtel (2006, S. 66–68) verweist auf Clem. Al. Strom. 5.91,5. Vgl. Wyrwa 1983, S. 78–79. Kavvadas 2009, S. 155–157. Ausführlich dazu Cline 2011, S. 47–76. Vgl. Johnston 1997. Zu den Daimones als bösen Kräften in chaldäischen Orakeln siehe Seng 2018, S. 54. Griffin 2015, S. 5. Obwohl Griffin durch die Erwähnung von Engeln auf eine Andeutung des Christentums schließt, bemerkt er selbst dazu, dass Olympiodors Behandlung der christlichen Ansichten nicht auf eine Reaktion gegen das Christentum reduziert werden kann, sondern im Sinne einer Differenzierung zwischen den Gelehrten und der einfachen Bevölkerung interpretiert werden sollte. Einige sind auch eine Strafe des Gottes; Johnston 1997.

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Heroen und Daimones als gottähnliche Wesen (vgl. Iamb. Myst. II.6). Proklos und Damaskios verwenden den Begriff des Engels wie Philon für die Vermittler zwischen Göttern und Menschen (Procl. in Rep. II.243; Dam. Isid. Fr. 9). Ersterer entwickelt eine Theorie über verschiedene Stufen der ‚mittleren Wesen‘, die Menschen mit den Göttern verbinden. Diese sind die Engel, die Daimones und die Heroen, die alle göttlich sind und daher nur gut sein können. Proklos teilt dabei die Seele zwischen Göttern und Menschen in drei Stufen: die göttliche Seele, die immer denkend ist; die nichtgöttliche Seele, die immer denkend ist, und die nichtgöttliche Seele, die nur teilweise denkend ist (vgl. Procl. Inst. 184). Die zweite nichtgöttliche Seele entspricht den drei ‚mittleren Wesen‘, die uns mit den Göttern verbinden: die Engel, die Daimones und die Heroen (vgl. Procl. in Ti. III.165,11–166,16). In dieser Trias stellen die Engel das Vorbild für die beiden übrigen mittleren Wesen dar und sind den Göttern am ähnlichsten, wobei alle drei mittleren Wesen göttlich und gut sind. Kavvadas zufolge schließt Proklos die Existenz des Bösen nicht nur bei den Göttern und Engeln aus, sondern auch auf der Ebene der Daimones.27 Gleichermaßen beschreibt Damaskios die Götter, Engel und Daimones als aus der gleichen Essenz bestehend (vgl. Dam. in Prm. 60,9–17), wobei die Engel auf der Ebene der Götter sind, die Daimones sich hingegen auf der Ebene der Sterblichen befinden (vgl. Dam. in Prm. 51,22–26). Ausgehend von dieser Theorie thematisiert Olympiodor ein Problem: Der Begriff ἅγγελος wird bei Platon in diesem Sinne nicht verwendet. Dies liegt jedoch nach Olympiodor lediglich daran, dass Platon den mittleren Bereich nicht in weitere Abschnitte geteilt hat. Die Spaltung des mittleren Bereiches durch Daimones, Heroen und Engel ist Olympiodor zufolge „chaldäisch“ (22,1-5) und wie folgt zusammengestellt: In erster Reihe stehen Engel, die den Göttern näher sind; zweitens folgen die Daimones und drittens befinden sich die Heroen in dem Bereich unweit der Menschen. Durch diese Darstellung deutet Olympiodor darauf hin, dass Daimones und Engel in der neuplatonischen Philosophie aus der theoretischen Perspektive vor allem bei Proklos differenziert sind. Dennoch gehören sie den verschiedenen ‚Stufen‘ der ‚gottähnlichen‘ und ‚mittleren‘ Wesen an, die alle für Menschen grundsätzlich gut sind. In dieser Hinsicht ist die allgemeine Gleichstellung des Engels mit Daimon nachzuvollziehen, da diese Menschen im Hinblick auf die Theorie der Klassifizierung der mittleren Wesen über kein Wissen verfügen.

27

Kavvadas (2009, S. 64–67) verweist auf Procl. De mal. 11; 14,22–25 und 17,6–8.

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6. Bewusstsein (συνειδός) Olymp. in Alc. 23,2; 15–17: Olympiodor beendet seinen Exkurs über die Daimones mit der Feststellung, dass der zugeteilte Daimon mit dem Bewusstsein gleichzusetzen sei. Dieser Auffassung liegt Platons Darstellung im Timaios zugrunde, dass der Demiurg dem Kosmos eine Seele gab, da er die Ordnung und ihre Neigung zum Schönen durch Vernunft (νοῦς) gestalten wollte (vgl. Plat. Ti. 30a–b). Dabei wird das Lebewesen auch genau aus demselben Teil erschaffen (vgl. Plat. Ti. 41c–d). Die Vernunft ist der höchste und unsterbliche Teil, den der Gott in die menschliche Seele integriert hat und der in diesem Sinne mit dem zugeteilten Daimon verglichen wird (vgl. Plat. Ti. 90a–c). Diese Darstellung führte bei den Platonikern zu der Interpretation, dass der zugeteilte Daimon als Vernunft (νοῦς) in der menschlichen Seele, und nicht als ein selbstständiges göttliches Wesen zu betrachten ist. Dagegen steht die Auffassung des Daimons als ein selbstständiges Wesen, das sich zwischen Göttern und Menschen befindet. Diese beiden gegensätzlichen Positionen sind am deutlichsten bei Plotin und Proklos zu finden.28 Während Letzterer den persönlichen Daimon als die Vernunft in der Seele betrachtet (vgl. Plot. III.4.3,1–9), richtet Ersterer seine Kritik gegen diese These (vgl. Procl. in Ti. III.154–155). Konträr zu denjenigen, die den zugeteilten Daimon als die vernunftbegabte Seele (λογικὴ ψυχή) definieren, argumentiert Proklos, dass „unser Daimon“ etwas anderes als der Mensch sei und nach Platons Symposion sich zwischen Göttern und Menschen befinde (vgl. Procl. in Ti. III.154,27–32). Die Bemerkung im Timaios, dass der Daimon wie die Vernunft in uns ist, betrachtet Proklos lediglich als eine Analogie (vgl. Procl. in Ti. 73,19–74,11). In dieser Kritik teilt er dieselbe Auffassung wie Jamblich, der eine Darstellung des Daimons als Teil der Seele verwirft (vgl. Iamb. Myst. IX,8). Proklos’ Kritik an die Unterordnung des Daimons zu der menschlichen Seele entgegnet Olympiodor mit seiner Definition des Bewusstseins. Obwohl der höchste Gipfel der Seele, auch mit einem umfangreichen Begriff wie συνειδός, in der menschlichen Seele bleibt, stellt Olympiodor das Bewusstsein nicht wie einen Teil der menschlichen Seele dar, sondern als etwas Unabhängiges, eine göttliche Kraft, die mit der Seele in Verbindung steht und wie ein zugeteilter Daimon wirkt, indem sie die Seele mit ihrem göttlichen Ursprung verbindet. Als Begriff der Philosophie trägt συνειδός nicht nur eine kognitive Bedeutung, sondern gehört auch zu dem ethischen Bereich im Sinne von ethischem

28

Ausführlich zu den beiden Positionen Timotin 2018, S. 195–197.

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Bewusstsein über Handlungen.29 In dieser Hinsicht führt Olympiodor eine Unterscheidung an (23,15–17), die Damaskios im Zusammenhang mit dem Begriff des Bewusstseins (συνειδός) erläutert: In seinem Kommentar zum Phaidon stellt Damaskios die Frage, was die Erinnerung an das im Jenseits Geschehene für die Seele des Menschen bewirkt (vgl. Dam. in Phd. 271). Dies ist nach ihm eine einzigartige Fähigkeit (δύναμις), die als Zeuge für alle anderen Fähigkeiten der Seele dient: Zum einen ist das Bewusstsein (συνειδός) für die erkennenden Fähigkeiten, zum anderen ist die Aufmerksamkeit (προσεκτικόν) für die strebenden Fähigkeiten. Bei dieser Erläuterung nennt er weder den zugeteilten Daimon, noch wie diese einzigartige Fähigkeit heißt, die die Gemeinsamkeit des Erkennenden und Strebenden darstellt. Das Bewusstsein wird auch nach Olympiodor in zwei Teile (23,15–17) differenziert: das Erkennende (γνωστικός) und das Strebende (ὀρεκτικός). Diese Unterteilung entspricht dem Begriff des Strebens (ὄρεξις) bei Aristoteles, der ebenfalls bei den späteren Platonikern im identischen Sinne aufgefasst wurde. Aristoteles betrachtet ὄρεξις als eine „strebende Vernunft“ oder ein „vernünftiges Streben“, das der Vernunft gehört und sich dadurch von der unvernünftigen Begierde unterscheidet.30 Nach Riedenauer wird der Unterschied zwischen Streben und Vernunft wie folgt erklärt: Während das Streben den Ursprung der Bewegung des Handelns konstituiert, hat die Vernunft die Aufgabe, das Handlungsziel und ihre Geeignetheit für das Streben zu prüfen.31 Aristoteles zufolge bestimmt die Vermittlung von Streben und Vernunft eine ethische Entscheidung (vgl. Arist. EN 1111b4–7), die selbst auch als Streben in höchster Form bezeichnet wird.32 Diese beiden Aspekte werden dadurch gekennzeichnet, dass das Erkennende die Vernunftbestimmung einer Handlung beschreibt und das Strebende die Bewegung des Menschen für diese Handlung darstellt. Diese Auffassung wird auch bei den Neuplatonikern vertreten (vgl. Plot. II.9.15,1–17 ὄρεξις und λόγος). Im Zusammenhang mit dem Bewusstsein trennt Damaskios das Strebende von dem Erkennenden und bezeichnet Ersteres als Bewusstsein, Letzteres dagegen als Aufmerksamkeit (vgl. Dam. in Phd. 271). Er benennt den Oberbegriff als das „Wiedererinnernde“ (τὸ ἀναμιμνησκόμενον, Dam. in Phd. 271,1), im Gegensatz dazu nennt Olympiodor diesen Begriff auch ‚Bewusstsein‘ (συνειδός). Olympiodor versteht das Strebende und das Erkennende als zwei Aspekte des Bewusstseins: Während das Bewusstsein im Sinne der Erkenntnisfähigkeit ein kognitiver Vorgang ist, betrifft das Bewusstsein im 29 30 31 32

Vgl. Renaud 1998. Oser-Grote 2002, S. 317: vergleicht Arist. de An. 433b5ff. Vgl. Riedenauer 2000, S. 199–209. Ebd. S. 218–230 (vergleicht Arist. Metaph. 1048a10).

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Sinne des Strebens die Ausführung der ethischen Handlungen. Dadurch umfasst Olympiodors Verständnis dieses Phänomens neben dem ethischen Bewusstsein des Strebenden auch die Entstehung der Handlungen und ihre Bewertung durch die Vernunft. Die Schlussfolgerung, dass die Kraft der Erinnerung in der Seele insgesamt Bewusstsein genannt wird (23,15–17), ist wie eine Antwort auf die Frage des Damaskios, was im Menschen für die Erinnerung an das im Jenseits Geschehene verantwortlich ist (vgl. Dam. in Phd. 271). Dadurch stellt Olympiodor dieses Bewusstsein in der Seele mit der Kraft der Wiedererinnerung bei Damaskios gleich. Selbiges bezieht sich nach Olympiodor nicht nur auf das vorherige Leben der Seele, sondern auch auf das Leben nach dem Tod und auf das Urteil der Seele aufgrund ihrer Handlungen im Diesseits. Im Kommentar zum Gorgias definiert er das Mitwissen als die Erinnerung, die die Seelen aus ihrem Leben im Diesseits nach dem Tod vor den Richtern im Jenseits vorweisen (vgl. Olymp. in Grg. 49.3,35–36), damit die Zeuge und Richter ein Urteil über die Seele treffen können (vgl. Olymp. in Grg. 50.1). Das Bewusstsein aus dem vorherigen und aus dem jetzigen Leben der Seele verbindet sich in Olympiodors Darstellung von συνειδός: Dies kann die Seele sowohl an ihre göttliche Herkunft erinnern als auch ihre Handlungen wie ein Zeuge begleiten. In diesen beiden Funktionen betrachtet Olympiodor das Bewusstsein in Analogie zu dem zugeteilten Daimon.

Abkürzungen Werke in Latein werden nach DNP1 zitiert. (Ergänzend dazu: Apuleius, De dogm.: De dogmate Platonis; De deo: De deo Socratis). Die griechischen Autoren und Werke sind in der Regel nach LSJ2 abgekürzt. Von den Vorschlägen beim LSJ abweichend bzw. dazu ergänzend sind die folgenden Abkürzungen: Ael. Herod.: Aelius Herodianus und Pseudo-Aelius Herodianus Aët.: Aëtios (Doxogr.) Anon. Proleg.: Anonymus (Alexandrinus), De Philosophia Platonica Arist. Protr.: Aristoteles, Protreptikos Cyrill.: Kyrillos von Alexandria – c. Iul.: Contra Iulianum Imperatorem Dem.: Demosthenes Epict. Diss.: Epiktet, Dissertationes ab Arriano digestae Eur.: Euripides Galen: Gal. – De dieb.: Galen, De diebus decretoriis Libri III – Quod an.: Quod animi mores corporis temperamenta sequantur – Elem.: De Elementis ex Hippocrate Heron: Heron von Alexandria – Fr.: Mechanicorum Fragmenta Hom. Il. und Od.: Ilias und Odyssee (cum auctoris nomine) Iamb.: Jamblich – Theol. arith.: Theologoumena Arithmeticae – De an.: De Anima

1 2

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Abkürzungen

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Orig.: Origenes – Cel.: Contra Celsum – Comm. in Mt.: Commentarium in Evangelium Matthaei – Comm. in Joan.: Commentarium in Evangelium Joannis – Pr.: De principiis Philon: Philon von Alexandria – De aetern.: De aeternitate mundi – De opif.: De opificio mundi – De praem.: De Praemiis et poenis – De som.: De somniis – De gig.: De gigantibus Philoponos – De aetern.: De aeternitate mundi Plat.: Platon – Alc.: Erster Alkibiades – Rep. für Politeia (daher auch bei Proklos: Procl. in Rep.) Plutarch – Paroem.: Παροιμίαι αἷς Ἀλεξανδρεῖς ἐχρῶντο Porphyrios – De philosophia: De philosophia ex oraculis haurienda librorum reliquiae Proklos – De mal.: De malorum subsistentia – De prov.: De providentia Ps.-Plu., Mus.: Pseudo-Plutarch, De musica Soph.: Sophokles Syn.: Synesios von Kyrene – Insom.: De insomniis Thucy.: Thukydides Xen.: Xenophon Zach.: Zacharias (Scholastikos) – V. Sev.: Vita Severi

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Classica Monacensia Münchener Studien zur Klassischen Philologie herausgegeben von Martin Hose und Claudia Wiener Die Classica Monacensia verstehen sich als Präsentationsforum für aktuelle Ergebnisse von Forschungsprojekten zur antiken Literatur, die an der LMU München entstanden sind. Seit mehr als 25 Jahren erscheinen in der Reihe Monographien, kommentierte Textausgaben und Sammelbände aus Themenbereichen der Griechischen und Römischen Antike. Der Schwerpunkt liegt dabei auf literaturwissenschaftlicher Forschung in Verbindung mit historischen und philosophischen Fragestellungen. Bisher sind erschienen: Band 28 Christian Zgoll Phänomenologie der Metamorphose Verwandlungen und Verwandtes in der augusteischen Dichtung 2004, 405 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6025-4

Band 32 Gunther Martin Dexipp von Athen Edition, Übersetzung und begleitende Studien 2006, XII, 287 Seiten €[D] 58,00 ISBN 978-3-8233-6242-5

Band 29 Hellmut Flashar Spectra Kleine Schriften zu Drama, Philosophie und Antikerezeption 2004, 348 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-6118-3

Band 33 Patrizia Marzillo Der Kommentar des Proklos zu Hesiods „Werken und Tagen“ Edition, Übersetzung und Erläuterung der Fragmente 2010, LXXXVIII, 458 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6353-8

Band 30 Niklas Holzberg (Hrsg.) Die Appendix Vergiliana Pseudepigraphen im literarischen Kontext 2005, XX, 294 Seiten €[D] 58,00 ISBN 978-3-8233-6202-9

Band 34 Helmut Löffler Fehlentscheidungen bei Herodot 2008, X, 242 Seiten €[D] 58,00 ISBN 978-3-8233-6381-1

Band 31 Regina Höschele Verückt nach Frauen Der Epigrammatiker Rufin 2005, XII, 156 Seiten €[D] 48,00 ISBN 978-3-8233-6205-0

Band 35 Gregor von Nazianz Über Vorsehung Περὶ Προνοίας Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Andreas Schwab 2009, 142 Seiten €[D] 39,9,00 ISBN 978-3-8233-6418-4

Band 36 Peter Grossardt Achilleus, Coriolan und ihre Weggefährten Ein Plädoyer für eine Behandlung des Achilleus-Zorns aus Sicht der vergleichenden Epenforschung 2009, XII, 159 Seiten €[D] 39,9,00 ISBN 978-3-8233-6483-2 Band 37 Regina Höschele Die blütenlesende Muse Poetik und Textualität antiker Epigrammsammlungen 2010, X, 375 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6552-5 Band 38 Alexander Müller Die Carmina Anacreontea und Anakreon Ein literarisches Generationenverhältnis 2010, VIII, 300 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6575-4 Band 39 Andreas Patzer STUDIA SOCRATICA Zwölf Abhandlungen über den historischen Sokrates 2012, X, 370 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6579-2 Band 40 Maria Gerolemou Bad Women, Mad Women Gender und Wahnsinn in der griechischen Tragödie 2011, X, 442 Seiten €[D] 98,00 ISBN 978-3-8233-6580-8 Band 41 Karin Mayet Chrysipps Logik in Ciceros philosophischen Schriften 2010, 340 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-6581-5

Band 42 Nikolaos Vakonakis Das griechische Drama auf dem Weg nach Byzanz Der euripideische Cento Christos Paschon 2011, 184 Seiten €[D] 48,00 ISBN 978-3-8233-6582-2 Band 43 Evanthia Tsigkana Studien zu Euripides’ Elektra Das Motiv der Erwartung im griechischen Drama 2012, 320 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-6724-6 Band 44 Margot Neger Martials Dichtergedichte Das Epigramm als Medium der poetischen Selbstreflexion 2012, 392 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6759-8 Band 45 Isabella Wiegand Neque libere neque vere Die Literatur unter Tiberius und der Diskurs der res publica continua 2013, XIV, 362 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6811-3 Band 46 Sophia Bönisch-Meyer/Lisa Cordes/ Verena Schulz/Anne Wolsfeld/Martin Ziegert (Hrsg.) Nero und Domitian Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich 2014, VIII, 485 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6813-7 Band 47 Fabian Horn Held und Heldentum bei Homer Das homerische Heldenkonzept und seine poetische Verwendung 2014, IV, 388 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6837-3

Band 48 Jan-Markus Pinjuh Platons Hippias Minor Übersetzung und Kommentar 2014, 264 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6849-6 Band 49 Olga Chernyakhovskaya Sokrates bei Xenophon Moral – Politik – Religion 2014, XII, 279 Seiten €[D] 58,00 ISBN 978-3-8233-6863-2 Band 50 Lukians Apologie Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Markus Hafner 2017, 159 Seiten €[D] 38,00 ISBN 978-3-8233-8071-9 Band 51 Manuel Caballero González Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur 2017, 628 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6991-2 Band 52 Philipp Weiß Homer und Vergil im Vergleich Ein Paradigma antiker Literaturkritik und seine Ästhetik 2017, 392 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-8110-5 Band 53 Andreas Patzer Von Hesiod bis Thomas Mann Dreizehn Abhandlungen zur Literaturund Philosophiegeschichte 2018, 245 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-8190-7

Band 54 Vicente Flores Militello tali dignus amico Die Darstellung des patronus-cliensVerhältnisses bei Horaz, Martial und Juvenal 2019, 366 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-8296-6 Band 55 Alexander Schütze, Andreas Schwab (eds.) Herodotean Soundings The Cambyses Logos 2023, 390 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-8329-1 Band 56 Margot Neger Epistolare Narrationen Studien zur Erzähltechnik des jüngeren Plinius 2021, 448 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-8345-1 Band 57 Alexander Sigl Die Modellierung epikureischer personae in der römischen Literatur Studien zur Erzähltechnik des jüngeren Plinius 2023, ca. 550 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-8503-5 Band 58 Maria Anna Oberlinner Intertextualität und Parodie in Ovids Remedia amoris 2022, 285 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-8526-4 Band 59 Cagla Umsu-Seifert Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades Untersuchung, Text, Übersetzung und Erläuterungen 2023, 690 Seiten €[D] 118,00 ISBN 978-3-8233-8590-5

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ISBN 978-3-8233-8590-5

  Olympiodor – Alkibiades Cagla Umsu-Seifert

Der Neuplatoniker Olympiodor (6. Jh. n. Chr.) fand in der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten als Philosoph Beachtung. Cagla Umsu-Seifert diskutiert in diesem Band aktuelle Forschungsthesen zu Olympiodor und erklärt die zentralen Aspekte seiner Philosophie. Die Autorin legt darüber hinaus erstmals eine Übersetzung von Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades ins Deutsche vor, die mit umfangreichen Anmerkungen erläutert wird. Die Philosophie Olympiodors wird dabei im Kontext der platonischen Tradition, der antiken Literatur und anderer Bildungsbereiche wie der Medizin in Alexandria beleuchtet. So bietet der Band eine umfassende Darstellung der Philosophie Olympiodors und zeigt, dass seine Exegese keineswegs hinter der des Proklos zurücksteht, sondern sich durch das pädagogische Ziel und die Aufgabe auszeichnet, die Vorzüge der platonischen Philosophie hervorzuheben.

Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades Untersuchung, Text, Übersetzung und Erläuterungen

von Cagla Umsu-Seifert