2 Samuel 15–20 [1 ed.] 9783666503634, 9783525503638


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German Pages [437] Year 2023

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2 Samuel 15–20 [1 ed.]
 9783666503634, 9783525503638

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Biblischer Kommentar ALTES TESTAMENT Band VIII/5

Walter Dietrich

Samuel 2 Samuel 15–20



Walter Dietrich · Samuel

I



Biblischer Kommentar Altes Testament Begründet von Martin Noth † Fortgeführt von Siegfried Herrmann † und Hans Walter Wolff † Unter Mitarbeit von Werner H. Schmidt und Winfried Thiel herausgegeben von Beate Ego, Friedhelm Hartenstein, Martin Rösel und Bernd U. Schipper

Band VIII/5 Walter Dietrich Samuel Teilband 5

Vandenhoeck & Ruprecht II



Walter Dietrich Samuel Teilband 5 2Sam 15–20

2023

Vandenhoeck & Ruprecht III



Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Umschlaggestaltung: SchwabScantechnik, Göttingen Lektorat: Volker Hampel, Neukirchen-Vluyn Satz: Breklumer Print-Service GmbH & Co. KG, Borsbüller Ring 25, D-25821 Breklum

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-50363-4

IV

Vorwort

Vorwort

Im Jahr 2003 erschien die erste Lieferung des ersten Bandes dieses Kommentars, jetzt, zwanzig Jahre später, der fünfte Band. Er schließt die Auslegung der durchgehenden Erzählung der Samuelbücher ab. Das Ende der Davidgeschichte in 1Kön 1–2 liegt außerhalb meiner Kompetenz, und den dazwischenliegenden sog. »Anhang zu den Samuelbüchern« in 2Sam 21–24 plane ich zusammen mit meinem emeritierten Basler Kollegen Prof. Hans-Peter Mathys zu kommentieren. Der hier vorgelegte Band ist somit der letzte von mir allein verantwortete Teil dieses Samuel-Kommentars und stellt insofern etwas wie einen vorläufigen Abschluss dar. Dieser Sachverhalt gibt Anlass zu einem kurzen Rückblick.   Den Auftrag, in der Reihe BK die Samuelbücher auszulegen, erhielt ich in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Die Herausgeber und der Verlag (damals: der Neukirchener Verlag) waren sich womöglich nicht voll darüber im Klaren, was für ein Wagnis sie damit eingingen. Mir, der bis dahin nur wenig zu den Samuelbüchern publiziert hatte, war alsbald klar, dass dies eine Mammutaufgabe sein würde, ich aber nur ein Mensch mit begrenzten Kräften und absehbarer Lebensspanne bin. Wenn aber Könige wie David und Salomo vierzig Jahre regiert haben, warum sollte dann nicht ein Exeget mit Erzählungen über sie vier Jahrzehnte zubringen können? Dass ich die Kraft dazu aufbringen konnte, verdanke ich dem Herrn allen Lebens. Dass ich so lange Zeit brauchte, habe ich mir selbst zuzuschreiben. Allerdings gab es Gründe, nicht überstürzt ans Werk zu gehen. Mir stand zu Beginn das Schreckensszenario vor Augen, dass ich nach vielleicht fünf Lieferungen (in solchen, mit jeweils 80 Seiten Umfang, erschien der BK damals noch) oder nach eineinhalb Bänden feststellen musste, einen Irrweg eingeschlagen zu haben, der mich nicht bis ans Ende der Samuelbücher führte, sondern in ein undurchdringliches Hypothesendickicht. So nahm ich mir sehr bewusst eine lange Einarbeitungszeit, während derer ich in zahlreichen Einzelstudien und einigen kleineren Monographien Schneisen durch das dichte Unterholz einer ungemein weitverzweigten Text- und Rezeptionsund Forschungsgeschichte zu bahnen versuchte. Fachleute wissen, wie verwirrend und entmutigend es sein kann, solches alles kennen und einigermaßen sachgerecht beurteilen zu müssen; Nichtfachleute werden es ahnen (oder bei einem auch nur flüchtigen Blättern in einem Kommentarband wie diesem rasch feststellen). Man kann es Vorwort

V

Vorwort

allerdings auch anders sehen: Die »Wolke der Zeugen« lässt einen Kommentator mit seinem Stoff nie allein, liefert immer wieder Anregungen, gewährt ständig neue Einsichten, ist durchaus nicht nur belastend, sondern auch bereichernd. So kann ich nach vierzig Jahren intensiver Arbeit an den Samuelbüchern sagen: Das Gefühl des Überdrusses oder des Ausgeschöpftseins ist bis jetzt nicht eingetreten. Tag um Tag, Gedanken um Gedanken, Seite um Seite macht es mir Freude, mich mit diesem unerschöpflichen Fundus großartiger Texte befassen zu dürfen.   Auch am vorliegenden Band habe ich, wie an den früheren, nicht allein arbeiten müssen. Seit Jahrzehnten existiert eine formlose internationale »Samuel-Community«, mit der ich mich seit Beginn des Jahrtausends nun schon einige Male habe treffen und austauschen dürfen. Ihre jüngste Zusammenkunft fand im Rahmen der Shortpaper-Sessions des IOSOT-Kongresses in Zürich statt, wo zwölf miteinander schon mehr oder weniger gut bekannte Kolleginnen und Kollegen zum Thema »Zwischen Fiktion und Fakten. Historizität und Religiosität in den Samuelbüchern« vortragen und diskutieren konnten. Dieses Treffen, das von Johannes Klein (Rumänien) organisiert wurde, dürfte wieder in einen Tagungsband münden, und zwar, wie schon öfter, in der Reihe BWANT. Die »Samuel-Community« hat einen relativ stabilen Kern, aber fluktuierende Ränder, sodass immer wieder neue Gesichter (und Positionen!) hinzustoßen. Ungewöhnlich wohltuend ist die freundliche, gar nicht besserwisserische Atmosphäre, die bei den Zusammenkünften dieser Gruppe herrscht – und das, obwohl (oder weil) ihr rund ein Dutzend Samuelkommentatorinnen und -kommentatoren zuzurechnen ist. Gern möchte ich hier an die Mitwirkung zweier ihrer hervorragendsten Mitglieder erinnern: des Finnen Timo Veijola und des Israelis Shimon Bar-Efrat, beide völlig unterschiedlich arbeitend, beide aber vereint im ernsten Bemühen um ein angemessenes Verstehen des biblischen Texts, der eine verstorben 2005, der andere 2010.   Es gab indes auch handfestere, direktere Unterstützung bei der Abfassung dieses Bandes. Dr. Alexander Müller (Mainz) hat die textkritischen Passagen minutiös kontrolliert und um manche Einzelhinweise vervollständigt. Sophie Haug (Bern) ist weiterhin als meine wissenschaftliche Mitarbeiterin für Literaturbeschaffung, für die Aktualisierung der in Bern aufgebauten Samuel-Copythek und Samuel-Datenbank sowie fürs Korrekturlesen zuständig. Die Berner Theologische Fakultät bzw. deren Institut für Altes Testament fördert meine Kommentararbeit durch das Einräumen eines Arbeits- und Stellplatzes und auch durch bibliothekarische Hilfe. Anstelle von Prof. Winfried Thiel (Bochum), der dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der

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Vorwort

Lage war, hat Prof. Hans-Peter Mathys (Basel) diesen Band mit großer Sorgfalt editorisch betreut. Dr. Volker Hampel (Neukirchen-Vluyn) war einmal mehr mein getreuer, strenger, sachkundiger, aufmerksamer und geduldiger Lektor; ich kann ihm und auch dem Layouter, Herbert Paulsen (Breklum), gar nicht genug danken und bin dem Verlag dankbar, dass er die Fortführung dieser altbewährten Zusammenarbeit ermöglicht. Dr. Izaak de Hulster vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (bzw. jetzt Brill Deutschland) begleitete das Entstehen und die Drucklegung dieses Bandes umsichtig und jederzeit entgegenkommend.   Gelegentliche Rückmeldungen haben mich in der Hoffnung bestärkt, dass meine Kommentierung der Samuelbücher auf der einen Seite recht gründlich und umfassend, auf der anderen aber doch noch lesbar ist. Die Fülle der mitgeteilten Informationen mag zeitweise erdrückend wirken, jedenfalls die Lektüre erschweren, doch war es mir wichtig, die Leserinnen und Leser nicht einlinig zu orientieren, sondern ein möglichst umfassendes Bild der Text-, der Wirkungsund der Auslegungsgeschichte, der gegenwärtigen Forschungslage und der (manchmal recht vielfältigen) Interpretationsmöglichkeiten vorzulegen. Um den Kommentar trotzdem lesbar zu halten, habe ich Anhäufungen technischer und bibliographischer Details in PetitAbsätzen unterzubringen versucht, über die man, wenn man will, hinweglesen kann; oft stecken aber gerade in ihnen weiterführende und vertiefende Hinweise, die wahrzunehmen sich lohnt. Zudem sind viele Einzelinformationen in Fußnoten ausgelagert. (Wer eine glatte, fußnotenfreie Darstellung vor allem meiner Sicht der Dinge lesen möchte, kann zu meinem 2022 beim Theologischen Verlag Zürich erschienenen Büchlein »Die Samuelbücher heute lesen« greifen; es ist gleichsam der »Kommentar in nuce« oder »in globo«.)   Es gibt noch anderes, das die Lektüre und Nutzung des Kommentars erleichtert: Er enthält Register (acht an der Zahl), Schlagwörter am Rand (sog. »Marginalien«), Zwischenüberschriften, immer wieder Abbildungen, die die Bleiwüste auflockern und oft überraschende Seitenblicke auf die Texte erlauben – und vor allem: Er ist durchgängig nach dem alten BK-Schema »Text – Form – Ort – Wort – Ziel« aufgebaut. Diese Einteilung ermöglicht eine rasche Orientierung und das Aufsuchen bestimmter Informationen an vorhersagbaren Stellen. So ist etwa klar, dass Geographisches und (Literar-)Historisches unter »Ort« zu finden ist, strukturelle und stilistische Besonderheiten unter »Form« und eine Vielzahl von Hintergrundinformationen und Erklärungsdetails unter »Wort«. Was der eröffnende Abschnitt »Text« enthält, liegt ohnehin auf der Hand: eine eigene, der Ursprache nahe und dennoch sprachlich ansprechende Übersetzung sowie eine diese

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Vorwort

begründende Textkritik, die alle wichtigen Einzelheiten der reichhaltigen Textgeschichte der Samuelbücher präsentiert und den Versuch unternimmt, aufgrund der vorhandenen Textvarianten zum ›Urtext‹ vorzudringen: der hypothetischen Textform also, die am Ende der formativen Phasen der Textentstehung, d.h. etwa im 3. Jh. v.Chr., erreicht und allen späteren Abschreibern, Auslegern usw. vorgegeben war. Im abschließenden Abschnitt »Ziel« soll in erster Linie das benannt werden, was den Verfassern der jeweiligen Perikope wohl besonders am Herzen lag, aber auch das, was in der späteren Rezeptionsgeschichte hervorgehoben wurde und was heutige Lesende vor allem beschäftigen mag.   Wie in den Vorgängerbänden, so ist auch diesmal der Gesamttext in Perikopen aufgeteilt, deren Abgrenzung sich nicht nach den Einteilungen der Masoreten richtet, sondern bestimmten Textsignalen – Wechsel des Ortes oder der auftretenden Personen, neue thematische Schwerpunkte und dergleichen – folgt. Der Auslegung der einzelnen Perikopen (nach dem eben skizzierten Schema) geht ein Einleitungskapitel voran, in dem die 2Sam 15–20 durchziehenden großen Linien aufgezeigt werden: prägende Strukturen und Stilmerkmale einerseits, Quellen und Redaktionen andererseits – man könnte von einer synchronen und einer diachronen Betrachtung reden. Dabei werden auch gewichtige Forschungspositionen und -hypothesen referiert, sodass Leserinnen und Leser an die Lektüre der Einzelauslegungen mit gewissen Vorkenntnissen und Vorerwartungen herangehen.   Das Einleitungskapitel wird eröffnet mit einer Zusammenstellung von Literatur, die den ganzen Abschnitt 2Sam 15–20 oder größere Teile daraus übergreift. Vor den Einzelauslegungen ist die nur auf den jeweiligen Textabschnitt bezogene Spezialliteratur aufgeführt. Am Anfang des Bandes findet sich Grundlagenliteratur zu den gesamten Samuelbüchern. Die im Text jeweils aufgeführten Kürzel (Verfassername und Stichwort) lassen sich dort oder bei der Spezialliteratur entschlüsseln. Die »Literaturnachträge zu den Bänden 1–4« halten die Gesamtbibliographie zu den Samuelbüchern, die in diesem Kommentar möglichst vollständig dargeboten werden soll, aktuell.   Mit großer Erleichterung, aber auch in der »Melancholie der Erfüllung« (ein auf Ernst Bloch zurückgehender Ausdruck) lege ich diesen (vor)letzten Band meines Samuelkommentars der Öffentlichkeit vor, hoffend, dass er möglichst vielen Menschen nützlich sein und dass er dem Wunderwerk der Samuelbücher wenigstens von ferne gerecht werden kann. Bern, im Frühjahr 2023

VIII

Walter Dietrich

Vorwort

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Literatur zum vorliegenden Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.  2.  3.  4. 

Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur zu Sprache und Textgeschichte . . . . . . . . . . . . . . Literatur zu geographischen und archäologischen Fragen

1* 2* 3* 3*

Literaturnachträge zu den Bänden 1–4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5*

Kommentierung von 2Sam 15–20 2Sam 15–20 Davids Ringen mit Abschalom und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2Sam 15,1–12 Abschalom zettelt einen Aufstand gegen David an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2Sam 15,13–37 David zieht sich aus Jerusalem zurück und installiert dort eine Fünfte Kolonne 51 2Sam 16,1–14 David begegnet auf der Flucht Mit gliedern des Hauses Sauls . . . . . . . . . . . 92 2Sam 16,15 – 17,23 Abschalom hört auf verhängnisvolle Ratschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2Sam 17,24 – 18,5 David und Abschalom treffen Vorbe reitungen zur Schlacht . . . . . . . . . . . . . . 181 2Sam 18,6–18 Abschalom verliert die Schlacht und sein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2Sam 18,19 – 19,9bb David erfährt von Abschaloms Tod und betrauert ihn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2Sam 19,9bg–16 David jongliert zwischen Israel und Juda (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 2Sam 19,17–41a David begegnet bei der Rückkehr Mitgliedern des Hauses Sauls und dankt seinem Unterstützer Barsillai . . . 307 2Sam 19,41b–44 David jongliert zwischen Israel und Juda (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2Sam 20,1–22 David lässt die Rebellion Schebas niederschlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2Sam 20,23–26 Davids Stab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

IX

Inhalt

Register 1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8. 

X

Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe
 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen
 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurse
 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biblische Personen, Charaktere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Toponyme
 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hebräische Wörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

405 405 408 408 408 409 410 411

Literatur zum vorliegenden Band Hier findet sich zusammengestellt nur solche Sekundärliteratur, welche die gesamten Samuelbücher bzw. den Textbereich 2Sam 9–20 überblickt. Alle Spezialliteratur findet sich am Anfang des Überblickskapitels »Davids Krisis« sowie am Kopf der einzelnen Auslegungen. Literatur wird im Kommentar wie folgt aufgerufen: andere Kommentare mit bloßen Verfassernamen (die häufiger erwähnten s. unter 1), Nachschla­ gewerke mit den gängigen Kürzeln (die wichtigsten s. unter 2), die unter 3. zusammengestellte Überblicksliteratur mit Verfassernamen und Kurz­ titeln; bei den einzelnen Textabschnitten aufgeführte Spezialliteratur eben­ falls mit Verfassernamen und Kurztiteln, weitere Literatur mit vollem biblio­ graphischem Nachweis. Die Abkürzungen richten sich, wo nicht anders angegeben, nach: Theologi­ sche Realenzyklopädie, Abkürzungsverzeichnis, zusammengestellt von Sieg­ fried M. Schwertner, Berlin / New York 21994; die Schreibweise der bibli­ schen Eigennamen nach den sog. »Loccumer Richtlinien«, Stuttgart 21981. Im Übrigen sei verwiesen auf die ausführlichen Forschungs- und Literatur­ berichte: Dietrich, W. / Naumann, T., Die Samuelbücher, Darmstadt 1995 (EdF 287). – Dietrich, W., Von den ersten Königen Israels. Forschung an den Samuelbüchern im neuen Jahrtausend: ThR 77 (2012) 135–170.263– 316.401–425. 1.  Häufiger zitierte Kommentare Alter, R., The David Story. A Translation with Commentary of 1 and 2 Samuel, New York / London 1999. – Anderson, A.A., 2 Samuel, 1989 (Word Biblical Commentary). – Auld, A.G., I & II Samuel, 2011 (OTL). – Bar-Efrat, S., Das Zweite Buch Samuel, 2009 (BWANT 181). – Brueggemann, W., First and Second Samuel, 1990 (Interp.). – Budde, K., Die Bücher Samuel, 1902 (KHC 8). – Campbell, A.F., 2 Samuel 2005 (FOTL 8). – Caquot, A. / de Robert, P., Les livres de Samuel, 1994 (CAT 6). – Caspari, W., Die Samuel­ bücher, 1926 (KAT 7). – Cooper, D. / Lohrmann, M.J. (eds.), Reformation Commentary on Scripture. OT 5: 1–2 Samuel, 1–2 Kings, 1–2 Chronicles, Downers Grove, IL 2016. – Dietrich, W., Samuel. 1Sam 1–12, 2011 (BKAT VIII/1); 1Sam 13–26, 2015 (BKAT VIII/2); 1Sam 27 – 2Sam 8, 2019 (BKAT VIII/3); 2Sam 9–14, 2021 (BKAT VIII/4) – Firth, D.G., 1 & 2 Samuel, Not­ tingham 2009 (Apollos OT Commentary 8). – Fokkelman, J.P., Narrative Art and Poetry in the Books of Samuel. A Full Interpretation Based on Stylistic and Structural Analyses, I: King David (II Sam. 9–20 and I Kings 1.2), 1981 (SSN 20). – Franke, J.R. (ed.), Ancient Christian Commentary on Scripture: Joshua, Judges, Ruth, 1–2 Samuel, Downers Grove, Il 2005. – Gordon, R.P., I & II Samuel, Exeter 1986. – Hentschel, G., 2 Samuel, 1994 (NEB.AT). – Hertzberg, H.W., Die Samuelbücher, 31965 (ATD 10). – Jones, G.H., 1 and 2 Samuel, 2001 (The Oxford Bible Commentary), 196–232. – Klein, J., 1. und 2. Samuel, in: Erklärt – Der Kommentar zur Zürcher Bibel, Bd. 1, Zürich 2010, 604–737. – Magennis, F.T., First and Second Samuel, 2012 (New Collegeville Bible Commentary 8). – McCarter, P.K. jr., II Samuel, 1984 (AncB). – Schroer, S., Die Samuelbücher, 1992 (NSKAT

1* Literatur

Literatur 7). – Smith, H.P., A Critical and Exegetical Commentary on the Books of Samuel, Edinburgh 1898. – Stoebe, H.J., Das zweite Buch Samuelis, 1994 (KAT 13.1/2). – Stolz, F., Das erste und zweite Buch Samuel, 1981 (ZBK. AT 9). – Tsumura, D.T., The Second Book of Samuel 2019 (NICOT). – Van Wijk-Bos, J.W.H., Reading Samuel. A Literary and Theological Commen­ tary, Macon, GA 2011. 2.  Häufiger zitierte Nachschlagewerke ABD The Anchor Bible Dictionary, I–VI, ed. by D.N. Freedman et al., New York et al. 1992ff ANET/ANEP Ancient Near Eastern Texts / Pictures Relating to the Old ­Testament AOT Altorientalische Texte zum Alten Testament AuS Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina, Bde. 1–6, Gütersloh 1928–1939; Bd. 7, Hildesheim / New York 1971 BHH Biblisch-Historisches Handwörterbuch Bib. Al. Grillet, P. / Lestienne, M., La bible d’Alexandrie, 9.1, Premier livre des Règnes, Paris 1997 B.-L. Bauer, H. / Leander, P., Historische Grammatik der hebräi­ schen Sprache des Alten Testaments, Hildesheim 1962 BRL Biblisches Reallexikon EKL Evangelisches Kirchenlexikon Ges.-B. Gesenius, W. / Buhl, F., Hebräisches und Aramäisches Hand­ wörterbuch über das Alte Testament, Berlin u.a. 171962 Ges.-K. Gesenius, W. / Kautzsch, E., Hebräische Grammatik, Leipzig 271902 HAHAT Wilhelm Gesenius. Hebräisches und Aramäisches Handwör­ terbuch über das Alte Testament, Berlin u.a. 181987–2012 HAHE Handbuch der althebräischen Epigraphik, hg. von J. Renz / W. Röllig, Bde. 1–3, Darmstadt 1995 HALAT Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament HTAT Weippert, M., Historisches Textbuch zum Alten Testament, 2010 (GAT 10) Jo.-Mur. Joüon, P. / Muraoka, T., A Grammar of Biblical Hebrew, 1996 (SubBi 14/I+II) KAHAL Konzise und aktualisierte Ausgabe von HALAT, hg. von W. Dietrich / S. Arnet, Leiden 22019. LHBOTS Library of Hebrew Bible / Old Testament Studies LXX-D Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament, Bd. I, Genesis bis Makkabäer, Stuttgart 2011 NEAEHL The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land NBL Neues Bibel-Lexikon OEANE The Oxford Encyclopedia of Archeology in the Near East OLB Orte und Landschaften der Bibel RGG Religion in Geschichte und Gegenwart TAUIA  Tel Aviv University, Institute of Archaeology, Monograph Series TGI Galling, K. (Hg.), Textbuch zur Geschichte Israels, Tübingen 21968

2*

Literatur THAT ThWAT TRE TUAT

Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament Theologische Realenzyklopädie Texte aus der Umwelt des Alten Testaments

3.  Literatur zu Sprache und Textgeschichte Aptowitzer, V., Das Schriftwort in der rabbinischen Literatur I–V, Neudruck New York 1971. – Barthélemy, D., Critique textuelle de l’Ancien Testament, 1. Josué, Juges, Ruth, Samuel, Rois, Chroniques, Esdras, Néhémie, 1982 (OBO 50/1). – Cross, F.M. / Parry, D.W. / Saley, R.J. / Ulrich, E., Qumran Cave 4 XII. 1–2 Samuel, Oxford 2005 (DJD XVII). – Da Silva Pinto, L.P., The Beginning of the Kaige Section of 2 Samuel: Bib. 100 (2019) 14–33. – Driesbach, J.K., 4QSamuela and the Text of Samuel, 2016 (VT.S 171). – Dri­ ver, S.R., Notes on the Hebrew Text of the Books of Samuel, Oxford 1890, 21913. – Hugo, P. / Schenker, A. (Hg.), Archaeology of the Books of Samuel. The Entangling of the Textual and Literary History, Leiden 2010. – Joosten, J., The Verbal System of Biblical Hebrew. A New Synthesis Elaborated on the Basis of Classical Prose, Jerusalem 2012. – Meiser, M., Samuelseptuaginta und Targum Jonathan als Zeugen frühjüdischer Geistigkeit, in: M. Karrer / W. Kraus (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, 2008 (WUNT 219), 323–335. – Pisano, S., Additions or Omissions in the Books of Samuel. The Significant Pluses and Minuses in the Massoretic, LXX and Qumran Texts, 1984 (OBO 57). – Puech, E., Les manuscrits des Livres de Samuel dans les grottes 1 et 4 de Qumrân. 1Q7, 4Q51–52–53, l’apocryphe de Samuel – 4Q160 et l’apocryphe des Samuel-Rois – 6Q9: RB 126 (2019) 5–51. – Rofé, A., The Nomistic Correction in Biblical Manuscripts and its Occurence in 4QSama: RdQ 14 (1989/90) 247–259. – Van Staalduine-Sul­ man, E., The Targum of Samuel, Leiden 2002. – Sweete, H.B., An Introduc­ tion to the Old Testament in Greek, Cambridge 1914. – Tiktin, H., Kritische Untersuchungen zu den Büchern Samuelis, 1922 (FRLANT 16). – Tov, E. (ed.), The Hebrew and Greek Texts of Samuel, Jerusalem 1980. – Tsumura, D.T., Scribal Errors or Phonetic Spellings? Samuel as an Aural Text: VT 49 (1999) 390–411. – Ulrich, E., The Qumran Text of Samuel and Josephus, 1978 (HSM 19). – Wellhausen, J., Der Text der Bücher Samuelis, Göttin­ gen 1871. – Wirth, R., Die Septuaginta der Samuelbücher. Untersucht unter Einbeziehung ihrer Rezensionen, Göttingen 2016 (De Septuaginta Investi­ gationes 7). 4.  Literatur zu geographischen und archäologischen Fragen Aharoni, Y., Das Land der Bibel. Eine historische Geographie, NeukirchenVluyn 1984. – Dorsey, D.A., The Roads and Highways of Ancient Israel, 1991 (The ASOR Library of Biblical and Near Eastern Archaeology o.Nr.). – Fin­ kelstein, I. / Magen, Y., Archaeological Survey of the Hill Country of Ben­ jamin, Jerusalem 1993 (hebr./engl.) (= Benjamin Survey). – Finkelstein, I., Das vergessene Königreich. Israel und die verborgenen Ursprünge der Bibel, München 2014. – Finkelstein, I. / Lederman, Z. (eds.), Highlands of Many Cultures. The Southern Samaria Survey, 2 Vols. (TAUIA MS 14), Tel Aviv 1997 (= Ephraim Survey). – Finkelstein, I. / Silberman, N.A., David und Salomo. Archäologen entschlüsseln einen Mythos, München 2006. – Gass, E., Die Ortsnamen des Richterbuchs in historischer und redaktioneller Per­ spektive, 2005 (ADPV). – Timm, S. (Hg.), Eusebius III/1. Das Onomastikon

3*

Literatur der biblischen Ortsnamen, 2017 (GCS N.F. 24). – Weippert, H., Palästina in vorhellenistischer Zeit, München 1988 (Handbuch der Archäologie II/1). – Zwingenberger, U., Dorfkultur in der frühen Eisenzeit in Mittelpalästina, 2001 (OBO 180).

4*

Literaturnachträge zu den Bänden 1–4 Zu Bd. 1, S. 59*; Bd. 2, S. 5*; Bd. 3, S. 7* (Kommentare und Gesamtdarstellungen): Dietrich W., Die Samuelbücher heute lesen, Zürich 2022 (bibel heute lesen). – Kim, K., 1Samuel. A Pastoral and Contextual Commentary, Carlisle 2018 (Asia Bible Commentary Series). – Morrison, C.E., 2 Samuel, College­ ville 2013 (Berit Olam). Zu Bd. 1, S. 60*–61*; Bd. 2, S. 5*; Bd. 3, S. 7*; Bd. 4, S. 5* (Textgeschichte) Brauer, A., Das Alte Testament, erzählt von Arik Brauer. Mit 60 Zeichnun­ gen, Wien 2018. – Dietrich, W., Die Samuelbücher heute lesen, Zürich 2022, 111–129. – Elgvin, T., More on 1QSam and the Theory of Literary Growth. Response to Benjamin Ziemer: ZAW 133 (2021) 64–72. – Kauhanen, T. / Pes­ sao Da Silva Pinto, L, Recognizing Kaige-Readings in Samuel-Kings: Journal of Septuagint and Cognate Studies 53 (2020) 67–86. – Perttilä, E., Sahidic 1 Samuel – A Daughter Version of the Septuagint 1 Reigns, Göttingen 2017 (De Septuaginta Investigationes 8). – Porzig, P., David in the Desert. Beob­ achtungen an ausgewählten Qumrantexten, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 9–34. – Ziemer, B., A Critique of Torleif Elgvin’s Reconstructions of 1QSam: ZAW 133 (2021) 56–63. Zu Bd. 1, S. 61*–62*; Bd 2, S. 5*; Bd. 3, S. 8*; Bd. 4, S. 5* (Wirkungsgeschichte) Brauer, A., Das Alte Testament, erzählt von Arik Brauer. Mit 60 Zeichnungen, Wien 2018. – Dietrich, W. (Hg.), Samuelmusik. Die Rezeption des biblischen Samuel in Geschichte, Musik und Bildender Kunst, Berlin / Boston, MA 2021 (Studies of the Bible and Its Reception 19). – Dietrich, W., Die Samuel­ bücher heute lesen, Zürich 2022 (bibel heute lesen), 159–204. – Goswell, G., What Happened to the Empire of David?: ResQ 63 (2021) 144–160. – Junker, Y.A., Unsettling the Gaze. Bathsheba beyond Verse and Image, in: H.J. Hor­ nik / I. Boxall / B. Dykema (eds.), The Art of Biblical Interpretation. Visual Portrayals of Scripture Narratives, Atlanta, GA 2021 (Bible and Its Reception 3), 11–35. – Naumann, T., Rezension zu W. Dietrich (Hg.), Samuelmusik (s. oben): ThLZ 147 (2022) 930–932. – Shepherd, D.J. / Johnson, N.E., Bertolt Brecht and the David Fragments (1919–1921). An Interdisciplinary Study, 2020 (LHBOTS 699 / Scriptural Traces: Critical Perspectives on the Recep­ tion and Influence of the Bible 26). – Zawanowska, M. / Wilk, M. (eds.), The Character of David in Judaism, Christianity, and Islam. Warrior, Poet, Prophet and King, Leiden/Boston 2021 (Themes in Biblical Narrative 29). Zu Bd. 1, S. 62*–63*; Bd. 2, S. 6*; Bd. 3, S. 8*; Bd. 4, S. 5* (Archäologische Fragen) Petrovich, D., Connecting Khirbet Qeiyafa to the Proper Israelite King – Sauline or Davidic Fortress?: Journal for the Evangelical Study of the Old Testament 7 (2021) 82–118. Zu Bd. 1, S. 63*–65*; Bd. 2, S. 6*; Bd. 3, S. 9*; Bd. 4, S. 5*–6* (Geschichtliche Fragen) Dietrich, W., Die Samuelbücher heute lesen, Zürich 2022, 131–157. – Faust, Literaturnachträge

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Literaturnachträge A., The »United Monarchy« on the Ground. The Disruptive Character of the Iron Age I–II Transition and the Nature of Political Transformations, in: ders. / Y. Garfinkel / M. Mumcuoglu (eds.), State Formation Processes in the 10th Century BCE: Levant (Jerusalem Journal of Archaeology) (2021), 15–67. – Fleming, D.E., The Bible’s Little Israel. Terminological Clasts in a Compositional Matrix: (HeBAI 10 (2, 2021) 149–186. – Lipiński, E., David roi vu par l’historien: RB 128 (2021) 271–277. – Müllner, I., Das Geschlecht der Politik. Familie und Herrschaft in der dynastischen Monarchie, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 281–297. – Niesiolowski-Spanò, L., David in History and in the Hebrew Bible, in: M. Zawanowska / M. Wilk (eds.), The Character of David in Judaism, Christianity, and Islam. Warrior, Poet, Prophet and King, Leiden/Boston 2021 (Themes in Biblical Narrative 29), 19–40. – Pioske, D.D., David’s Jerusalem. Between Memory and History, New York 2015. – Ramants­ wana, H., Tribal Contentions for the Throne. A Culturally Enthused Suspi­ cious Reading of 1 Samuel 1–8, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 81–113. – Sergi, O., Rethinking Israel and the Kingdom of Saul, in: O. Lipschitz / Y. Gadot / M.J. Adams (eds.), Rethinking Israel, FS Israel Finkelstein, Winona Lake, IN 2017, 371–388. – Sergi, O., Narrative, Story, and History in the Biblical Tra­ ditions about the Formation of the Israelite Monarchy (1 Samuel 9–2 Samuel 5), in: L.J. Claassens / I. Fischer (eds.), Prophecy and Gender in the Hebrew Bible, Atlanta, GA 2021, 13–45. – Sergi, O., Saul, David und die Entstehung der Monarchie in Israel. Neubewertung des historischen und literarischen Kontexts von 1Sam 9–2Sam 5, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 35–64. Zu Bd. 1, S. 65*–66*; Bd. 2, S. 6*; Bd. 3, S. 9*–10*; Bd. 4, S. 6*–7* (Synchrone Betrachtung der Samuelbücher) Chapman, S.B., Worthy to Be Praised. God as a Character in Samuel, in: K. Bodner / B.J.M. Johnson (eds.), Characters and Characterization in the Book of Samuel, 2019 (LHBOTS 66), 25–41. – Dietrich, W., Die Samuelbücher heute lesen, Zürich 2022, 13–87. – Gilmour, R., Divine Violence in the Book of Samuel, New York 2021. – Gilmour, R., From Anxiety to Reverence. Fear of God’s Retribution/Violence in the Book of Samuel: WdO 51 (2021) 84–99. – Johnson, B.J.M., Character as Interpretive Crux in the Book of Samuel, in: K. Bodner / B.J.M. Johnson (eds.), Characters and Characterization in the Book of Samuel, 2019 (LHBOTS 66), 1–13. – Klein, J., Dynastiekritische Vor­ stellungen und das Königtum. Ein Blick auf die Samuelbücher, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 299–310. – Müllner, I., Gendered Politics. Dynastic Roles of Women in the Narratives about Saul, David, and Solomon, in: L.J. Claas­ sens / I. Fischer (eds.), Prophecy and Gender in the Hebrew Bible, Atlanta, GA 2021, 193–228. – Müllner, I., Between Narrator and Author. Observations on the Boundaries of the Book(s) of Samuel, in: S. Ammann / K. Pyschny / J. Rhyder (eds.) Authorship and the Hebrew Bible, Tübingen 2022, 175–192. – Naumann, T., Zwischen Ehre und Schande. Männliche Praktiken im Krieg – Beispiele aus den Königsüberlieferungen des Alten Testaments, in: A. Mül­ ler / H.R. Velten / R. Weber (Hg.), Zwischen Ehre und Schande. Praktiken und Narrative vormoderner Männlichkeiten, Heidelberg 2021, 35–57. – Oiry,

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Literaturnachträge B., Le temps qui compte. Construction et qualification du temps de l’histoire dans le récit des livres de Samuel (1 S 1 – 1 R 2), 2021 (BEThL 318). – Wilson, I.D., Remembering Kingship. Samuel’s Contributions to Postmonarchic Cul­ ture, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 63–80.  Zu Bd. 1, S. 67*; Bd. 2, S. 7*; Bd. 3, S. 10*; Bd. 4, S. 7* (Thronfolgegeschichte) Knapp, A., The Succession Narrative in Twenty-First-Century Research: CBR 19 (2021) 211–234. – Miller, V., A King and a Fool? The Succession Narrative as a Satire, Boston 2019 (Biblical Interpretation Series 179). Zu Bd. 1, S. 68*–69*; Bd. 2, S. 7*–8*; Bd. 3, S. 11*; Bd. 4, S. 7* (Samuel-SaulÜberlieferungen) Auld, A.G., David and His Alter Ego in the Desert, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 145–158. – Blischke, M.V., Der Geist Gottes im Alten Testament, 2019 (FAT 2.112). – Carlson, R., Unfamiliar Selves in the Hebrew Bible. Possession and Other Spirit Phenomena, Ber­ lin / Boston, MA 2022. – Lemardelé, C., In Search of a King. Saul and the Ark of God. Textual, Literary, and Ritual Elements in the Foundational Bib­ lical Story: ZAR 27 (2021) 311–328. – Naumann, T., Vom »prophetischen Geist erfüllt«: BiKi 2021, 62–70. – Sykora, J., The Unfavored. Judah and Saul in the Narratives of Genesis and 1 Samuel, University Park, PA 2018 (Siphrut 25). – White, M.C., »The History of Saul’s Rise«. Saulide State Propaganda in 1 Samuel 1–14, in: S.M. Olyan / R.C. Culley (eds.), A Wise and Discerning Mind, FS Burke O. Long, Providence, RI 2020 (Brown Judaic Studies 325), 271–292. Zu Bd. 1, S. 69*.195f; Bd. 2, S. 8*; Bd. 3, S. 11*; Bd. 4, S. 7*–8* (Lade-Überlieferungen) Enemali, M., Divine Presence in the Ark of the Covenant in 1 Samuel 4:1b– 7:1, in: C. Carvalho / J.L. McLaughlin (eds.), God and Gods in the Deutero­ nomistic History, Washington, DC 2021 (CBQ Imprints 2), 104–126. – Fin­ kelstein, I., et al., Excavations at Kiriath-jearim, 2019. Preliminary Report: Tel Aviv 48 (2021) 47–72. – Gilmour, R., Divine Violence in the Book of Samuel, New York 2021. – Lemardelé, C., In Search of a King. Saul and the Ark of God. Textual, Literary, and Ritual Elements in the Foundational Biblical Story: ZAR 27 (2021) 311–328. – Levin, Y., One Ark, Two Arks, Three Arks, More? The Many Arks of Early Israel, in: M. Lubetski / E. Lubetski (eds.), Epigraphy, Iconography and the Bible, Sheffield 2021, 43–64. Zu Bd. 1, S. 70*; Bd. 2, S. 8*; Bd. 3, S. 11*–12*; Bd. 4, S. 8* (David-Überlieferungen) Auld, A.G., David and His Alter Ego in the Desert, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 145–158. – Bezzel, H., Saul and David – Stages of Their Literary Relationship, in: ders. / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 159–180. – Bodi, D., The Four Wives of David and the Four Women of Odysseus, in: M. Zawanowska / M. Wilk (eds.), The Character of David in Judaism, Christianity, and Islam. Warrior, Poet, Prophet and King,

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Literaturnachträge Leiden/Boston 2021 (Themes in Biblical Narrative 29), 263–282. – Dietrich, W., Der Mann, mit dem Gott war. Kompositions- und quellenkritische Über­ legungen zur Darstellung des Aufstiegs Davids in den Samuelbüchern, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 127–144. – Edenburg, C., Wilderness, Liminality and David’s Rite of Passage, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 285–303. – Johnson, B.J.M., David. A Man after God’s Own Heart, Eugene, OR 2021. – Johnson, B.J.M., An Unapolo­ getic Apology. The David Story as a Complex Response to Monarchy, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monar­ chy, 2021 (BWANT 228), 225–241. – Kipfer, S., David – »Individualität« einer literarischen Figur, in: A. Wagner / J. van Oorschot (Hg.), Individualität und Selbstreflexion in den Literaturen des Alten Testaments, Leipzig 2017, 149– 181. – Naumann, T., »Der König weint«. Das öffentliche Weinen des Königs als Mittel politischer Kommunikation in alttestamentlichen Texten, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Responce to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 243–280. – Niu, Z., »The King lifted up his voice and wept«. David’s Mourning in the Second Book of Samuel, Rom 2013 (Tesi Gregoriana, Serie Theologia 200). – Schöning, B., Geschwisterlichkeit ler­ nen. Eine neue theologische Einschätzung der Aufstiegsgeschichte Davids, 2019 (BWANT 223). – Schücking-Jungblut, F., Macht und Weisheit. Untersu­ chungen zur politischen Anthropologie in den Erzählungen vom Absalom­ aufstand, 2020 (FRLANT 280). Zu Bd. 1, S. 73* und S. 196; Bd 2, S. 9*; Bd. 3, S. 12*; Bd. 4, S. 8*–9* (Philister) Stager, L.E. / Master, D.M. / Aja, A.J., Ashkelon 7. The Iron Age I, University Park, PA 2020. Zu Bd. 1, S. 12f; Bd. 2, S. 8*; Bd. 3, S. 13*; Bd. 4, S. 9* (1Sam 1,1–28; 2,11a) Aejmelaeus, A., Was Samuel Meant to Be a Nazirite? The First Chapter of Samuel and the Paradigm Shift in Textual Study of the Hebrew Bible: Tex­ tus 28 (2019) 1–20. – Blakey, M. Redeeming Peninnah. Exploring Issues of Power, Privilege and Victimhood in 1 Samuel 1 and 2, in: H. Paynter / M. Spalione (eds.), The Bible on Violence. A Thick Description, Sheffield 2020 (Bible in the Modern World 73), 130–145. – Nidhani De Andrado, P., Hannah’s Agency in Catalyzing Change in an Exclusive Hierarchy: JBL 140 (2021) 271–289. Zu Bd. 1, S. 65f; Bd. 2, S. 8f*; Bd. 3, S. 13*; Bd. 4, S. 9* (1Sam 2,1–10) Firth, D.G., Hannah’s Prayer as Hope for and Critique of Monarchy, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 23–37. Zu Bd. 1, S. 137f; Bd. 2, S. 9*; Bd. 3, S. 13f* (1Sam 3,1b – 4,1a) Willis, J.T., Crucial Dream and Vision Experiences in the Hebrew Bible: RestQ 64 (2022) 13–26. Zu Bd. 1, S. 195; Bd. 2, S. 9*; Bd. 3, S. 14*; Bd. 4, S. 9*–10* (1Sam 4,1b–22) Avioz, M., 1 Samuel 4 in Josephus’ Antiquities 5.355–362: JNSL 47 (2021) 1– 17.

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Literaturnachträge Zu Bd. 1, S. 249; Bd. 2, S. 9*; Bd. 4, S. 10* (1Sam 5,1 – 7,1) Gilmour, R., From Anxiety to Reverence. Fear of God’s Retribution and Vio­ lence in the Book of Samuel: WO 51 (2021) 84–99. – Hunziker-Rodewald, R., Images by and Images of Philistia. Winner and Loser Perspectives in 1 Samuel 5–6, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 39–61. Zu Bd. 1, S. 302; Bd. 2, S. 9*; Bd. 3, S. 14*; Bd. 4, S. 10* (1Sam 7,2–17) Levin, Y., »And There Was Peace between Israel and the Amorites« (1 Sam 7:14). A Biblical and Archaeological View on Israelites and Canaanites in the Shephelah in Late Iron Age I, in: A.M. Maeir / G.A. Pierce (eds.), To Explore the Land of Canaan, FS Jeffrey R. Chadwick, Berlin 2021 (Achaeology of the Biblical Worlds 4), 24–36. Zu Bd. 1, S. 333; Bd. 2, S. 9f*; Bd. 3, S. 14* (1Sam 8–12) Hutton, J., A Pre-Deuteronomistic Narrative Underlying the »Antimonarchic Narrative« (1 Sam 8; 10*; 12) and Its Reuse in Thomas Paine’s Common Sense, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 115–164. Zu Bd. 1, S. 339f; Bd. 2, S. 10*; Bd. 3, S. 14*, Bd. 4, S. 10* (1Sam 8,1–22) Launderville, D., Divine Accessibility. Negotiating the Landscape of Political Authority in 1 Samuel 8, in: C. Carvalho / J.L. McLaughlin (eds.), God and Gods in the Deuteronomistic History, Washington, DC 2021 (CBQ Imprints 2), 127–142. Zu Bd. 1, S. 479; Bd. 2, S. 10*; Bd. 3, S. 14*–15*; Bd. 4, S. 10* (1Sam 11) Polak, Frank H., A Note on Nahash. An Exegetic Stalemate and Language Usage in 4Q51 (4QSama) 10:6–9: Textus (2022) 1–15. Zu Bd. 1, S. 520; Bd. 2, S. 10*–11*; Bd. 3, S. 15* (1Sam 12) Gilmour, R., Divine Violence in the Book of Samuel, New York 2021. – Gil­ mour, R., From Anxiety to Reverence. Fear of God’s Retribution and Violence in the Book of Samuel: WO 51 (2021) 84–99. – Landau, E., The Expression (Ha)tov Ve(ha)yashar in the Hebrew Bible, and a Possible Connection with Ancient Greece: JBQ 49 (2021) 241–246. Zu Bd. 2, S. 11* und S. 57f; Bd. 3, S. 15* (1Sam 14,1–46) Kipfer, S., Conquering All the Enemies West, East, South, and North. Envi­ sioning Power in the Books of Samuel and the Ancient Near East, in: dies. / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 183–210. Zu Bd. 2, S. 11*.129–131; Bd. 3, S. 15*–16*; Bd. 4, S. 10* (1Sam 15) Gilmour, R., Divine Violence in the Book of Samuel, New York 2021. – Kug­ ler, G., Metaphysical Hatred and Sacred Genocide. The Questionable Role of Amalek in Biblical Literature: Journal of Genocide Research 23 (2020) 1–16. Zu Bd. 2., S. 248f; Bd. 3, S. 16* (1Sam 16,14–23) Jones, A., Was King Saul Choked by an Evil Spirit? A Study of pnivgw: BN 190 (2021) 59–67. – Margel, S., La possession démoniaque de Saül. Exorcisme,

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Literaturnachträge philosophie et médecine dans le Malleus maleficarum: RTP 153 (2021) 131– 148. Zu Bd. 2, S. 447f; Bd. 3, S. 17* (1Sam 19) Case, M.L., Michal the Giver and Michal the Taker. The Systematic Misogyny of the Davidic Court: BibInt online (2021) 1–19. – Goldstein, R., On a Redac­ tion Technique in 1 Sam 19:18–21:1, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 181–191. – Grütter, N., A Case of Extispicy, or: A Scandal in 1 Sam 19:11–17: RB 128 (2021) 27–60. Zu Bd. 2, S. 555f; Bd. 3, S. 17*; Bd. 4, S. 11* (1Sam 21,2 – 22,1a) Ehrlich, C.S., David and Achish. Remembrance of Things Past, Present, or Future?, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 235–248. – Hentschel, G., David’s Flight to the King of Gath, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 225–234. – Hutton, J., David and the Priests of Nob. Collusion or Illusion?, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 193–223. Zu Bd. 2, S. 12*.599f; Bd. 3, S. 18*; Bd. 4, S. 11*–12* (1Sam 22,1b–23) Hutton, J., David and the Priests of Nob. Collusion or Illusion?, in: H. Bez­ zel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 193–223. Zu Bd. 2, S. 654; Bd. 4, S. 12* (1Sam 23,1–28) Evron, N., »David Is Hiding among Us«. The Stories about David, Saul, and the Ziphites (1 Sam 23:19–24; 26:1), in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 267–284. – Müller, R., David in Keïla. Zur Literaturgeschichte von 1 Sam 23,1-13, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 249–266. Zu Bd. 2, S. 732–735; Bd. 3, S. 18*; Bd. 4, S. 12* (1Sam 25) Willi-Plein, I., Frauen und Macht im Alten Testament, in: P. Verebics / N. Moric / M. Köszhegy (Hg.), Ein pralles Leben, FS Jutta Hausmann, Leip­ zig 2017, 215–233. – Yap, T., Eye-Opening Dinners with a Dead Prophet, a Beauty, and a Witch. The Influence of Samuel in 1 Samuel 25 and 28 via the Motifs of Food and «Seeing.»: RestQ 63 (2021) 211–223. – Zion, N. / Zucker, D.J., Abigail and Abel’s Wise Woman. Comparisons and Contrasts: JBQ 49 (2021) 263–272. Zu Bd. 2, S. 800; Bd 4, S. 12* (1Sam 26) Fischer, A.A., Der Spieß wird umgedreht. Saul und David in 1 Samuel 26, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 305–330. Zu Bd. 3, S. 7; Bd. 4, S. 12* (1Sam 27,1 – 28,2) Ehrlich, C.S., David and Achish. Remembrance of Things Past, Present, or

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Literaturnachträge Future?, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 235– 248. – Hentschel, G., David’s Flight to the King of Gath, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 225–234. – Kipfer, S., The Land »from Telam on the way to Shur and on to the land of Egypt« (1 Sam 27). Some Remarks on a Disputed Territory, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 65–102. Zu Bd. 3, S. 18*–19*.29–32; Bd. 4, S. 12* (1Sam 28,3–25) Bar, S, Inquiring of the Dead: JBQ 49 (2021) 174–179. – Yap, T., Eye-Opening Dinners with a Dead Prophet, a Beauty, and a Witch. The Influence of Samuel in 1 Samuel 25 and 28 via the Motifs of Food and «Seeing.»: RestQ 63 (2021) 211–223. – Yap, T., (You’re) The Devil in Disguise. The Theme of Disguise in 1 Samuel and 1 Kings: ZAW 134 (2022) 2–14. In HebStud 62 (2021) 95–205 sind die Beiträge eines Symposiums über 1Sam 28 und verschiedene Aspekte der Wirkungsgeschichte des Kapitels veröffent­ licht. Zu Bd. 3, S. 94 (1Sam 29,1–11) Ehrlich, C.S., David and Achish. Remembrance of Things Past, Present, or Future?, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 235–248. – Hentschel, G., David’s Flight to the King of Gath, in: H. Bezzel / R.G. Kratz (eds.), David in the Desert. Tradition and Redaction in the »History of David’s Rise«, 2021 (BZAW 514), 225–234. Zu Bd. 3, S. 118f (1Sam 30,1–31) Münnich, M.M., The Sphere of David’s Influence during His Service to the Philistines (1 Sam 30:26-31): ZDPV 137 (2021) 29–59. Zu Bd. 3, S. 283 (Davids Aufstieg zum König einer Doppelmonarchie) Bezzel, H., Der »Saulidische Erbfolgekrieg« – Responses to Which Kind of Monarchy, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 165–181. Zu Bd. 3, S. 445–449; Bd. 4, S. 13*–14* (2Sam 5,1–12) Ben-Shlomo, D., The Iron Age Pottery of Jerusalem. A Typographical and Technological Study, Ariel 2019 (Ariel University Institute of Archaeology Monograph Series 2). – Pioske, D.D., David’s Jerusalem. Between Memory and History, New York 2015. – Steiner, M.L., The City of David as a Palimp­ sest, in: L. Niesiolowski-Spano / E. Pfoh (eds.), Biblical Narratives, Archaeology and Historicity, FS Thomas L. Thompson, London / New York 2020 (LHBOTS 680), 3–9. Zu Bd. 3, S. 536–540; Bd. 4, S. 14* (2Sam 6,1–23) Case, M.L., Michal the Giver and Michal the Taker. The Systematic Misogyny of the Davidic Court: BibInt online (2021) 1–19. – Finkelstein, I., et al., Excavations at Kiriath-jearim, 2019. Preliminary Report: Tel Aviv 48 (2021) 47–72. – Gilmour, R., Divine Violence and Divine Presence. Reading the

11*

Literaturnachträge Story of Uzzah and the Ark in 2 Samuel 6 with Slavoj Žižek: BibInt 27 (2019) 1–19. – Gilmour, R., From Anxiety to Reverence. Fear of God’s Retribution and Violence in the Book of Samuel: WO 51 (2021) 84–99. – SchroeterWittke, H., David Danced – Musikalische Spurensuche zu einer populären Szene, in: N.O. Eke / A. Strotmann (Hg.), Davidfigur und Opfermotiv. Jüdisch-christliche Transformationen, Paderborn 2019, 105–125. Zu Bd. 3., S. 610–615; Bd. 4, S. 14* (2Sam 7,1–29) Goswell, G., What Makes the Arrangement of God with David in 2 Samuel 7 a Covenant?: RestQ 60 (2018) 87–97. – Huffmon, H.B., The Tent and the Temple. Conception and Architectural Representation as Reflected in 2 Samuel 7, in: C. Carvalho / J.L. McLaughlin (eds.), God and Gods in the Deuteronomistic History, Washington, DC 2021 (CBQ Imprints 2), 160– 169. – Willis, T.M., The Text of II Samuel 7,13 and the Redaction of Nathan’s Oracle: ZAW 133 (2021) 160–173. – Willis, J.T., Crucial Dream and Vision Experiences in the Hebrew Bible: RestQ 64 (2022) 13–26. Zu Bd. 3, S. 696–698; Bd. 4, S. 14f* (2Sam 8,1–14) Kipfer, S., Conquering All the Enemies West, East, South, and North. Envi­ sioning Power in the Books of Samuel and the Ancient Near East, in: dies. / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 183–210. Zu Bd. 3, S. 737 (2Sam 8,15–18) De Regt, L.J., »And David’s Sons Were Priests.« Translating Perceived Discrepancies: BiTr 72 (2021) 278–281. Zu Bd. 4, S. 14–15 (2Sam 9,1–13) Geiger, M., Mefiboschet. Ein Königsenkel mit Behinderung im Game of Thrones, in: M. Geiger / M. Stracke-Bartholmai (Hg.), Behinderung – Theo­ logie – Kirche, Stuttgart 2018, 93–124. Zu Bd. 4, S. 90–95 (2Sam 11,2–25) Graybill, R., Texts after Terror. Rape, Sexual Violence, and the Hebrew Bible, London 2021. – Häusl, M., Women at the King’s Court. Their Political, Economic, and Religious Significance in the Accounts of the Former Prophets, in: L.J. Claassens / I. Fischer (eds.), Prophecy and Gender in the Hebrew Bible, Atlanta, GA 2021, 229–252. – Junker, Y.A., Unsettling the Gaze. Bathsheba beyond Verse and Image, in: H.J. Hornik / I. Boxall / B. Dykema (eds.), The Art of Biblical Interpretation. Visual Portrayals of Scripture Narratives, Atlanta, GA 2021 (Bible and Its Reception 3), 11–35. Zu Bd. 4, S. 197–201 (2Sam 12,1–25) Afoakwah, J.D., The Nathan-David Confrontation (2 Sam 12:1-15a). A Slap in the Face of the Deuteronomistic Hero?, Frankfurt/M. a.o., 2015. – Gilmour, R., Divine Violence in the Book of Samuel, New York 2021. – Lam­ bert, D.A., How Repentance Became Biblical. Judaism, Christianity, and the Interpretation of Scripture, New York 2016. – Naumann, T., Schuldverge­ bung inmitten des verursachten Leids. Der Fall König Davids: GPM 76 (2022) 423–429.

12*

Literaturnachträge Zu Bd. 4, S. 276–278 (2Sam 13,1–22) Gilmour, R., »But He Would Not Listen to Her«. Revisiting the Story of Tamar in 2 Samuel 13, in: M. Jyotsna Melanchthon / R.J. Whitaker (eds.), Terror in the Bible. Rhetoric, Gender, and Violence, Atlanta, GA 2021 (International Voices in Biblical Studies 14), 55–66. – Graybill, R., Texts after Terror. Rape, Sexual Violence, and the Hebrew Bible, London 2021. – Jones, M., Re-Iden­ tifying the Sexual Violence of the Bible. A Critical Reading of Past Commen­ tary and Its Support of Rape Myth within Christian Teaching, in: H. Paynter / M. Spalione (eds.), The Bible on Violence. A Thick Description, Sheffield 2020 (Bible in the Modern World 73), 261–281. Zu Bd. 4, S. 350–351 (2Sam 13,23–39) Seidl, T., Der junge Abschalom. Textstudie zu 2 Samuel 13,23–15,6, 2010 (ATSAT 90). Zu Bd. 4, S. 387–388 (2Sam 14,1–33) Seidl, T., Der junge Abschalom. Textstudie zu 2 Samuel 13,23–15,6, 2010 (ATSAT 90).

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2Sam 15–20

Davids Ringen mit Abschalom und die Folgen (2Sam 15–20) Alt, A., Die Staatenbildung der Israeliten in Palästina (1930), in: ders., Literatur Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, Bd. 3, München 31964, 1–65. – Aurelius, E., Davids Unschuld. Die Hofgeschichte und Psalm 7, in: M. Witte (Hg.), Gott und Mensch im Dialog, FS Otto Kaiser, 2004 (BZAW 345/1), 391–412. – Avioz, M., Divine Intervention and Human Error in the Absalom Narrative: JSOT 37 (2013) 339–347. – Avioz, M., Josephus’ Interpretation of the Books of Samuel, Bloomsbury 2015. – Bakon, S., Absalom’s Revolt: Dor le Dor 6 (1977/78) 118–125. – Bardtke, H., Erwägungen zur Rolle Judas im Aufstand des Absalom, in: H. Gese / H.P. Rüger (Hg.), Wort und Geschichte, FS Karl Elliger, 1973 (AOAT 18), 1–8. – Beek, M.A., David and Absalom. A Hebrew Tragedy in Prose?, in: M. Kessler (ed.), Voices from Amsterdam. A Modern Tradition of Reading Biblical Narrative, Atlanta, GA 1994 (Semeia Studies), 155–168. – Bietenhard, S.K., Des Königs General. Die Heerführertraditionen in der vorstaatlichen und frühen staatlichen Zeit und die Joabgestalt in 2 Sam 2–20; 1 Kön 1–2, 1998 (OBO 163). – Blum, E., Ein Anfang der Geschichtsschreibung? Anmerkungen zur sog. Thronfolgegeschichte und zum Umgang mit Geschichte im Alten Israel, in: A. de Pury / T. Römer (Hg.), Die sogenannte Thronfolgegeschichte Davids. Neue Einsichten und Anfragen, 2000 (OBO 176), 4–37. – Bodner, K., The Rebellion of Absalom, London 2014. – Brueggemann, W., On Trust and Freedom. A Study of Faith in the Succession Narrative: Interp. 26 (1972) 3–19. – Caspari, W., Literarische Art und historischer Wert von 2Sam. 15–20: ThStKr 82 (1909) 317–348. – Cohen, M.A., The Rebellions during the Reign of David. An Inquiry into Social Dynamics in Ancient Israel, in: C. Berlin (ed.), Studies in Jewish Bibliography History and Literature, FS I. Edward Kiev, New York 1971, 91–112. – Conroy, C., Absalom Absalom! Narrative and Language in 2 Sam 13–20, 1978 (AnBib 81). – Crüsemann, F., Der Widerstand gegen das Königtum. Die antiköniglichen Texte des Alten Testamentes und der Kampf um den frühen israelitischen Staat, 1978 (WMANT 49). – Dietrich, W., Das Ende der Thronfolgegeschichte (2000), in: ders., Von David zu den Deuteronomisten, 2002 (BWANT 156), 32–57. – Dietrich, W., Die Fünfte Kolonne Davids beim Abschalom-Aufstand, in: ders. (Hg.), Seitenblicke. Literarische und historische Studien zu Nebenfiguren im zweiten Samuelbuch, 2011 (OBO 249), 91–120. – Dietrich, W., Stefan Heyms Ethan ben Hoshaja und der Erstverfasser der Samuelbücher, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 3–38. – Dietrich, W., Israelite State Formation and Early Monarchy in History and Biblical Historiography, in: B.D. Kelle / B.A. Strawn (eds.), The Oxford Handbook of the Historical Books of the Hebrew Bible, Oxford 2020, 94–108. – Fischer, A.A., Flucht und Heimkehr Davids als integraler Rahmen der Abschalomerzählung, in: R. Lux (Hg.), Ideales Königtum, 2005 (ABIG 16), 43–69. – Gilmour, R., Divine Violence in the Book of Samuel, New York 2021. – Grossmann, J., The Design of the »Dual Causality« Principle in the Narrative of Absalom’s Rebellion: Bib. 88 (2007) 558–566. – Gunn, D.M., From Jerusalem to the Jordan and Back. 2Sam 15–20

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2Sam 15–20 Symmetry in 2 Samuel XV–XX: VT 30 (1980) 109–113. – Hagan, H., Deception as Motif and Theme in 2 Sm 9–20; 1 Kgs 1–2: Bib. 60 (1979) 301–326. – Hutton, J., The Transjordanian Palimpsest. The Overwritten Texts of Personal Exile and Transformation in the Deuteronomistic History, 2009 (BZAW 396). – Hutton, J., Over the River and through the Woods. Historical and Narrative Geography in 2 Samuel 18, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 105–128. – Johnson, N.C., The Passion according to David. Matthew’s Arrest Narrative, the Absalom Revolt, and Militant Messianism: CBQ 80 (2018) 247–272. – Joüon, P., Notes philologiques sur le texte hébreu de 2 Samuel: Bib. 9 (1928) 302–315. – Kim, J.-H., Zur Textgeschichte von Sam-Kön anhand Sam 15,1–19,9, in: M. Karrer / W. Kraus (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, 2008 (WUNT 219), 353– 368. – Kim, J.-H., Die hebräischen und griechischen Textformen der Samuelund Königebücher. Studien zur Textgeschichte ausgehend von 2Sam 15,1– 19,9, 2009 (BZAW 394). – Kipfer, S., Der bedrohte David. Eine exegetische und rezeptionsgeschichtliche Studie zu 1Sam 16 – 1Kön 2, Berlin/Boston 2015 (Studies of the Bible and Its Reception 3). – Knauf, E.A., The Queens’ Story. Bathsheba, Maacah, Athaliah and the »Historia of Early Kings«: Lectio Difficilior 2 (2002), s. http://www.lectio.unibe.ch/02_2/axel.htm. – Kratz, R.G., Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments, Göttingen 2000. – Ku, C.-Y., Weisheit in der Thronfolgegeschichte Davids. Eine literarkritische und literaturwissenschaftliche Untersuchung der Weisheitsdarstellung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Ironisierung, Kamen 2009 (Kleine Arbeiten zum Alten und Neuen Testament 9). – Langlamet, F., Ahitofel et Houshaï. Rédaction prosalomonienne en 2 Sam 15–17?, in: Y. Avishur / J. Blau (eds.), Studies in the Bible and the Ancient Near East, FS Samuel Ephraim Loewenstamm, Jerusalem 1978, 57–90. – Langlamet, F., David et la maison de Saül. Les épisodes »benjaminites« de II Sam., IX; XVI, 1–14; XIX, 17–31, I Rois, II, 36–46: RB 86 (1979) 194–219.385–436.481–519; RB 87 (1980) 161–210; RB 88 (1981) 321–332. – Leonard-Fleckman, M., The House of David. Between Political Formation and Literary Revision, Minneapolis, MN 2016. – Mann, S.T., Run, David, Run! An Investigation of the Theological Speech Acts of David’s Departure and Return (2 Samuel 14–20), Winona Lake, IN 2013 (Siphrut. Literature and Theology of the Hebrew Scriptures 10). – McLaughlin, J.L., Collateral Damage. Divine Punishment of Others for David’s Sins, in: C. Carvalho / J.L. McLaughlin (eds.), God and Gods in the Deuteronomistic History, Washington, DC 2021 (CBQ Imprints 2), 143--159. – Miller, V., A King and a Fool? The Succession Narrative as a Satire, Leiden/Boston 2019 (Biblical Interpretation Series 179). – Naumann, T., Abschalom – Aspekte seines literarischen Porträts, in: W. Dietrich (Hg.), Seitenblicke. Literarische und historische Studien zu Nebenfiguren im zweiten Samuelbuch, 2011 (OBO 249), 314–330. – Naumann, T., Abschalom und die »Kinderzucht«. Spuren christlicher Abschalomrezeption in erzieherischer Absicht in Quellen des 15.–19. Jahrhunderts, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 565–580. – Naumann, T., »Der König weint« – Das öffentliche Weinen des Königs als Mittel politischer Kommunikation in alttestamentlichen Texten, in: S. Kipfer / J. Hutton (eds.), The Book of Samuel and Its Response to Monarchy, 2021 (BWANT 228), 243–280. – Newkirk, M., Just Deceivers. An Exploration of the Motif of

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2Sam 15–20 Deception in the Books of Samuel, Eugene, OR 2015. – Polzin, R.M., David and the Deuteronomist. A Literary Study of the Deuteronomic History, Part Three – 2 Samuel, San Francisco 1993. – Polzin, R., Curses and Kings. A Reading of 2 Samuel 15–16, in: J.C. Exum / D.J.A. Clines, The New Literary Criticism and the Hebrew Bible, 1993 (JSOT.S 143) 201–226. – Rudnig, T.A., Davids Thron. Redaktionsgeschichtliche Studien zur Geschichte von der Thronnachfolge Davids, 2006 (BZAW 358). – Sacon, K.K., A Study of the Literary Structure of »The Succession Narrative«, in: T. Ishida (ed.), Studies in the Period of David and Solomon and Other Essays, Winona Lake, IN 1982, 27–54. – Sanders, S.L., Absalom’s Audience (2 Samuel 15–19): JBL 138 (2019) 513–536. – Schley, D.G., Joab and David. Ties of Blood and Power, in: D.J.A. Clines / P.R. Davies (eds.), History and Interpretation, FS John H. Hayes, 1993 (JSOT.S 173), 90–105. – Schücking-Jungblut, F., Political Reasons for the Success and Failure of Absalom’s Rebellion (2 Sam 15–19): VT 68 (2018) 463–474. – Schücking-Jungblut, F., Macht und Weisheit. Untersuchungen zur politischen Anthropologie in den Erzählungen vom Absalomaufstand, 2020 (FRLANT 280). – Seidl, T., Der junge Abschalom. Textstudie zu 2 Samuel 13,23–15,6, 2010 (ATSAT 90). – Seiler, S., Die Geschichte von der Thronfolge Davids, 1998 (BZAW 267). – Sergi, O., The United Monarchy and the Kingdom of Jerobeam II in the Story of Absalom and Sheba’s Revolts (2 Samuel 15–20): Hebrew Bible and Ancient Israel 6 (2017) 329– 353.  – Smith, R.G., The Fate of Justice and Righteousness during David’s Reign. Rereading the Court History and Its Ethics according to 2 Samuel 8:15–20:26, New York / London 2009 (LHBOTS 508). – Stansell, G., Honor and Shame in the David Narratives: Semeia 68 (1994) 55–79. – SuchanekSeitz, B., So tut man nicht in Israel. Kommunikation und Interaktion zwischen Frauen und Männern in der Erzählung von der Thronnachfolge Davids, 2006 (Exegese in unserer Zeit 17). – Tushima, C.T.A., The Fate of Saul’s Progeny in the Reign of David, Eugene, OR 2011. – Van Seters, J., The Biblical Saga of King David, Winona Lake, IN 2009. – Veijola, T., Die ewige Dynastie. David und die Entstehung seiner Dynastie nach der deuteronomistischen Darstellung, 1975 (AASF.B 193). – Veijola, T., David und Meribaal, in: ders., David. Gesammelte Studien zu den Davidüberlieferungen des Alten Testaments, Helsinki/Göttingen 1990, 58–83. – Vermeylen, J., La loi du plus fort. Histoire de la rédaction des récits davidiques de 1 Samuel 8 à 1 Rois 2, 2000 (BEThL 154). – Weingreen, J., The Rebellion of Absalom: VT 19 (1969) 263–266. – Weitzman, S., David’s Lament and the Poetics of Grief in 2 Samuel: JQR 85 (1995) 341–360. – West, G.O., Interrogating Ahithophel. Intersecting Gender and Class in Biblical Text and South African Context, in: M. Jyotsna Melanchthon / R.J. Whitaker (eds.), Terror in the Bible. Rhetoric, Gender, and Violence, Atlanta, GA 2021 (International Voices in Biblical Studies 14), 177--199. – Westbrook, A.D., »And He Will Take Your Daughters …«. Woman Story and the Ethical Evaluation of Monarchy in the David Narrative, London 2015 (LHBOTS 610). – Whitelam, K.W., The Just King. Monarchical Judicial Authority in Ancient Israel, 1979 (JSOT.S 12). – Würthwein, E., Die Erzählung von der Thronfolge Davids – theologische oder politische Geschichtsschreibung?, 1974 (ThSt[B] 115). – Zach, M., Die Ambivalenz des David-Bildes in II Sam 9–20; I Kön 1+2, Oldenburg 2006 (Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien 19).

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2Sam 15–20

2Sam 15–20 ist der letzte Abschnitt der David-Vita in den Samuelbüchern. Ein weiterer (und der eigentlich abschließende) folgt dann in den Königsbüchern: Davids Ablösung durch seinen Sohn und Nachfolger Salomo (1Kön 1–2). Ursprünglich standen diese beiden Abschnitte unmittelbar hintereinander, doch jetzt schiebt sich zwischen sie ein sog. »Anhang« zu den Samuelbüchern (2Sam 21–24): eine Sammlung formal und inhaltlich heterogener Texte, die, aus welchen Gründen auch immer, in den Hauptstrang der Darstellung keinen Eingang gefunden haben. Am Anfang von 2Sam 15 bahnt sich die wohl schwerste Krise in der Regierungszeit Davids an – der Prinz Abschalom holt aus zum letalen Schlag gegen seinen Vater und dessen Herrschaft –, am Ende von 2Sam 20 scheint diese Krise beigelegt, das davidische Staatsschiff wieder auf Kurs gebracht. 1.  Synchrone Betrachtung In synchroner Perspektive bieten die Kapitel 2Sam 15–20 eine eng verkettete Handlungsfolge, in der ein Ereignis sich aus dem anderen ergibt. Eigentlich liegt der Auftakt zu dem Geschehen bereits in den beiden vorangehenden Kapiteln, 2Sam 13–14. Dort erscheint zwar zunächst Davids Erstgeborener, Amnon, als Hauptprotagonist, doch wird schon im allerersten Vers als erster Name derjenige Abschaloms genannt, des Zweitgeborenen (13,1); er ist die Hauptfigur der folgenden Kapitel und wird zum Antipoden Davids. Er hat eine »schöne Schwester«, auf die Amnon ein Auge geworfen hat – woraus sich ein schauriger Prozess von brutaler Vergewaltigung und kaltblütigem Brudermord ergibt. Als über diese Verbrechen einigermaßen Gras gewachsen ist, kehrt der ins Exil geflüchtete Abschalom nach Jerusalem zurück, von David zuerst kaltgestellt, dann aber doch rehabilitiert. Damit ist die Basis gelegt für das Folgende: Der gekränkte und ehrgeizige Abschalom beginnt mit subversiver Arbeit gegen seinen Vater, lässt sich schließlich zum König ausrufen und stürzt das Land in einen blutigen Bürgerkrieg. David rettet seine Haut (und das Leben seiner Gefolgschaft) durch Flucht über den Jordan, nicht ohne in Jerusalem eine Fünfte Kolonne zu installieren. Der von Abschalom entfachte Sturm verliert an Tempo, David kann die ihm verbliebenen Kräfte im Ostjordanland konsolidieren. In der Entscheidungsschlacht unterliegt Abschaloms Milizheer den Berufstruppen Davids, Abschalom kommt auf elende Weise ums Leben, David betrauert ihn, leitet aber alsbald zielstrebig seine Rückkehr an die Macht in die Wege. Im Norden flackert noch einmal Widerstand auf, doch Joab gelingt die Enthauptung auch dieser Rebellion bzw. ihres Anführers, Scheba ben Bichri. Am Ende steht eine Ministerliste, ganz ähnlich derjenigen, die in 2Sam 8,16–18, vor Beginn aller Turbulenzen, dargeboten wurde.

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Alles scheint wieder in Ordnung, doch der David von jetzt ist nicht mehr der von damals. Er hat nicht nur seine beiden ältesten Söhne, die geborenen Thronfolger, verloren, sondern auch sein Ansehen als charismatischer, allseits anerkannter Führer; er war eine Zeitlang vom Thron gestoßen und ist nur mit Mühe auf ihn zurückgekehrt. Zweimal hat er das eigene Volk mit Waffengewalt unterworfen – etwas, das sonst nur Tyrannen tun. Entsprechend gehört zu seinen engsten Vertrauten fortan ein Fronminister. Der so glanzvoll aufgestiegene David hat viel von seinem Glanz verloren. Doch David ist nur einer von vielen wichtigen Protagonisten. Was die Charakterzeichnung in 2Sam 15–20 anlangt, fällt auf, dass keine einzige Figur nur düster oder nur licht dargestellt wird. Vielmehr lässt sich durchgehend eine ambivalente Figurenpräsentation beobachten. Um noch einmal auf David zurückzukommen: Er verliert an Glanz, ja, doch ist er kein schlechter Mensch, zeigt vielmehr neben schlechten oder fragwürdigen auch achtenswerte und gute Eigenschaften. Als von Abschalom zur Flucht Gezwungener und als um den toten Sohn Trauernder weckt er Mitleid. Er beugt sich der harten Hand Gottes (z.B. 15,26; 16,11f), tut aber alles dafür, nicht zu hart getroffen zu werden (etwa durch die Installation einer Fünften Kolonne in Abschaloms Umfeld). Er sucht seinen rebellischen Sohn zu warnen (in Gestalt der zurückgelassenen Nebenfrauen) und zu schonen (durch entsprechenden Befehl an seine Kommandeure), scheitert aber damit. Er nimmt keine Rache an Gegnern (Schimi, vielleicht auch Meribaal) und zeigt sich generös gegen Unterstützer (Ittai, Barsillai, Kimham). Er will den übermächtigen General Joab loswerden (durch die Ernennung Amasas und Abischais), doch gelingt ihm das nicht. Er sucht sich listig zurück an die Macht zu bringen, findet jedoch speziell in Nordisrael keine Gegenliebe. Er möchte die Geschehnisse bestimmen, wird jedoch ein ums andere Mal von ihnen überrollt. Sein General Joab ist ihm einerseits absolut treu und loyal ergeben, ist andererseits aber ein bedenkenloser Mörder (Abschalom, Amasa). Joab ist ebenso unentbehrlich wie unerträglich. Sein Kontrahent Amasa, eigentlich Abschaloms Heerführer, lässt sich nach dessen Tod ohne weiteres von David anheuern, agiert nicht zu dessen Zufriedenheit und wird zu einem bedauernswerten Mordopfer. Von den Sauliden Schimi und Meribaal hätte man kaum erwartet, dass sie zu David halten; den einen kann man für seinen Mut fast bewundern, mit dem er David seine Feindschaft kundtut, beim andern kann man die wahre Haltung gegenüber David kaum durchschauen. Dass sich beide am Ende dem siegreichen König unterwerfen, ist ihnen nicht zu verdenken. Der alte Barsillai hat sich als Freund Davids erwiesen, aber so weit geht die Freundschaft nicht, dass er mit dem König nach Jerusalem ziehen und dort

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von ihm abhängig werden will. Der Benjaminit Scheba will die Loslösung der Nordstämme vom davidischen Reich – ist ihm das zu verargen? Anscheinend ruft er nicht einmal zu Gewalt auf, was ihn aber vor der entschlossenen Verfolgung durch Davids Truppen und vor der schließlichen Hinrichtung durch die Bürger von Abel-bet-Maacha nicht schützt. Die dort lebende »weise« Frau rettet durch wohlerwogene Worte und Taten ihre Stadt, lässt aber einen Mann über die Klinge springen, der in ihr Zuflucht gesucht hat. Niemand von all diesen (und noch anderen) Akteuren ist nur böse oder nur gut; alle haben sie Licht- und Schattenseiten, was die Erzählung enorm lebendig und lebensnah macht. 1 Der Abschnitt 2Sam 15–20 zeichnet sich durch eine Reihe literarischer Kunstmittel aus. PDFChiasmen 1a: S. 6 erkennen. Teilweise umfasZunächst lassen sich mehrere sen sie die gesamte Kapitelfolge. Conroy (Absalom 89) gliedert den Abschnitt so: A Rebellion breaks out: 15,1–12 B The king’s flight; meeting scenes: 15,13 – 16,14 C Clash of counsellors: 16,15 – 17,23 C’ Clash of armies: 17,24 – 19,9 B’ The king’s return; meeting scenes: 19,9–41 A’ The king returns to Jerusalem, and the final stirrings of rebellion are crushed: 19,42 – 20,22. Die Suggestivkraft, die von dieser Grafik ausgeht, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich A und A’ kaum entsprechen und dass auch C und C’ nicht wirklich vergleichbar sind. Gleichwohl bleibt richtig, dass das Ganze mit einem (Anfangs-)Erfolg Abschaloms beginnt und mit einem (Schluss-) Erfolg Davids endet. Am meisten Überzeugungskraft besitzt das Paar B und B’ – zumal sich in seinem Rahmen noch ein kleinerer, ganz unbezweifelbarer Chiasmus findet: A David trifft Meribaals Knecht Ziba: 16,1–4 B David trifft Schimi ben Gera: 16,5–13 B’ David trifft Schimi ben Gera: 19,17–24 A’ David trifft Meribaal: 19,25–31 Diese Aufstellung lässt sich vielleicht noch etwas erweitern, wobei freilich der große Mittelteil, in dem es um die Schlacht »im Wald Efraim« geht (17, 24 – 19,16), ausgespart bleibt: A Der aus Jerusalem fliehende David findet Unterstützung: 15,13–37 B David begegnet Meribaals Knecht Ziba: 16,1–4 C David begegnet Schimi ben Gera: 16,5–13 D Ahitofel und Huschai kommen zu Abschalom: 16,14–18 E Ahitofel berät Abschalom gegen David: 16,19 – 17,4

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PDF 1b: S. 7

2Sam 15–20 E’ Huschai berät Abschalom (falsch) und David (richtig): 17,5–22 D’ Ahitofel verlässt Abschalom und erhängt sich: 17,23 C’ David begegnet Schimi ben Gera: 19,17–24 B’ David begegnet Meribaal: 19,25–31 A’ Der nach Jerusalem zurückkehrende David findet Unterstützung: 19,32–41 Ein leicht anderes Modell hat Sacon entwickelt (Study 34, referiert bei Fischer, Flucht und Heimkehr 47): A

The Passing of David’s party: 15,18 B₁ David’s meeting with loyal and sincere persons (Ittai, Zadok, Huschai): 15,19–37a B₂ David’s meeting with insincere and disloyal persons (Ziba, Shimi): 15,37b – 17,23 B₃ Formation of the front: 17,24–29 C David’s reign in exile: 18,1 – 19,9 B₃’ Discord between Israel and Judah: 19,10–16a B₂’ David’s meeting with Ziba and Shimi: 19,16b–24 B₁’ David’s meeting with sincere persons (Meribaal, Barsillai): 19,25–39 A’ The passing of Davids party: 19,40f

Hier entsprechen sich manche Glieder kaum (etwa B₃ und B₃’), und auch hier ist der Mittelteil, in diesem Fall 18,1 – 19,9, faktisch ausgespart. Den am weitesten reichenden, Kap. 15–20 insgesamt übergreifenden Chiasmus meint Gunn1 zu erkennen:

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A 15,16f: die zurückgelassenen Konkubinen B 15,18–22: der zu David haltende Ittai C 15,24–29: die Priester Zadok und Abjatar D 15,32–37: Davids Freund Huschai E 16,1–4: David, Meribaal und Ziba F 16,5–13: der David beschimpfende Schimi G 16,14: die Ankunft am Jordan G’ 19,16: die Rückkehr zum Jordan F’ 19,17–24: der David sich unterwerfende Schimi E’ 19,25–31: David, Meribaal und Ziba D’ 19,32–41: Davids Freund Barsillai C’ … B’ 20,1–22: der von David abgefallene Scheba ben Bichri A’ 20,3: die wieder vorgefundenen Konkubinen 1

Erstaunlicherweise sieht Gunn zu dem Stück C (der Austausch des aus Jerusalem fliehenden David mit den Priestern Zadok und Abjatar) kein Gegenstück C’, was ihn, der sonst jeder Literarkritik abhold ist, vermuten 1  Vgl. Gunn, From Jerusalem to the Jordan 109–112.

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2Sam 15–20 lässt, C könne eine »redactional insertion« sein (111). Dabei treten Zadok und Abjatar bei der Rückkehr Davids durchaus in Erscheinung – nur nicht ganz an der vermuteten Stelle, sondern in 2Sam 19,12; gar so sklavisch haben die Autoren die Reihenfolge der Einzelepisoden offenbar nicht eingehalten. Wichtiger ist, was Gunn in der Folge wahrnimmt: Die chiastische Struktur lasse etwas anderes erwarten als das, was dann eintritt. Der Leser denke, dass David vom Höhepunkt zu einem Tiefpunkt und wieder zurück zum Höhepunkt schreite. Dies sei aber nicht der Fall: Das Wieder-Vorfinden der Konkubinen in A’ sei keineswegs das glückliche Ende ihrer Zurücklassung in A; einem Freund in B stehe ein Feind in B’ gegenüber; nach D habe Huschai widerspruchslos das getan, was David wünschte, während sich Barsillai in D’ seinem Wunsch verweigere; Meribaals Auftritt in E’ lasse Davids Urteil in E als höchst fragwürdig erscheinen, kurzum: »The narrative of the return … has something of an undercurrent of deterioration … David’s return is far from triumphal« (113). Dies ist in 7 der Tat bedenkenswert. Wer will, kann auch die in den voranstehenden Modellen regelmäßig ausPDF 2: S. 7 unten gesparte Erzählung von der Schlacht im »Wald Efraim« spiegelbildlich aufgebaut finden: A David und Abschalom bereiten sich auf die Schlacht vor: 17,24 – 18,5 B Abschalom verliert die Schlacht und sein Leben: 18,6–18 B’ David erfährt von Abschaloms Tod und trauert: 18,19 – 19,9 A’ David bereitet seine Rückkehr an die Macht vor: 19,9–16

Mag man einzelne Entscheidungen innerhalb der eben vorgetragenen Modelle auch problematisch finden, so kann man doch nicht grundsätzlich bezweifeln, dass die Kap. 15–20 insgesamt wie auch einzelne Teile daraus chiastisch strukturiert sind. Es kommen in diesem Abschnitt der Samuelbücher aber noch weitere literarische Kunstmittel hinzu. Das Erzählganze folgt einem klar erkennbaren geographischen Muster – man könnte geradezu von einem eingewebten Itinerar sprechen. Abschalom bereitet den Aufstand in Jerusalem vor (15,1–6) und löst ihn in Hebron aus (15,7–12). David flieht aus Jerusalem ostwärts, zunächst bis zum Jordan (16,1–14). Abschalom zieht in Jerusalem ein und entfaltet dort seine Aktivitäten (16,1 – 17,14). Die Fünfte Kolonne bringt David Nachrichten aus Jerusalem an den Jordan, woraufhin er diesen überschreitet (17,15–22). Abschaloms Chefberater Ahitofel kehrt aus Jerusalem in seinen Heimatort Gilo zurück, um dort seinem Leben ein Ende zu setzen (17,23). David kommt nach Mahanajim in Gilead (17,24a). Abschalom überquert den Jordan, sein neuer Heerführer Amasa bringt seine Truppen nach Gilead (17,24b–26). David wird in Mahanajim von ostjordanischen Notabeln unterstützt (17,27–29). Vor der Stadt weist er seine Truppen in die bevorstehende Schlacht ein (18,1–5). Diese findet im »Wald Efraim« statt, wo Abschalom zu Tode kommt und verscharrt wird (18,6–17). In Jerusalem indes erinnert eine Mazzebe an ihn (18,18). Boten bringen vom Schlacht-

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feld Nachricht zu David nach Mahanajim, wobei einer ausdrücklich den Weg über die Jordansenke nimmt (18,19–32). David zieht sich zum Trauern in ein Gemach über dem Stadttor zurück, wird dort von Joab zurechtgewiesen und nimmt schließlich vor dem Tor die Parade der siegreichen Truppen ab (19,1–9ab). Noch in Mahanajim bereitet David seine Rückkehr nach Jerusalem vor, indem er sich Zwistigkeiten zwischen Israeliten und Judäern zunutze macht; dann zieht er an den Jordan (19,9ag–16). Vor der Flussüberquerung hat er Unterredungen mit Schimi, Meribaal und Barsillai (19,17–40). Dann überschreitet er den Jordan, an dessen Westufer es zu weiteren Streitigkeiten zwischen Israeliten und Judäern kommt (19,41–44) und Scheba seine Sezessionsparole ausgibt (20,1f). David, zurück in Jerusalem, ordnet zunächst die Internierung der dort zurückgelassenen Nebenfrauen an (20,3), um dann Amasa den Befehl zu erteilen, binnen drei Tagen mit dem judäischen Heerbann bei ihm zu erscheinen, was aber nicht geschieht, woraufhin David Abischai mit den Berufstruppen losschickt (20,4–7). Anschließend verlagert sich die Handlung für kurze Zeit über Gibeon nach Abel-bet-Maacha, hoch im Norden (20,8–21), ehe sie, mit dem Vollzug meldenden Joab, nach Jerusalem zurückkehrt (20,22). Die abschließend aufgeführten Minister haben ihren Amtssitz natürlich in Jerusalem (20,23–26). Der Erzähler-Standort wechselt regelmäßig zwischen den beiden Antipoden David und Abschalom hin und her, wobei deren Standortwechsel jeweils mitvollzogen werden. Dieses literarische Kunstmittel ist schon öfter beobachtet worden: »Der Verfasser … baut die Erzählung … aus zwei parallelen Handlungsfäden auf, zwischen denen er hin und her wechselt«2. In der Tat: Abschalom zettelt einen Aufstand an (15,1–12)   David reagiert mit dem Rückzug aus Jerusalem (15,13 – 16,14) Abschalom hält in Jerusalem Kriegsrat (16,15 – 17,21)   David entweicht über den Jordan (17,22) Abschaloms Berater Ahitofel nimmt sich das Leben (17,23)   David setzt sich in Mahanajim fest (17,24a) Abschalom bereitet den Entscheidungskampf vor (17,24b–26)   David bereitet den Entscheidungskampf vor (17,27 – 18,5) Abschalom verliert die Schlacht und sein Leben (18,6–18)   David erfährt vom Tod seines Sohnes und beklagt ihn (18,19 – 19,1)

So stellt sich der Eindruck einer Art von »Reißverschlussverfahren« ein, ersonnen von einem ungemein sorgfältigen Erzähler (oder deren mehreren). 2  Bar-Efrat II 152. Dies gilt jedenfalls so lange, wie Abschaloms Ringen mit seinem Vater anhält; nach Abschaloms Tod endet die Verzahnung selbstverständlich.

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Was David in 2Sam 15–19 erlebt, lässt sich als eine Leidensgeschichte, als »Passion«, begreifen. Nirgendwo sonst in den Davidgeschichten muss er so tief hinuntersteigen wie hier: topographisch aus dem hochgelegenen Jerusalem ins Kidrontal und noch weiter zum Jordan, metaphorisch aus einer gesicherten Position in die Abgründe des Verraten- und Verhöhntwerdens, am Ende in die namenlose Trauer um einen verlorenen Sohn. Dieser David ist kein Triumphator, auch nicht bei seinem Sieg über die Aufständischen und seiner Rückkehr an die Macht. Einer, der seinen eigenen Sohn und das eigene Volk geschlagen hat, kann nur ein gebrochener Mann sein. Und (dem erzählten) David steht diese Leidensdimension von vornherein vor Augen3: Dass er zehn Nebenfrauen in Jerusalem zurücklässt, ist ein fast hilfloser Versuch, Abschalom noch zur Vernunft zu rufen (15,16); dem getreuen Ittai gesteht er, dass er ins Nirgendwo geht (15,20); den Priestern bekennt er, Jhwh werde ihn vielleicht nie zurückkehren lassen (15,25); auf die Nachricht vom Übertritt Ahitofels zu Abschalom reagiert er mit einem verzweifelten Stoßgebet (15,31); über den ihn schwer kränkenden Schimi sagt er, womöglich habe Jhwh ihm die bösen Worte eingegeben (16,10); die Nachricht vom Tod Abschaloms schließlich quittiert er mit dem Ruf: »Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben!« (19,1) Dieser David ist ein Leidender, und man versteht von hier aus, warum ihm im Psalter so viele Klagelieder zugeschrieben wurden. Möglicherweise hat der Evangelist Matthäus die Passion Jesu weitgehend nach der Passion Davids gestaltet. Dies meint jedenfalls Johnson (Passion 250–263), der auf z.T. verblüffend enge Parallelen der Passionserzählung im ersten Evangelium zu der David-Erzählung von 2Sam 15–17 hinweist: Jesus geht weinend aus Jerusalem weg (vgl. 2Sam 15,30), er betet auf dem Ölberg (vgl. 15,31), er nimmt das flammende Treuebekenntnis des Petrus entgegen (vgl. Ittai von Gat in 15,21), er wird von Judas verraten (vgl. Ahitofel in 15,31 usw.), der Verräter kommt mit einer Schar Bewaffneter, um Jesus zu fassen (vgl. 17,1f), am Ende erhängt sich der Verräter (vgl. 17,23), Jesus ergibt sich in Gottes Willen (vgl. 16,10f), er hindert Petrus daran, mit dem Schwert zuzuschlagen (vgl. 16,10)4. Kurzum: »Immovably irenic, the David of the Absa3  In diesem Zusammenhang bedenkenswert sind folgende Überlegungen BarEfrats (II 151): »Der Sohn verhält sich schändlich und maßlos gegenüber seinem Vater, während der Vater, obwohl er gegen seinen Sohn kämpft, nicht davon ablässt, ihn zu lieben«. »Gerade in seinen schwersten Stunden … zeigt sich David in all seiner Menschlichkeit, die sich in seinem vornehmen Verhalten den Menschen gegenüber äußert, die er auf dem Fluchtweg antrifft. In seiner Bescheidenheit in jenen Begegnungen offenbart sich seine Größe«. 4  Johnson (Passion 253–257.259f) zieht auch weniger überzeugende Parallelen: Judas’ todbringender Kuss soll mit 2Sam 20,9 zusammenhängen, die Bezeichnung Judas’ als »Freund« (Mt 26,50 – e{tairo~) mit dem »Freund des Königs«, der Huschai und angeblich auch Ahitofel war, Jesu Leidensbereitschaft mit 2Sam 24,17. Das ist fast schon Allegorese!

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2Sam 15–20 lom revolt provides Matthew with a fitting ancestor for Jesus« (258). Dieser friedfertige David-Messianismus hebe sich markant ab von massiv militanten Formen des David-Messianismus, wie sie sich etwa in PsSal 17,21–24; 4Esr 13,11; 2Bar 73,1–7, in Qumran (z.B. 1QSb 5.24f; 4Q285 5 i.3f), aber auch im NT (2Thess 2,8; Offb 19,14f) und dann bei Simon bar Giora und Simon bar Kochba zeigten (265–269). Johnson kann zahlreiche Kirchenväter-Zitate aufrufen, die beweisen, dass die Parallelen zwischen den »Leidensgeschichten« Davids und Jesu schon früh gesehen und intensiv bedacht worden sind. Es lohnt sich auch heute, ihnen nachzudenken!

2.  (Literatur-)Historische Befragung Zur historischen Verlässlichkeit der Berichte von den Aufständen Abschaloms und Schebas gibt es in der Forschung sehr unterschiedliche Meinungen, die von »weitgehend glaubhaft« bis »in hohem Maße fiktiv« reichen. Ausschlaggebend ist die jeweilige Einschätzung der literarhistorischen Lage: Gibt es Texte, die nahe an die geschilderte Zeit heranführen und die geschichtlichen Vorgänge mehr oder weniger korrekt widerspiegeln? Und, auf der anderen Seite: Welche Texte stammen aus wesentlich späterer Zeit und verfolgen andere als nur geschichtliche Interessen? Einige Arbeiten nehmen den Textkomplex 2Sam 15–20 relativ flächig und befragen ihn als ganzen auf seine historische Plausibilität. Caspari (Literarische Art) bestimmte die Kapitel 2Sam 15–20 als in sich geschlossene »volkstümliche Novelle«. Diese gehe an ihrem Ende (2Sam 19–20) über in den Versuch, Volksbewegungen zu schildern, setze sich in ihrem Anfang aber gattungsgemäß aus einzelnen Anekdoten zusammen, die große Themen personal zuspitzten, manches ausließen, dafür aber den Vorzug hoher Anschaulichkeit und spannender Darstellung böten. Dieses Werk setze voraus, »daß die Leidenschaften sich abgekühlt haben und Freund und Feind sich zu einer objektiven Beurteilung dessen zusammenfinden, was sie einst getrennt hat« (329) – einen gewissen zeitlichen Abstand von den Ereignissen also. Es sei vielleicht in der Zeit Rehabeams entstanden. Das »Milieu des Verfassers« seien »höhere Kreise«, »Beamte, Vornehme, geistliche und weltliche Spitzen« (338). Er habe geschrieben »zu praktischem, politischem Zweck« (340), zur »Belehrung« auf »innerpolitische[m]« Feld – nicht etwa zur »Gemütsbildung« (342). Manches in seiner Darstellung könne Ausschmückung und hinzuerfunden sein (namentlich Reden), manches habe er ausgelassen, doch er befinde sich auf dem »Durchgangspunkt der erzählenden Literatur zu einer wirklichen Geschichtsschreibung« (346). »Wenn das Volk von jenen Hergängen noch einen Eindruck durch Überlieferung hat, dann heben Fiktionen ihn nicht aus den Angeln« (342). Der Novellist konnte manches »nach seiner Auffassung darlegen, aber das ist noch nicht so viel, wie die Geschichte korrigieren« (343). Kurzum, 2Sam 15–20 bietet im Kern (und noch in vielen Einzelheiten) die geschichtliche Wirklichkeit korrekt dar, sodass Caspari mit den Worten des Historikers Eduard Meyer urteilen kann: »[E]ine derartige Geschichtsliteratur … steht weit über allem, was wir sonst von altorientalischer Geschichtsschreibung wissen … Sie ist wirk-

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2Sam 15–20 liche echte Geschichte, sie wurzelt in lebendigem Interesse an den wirklichen Ereignissen, die sie aufzufassen und festzuhalten sich bemüht« (347). – Eine solche geschichtspositivistische Auffassung war vor einem Jahrhundert möglich, heute ist sie es kaum mehr – auch wenn neuere Arbeiten ihr noch recht nahe kommen. Cohen (Rebellions) entwirft aus den Texten, so wie sie vorliegen, ein lebensvolles Historiengemälde. Zwar hält auch er die biblische Darstellung nicht einfach für einen Spiegel der Realität; vielmehr wolle sie David in ein (allzu) günstiges Licht rücken. 2Sam 15–20 sei Teil einer in der Salomozeit entstandenen »apology«, der Verfasser könne kurz »the apologist« genannt werden. Doch als solcher sei er absolut authentisch; man müsse lediglich die ideologische Einfärbung abstreichen und erreiche dann die historische Wirklichkeit. Diese habe etwa so ausgesehen: In der frühen Königszeit gab es in Israel und Juda eine »Old Guard«, in den Texten oft als »the elders« bezeichnet, welche die alte Stämmeordnung hochhielt und skeptisch war gegen einen monarchisch regierten Staat. Sie willigte in die Staatsgründung nur ein, weil die Übermacht der Philister keine andere Wahl ließ. Als ersten König kürte sie einen Mann mit schwacher Hausmacht und wenig Befugnissen und stellte ihn zudem unter die Kuratel in ihrem Sinne handelnder »seer-priests«. Als Saul trotz alledem zu eigensinnig wurde, willigte sie ein, ihn durch David zu ersetzen, obwohl ihr bewusst war, dass dieser ein neues, andersartiges Königtum anstrebte, das ganz auf seine Person und die eigene Machtfülle ausgerichtet war. David untergrub von Juda aus die Stabilität des saulidischen Reiches. Er band das schilonitische Priestertum an sich, griff nach der Lade (einem alten Stammessymbol), konzentrierte alle militärische Macht bei professionellen Söldnertruppen und wagte den Tabubruch, einen Zensus durchzuführen (vgl. 2Sam 24). Um ihn bildete sich eine »New Guard«, deren Ideal ein zentralistisch und absolut(istisch) regierter Staat war. So entzündete sich ein »struggle between the premonarchical elements in Israel-Judah and the bureaucracy created by David« (93). Die »Old Guard« zettelte drei Aufstände gegen David an: Der erste wurde angeführt von Abschalom (von dem man erhoffte, er werde den Stämmen und dem Volk wieder mehr Rechte einräumen), der zweite von Scheba (der »the combined armies of Israel and Judah, and their officers« auf seine Seite zog, 94), der dritte von Adonija (welcher Vertrauensleute der »Old Guard« wie Joab und Abjatar hinter sich bringen konnte). Alle drei Aufstandsversuche schlugen fehl. Nach dem ersten konnten die konservativen Kräfte David noch gewisse Kompromisse abringen (vgl. 2Sam 19). Doch nach dem zweiten und dritten waren ihnen sämtliche Machtmittel genommen. Am Ende stand die von David erzwungene Ernennung Salomos zu seinem Nachfolger. In dessen Staat war dann keinerlei Platz mehr für Stammes- und für Volksrechte. Sergi (United Monarchy) nimmt die Texte ebenfalls recht flächig, hält aber nur (den Grundstock von) 1Sam 16 – 2Sam 5, also die Geschichte von Davids Aufstieg, für historisch einigermaßen zuverlässig, sofern sich hier eine geopolitische Situation spiegele, wie sie nur im 10. und 9. Jh. bestanden habe. »Israel« sei noch kein territorialer Staat, sondern eine Stammesgruppe im nördlichen Umfeld von Jerusalem, das zwischen zwei »charismatischen Führern«, Saul und David, umstritten war. In 2Sam 15–20 dagegen, einem »largely … unified, literary work« (341), sei »Israel« schon als das spätere Königreich gedacht, und zwar gemäß einzelner topographischer Angaben (Mahanajim,

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2Sam 15–20 Abel-Bet-Maacha, Lo-Debar) in der Gestalt, die es unter Jerobeam II. (in der 1. Hälfte des 8. Jh.s) angenommen hat. Selbstverständlich war David hier niemals König, die von ihm geschaffene »great united monarchy« sei eine Chimäre. Eben darum werde hier »Israel« als gegen David widerspenstig und stets zu Aufständen bereit dargestellt. 2Sam 15–20 sei vermutlich ins 7. Jh. zu datieren; historisch lasse sich darin so gut wie nichts Sicheres finden. – Ist aber diese Sicht nicht zu pauschal und zu skeptisch? Müsste nicht innerhalb von 2Sam 15–20 differenziert werden, und führt nicht einiges darin doch recht nahe an die erzählte Zeit heran und ist historisch plausibel?

Viele neuere Arbeiten hegen Zweifel daran, dass der Abschnitt 2Sam 15–20 von Anfang bis Ende in einem Zuge und von einem Verfasser niedergeschrieben wurde. Zwar konnte noch im Jahr 1995 das Urteil gefällt werden: »Es gibt nirgendwo im Alten Testament einen 14 Kapitel umfassenden Text, dessen literarische Einheitlichkeit im wesentlichen bis in die jüngere Zeit so einmütig anerkannt wurde, wie II Sam 9 - 20 + I Kön 1 - 2«5. Doch dies hat sich mittlerweile geändert, und auch der vorliegende Kommentar schert aus der früheren Einmütigkeit aus. Es gibt nämlich in den Texten deutliche Signale literarischer Uneinheitlichkeit. Da sind zunächst Elemente, die inhaltlich und stilistisch klar aus dem Kontext fallen: die Nachrichten über die zehn Nebenfrauen Davids (2Sam 15,16; 16,21f; 20,3), die Mitteilung über eine Abschalom-Stele in Jerusalem (18,18) und die Auflistung von Spitzenbeamten Davids (20,23–26). Ob nun erst relativ spät formuliert oder aus älterer Quelle entnommen: Diese Passagen wurden redaktionell an ihren jetzigen Platz gestellt. Aus dem sonstigen, konkret-anschaulichen Erzählstil fallen zwei Passagen, in denen es um das Verhalten der »Mannschaft Judas« und der »Mannschaft Israels« nach Davids Rückkehr aus dem Ostjordanland geht (2Sam 19,9ag–16.42–44). Sie dienen offenbar dazu, die ganz für sich stehende Episode vom Sezessionsversuch Scheba ben Bichris in 2Sam 20 an den Bericht über den Abschalom-Aufstand anzubinden. Aus diesem Zusammenhang heben sich auch diverse Einzelbegegnungen Davids mit prominenten Zeitgenossen – einerseits bei seiner Flucht aus Jerusalem, andererseits vor seiner Rückkehr dorthin – heraus. Das Verhalten Zibas bzw. seines Herrn Meribaal oder Schimis, des Sohnes Geras, oder Barsillais, des Gileaditers, gegenüber David und Davids ihnen gegenüber hat nur von ferne etwas mit dem Abschalom-Strang zu tun. Man hat den Eindruck, Davids Weg von Jerusalem ins Ostjordanland und dann wieder zurück nach Jerusalem werde dazu genutzt, diese Episoden literarisch einzuhängen und historisch zu verorten. Dabei kommt es zu der Auffälligkeit, dass die 5  Naumann in: Dietrich/Naumann, Samuelbücher 200.

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zweite Begegnung mit Schimi und die erste mit Meribaal nicht an den erwartbaren Orten – Bahurim bzw. Jerusalem – stattfinden, sondern am Jordan, den zu überschreiten David gerade im Begriff ist (2Sam 19,17–31). Es sind auch Unstimmigkeiten oder Doppelungen innerhalb einzelner Perikopen zu verzeichnen: David schickt die Ladepriester mit ihrem heiligen Kultobjekt zurück nach Jerusalem: erstens mit einer frommen, zweitens mit einer pragmatisch-politischen Begründung (2Sam 15,25f.27f). David wendet sich zweimal an Abischai, um ihn von der Tötung Schimis abzuhalten (16,10.11). Huschai erhält von David zwei Aufträge: bei Abschalom Spionage zu treiben und Ahitofels Rat zu unterminieren (16,34–36). Huschai stellt sich Abschalom mit den Worten vor, die David ihm in den Mund gelegt hat, darüber hinaus aber noch mit anderen (16,18.19). Ahitofel erteilt Abschalom zwei Ratschläge: zunächst einen, wie es scheint, unsinnigen, dann einen militärisch höchst schlüssigen (16,21; 17,1–3). Huschai rühmt, als er Abschalom beraten soll, zunächst David, bevor er seinen (vergifteten) militärischen Rat erteilt (17,8–10.11–13). Viel Mühe wird darauf verwendet, David von dem Verdacht zu befreien, er habe die Tötung Abschaloms angeordnet oder zumindest stillschweigend gebilligt; so vermahnt er seine Kommandeure, den »jungen Mann« zu schonen (18,2b–4), worauf sich der Soldat berufen haben soll, der ihn im Baum hängend auffand und nicht tötete – was dann aber Joab tut (18,10– 14aba). Um das Vorrecht, David den Ausgang der Schlacht melden zu dürfen, entbrennt ein etwas eigenartiger Wettstreit zwischen zwei Boten, von denen einer der schon vorher in solcher Rolle hervor­ getretene Zadok-Sohn Ahimaaz ist, der andere ein namentlich nicht bekannter Kuschit (18,19–32). Später dann redet Meribaal zu David sehr wortreich, wobei er sich teilweise auf die Erzählung in 2Sam 9, und zwar in einer redaktionell erweiterten Fassung, bezieht (19,27– 31). Und Scheba ben Bichri ruft die Nordstämme zur Sezession von der Davidherrschaft mit fast denselben Worten auf, mit denen sich der Norden später tatsächlich vom Süden trennen wird (vgl. 20,1 mit 1Kön 12,16). In der abschließenden Beamtenliste tritt ein Fronminister auf, der sage und schreibe den Königen David, Salomo und auch noch Rehabeam gedient haben soll (20,24). An solchen Stellen hat man den Eindruck nachträglicher Erweiterungen älterer Grundtexte. All diese Beobachtungen (und noch einige Details mehr) deuten auf eine mehrstufige Entstehung des Textkomplexes 2Sam 15–20 hin. Eine solche wurde in der neueren und neuesten Forschung immer wieder behauptet.

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2Sam 15–20 Würthwein (Thronfolge Davids) entwarf in einer literar- und tendenzkritischen Studie die Konturen zweier Textschichten. Die erste sollte eine Thronfolgegeschichte (vermutlich aus der Salomozeit) sein, die david- und salomokritisch ausgerichtet war. Sie sei später – wann, bleibt offen – unter weisheitlichem Einfluss davidfreundlich und joabfeindlich überarbeitet worden. Dieser sekundären Schicht werden im Bereich von 2Sam 15–20 zugewiesen: 15,16b.24–26.29.31; 16,9–12 (oder 16,5–13).21–23; 17,5–14.23.25; 18,2b–4a.10–14; 19,14; 20,3–5.8–13. Nach Langlamet (David et la maison de Saül)6 stand am Anfang eine »histoire d’Absalom« aus der späten Davidzeit, die sich jeder einseitigen Bewertung der Figur Davids enthielt. Nach der Machtergreifung Salomos erweiterte der Verfasser diese Erzählung um die Kapitel 2Sam 10–12, wohl auch 13–14, und 1Kön 1–2, womit eine dezidiert salomokritische »première histoire de la succession« (Kürzel: S1) entstand. Drei Jahre später, nach dem Mord an Schimi (vgl. 1Kön 2,39), machte sich derselbe Autor an eine Neuauflage, erweitert zu einer »histoire de David« (Kürzel: S2), zu der Stoffe vom Anfang des 2. Samuelbuches und vor allem die »épisodes benjaminites« um Schimi, Meribaal/Ziba und Barsillai (sic!) herangezogen wurden; David erscheint nunmehr in einem sehr günstigen, Salomo in einem noch finstereren Licht. Auf einer weiteren, deutlich jüngeren Bearbeitungsstufe (S3) – Langlamet datiert sie ins 7. Jh. – kamen im Bereich von 2Sam 15–20 folgende Passagen hinzu7: 15,8.16b.17a.*24.25f.31.*34.35aa; 16,7f.10.*11.12.*13b.15a. 16–19.20ba.21b.23; 17,3b.5–14.15b.17–23.24b.26.27–29; 18,2b–4a.10–14.18; 19,20ag.22f.*25.*26a.29.33ab.35b.36a.37.40a.42bd; 20,3–5.8–13. Das ist ein ambitioniertes Modell. Die Idee einer frühen salomokritischen Thronfolgegeschichte (S1 und S2) ist anziehend, wird sich aber nur schwer verifizieren lassen; nach der Analyse des vorliegenden Kommentars trifft eine derartige Beschreibung am ehesten auf die David-Batscheba-Salomo-Novelle (d.h. den Grundbestand von 2Sam 10–12 und 1Kön 1–2) zu. Die sehr umfassende Redaktion aus der späten Königszeit (S3) berührt sich in manchem mit der hier vertretenen Hypothese eines Höfischen Erzählwerks. Vermeylen (Loi) verteilt den Text von 2Sam 15–20 auf folgende Schichten: Die Basis habe eine noch zur Zeit Davids entstandene »histoire d’Absalom« gebildet, welche einen recht breiten Grundbestand von 2Sam 13–19 umfasste. Sie sei in einer »édition salomonienne principale« um die Passagen 2Sam 15,16b.17a.18b–22.23ba.31.34abb; 16,21–23; 17,3b.*5–14.15b.25; 18,2a. *5.10–14.*15.19f.22–30; 19,2.5–9ba.*12.14; 20,3–5.8–13.23–26 erweitert worden. (Diese Liste deckt sich in einigen Punkten mit Langlamets Redaktion S3, nur dass diese rund 300 Jahre später angesetzt war.) Durch eine »deuxième édition salomonienne« seien hinzugefügt worden: 16,1–10.13–16a; 17,27–29; 19,17–21.24f.27a.28.30f.*32–35a.36b.38–41a. Einige Textstücke kamen dann während der dtr Redaktion (also nach rund 400 Jahren!) hinzu: 16,17b.18abb.*19aa; 17*1.*11; 18,1b.4b.7bb.18; 19,*26.27b.29.37.40a.43b.44; 20,*23a. Eine »rédaction finale« in der Perserzeit steuerte schließlich 15,24– 26.29 und 16,11f bei. (Für die so späte Ansetzung der letzten beiden Belegreihen werden sich kaum hinreichende Gründe finden lassen. Was als »dtr« bezeichnet wird, weist kaum die für diese Denkschule sonst typische Sprech6  Bietenhard (Des Königs General) folgt dem Ansatz Langlamets weitgehend. 7  Die folgende Auflistung nach Naumann in: Dietrich/Naumann, Samuelbücher 204f.

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2Sam 15–20 und Denkweise auf. Und warum sollte der »fromme David« von 15,24–26 und 16,11f erst perserzeitlich denkbar sein? Auf der anderen Seite wird hier ein erstaunlich breiter Textbestand auf die frühe Königszeit zurückgeführt.) Hutton (Transjordanian Palimpsest, zusammenfassend 222) unterscheidet im fraglichen Textbereich fünf vordeuteronomistische Entstehungsstufen. I: »The earliest kernel of tradition was an early, concise battle report«, umfassend die Passagen 2Sam 13,1–29.34a.37ab.38b.39; 14,33abgb; 15,1–6.13; 18,1. 2a.4b.6–9.15b–18ba (d.h. die Amnon-Tamar-Abschalom-Geschichte, Abschaloms Aufstandsvorbereitungen und die Schlacht im »Wald von Efraim«). II: Die Schlacht wurde durch die Beigabe von 15,1–37; 16,15 – 17,29; 18,19– 32; 19,1–16 (jeweils im Grundbestand) eingeordnet in ein »Transjordanian Exile« Davids (enthaltend Flucht und Rückkehr Davids sowie den Beraterwettstreit Huschai – Ahitofel). III: In der Zeit Salomos oder Rehabeams (also noch im 10. Jh.!) wurde aus dem Ganzen eine »Solomonic Apology«, indem die Kapitel 2Sam 11,1–27 + 12,25b–25 sowie 1Kön 1–2 darum herumgelegt wurden. IV: Auf der nächsten Stufe wurden die »Benjaminite episodes« hinzugefügt, nämlich 2Sam 2–4; 16,1–14; 19,17–41. V: In der Zeit zwischen 850 und 750 v.Chr. wurde der bis dahin erreichte Textbestand eingereiht in einen »Prophetic Record«, der weit über die Samuelbücher hinausreichte und dem vor allem 2Sam 12,1–15a zu verdanken sei. Diese gesamte Datenreihe ist erstaunlich früh angesetzt. Mindestens drei Schichten sollen aus dem 10. Jh. stammen, also nahezu zeitgenössisch sein. Ist das aber glaubhaft? Schücking-Jungblut (Macht und Weisheit, zusammenfassend 208–214) meint sieben, ganz anders geartete Entstehungsstufen der Abschalom-Erzählung erkennen zu können. I: Eine »Grundschicht«, zu datieren wohl in die Mitte des 8. Jh.s, umfasste 2Sam 15,7–15.18.23; 16,5–13 und große Teile von 17,27 – 19,9 (also die Erhebung Abschaloms, Davids Flucht ins Ostjordanland einschließlich der Begegnung mit Schimi sowie die Schlacht im Gebiet von Efraim). II: Nachträge zur Grundschicht im Bereich der Flucht Davids, nämlich 15,20b.24–26.29; 16,11f. III: Dem wurde schon recht bald eine »Vorgeschichte« vorgeschaltet (in 13,23 – 14,33, also Abschaloms Mord an Amnon, seine Flucht nach Geschur, seine Rückkehr und Rehabilitierung) sowie eine erste Fassung der Ratgeberszene implantiert (in 15,30–37 und 16,15 – 17,23, also Huschai als Spion im Umfeld Abschaloms). IV: Wiederum wenig später wurde die Ratgeberszene in weisheitlichem Geist erweitert (in 17,8–14.23, also Ahitofel und Huschai als Kontrahenten). V: Nochmals später wurde die Nebenfrauenepisode eingefügt (16,21–23; 20,3). VI: Die nächste Stufe schickte dem Ganzen eine weitere Vorgeschichte voraus (in 13,1–22, sodass Abschaloms Mord an Amnon als Rache für eine Vergewaltigung erscheint) und fügte Erklärungen für den Erfolg Abschaloms ein (in 14,25–27 und 15,1–6). VII: Abschließend erfolgte in einer »minimalinvasiven Operation« eine theologische Deutung (in 15,31b und 17,14b). Insgesamt dürfte »der Absalomzyklus … für den Zweck der Ausbildung weisheitlicher Ratgeber am Königshof verfasst« worden sein (219), was wohl bedeutet, dass er als Ganzer noch in der Königszeit entstanden ist. Erscheint dieses Ergebnis als vergleichsweise konservativ, so ist doch die Aufsplitterung in so viele Schichten und deren relative Spätdatierung nach 750 recht forsch zu nennen. Texten, die so lange nach der geschilderten Zeit niedergeschrieben wurden, wird man keinen hohen historischen Wert beimessen. Diese Einschätzung erstaunt schon für die meisten Inhalte der sog. »Grundschicht« und noch viel mehr etwa für die angeblich erst auf sechster Stufe hinzugekommene

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2Sam 15–20 Amnon-Tamar-Geschichte. Andere Teilthesen hingegen wirken auf den ersten Blick plausibel, z.B. die relativ späte Einschaltung der Nebenfrauenepisode in 16,21–23 und der theologischen Wertung in 17,14b. Manche Textpassagen (z.B. 15,19–22.24–29; 16,1–4; 19,10–40) werden nur gestreift und vage als »nachgetragen« qualifiziert – wann und durch wen, bleibt offen. In einer kleineren Arbeit (Political Reasons) beschreibt Schücking-Jungblut die Aussage des Gesamttextes von 2Sam 15–20, unabhängig von einzelnen Textschichten. Es handele sich weder um »historiography« noch um »fiction«, sondern um eine »historical narrative«, die sich einerseits aus Erinnerungen an die beschriebene geschichtliche Vergangenheit und andererseits aus dem Wunsch nach Belehrung in einer bestimmten Gegenwart speisten (464). An diesem »didactic drama for royal counselors« könnten die Adressaten ablesen, warum eine Aktion wie Abschaloms Aufstand anfänglich so erfolgreich war (weil sie geschickt politische Kontinuität vorgaukelte), endlich aber doch scheiterte (weil Abschalom mit seinen Beratern nicht umzugehen verstand). Erst am Ende des literarischen Prozesses wurde Jhwh zum eigentlichen Lenker des Geschehens. Rudnig (Davids Thron) ist noch kritischer. Er macht innerhalb von 2Sam 15–20 eine fast inflationär große Zahl von Bearbeitungen und Bearbeitungsschüben ausfindig. I: Ein »Grundbestand« von 2Sam 15–20 umfasste nur wenige Verse: 2Sam 15,*1.12b; *17,22; 18,1a.6.9b.*15.16a.17a; diesen »Bericht von der Niederschlagung des Absalomaufstandes« verband eine Redaktion im 9. Jh. mit kleinen Stücken aus 2Sam 11–12 und 1Kön 1–2 zu einer rudimentären Thronfolgegeschichte Salomos. II: Der nächste Schritt war – nach rund drei Jahrhunderten! – die Eingliederung ins dtr Geschichtswerk. III: In nachexilischer Zeit wurde ein »Itinerar« eingezogen, »ein System von Wegnotizen über die Flucht Davids vor Absalom ins Ostjordanland und seine Rückkehr nach dem Sieg« (336); die Absicht dabei war es, »Exilserfahrungen zu bewältigen« (337). IV: Es folgt im 5. Jh. eine »dynastiekritische Bearbeitung«, die innerhalb von 2Sam 15–20 vor allem in 16,1–14 zu greifen ist. V: Eine »Reaktion auf die extreme David- und Salomokritik der dynastiekritischen Bearbeitung« ist die ins ausgehende 5. oder frühe 4. Jh. zu datierende »David-Biographie-Schicht«, zu greifen etwa in 15,7.9f. VI: Es folgt im 4. Jh. eine »Ratgeber-Bearbeitung«, die in drei »Schüben« große Teile von 2Sam 15–17 einbrachte. VII: Wiederum in drei Schüben ging die ebenfalls sehr umfangreiche »Theodizee-Bearbeitung« mit einem »vergeltungstheologische[n] Interesse« (347) ans Werk; ihr sind etwa die Figur Ittais in 2Sam 15,*18–22 oder die Aussagen von Davids Ergebung in den Willen Jhwhs in 15,24–26 oder die theologischen Deutestellen in 15,31; 16,23; 17,7.14b oder Davids Anweisungen zur Schonung Abschaloms in 2Sam 18 oder seine drei Begegnungen in 2Sam 19 zuzuschreiben. VIII: Es folgt Anfang des 3. Jh.s noch eine »Nachrichtendienst-Bearbeitung«, die auf zwei Stufen Huschai vom falschen Ratgeber zum Spion umfunktionierte und ihm weitere Spione zur Seite stellte. IX (Verschiedenes): Einzelne Ergänzer brachten »ein kleines Netzwerk königstheologischer Nachträge« sowie »[w]eitere theologische Bewertungen« ein (361). Hinzu kommt ein »Haremsfrauen-Geflecht«, verfasst »von unterschiedlichen Händen« (362). Man sieht: Die Geschichte vom Abschalom- und vom Scheba-Aufstand löst sich in eine Unzahl von Redaktionen und Fortschreibungen auf, die ihre Erfindungen allermeist erst ein halbes Jahrtausend nach der frühen Königszeit und noch später in den ständig wachsenden Text einschrieben.

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2Sam 15–20 Kratz (Komposition) fasst den Entstehungskern von 2Sam 15–20 wieder weiter. Am Anfang habe ein Aufstands- und Schlachtbericht in 2Sam 15,1–6.13; 18,1 – 19,9a gestanden. Um ihn seien später die Erzählungen von Davids Flucht und Wiederkehr (in Kap. 15–17 und 19,9b–44) schalenartig herumgelegt worden. Fischer (Flucht und Heimkehr) hat diesen Ansatz aufgenommen und breit untermauert. Auch nach ihm ist 18,1 – 19,9 der literarhistorische Nukleus des Ganzen. Eine »alte Abschalom-Erzählung« in diesem Bereich lässt David nur in einer »Stadt« sein, deren Name nicht genannt wird – und es ist nicht Mahanajim, sondern Jerusalem! Der »Wald von Efraim«, in dem die Schlacht stattfindet, liegt im West-, nicht im Ostjordanland, er hat seinen Namen allerdings nicht vom Stamm Efraim, sondern von der in 2Sam 13,25 erwähnten gleichnamigen Ortschaft, die anderswo »Ofra« heißt8. Bei dem Botenwettlauf von 2Sam 18,19–32 wurde also mitnichten die marathonverdächtige Strecke vom westjordanischen Gebirge durch die Jordansenke ins ostjordanische Gilead zurückgelegt, sondern die gerade 20 Kilometer auf dem Höhenweg von Ofra/Efraim nach Jerusalem. Joab, der in der Schlacht eine Hauptrolle spielt, fehlt in den rahmenden Geschichten völlig: ein weiteres Indiz, dass es in diesen letztlich gar nicht um David und seine Zeit geht, sondern verborgen um etwas ganz anderes: »Es handelt sich um eine Erzählung von paradigmatischer Art. Der Weg des Volkes ins Exil und seine Rückkehr wird [sic!] in die davidische Zeit zurückprojiziert« (66). Historisch festen Boden hat man allenfalls in der zentralen Schlacht-Erzählung unter sich; der gesamte Rahmen ist unhistorisch, weil nachexilisch. Leonard-Fleckman (House of David 109--145) kombiniert eine Art Fragmenten- mit einer Redaktionshypothese: Es habe innerhalb von 2Sam 15--20 drei »building blocks« gegeben, die alle aus der (früheren bis mittleren) Königszeit datierten und lange Zeit in mündlicher Form nebeneinander existierten, ehe sie in einen leidlich fortlaufenden Zusammenhang gebracht wurden: nämlich Erzählungen von Abschaloms Rebellion (2Sam 15,1--16a), von einer Schlacht im Wald von Efraim (2Sam 18,1 -- 19,9ba) und vom Scheba-Aufstand (2Sam 20,14--22). In allen drei Erzählungen ging es um die -- durch Abschalom oder Scheba bestrittene -- Herrschaft Davids über Israel; Juda spielt keine Rolle, Jerusalem ist, sofern es überhaupt vorkommt, Hauptstadt von Davids Königreich Israel. Bei der Verschriftung entstand (auch noch in der Königszeit, und zwar vor dem Untergang des Königreichs Nordisrael) in einer »primary phase« die Geschichte von Davids »Mahanajim journey« (2Sam 15,17 -- 17,29). Erst in einer »secondary phase« (anzusetzen nach dem Untergang Israels, aber vor demjenigen Judas) wurde Juda als eigene politische Entität in den Text eingebracht (2Sam 19,9bb--15.16b--18a; 19,41 -- 20,13). In der frühen Königszeit existierte Juda nicht; damals gab es, neben Israel, einzig das »Haus Davids« -- aber nicht als geographisch-politische Größe, sondern als Verwandtschaft und Anhängerschaft Davids (so wie der Ausdruck »Haus des X« in aramäischen und assyrischen Quellen gebraucht wird). David war also, wenn, dann König nur von Israel; König von Juda konnte er nicht sein, weil es dieses noch nicht gab. (Man ahnt, in welche Schwierigkeiten die Autorin mit dieser These bei den Berichten in 2Sam 2--5 von Davids Königswerdung zuerst in Juda, dann in Israel kommt; sie ist resolut genug, auch hier überall »Juda« für sekundär zu erklären.) 8  Dazu s. Bd. 4, S. 362f.

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So stark die vorgestellten Untersuchungen in Methodik und Ergebnis voneinander abweichen: Es rechnen nahezu alle damit, dass in 2Sam 15–20 ältere Quellentexte durch spätere Redaktionen bearbeitet wurden. Die letzten beiden der vorgestellten Modelle halten fast die gesamten Kapitel 15–17 und 19 für zugesetzt. Die anderen rechnen mit begrenzteren Bearbeitungen. Auffälligerweise kommen dabei immer wieder die gleichen Texte als mutmaßlich sekundär in den Blick: z.B. die Nebenfrauen-Notizen (15,16b.17a; 16,21–23; 20,3); die rührende Begegnung Davids mit Ittai (15,19–22); die Aussagen über Davids Gottergebenheit und Frömmigkeit (15,25f.31; 16,10f); das große David-Lob im Munde Huschais (16,18f; 17,8–10); Davids edelmütiger Versuch, Abschalom zu schützen wie auch die Rede des Soldaten, der darauf Bezug nimmt (18,2–5.12f); die Streitigkeiten zwischen Juda und Israel um ein Vorrecht auf David (19,10f.42–44); die Anweisungen Davids an Amasa und dessen Versagen (20,4f). In den folgenden Analysen wird sich zeigen, dass dies tatsächlich die neuralgischen Punkte für eine literar- bzw. redaktionskritische Analyse sind. Aufgrund der diachronen Signale in den Texten selbst und in Fortführung der bisher in diesem Kommentar gewonnenen Einsichten wird sich das Bild einer fünfstufigen Textentstehung einstellen. Es sei hier im Überblick schon einmal vorgestellt: 1.  Der Grundbestand von 2Sam 15–20 stammt aus der AmnonAbschalom-Novelle. Sie hatte eingesetzt mit dem Zwist zwischen den Geschwistern Amnon, Tamar und Abschalom in 2Sam 13–149. Abschalom, der nach dem Brudermord aus dem Exil hat zurückkehren können, von David aber nur zögernd rehabilitiert worden ist, sinnt jetzt darauf, den Vater aus dem Amt zu drängen und an seiner Stelle König zu werden; nach längerem Buhlen um die Gunst der Leute lässt er sich in Hebron zum König ausrufen (15,1–12). David weiß gegen die landesweite Bewegung kein anderes Mittel, als Jerusalem aufzugeben und sich mit seinem Hofstaat und seinen Söldnern – dem einzigen ihm verbliebenen Militär – ins Ostjordanland zurückzuziehen; immerhin installiert er in Jerusalem noch eine Fünfte Kolonne, bestehend aus den (Ober-)Priestern Zadok und Abjatar und ihren Söhnen sowie dem Königsberater Huschai (15,13–16a.17b.18.23.*24.27–30.32–37). Huschai dient sich dem in Jerusalem eingerückten Abschalom an, setzt in dessen Kriegsrat dem Rat Ahitofels, David unverzüglich zu verfolgen, seinen eigenen entgegen, zuerst ein großes Heer zu sammeln, und alarmiert den am Jordan wartenden David (16,15–18aa.19b.20; 17,1–4.7.11–14a.15a–23). David zieht nach Mahanajim und wird dort von ostjordanischen Notabeln versorgt (17,27–29). Dann mustert er 9  Siehe dazu Bd. 4.

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seine Truppen für die Entscheidungsschlacht (18,1.2a.4b), die im »Wald Efraim« stattfindet und mit dem Sieg von Davids Truppen und Abschaloms Tod endet (18,6–9.*15.16f). Joab lässt David durch einen kuschitischen Boten Meldung überbringen (18,21.24f.31f). David bricht nicht in Jubel aus, sondern zeigt tiefste Trauer; als Joab ihm in scharfer Form vorhält, er düpiere damit seine Soldaten, nimmt er deren Huldigung entgegen (19,1–9ab). Den Abschluss bildet eine Episode, in der sich der mutmaßliche Autor der Novelle, Kimham, selbst in den Text einschreibt (19,*32.34–39.40b.41a). Dieses Ganze stellt einen konzisen erzählerischen Zusammenhang dar, der streng auf ein bestimmtes Thema konzentriert ist: die Gefährdung Davids und seiner Herrschaft durch den Putsch Abschaloms und dessen Niederschlagung. Hier gibt es keine Abschweifungen und größeren Ausschmückungen, alles ist informativ, unterhaltsam und spannend: eine echte Novelle eben. Diese verzichtet, das fällt ins Auge, auf jedwede theologische Einordnung und Bewertung, sie ist (wenn man eine solche Kategorie für einen antiken Text gebrauchen darf) völlig profan. Das heißt nicht, dass ihr Verfasser nicht Jhwh-gläubig gewesen wäre. Seine Figuren sind religiös und bewegen sich in einer religiös geprägten Atmosphäre. Abschalom behauptet, er habe ein Gelübde zu erfüllen, das er einst Jhwh gegeben habe – und David glaubt das (15,7–9). Zu Davids Gefolge gehören, scheinbar selbstverständlich, die Priester Zadok und Abjatar mit der »Lade Gottes« (15,24). Auf der Flucht über den Ölberg kommt David an den Ort, »wo man sich vor Gott niederwirft« (wo er sich vielleicht auch selbst niederwirft) – und wo er unversehens seines Unterstützers (und Retters) Huschai ansichtig wird (15,28). Und ein Kuschiter beschreibt den Sieg über Abschalom damit, dass Jhwh David »Recht verschafft« habe (18,29). Jhwh ist jederzeit präsent, doch er greift nicht in das Geschehen ein, er lenkt es nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich. Der Novellist, das ist nicht zu verkennen, ist ein Anhänger Davids, nicht etwa Abschaloms, berichtet aber auch über diesen und seine Bewegung in beachtlicher Ausführlichkeit und, wenn man so will, Objektivität. Überdeutliche Charakterbeurteilungen fehlen; weder sind David und dessen Anhänger Über- noch Abschalom und seine Anhänger Untermenschen. Die Novelle ist in einem schnörkellosen, »klassisch hebräischen« Stil geschrieben und alles in allem ein herausragendes Exempel israelitischer Geschichtsschreibung. Ihr Verfasser ist ein hochbegabter, über die Verhältnisse und Ereignisse der frühen Königszeit wohlinformierter Schriftsteller10. Sollte wirklich 10  Das zeigt sich z.B. am Vorkommen der Elitetruppe der »Kereter und Peleter«, die es offenbar nur in der Davidzeit gab. Auch wird ganz selbstverständlich eine 600 Mann starke Truppe aus Gat erwähnt, die unverbrüchlich zu David hält (15,18) – offenbar gelten die Philister (noch) nicht als »Landesfeind«. Gat war nur

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Kimham der Autor sein, dann wäre dieser ein (jüngerer) Zeitgenosse Davids. 2.  In die Textur der Novelle wurden mehrere Stücke aus einer zweiten Quelle eingewoben: aus dem Erzählkranz vom Aufstieg und Niedergang der Sauliden. Dieser ist literarisch von ganz anderer Machart als die Novelle; er ist weit weniger durchgestaltet, wirkt eher wie eine lose Zusammenstellung von Einzelepisoden. Es ist kein stringenter Handlungsablauf zu erkennen, wohl aber die Konzentration auf einen bestimmten Personenkreis. Sein Abschluss lag nicht, wie man hätte erwarten können, beim Tod Sauls und einigen seiner Söhne in der Schlacht von Gilboa (1Sam 31), vielmehr bot er danach noch einige Kurzerzählungen über weiterlebende Mitglieder dieser Königsfamilie – mit dem Ziel, deren Verzicht auf eigene Machtambitionen und die Unterwerfung unter die Davidherrschaft zu schildern. Die wichtigste Figur dabei ist, nachdem auch die Sauliden Eschbaal und Abner ausgeschieden sind, der körperbehinderte Saul-Sohn Meribaal, den David laut 2Sam 9 aufgespürt und gewissermaßen auf seinem Erbland festgesetzt hat. Jetzt erlebt man, wie Meribaals Hausmeier Ziba seinen Herrn bei David anschwärzt (2Sam 16,*1.*3), wogegen Meribaal sich später entschieden verwahrt (19,*25.26–28a.30); David spielt in diesen Szenen eine wenig souveräne Rolle, indem er den Saul’schen Familienbesitz bald dem einen, bald dem andern zuspricht und am Ende einfach zwischen beiden aufteilt. Vorgestellt wird ferner der Saulide Schimi ben Gera aus Bahurim, der ein scharfer Gegner Davids ist und dies auch unverblümt zu erkennen gibt (16,5.11–13), am Ende aber doch vor David zu Kreuze kriecht (19,19b.20). Vermutlich stammt auch der Grundbestand der Geschichte von Scheba ben Bichri aus dieser Quelle, allerdings mit einer ursprünglich anderen Einleitung, in der eine enge (verwandtschaftliche?) Beziehung Schebas zum Haus Sauls erkennbar gewesen sein dürfte (20,[…]6b.7.14–22a); vermutlich war in diese Geschichte die von der Ermordung Amasas bereits eingebunden (20,8–13), doch lassen beide Teil-Erzählungen noch deutlich unterschiedliche Entstehungshintergründe und Haftpunkte erkennen11. 3.  Separate Quellenstücke stecken hinter der Notiz über ein Abschalom-Denkmal bei Jerusalem in 2Sam 18,18, dem Sezessionsruf Schebas in 20,1 (hier ist die Quelle erhalten: die Erzählung von der sog. Reichsteilung, 1Kön 12) und der Liste davidischer Spitzenbeamter in im 10. Jh. die führende unter den Philisterstädten; es wurde 925 v.Chr. zerstört und erlangte danach keine Bedeutung mehr, sodass man mit dem Text wirklich in die frühe Königszeit gelangt. 11  Es ist denkbar, im vorliegenden Band aber nicht zu verifizieren, dass auch die Rizpa-Geschichte in 2Sam 21,1–14 dem Sauliden-Erzählkranz angehörte.

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20,23–26 (die aber separat von der sehr ähnlichen in 2Sam 8,16–18 entstanden und tradiert worden zu sein scheint). 4.  Die entscheidende formative Ebene wurde bei der Zusammenfügung der genannten Quellentexte zu einer Großerzählung (fast schon im Umfang des Endtextes) erreicht. Dies geschah im Höfischen Erzählwerk über die ersten Könige Israels, innerhalb dessen der Abschnitt 2Sam 15–20 ein gewichtiges Kapitel darstellt. Bis dahin war – nach den Samuel-Saul-Geschichten – ausführlich vom Aufstieg Davids (1Sam 16 – 2Sam 5), viel knapper von seiner Herrschaft (2Sam 6–8) und dann von seinem beginnenden Abstieg (in den Familiengeschichten 2Sam 9–14) berichtet worden. Daran schließt sich nun die Schilderung der gefährlichsten politischen Krise im Leben Davids an, die er nur knapp und mit schweren Blessuren übersteht, ehe dann der Thronwechsel zu Salomo (1Kön 1–2) sowie dessen Herrschaft (1Kön 3–10, in mehreren Etappen) und schließlich das Ende der davidisch-salomonischen Doppelmonarchie (1Kön 12) folgen. David befindet sich in 2Sam 15–20 nicht mehr auf dem Zenit der Macht, sondern muss diese bereits zeitweise abtreten (um sie bald ganz hergeben zu müssen). Der Höfische Erzähler malt von David ein Bild, das überwiegend (aber nicht durchgehend!) Empathie, ja Sympathie weckt. Der gebeutelte König beugt sich demütig Gottes Willen (15,25b.26.31; 16,10). Er zeigt Edelmut gegenüber einem Ausländer, der zu ihm steht (2Sam 15,19–22), wie gegenüber einem Sauliden, der ihn hasst (16,6–10; 19,23f). Er wird, mitten im feindlichen Kriegsrat, von Huschai hoch gelobt (17,8–10). Er tut alles, um seinem rebellischen Sohn das Leben zu retten, was ihm wegen des skrupellosen Joab nicht gelingt (18,2b–4a.5.10–14aba). David zeigt allerdings nicht nur vorteilhafte Züge: etwa, wenn er zehn Nebenfrauen im aufgegebenen Jerusalem zurücklässt, wo sie von Abschalom vergewaltigt und am Ende von ihm selbst interniert werden (15,14b.16b; 16,21–23; 20,3); oder wenn er den Zwist zwischen Judäern und Israeliten, der nach Niederschlagung des Abschalom-Aufstands aufzüngelt, eher befeuert als schlichtet (19,12.14–16.*42–44). Gegen die Rebellion Schebas wirkt er reichlich hilflos (20,1f.4–6a). Seinen allzu eigenwilligen Heerführer Joab versucht er zwar loszuwerden, doch dann, nach dem Erfolg gegen Scheba, nimmt er ihn ohne ein Wort des Tadels wieder in seinen Dienst auf (20,22b). Hier wird von David kein glattes, glitzerndes Propagandabild gemalt, sondern das ambivalente Bild eines Mannes, der zwar nicht alles Schlimme getan hat, das manche ihm nachsagen (z.B. Schimi!), der aber doch alles andere als fehlerfrei war. Das stärkste Signal seiner Geschichtsauffassung hat der Höfische Erzähler in Gestalt des theopolitischen Urteils 2Sam 17,14b gesetzt: »Und Jhwh hatte ver-

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2Sam 15–20

fügt, dass der gute Rat Ahitofels zerbrochen wurde, damit Jhwh das Unheil über Abschalom brächte«. Nach diesem Erzählerkommentar liegt die Spannung nicht mehr darin, wie das Ringen zwischen David und Abschalom ausgeht, sondern nur noch darin, wie genau es verläuft und wie sich die beteiligten Figuren verhalten. Doch der wahre Grund für den Geschichtsverlauf liegt nicht in guten oder schlechten Eigenschaften und Verhaltensweisen dieser oder jener Menschen – Ahitofels, Abschaloms, Davids, Huschais oder anderer –, sondern im Willen Gottes, der die Geschichte lenkt. Gott will, dass Davids Herrschaft noch nicht endet, schon gar nicht, indem sie an Abschalom übergeht. Also verhalten sich die beteiligten Personen so, wie sie es tun – mit dem Ergebnis, dass Abschalom unterliegt und David obsiegt. Die Menschen ziehen durch ihre Haltungen und Entscheidungen krumme Linien, doch Gott schreibt auf ihnen gerade. Das ist die Botschaft des Höfischen Erzählers in 2Sam 15–20. 5.  Die Spuren deuteronomistischer Redaktionstätigkeit innerhalb von 2Sam 15–20 sind sehr schmal. Anscheinend stammen nur die Verse 2Sam 19,10f.13.44ab von der Hand eines Deuteronomisten, und zwar mutmaßlich des frühesten, DtrH. Dieser macht hier deutlich, dass das Volk Israels sich der großen Verdienste Davids bewusst war – und trotzdem Abschalom zum König salbte (was so deutlich vorher nicht gesagt worden war). Wie des Öfteren im Richterbuch, zeigt sich Israel auch hier höchst wankelmütig: Kaum ist Abschalom tot, wendet es sich David (und damit insgeheim ja auch Gott!) wieder zu. David seinerseits ist bewusst, dass er letztlich dem Volk von Juda viel tiefer verbunden ist als dem von (Nord-)Israel: ein verhaltener und doch hörbarer Hinweis auf die bleibende Bedeutung der Daviddynastie und der Davidverheißung für Judäerinnen und Juden – auch wenn diese (oder gerade weil sie) ihren eigenen Staat verloren haben und unter fremder Herrschaft leben.

22 Es mag sinnvoll sein, hier eine listenartige Aufstellung der Textanteile zu geben, die innerhalb von 2Sam 15–20 auf die beiden Hauptquellen und auf 12. 3: PDF S. 22f die Hauptredaktion zurückgehen (Die Begründungen finden sich in der Einzelauslegung, jeweils in den Abschnitten »Ort«.) Amnon-Abschalom-Novelle: 15,1–16a.17b.18.23.*24.27–30.32–37; 16,15–17.*18aa.19b.20; 17,1–4.7.11–14a.15a.16–23.27–29; 18,1.2a.4b.6–9.*15.16f.21.24f.31f; 19,1–9bb.*32.33–39.40b.41a. Sauliden-Erzählkranz:

12  Auf die Nachbearbeitung durch DtrH braucht hier nicht eingegangen zu wer16,1abb.2.3abb.4.5.13bbg; den. 19,19b.20.24.*25.26–28a.30;

20,[…]6b–22a.

Höfisches Erzählwerk: 15,14b.16b.17a.19–23a.25b.26.31.34b; 16,1aa.3aa.6–10.13aba.14.16b.*18.19a.*20.21–23; 17,5f.8–10.14b; 18,2b–4a.5.11–14aba.*15.[18.]19f.22f.26–30;

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16,15–17.*18aa.19b.20; 17,1–4.7.11–14a.15a.16–23.27–29; 18,1.2a.4b.6–9.*15.16f.21.24f.31f; 2Sam 19,1–9bb.*32.33–39.40b.41a. 15–20 Sauliden-Erzählkranz: 16,1abb.2.3abb.4.5.13bbg; 19,19b.20.24.*25.26–28a.30; 20,[…]6b–22a. Höfisches Erzählwerk: 15,14b.16b.17a.19–23a.25b.26.31.34b; 16,1aa.3aa.6–10.13aba.14.16b.*18.19a.*20.21–23; 17,5f.8–10.14b; 18,2b–4a.5.11–14aba.*15.[18.]19f.22f.26–30; 19,9bgd.12.14–19a.21–23.*25a.28b.29.31.*32a.40a.41b.42aba.43. 44aab; 20,1–6a.22b.

Grob gerechnet, entfallen somit auf die Novelle zwischen 80 und 90, auf den Sauliden-Erzählkranz knapp 30 und auf den Höfischen Erzähler zwischen 60 und 70 Verse. Nimmt man noch die verstreuten quellenhaften Einzelverse hinzu, zeigt sich, dass die Quellentexte die Eigenbeiträge des Höfischen Erzählers um rund das Doppelte übersteigen – der Quantität nach. Die Frage nach der Qualität ist eine andere.

Am Grund der Erzählung 2Sam 15–20 liegen Quellen, die das Geschehen vor, während und nach dem Abschalom-Aufstand nüchtern und schnörkellos, fast möchte man sagen: sine ira et studio, schildern. Sie malen von den damaligen dramatischen Ereignissen ein wirklichkeitsnahes, packendes, eher düster koloriertes Bild. Die Novelle wie der Erzählkranz sind hoch beachtliche historiographische Texte, die der Nachwelt bewahrt zu haben ein großes Verdienst des Höfischen Erzählers ist. Doch auch dessen Eigenbeitrag ist nicht zu unterschätzen. Einmal mehr erweist er sich als pietätvoller Bewahrer überlieferter Tradition, geschickter Redaktor, umsichtiger Historiker, tiefsinniger Theologe und begnadeter Literat. Unter seiner Hand nahmen die überkommenen Stoffe feinere, differenziertere Farben und eine insgesamt hellere Tönung an. David ist nicht mehr nur eine Figur in einem spannenden politischen und militärischen Kräftemessen; er wird vielmehr zu einem Herrscher, der in Anfeindung und Anfechtung über sich hinauswächst. Sein Weg führt durch Abgründe, doch er behält sein menschliches Format und seine Nähe zu Gott, sodass er am Ende den Weg zurückfinden kann nach Jerusalem, an die Macht. Die bestimmende Kraft im Geschichtsablauf ist Gott; David und alle anderen menschlichen Protagonisten sind dazu da, die Geschichte an das von Gott bestimmte Ziel gelangen zu lassen. Diese Mischung aus Realpolitik und Theopolitik verleiht der Geschichtsschreibung von 2Sam 15–20 ihren spezifischen Charakter.

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Abschalom zettelt einen Aufstand gegen David an (2Sam 15,1–12) Ahlström, G., Giloh. A Judahite or Canaanite Settlement?: IEJ 34 (1984) Literatur 170–172. – Alt, A., Die Staatenbildung der Israeliten in Palästina (1930), in: ders., Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, Bd. 3, München 31964, 1–65. – Althann, R., The Meaning of hnv µy[bra in 2 Sam 15,7: Bib. 73 (1992) 248–252. – Althann, R., An Unrecognized Repetition at 2 Samuel 15,8: Journal for Semitics 9 (1997) 179–184. – Bardtke, H., Erwägungen zur Rolle Judas im Aufstand des Absalom, in: H. Gese / H.P. Rüger (Hg.), Wort und Geschichte, FS Karl Elliger, 1973 (AOAT 18), 1–8. – Bodner, K., Motives for Defection. Ahithophel’s Agenda in 2 Samuel 15–17: SR 31 (2002) 63–78. – Boorn, G.P.F. van den, Wḏ‛-ryt and Justice at the Gate: JNES 44 (1985) 1–25. – Cartledge, T., Vows in the Hebrew Bible and the Ancient Near East, 1993 (JSOT.S 147). – Crüsemann, F., Der Widerstand gegen das Königtum. Die antiköniglichen Texte des Alten Testamentes und der Kampf um den frühen israelitischen Staat, 1978 (WMANT 49). – Edelman, D., Tel Masos, Geshur, and David: JNES 47 (1988) 253–258. – Landy, F., David and Ittai, in: T. Linafelt / C.V. Camp / T. Beal (eds.), The Fate of King David. The Past and Present of a Biblical Icon, New York / London 2010 (LHBOTS 500), 19–37. – Malul, M., Absalom’s Chariot and Fifty Runners (II Sam 15,1) and Hittite Laws §198. Legal Proceedings in the Ancient Near East: ZAW 122 (2010) 44–52. – Mazar, A., Art. Giloh: NEAEHL 2, 519f. – Parker, S., The Vow in Ugaritic and Israelite Narrative Literature: UF 11 (1979) 693–700. – Roi, M., Conditional Vows – Where They Are Made and Paid: BN 167 (2015) 3–24. – Schunck, K.-D., Benjamin. Untersuchungen zur Entstehung und Geschichte eines israelitischen Stammes, 1963 (BZAW 86). – Seidl, T., Der junge Abschalom. Textstudie zu 2 Samuel 13,23–15,6, 2010 (ATSAT 90). – Wagner, V., Plante Absalom eine Reform der Gerichtsordnung in Israel? (2 Sam 15:2–4): VT 63 (2013) 159–165. – Weingreen, J., The Rebellion of Absalom: VT 19 (1969) 263–266. Siehe auch die Literatur oben zum Einleitungskapitel 2Sam 15--20. Text  1 Und es war danacha und Abschalom beschaffte sichb einen Streitwagenc und Pferde  sowie 50 Mann, die vor ihm herliefend.  2 Und Abschalom pflegtea früh aufzustehen und sich an die Seiteb  des Torwegsc zu stellen. d Und es war so : Jeden Mann, der eine Rechtssache hatte, sodass er zum König kam für einen Rechtsentscheid, den rief Abschalom ane und sagte: »Aus welcher Stadt kommst du?f« Und g[immer, wenn] ‘der Mann antwortete’g und sagteh: »Aus  einem der Stämme Israels kommt dein Knecht«,  3 und dann sagte Abschalom zu ihm: »Sieh, deine Sachea ist gut und  gerecht – 2Sam 15,1–12

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und da ist keiner, der dich hört in der Umgebung des Königsb«.  4 Und Abschalom sagte: »Wer setzt mich ein zum Richtera im Land? Und zu mir könnte jeder Mann kommen, dem es um einen Rechtsstreitb und einen Rechtsentscheid zu tun ist, und ich würde ihm Recht schaffenc.«  5 Und es geschah, wenn ein Mann sich im näherte, um sich vor ihm niederzuwerfen, und dann streckte er immera seine Hand aus und fasste ihnb und küsste ihn.  6 Und Abschalom handelte in dieser Weise an ganz Israel, [an allen,] die zum König um einen Rechtsentscheid kamen. Und Abschalom stahla das Herz derb Männer Israels.  7 Und es war am Ende von ‘vier’ Jahrena, und Abschalom sagte zum Königb,c: »Ich möchte bitte gehen und mein Gelübded erfüllen, das ich Jhwh abgelegt habe – in Hebrone.  8 Denn dein Knecht hat ein Gelübde abgelegta, als ich in Geschur in  Aram saßb: ›Wenn mich Jhwh jec zurückkehren lässt nach Jerusalem, und dann will ich Jhwh ‘in Hebron’d dienen‹.«   9 Und der König sagte ihm: »Geh in Friedena!« Und erb machte sich auf und ging nach Hebron. 10 Und Abschalom sandte Agentena durch alle Stämme Israels mit  der Botschaft: »Wenn ihr den Klang des Widderhorns hört, und dann ruft: ›König geworden istb Abschalom in Hebron‹!« 11 Und mit Abschalom waren zweihundert Mann aus Jerusalem gegangen, eingeladen und arglos mitgehend; und sie wussten nichts von der ganzen Sache. 12  Und Abschalom sandte hin ‘und rief’a den Giloniter Ahitofel, den Ratgeber Davids, aus seiner Stadt, aus Gilob, als er die Schlachtop fer darbrachtec. Und die Verschwörung wurde stark. Und das Volk [, das es] mit Abschalom [hielt,] wurde immer zahlreicher. Vorbemerkung zu 1–6: In diesem Passus sind die Verben, die die anhaltende Taktik Abschaloms beschreiben, hauptsächlich we-qatal- (bzw. jiqtol-)Formen mit iterativem Sinn. Im Griechischen und im Lateinischen erwartet man dafür Wiedergaben durch Imperfekt. 4QSama bietet in diesem Textbereich viermal we-qatal-Formen, wo MT (gewissermaßen regelwidrig) wajjiq­tolFormen hat: dreimal in V. 2: [hy]hw, arqw, rmaw und wahrscheinlich einmal in

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2Sam 15,1–12 V. 6: b[ng]w_ (vgl. DJD XVII 154). 4QSamc bietet gemäß DJD XVII 261 »three correct forms«: in 1 (supralinear) [hç][y (MT: c[yw) und in 2 µykçhw (= MT) sowie hn[w (fehlt in MT). »M has six correct forms (in none of which does 4QSama or 4QSamc err) and nine incorrect. GB, generally reflecting M, uses the imperfect only three times, the aorist eleven times, with one ambiguous form. GL, agreeing with all extant 4QSama forms and all correct forms in 4QSamc, displays the imperfect throughout, except for an initial epoihsen (= GB) in 15:1« (so Ulrich in DJD XVII 261). Die Vetus Latina (und mit ihr die Vulgata) sowie Josephus (der durchwegs Imperfekt, Plusquamperfekt und Partizipien verwendet: Ant. 7.194–196) folgen GL (s. DJD XVII 261). Seidl (Abschalom 154) stellt fest, dass in der Forschung die »Bewertungen und Entscheidungen zu diesen verbalsyntaktischen Varianten divergieren«, und entscheidet sich selbst mit gutem Grund, M (und 4QSamc) zu folgen, »auch wenn der Wechsel der Verbformationen nicht immer stimmig erscheint«. Im Folgenden sind die diesbezüglichen Abweichungen zwischen den Textzeugen jeweils vermerkt. 1a Diese verknüpfende Formel wie auch der nachfolgende Satz: »Und Abschalom machte sich einen Streitwagen und Pferde und 50 Mann« sind in 4QSamc supralinear eingefügt (mit leichten Abweichungen von M, vgl. DJD XVII 260.262f), fehlten dort also ursprünglich. Doch ergibt sich so kein geeigneter Textanfang; vermutlich übersprang der Schreiber eine ganze Textzeile (so DJD XVII 263). 4QSama stimmt, wie G, mit M überein. – b Wörtlich: »er machte sich« (entsprechend G: ejpoivhsen); doch war der Prinz natürlich kein Wagenbauer, und Pferde und eine Leibwache »macht« man sowieso nicht. – c Nach G waren es mehrere Wagen (a{rmata), nach Flavius Josephus sogar viele (polla; d∆ a{rmata, Ant. 7.194). – d Schroer 177 schreibt »Trabanten«. – 2a Die beiden ersten Verben des Satzes sind we-qatal-Formen, die einen Iterativ ausdrücken. – b Den idiomatischen Ausdruck in M ahmen GBA nach (ajna; cei`ra), während GL vereinfacht zu ejpiv = »an den Torweg«. – c 4QSama liest ˚rdh dy l[ »an die Seite des Weges« statt M r[vh ˚rd dyAl[ (vgl. DJD XVII 154f). Driesbach (4QSamuela 165) hält die Lesart von 4QSama für ursprünglich und das Plus in M = G für eine »clarifying expansion specifying which road is intended«. – d 4QSama scheint hier hyhw anstelle von yhyw gehabt zu haben (vgl. DJD XVII 154). Möglich ist beides. – e 4QSama liest arqw (we-qatal) anstelle von MT arqyw (s. DJD XVII 154f). – f G bietet zusätzlich aujtw/`, »(sagte) ihm«. – g–g So nach 4QSamc und, bei entsprechender Rekonstruktion (vgl. DJD XVII 263), auch 4QSama: vyah hn[w, wobei die weqatal-Form natürlich kein Präsens, sondern einen Iterativ anzeigt (deshalb oben: »immer, wenn«). Dem entsprechend bietet GL kai; ajpekrivnato oJ ajnh;r kai; e[legen. Wäre, wie Joosten (Verbal System 178) annimmt, das wajjiqtol in M an unserer Stelle »a typical event recounted to illustrate the habitual process«, dann wäre obige Übersetzung auch von M her gerechtfertigt. – h 4QSama: rmaw anstelle von MT rmayw (Cross et al., DJD XVII 154f). – 3a Der Singular ˚rbd im hebräischen Haupttext wird gefolgt von pluralischen Adjektiven. Laut BHS haben zahlreiche Handschriften den Plural ˚yrbd, den man übersetzen könnte mit »deine Angelegenheiten«. – b Wörtlich: »der dich hört vom König her«. – 4a GL-Zusatz: »über Israel«. – b In 4QSamc scheint das Hilfsverb hyh übergangen zu sein. In den griechischen Versionen findet sich eine Entsprechung zu byr, in diesem Fall in Form von ajntilogiva, nur in GBA, während sie in GL fehlt. – c Möglich wäre auch die Übersetzung »Recht

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geben« (vgl. KAHAL 475); dann würde Abschalom allen, die künftig in einer Rechtssache zum König kämen, versprechen, zu ihren Gunsten zu entscheiden: juristisch ein Hasardspiel. – 5a Alle drei Verben des Hauptsatzes sind we-qatal-Formen, mit iterativer Bedeutung. – b M verbindet das Verb qzj Hif. überraschend mit der Präposition l. »Meist wird eine Verschreibung angenommen« (Seidl, Abschalom 155). Laut BHS bieten viele hebr. Handschriften das zu erwartende wb. – 6a Angeblich lässt sich in 4QSama wie in 4QSamc hier eine we-qatal-Form rekonstruieren (DJD XVII 155.264f). Sie wäre wohl als Durativ zu verstehen: Abschalom gelang es nach und nach oder im Lauf der Zeit, die Herzen zu stehlen. – b In der Textüberlieferung gibt es hier kleinere Abweichungen: in GLMN »die Herzen«, in GL und der Vetus Latina »aller Männer«, in GN »der Söhne Israels« und in der Peschitta »aller Söhne« Israels. – 7a Ein Äquivalent zu ≈q, »Ende«, bieten GBA, nicht aber GL. Nach GL handelte es sich um einen Zeitraum von »vier Jahren« (dem folgen die meisten z.B. Bar-Efrat II 155; desgleichen McCarter II 355, der in der Schreibweise von M ein »enclitic -m« vermutet). Die »vierzig Jahre« in M und GBA sind sicher verkehrt. Nach Caquot / de Robert 527 orientiert sich diese Angabe an der Regierungszeit Davids nach 2Sam 5,4f, sodass Abschalom erst an deren Ende revoltiert hätte. Das vermutet auch Schücking-Jungblut, Macht und Weisheit 150.152; sie will diese Lesung beibehalten und daraus weitreichende redaktionsgeschichtliche Schlüsse ziehen. Tsumura II 233 rechnet mit einem unspezifischen Gebrauch von »vierzig« im Sinne von »toward the end of Absalom’s waiting period«. Althann (Meaning 250f), gefolgt von Mann (Run, David 72f), schlägt eine völlig andere Lösung vor: »Vierzig« sei richtig, gemeint gewesen seien aber »Tage«, nicht »Jahre«; die Auslassung von Nomina nach Zahlen sei nicht unüblich, und hnv sei kein Nomen, sondern ein Verb mit der Bedeutung »repeat, do again«, also: »And at the end of forty days Absalom spoke insistently to the king« (252). Doch abgesehen von der waghalsigen Deutung der Syntax: Warum sollten die Aufstandsvorbereitungen nur einen guten Monat in Anspruch genommen haben? – b Statt »zum König« redet Abschalom laut GBA »zu seinem Vater«. – c GL scheint hier ein rmal vorgefunden zu haben. – d G hat den Plural eujcav~, »Gebete«, auch »Gelübde«. – e Die nachgestellte Ortsangabe ist auffällig. Abschalom hat das Gelübde in Hebron nicht abgelegt, sondern möchte es (angeblich) dort erfüllen. Zu erwarten wäre etwa gewesen: »Ich will nach Hebron gehen, um dort …« usw. Nach McCarter II 356 leistete Abschalom sein Gelübde dem »Hebroinite Yahweh, the local manifestation of the national god … Thus the vow cannot be fulfilled in Jerusalem«. Das ist verlockend, doch wäre die Formulierung einzig; auch in den von McCarter als Parallele beigezogenen Gottesbezeichnungen der Inschriften aus Kuntillet Adschrud (»jhwh šmrn«, »jhwh tmn«, meist wiedergegeben als »der Jhwh von Samaria / von Teman«) wird der status constructus gebraucht, nicht die Präposition b. Tsumura II 233 stellt wohl richtig fest: »The phrase in Hebron modifies the main verbs ›go and fulfill‹, not the subordinate ›made‹, hence fulfill in Hebron my vow«. – 8a Im Hebräischen eine figura etymologica: »ein Gelübde geloben«. – b Es wird hier ein »folgendermaßen« weggelassen, das im hebräischen (rmal) wie im griechischen Text (levgwn) steht. – c Dies zur Wiedergabe des Inf. abs. bwvy (so das Qere, gefolgt von Teilen von G, T und S, in Korrektur des inkorrekten byvy im Ketib). Allerdings wäre eine Hif.-Form zu erwarten, also bvh. Nach Althann (Repetition 179) ist der ganze Ausdruck »un-Hebraic«; man könne aber beim Ketib bleiben, wenn man mit einer bewussten Wiederholung im Sinne einer Intensivie-

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2Sam 15,1–12 rung rechne: »He will bring back, he will bring me back« (182). – d Diesem Plus in GL ist aus inhaltlichen Gründen zu folgen. Nach McCarter II 355 könnte es in M weggelassen worden sein, damit nicht der Gedanke an einen besonderen »Jhwh von Hebron« aufkomme. Parker indes (Vow 698) meint, auch der Text von M sei verständlich, da »Hebron« schon in 7 als der Ort der Einlösung des Gelübdes genannt sei. – 9a So M und GBA; GL hingegen: »Geh 9 und lass es dir gut gehen!« Dazu fragt LXX-D 837: »Setzt das … Part. uJgiaivnwn das hebr. Part. µlv statt µlvb voraus?« – b GL verdeutlicht: »Abschalom«. – 10a Meistens sind µylgrm »Kundschafter« (so KAHAL 533a auch für 10 unsere Stelle). Doch im vorliegenden Fall gilt es ja nichts auszuspionieren, sondern eine bestimmte Parole zu verbreiten; freilich müssen die, die das tun, »undercover« agieren wie Spione. Bar-Efrat II 155 spricht von »Geheimagenten«. Der Schreiber von 4QSamc hat µylgrm ersetzt durch µlvwrym »von Jerusalem aus«. Das ist eine erwägenswerte Alternative; Vers 12 (s. unten Textnote 12a) sowie etwa 2Sam 13,7 (»Und David sandte zu Tamar«) zeigen, dass nicht immer ein Objekt des »Sendens« benannt werden muss. – b GBMN haben offenbar zweimal ˚lm vorgefunden und übersetzt: bebasivleuken basileuv~ Abessalwm, »König geworden ist König Abschalom«. Oder ist das erste ˚lm als Inf. abs. zu verstehen (»Ganz bestimmt wurde Abschalom König«)? – 12a So mit GLMN und der supralinearen Ergänzung (von der ersten Hand) in 12 4QSamc: ta ar‚[qyw] j%[lçyw] (vgl. DJD XVII 264f). Demgegenüber haben M und GBA nur »sandte [nach]«. Wellhausen (Text 195) sucht den vermutlichen Wegfall von arqyw durch das eine Zeile darüber stehende µyarq zu erklären. Auch LXX-D 837 spricht von »Hapl.[ographie]« – b GBA haben kai; ajpevsteilen Abessalwm τῷ Aceitovfel τῷ Qekwnei; / Gilwnaivw/ suvmboulon / τῷ Δαυιδ ἐν povlei aujtou`. Offenbar stolperten die Übersetzer darüber, dass der ihnen vorliegende Text so verstanden werden konnte, als hätte Abschalom Ahitofel Nachricht gesandt »aus seiner Stadt Gilo« – wo dies doch nicht Abschaloms, sondern Ahitofels Stadt war. Zur Sicherung des richtigen Verständnisses übertrugen sie: »Und Abschalom sandte (Nachricht) dem Ahitofel … in seiner Stadt«. In GB wurde suvmboulon Δαυιδ »Ratgeber Davids« versehentlich im Akkusativ belassen (s. McCarter II 355). Am Versende findet sich in GL die merkwürdige Namensform Metallaad, wahrscheinlich eine Verschreibung aus d[lgm, »aus Gilead«, was seinerseits aus hlgm verschrieben sein dürfte, vgl. Kim, Textgeschichte 363f (wo allerdings der übrige G-Text falsch wiedergegeben wird, was der Vf. in seinem Buch [Textformen 115ff] korrigiert). – c Im Hebräischen eine figura etymologica: »als er die Schlachtopfer schlachtete«.

Mit dieser Perikope beginnt der große Erzählzusammenhang vom Form Aufstand Abschaloms (2Sam 15–19). Die beiden vorangehenden Kapitel bildeten die Vorgeschichte dazu. In ihnen war Abschalom noch nicht die Zentralfigur, war aber in allen Szenen – der Vergewaltigung Tamars durch Amnon (13,1–22), der Ermordung Amnons (13,23–39) und dem Ringen um die eigene Rehabilitierung (14,1–33) – präsent. Wenn er jetzt in die Mitte der Erzählbühne tritt, ist er den Lesenden bereits recht gut bekannt; sie haben eine Ahnung von seinem Wesen, seinen Vorerfahrungen und seiner Handlungsweise. Mit Müh und Not hat Abschalom in 2Sam 14 erreicht, dass er dem König, seinem Vater, wieder unter die Augen treten durfte; demons-

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trativ hat dieser den straffällig gewordenen Sohn »geküsst«, d.h. ihn wieder in Amt und Ehren eingesetzt (sofern die Position eines Prinzen, des Kronprinzen wohl, ein mit Ehren ausgestattetes Amt war). Es dauert nicht lange – die Formel »und es war danach« (1) benennt keine genaue Zeitspanne –, bis Abschalom diese Position dazu zu nutzen beginnt, diejenige seines Vaters zu unterminieren. Er bereitet die offene Rebellion durch eine jahrelange untergründige Wühlarbeit vor. So energisch Abschalom ist, er ist doch fähig, den richtigen Zeitpunkt für die jeweilige Aktion geduldig abzuwarten. Volle vier Jahre (falls der Text so richtig emendiert ist) soll er in Jerusalem seine Wühlarbeit betrieben haben; insgesamt umspannen die in 2Sam 13–15 geschilderten Vorgänge rund ein Dutzend Jahre1. Mag Abschalom zu Beginn dieser Ereigniskette ein sehr junger Mann gewesen sein, so dürfte er jetzt ein »Mann in den besten Jahren« sein (was David aber nicht davon abhalten wird, in ihm weiterhin seinen »Jungen« zu sehen). David seinerseits kann jetzt nicht mehr ganz jung sein – aus Sicht des ehrgeizigen Sohnes alt genug, um endlich abzutreten (oder, wenn nötig, beiseitegeschoben zu werden). Aufbau

2Sam 15,1–12 gliedert sich in zwei Abschnitte: 1–6 (die jahrelange Wühlarbeit gegen David) und 7–12 (das Fanal zum Aufruhr). Cartledge (Vows 194) möchte die29 zweite Hälfte unterteilen in 7–9a (die Vorsprache beim König) und 9b–12 (der Ausbruch der Revolte). PDF S. 29ebenmäßigem Aufbau legt SchüEinen differenzierteren Aufriss mit4:sehr cking-Jungblut (Macht und Weisheit 148) vor: 0 A

B

Exposition Abschalom gewinnt Anhänger 1. Äußere Bedingungen 2. Umgang mit Rechtsuchenden 3. Fazit Beginn des Aufstands 1. Täuschung des Königs 2. Mobilisierung von Anhängern 3. Fazit

1 2–5 2a 2b–5 6 7–12 7–9 10–12a 12b

Ob man jedoch 1 von 2–5 abtrennen sollte und ob die Punkte 1., 2. und 3. in den Teilen A und B sich wirklich entsprechen, ist fraglich.

1  Vgl. 13,23: zwei Jahre (nach der Vergewaltigung Tamars); 13,38: drei Jahre (Aufenthalt in Geschur im Gefolge des Brudermords); 14,28: zwei Jahre (nach der Rückkehr nach Jerusalem); 15,1: unbestimmter Zeitraum nach der Rehabilitierung durch David; 15,7: vier Jahre (t.e.: nach Beginn der Wühlarbeit).

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Rein formal fällt auf, dass im ersten Teil auffällig viele we-qa­talFormen mit durativer bzw. iterativer Bedeutung begegnen, während Teil B von den üblichen Narrativen (wajjiqtol) beherrscht ist. Das heißt: In 1–6 spiegelt sich eine lange Zeitspanne mit einer Vielzahl immer gleicher Handlungen, in 7–12 entlädt sich explosionsartig ein lange Zeit angesammelter Zündstoff. Die fortwährende Kritik an David und das unablässige Eigenlob bzw. die Versprechungen Abschaloms bestimmten mehr und mehr die öffentliche Wahrnehmung. (Es ist das Muster, nach dem auch moderne Werbe- und Wahlkampagnen gestaltet sind.) Der Aufruf zum Umsturz fiel dann auf sorgsam vorbereiteten Boden. Die Erzählung weist insgesamt die hohe narrative Qualität auf, wel- Leitwortstil che die gesamte Abschalomgeschichte kennzeichnet. Speziell in dem Passus 7–9 ist eine Häufung von Wörtern zu beobachten, die sich – soll man sagen: ironischerweise? – von der Wurzel µlv (vollständig sein, heil sein, Frieden haben) herleiten2. Abschalom will sein Gelübde erfüllen (µlva), das er geleistet hat für den Fall, dass er nach Jeruschalem zurückkehren kann, und David verabschiedet ihn mit den Worten: »Geh in Frieden (µwlvb)«. Doch nicht Heil und Frieden sind angesagt, sondern Unheil und Krieg. Unbefangen Lesende werden sich wundern, wie Abschalom über Charaktere Jahre hinweg gegen seinen Vater hetzen konnte, ohne dass ihm Einhalt geboten wurde. War die gesamte Umgebung des Königs, waren seine Sicherheitskräfte, war er selbst blind gegen die Umtriebe des Prinzen3? Oder agierte Abschalom derart verdeckt, dass nicht einmal seine Gesprächspartner merkten, worauf das Ganze zulief? Niemandem freilich konnten der Streitwagen und die Kohorte von fünfzig Bewaffneten entgehen, die Abschalom sich zulegte. Dachte man, dachte auch David, derlei stehe einem (Kron-)Prinzen eben zu? Wie kann David seinem Sohn erlauben, zu einem offenbar größeren festlichen Anlass nach Hebron zu ziehen: dorthin, wo er selbst einst gekrönt wurde (2Sam 2,4; 5,3)? Wie konnten 200 Leute aus Jerusalem mitgehen, angeblich ohne etwas von Abschaloms Absichten zu ahnen? Wie muss es um die Stimmung im Land bestellt gewesen sein, dass Abschalom mit unspezifischen Unterstellungen und ungedeckten Versprechungen »das Herz der Männer Israels stehlen« konnte? Fand es niemand seltsam, dass der Möchte2  Vgl. hierzu Cartledge, Vows 197. 3  So Cartledge, Vows 195: »David … is portrayed as being ruled by emotional love for Absalom which causes him to be overly trustful«. Ähnlich Stoebe II 358: David erscheint hier »als unfaßbar blind und schwach gegenüber seinem Sohn«.

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gern-Richter Abschalom jedem Recht gab, der beim König um Recht nachsuchen wollte? Man kann Abschaloms Vorgehen freilich eine gewisse Geschicklichkeit nicht absprechen. Er legt eine Mischung aus Pomp und Prunk (Wagen, Läufer) und aus Leutseligkeit und Bescheidenheit an den Tag (die Leute sollen vor ihm nicht zu Boden fallen, sondern sich von ihm küssen lassen). Er nimmt sich sehr viel Zeit für seine subversiven Umtriebe und erscheint »als ein gründlicher Mensch …, der nichts überstürzt«4. Die wahren Motive für den Gang nach Hebron tarnt er durch ein scheinbar frommes Anliegen, gegen das der Vater nicht leicht etwas einwenden kann. 200 Leute mitzunehmen, die überhaupt nichts mit dem Putsch zu tun haben, ist eine ebenfalls hochwirksame Tarnung. Ahitofel als Mitstreiter zu gewinnen: Das ist ein geradezu genialer Schachzug, mit dem der Rebell demonstriert, dass die besten Männer des Königs von diesem genug haben. Und dann ist alles minutiös vorbereitet: Es scheint, als sei auf den Schofar-Klang und den Königsruf im Land förmlich gewartet worden. Überall standen »Agenten« bereitet, die im richtigen Moment die passende Parole ausgaben. Die Schlusssätze »Die Verschwörung wurde stark« und »Das Volk, das es mit Abschalom hielt, wurde immer zahlreicher« setzen eine generalstabsmäßige Planung voraus – und das Wissen, dass nichts erfolgversprechender ist als der Erfolg. Ort Geographische Orte

1.  Geographische Angaben In 15,1–12 werden nicht viele Orts- und Landschaftsnamen verwendet, und sie wurden zumeist schon früher genannt: Zu Jerusalem vgl. Bd. 3, S. 462–470, zu Hebron, ca. 35 km südsüdwestlich von Jerusalem, Bd. 3, S. 307f, zu Geschur Bd. 3, S. 355f. Hinzu tritt jetzt Gilo als Wohnort Ahitofels. Die Ortslage befindet sich einige Kilometer südwestlich von Jerusalem, etwa ein Drittel des Weges nach Hebron (MR 167.126)5. Dort kamen Siedlungsreste vor allem aus der Eisenzeit I, aber auch aus der Eisenzeit II und dann erst wieder aus dem Mittelalter zutage. Offenbar handelte es sich um eine Art Vorposten Jerusalems. Der Ausgräber wollte die Siedlung auch mit dem in 2Sam 5,20 erwähnten Baal-Perizim in Verbindung bringen (vgl. dazu Bd. 3, S. 526) und sah sie als israelitische bzw. judäische Gründung6, doch lässt sich auch kanaanitische bzw. jebusitische Provenienz nicht ausschließen7. 4  Bar-Efrat II 153. 5  Vgl. Mazar, Giloh 519. Demgegenüber behauptet Tsumura II 234 ohne weitere Begründung, die Ortschaft liege »somewhere south and west of Hebron near Kh. Rabud (MR 151.093)«. 6  Mazar, Giloh 519. 7  Dafür plädiert Ahlström, Settlement 171f. Vgl. auch Bd. 4, S. 152.

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2.  Literarkritik (bzw. deren Grenzen) LiteraturUnter »Form« wurde festgestellt, dass die kleine Erzählung deutlich historischer Ort in zwei Teile zerfällt: einen, der eine längere Zeitspanne, und einen, der ein konkretes Ereignis abbildet. Fast möchte man sagen: Es ist Geschmackssache, ob man beides einem Autor zutraut oder lieber zwei annehmen möchte. Vermeylen (Loi 501f) – ein literarkritischen Operationen gewiss nicht abgeneigter Forscher – rechnet 1–12 geschlossen zur ältesten Textschicht der Daviderzählung. Schücking-Jungblut hingegen (Macht und Weisheit 151–161) möchte von einer »Grundschicht« in 7.9f.12, die Abschalom neutral bis wohlwollend gegenüberstehe, eine »Ergänzungsschicht« in 1–6.11 unterscheiden, die ihn negativ qualifiziere. Die Wendung vom »Stehlen des Herzens der Männer Israels« in 6 sei aus der neutraleren in 13 abgeleitet, wonach das »Herz der Männer Israels hinter Abschalom« war. Auch liege dem Ergänzer daran, »Israel« als gegenüber Jerusalem eigenständige Größe erscheinen zu lassen, worin sich ein projudäischer Standort zeige. Gegen diese Sicht ist mehreres einzuwenden. Zur Heraustrennung von 11 aus dem Bericht 7–12 gibt es keinen Grund als nur den inhaltlichen, dass Abschalom hier als einigermaßen hinterhältig erscheint. Doch mit oder ohne 11: Man kann die zweite Hälfte der Erzählung kaum »antijudäisch« und insofern in Gegensatz zu 1–6 stehend finden. Schließlich und vor allem meint »Israel« in der gesamten Abschalom-Erzählung nicht spezifisch den israelitischen Norden, sondern die Bevölkerung beider Reichsteile (worauf noch zurückzukommen ist). Seidl (Abschalom 156) meint sowohl formal wie inhaltlich eine markante Spannung zwischen 1 und 2–6 feststellen zu können. »Die Schaffung einer persönlichen Durchsetzungstruppe … ist in äußerst knapper Sachlichkeit … konstatiert«, während die Einflussnahme auf die Bürger »in lebendiger erzählerischer Gestalt, mit den Mitteln von Rede und Gegenrede, in aller Ausführlichkeit geschildert« werde. Eigentlich passten die beiden »Maßnahmen … nicht zueinander: 15,1 zeigt den herrschaftlich abgehobenen Abschalom, 15,2–6 dagegen einen volksnahen, jede höfische Etikette abwehrenden … Partner des Volkes«. Also sei 1–6 »eine redaktionelle Einheit …, die zwei unterschiedliche literarische Überlieferungen … zusammenstellt«. Müssen aber zwei Seiten bzw. Wesenszüge einer Person von zwei Autoren, können sie nicht auch von einem beschrieben werden? Von mehreren Seiten bestritten wird die Ursprünglichkeit von Vers 8. Nach Schücking-Jungblut (153) dient er der nachträglichen Verknüpfung der Erzählung vom Beginn des Aufstands mit der (sekundär vorgeschalteten) Vorgeschichte in Kap. 13–14, speziell mit der dort berichteten Flucht Abschaloms nach Geschur8. Ursprünglich habe Abschalom sein Gelübde in Hebron abgelegt und wollte es darum auch dort einlösen. Freilich bleibt ohne 8 der Inhalt des Gelübdes völlig undeutlich. Wie aber hätte David das überzeugen sollen? Gleichwohl meinen Caquot / de Robert 528, ihr »rédacteur sadocide« habe den Gelübdeinhalt sekundär eingetragen, weil er an rituellkultischen Fragen besonders interessiert gewesen sei. Genügt das aber als 8  In späterem Zusammenhang (226) gibt Schücking-Jungblut aber zu erkennen, dass 8 auf einer späteren Stufe liege als die Ergänzungsschicht 1–6.11.

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2Sam 15,1–12 Motiv für diese Einfügung? Wohl mit Recht schätzt Seiler (Thronfolge 124) 8 als im (größeren wie im engeren) Zusammenhang unentbehrlich ein. Wenn es (wie in diesem Kommentar angenommen) einmal eine eigene Abschalom-Novelle gab, dann dürfte zu dieser nicht nur der Bericht vom Ausbruch der Revolte in 15,7–12 gehört haben, sondern wohl alle den Aufstand vorbereitenden Abschnitte in 2Sam 13,1 – 15,6. Das schließt nicht aus, dass der Novellist 15,1–6 (und allenfalls 15,11) womöglich selbst formulierte, während er ab 7 vielleicht eine (mündliche?) Vorlage verarbeitete. Dies wird sich freilich nicht mehr aufklären lassen. Historische Plausibilität

3.  Die Frage nach der historischen Zuverlässigkeit Der Kern des in 1–12 Erzählten hat sich gewiss ereignet: Irgendwann in der fortgeschrittenen Regierungszeit Davids kam es zu einem weiträumigen Aufstand gegen ihn. Er wurde vom (Kron-)Prinzen Abschalom vorbereitet und angeführt und nahm in Hebron seinen Ausgang. Viele Einzelangaben der Erzählung lassen sich indes historisch kaum mehr verifizieren. Glaubhaft, aber nicht beweisbar ist, dass Abschalom sich einen Streitwagen und eine größere Truppe von Bodyguards als königliche Statussymbole zulegte9. Möglich ist auch, dass er die am Königshof geübte Rechtspraxis kritisierte und dadurch die Sympathien vieler Bürger gewann. Der Bericht darüber ist freilich vollkommen stilisiert10, indem ein möglicher Auftritt des Prinzen als typisch und als ständig wiederholt dargestellt wird. Es ist schwer vorstellbar, dass sich Abschalom sämtlichen Leuten, die in einer »Rechtssache« zum König kamen, in der geschilderten Weise angebiedert11 – und dass das bei Hofe niemand bemerkt hätte.

Rechtswesen Der juridische Hintergrund des in 2–5 Berichteten ist nicht ganz leicht zu im davidischen fassen. Wer kam mit welchen Rechtsanliegen zum König? Gab es nicht die Staat Lokalgerichtsbarkeit – und wie verhielt sich zu dieser die Königsgerichtsbar-

keit? Ist daran gedacht, dass in Jerusalem Fälle entschieden wurden, die vor Ort nicht entscheidbar waren, war das Königsgericht also oberste Rechtsinstanz im Lande? (Diesen Eindruck erweckt die Geschichte von der Witwe aus Tekoa in 2Sam 14,4–11.) Oder konnten dort Fälle vorgebracht werden, die nach gängigem Recht nicht wirklich justiziabel waren? (Daran lässt Natans Geschichte in 2Sam 12,1–4 denken.) In jedem Fall ist seltsam, dass Abscha-

9  Mann (Run, David 74) betont, dass dies noch nicht als Aufstandsvorbereitung gewertet werden muss; vielleicht wollte sich Abschalom nur als Thronfolger in Position bringen – und erfreute sich sogar der Unterstützung durch David. 10  Stolz’ Votum (253) ist noch zu optimistisch: »Die Darstellung ist gewiß stilisiert und komprimiert, läßt aber doch die historischen Vorgänge ganz deutlich werden«. 11  Dem begegnet Cohen (Rebellions 107) mit dem Argument, die einzelnen »plaintiffs« seien »leaders of groups« gewesen, sodass Abschalom mit jedem gewonnenen »Herzen« ungezählt viele weitere zuflogen.

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2Sam 15,1–12 lom jedermann, der beim König um sein Recht nachsuchen wollte, vorab und ohne weitere Prüfung des Falls Recht gegeben haben soll (3: »Sieh, deine Sache ist gut und gerecht«)12. Wäre ein solches Verhalten nicht sofort als platter Populismus und pure Scharlatanerie durchschaut worden? Soll man im Stillen ergänzen, Abschalom habe sich natürlich zunächst näher erkundigt und erst dann sein Urteil gefällt13? Doch warum würde das nicht mitgeteilt? Eine auf den ersten Blick gewinnende Lösung ist es anzunehmen, dass man beim König nur in solchen Fällen um Recht nachsuchte, in die er bzw. seine Verwaltung direkt involviert waren: wenn es etwa Beschwerden gab gegen zu hohe Besteuerung, gegen die Umwandlung von Grundeigentum in Krongut, gegen übermäßige Belastung durch Fronarbeit oder sonstige Dienstleistungen (auch von Frauen oder Mädchen), gegen die Einberufung unabkömmlicher Familienglieder ins Militär14. Wäre es so, dann könnte Abschalom mit einem gewissen Recht jedem Beschwerdeführer gesagt haben, er sei im Recht. Freilich, auch das würde vom Text nicht deutlich zum Ausdruck gebracht15. Wagner bezweifelt nachdrücklich, dass es damals nur um »Fälle des, wie wir heute sagen würden, Verwaltungsrechts« ging (Gerichtsordnung 160). Vermutlich hätten gerade »Rechtsfälle aus den Heimatorten« angestanden (161), für die aber David sich nicht zuständig fühlte, weil er, selbst noch altem Stammesdenken verhaftet, den Spielraum der örtlichen Rechtsgemeinden nicht einschränken wollte. Im Alten Orient jedoch hätten ausweislich der aufgefundenen altorientalischen Rechtscorpora die Könige (oder deren Delegierte) ganz entschieden Einfluss auf das allgemeine Rechtswesen genommen (163). Abschalom könnte eine solche Praxis bei seinem Aufenthalt in Geschur kennengelernt und den Wunsch gehabt haben, sie auf Israel zu übertragen (164). »Schwebte Absalom etwa eine Reform der israelitischen Gerichtsordnung vor, die dem König Kompetenzen auch in den Fällen zugesteht, die bisher ausschließlich in den örtlichen Rechtsgemeinden entschieden wurden?« (164). Etwas anders argumentiert Whitelam (Just King 139f): David habe es versäumt (bzw. abgelehnt), von seiner richterlichen Kompetenz etwas an seine Administration abzugeben, wodurch er selbst überfordert gewesen sei. Abschalom »was suggesting the appointment by the king of a royal official, a [mç« (140); ein solcher juristischer Spitzenbeamter fehle in den davidischen Beamtenlisten. Dem folgt Anderson 195: »the main weakness of the legal administration was the lack of an official or king’s representative to hear such cases«. Derartige Überlegungen dürften den Text allzu historistisch 12  Alter 283 sieht in Abschalom den typischen »Demagogen«, der den Leuten sagt, was sie hören wollen, und sie dadurch auf seine Seite zieht. 13  So Bar-Efrat II 154: Abschalom wird »sicherlich jeden Mann gefragt haben, warum er zum königlichen Gericht komme, und der Betreffende wird seinen Fall detailliert dargelegt haben«. 14  Dafür plädierte grundlegend Crüsemann, Widerstand 99f; aber etwa auch Anderson (194), der von »military duties, taxation, forced labor service … or royal encroachment« spricht. Ähnlich äußern sich Cohen (Rebellions 107), Alter (283), Hentschel (II 64), Firth (455) und andere. 15  Auch Seidl (Abschalom 164) betont, dass »die Art des Rechtsfalles bzw. der Rechtskompetenz völlig offen« bleibt. Was der Text anzeige, sei lediglich eine »zu große Distanz zwischen König und Volk …: Berechtigte Anliegen der Untertanen finden bei der königlichen Instanz keine Beachtung mehr«.

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2Sam 15,1–12 nehmen: so als ließen sich aus ihm tatsächliche Schwächen des damaligen Rechtswesens ablesen und als habe Abschalom eine ernsthafte Rechtsreform angestrebt. Nein, der Erzähler will nur sagen, dass der angehende Putschist in diesem Bereich die Chance sah, Unzufriedenheit und eine umstürzlerische Stimmung zu schüren. Ob es tatsächlich so war, weiß niemand.

Nimmt man die Abschalom-Erzählung als Ganzes, dann stellt sich der Eindruck ein, dass der Aufstand viele Ursachen hatte und dass sich viele Gruppen aus ganz verschiedenen Gründen daran beteiligten. Es mögen bestimmte Mängel des Rechtswesens eine Rolle gespielt haben – wenn, dann wohl am ehesten im Spannungsfeld zwischen Königshaus und Ortsgemeinden bzw. Stämmen. Hinzu könnte ein tiefverwurzeltes, generelles Misstrauen gegen eine Zentralherrschaft gekommen sein, wie es sich etwa in der Jotam-Fabel Ri 9,7–15 oder im sarkastischen Königsrecht 1Sam 8,11–17 ausdrückt16. Freilich ist hier zu bedenken, dass Abschalom nicht etwa eine Republik ausrief, sondern selbst auch nichts anderes sein wollte als ein König. Gleichwohl könnte man von ihm erwartet (oder auch er selbst den Eindruck erweckt) haben, er werde die Bevölkerung, verglichen mit seinem Vater, weniger als Untertanen und mehr als Bürger behandeln17. Unstrittig war die Davidherrschaft gezeichnet durch eine Vielzahl von Kriegen, die nicht nur hohe materielle Kosten verursacht, sondern auch einen hohen Blutzoll gefordert haben werden18. Sehr glaubhaft ist auch, dass Angehörige und Anhänger des Hauses Sauls die Ablösung ihres Heros durch den Aufsteiger – oder wie sie es sahen: den Usurpator – David nicht verkraftet hatten und sich gern an einem Versuch beteiligten, diesem die Macht wieder zu entwinden. Und was speziell den Wechsel des königlichen Ratgebers Ahitofel von David zu Abschalom betrifft, so könnte gekränkte Familienehre ursächlich gewesen sein19. Ein Flächenbrand, wie der Aufstand Abschaloms offenbar einer war, nährt sich selten nur aus einem einzigen Brand16  Anderson 197 spricht von »conservative elements, and certain tribal sections«, die mit David unzufrieden gewesen seien. 17  Nach Stolz 254 appellierte Abschalom »an alte, jetzt aber gefährdete Rechte der Stammesgenossen«. 18  Diesen Aspekt hebt Weingreen (Rebellion 263–266) mit Recht hervor. Wenn er aber im gleichen Zusammenhang eine verbreitete Empörung über die Batscheba-Urija-Affäre als Aufstandsursache vermutet, liest er die Bibel wiederum zu historistisch. Doch s. die nächste Anmerkung. 19  Der Vater Batschebas, die David sich widerrechtlich angeeignet hatte, war laut 2Sam 11,3 Eliam, und ein gewisser Eliam figuriert in der Liste von Davids »Dreißig« als Sohn »Ahitofels, des Giloniters« (2Sam 23,34). Sehr wahrscheinlich war Ahitofel also der Großvater Batschebas. Bekanntlich gehörte auch deren Gatte, »Urija, der Hetiter«, zu den Dreißig (2Sam 23,39), war also wiederum ein Waffenkamerad Eliams. Vgl. schon Bd. 4, S. 151.

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herd20. Insofern ist die Schilderung in 1–6 zwar historisch nicht völlig unplausibel, doch bietet sie sicher keine erschöpfende Erklärung für das, was dann geschah. Bakon (Absalom’s Revolt 122f) meint den in 2Sam 24,1–9 erzählten Zensus zur Erklärung heranziehen zu können. Dieser habe keine militärischen Absichten zum Hintergrund gehabt – sonst hätte nicht gerade Joab opponiert –, sondern den Plan, in Israel ein »new system of corvée«, also staatlich verordnete Zwangsarbeit, einzuführen. Doch diese Mutmaßung lässt sich nicht verifizieren. Es sei ein Abschnitt aus dem Kommentar Bar-Efrats zitiert (II 151), der das Feld historischer Möglichkeiten umsichtig absteckt, am Ende aber, mit Blick auf die Quellenlage, zu einem resignativen Urteil gelangt: »Der Erzähler teilt uns nicht mit, welche gesellschaftlichen, politischen oder tribalen Kreise hinter Abschalom standen, auch haben wir keine Kenntnis über die Ursachen des Aufstands – abgesehen vom persönlichen Ehrgeiz Abschaloms. Zwar haben Historiker verschiedene Gründe angeführt [es folgt eine umfassende Aufzählung] … Aber all diese Erklärungsversuche bleiben Vermutungen, weil der Erzähler offensichtlich kein Interesse an diesen Aspekten des Geschehens hat.«

Aufstand in Juda und/oder Israel? Nachzugehen ist schließlich der Frage, ob der Aufruhr im judäischen Süden oder im israelitischen Norden seine hauptsächliche Trägerschaft fand. Für beides lassen sich Gründe nennen. Auf eine führende Rolle Judas21 deutet hin, dass a) die Rebellion in Hebron ihren Ausgang nahm, dem Zentralort des judäischen Südens, b) Ahitofel aus dem judäischen Gilo an ihr mitwirkte und c) laut 2Sam 19,12–15 David nach dem Sieg um Juda ausdrücklich werben musste22. Für den israelitischen Norden als Hauptträger des Aufstands spricht a) die ausdrückliche Nennung »Israels« bzw. der »Stämme Israels« nicht nur in 15,2.6.10, sondern auch danach immer wieder, b) die Parteinahme prominenter Sauliden gegen David (2Sam 16,5–8, auch 16,4), c) die Ernennung Amasas, väterlicherseits eines Israeliten, zu Abschaloms Heerführer (2Sam 17,25), d) die in 2Sam 19,11 zitierte Aussage der 20  McCarter II 359 vermutet eine Vielzahl von Faktoren, etwa staatliche Eingriffe in die Stammes-Souveränität, den anwachsenden Königshof, persönliche Eifersüchteleien, Mängel im Rechtswesen, Frondienste, Aushebungen fürs Militär – kurz, »a mass of indefinable grievances«. 21  Nach Schunck (Benjamin 140) war neben Juda noch Benjamin ein hauptsächlicher Träger des Aufstands. Darauf kann man angesichts des Verhaltens der Benjaminiten Meribaal ben Scha’ul (jedenfalls nach dem Zeugnis seines Knechtes Ziba), Schimi ben Gera und Scheba ben Bichri leicht kommen. 22  Bardtke (Erwägungen 1–8) glaubt zudem etwas von einer »großjudäischen Amphiktyonie« zu wissen, die einen »Heilskönig« erwartete, aber erkennen musste, dass David dies nicht war, und nun hoffte, Abschalom werde es sein – eine höchst phantasiereiche Konstruktion.

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»Stämme Israels«, sie seien es gewesen, die Abschalom zum König gesalbt hätten, e) die Tatsache, dass auch nach der Niederschlagung des Abschalom-Aufstands der Norden wiederholt Sezessionsgelüste hegte (2Sam 20; 1Kön 12), und schließlich f) der aus 1Kön 12 sich ergebende Eindruck, in der judäisch-israelitischen Doppelmonarchie sei – womöglich nicht erst unter Salomo, sondern schon unter David – der Norden mit schwereren Lasten belegt worden als der Süden23. Vermutlich ist die Alternative Juda oder Israel falsch gestellt24. Das älteste Textstratum, die Abschalom-Novelle, meint mit »Israel« allem Anschein nach nicht spezifisch den Norden bzw. die Nordstämme, sondern die Bevölkerung der gesamten Doppelmonarchie25. Nicht von ungefähr wird in 2Sam 17,11 vorausgesetzt, Abschalom könne jederzeit ein Milizheer »von Dan bis Beerscheba« aufbieten26. Wenn das stimmte, dann hätte David Gefolgschaft fast nur noch bei seiner engeren Jerusalemer Umgebung und beim Berufsheer, namentlich bei ausländischen Söldnern, gehabt, weswegen er sich vor dem Ansturm Abschaloms weder nach Süden noch nach Norden in Sicherheit bringen, sondern sich nur noch nach Osten, über den Jordan, zurückziehen konnte. Auf der zweiten Textebene indes, der des Höfischen Erzählwerks, treten die Reichsteile auseinander, nimmt die Bezeichnung »Israel« die Bedeutung »Nordstämme« an, stellen sich Benjaminiten und insbesondere Sauliden gegen David (2Sam 16,4–8, auch 20,1–22) und kommt es nach Davids Sieg zu einem Streit darüber, wer ihm näherstehe: »Israel« oder »Juda« (2Sam 19,9–16). In dieser Darstellung spiegelt sich das Gegeneinander der Königreiche Juda und Israel (von denen das letztere mittlerweile wohl schon untergegangen ist). Welche der beiden Sichtweisen historisch zutreffend ist, lässt sich nicht entscheiden. Immerhin steht die erste den Ereignissen zeitlich näher. Wort Die erste Hälfte des Abschnitts schildert, wie Abschalom seinen Auf1–6 stand vorbereitete. Wahrscheinlich kann diese Darstellung nur teil-

weise historische Plausibilität beanspruchen; die Gründe für das Aufflammen der Rebellion dürften komplexer gewesen sein, als es hier

23  Angesichts dieser Vielzahl von Gründen ist es nicht verwunderlich, dass ein Mann mit historischem Gespür wie Albrecht Alt für Israel als Nährboden des Abschalom-Aufstandes votierte: Staatenbildung 57. 24  So etwa auch Firth 455; Caquot / de Robert 527. 25  Das hat Crüsemann, Widerstand 95–100, grundlegend nachgewiesen, und andere (z.B. Whitelam, Just King 137; Cohen, Rebellions 96; McCarter II 358; Anderson 195) bestätigen ihn. 26  Darauf weisen etwa McCarter II 358 und Tsumura II 232 hin.

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erscheint27. Dem Text zufolge konzentrierte sich Abschalom vollkommen auf angebliche oder wirkliche Mängel im damaligen Rechtswesen. Malul (Absalom’s Chariot 46–51) erweist den gesamten Passus 1–5 als Rechtspraxis durch und durch juridisch geprägt. Schon der »Wagen« und die große Leibwache in 1 symbolisieren nicht nur königlichen Pomp28. Vielmehr haben diese Elemente eine wichtige Funktion in der Rechtsprechung der hetitischen Könige. Diese kamen offenbar auf einem Wagen zu Gerichtsverhandlungen am Tor. Zu Beginn des Verfahrens wandten sich die Klienten an das »Rad des Wagens« (so der einschlägige Ausdruck), und sie erwarteten das Urteil »vor dem Rad kniend«. Auch eine Leibwache war vor Ort; sie hatte den König zu schützen, der ja jetzt der Menge ausgesetzt war, sie führte Klienten herbei, hielt andere zurück usw. In 2–5 ist das juridische Wortfeld ohnehin nicht zu übersehen: Man »kommt« zum König, der Recht spricht (vgl. 2Sam 14,3); ein Rechtsanliegen (rbd) ist bwf und jkn (vgl. Jes 59,14; Am 3,10; Spr 24,26); der Richter muss »hören« ([mv, vgl. Hi 31,35) und für Gerechtigkeit sorgen (qdx Hif., vgl. Ex 23,7; Dtn 25,1; Ps 82,3). Der Rechtsuchende wirft sich vor ihm nieder (vgl. 2Sam 14,33). Der »Kuss« nach einem Freispruch ist »an act of ratification« (48, vgl. ebenfalls 14,33). Überhaupt steht 15,2–5 mit den Begriffen »rufen«, »kommen«, »sich niederwerfen«, »küssen« in enger Parallele zu 14,33. Kurzum: Abschalom gibt sich voll als königlicher Richter! Van den Boorn (Justice at the Gate, bes. 8–10.15.18) präsentiert eine für den hiesigen Zusammenhang interessante Beleggruppe aus ägyptischen Texten des Alten und Mittleren Reichs sowie der Ptolemäerzeit. Die Wortverbindung Wḏ‛-ryt, die im Endeffekt soviel meine wie »to judge«, setze sich zusammen aus einem Verb »öffnen« und einem Nomen »Tor« bzw. »Platz am Tor«. Das Tor habe den Übergang gebildet zwischen der »inneren Welt« (des Pharao oder einer Gottheit) und der »äußeren Welt« (der Normalbürger). Nur hohe Autoritäten seien berechtigt gewesen, »den Platz am Tor zu öffnen«, woraufhin Menschen aus der »äußeren Welt« die Chance erhielten, von der »inneren Welt« her Recht gesprochen zu bekommen. Die Vermutung liegt nahe, dass im Bild des sich »am Torweg« positionierenden Abschalom solche kulturgeschichtlichen Hintergründe mitschwingen (obwohl der Ägyptologe van den Boorn darauf nicht zu sprechen kommt).

Abschalom sucht die Rechtsausübung am Hof Davids als vollkommen ungenügend hinzustellen. Er verhält sich dabei wie der klassische Populist. Ein solcher legt es – seit jeher und bis heute – darauf an, »die dort oben« als untauglich, korrupt und abgehoben zu verunglimpfen, sich selbst aber als einen hinzustellen, dem nichts mehr am Herzen liege als die Sorgen der »kleinen Leute«29. In Wahrheit ist er selbst alles andere als einer von diesen; er verfügt über Einfluss 27   Siehe oben bei »Ort«. 28  Fokkelman I 166 spricht mit Blick auf die »fünfzig Mann« von »megalomania«. 29  Vgl. Schroer 177: Abschalom stellt sich »als Vertreter der Volksinteressen dar, während man sich am Hof um die Anliegen der kleinen Leute nicht kümmert«.

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und Besitz, will jedoch mehr, nämlich die ganze Macht. Hat er diese erlangt, kümmern ihn die Bedürfnisse der Normalbürger nicht mehr viel. Im Fall Abschaloms ist besonders ironisch, dass er, der so herbe Kritik übt, soeben selbst die Rechtsprechung Davids von einer für ihn günstigen Seite kennengelernt hat30. Er, der Brudermörder, ist straffrei ausgegangen31. Das hält ihn aber nicht davon ab zu behaupten, beim König finde niemand Gehör. Durch die eröffnende Verknüpfungsformel »Und es war danach« wird klargestellt, dass Abschaloms Konspirationstätigkeit nicht während der »Quarantänezeit« begann, in der man sie noch halbwegs gerechtfertigt hätte finden können, sondern nach der Begnadigung durch David; ja, diese ist geradezu Voraussetzung dafür. Der rehabilitierte (Kron-)Prinz kann sich wieder frei bewegen, und er nutzt diese Möglichkeit auf seine Weise. Zuerst beschafft er sich ihm angemessen erscheinende Statussymbole. Bespannte (Streit-)Wagen waren im damaligen Israel eine Seltenheit. In den Ebenen kannte man sie schon lange32; doch David – anders als dann Salomo – wusste mit ihnen noch nichts anzufangen33. In konservativen Kreisen galten Wagen und Pferde noch in späteren Zeiten als Inbegriff unisraelitischer Hybris34. »Fünfzig Mann« machten in Israels Heer eine ganze militärische Einheit aus35; dass ein einzelner Mensch sich eine private »Eskorte« 36 in dieser Stärke zulegte, weckte sicher Staunen. Derart als Mann von Macht und Einfluss ausgewiesen, platziert sich Abschalom Tag für Tag am »Torweg«37. Vermutlich ist der Weg zum Stadttor gemeint – dem damals vielleicht einzigen Jerusalems38. Jedenfalls müssen die Leute, die zu einer Audienz beim König wollen, hier vorbeikommen und laufen dabei Abschalom in die Arme. Dieser fragt, scheinbar interessiert und teilnahmsvoll, aus welcher Ortschaft sie stammen. Auffälligerweise antworten sie darauf mit der Angabe ihrer Stammeszugehörigkeit. Soll damit angedeutet werden, dass Ab30  Darauf weist Cartledge, Vows 195, hin. 31   Nach Mann (Run, David 76) impliziert sein Pochen auf Gerechtigkeit, dass die Ermordung Amnons ein Akt der Gerechtigkeit war. 32  Vgl. Ri 4,3; 1Sam 13,5; 2Sam 1,6 33  2Sam 8,4 vs. 1Kön 5,6; 9,19; 10,29. 34  Vgl. Dtn 17,16; 1Sam 8,11; Jes 30,16. 35  Vgl. Ex 18,21; Dtn 1,15; 1Sam 8,12; 2Kön 1,9. 36  Dies der Ausdruck Stoebes II 358. 37  Zum Ausdruck r[vhAdy vgl. Bd. 1, S. 240f (zu 1Sam 4,18). 38  Dass es daneben noch ein eigenes Tor zum Palastareal gegeben hätte, ist eher unwahrscheinlich. Das zeigt auch die Urija-Batscheba-Geschichte: Urija legt sich, als er nicht zu seiner Frau gehen will, nicht an einem »Tor« (r[v) schlafen, sondern an der »Tür (jtp) des Königshauses« (2Sam 11,9).

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schalom es einzig auf Angehörige »eines der Stämme Israels« abgesehen hatte – im Unterschied etwa zu Bewohnern (früherer) Kanaaniter-Städte oder zu Judäern? Man wird die Formulierungen nicht in diese Richtung pressen dürfen; denn sonst hätte Abschalom ja fragen können: »Gehörst du zu einem Stamm Israels?« oder kürzer: »Bist du ein Israelit?« Nein, Abschalom sucht einfach einen Anknüpfungspunkt für ein persönliches Gespräch39; die Leute aber ersparen ihm den Namen ihres Heimatdorfes oder -städtchens und geben gleich die größere Region an40. Daraufhin kommt Abschalom zu seinem eigentlichen, subversiven, Anliegen. Freilich redet er nicht sogleich von sich, sondern zuerst über die Anliegen seines Gegenübers. Nicht dass er diese wirklich in Erfahrung bringen und sich intensiv damit befassen wollte, nein, er versichert den Leuten ohne weitere Nachfrage, er stehe voll auf ihrer Seite, ihre Sache sei gewiss gerecht und gut – nur leider hätten sie beim König keine Chance auf Gehör; das wäre ganz anders, wenn er zu Gericht sitzen würde! Dieses Vorgehen erweist den Möchtegern-Richter Abschalom als durch und durch unseriös. Ein ernstzunehmender Richter würde zuerst sorgfältig erheben, was das genaue Anliegen eines Klageführenden sei, dann würde er die Position der Gegenpartei in Erfahrung bringen, und schließlich würde er beides gegeneinander abwägen und zu einem ausgewogenen Urteil zu gelangen versuchen. Abschalom erspart sich das alles. Er gibt einfach jedermann Recht, der ihm über den Weg läuft – also mit höchster Wahrscheinlichkeit auch solchen, die im Unrecht sind41. Das aber ist nach alttestamentlicher (und wohl allgemeiner!) Rechtsvorstellung ein schwerer Fauxpas42. Vielleicht zielt sein Vorwurf, da sei »keiner, der hört«, auf das Fehlen einer Institution, welche die Anliegen unzufriedener Bürger überhaupt erst sorgfältig aufnimmt43. Womöglich lag da eine Schwachstelle im damaligen Rechtswesen. Andererseits: Wenn es unter David 39  Vielleicht stand hinter ihm ein Schreiber, der die Antworten der Leute notierte, sodass man später, als »in allen Stämmen Israels« zum Aufruhr geblasen wurde (10), wusste, wo Sympathisanten waren. 40  Vgl. Stoebe II 356: »Der Gefragte setzt nicht die Kenntnis seines Dorfes voraus«. 41  Oben bei »Ort« wurde die öfter zu lesende Hypothese erwogen, nach Jerusalem seien nur Leute gekommen, die im Rechtsstreit mit dem König oder seiner Verwaltung lagen – und denen habe Abschalom pauschal Recht geben können. Doch erstens sagt der Text dies nicht, und zweitens muss der Staat gegenüber seinen Bürgern nicht immer im Unrecht sein. 42  Vgl. Ex 23,6–8; Lev 19,15; Dtn 25,1; Spr 24,23–26. 43  Nach Stoebe II 356 wäre das »einer, der sich die Zeit nimmt, zuzuhören und eine Audienz zu vermitteln«.

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um die Rechtsprechung derart schlecht bestellt gewesen wäre, wie Abschalom behauptet – warum kamen dann überhaupt Leute mit Rechtsanliegen zum König44? Zudem steht seine Einschätzung in direktem Widerspruch zu der direkten Erzählermitteilung in 2Sam 8,15, wonach »David fortwährend Recht und Gerechtigkeit übte für sein ganzes Volk«. Doch Abschalom geht es gar nicht wirklich um »Recht und Gerechtigkeit«, er will auch nicht ein »Anhörer« sein, sondern gleich der »Richter«45. Er will Fälle nicht registrieren, sondern entscheiden – und zwar, wie er verspricht, immer zugunsten des Beschwerdeführers. Er ist kein konstruktiver Rechtsreformer, sondern ein hemmungs- und gewissenloser Populist. Er will den Bürgern nicht helfen, er will sie aufhetzen. Er möchte möglicherweise vorhandener Unzufriedenheit nicht auf den Grund gehen, sondern sie anstacheln. Er will Brände nicht löschen, sondern anfachen. Und das gelingt ihm! Es ist möglich, dass es weniger seine Haltung zu Rechtsfragen ist, welche die Leute für ihn einnimmt, als vielmehr seine Haltung ihnen gegenüber. Er erkundigt sich nicht nur, woher sie kommen, er unterstellt nicht nur, dass ihre Anliegen berechtigt seien, nein, er gibt sich ihnen gegenüber betont brüderlich und freundlich. Sie sollen sich vor ihm, dem Herrn Kronprinzen mit dem imposanten Wagen und der vielköpfigen Eskorte, nicht fürchten und sich nicht demütig vor ihm zu Boden werfen. Denen, die dazu Anstalten machen, reicht er die Hand, richtet sie auf, umarmt und küsst sie. Sie sollen ihm, signalisiert dies, auf Augenhöhe begegnen, dürfen sich als seine Freunde fühlen46. Damit signalisiert Abschalom, dass er kein abgehobener Monarch sein will, sondern ein »Anführer der freien Israeliten«47. Solche Gesten wirken fast immer. Bis heute versuchen Machthaber, durch Händeschütteln, Umarmungen, Baby-Küssen und dergleichen den tatsächlichen Abstand zwischen sich und dem Volk zu vertuschen. Die Szene wird treffend ins Bild gesetzt in einer Illustration der Alba-Bibel48. Sie zeigt eine Gruppe von fünf Männern, zwei etwas größer, d.h. im Vordergrund, drei mehr im Hintergrund: einen Bewaffneten und zwei Unbewaffnete. 44  Darauf macht Tsumura II 231 aufmerksam. 45  Nach Cohen (Rebellions 107) signalisiert der Begriff »Richter« – im Gegensatz zu »König« –, dass Abschalom an die vorstaatlichen Institutionen anzuknüpfen verspricht, was die Leute angeblich gern hörten. 46  Vgl. Seidl, Abschalom 166: Der Prinz »betont mit Handreichung und Kuss die Begegnung auf Augenhöhe. Damit wertet Abschalom den Gesprächspartner auf und vermittelt ihm das Gefühl von Gleichstellung und einfühlendem Einverständnis«. 47  Stolz 254. 48  Zur Alba-Bibel s. Bd. 2, S. 587f.

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2Sam 15,1–12 Im Mittelpunkt befinden sich zwei Männer, beide mit dunkelblondem Haar, der eine aber mit deutlich größerer Haarfülle als der andere. Der Langhaarige umschlingt den anderen, dieser reagiert mit einer etwas scheueren Geste.

Alba-Bibel (15. Jh.): Abschalom küsst einen Rechtsuchenden

Der Bericht endet mit der Feststellung, dass es Abschalom gelang, »das Herz der Männer Israels zu stehlen«. Die Formulierung ist wenig schmeichelhaft. Der Mann, der Richter sein will, ist ein Dieb. Keiner, der es auf materielle Güter abgesehen hat, sondern auf die »Herzen« der Menschen. Unwillkürlich denken heute Lesende, er habe die Gefühle der Leute gewinnen, sich bei ihnen beliebt machen wollen. Doch einmal mehr ist daran zu erinnern, dass das »Herz« in der hebräischen Anthropologie Sitz nicht zuerst der Gefühle und Affekte ist49, sondern des Verstandes und des Willens. Also gewann Abschalom nicht (nur) die Zuneigung vieler Menschen, nein, er nahm ihnen den Verstand, er verdrehte ihnen, würde man heute sagen, den Kopf50. Sie glaubten ihm das, was er sagte: dass die Herrschaft Davids für sie ein Unglück sei und dass es für sie ein Glück wäre, könnte er die Herrschaft antreten. Ist dieser Gedanke erst im allgemeinen Bewusstsein verankert, wird die Zeit reif für einen Umsturz. 49  Gegen Tsumuras Behauptung (II 232), der hiesige Ausdruck meine »to capture the affection of«. 50  Richtig McCarter II 69: »Abishalom has deluded the Israelites and thus captured their loyalty, not necessarily their affection«.

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2Sam 15,1–12 7–9a

Abschalom wartet lange ab, bis er den Aufruhr entzündet. Schon das vierte Mal wird berichtet, er sei erst nach längerem Warten zur Tat geschritten: Zwei Jahre ließ er vergehen von der Vergewaltigung seiner Schwester bis zum Mord an ihrem Vergewaltiger (2Sam 13,23), drei Jahre harrte er in Geschur aus (13,38), zwei Jahre lebte er in Jerusalem, ehe David ihn amnestierte (14,28), und von da an51 sind mittlerweile wieder vier Jahre verstrichen52. So energisch dieser Mann ist, so gut kann er sich beherrschen, geduldig warten, bis er den optimalen Zeitpunkt für eine Aktion gekommen glaubt. Wenn es dann aber soweit ist, ist alles perfekt geplant und vorbereitet. Wie schon vor seinem Coup gegen Amnon, so sucht er auch diesmal vorgängig das Einverständnis des Königs53. Fast könnte man es pervers finden, wofür er den Segen des Vaters braucht: für den Mord an dessen Erstgeborenem und für den Putsch gegen ihn selbst. Und siehe da: David fällt erneut auf ihn herein. Es ist fast nicht zu glauben, dass der König und sein gesamter Apparat von Abschaloms vierjähriger Wühltätigkeit nichts bemerkt haben sollen; und auch jetzt staunt man, dass Abschaloms Ansinnen keinen Verdacht weckt. Wieder plant er eine Exkursion ziemlich weit weg von Jerusalem, diesmal nicht nach Norden, nach Baal-Hazor, sondern in den Süden, nach Hebron. Und offensichtlich geht es nicht um einen kleinen privaten Anlass. Anscheinend steht ein größeres Fest bevor, an dem Abschalom ein von ihm geleistetes Gelübde einlösen will. 200 Leute aus Jerusalem werden mitgehen54, und vermutlich halten sich vor Ort noch weitere Pilger auf.

Gelübde Cartledge (Vows 196) erinnert daran, dass gemäß 1Sam 1,21 Gelübde gern Abschaloms anlässlich von großen Jahresfesten erfüllt werden; im Fall Abschaloms ver-

spricht dies zusätzliche Publicity. Die Formulierung von 7 ist knifflig. Die Ortsbestimmung am Versende klappt auffällig nach (vgl. Textnote 7e), was zu zwei interessanten Deutungen geführt hat. Nach der einen ist »in Hebron« zu dem voranstehenden Tetragramm zu ziehen, sodass Abschalom »dem Jhwh in Hebron« seine Reverenz erweisen will. McCarter II 356 spricht vom »Hebroinite Yahweh, the local manifestation of the national god. Doch dort stehen diese Wendungen im status constructus, während hier zwischen den Gottes- und den Ortsnamen die Präposition b tritt. »Der Jhwh in Hebron« – das wäre nicht nur in der Sache, sondern auch im Wortlaut einzigartig. Die andere Deutung hat besonders ausführlich Roi (Conditional Vows) begründet. Er sieht unsere Stelle in Parallele zu Gen 28,10–22/35,1–8; Ri 51  Nach Firth 455 könnte auch die Zeit seit der Flucht nach Geschur gemeint sein, doch ist dies rein von der Textfolge her extrem unwahrscheinlich. 52  Nicht vierzig, wie es in M heißt; s. oben Textnote 7a. 53  Auf die enge Parallele zwischen 7–9 und 2Sam 13,23–38 weist Fokkelman I 170 hin. 54  Nach Campbell II 145 »supposedly the elite«.

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2Sam 15,1–12 11,1–11; 1Sam 1,1–28 und Num 21,1–3 (3f). An all diesen Stellen gehe es um Gelübde, die nach der glücklichen Rückkehr an den Ausgangsort eben an diesem eingelöst werden sollten. Das treffe auch auf Abschalom zu: Er »made the vow in Hebron prior to Amnon’s murder« (15) – wovon freilich in 2Sam 13 nichts zu lesen ist; stattdessen steht in 8 deutlich genug, wo er das Gelübde abgelegt hat: in Geschur. Nach Roi freilich ist diese Bemerkung »an explanatory gloss inserted by a later hand« (15). Das beweise die angeblich redundante Formulierung »Geschur in Aram«, wo doch sonst »Geschur« allein genüge. Angeblich habe der Glossator das von ihm gemeinte Geschur absetzen wollen von den »Geschuritern« in 1Sam 27,8 (17)55. Diese Theorie ist so gewitzt wie gewagt. Für das Herauslösen der fraglichen Passage aus 8 gibt es keinen literarkritischen Grund. Und was hätte David wohl dazu gedacht, dass Abschalom schon vor dem Mord an Amnon nicht nur seine Flucht, sondern schon seine Rückkehr plante, die doch wenn, dann nur mit königlicher Erlaubnis möglich war? Auld 502 hält beides für möglich: dass Abschalom im Exil ein Gelübde ablegte, er wolle nach seiner Rückkehr Jhwh in Hebron dienen; oder dass er im Exil gelobte, er wolle nach seiner Rückkehr ein Gelübde erfüllen, das er einst in Hebron abgelegt hatte.

Das Gelübde sollte nicht an irgendeinem Jhwh-Heiligtum eingelöst werden, zum Beispiel in Jerusalem (was ja nahegelegen hätte), sondern genau in Hebron56. Diese Absicht allerdings hält Abschalom solange zurück wie möglich. Zuerst sagt er lediglich, er wolle ein Gelübde erfüllen, das er Jhwh geleistet habe – wie schön, wie fromm, wird David denken. Doch dann folgt die Näherbestimmung: »in Hebron«. David hört den Peitschenknall nicht, die Lesenden aber erinnern sich sofort: In Hebron wurde David König. Will Abschalom, indem er dorthin strebt, »das Rad der Geschichte hinter David zurückdrehen«57? Doch vorerst, in 8, äußert er sich über die Umstände des Gelübdes. »Dein Knecht«, hebt er an – und tarnt so mit höfisch-höflicher Bescheidenheit den Hochmut, der sich in 1 zeigte, und das Bestreben, des Vaters Position zu untergraben, das in 2–6 geschildert wurde – »dein Knecht hat ein Gelübde abgelegt«. David mag interessiert aufgeblickt haben: Wann und wo hast du Jhwh etwas versprochen, mein Sohn? »Als ich in Geschur in Aram saß« – aha, im Exil. Dann ahnt man 55  Dasselbe Argument verwendet auch Edelman, Tel Masos 256, jedoch in anderer Absicht. Ihrer Meinung nach gab es überhaupt kein Geschur im Norden (bzw. in Aram), sondern, wegen 1Sam 27,8, nur eines im Süden. Eben dort sei der in 2Sam 3,3 und 13,37 erwähnte Talmai König gewesen; seine Residenz habe auf Tel Masos gelegen (MR 146.069). Diese Hypothese fügt sich schlecht in die Geographie der David-(Abschalom-)Erzählungen. 56  Oben in Textnote 7e wurde darauf hingewiesen, dass Tsumura (II 233) die Idee McCarters vom »Jhwh in Hebron« mit gutem Grund zurückweist. 57  Stoebe II 360.

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schon, worum es in dem Gelübde wohl ging: um die Rückkehr in die Heimat58. Richtig, erklärt Abschalom: Er habe Jhwh geschworen, dass er ihm, falls er ihn zurückbringe nach Jerusalem, »in Hebron dienen« will. An dieser Stelle wirkt die Ortsangabe »in Hebron« nicht auffällig. Das war Abschaloms Geburtsort, dem er eine gewisse Anhänglichkeit bewahrt haben konnte. Womit er Jhwh »dienen« wolle, bleibt ungesagt; vermutlich durch das Darbringen mehr oder weniger reicher Opfergaben. Daran war nichts auszusetzen. David könnte höchstens merkwürdig finden, dass dies seinem Sohn erst nach vier Jahren in den Sinn kommt; doch danach fragt er nicht. Laut Parker (Vow 698) zitiert Abschalom das Gelübde nicht in der direkten Rede an Jhwh, wie es abgelegt wurde (»Wenn du mich zurückbringst«), weil er jetzt vor David steht und hier die Anrede in 2. Person »ambiguous« wirken könnte. Caquot / de Robert 528 hören aus dem Verb bwv Hif. (»zurückkehren lassen«) »une ambiguïté significative« heraus: Denke man an das ähnlich klingende Verb bvy Hif., würde Abschalom gesagt haben: Wenn Gott mich herrschen lässt in Jerusalem …

Leserinnen und Leser werden sich fragen, ob Abschalom ein solches Gelübde tatsächlich abgelegt oder dies seinem Vater nur vorgegaukelt hat. Der Text sagt dazu nicht ausdrücklich etwas, doch wie man Abschalom bisher kennengelernt hat und wie er sich in der Folge noch zeigen wird, ist Letzteres wahrscheinlicher. Und David? Er entlässt seinen Sohn arglos59 mit dem konventionellen Abschiedsgruß: »Geh in Frieden!«60 Aus den freundlichen Worten61 schrillt eine Ironie: Abschalom will nicht Frieden, er will Aufruhr! Es kann ihm indes nur recht sein, wenn sein Vater so friedlich gesonnen ist; so kann er ungestört die Lunte entzünden, die er sorgfältig ausgelegt hat. 9b–12

Abschalom bricht auf nach Hebron. Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Es ist nicht nur sein eigener Geburtsort und Davids Krönungsort, es war bis dahin noch der Vorort eines nicht zentral verwalteten Gebietes. In dieses teilten sich, bis David kam, diverse Sippen und Stämme, teilweise wohnhaft in festen Ortschaften, teils auch (halb)nomadisch lebend. Abschaloms Königtum sollte anknüpfen an die »gute alte 58  Implizit stellt Abschalom hiermit seine Rückkehr nach Jerusalem als gottgewollt und gottgewirkt hin; so Mann, Run, David 78. 59  Nach Mann (Run, David 77) besaß er gar nicht die Autorität, die Erfüllung eines Gelübdes zu verhindern. 60  Vgl. 1Sam 1,17 und 20,42. 61  Wer will, kann sie auch noch auf Abschaloms Namen anspielen hören, der den Begriff Schalom ja enthält.

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Zeit«, die noch ohne König war62. Wenn er nach Hebron ging, dann gab er Judäern wie Israeliten die Gelegenheit, den »Missgriff David« zu korrigieren. Hoben sie Abschalom auf den Schild, bedeutete das: Rücknahme der unter David eingetretenen Fehlentwicklungen (ob allein oder vorwiegend auf juridischem Gebiet, sei dahingestellt). In Hebron findet nicht nur ein Opferfest zur Gelübdeerfüllung statt, sondern eine Festzeremonie zur Königserhebung. Derlei hatte es schon vorher gegeben63; Abschalom übernimmt also eine – wenn auch noch junge – Tradition. Die Hebroner Festgemeinde wird zur akklamierenden Volksmenge, die 200 aus Jerusalem Mitgekommenen sehen sich – mehr oder weniger überrascht – als geladene Gäste einer Krönungsfeier. In den Augen Stoebes (II 357) waren diese 200 »angesehene Leute«. Sie würden vom Text als ahnungslos entschuldigt, in Wirklichkeit seien sie »Parteigänger des Aufstands« und »als Wahlmänner in Aussicht genommen« gewesen (II 361). An ihnen werde deutlich, dass »der Rückhalt Davids in seiner Hauptstadt … nur noch gering gewesen« sei (ebd.). Alters Deutung (285) hat mindestens ebenso viel für sich wie diejenige Stoebes: Die 200 waren wirklich ahnungslos – und gerade deshalb eine ausgezeichnete Tarnung der wahren Absichten Abschaloms. Ob sie dann, in den Trubel um die Königskür hineingerissen, diese nicht doch guthießen, muss offenbleiben.

Dank der vorweg instruierten »Agenten« wird sich die Kunde von Abschaloms Ausrufung zum (Gegen-)König wie ein Lauffeuer im Land verbreitet haben. Und nirgendwo scheint es zu Gegenkundgebungen oder Treuebekundungen für David gekommen zu sein. Die breite Bevölkerung war entweder überrumpelt oder einverstanden mit dem Umsturz. Abschaloms Coup ist rundum gelungen. Ein von ihm ersonnener Schachzug wird noch eigens erwähnt: die Gewinnung Ahitofels aus Gilo, offenbar eine Art Chefberater Davids. Die Namensform »Ahitofel« ist sicher eine Verballhornung, denn dieser Name bedeutet: »Mein Bruder ist ein Narr«. Caquot / de Robert 629 vermuten eine »déformation volontaire d’un nom théophore«, Anderson 196 »a deliberate distortion of some such name as ›Ahibaal‹«. Stoebe II 357 erwägt als eigentlichen Namen »Ahizedeq« oder »Ahibaal«. McCarter II 357 schlägt »Ahiphelet« oder »Ahibaal« vor. Von diesen Vorschlägen scheint »Ahibaal« besonders attraktiv, nachdem ja auch Eschbaal und Meribaal aus dogmatischen Gründen umbenannt worden sind zu Ischboschet und Mefiboschet; s. Bd. 3, S. 332f. 62  Laut Landa (David and Ittai 27) geht Abschalom mit der Wahl von Hebron als Krönungsort bewusst einen Schritt zurück in Richtung auf »decentralized Israelite tradition«. Nach Stolz 254 gibt Abschalom vor, an die »guten Anfänge« Davids anknüpfen zu wollen. 63  Vgl. 1Sam 9,19–24; 11,14f; 1Kön 1,5.9f; abgewandelt auch 1Sam 16,2–5.

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Eine oft gestellte Frage ist, ob Ahitofel der Großvater Batschebas war. Das ist durchaus möglich64. Die Kränkung der Familienehre durch die Skandalgeschichte könnte den Übertritt von David zu Abschalom befördert haben65. Ausdrücklich gesagt wird dies vom Erzähler freilich nicht. Die Leserschaft soll verstehen, dass der Seitenwechsel dieses Mannes seinerzeit als Fanal wirkte: Wenn selbst er zu Abschalom überlief, dann hielt wohl niemand mehr zu David und hatte dieser verspielt66. (Diese Rechnung ist indes ohne den Faktor Berufsmilitär gemacht; bis heute entscheidet über Erfolg oder Misserfolg von Umsturzversuchen oft die Haltung der sog. Sicherheitskräfte.) Das Zwischenfazit des Erzählers in 12b verlockt die Leserschaft zu eben dieser (unsicheren) Rechnung: Abschaloms Bewegung wird »stark« und seine Anhängerschaft »immer zahlreicher« – wer gibt da noch etwas auf David? Allerdings ist nicht von einer »Bewegung« die Rede (für diesen modernen Begriff gäbe es gar kein hebräisches Äquivalent), auch nicht von Abschaloms »Königtum« (hkwlm), sondern von einer »Verschwörung« (rvq): ein klar negativ konnotierter Begriff67. Zudem bedeutet »zahlreich« nicht unbedingt »erfolgreich«. Liest man das Kapitel 15 weiter, verstärkt sich zunächst der Eindruck, David habe verloren; doch bald merkt man, dass er selbst sich keineswegs verloren gibt und sich das Blatt nach und nach zu seinen Gunsten wendet. Ziel

Gut, schlecht und halb schlecht Der Bericht über Vorbereitung und Ausbruch des Abschalom-Aufstands ist alles andere als unparteiisch. An dem Rebellen bleibt nur wenig Gutes. Er wirkt zwar zielstrebig und schlau, dabei aber unlauter und verschlagen68. Er zieht alle Register des Populismus, verspricht jedem, was er hören will, tarnt seine wahren Absichten mit durchtriebenen Täuschungsmanövern. Er hat alles generalstabsmäßig vorberei64  Siehe oben bei »Ort«. 65  Dafür plädiert vehement Bodner, Motives 65. West (Interrogating Ahithophel) lässt den Rachewunsch in Ahitofel durch anklagende Briefe Batschebas und Tamars geweckt werden. 66  Bakons Vermutung (Absalom’s Revolt 122), erst Ahitofel habe Abschalom auf die Idee einer Revolte gebracht, hat keinen Anhalt am Text. Zutreffend dürfte hingegen Manns Interpretation sein (Run, David 80), das Nacheinander von 11 und 12 zeige die Wichtigkeit Ahitofels für die Aufstandsbewegung an. Bodner (Rebellion 62) redet geradezu von »a game change«. 67  Vgl. etwa die Belege in 1Kön 16,20; 2Kön 11,14; 12,21; 17,4; Jes 8,12. 68  Treffend formuliert Seidl, Abschalom 171: »Mit seinem Buhlen um die Gunst des Volkes vergeht sich Abschalom aus der Sicht des Erzählers am Eigentum des Königs und versucht es unlauter in seinen Besitz zu bringen«.

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tet und zeigt fast unheimlich viel Weitsicht und Perfektion. Er macht den Eindruck, dass ihn kaum etwas aufhalten kann. Das weckt beim Leser, der Leserin vielleicht Respekt, aber kaum Sympathie. So suggestiv diese Darstellung ist, sie ist doch lückenhaft und einseitig. Warum erwarten so viele Menschen, beim König Recht zu erhalten? Warum sind sie dann doch so empfänglich für Einflüsterungen des Aufrührers? Warum hat dieser so rasanten Erfolg? Warum tritt ein Ahitofel auf seine Seite? All das wird nicht wirklich erklärt. Dafür bekommt man einen König geschildert, der seltsam ahnungslos und kurzsichtig ist – und auch hier erfährt man die Gründe nicht. Was lehrt solch eine Geschichte? Dass es anscheinend nicht immer die Wahl zwischen Gut und Schlecht gibt: dann nämlich, wenn das rein Gute fehlt und es nur halb oder ganz Schlechtes gibt. An der Spitze eines Staates mag man sich weder Abschalom noch David wünschen. Der eine ist eindeutig schlecht, nämlich selbstsüchtig und skrupellos, der andere höchstens halb gut, nämlich gar zu arglos und gutgläubig. Die abschließende Bemerkung des Textes, dass Abschaloms »Verschwörung stark« und seine Anhängerschaft »immer zahlreicher« geworden sei, zeigt an, dass es für David eng wird, dass es für ihn jetzt um Kopf und Kragen geht. Das ist nach seinem rasanten Aufstieg und seinen vielen Erfolgen erstaunlich. Wohl war er auch früher schweren Stürmen ausgesetzt (man denke an die Verfolgung durch Saul, an die Auseinandersetzungen mit den Philistern oder an gelegentlichen Aufruhr unter seinen eigenen Leuten69); doch als Leserin oder Leser dachte man, er werde nicht untergehen. Diesmal aber stehen die Zeichen nicht nur auf Sturm, sondern auf Untergang. Woran liegt es? In der David-Vita der Samuelbücher bilden die Kapitel 2Sam 11–14 die Krisis. In den Geschichten um Batscheba, Urija und Natan, um Amnon, Tamar und Abschalom kippt Davids Lebensbahn vom Positiven ins Negative. Bis dahin war er ein Glückskind, war Gott beständig »mit ihm«. Nachdem er nun in so erschreckender Weise versagt hat, scheint ihn das Glück (oder Gott) zu verlassen. Doch bei allen Fehlern Davids zeigt schon der Beginn des Abschalom-Aufstands, dass dieser Sohn nicht geeignet ist für die Nachfolge des Vaters. Mag David kein rundum guter Mensch sein – Abschalom ist, der biblischen Darstellung zufolge, schlimmer. Von einem pferdebespannten Streitwagen und einer Truppe von fünfzig Trabanten als Statussymbolen verlautet bei David nichts. Und was die Rechtsprechung anlangt, »übte er fortwährend Recht und Gerechtigkeit für

69  Vgl. 1Sam 30,6, wo sich Davids Soldaten anschicken, ihren Anführer zu steinigen.

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2Sam 15,1–12

sein ganzes Volk«70. Bei den (vermeintlichen) Rechtsfällen, die Natan und die Frau von Tekoa ihm vorlegten, und auch bei der Rehabilitierung Abschaloms urteilte er zwar nicht unfehlbar, aber doch menschlich anständig. Demgegenüber verhält sich Abschalom von Grund auf unanständig. Sein Vater bemühte sich wenigstens um Gerechtigkeit, er dagegen gibt einfach jedermann recht. Hatte sein Vater sich schwergetan, ihn, den Brudermörder, zum Zeichen der Versöhnung zu küssen (2Sam 14,33), so küsst er jedermann, um sich beliebt zu machen. War sein Vater nach dem »Herzen« Gottes (1Sam 16,7), so »stiehlt« er die Herzen der Menschen. Zeigte sich David Saul gegenüber jederzeit als fairer, ja edler Kontrahent, so stehen schon am Anfang von Abschaloms Aufstand Lug und Trug: Er führt nicht nur den Vater und Hunderte Unbeteiligter hinters Licht, er schreckt auch »nicht davor zurück, Jahwe für seinen Vorwand mißbräuchlich in Anspruch zu nehmen«71. Kurzum: Auch wenn Davids Glückssträhne nicht grundlos abreißt, darf dieser Anschlag auf ihn eigentlich nicht gelingen. Im Augenblick jedoch sieht es danach aus, als werde er gelingen. 2Sam 15,1–12 lässt die Befürchtung aufkommen, das Schlechte werde über das halb Schlechte (oder halb Gute) die Oberhand gewinnen – und auch im besten Fall werde nie mehr alles gut werden.

70  2Sam 8,15. 71  Stolz 254. Das Verbot des Dekalogs kommt in den Sinn: »Du sollst den Namen Jhwhs, deines Gottes, nicht missbrauchen« – wie auch die Drohung: »denn Jhwh wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht« (Ex 20,7; Dtn 5,11).

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2Sam 15,13–37

David zieht sich aus Jerusalem zurück und installiert dort eine Fünfte Kolonne (2Sam 15,13–37)

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2Sam 15,13–37 D. Dimant / R.G. Kratz (eds.), The Dynamics of Language and Exegesis at Qumran, 2009 (FAT 2/35), 203–218. – Riecker, S., Ein Priestervolk für alle Völker. Der Segensauftrag Israels für alle Nationen in der Tora und den Vorderen Propheten, 2007 (SBB 59). – Smend, R., Kritiker und Exegeten. Porträtskizzen zu vier Jahrhunderten alttestamentlicher Wissenschaft, Göttingen 2017. – Thompson, T.L., If David Had Not Climbed the Mount of Olives: Biblical Interpretation 8 (2000) 42–58. – Westbrook, A.D., ›And He Will Take Your Daughters …‹. Woman Story and the Ethical Evaluation of Monarchy in the David Narrative, London 2015. Siehe auch die Literatur oben zum Einleitungskapitel 2Sam 15--20. Text 13 Und zu David kam der Melder mit der Nachricht:

»Das Herz der Israelitena hat sich Abschalom zugekehrtb.« 14 Und David sagte allen seinen Untergebenen, die bei ihm in Jeru salem waren: »Macht euch auf, und wir müssen entkommena; [so] ‘ ’b sei uns Rettung vor Abschalom. Beeilt euch zu gehen, damit nicht erc eilt und uns einholt und über uns das Unheil bringtd und die Stadt mit der Schärfe des Schwerts schlägt.« 15 Und die Untergebenen des Königs sagten zu ‘ihm’a: »Ganz sob, wie es ‘unser’ Herrc, der König, bestimmtd! Siehe, wir sind deine Untertanen.« 16 Und es zog aus der König und sein ganzes Haus, das ihm folgtea. Und der König ließ zurück dieb zehn Nebenfrauen, dasc Haus zu bewachen. 17 Und es zog aus der König und das gesamte Volka, das ihm folgteb. Und sie blieben stehen beim letzten Hausc. 18 Und all seine (Kriegs-)Knechte zogen an ihma vorbei, und alle Kereter und alle Peleterb und alle Gatiter, 600 Mann, die in seiner Gefolgschaftc aus Gatd  gekommen waren, e f zogen vor dem König vorüber. 19 Und der König sagte zu Ittai, dem Gatiter: »Warum gehst auch du mit uns? Kehr um und bleib beim König; denn ein Ausländer bist du, und zugewandert bist dua ‘aus’b deinem (Heimat-)Ort. 20 Gestern bist du gekommen – und heute soll ich dich unstet  machen, mit uns zu gehen? Und ich gehe, wohin ich gehe. aKehr um und lass deine Brüder mit dir umkehren. ‘Und Jhwh erweise’b dir Loyalität und Treue!« 21 Und Ittai antwortete dem König und sagte:

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»So wahr Jhwh lebt und so wahra mein Herr, der König, lebt: An dem Ort, dort, wo der König, mein Herr, sein wird – sei es zum Tod, sei es zum Leben –, dort wird dein Knecht sein!« 22 Und aDavid sagte zu Ittaib: »Geh und zieh vorüberc.« Und es zog vorüber Ittai, der Gatiter, und alle seine Männerd, und der ganze Familienanhange, der bei ihm war. 23 Und das ganze Land aweinte mit lauter Stimme. Und das ganze Volk zog vorüber. Und der König überschrittb den Bach Kidron. Und das ganze Volk ging hinüber auf dem Wegc ‘ ’d Richtung Wüste. 24 Und siehe, da war auch Zadok und alle Leviten bei ihm, die die  Bundeslade Gottesa trugen. b Und sie ‘stellten’ die Lade Gottes ‘ab’ , cund Abjatar brachte Brandopfer darc, bis das gesamte Volk den Abzug aus der Stadt beendet hatte. 25 Und der König sagte zu Zadok: »Bring die Lade Gottes zurück zur Stadta. Wenn ich Gnade in Jhwhs Augen finde und er mich zurückbringt, und dann wird er mich sie und ihre Wohnstätte [wieder] sehen lassen. 26 Und wenn er soa sagt: ›Ich habe kein Gefallen an dir‹ – sieh hier mich: Er mögeb mir tun, wiec es gut ist in seinen Augen.« 27 Und der König sagte zum Priester Zadok: »‘Schau’ dua: Kehr in Frieden zur Stadt zurück, undb dein Sohn Ahimaaz und Jonatan, der Sohn Abjatars, eure  beiden Söhne mit euch. 28 Schauta, ich warteb bei den Wüstenfurtenc, bis eind Wort von euch kommt, das mir Nachricht gibte.« 29 Und es brachtea Zadok und Abjatar die Gottesladeb nach Jeru salem zurück. Und sie bliebenc dort. 30 Und David stieg den Olivenbaum-Aufstiega hinauf – stieg aufb und weinte. Und ihm war das Haupt verhülltc, und er ging barfuß. Und alles Volk, das bei ihm war: Sie hatten jeder sein Haupt verhülltc, und sie stiegen hinauf, aufsteigend und weinend. 31 aUnd David hatte man Folgendes gemeldeta: b»Ahitofel ist unter den Aufständischen bei Abschalom.«

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Und David sagte: »Vereitlec bitte den Rat Ahitofels, Jhwhd!« 32 Und es geschah, als David auf der Anhöhe angekommen war, dort, wo mana sich vor Gottb niederwirft, und siehe: ihm gegenüberc Huschai, der Arkiterd, zerrissen sein Gewand und Erde auf seinem Haupt. 33 Und Davida sagte zu ihm: »Wenn du mit mir hinübergehstb, und dann wirst du eine Last auf mir sein. 34 Und wenn du in die Stadt zurückkehrst und dann sagst zu Abschalom: ›aDein Diener, o König, will ichb sein. ‘Lass mich leben!’c Der Diener deines Vaters war ich früherd, und jetzt bin ich dein Diener‹e – und [so] wirst du mir den Ratschlag Ahitofels zerbrechenf! 35 ‘Und siehe’a, dort werden mit dir sein die Priester Zadok und Abjatar. Und es soll sein: Jedes Wort, das du vom ‘ ’b König hörst, tust du  kund den Priestern Zadok und Abjatar. 36 ‘Und’a siehe, dort sind bei ihnen ihre beiden Söhne, Ahimaaz,  der von Zadok, und Jonatan, der von Abjatar. Und ihr sollt mir durch sie jedes Wort senden, das ihr hört.«b 37 Und Huschaia, der Vertraute Davids, kam zur Stadt – und [da]b kommtc Abschalom nach Jerusalem!d 13a M schreibt: »des Mannes Israels« – offenbar ein kollektiver Gebrauch des Nomens; vgl. dazu KAHAL 24b. GL übersetzt frei: »das Herz ganz Israels«, GBA ändern in »das Herz der Männer Israels«. – b Die hebräische Wendung 14 wörtlich: »ist hinter Abschalom«. – 14a GBA übersetzen sachgemäß fuvgwmen (»lasst uns fliehen«); das ejxevlqwmen (»lasst uns hinausgehen«) in GL könnte hingegen auf eine Form von axy in der Vorlage deuten. – b M und alle Versionen haben eine etwas längere Fassung: »denn es wird für uns keine Rettung sein«. Die oben aufgenommene Kurzfassung (wnl yht), die 4QSamc bietet, fügt sich besser in den Stakkato-Ton der vorangehenden Befehle als die M-Fassung. Ebenso urteilen Puech (Manuscrits 11), Ulrich (DJD XVII 264) und McCarter (II 363). – c GL hat statt des stillschweigenden Subjekts »Abschalom« das ausdrückliche Subjekt »das (Kriegs-)Volk«. – d Es muss hier eine Sonderbedeutung von jdn vorliegen. HAHAT 785 hat nur eine so lautende Wurzel und führt bei deren Hif. die Bedeutungen »verstoßen, verjagen, verleiten« u.ä. auf; 2Sam 15,14 steht mit »Unheil bringen über« ganz allein für sich. KAHAL 345f unterscheidet im Gefolge von HALAT zwei Wurzeln, hat aber beim Hif. von II jdn auch einzig diesen Beleg für »Unheil bringen über«. Das ejpwvshtai th;n povlin in GL (»die Stadt zerstöre«) resultiert entweder aus einer Verlesung von h[rh in ry[h, oder es liegt eine ganz andere Wendung zugrunde: ry[h hjd (statt jdn!) = »die Stadt zum Einsturz bringen«; so McCarter II 363. Das wäre eine ernsthafte Option dann, wenn da »Mauer« 13

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2Sam 15,13–37 anstelle von »Stadt« stünde; denn eine Stadt zuerst »umstürzen« und dann »mit der Schärfe des Schwerts schlagen« macht wenig Sinn. – 15a So mit GL. M und GBA wiederholen demgegenüber noch einmal: »zum König«. – b Wörtlich: »gemäß allem«. GL hat ejn pa`sin, »in allem«, Vorlage wohl: lkb. – c GL hat zu ynda kein Äquivalent. Behält man es bei, dann nicht, wie in M, mit Singular-, sondern, wie in GBA (oJ kuvrio~ hJmw`n), mit Plural-Suffix (hebr. wnnda). – d Eigentlich: »erwählt, auswählt«. Laut Campbell II 146 ist dies die einzige Stelle im AT, an der rjb eine königliche Entscheidung bezeichnet. – 16a Wörtlich: »bei seinen Füßen«, wohl im Sinne von: »ihm auf den Fersen«. – b So mit M und GMN. Nach GLB hingegen ließ David »zehn von seinen Nebenfrauen« zurück, hatte also noch mehr. – c GL: »sein Haus«. – 17a In G kleinere Abweichungen: GL hat »sein ganzes Volk«, GBA »all seine Untergebenen«. – b Wörtlich wieder: »bei seinen Füßen«, vgl. Textnote 16a. – c So M und GLB. Demgegenüber heißt es in GMN und einigen Minuskeln: ejpi; th`~ ejlaiva~ ejn tῇ ejrhvmw/, »beim Olivenbaum in der Wüste«, hebr. Vorlage tyzh l[ rbdmb(?). Vgl. dazu den folgenden Vers, genauer: das G-Plus dort (s. Textnoten 18b, 23d und 28c). – 18a Wörtlich: »an seiner Seite«. – b Hier findet sich in G ein beträchtliches Plus. GL: »Und sie blieben stehen beim Olivenbaum in der Wüste. Und das gesamte (Kriegs-)Volk zog an ihm vorüber und alle Starken und alle, die bei ihm waren [die Leibwache?], und alle Krieger des Königs«. GB etwas kürzer: »Und sie blieben stehen beim Olivenbaum in der Wüste. Und das gesamte (Kriegs-)Volk zog an ihm vorüber und alle, die bei ihm waren, und alle Starken und alle Krieger«. Wellhausen (Text 195) sieht in diesen Zeilen die »wahre Uebersetzung der LXX von v. 17b. 18«, und McCarter II 364 konstatiert: »In this case LXX is correct«, wobei das, was er als »original LXX version« rekonstruiert, ziemlich genau mit dem übereinstimmt, was oben als Übersetzung von M angegeben ist. – c Wörtlich: »bei seinem Fuß«; vgl. Textnoten 16a und 17b. Eine größere Zahl hebr. Handschriften hat auch hier den Plural wylgrb, »bei seinen Füßen«. Unzutreffend ist sowohl die Wiedergabe von Tsumura II 235: »who had come from Gath, on foot« als auch die von ihm erwogene Alternative (II 236), sie seien »on foot« an David vorbeimarschiert: worauf denn sonst, wenn nicht auf den Füßen? – d GBA schreiben: »nach Gat« (eij~ Geq). Offenbar soll man an die Truppe denken (und McCarter II 364 tut das auch!), die David einst mit nach Gat und später wieder von dort nach Juda genommen hat. Doch dafür ist inzwischen wohl eine zu lange Zeit verstrichen. – e Wörtlich: »vor dem Angesicht des Königs«. – f Wellhausen (Text 196) meint, hier sei in M ein Satz ausgefallen wie: »Und auch Ittai, der Gittäer, welcher vor nicht langer Zeit (v. 20) von seiner Vaterstadt nach Jerusalem übergesiedelt war, zog an dem Könige vorüber«. Diesem Vorschlag folgt Hertzberg 273, der sich den Wegfall als »Abschreibeversehen« erklärt. – 19a Die vorliegende Konstruktion, Part. + Subjekt, bezeichnet keinen aktuellen Vorgang, sondern einen anhaltenden Zustand: Ittai ist einst zugewandert und lebt immer noch hier. – b Das Lamed ist überraschend. Dass die Präposition l auch meinen könne »(away) from« (Tsumura II 237), trifft laut KAHAL (263f) nicht zu. Bar-Efrat II 159 interpretiert: »im Verhältnis zu deinem Herkunftsort«; allerdings widerspiegelten G, S und V ein Mem. – 20a GLMN haben hier ein kleines Plus: poreuvou kaiv, »Geh und«. Das entsprechende w ˚l könnte in der Vorlage zu den vielen Formen von ˚lh hinzugekommen, oder es könnte ursprünglich und in M nach dem vorangehenden ˚lwh ausgefallen sein. (Letzteres meint McCarter II 364.) – b So mit G. In M fehlt das entsprechende c[y hwhyw – ent-

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weder weil ein Abschreiber einen solchen Jhwh-Segen einem Philister gegenüber deplatziert fand oder schlicht wegen aberratio oculi von ˚yja zu ˚m[ (so Pisano, Additions 237; Firth 452: »homoioteleuton«; auch McCarter II 365; Bar-Efrat II 160). – 21a Hier weicht GL ab: zῇ hJ yuchv sou kuvriev mou basileu`, »(so wahr) deine Seele lebt, o mein Herr König«. Anscheinend fand der Übersetzer vpn vor; ähnlich beschwört auch Urija »die Seele« bzw. »das eigene Leben« Davids, 2Sam 11,11. – 22a Die verschiedenen Codices von G haben hier »der König«, entweder allein oder zusätzlich zum Namen David. – b Zusatz in GL: »dem Gatiter«. – c G weicht ab: poreuvou kai; divelqe met’ ejmou`, »geh und zieh mit mir« o.ä. – d G (oiJ pai`de~ aujtou`, »seine [Kriegs-]Knechte«) scheint wydb[ anstelle von wyvna gelesen zu haben. – e πf sind eigentlich »kleine Kinder«, im weiteren Sinn auch nicht marschfähige Familienglieder, s. KAHAL 201a. GBA übersetzen treffend mit o[clo~, »Menge, Haufe, Leute«, GL vereinfacht zu a[ndre~, »Männer«, was sich aber mit dem Vorangehenden doppelt. – 23a Nach GL hat das Land nicht nur »geweint«, sondern auch »gesegnet« (eujlogevw), was wohl heißen soll: den Abziehenden eine glückliche Rückkehr gewünscht. McCarter II 364 meint, das mutmaßliche µykrb der Vorlage sei »an error« für µykwb. Nach Bar-Efrat II 160, der sich auf David Kimchi beruft, ist »das ganze Land« ein »metonymischer Ausdruck«; gemeint seien, wie in Gen 41,57, »alle Leute des Landes«. – b Nach Wellhausen (Text 197) hat sich hier ein Fehler eingeschlichen: Statt rb[ habe es hier ursprünglich dm[ geheißen: David stand am Kidron und ließ die Truppen Richtung Wüste vorbeiziehen. – c Wörtlich: »auf der Oberfläche des Weges«; vielleicht ist gemeint: »auf geradem Weg«. Doch heißt ≈wjAynpAl[ in Hi 18,17 einfach »auf der Gasse«. – d Die rätselhafte Akkusativ-Partikel ta muss übergangen werden; rbdmh ˚rd ist »der Weg zur / in Richtung Wüste«, so wie r[vh ˚rd (2Sam 15,2) »der Weg zum Tor« und µyA˚rd (1Kön 18,43) »der Weg Richtung Meer« ist. GB bemüht sich, den kaum verständlichen M-Text behutsam zu glätten: »Und das ganze Volk ging vorüber im Bachtal des Kidron, und der König überquerte das Bachtal Kidron, und das ganze Volk und der König schritten voran im Angesicht des Weges die Wüste [sic!]«. McCarter II 365 wagt eine Textrekonstruktion auf der Basis von GL, wo es heißt: kai; pa`~ oJ lao;~ dieporeuveto pro; proswvpou aujtou` kata; th;n oJdo;n th`~ ejlaiva~ th`~ ejn tῇ ejrhvmw/. Laut McCarter wurde in M aus wynp ynp und aus tyz ta; angeblich besagte der ursprüngliche Text: »the whole army was passing before him on the Olive Way in the wilderness«. Übrigens spielt »der Olivenbaum in der Wüste« in der G-Tradition noch öfter eine Rolle, s. die Textnoten 17c, 18b und 28c. Gab es zu einer bestimmten Zeit einen auffälligen Baum etwa in der Gegend von Jericho, der als Wegmarke bekannt war, oder wurde einfach »twrb[b ›an den Furten‹ zu tyzh l[ ›am Ölbaum‹ verschrieben?« (LXX-D 839). Wellhausen (Text 197) spricht ein seltenes Bekenntnis aus: »Der LXXtext ist so entstellt, dass ich ihn nicht zur Vergleichung heranzuziehen wage«. – 24a Hier hat G ein kleines Plus: ajpo; Baiqar, »von Baithar her«; anscheinend ist dabei an jene Örtlichkeit in oder bei Jerusalem gedacht, an der die Lade bisher, d.h. in Friedenszeiten, aufgestellt war. Nach McCarter II 365 handelt es sich um eine Verschreibung aus »Abjatar«, zu der es bei der nachträglichen Einfügung der »Leviten« gekommen sei. – b So mit G (e[sthsan). M bietet wqxyw, von qxy Hif., »ausleeren« oder »einfüllen«, was offensichtlich unsinnig und mit (HALAT und) KAHAL (226a) in wgyxyw (Hif. von gxy, »hinlegen, abstellen«, KAHAL 225a) zu ändern ist. – c–c So GL, wo l[yw offenbar als Hif.-Form verstanden wurde. Tsumura II 239 spricht von einer »brachylogy«, bei der das

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2Sam 15,13–37 Objekt, »Brandopfer«, wegbleibt. GBA aber (kai; ajnevbh Abiaqar) dachten, wie viele spätere Übersetzer (etwa Anderson oder Bar-Efrat II 161), an die 3. Pers. masc. sing. Qal. Doch wohin sollte Abjatar »hinaufgegangen« sein? – 25a Hier ein Plus bei GLA und Theodoret: kai; kaqisavtw eij~ to;n tovpon aujth`~ (GA: aujtou`), »und sie soll an ihrem Ort bleiben«; die hebräische Vorlage lautete wohl wmwqmb bvyw. Vielleicht ist dies eine Nachwirkung des in Textnote 24a benannten Zusatzes. – 26a GL: »wenn er zu mir sagt«. – b Die jiqtol-Form am Satzanfang drückt hier einen Jussiv aus, vgl. Joosten, Verbal System 335. – c GL und Theodoret: »er möge das in seinen Augen Gute tun«. – 27a So mit GL (blevpe suv). Die Lautung von M, hta hawrh, hätte man entweder als »Siehst du?« (vgl. Ez 8,6) oder als »Bist du etwa ein Seher?« (dies bevorzugt von Tsumura II 239), jedenfalls also als Frage, zu verstehen. McCarter II 366 gibt eine Übersicht über verschiedene Interpretations- und Emendationsvorschläge. Stoebe II 365 hört aus dem Verb die Bedeutung »in Erfahrung bringen« heraus. Bar-Efrat II 161 übersetzt: »Verstehst du?« Wellhausen (Text 198) konjiziert: »Lies varøøh; ˜hkh« (»der Oberpriester«). Hoftijzer (Peculiar Question) verwirft alle Emendationen und erklärt die beiden Wörter unter Verweis auf Ez 8,15.17; 47,6 als »a formula meant to draw the attention of the listener to the following words of the speaker« (608); als Übersetzung schlägt er vor: »mark ye or listen attentively« (609). Ähnlich Fokkelman I 186: »›take good care!‹ David asks for special attention«. Anderson 199 übersetzt: »Are you not an observant person«, was auf die Zadok übertragene »›undercover‹ task« hinweise (so 204); dies ist eher eine Deutung. – b Kleiner GL-Zusatz: ijdouv, »siehe«. – 28a Bei GL der Singular (»schau«), bei GBA wie bei M der Plural. – b GL scheint ein Suffix gelesen zu haben: »ich warte auf euch«. Hier wird das seltene Hhm Hitp. mit prosdevcomai wiedergegeben, in GBA hingegen mit dem völlig unpassenden »ich werde zu Felde ziehen«; nach Kim (Textgeschichte 364) ist dies eine Verschreibung aus straggeuvomai, »zaudern, warten«. – c So M, und zwar das Ketib (twrb[b, »bei den Übergängen«; gemeint sind sicher Jordan-Furten). Im Qere wird dagegen vorgeschlagen twbr[b, »in der Jordanaue« (Plural von »Araba«); dazu passt dann aber die »Wüste« nicht gut – auch wenn GBA ungerührt schreiben: ejn Arabwq th`~ ejrhvmou. Nach Tsumura (II 239f) bedeutet twbr[ »steppes«, also »Steppen«; gemeint sei das Jordantal nördlich des Toten Meeres – aber warum? GL kommt hier wieder auf den »Olivenbaum in der Wüste« zu sprechen, zu dem David »vorausgehen« wolle, s. die Textnoten 17c, 18b und 23d. – d GL: »das Wort«. – e Wörtlich: »mir zu melden«. – 29a Der Singular in M ist auffällig, aber nicht außergewöhnlich, insbesondere bei »Voranstellung des (indifferent gedachten) Prädikats vor das Subjekt« (Ges.-K. § 145a). GLA allerdings (nicht GB!) ändern in den Plural. – b In GB nur »die Lade«. – c Die G-Übersetzer scheinen einen Singular (bvyw) gelesen zu haben; in GL wird daraus kai; ajnevstreyen, »und er [selbst] kehrte zurück«, in GBA kai; ejkavqisen, »und er setzte [die Lade] ab«. – 30a Wohl nichts anderes als der Ölberg. GMN schreiben denn auch von der ajnavbasi~ tou` o[rou~, dem »Aufstieg auf den Berg«. – b In GLB ist das zweite »Aufsteigen« weggefallen. – c,c Fokkelman I 188 schlägt, gestützt auf eine Arbeit von Gordis (JQR 27 [1936/37] 41–43), die gegenteilige Bedeutung vor: barhäuptig sein. So auch Alter 288. Doch bedeutet hpj unzweideutig »verhüllen« (vgl. KAHAL 180a). – 31a–a Die etwas schwerfällige Formulierung wurde manchmal abgewandelt: 4QSama, die meisten G-Codices sowie zwei hebr. Handschriften schreiben einen Dativ (»dem David«), eine Handschrift zudem eine Hof.-Form (dgwh, »wurde gemeldet«). Dem folgen die meis-

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ten, z.B. Stoebe II 365; McCarter II 366. Eine interessante Erklärung bietet Raschi (referiert von Bar-Efrat II 162): Subjekt des dygh sei der dygm von 13; dessen Mitteilung über Ahitofel werde erst hier wiedergegeben, weil durch sie das Stoßgebet Davids evoziert sei. Zur ungewöhnlichen Wortstellung meint Wellhausen, Text 198: »Die Voranstellung des dwd vor dygh erklärt sich daraus, dass v. 31 ein nach hebräischer Sitte vorausgeschickter plusquamperfektischer Umstandssatz ist, welcher eine Voraussetzung zum Verständnis von v. 32 ff. enthält.« – b GLB haben hier ein eröffnendes kaiv, das vielleicht µgw widerspiegelt: »Auch Ahitofel ist unter den Aufständischen«. – c Das seltene lks Pi. geben GL und Theodoret mit mataiovw wieder (»eitel machen, betören«), GBA mit diaskedavnnumi (»zerstreuen, zerschmettern«). – d In G gebraucht David die umfassendere Anrede »Jhwh, mein Gott«: bei GL am Anfang, bei GBA am Schluss seines Stoßgebets. – 32a Außer M und GBA scheinen alle Textzeugen – GL, Vetus Latina, Theodoret, auch Josephus (Ant. 7.203) – zu wollen, dass David sich auf der Anhöhe des Ölbergs zum Gebet niederwarf. – b GL und Vetus Latina setzen »Jhwh« voraus. – c Nach M scheint Huschai wie aus dem Boden gewachsen vor David zu stehen, in GL kommt er ihm entgegen (h{kei eij~ ajpavnthsin aujtou`). – d Hier ein G-Zusatz: eJtai`ro~ Dauid, »der Gefährte Davids«; hebr. Vorlage: dwd h[r, vgl. 15,37. – 33a GL: »der König«. – b Die qatal-Form ist auffällig, aber nicht einzig; vgl. Bar-Efrats Verweis auf Ri 16,17 (II 163). – 34a Hier ist ein größeres Plus in G zu verzeichnen, das in GL den Wortlaut hat: dielhluvqasin oiJ ajdelfoiv sou kai; oJ basileu~ oJ pathvr sou katovpisqevn mou dielhvluqen kai; nu`n, »entkommen sind deine Brüder, und der König, dein Vater, ist hinter mir entkommen – und nun …«; in GB nur leicht abweichend. Laut McCarter II 367 lautete die hebräische Vorlage: ht[w / ˚yba rbo[} yrEj}a' / ˚lmh / ˚yja wrb[, was McCarter so übersetzt: »Your brothers departed, O king, after the departure of your father, and now …« Der gesamte Passus sei in M aufgrund von Parablepsis weggefallen (vgl. das Homoioarkton wrb[ – ˚db[), während die G-Versionen aus falscher Vokalisierung der beiden Wörter rb[ yrja entstanden seien. Interessant ist, dass ˚lmh eigentlich eine Anrede ist: »Entkommen sind deine Brüder, o König …«. (Anscheinend hatten immer wieder Texttradenten Mühe damit, Abschalom wirklich König gewesen sein zu lassen; vgl. auch Textnote 35b.) – b Die von Stoebe II 366 vorgeschlagene Korrektur von yna in ynda (362 übersetzt mit »mein königlicher Herr«) ist nicht nötig. – c So mit einem Plus in G: e[asovn me zh`sai; dies macht die Gefährlichkeit des Auftrags für Huschai deutlich. In LXX-D 840 die ansprechende Vermutung, in M könne hyja (= Vorlage von G) in hyha verschrieben worden sein. – d Plus in GLBA: kai; ajrtivw~, »und so war es angemessen«. – e Bartelmus (Prima la Lingua 15) macht auf das in Übersetzungen (auch der obigen!) und Kommentaren meist übergangene »Problem des zweimaligen überschießenden w vor yna« aufmerksam. Seiner Meinung nach nutzt David hier »den Umstand aus, dass Huschai Ausländer ist, und dementsprechend legt er Huschai nahe, so ›und … und … und‹ zu stammeln, wie das jemand tut, der eine Sprache nicht beherrscht, sodass er nach jedem Ausdruck mühsam suchen muss: Wer so radebrecht, erweckt Mitleid, nicht Argwohn« (ebd. 13). Diese Deutung hat Charme, auch wenn sie vielleicht gar zu prätentiös ist. Huschai erweist sich ja alsbald als geschliffener Rede fähig! – f GL hat hier einen Imperativ: diaskevdasovn moi, »mache mir zunichte!« – 35a So mit G (kai; ijdouv), hebr. hnhw, was in M zu awlhw verlesen wurde; eine (rhetorische) Frage passt an dieser Stelle nicht gut. – b So mit GL (para; tou` basilevw~, hebr.« ˚lmh tam); GMN ähnlich: ejk (tou`) stovmato~ tou'

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2Sam 15,13–37 basilevw~ (hebr. ˚lmh ypm). M und GBA wollen Abschalom den Königstitel nicht zugestehen (vgl. auch Textnote 34a) und sagen darum: »aus dem Haus des Königs«. – 36a Die Kopula mit GL. – b In GL findet sich an dieser Stelle 36 ein Plus, das noch einmal manches aus 34 wiederholt: »Und du sagst zu Abschalom: ›Entkommen sind deine Brüder, und der König ist hinter mir entkommen, dein Vater, und ich bin angemessenerweise gekommen, und ich bin dein Diener‹«. McCarter II 367 beurteilt dies als »a misplaced duplicate«. – 37a GLA zusätzlich: »der Arkiter«. – b GLMN: a[rti, »soeben, gerade«. – 37 c M hat hier eine jiqtol-Form, die anzeigt, wie knapp die beiden Ereignisse aufeinander folgen: Huschai ist eben eingetroffen, als auch schon Abschalom ankommt, das heißt: Davids Mann hat es gerade noch rechtzeitig geschafft! Nach Joosten (Long Form 23f) zeigt jiqtol hier ein vergangenheitliches Geschehen an, das aber im Erzählverlauf noch nicht stattgefunden hat. Später formuliert Joosten (Verbal System 134): »For David’s ploy to work it was indeed necessary that Hushai should be back in Jerusalem before Absalom’s return«. – d GL-Plus: »und Ahitofel mit ihm«; das muss nicht gesagt werden, es wird gleich deutlich.

Der große, kostbare Band von Rudolf Smend »Kritiker und Exege- Form ten« enthält einen Paragraphen über Martin Buber und in diesem die Beschreibung einer persönlichen Begegnung des Autors mit dem großen jüdischen Gelehrten im Jahr 1959 in Jerusalem. Buber habe die »territoriale Anschauung« gerühmt, die man im Heiligen Land zu einzelnen biblischen Geschichten gewinnen könne. Sie sei ihm »am einprägsamsten in seinen Jerusalemer Anfängen durch Judah Magnes (1877–1948) vermittelt worden, den ersten Präsidenten der Hebräischen Universität. Dieser habe ihn auf den Ölberg geführt und ihm dort das zu ihren Füßen liegende Jerusalem erklärt. Der Höhepunkt sei gewesen, wie er ihm mit ausgestrecktem Zeigefinger die Stationen von Davids Flucht vor Absalom (2 Sam 15) vorgeführt habe. Und Buber zählte auf, seinerseits den Zeigefinger ausstreckend und bei jeder Station etwas weiter bewegend: dort stand das Haus, wo David seine Kebsfrauen zurückließ, dort zogen die Kretiter und Pletiter und Gatiter und auch der Gatiter Ittai an ihm vorüber, dort überschritt das Volk und dann David selber den Kidron, dort ließ er die Priester Zadok und Ebjatar mit der Lade in die Stadt zurückkehren, und dann – Bubers Zeigefinger bewegte sich schräg aufwärts – stieg er weinend und barfuß hier auf den Ölberg, von dessen Höhe er den Arkiter Huschai in die Stadt zurückschickte, damit er, wie Buber übersetzte, den Rat des Ahithophel ›zerbröckelte‹; den Abstieg in östlicher Richtung zum Jordan hin deutete Buber mit einer leichten Rückwendung auf seinem Stuhl an«1. Diese lebhafte Schilderung möge die »territoriale Anschauung« ersetzen, die bei der folgenden Textauslegung leider fehlen muss. 1  Smend, Kritiker 601.

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2Sam 15,13–37 Charakter des Textes

Der Abschnitt 2Sam 15,13–37 beschreibt eine weiträumige und lang anhaltende Bewegung2: Eine Menschenmenge verlässt Jerusalem, zieht zum Ende der Stadt (17), hinunter ins Kidrontal, über den Bach (bzw. das Wadi: 23), den Abhang des Ölbergs hinauf (30) zur Bergkuppe (32). Das ist keine besonders weite Strecke, man kann sie von der Stadt aus komplett überblicken. Doch dass sie und wie sie hier zurückgelegt wird, das ist von großer Symbolkraft. Es ist der König, der aus Jerusalem weggeht, und mit ihm Hunderte, wahrscheinlich Tausende von Getreuen: Männer, Frauen und Kinder, Bewaffnete und Zivilisten. Der Menschenstrom ergießt sich aus der Königsstadt in Richtung auf die hinter dem Ölberg beginnende Einöde. Jerusalem verströmt sich gewissermaßen ins Nichts, entleert sich, ohne dass ein Ort in Sicht wäre, der sich dafür füllte. Der Vorgang wird geschildert wie eine Trauerprozession3 – wobei beide Seiten trauern: die Stadt um den Verlust ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, diese um den Verlust ihrer Stadt. Es weint »das ganze Land« (23), und es weinen auch die verhüllten Hauptes und barfuß Davonziehenden (30). Dem Betrachter, der Betrachterin teilt sich ein tiefer Kummer über das Geschehen mit. Hinzu kommt eine sprachliche Besonderheit, die in der Übersetzung nicht angemessen zur Geltung gebracht werden kann4: Der Text enthält außerordentlich viele Partizipien. Diese häufen sich in bestimmten Versen: in 18 (zweimal »vorbeiziehend«), in 23 (»weinend« und dreimal »hinüber-« bzw. »vorbeigehend«) und in 30 (dreimal »aufsteigend«, zweimal »weinend«, einmal »barfuß gehend«). Speziell in diesen Versen bekommt die Schilderung etwas Langsames, Langanhaltendes. »Die Handlungen folgen … nicht schnell aufeinander, sondern verwandeln sich in stehende Bilder«5, die der Leserschaft den Eindruck vermitteln, dem Wegziehen der Menschen förmlich beizuwohnen und nachempfinden zu können, was sie wohl beschäftigt6.

2  Dementsprechend sind die Verben der Bewegung ˚lh, »gehen«, rb[, »überschreiten«, und hl[, »aufsteigen«, Leitwörter. 3  Brueggemann 301 spricht von »a royal procession«, Polzin (David and the Deuteronomist 155 = Curses and Kings 210) von einer »highly ritualized flight«. 4  Auch die Septuaginta hat die Partizipien übersetzt, als wären es Narrative. 5  Hentschel II 66. 6  Polzin (David and the Deuteronomist 153 = Curses and Kings 208) redet von »the eyewitness flavor … to bring readers into the center of the action by presenting that action as if it were taking place before their eyes«, Alter 286 von »something like a present tense to the report of the action«. Auch Landy (David and Ittai 29) spürt, dass die vielen Partizipien »communicate a sense of immediacy, and draw the reader into the action«.

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2Sam 15,13–37

Die Verse 18, 23 und 30, in denen die fließende Bewegung gleich- Gliederung sam zum Stillstand kommt, gliedern den Gesamttext in vier Teilabschnitte: 1.  13–17: Aufbruch auf Befehl des Königs 2.  19–22: Vorbeimarsch der Truppen 3.  24–29: Rücksendung der Lade(priester) in die Stadt 4.  31–37: Entsendung Huschais in das Umfeld Abschaloms Die vier Szenen sind verknüpft mit den im Text markierten Wegstrecken: Die erste führt zum »letzten Haus« der Stadt, die zweite endet mit dem Übergang über den Kidron, die dritte spielt sich ab während des Aufstiegs zum Ölberg, die vierte beim Erreichen von dessen Kuppe. Das heißt, in den ersten beiden Szenen geht es immer nur abwärts, von der Stadt hinunter zum Kidron, in den letzten beiden vom Kidron hinauf zum Ölberg. Die Abwärtsbewegung in Szene 1 und 2 wird in grundtraurigen, düsteren Farben gemalt, einzig ein wenig aufgehellt durch Ittais Treuebekenntnis zu David (21). In die Aufwärtsbewegung in Szene 3 und 4 mischen sich hoffnungsvolle Töne: David spricht explizit von der Möglichkeit seiner Rückkehr (25), und es gelingt ihm, in Jerusalem eine Fünfte Kolonne zu installieren (27f.34–36)7. Die Erzählung 15,13–37 ist eine Art Passionsgeschichte. David ver- Erzählerbericht lässt fluchtartig seine Residenz und geht einer unsicheren Zukunft und entgegen. Die erwähnten häufigen Partizipialkonstruktionen las- Figurenrede sen die Lesenden diesen schweren Weg mitgehen, sodass sie den Eindruck haben mitzuhören, was die handelnden Figuren jeweils sagen. Die erste Rede gehört einem namenlosen »Melder« und ist so knapp wie inhaltsschwer: Israel ist abgefallen von David (13). Darauf folgt ein Dialog zwischen David und seinen »Untergebenen« (wie immer man sich deren kollektive Antwort vorstellen mag). David gibt eine klare Anweisung und eine ebenso klare Begründung: Wir müssen weg, um nicht Abschalom in die Hände zu fallen (14). Es geht um Leben und Tod; wer nicht flieht, verfällt der »Schärfe des Schwerts«. Die Untergebenen bekunden einstimmig ihre Bereitschaft, dem Befehl Folge zu leisten (15). Zwischen seiner Aufforderung an sie, zu »entkommen« (jrb), und ihrer Zustimmung zu dem, was er »bestimmt« hat (rjb), besteht ein feiner Anklang. Da ist keine Spur 7  Für Fokkelman (I 184) ist der Kidron, auf halbem Weg zwischen Zion und Ölberg gelegen, »a boundary, a deadline«; der Weg zu ihm hinunter beschreibt Davids tiefste Demütigung, der Weg hinauf dagegen lässt ihn Zeichen vollkommener Loyalität erfahren (I 189). Cartun (Topography 20–25) treibt die Deutung von Davids Bewegung hinunter und hinauf ins Allegorische.

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2Sam 15,13–37

von Uneinigkeit oder von Zögern, obwohl diese Menschen doch sehr viel verlieren und sehr viel riskieren, indem sie David folgen. Doch die alternative Option, zur offenbar überlegenen Gegenseite überzulaufen, scheint für sie nicht zu bestehen. Im Dialog Davids mit dem Gatiter Ittai (19–22) spricht zweimal der König (19f und 22) und dazwischen 60einmal der Soldat (21). Das ergibt das Muster A – B – A’. Doch nicht nur der Dialog als ganzer, sondern schon Davids erster Redebeitrag 19f PDF in 5: S. 60 ist, wie es scheint, chiastisch aufgebaut8. A Why are you coming with us ? B Go back, stay with the king C for you are a foreigner, an exile from your own country X You came only yesterday, today must you … share our wanderings C’ I go whither I go B’ Go back home and take your countrymen with you A’ May YHWH grant you mercy and truth

Landy (David and Ittai 21) stimmt dem im Prinzip zu, findet Fokkelmans Wiedergabe des hebräischen Textes allerdings nicht völlig korrekt; während sich die Elemente B–B’ und C–C’ tatsächlich entsprächen, sei dies bei A – A’ nicht der Fall. Immerhin zeige sich, dass David »even in adversity … remains the master of language«. Dem ist nicht zu widersprechen.

Ittais Replik ist von berührender Entschiedenheit: Er wird an Davids Seite bleiben, »sei es zum Tod, sei es zum Leben«. Das ist Nibelungentreue – nicht germanisch, sondern orientalisch. Von der Unterhaltung zwischen David und den (Ober-)Priestern Zadok und Abjatar wird nur Davids Part mitgeteilt (25–28). Dieser besteht aus zwei Teilen, deren erster einen fromm-ergebenen König zeigt, der zweite hingegen einen politisch geschickt operierenden. Zuerst reflektiert David die Frage, ob Jhwh ihn nach Jerusalem zurückkehren lasse oder nicht; angeblich ist er für beides offen – das wiederum berührende Bild eines Menschen, der sich vorbehaltlos in Gottes Hände gibt (25f). Der zweite Redeteil ist praktisch-pragmatischer Art: Die Priester sollen in die Stadt zurückkehren und ein Nachrichtensystem aufbauen, über das David Hinweise für das weitere Vorgehen zu erhalten hofft (27f). Die Rede Davids wird eingerahmt durch Erzählernachrichten über das, was die Priester tun: Sie haben die Lade aus der Stadt gebracht, offenbar in der Meinung, sie solle den König auf 8  Das Folgende nach Fokkelman I 180. Auch hier wieder kann man sich fragen, inwiefern die Aussagen der angeblich korrespondierenden Zeilen einander wirklich entsprechen.

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seinem Weg in die Fremde begleiten (24); doch auf Davids Aufforderung hin bringen sie die Lade in die Stadt zurück (29). In 31 werden eine Rede und eine Gegenrede ganz eigener Art mitgeteilt. Jemand meldet David den Übertritt Ahitofels zu Abschalom, woraufhin David – nicht mit dem Boten, sondern mit Jhwh spricht: Dieser möge Ahitofels Rat vereiteln. Kann man dies einen Dialog nennen? Formal sicher nicht, der Sache nach vielleicht doch. Schließlich folgt Davids Unterhaltung mit Huschai. Rein formal gleicht sie verblüffend derjenigen mit den Priestern. Auch sie ist durch Erzählernachrichten über das Verhalten Huschais gerahmt: Dieser erscheint offenbar in der Absicht, mit David mitzuziehen (32), doch auf dessen Aufforderung hin begibt er sich in die Stadt (37). Und auch hier ist das Gespräch wieder reduziert auf die Rede Davids; Huschai sagt kein Wort. Und wie bei der Rede an die Priester ist wieder eine Zweiteilung zu beobachten: Huschai erhält zwei Aufträge: einerseits den Ratschlag Ahitofels zunichte zu machen (34), andererseits den Priestern Informationen zukommen zu lassen, die diese an David weiterleiten (35f). Der große Redner in dem gesamten Abschnitt ist David. Bedenkt man die Situation – er befindet sich auf der Flucht, ist an Leib und Leben bedroht –, sind seine Reden bemerkenswert geschliffen: diejenige an Ittai geradezu kunstvoll, die an die Priester und an Huschai auffällig differenziert. Dieser Mann ist auch in bedrängter Lage gedankenstark und des Wortes mächtig. Mit diesen Feststellungen ist der Hauptakteur der Erzählung, David, Charaktere schon weitgehend beschrieben. Hinzuzufügen bleibt, dass er zwar als leidend und duldend, keineswegs aber als passiv und ohnmächtig beschrieben wird. Er muss, wie alle anderen, aus Jerusalem hinaus, hinunter zum Kidron und über den Ölberg in eine unbekannte Ferne, er geht, wie alle anderen, barfuß und verhüllten Hauptes – und doch behält er auf geheimnisvolle Weise die Führung und die Oberhand. Er erteilt Anweisungen, er inspiziert Truppen, er befindet, ob Ittai und seine Gatiter mitziehen dürfen, er installiert eine Fünfte Kolonne in Jerusalem. Er zeigt sich bereit, ohne Aussicht auf Wiederkehr zu gehen – und hofft doch wiederzukommen. Er legt sein Schicksal in Gottes Hand – und nimmt es doch in die eigene. Die Ahnung stellt sich ein, dass die eben erlittene Demütigung eine vorübergehende sein könnte. Die anderen Mitspieler in dem Drama – der »Melder«, die »Untergebenen«, die Nebenfrauen, Ittai, die Priester, Huschai – sind allesamt dem (scheinbar abgesetzten!) König untertänigst zu Diensten. Sie stehen damit in markantem Kontrast zu dem sich gegen ihn erhebenden

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2Sam 15,13–37

Abschalom und dem von ihm abfallenden »Israel«. Es sind nicht viele Menschen, die David bei sich hat, doch es sind solche, auf die er sich unbedingt verlassen kann. Ort Topographische Orte

Die Schauplätze des Geschehens Die Erzählung bewegt sich von Anfang bis Schluss im näheren Perimeter der Stadt Jerusalem. Die Nachricht des »Melders« wird David im Palastareal erhalten haben, d.h. irgendwo an der Nordgrenze der alten Stadtbebauung. Der Abzug erfolgte dann talwärts, Richtung Kidron-Übergang. Welches das »letzte Haus« war und wo es stand, ist unklar. Anscheinend gab es auch außerhalb der Stadtbefestigung vereinzelte Wohnhäuser; doch weit entfernt von der Stadtmauer wird man sich hier nicht befinden9. Der Weg oder die Straße dürfte dann nicht direkt ostwärts rasch ins Tal hinuntergeführt, sondern die dichten Höhenlinien gemächlich, und das heißt: in eher nördlicher Richtung, überwunden haben. Wo genau der Kidron überquert wurde, bleibt unsicher. Da die Kuppe des Ölbergs etwa östlich des Nordendes des (späteren) Tempelgeländes liegt, dürfte der Aufstieg zu ihr hinauf recht genau östlich verlaufen sein10. Um einen Eindruck von den Höhenunterschieden zu geben: Der Südosthügel Jerusalems erreicht knapp 700 m, der Ölberg über 800 m, das Kidrontal verläuft bei etwa 640 m ü.M. Zusammen sind also von hier nach dort gut 200 Höhenmeter zu überwinden, und dies auf sehr kurzer Distanz. Insgesamt ist der beschriebene Weg kaum einen Kilometer lang. Umso bemerkenswerter ist die detaillierte, zerdehnte Schilderung. Wie viel hat sich auf dieser kurzen Strecke ereignet! Als (vorläufiges?) Ziel des Marsches gibt David den Jordan bzw. die Jordanfurten an (28). Vom Ölberg dorthin sind nun doch einige Kilometer beschwerlichen und steil abfallenden, von der Stadt aus nicht einsehbaren Weges zurückzulegen. Es scheint, als plane David noch nicht, von dort weiterzuziehen: über den Fluss, talaufwärts und nordostwärts, nach Gilead. Vielmehr will er zunächst die Nachrichten über die weiteren Pläne Abschaloms abwarten. Hegt er noch die Hoffnung, der Exodus könne bereits am Jordan beendet und schon bald wieder der Rückweg nach Jerusalem angetreten werden? Keel (Geschichte Jerusalems I, 37–39) diskutiert detailliert die antiken Wege von Jerusalem ins Jordantal. Man konnte den Ölberg südlich und 9  Cartun (Topography 211) meint, es habe noch innerhalb der Mauer gelegen, beim tiefstgelegenen Tor und am vom Palast weitestentfernten Platz. 10  Womöglich aber nahm der Weg zur Vermeidung allzu steiler Abschnitte einige Kehren.

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2Sam 15,13–37 nördlich umgehen, doch David wählte offenbar den Weg direkt über die Kuppe. Das ist die strikteste östliche Linienführung. In ihrer Verlängerung liegt tatsächlich das in 2Sam 16,5 und 17,18 genannte Bahurim (laut Keel [39] im Wadi el-leḥḥam). Gute Überblicke über die geographischen Gegebenheiten bieten die Kartenskizzen bei Keel (38), in BHH II (nach Sp. 840) und im Artikel »Jerusalem« in NEAHL II (699 und 702). Die G-Überlieferung scheint einen markanten »Olivenbaum in der Wüste« zu kennen, zu dem der Zug führen sollte11. Möglicherweise stand er nicht erst am Jordan, sondern unterwegs am Abstieg dorthin12; doch ob es ihn wirklich gab und wann und wo, ist naturgemäß nicht mehr zu ermitteln.

Unebenheiten im Text und Versuche ihrer Erklärung Literar­ Der Abschnitt 2Sam 15,13–37 ist erkennbar aus verschiedenen Epi- historischer soden zusammengesetzt. Dies könnte die Technik eines Autors sein – Ort gäbe es da nicht eine Reihe auffälliger Doppelungen und Widersprüche: herkömmlich Anzeichen mehrstufiger Entstehung eines Textes. Eine erste Doppelung, jedenfalls eine unnötige Dehnung des Texts, liegt in 14 vor. Dort fordert David seine Leute auf: »Macht euch auf, wir müssen entkommen und uns vor Abschalom retten« (14a). Die nachfolgende Aufforderung »Beeilt euch, damit er nicht eilt und uns einholt und über uns das Unheil bringt (h[rhAta wnl[ jydh)« (14b) bringt jedoch nichts Neues, dafür aber deutliche Anklänge an die Ankündigung Natans in 2Sam 12,11: »Ich werde über dich Unheil bringen (h[r ˚l[ µyqm) aus deinem Haus«. Die Antwort der Untergebenen »Ganz so, wie unser Herr, der König, bestimmt« könnte genauso gut schon auf 14a wie auf 14b folgen. Eine zweite Doppelung ist in 16 und 17 zu verzeichnen: »Und es zog aus der König und sein ganzes Haus, das ihm folgte« bzw. »Und es zog aus der König und das gesamte Volk, das ihm folgte«. Die nächste Doppelung folgt in 19 und 20: »Kehr um und bleib beim König« bzw. »Kehr um und lass deine Brüder mit dir umkehren«. In 18 heißt es: »und alle Gatiter … zogen vor dem König vorüber«, in 22: »Und es zog vorüber Ittai, der Gatiter, und alle seine Männer«. In 23 steht zweimal: »Und das ganze Volk ging vorüber«. In 25 liest man: »Und der König sagte zu Zadok«, in 27: »Und der König sagte zum Priester Zadok«. In dem Passus 24–29 scheint nicht ganz sicher, ob nur Zadok das Gegenüber Davids ist (so in 25 und 27a) oder neben ihm auch Abjatar (so in 27b und 29). Es gibt zudem ein merkwürdiges Hin und Her zwischen singularischen und pluralischen Anredeformen. Außerdem gesellen sich in 24 »alle Leviten« zu Zadok, um die Lade zu tragen, in 29 hingegen bringen die Priester selbst sie zurück nach Jerusalem. 11  Vgl. die Textnoten 17c, 18b, 23d und 28c. 12  Vielleicht eben im Wadi el-leḥḥam.

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2Sam 15,13–37

Warum schließlich häufen sich in den Versen 18, 23 und 30 die Partizipialformen, die sonst im Text fehlen? In der Forschung besteht weitgehende Einmütigkeit darin, dass die erste der genannten Doppelungen eine klassische »Wiederaufnahme« ist, mit deren Hilfe die Bemerkung über die Nebenfrauen eingefügt wurde. Also ist die Nachricht, dass David diese im Palast zurückgelassen habe, ein sekundärer Nachtrag. Die nächste Doppelung betrifft die Ittai-Szene 19–22. Es scheint, als sei sie insgesamt sekundär in die Erzählung eingefügt worden. Rut/Noomi Dies meint auch Leonard-Fleckman (Ally or Enemy); freilich hält sie den und Passus für nachexilisch. Er sei nämlich65 eine Dublette des Austauschs zwischen Ittai/David Noomi und Rut in Rut 1,8–18 (216f); wenn dieser nachexilisch sei, dann 13 auch das danach gestaltete Gespräch zwischen PDF 6: S. 65 David und Ittai in 2Sam 15 . Tatsächlich ist die Parallelität beider Texte frappant:

Rut 1

2Sam 15

Noomis Aufforderung 8.10.15: Kehr(t) um! 8: Jhwh erweise euch Loyalität 10: Warum geht ihr mit mir?

Davids Aufforderung 19: Kehr um! 20: Jhwh erweise dir Loyalität 19: Warum gehst auch du mit uns? Ittais Antwort 21: An dem Ort, dort wo der König, mein Herr, sein wird – sei es zum Tod, sei es zum Leben –, dort wird dein Knecht sein! 21: So wahr Jhwh lebt.

Ruts Antwort 16: Wohin du gehst, dorthin gehe auch ich. 17: Wo du stirbst, dort sterbe auch ich. 17: So tue mir Jhwh, und so füge er hinzu.

Angesichts der völligen sachlichen und teilweise auch wörtlichen Übereinstimmung ist es fast undenkbar, dass beide Texte unabhängig voneinander entstanden sind. Die Frage ist nur, ob 2Sam 15 von Rut 1 abhängt (so Leonard-Fleckman) – oder umgekehrt: ob nicht im Buch Rut eine Lanze für die Ausländer(innen) gebrochen wird unter Verweis auf den großen Gründerkönig, der seinerzeit die Treue und Loyalität eines Ausländers sehr zu schätzen wusste. Für diese Abhängigkeitsrichtung spricht der Umstand, dass Ittai ausgerechnet aus Gat kommt, einer Philisterstadt, die nach dem 9. Jh. faktisch keinerlei Rolle mehr spielte. Leonard-Fleckman wendet gegen dieses Argument ein, dass noch Josephus die gatitische Herkunft Ittais nicht nur nicht 13  Freilich, eine weitere Parallele – Elischas wiederholte Versicherung an Elija, ihm unbedingt folgen zu wollen, in 2Kön 2,2.4.6 – ist keinesfalls nachexilisch!

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2Sam 15,13–37 verschwiegen, sondern geradezu hervorgehoben habe (219). Doch dass ein Schriftsteller der römischen Zeit, der die biblische Geschichte nacherzählt, die Namen in der Bibel erwähnter Städte aufnimmt, ist etwas anderes, als wenn sich ein Bearbeiter der noch in Fluss befindlichen Davidüberlieferung ohne Not auf eine zu seiner Zeit völlig bedeutungslose Stadt bezogen hätte. Entgegen Leonard-Fleckman ist die prominente Präsenz von Gat in Davidtexten (nicht nur hier, sondern vor allem in 1Sam 27) ein klares Zeichen für deren hohes Alter. Dies besagt allerdings noch nicht viel für die konkrete Einschätzung des Dialogs 19–22. Er dürfte tatsächlich, wie Leonard-Fleckman (Ally or Enemy 221) meint, aus der Erwähnung von »600 Gatitern« in 18 und des »Gatiters Ittai« in 2Sam 18,2 heraus entwickelt worden sein – dies aber mitnichten erst in nachexilischer Zeit! Die Dominanz direkter Rede in dem Passus 19–22 und dessen anthropologische und theologische Färbung – die noble Wesensart der beiden Männer und Ittais Berufung auf Jhwh14 – lassen vielmehr an den Höfischen Erzähler als Autor denken. Dass in 22 der »Familienanhang« der Gatiter hervorgehoben wird, dürfte eine gezielte Anspielung auf 2Sam 2,3 sein, wo die Familien der 600 Mann erwähnt werden, die mit David nach Ziklag und wieder zurück nach Hebron zogen; auf diese Weise wird Ittai gezielt mit dem jungen David parallelisiert15.

Eine weitere Dublette betrifft Davids Begegnung mit den Priestern in 24–29. Hier sind sekundäre Änderungen jedenfalls in 24 zu vermuten. In der Chronik sind Zadok und die Leviten eng mit der Lade verbunden. Wohl deshalb hat man auch hier Leviten eingeführt und den vermeintlich störenden Abjatar aus dem Text zu entfernen versucht. Jedenfalls chronistisch ist das Bestreben, die Leviten zu Trägern der Lade zu machen16. Was Abjatar betrifft, so meinte schon Raschi, habe am Anfang des Verses einmal gestanden: »Abjatar opferte«, worauf folgte: »Und da war auch Zadok«. Demnach wären ursprünglich beide Priester von vornherein dabei gewesen17. Wellhausen (Text 197) notiert zu 24: »Es ist diesem und den folgenden Versen unschwer anzusehen, dass sie unter den Händen eines nachexilischen Bearbeiters gelitten haben, der die aus der Chronik begreifliche Absicht hatte, den Ebjathar aus diesem Zusammenhange gänzlich zu eliminieren«18. 14  Der »Ausländer« Urija hat sich in ganz ähnlicher Weise auf Jhwh berufen: 2Sam 11,11; auch dort formuliert der Höfische Erzähler. 15  Na’aman (Ittai 71) hält Ittai für eine »literary figure«, vom Erzähler geschaffen einerseits als treuer ausländischer Gefolgsmann im Gegenüber zum untreuen eigenen Sohn und andererseits als alter ego des jungen David, der ebenfalls mit 600 Mann ins Exil gegangen war. 16  Wie viele andere hält auch Auld 508 die Einbringung der Leviten für »a late addition«. 17  Vgl. Caquot / de Robert 531, die dieser These zuneigen und meinen, die Abänderung zum heutigen Text könne auf den »rédacteur sadocide« zurückgehen, der begreiflicherweise den Akzent auf Zadok legen wollte. 18  Demgegenüber hält Rudnig (Davids Thron 191) Abjatar für sekundär eingetragen; ursprünglich sei nur von Zadok die Rede gewesen – eine wenig plausible Theorie.

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2Sam 15,13–37 Umgekehrt meint Cohen (Rebellions 96f), Abjatar sei in den Text erst nachträglich hineingekommen. Ursprünglich sei angedeutet gewesen, dass Abjatar nicht mit David zog, sondern es mit Abschalom hielt, woraufhin David Zadok allein die Würde des Oberpriesters ließ. Nicht von ungefähr gehöre Abjatar auch in 1Kön 1–2 zu den Widersachern der von David und Salomo vertretenen politischen Linie und werde dann von Salomo relegiert. M.E. ist diese Interpretation zu phantasievoll.

Ins Auge fällt auch, dass David für den Befehl an die Priester, mit der Lade in die Stadt zurückzukehren, zwei Begründungen gibt: zuerst eine tiefreligiöse – es sei an Jhwh, ihn selbst ebenfalls zurückkehren zu lassen oder auch nicht –, dann eine politisch-pragmatische – die Priester sollten einen Nachrichtendienst zu seinen Gunsten organisieren. Es ist schwer zu glauben, dass beide Begründungen von einer Hand stammen19. Hypothesen zur stufenweisen Entstehung des Gesamttexts Zunächst seien einige Forschungshypothesen vorgestellt, die eine stufenweise Entstehung von 2Sam 15,13–37 behaupten. Caquot / de Robert 541 erklären 15,16.24a.25f.31.32ab.34b für »zadokidische Zusätze zu einem »ebjataridischen« Grundtext. Eine dtr Beigabe sei 24a. Hentschel II 66f deutet zwei Entstehungsstufen an. Zur zweiten rechnet er die Konkubinen-Notiz (16) und Davids fromme Rede an Zadok (25f), dazu die Zurücksetzung Abjatars. »Erst zur Zeit des Exils sind [in 24] die Leviten hinzugekommen« (67). Vermeylen (Loi 502.552) rechnet einen Grundstock der Erzählung zur ältesten Schicht der Daviderzählungen. Sekundär (nämlich Teil der »salomonischen« Bearbeitung des ältesten Stoffs – also auch noch vergleichsweise alt) seien 16b.17 (die Konkubinen).18b–22 (die Ittai-Episode).23ba.31 (Davids Stoßgebet gegen Ahitofel).34abb (der Auftrag an Huschai, Ahitofels Rat zu vereiteln). [Die fromme Rede an Zadok entgeht Vermeylens Blick.] Seiler (Thronfolge) ist einverstanden damit, dass die Nebenfrauen in 16f (125) und die Verse 24–26.29 sekundär eingefügt sind (126f). Die Verse 31 und 34 hingegen gehörten zur Grunderzählung (130–132). Zur Ittai-Szene in 19–22 äußert sich Seiler nicht. Rudnig (Davids Thron) entwickelt ein höchst elaboriertes Modell. Sekundär seien jedenfalls die Nebenfrauen (180f). Auch die »Ittai-Szene wurde in ihren Kontext sekundär eingehängt« (182). 19bb, eine Glosse, sei eine »Exilsanspielung« (182). 18abb sei tertiär. Die eigentliche Ittai-Szene erinnere an die Theologie des Jonabuchs, derzufolge Ausländer vorbildlich fromm sein können (183); am Werk sei hier die »Theodizee-Bearbeitung« (184). 23bbg sei »später angefügt« worden (186), 23aa noch jünger (187). Das »Itinerar« in 23 und 30 diene dazu, »im Weg Davids und des Volkes Exilserfahrung 19  Bodners Erklärung (Rebellion 67), die zweite sei eine Art »afterthought« nach der ersten, wirkt bemüht.

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2Sam 15,13–37 zu bewältigen« (188). »Deutlich sekundär ist die Begegnung Davids mit den Priestern Zadoq und Abjathar (V.24–29)« (188); der Abschnitt gehöre wegen Davids demonstrativer Ergebenheit wieder zur »Theodizee-Bearbeitung« (189). Die Verse 27f seien nicht etwa älter, sondern noch jünger, nämlich Teil einer »Nachrichtendienst-Bearbeitung« (190). Abjatar sei in den Text nur deswegen hineingekommen, weil sein Sohn »Nachrichtendienst« ausübte – also tertiär (193). Davids Stoßgebet in 31 sei erst »nachträglich vor die Hušai-Episode gestellt [worden], um Davids Intrigieren im rechten Licht erscheinen zu lassen: es ist eigentlich Jahwe, und nicht der Mensch, der die Ereignisse lenkt« (194). Der »Grundtext« der Huschai-Szene bestehe nur aus 32f.34*.37a und verdanke sich einer »Ratgeber-Bearbeitung« (198). Noch später seien 35 und danach noch 36 zugefügt worden (196f). – Wahrscheinlich wird Rudnig mit den von ihm gefundenen (bzw. erfundenen) Theodizee-, Nachrichtendienst- und Ratgeber-Bearbeitungen allein bleiben.

Eigener literarkritischer Entwurf In teilweiser Aufnahme, aber auch in Abgrenzung von diesen Hypothesen sei nunmehr ein eigenes Entstehungsmodell für 15,13–37 vorgeschlagen. Zur Erklärung der eingangs genannten Doppelungen und Spannungen genügt m.E. die Annahme zweier Textstufen. Die jüngere Stufe lässt sich dem Höfischen Erzähler zuweisen. Auf ihn gehen zurück: –  die Anspielung auf die Drohung Natans in 2Sam 12,11 (14b, in unnötiger Ausdehnung von 14a); –  die Zurücklassung von Nebenfrauen Davids im Jerusalemer Palast (16b.17a – wobei 17a eine Wiederaufnahme von 16a ist); –  das Gespräch zwischen David und Ittai (19–23a – wobei 22b 18b wieder aufnimmt und 23a zu 23b hinleitet); –  die »fromme Hälfte« von Davids Rede an Zadok und Abjatar (25b.26 – wobei 25aa in 27aa aufgenommen wird); –  die Meldung von Ahitofels Übertritt und Davids Stoßgebet (31); –  der Auftrag an Huschai, Ahitofels Rat zunichte zu machen (34b). Der gesamte Rest kann der älteren Stufe, und das heißt: der AmnonAbschalom-Novelle, zugerechnet werden. Vielleicht lässt sich hier noch zwischen Informationen, die dem Novellisten (wohl in mündlicher Form) zugekommen sind, und von ihm selbst geschaffenen Überleitungen sowie dialogischen Ausgestaltungen unterscheiden. Etwa die ausführliche Anordnung Davids an seine Untergebenen in 14 oder seine Anweisungen an die Priester (27f) und an Huschai (33.34aa.35f) verraten den frei gestaltenden Erzähler. Zum Genus »Überleitung« zählen die mit Partizipien gespickten Verse 18, 23 und 30, die aus dem nüchternen Berichtsstil der übrigen Erzählung herausstechen. Trifft das zu, dann waren dem Novellisten Informationen darüber bekannt, dass David mit seinem Gefolge vor Abschalom aus Jerusalem floh, nahe der Stadt seine ihm verbliebenen Truppen inspizierte und auf

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dem weiteren Weg die Priester Zadok und Abjatar sowie den Berater Huschai mit der Ausspähung Abschaloms beauftragte. Der Novellist gestaltete aus diesen Versatzstücken eine lebendige und bewegende Erzählung. Historischer Ort

Die Frage nach der Historizität Die radikalste Position lautet: Nichts in 2Sam 15,13–37 ist historisch20. David hat Jerusalem während des Abschalom-Aufstandes nie verlassen, sondern sich durchgehend in seiner Residenz aufgehalten. Er war also auch nicht in Mahanajim. Die Schlacht zwischen seinem und Abschaloms Heer fand in Efraim statt; seine Truppen zogen dorthin direkt von Jerusalem aus. In Jerusalem empfing er auch die Nachricht vom Sieg über Abschalom. Warum dann aber der große Aufwand, eine Flucht Davids über den Jordan nach Gilead und die Rückkehr von dort wieder über den Jordan zu beschreiben? Diese räumlich und zeitlich begrenzte Fluchtbewegung bildete, so wird gesagt, die große Deportation von Judäern nach Babylon ab. David soll als Typos des Exiljudäers erscheinen, nur dass es ihn nicht bis nach Mesopotamien verschlug, sondern lediglich bis nach Mahanajim. So, wie er nach seinem Exil wieder nach Jerusalem gelangte, so gelangten auch die ins Zweistromland Verschleppten eines Tages wieder zurück in die Heimat. Diese kühne Hypothese mag ihr Wahrheitsmoment darin haben, dass man in nachexilischer Zeit die Geschichte von Davids vorübergehendem »Exil« als Vorabbild des großen babylonischen Exils gelesen haben könnte. Beide Male hat sich, so die Botschaft, tiefste Depression in eine wunderbare Restitution gewandelt. David gab Jerusalem auf und gewann es zurück, das Judentum verlor seine Heimat und fand sie wieder. Dies freilich wäre eine fast allegorische Lesart der Erzählung von Davids Flucht in 2Sam 15 (und seiner Rückkehr in 2Sam 19). Denn David wurde nicht verschleppt, sondern ging aus eigenem Entschluss. Und er wurde nicht weit weggebracht, wo er niemanden kannte, son20  Die im Folgenden vorgetragene Hypothese stammt von Fischer (Flucht und Heimkehr). Eher noch radikaler als er urteilt Thompson (Mount of Olives), der nicht einmal die Möglichkeit diskutiert, dass in unserer Erzählung etwas Historisches zu finden sei. Für ihn ist alles typisch bzw. typologisch und rein zu Lehrzwecken erfunden. David ist nichts als »piety’s representative« (53). Er hatte auf den Ölberg zu gehen wie Abraham auf den Berg Morija (Gen 22) – und wie Jesus dann wieder auf den Ölberg (54f). Auf den Ölberg geht man eben zum Gebet, und »Jesus takes on the role of David as the man of prayer« (57). Und dann die Schlussfolgerung: »it is clearly irrelevant whether David did or did not climb the Mount of Olives, or whether Jesus was ever crucified« (57). Aus einem solchen Satz spricht geradezu Verachtung für die reale Geschichte – etwas, das der Bibel fernliegt.

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dern begab sich in ein Gebiet, in dem er Unterstützer wusste, die ihm halfen21. Seine Rückkehr wurde ermöglicht durch einen militärischen Sieg, die der Gola hingegen durch einen Umsturz der weltpolitischen Lage (die Perser hatten die Babylonier abgelöst). Nichts in dem Text von 15,13–37 deutet darauf hin, dass er transparent sein soll auf eine ganz andere Situation viele Jahrhunderte später. Die Sprache ist die der umgebenden Kapitel, die geschilderten Vorgänge sind in sich kohärent und fügen sich in den größeren Kontext. Das Fluchtziel Mahanajim ist so unerwartbar, dass man nicht an pure Fiktion glauben mag. Offenbar ist es doch ein historisches Faktum, dass David vor der außerordentlich erfolgreichen Rebellion Abschaloms aus Jerusalem ins Ostjordanland zurückgewichen ist. Das bedeutet freilich nicht, dass jeder Erzählzug in 2Sam 15,13– 37 historisch korrekt sein muss. Nicht historisch sind schon einmal diejenigen Abschnitte des Textes, die nach der eben vorgebrachten Analyse vom Höfischen Erzähler verfasst wurden (15,16b.17a.19– 23a.25b.26.31.34abb). Ohnehin unhistorisch ist die in 24 behauptete Präsenz von Leviten bei der Lade. Auch die Schilderung des Abzugs als Trauerprozession (namentlich in den Versen 18, 23 und 30) verdankt sich literarischer Stilisierung. Was historisch bleibt, ist etwa dies: David entwich vor dem anrückenden Abschalom mitsamt seiner Gefolgschaft über den Ölberg in Richtung Jordan. Ihm schlossen sich, nebst seiner Leibwache, 600 gatitische Söldner an. Die Lade blieb in Jerusalem und mit ihr die (Ober-)Priester Zadok und Abjatar, ebenso Davids »Vertrauter« Huschai; diese Männer agierten im Untergrund für den geflohenen König. David gelang es auf diese Weise, den Kopf aus einer Schlinge zu ziehen, in der er (und mancher Getreue mit ihm) beinahe umgekommen wäre. Dass derlei vom hochgeachteten König David berichtet wird, spricht von vornherein für historische Authentizität22; denn ein solcher Rückzug, auch wenn er sich am Ende als ein taktischer erweist, ist kein Ausweis politischer Souveränität und militärischer Stärke. Dass König David für eine gewisse Zeit faktisch abdankte und das Feld seinem aufrührerischen Sohn Abschalom überließ, ist – zumal im Blick auf den notorischen Hang altorientalischer Herrscher zu Selbstgefälligkeit und Selbstruhm – eine äußerst überraschende und aufregende Nachricht.

21  Vgl. 2Sam 17,27–29. 22  Vgl. Stoebe II 368: Dass David seine Hauptstadt aufgibt, ist »so unerwartet …, daß an der Historizität nicht zu zweifeln ist«.

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2Sam 15,13–37 Wort In der Erzählung vom Abschalom-Aufstand geht der Erzählfokus 13–16 beständig zwischen den beiden Seiten – Abschalom und David – hin

und her. In 15,1–12 wurde beschrieben, wie Abschalom den Aufstand vorbereitete (wobei er kurz auch in die Sphäre Davids eintritt: 15,7– 9a). Ab 15,13 richtet sich der Blick auf David. Nachdem Abschalom agiert hat, muss David reagieren. Es ist fast wie ein Schachspiel, in dem Abschalom »Weiß« hat und in der Vorhand ist. Ein »Melder« berichtet David, was auf der Gegenseite geschehen ist. Hat in 15,6 der Erzähler der Leserschaft bedeutet, Abschalom habe »das Herz der Männer Israels gestohlen«, so erfährt jetzt David das Ergebnis dieses Vorgangs: »Das Herz der Israeliten hat sich Abschalom zugekehrt«. Wer das David mitteilt, bleibt unklar. Hatte er doch Geheimagenten mit nach Hebron geschickt? Oder war es Abschalom, der seinen Vater wissen ließ, wer jetzt in »Israel« das Sagen habe, dass Widerstand zwecklos und ein sofortiger Rücktritt angezeigt sei23? Man hält den Atem an. Wie wird David reagieren? Wird er der Meldung ohne weiteres glauben oder sie erst umständlich überprüfen lassen24? Wird er zu den Waffen rufen – oder die Waffen strecken? Es hat zunächst den Anschein: Letzteres! Er fordert nicht dazu auf, die Hauptstadt in Verteidigungsbereitschaft zu versetzen, sondern sie zu verlassen. Bei Josephus (Ant 7.198) reagiert David auf die Meldung in 13 viel stärker – und wird Abschalom viel schärfer verurteilt: David ist alarmiert und überrascht über Abschaloms »Ruchlosigkeit« (ajsevbeia) und »Dreistigkeit« (tovlmh). Dieser erwies sich als extrem undankbar, war er doch gerade trotz seiner Missetaten begnadigt worden. Doch dieser Mann war noch viel schlimmerer »Gesetzesbrüche« (paranomwtevroi) fähig als der schon begangenen, indem er die Königsherrschaft anstrebte, die ihm von Gott nicht zugesprochen war, und seinen eigenen Vater mit Waffengewalt angriff.

Nach und nach wird man begreifen, dass der Abzug aus Jerusalem nicht Davids Abdankung bedeutete, sondern ein taktischer Rückzug war (wie ihn etwa auch die Russen gegenüber Napoleon übten)25. Zunächst aber denkt man unwillkürlich: David hat aufgegeben. Er überlässt seinem Sohn die Herrschaft. Die Verben µwq und jrb fol23  Diese Vermutung äußern Caquot / de Robert 529. 24  Bodner (Rebellion 63) erinnert daran, dass David schon einmal eine Meldung blindlings geglaubt habe – in 2Sam 13,30f –, die sich hernach als falsch herausgestellt habe. Auch diesmal scheint er keinen Moment zu zweifeln – und diesmal hat er Recht. 25  Mann (Run, David 84–87) meint sogar, David begebe sich absichtlich in die Situation Abschaloms nach dem Mord an Amnon; schließlich sei auch dieser mit Gottes Hilfe zurückgekehrt, und dasselbe erhoffe er für sich. Dies ist m.E. mehr Eisegese als Exegese.

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gen auch in 1Sam 21,11 aufeinander, das heißt: David kommt in die gleiche Lage wie damals, als er vor Saul flüchten musste und noch gar nicht absehbar war, dass er ihn eines Tages ablösen würde. Zu beachten ist auch das feine Wortspiel in 14 und 15: David hat nur eines im Sinn: wie man dem Unheil noch »entkommen« könne (jrb), während seine Untergebenen immer noch anerkennen, dass er zu »bestimmen« habe (rjb). Und in gewisser Hinsicht stimmt es ja auch: Sowenig heroisch Davids Entschluss anmutet – er hat ihn reflexartig getroffen und enorm zielstrebig in die Tat umgesetzt. Dieser soeben von seinem Sohn faktisch abgesetzte Mann ist alles andere als ein entscheidungsschwacher und handlungsunfähiger Potentat, nein, er »reagiert schnell und kreativ«26. Was waren die Motive zu dem Rückzugsbefehl? Wollte David in Jerusalem nicht eingekesselt werden – ohne Chance auf ein Entweichen und mit der sicheren Aussicht, sich eines Tages doch ergeben zu müssen27? Man kann dazu auf die Phantasie Huschais verweisen, ganz Israel werde die Stadt zu Tale schleifen, in der David sich etwa verschanzen würde (2Sam 17,13). Andererseits kennt David später keine größere Sorge als die, dass der Rebell Scheba befestigte Städte gewinnt und dort dem Zugriff des Königs trotzt (2Sam 20,6). So könnte es – dies eine andere Erklärungsmöglichkeit – David darum zu tun gewesen sein, Jerusalem und seiner Bewohnerschaft einen langen, entbehrungs- und verlustreichen Belagerungskrieg zu ersparen. Vielleicht dachte er an die Schrecken, die dies über ungezählte Zivilisten und auch die eigenen Frauen und Kinder bringen würde. Oder wollte er – dritte Möglichkeit – der direkten militärischen Konfrontation mit Abschalom ausweichen? Wollte er einen Bürgerkrieg, in dem die beiden Seiten bzw. Armeen einerseits von ihm und andererseits von seinem Sohn angeführt würden, unbedingt vermeiden? War sein Abzug aus Jerusalem so etwas wie ein letzter Aufruf an Abschalom, zur Besinnung zu kommen: Schau, ich suche nicht den Kampf mit dir – suche du ihn auch nicht mit mir? Jedenfalls könnte die Zurücklassung von zehn Konkubinen diesen Appellcharakter gehabt haben: Hier, mein Sohn, zehn Frauen aus meinem Harem – du wirst doch nicht wagen, sie anzutasten28?! Vielleicht will David seinen rebellischen Sohn durch diesen Schachzug 26  Bar-Efrat II 157. 27  So z.B. Anderson 203. 28  Davidovich (Mystery 69) spricht von »a last warning to Absalom«. Vergriffe dieser sich an den Frauen, zeige er »disrespect to David both as a king, a man, and a father. Perhaps David thought that this was the line that Absalom would not dare to cross«.

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in Zugzwang bringen: Jetzt musst du entscheiden, ob du in die legale Rolle des (Kron-)Prinzen zurückkehrst – oder alle Brücken in die Vergangenheit abbrichst29. Doch auch handfeste politische Motive sind denkbar: Angenommen, diese Nebenfrauen seien eben die, die David laut 2Sam 5,13 nach der Einnahme Jerusalems genommen hatte, dann handelte es sich wohl um Jerusalemerinnen. Durch sie hatte er die jebusitische Aristokratie an sich binden wollen, doch jetzt löste er diese Bindung gewissermaßen auf und gab den Jerusalemern freie Hand, sich für Abschalom oder für ihn zu entscheiden30. Allerdings scheint die Formulierung, dass die Frauen »das Haus bewachen« sollten, zu zeigen, dass David den Anspruch auf seine Residenz nicht aufgab, sondern zurückzukehren beabsichtigte31. Wie auch immer: Diese Frauen werden zu Opfern eines politischen Macht- und Ränkespiels32. 17–18 Wer mag mit dem »gesamten Volk« gemeint sein, das David bei seiner Flucht »folgte«? Nun, neben dem König und seiner Familie (die immerhin nach Dutzenden zählte!) die Palastdienerschaft, vielleicht auch Angehörige des (nicht überaus umfangreichen) Verwaltungsapparats33. Niemand wird in der Eile mehr als das Nötigste zusammengepackt und mitgenommen haben: ein Zug flüchtender Zivilisten, wie es sie im Verlauf der Geschichte und bis heute immer wieder gegeben hat. Offensichtlich gehen alle diese Menschen zu Fuß – in sprechendem Gegensatz zu Abschalom, der auf einem Wagen einherfährt34. Dort, wo die städtische Bebauung endet, »beim letzten Haus«, hält der Zug – wohl auf einen Wink des Königs – an und wartet den Vorbeimarsch der mitziehenden Truppen ab. Eine große, prächtige Parade hat man sich nicht vorzustellen. Dieses Defilee war nicht geübt worden, und auch die Soldaten waren ziemlich übereilt aufgebrochen. Sie dürften eher nach Hunderten als nach Tausenden gezählt haben. Namentlich genannt werden nur zwei Einheiten: die »Kereter und Peleter«, die hauptsächlich aus ausländischen Söldnern bestehende 29  In diese Richtung votiert nachdrücklich Westbrook, And He Will Take your Daughters 191–194. Sie betont auch, dass Abschalom, falls er das Zweite wählt, Zeit verliert, was wiederum David zugutekommt. 30  So Hill, Concubines 130f; es ging um »the control of the city-state of Jerusalem« (136); über die Herrschaft in Israel und in Juda wäre damit noch nichts gesagt. 31  So Fokkelman I 178, Campbell II 146 und Alter 285. Stolz 257 betont: »De jure gibt David seinen Anspruch auf die Hauptstadt natürlich nicht auf«. Bei alledem ist freilich zu bedenken, dass 16 ein sekundärer Nachtrag ist, den man historisch nicht befrachten sollte. 32  Vgl. Bodner, Rebellion 64: »These nameless women become victims in the civil war between father and son, along with many Israelites caught in the crossfire«. 33  Campbell II 147 meint: »the people of the city«. Er findet es auffällig, dass Davids Frauen und Kinder nicht erwähnt werden (II 148). 34  Richtig Alter 286: David und seine Leute sind aller »royal dignity« entkleidet.

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königliche Leibwache35, sowie 600 Mann aus dem philistäischen Gat, also ebenfalls Ausländer. Merkwürdigerweise ist von den »Dreißig«, der davidischen Eliteeinheit36, nicht die Rede; sind sie bei den »Keretern und Peletern« mitzudenken37? Zu »Kereter« und »Peleter« als leicht verballhornten Gentilicia – eigentlich »Kreter« und »Philister« – s. Bd. 3, S. 746f. Dort findet sich auch ein knappes Referat der These von Caspari (Assimilation 184f), wonach es sich eher um soziale Bezeichnungen handelt. Caspari ahmt den Reim im Deutschen so nach: »Gerichtete und Geflüchtete« und erklärt dazu: Es seien »verwegene Gesellen« gewesen, die »nur durch David wieder zu einer menschenwürdigen Existenz« gefunden hatten und »ihm mit einer Art von Hundetreue ergeben« waren. Wahrscheinlicher aber ist der Doppelbegriff nicht sozial, sondern ethnisch zu verstehen. Nach Landy (David and Ittai 19) sind sie »David’s non-Israelite, possibly Aegean, corps« und »suggest a military professionalism indicative of the transformation from tribal confederacy to expansionist monarchy«. Eine »600 Mann« starke Truppe wird auch in 1Sam 23,13; 27,2; 30,9 erwähnt. McCarter II 364 meint, genau diese sei hier gemeint. Das legt die Formulierung in M tatsächlich nahe. Doch Stoebe II 363 wendet mit Recht ein, diese Gleichsetzung sei »schon aus zeitlichen Gründen wenig wahrscheinlich«. Denn der in Hebron geborene Abschalom ist inzwischen in den besten Jahren; jene Milizionäre, die der junge David um sich gesammelt und mit nach Gat bzw. Ziklag genommen hat, müssten inzwischen recht alt und kaum mehr kampffähig sein. Nach Anderson 203 formte David die hier genannte 600-Mann-Truppe während seines Dienstes für Achisch – was das zeitliche Problem etwas abschwächt, aber nicht beseitigt. Nein, aller Wahrscheinlichkeit geht es um eine aus Gat angeheuerte bzw. von dort zu David übergetretene Truppe, die kürzlich erst in Jerusalem eingetroffen ist (s. im Folgenden).

Anlässlich des Vorbeimarschs kommt es zu einer Begegnung zwi- 19–22 schen David und einem der Truppenführer. Sie wurde nachträglich in den Text eingeschoben (s. oben bei »Ort«). Laut 18 gehörten zu den Truppenkontingenten, die vor David vorüberdefilierten, auch 600 Mann aus Gat. In 19 nun stellt David plötzlich in Frage, ob diese Männer tatsächlich mitziehen sollen. »Kehr um«, sagt er zu ihrem Anführer. In 22 aber, nach dem Gespräch mit diesem, sagt er, fast huldvoll: »Geh und zieh vorüber«. Vielleicht fand der Verfasser von 19–22 – nach obiger Hypothese der Höfische Erzähler – die Beteiligung von 600 Soldaten aus der Philisterstadt Gat am Kampf gegen Abschalom nicht so unproblematisch, dass sie nicht eigens zu erklären gewesen wäre. Der Kommandeur dieser Einheit war ein derart 35  Vgl. dazu Delcor, Kéréthim 414–418. 36  Vgl. 2Sam 23,24–39. 37  Zu Abschalom übergelaufen sind sie nicht; denn in 2Sam 16,6 gehören sie zu Davids militärischer Begleitung.

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selbstloser und treuer Anhänger Davids, dass er nicht am Mitziehen gehindert werden konnte. Damit setzt sich dieser Ausländer in einen vielsagenden Kontrast zu Davids eigenem Sohn, der gegen seinen Vater Krieg führt. Es ist eine seltsame Verkehrung der Werte, die da stattfindet: Der Sohn wird zum Verräter, der Söldner zum Beschützer Davids38. Einerseits muss dieser dankbar sein, dass wenigstens ein Ausländer ihm die Treue hält, andererseits muss es ihn schmerzen, dass er darauf angewiesen ist. (In einer kritischen Bewertung der Sachlage wäre zu sagen, dass David nicht nur seinen Sohn, sondern auch »Israel«, also sein eigenes Volk, besiegen wird, und zwar mit Berufstruppen aus dem Ausland. Das ist kein Ruhmestitel für einen Herrscher!) Der Name »Ittai« scheint leicht zu erklären. Hebräischkundige werden die Präposition ta, heraushören, verlängert um ein Suffix der 1. Person, also: Ittai, der »Mit-mir«. Doch nicht nur passt die Vokalisation nicht gut zu dieser Deutung, die Fachleute halten den Namen für nicht-semitisch, vielmehr für illyrisch oder hurritisch39 – so, wie das bei einem Philister zu erwarten ist. Allerdings begegnet in 2Sam 23,29, als einer von den »Dreißig«, ebenfalls ein Ittai, der ein Benjaminiter gewesen sei – was doch wieder eine semitische Herleitung des Namens nahelegt. Sind die beiden Ittai identisch, und wurde der Mann an der zweiten Textstelle gewissermaßen eingemeindet40? Oder handelt es sich um zwei Männer ganz unterschiedlicher Herkunft, seltsamerweise aber gleichen Namens?

Was macht der Gatiter Ittai mit seinen Männern (und deren Familien) in Jerusalem? Eine Möglichkeit ist, dass David ihn gewissermaßen angeheuert hat, er also ein Söldner ist, der zu einem vereinbarten Tarif seine Dienste zur Verfügung stellt. Dies würde vermutlich eine Vereinbarung mit dem »König« von Gat voraussetzen, der eine vergleichsweise starke Truppe wohl nicht ohne weiteres und nicht überallhin gehen ließ. Dann hätte David also gute Beziehungen nach Gat, der damals führenden Philisterstadt, unterhalten, mit anderen Worten: Die Philister hätten ihm den Aufstieg zum König Judas und Israels nicht verargt, sondern ihn für einen nach wie vor verlässlichen 38  Ähnlich auch andere, z.B. Görg, Ittai 21. 39  So andeutend Noth, Personennamen 238, und ausdrücklich Stoebe II 363 sowie Landy, David and Ittai 21, und Delcor, Kéréthim 412. McCarter II 370 will sich nicht festlegen: Der Name bedeute hetitisch oder hurritisch etwas wie »Vater«, und semitisch lasse er sich erklären als »die Gottheit XY ist mit ihm«. Demgegenüber schlägt Görg (Ittai 22) eine Herleitung aus dem Ägyptischen vor, wo es »für hohe politische Ämter, insbesondere für administrative Funktionen« den Titel jtj gegeben habe. Die Philister hätten dies übernommen. Also sei Ittai möglicherweise »zunächst als Titel zu fassen, der sekundär zum PN geworden ist«. 40  So etwa Landy, David and Ittai 25f.

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Partner gehalten, wenn nicht gar ihren Vasallen, der er als Stadtkönig von Ziklag jedenfalls gewesen war. Die andere Möglichkeit ist, dass Ittai und seine Leute Gat ohne das Einverständnis des dortigen Königs verlassen haben, vielleicht sogar vor ihm geflohen und zu David als einem Gegner der Philister übergelaufen sind – so wie einst David mit seinen Mannen von Saul zum König von Gat übergetreten war. Dies würde ein spannungsreiches oder gar feindseliges Verhältnis Davids zu den Philistern voraussetzen. In der Forschung wird meist diese zweite Möglichkeit bevorzugt, z.B. von Stoebe II 370, Fokkelman I 181 und Landy, David and Ittai 23. Für Stolz 257 ist Ittai das »Idealbild des freiwilligen Gefolgsmannes«, dem der negative Geruch des Wortes »Söldner« nicht anhaftet. Nach Riecker (Priestervolk 358) hat die (vermeintliche) Schicksalsgenossenschaft zur Folge, dass David Ittai »tiefe Liebe und Verständnis« entgegenbringt und ihn »als Schutzbürger« ansieht, »auch wenn er das Wort rGE Fremder nicht verwendet«. In der Tat: Er nennt Ittai betont einen yrkn, »Ausländer«, was doch ein eher nüchternes Verhältnis anzeigt. Womöglich waren Ittai und seine Leute schlicht Migranten, die meinten, beim östlichen Nachbarn bessere Lebensmöglichkeiten zu finden.

Davids Rede an Ittai ist – erstaunlich in dieser Situation – höchst geschliffen in der Form41 und nobel im Inhalt. Mag der Mann Söldner und David zur Gefolgschaftstreue verpflichtet sein – die jetzt aufgetretene prekäre Situation setzt getroffene Absprachen womöglich außer Kraft. Ittai ist in der Annahme gekommen, dass Davids Herrschaft stabil sei und sein Dienst für ihn sich in erwartbarem Rahmen bewege. Dass er sich plötzlich an der Seite eines abgesetzten Königs befindet, der ihm nichts mehr zu bieten hat als ein Flüchtlingsdasein und Lebensgefahr – damit konnte Ittai nicht rechnen. Möge er doch, bitte, dorthin gehen, wo er die Bedingungen vorfinde, zu denen er gekommen sei: »Kehr um und bleib beim König«. In dem Sätzchen steckt ein feines Wortspiel zwischen den Verben bwv und bvy. Abschalom, so David, ist jetzt König, nicht mehr er; in Abschaloms Armee solle Ittai dienen, nicht bei dem verlorenen Haufen, der es mit ihm hält. David hebt (in 20) hervor, dass es Ittai und den Seinen nicht zuzumuten sei, kurz nach ihrem Eintreffen aus Gat schon wieder aufzubrechen, und gar in eine vollkommen ungewisse Zukunft. »Ich gehe, wohin ich gehe« – dieser Satz lässt nicht nur alle geographischen Möglichkeiten offen, er schließt auch die des Todes ein42. Es ist wohl nicht 41  Vgl. oben im Abschnitt »Form«. 42  So Landy, David and Ittai 24. Nach Ogden (Idem 118) gibt es zu dem rätselhaften Satz Davids Parallelen in Ex 4,13; 16,23; 33,19; Dtn 1,46; 9,25; 1Sam 23,13; 1Kön 8,63; 2Kön 8,1; Ez 12,25.

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so, dass David völlig ahnungslos wäre, wohin er gehen wird. Doch der von ihm gebrauchte Ausdruck hat einen Aspekt von Totalität, das heißt: »Ich könnte überall hingehen, wo ich vor meinen Verfolgern einigermaßen sicher bin«43. Ittai soll sich klarmachen, dass David auf der Flucht ist und das Ziel der Reise nicht selbst bestimmt – ob er auf so jemanden bauen wolle?! Abschließend wünscht David Ittai die »Loyalität und Treue« Jhwhs. Das Gleiche hatte er schon den Leuten von Jabesch-Gilead gewünscht, als diese Saul über den Tod hinaus treu blieben (2Sam 2,6). In der bayrischen Mundart gibt es die Dankesformel: »Vergelt’s Gott!« David weiß, dass er Menschen das Gute, das sie tun, nicht immer angemessen vergelten kann; es gibt aber Einen, der das kann und tun wird. Es ist bemerkenswert, dass Ittais Treue David dazu bringt, das zu tun, was er lange nicht mehr getan hat: von Gott zu reden. Zum letzten Mal war dies in 2Sam 12,22 der Fall, nachdem der Erstgeborene Batschebas gestorben war44. Es ist, als hätten ihn die seither eingetretenen Ereignisse um Amnon, Tamar und Abschalom gleichsam religiös ausgetrocknet. Ittai bringt den Quell der Frömmigkeit in David wieder zum Sprudeln. So achtenswert Davids Haltung gegenüber Ittai ist – dieser selbst wird sie unangebracht finden. Als ob er nicht fähig wäre, die Lage einzuschätzen! Sehr bewusst hat er sich entschieden, »vor dem König vorüberzuziehen« (18) – und nun fordert dieser ihn auf, umzukehren zum Gegenkönig45. Ittai könnte erstaunt bis verärgert reagieren, scheint doch David die Solidarität, die er ihm bietet, zurückzuweisen. Der Mann lässt sich aber nicht irritieren, er versichert David seiner unverbrüchlichen Loyalität. Da wetteifern zwei noble Männer darum, wer der Noblere sei46. Ittais Antwort (in 21) nimmt die Schlussworte Davids (aus 20) auf. Ging es in diesen um die »Loyalität und Treue Jhwhs«, so beruft sich jetzt (der Philister!) Ittai gegenüber (dem Israeliten!) David darauf, dass »Jhwh lebt«47. Mit der Verneigung vor dem Gott Israels verbindet er eine Verneigung vor dem König Israels: »So wahr Jhwh lebt und so wahr mein Herr, der König, lebt«. In Ittais Augen hängen das 43  Mann (Run, David 83) schreibt treffend: »This self-description … fits not a king but a ›homeless refugee‹«. 44  Darauf weist Firth 457 hin. 45  Nach Landy (David and Ittai 22) steckt »parody« darin, dass der wirkliche König den angemaßten anzuerkennen scheint. Möglich ist aber auch, dass David die Verhältnisse so anerkennt, wie sie sind (bzw. zu sein scheinen). 46  Fokkelman I 182 spricht treffend von »the paradox that David shows solidarity with Ittai by refusing his solidarity. Two friends in noble contest each wish to give precedence to the other’s personal interest«. 47  Nach Mann (Run, David 82) kommt damit seine Antwort einem Schwur nahe.

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Leben Jhwhs und das Leben Davids zusammen; da Jhwh unsterblich ist, wird auch David in dieser Krise das Leben nicht verlieren48. Hatte David ihn an den verwiesen, der jetzt König ist, Abschalom (19), so nennt Ittai betont David »meinen Herrn, den König«, und das zweimal49. Der fremdländische Söldner ist nicht bereit, flink die Seiten zu wechseln; er gehört zu David, Punktum. Dabei ist ihm durchaus bewusst, dass das für ihn gefährlich ist; seine Treue kann ihm den »Tod« bringen. Doch ob zum Tod oder zum Leben: Er bleibt an der Seite Davids50. David – der literarische David – muss berührt und bewegt gewesen sein von so viel Charakterstärke und Zuneigung. Er gestattet dem Gatiter, sich mit seinen Leuten in die vorbeidefilierenden Truppen einzureihen (22). Die Bewegung des Auszugs aus der Hauptstadt geht über in die des 23 Durchzugs durch das Kidrontal – und erstarrt doch unversehens in vier aufeinander folgenden Partizipien, d.h. zu einer Reihe stehender Bilder. Leserinnen und Leser erhalten Gelegenheit, sich einzufühlen in das »weinende Land«, das »vorüberziehende Volk«, den die KidronSenke »überschreitenden König«, das »auf dem Weg Richtung Wüste hinübergehende Volk«. Die Tragödie dehnt sich. König David ist im Begriff, nicht nur seine Stadt, sondern seine Herrschaft zu verlieren. Wer sich das ansehen muss, wird Trauer empfinden. (Zumindest will der hier schreibende Autor – nach der obigen Analyse der AmnonAbschalom-Novellist – diese Wirkung erzielen.) In das düstere Jammerbild mischen sich indes auch warme und helle Töne. Da waren schon der unbedingte Gehorsam der »Untergebenen« (15) und die bedingungslose Treue Ittais (21); jetzt folgen zwei weitere Szenen, die zeigen, dass David mitnichten schon geschlagen ist. Der scheidende König wird nicht nur von seinem Hausstand und 24–29 von einigen Truppenkontingenten begleitet, sondern auch von der Lade und der Ladepriesterschaft. Die Erzählung führt damit einen Faktor ein, den die Leserschaft womöglich nicht auf der Rechnung hatte: Gott bzw. die Religion. Die Lade war vormals ein Kriegspalladium51. Der über ihr anwesend gedachte Jhwh sollte die schlachtentscheidende Größe sein. Im Kampf gegen Abschalom die Lade dabeizuhaben, versprach göttlichen Beistand und höhere Siegeschancen. Außer dem Kultgegenstand auch die beiden dafür verantwortlichen 48  So Landy, David and Ittai 24. 49  Das beobachten Bar-Efrat II 160 und Landy, David and Ittai 25. 50  Landy (David and Ittai 25) spricht im Blick auf den Philister Ittai genauso wie im Blick auf die Moabiterin Rut (zu dieser Parallele vgl. oben bei »Ort«) von »an ideal union of Israel and the nations«. 51  Vgl. 1Sam 4.

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Oberpriester bei sich zu wissen: Das musste auf David enorm beruhigend wirken52. Umso überraschender, wie er sich dann verhält. Die frommen Leute in Qumran hatten mit der Nachricht von Davids Verbindung mit der Lade ein überraschendes Problem53. Ihrem Anführer, dem sog. nāśî, war Polygamie ausdrücklich untersagt. Warum hatte dann David viele Frauen, von denen er die meisten mitnahm bei seiner Flucht und andere im Palast zurückließ – obwohl er die Lade bei sich hatte, in der sich (laut Ex 25,16 und Dtn 31,9.25f) die Tora befand und also auch das Verbot der Vielweiberei für den König (Dtn 17,17)? Nun, die Lade war seit Urzeiten niemals geöffnet, die darin liegende Tora folglich nicht studiert worden – bis Zadok für sie die Verantwortung übernahm, und dieser wird erst in 2Sam 8,17 und 15,24–29 erwähnt. David indes hatte seine vielen Frauen schon vorher genommen … Zuerst nennt der Text nur Zadok (zusammen mit den Leviten) als Betreuer der Lade, erst später (und textlich unsicher) folgt Abjatar. Raschi machte sich (laut Bar-Efrat II 160) darauf den folgenden Reim: Abjatar habe an diesem Tag Urim und Tummim befragt und, da er keine Antwort erhielt, sich vom Priesteramt zurückgezogen und dieses Zadok überlassen. Das ist natürlich pure Phantasie. Bar-Efrat selbst meint (wie viele andere), Abjatar sei im Zuge der Textüberlieferung aus dem Text gedrängt worden. Diese Erklärung stellte sich oben bei »Ort« als die wahrscheinlichste heraus.

Für die Anweisung an die Priester, mit der Lade nach Jerusalem zurückzukehren, gibt David zwei Begründungen: eine fromm-religiöse (25b.26) und eine politisch-pragmatische (27f). Wie oben bei »Ort« gezeigt, gehören sie zwei verschiedenen Textstufen an: die zweite der älteren (der Amnon-Abschalom-Novelle), die erste der jüngeren (dem Höfischen Erzählwerk). Wie schon die (ebenfalls sekundäre) Rede an Ittai in 19f, so zeigt auch die erste Hälfte der Rede an die Priester feinen rhetorischen Schliff. Zweimal ist von den »Augen Jhwhs« die Rede: am Anfang und am Schluss. Zwischen ˜wra, der »Lade«, und ynarh, »er wird mich sehen lassen«, gibt es ein Wortspiel. Wenn David die Lade nicht »in der Stadt« oder »in ihrem Zelt« wiedersehen will, sondern an ihrer »Wohnstätte« (hwn), dann bedient er sich gehobener Ausdrucksweise54. Wenn er sagt, Jhwh möge »tun, was gut ist in seinen Augen«, dann ist das ein Euphemismus anstelle der harten Aussage, Jhwh könnte ihn verwerfen. Jedenfalls beweist David eine hochherzige Frömmigkeit – wie schon einmal, als er mit Gott um das Leben des erstgeborenen Kindes Batschebas rang55. 52  Wo genau der König der Lade ansichtig wurde, ist nicht deutlich. Nach Cartun (Topography 22) war sie »standing at or in the Kidron ford«. 53   Zum Folgenden vgl. Porzig, Ark of the Covenant 211–214, der sich auf die sog. »Damaskus-Rolle« (genauer: CD V:2b–6a) beruft. 54  Fokkelman I 186: »elevated style«. Vgl. Landys Urteil (David and Ittai 31): »David is a master of liturgical language«. 55  2Sam 12,22f; auf die Parallele macht Bodner (Rebellion 66) aufmerksam.

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Dass auf die geistliche noch eine weltliche Argumentation folgt, ist von tiefer Bedeutung. David spricht zwar zuerst von Gott, er hat aber auch eigene Pläne56. Anders ausgedrückt: Ohne Gottes Einverständnis sind seine eigenen Bemühungen chancenlos. Andererseits kann er, um sein Überleben zu sichern, Gott nicht auf seine Seite zwingen57. Wenn Gott ihm nicht von sich aus beisteht, nützt auch das Mitnehmen der Lade nichts. Die Präsenz Jhwhs hängt nicht vom Standort der Lade ab58. Wohl kann Jhwh dort sein, wo diese ist, doch eine Garantie für den Sieg ist das nicht59. Im zweiten, politisch-pragmatischen Teil der Rede fordert David die Priester auf, einen Nachrichtendienst zwischen Jerusalem und dem Jordan aufzubauen60. Er will den Fluss erst überqueren, wenn ihn die Pläne Abschaloms dazu zwingen. Insgeheim hofft er also möglicherweise noch auf einen Abbruch des Umsturzversuchs und auf seine schnelle Rückkehr nach Jerusalem. Er sollte eines Besseren bzw. Schlimmeren belehrt werden! Zadok und Abjatar antworten auf Davids Rede bzw. Anweisung nichts, sondern tun wortlos, was er verlangt (29)61. Was gänzlich offen ist: Wie werden sie an Informationen kommen, die für David von Wichtigkeit sind? Wahrscheinlich wissen sie und weiß auch er es momentan noch nicht. Die Antwort wird der Zufall geben (oder Gottes Fügung, vgl. 2Sam 17,14). In 30 wird wieder ein fast stehendes Bild von dem sich zum Ölberg hinaufbewegenden Zug entworfen62. Fünf Partizipien zwingen den Blick zum Verweilen. Vor dem inneren Auge erscheinen der »hinaufsteigende und weinende und barfuß gehende« König und seine »aufsteigenden und weinenden« Getreuen. Alle gehen barfuß und

56  Fokkelman I 187 spricht von einem »synergism«. »The working of divine grace does not preclude man’s own responsibility and activity«. 57  So Stolz 258. Vgl. auch Brueggemann 303: »David has no desire to manipulate God«. 58  So Auld 509. 59  So Anderson 204. Dagegen schreibt Stoebe (II 371): »Der Weg, den David jetzt antreten mußte, war nicht der Weg zu einem Ziel, auf dem die Lade Geleit gewähren konnte«. Wieso nicht? Landy (David and Ittai 27) meint, die Lade von Jerusalem wegzubringen wäre das Eingeständnis gewesen, dass ihre Überführung dorthin (nach 2Sam 6) ein »ideological failure« war. Doch warum konnte sie dann in den Krieg gegen Ammon mitgenommen werden (2Sam 11,11)? 60  Brueggemann 303 prägt dazu den wunderbaren Reim, dass die Priester David nützlicher sein konnten »in Jerusalem spying than in the wilderness praying«. 61  Nach Mann (Speech Act 320) wird dadurch (und schon durch die vorangehende Befehlsform) signalisiert, dass David immer noch der König ist, dem seine Untergebenen zu gehorchen haben. 62  Diese Erwähnung des Ölbergs ist die erste in der Bibel.

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mit verhülltem Haupt: Zeichen tiefer Trauer63. Was wird zu Grabe getragen: Davids Herrschaft – oder schon er selbst64? Die kollektive Depression überträgt sich von der Szene auf die Betrachtenden. Die helleren Farbtupfer verblassen: die fraglos gehorsamen »Untergebenen« (15), die brav mitmarschierenden Soldaten (18.22), die folgsam in die Stadt zurückkehrenden Priester (29). Vor Augen steht nur noch das Bild eines weinend flüchtenden Königs inmitten weinend flüchtender Gefolgsleute65. Auch wer ihm gram war wegen seiner Verfehlungen gegen Batscheba, Urija, Amnon und Tamar, empfindet jetzt Mitleid. Und David selbst müsste ein Stein sein, wenn diese schlimme Erfahrung in ihm nicht etwas bewirken, ihn nicht verändern würde66. Zu allem Unglück kommt dann noch die Hiobsbotschaft: »Ahitofel 31–37 ist unter den Aufständischen« (31). Wahrscheinlich hatte David dies schon gleich vom »Melder« in 13 erfahren; in der Erzählung mitgeteilt wird es erst jetzt, einerseits, um die Katastrophenstimmung von 30 noch zu verstärken, andererseits, weil sich gleich zeigen wird, wie David gegen die Katastrophe ankämpft. Als allererstes richtet er ein Gebet an Gott. Er selbst, als Flüchtender, kann gegen den beängstigend klugen Ahitofel und seinen Einfluss nichts unternehmen (vorerst nicht!), kann vielmehr nur ahnen und hilflos geschehen lassen, was da in Jerusalem gegen ihn ausgeheckt wird. Eines aber kann er: Gott um sein Einschreiten bitten. Das tut er – und zeigt damit an, dass er seine Sache noch nicht verloren gibt, dass er eine Schicksalswende für möglich hält. Es ist ein sehr kurzes, sehr konkretes Gebet, das David an Gott richtet, ein Stoßgebet: Jhwh möge »den Rat Ahitofels vereiteln«. Josephus zufolge (Ant. 7.202) äußerte David die Bitte, Gott möge bewirken, dass Abschaloms Sinn sich gegen Ahitofel wende – eine gewinnende Erklärung des »Vereitelns«. Nach dem Urteil Brueggemanns (304) spricht David kein »pure prayer«, vielmehr griffen, wie so oft bei ihm, »piety« und »political interests« ineinander. Das ist zu puristisch gedacht. Welches Gebet ist ganz »rein«? Mann (Run, David 97) weist darauf hin, dass David Gott nicht bittet, Ahitofel einen schlechten Rat einzugeben – das ist sozusagen undenkbar –, sondern dass er dessen sicher guten Rat zunichte mache. 63  Vgl. Ez 24,17 bzw. 2Sam 19,5. Es stellt sich hier ein schönes Wortspiel ein zwischen hpj, »(das Haupt) »verhüllen«, und πjy, »barfuß sein«. 64  Vgl. Landy, David and Ittai 29: »The scene is like a funeral, with the people weeping. The king at the centre is either the chief mourner or the corpse«. 65  Laut Fokkelman I 188 besteht eine »perfect emotional and psychic unity« zwischen David und seinen Leuten. 66  Tiefgründig interpretiert Fokkelman I 189: Die Loyalität seiner Leute »enables him to unfold to the main task, to meet the humiliation and thus be completely himself, very upright and very vulnerable«; 190: »David re-finds himself and his dignity in necessity«.

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Mittlerweile ist David auf der höchsten Erhebung des Ölbergs angekommen, »dort, wo man sich vor Gott niederwirft«. Offenbar befand sich auf der Kuppe ein Gebetsort – eine Mazzebe vielleicht, ein winziges Heiligtum, ein angedeuteter Opferplatz67. Just dort sieht David plötzlich68 einen Mann vor sich, der ihm wohlbekannt, ja sein »Vertrauter« ist. Es ist nicht klar, woher Huschai kommt: dem Trauerzug entgegen oder in ihm mitlaufend und den König einholend, als dieser zum Gebet niedergesunken ist. Auf den ersten Blick ist ihm anzusehen, dass er ein Sympathisant Davids ist, zeigt er doch alle Anzeichen von Trauer über dessen Abzug aus Jerusalem. Der Name yvwj ist wohl die Kurzform eines längeren Namens – Noth (Personennamen 38.40.189, gefolgt von HALAT 288a) mutmaßt: von hybvj, »Jhwh hat [zum Guten] angerechnet«. Das Beiwort »Arkiter« weist Huschai einer kanaanitischen (?, so HALAT 86a) Sippe in der Gegend von Atarot, im efraimitisch-benjaminitischen Grenzgebiet, zu (vgl. Jos 16,2). Nach Stoebe II 366 ist der Sippenname »hebräisch nicht erklärbar und weist auf außerisraelitische Abkunft«. Auch Bartelmus sieht in Huschai jemanden, der nur stotternd Hebräisch spricht (vgl. Textnote 34e). Harviainen (Hushai 268–274) sucht für eben diese Annahme nach einer breiteren Textbasis in Kap. 16 und 17; an einer Reihe von Spracheigentümlichkeiten werde ein »›Archaite‹ Hebrew« (274) erkennbar, das vom ›normalen‹ hebräischen Sprachgebrauch immer wieder abweicht. Wie auch immer, Huschai hat sein »Gewand« zerrissen. Im Hebräischen steht dafür der Begriff tntk, der zuletzt in der Tamar-Geschichte verwendet wurde (2Sam 13,18)69; G gibt ihn mit citw`n wieder – ein kleines Beispiel für eine den gesamten östlichen Mittelmeerraum umgreifende Kultur.

Vorbereitet durch das soeben gesprochene Gebet, wird nicht nur (der literarische) David70, sondern sollen auch die Lesenden im unerwarteten Auftauchen Huschais eine Gebetserhörung sehen71. Göttliche Providenz, nicht der Zufall hat den Mann genau in diesem Augenblick und just an diesem Ort David vor die Augen treten lassen72. David zögert denn auch keinen Augenblick, ihn zu einem Element 67  Stoebe II 365: »Es wird ein offenes Wegeheiligtum ohne Tempelcharakter gewesen sein«. 68 Das hnhw fordert die Lesenden auf, Davids Blickwinkel einzunehmen. 69  Die dort verwendete Übersetzung »Schleierrock« passt hier nicht gut; darum oben »Gewand«. 70  Dies betont Mann (Run, David): David begreift das Auftauchen Huschais als Antwort Gottes (97) und ist von da an sicher, »that Yhwh is working for his good«; insofern sei Davids Stoßgebet »the turning point in this story« (99). 71  Gegen Stoebe II 373: »Der literarische Zusammenhang ist … nicht so eng, daß man in der Ankunft Husais eine Gebetserhörung sehen darf«. 72  Nach McCarthy (Uses 339) signalisiert wehinnēh hier eine Absicht, einen Zweck (»purpose«): Huschai war nicht zufällig dort auf dem Ölberg, er »has come there on purpose to join his fleeing king«.

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seines Plans gegen Abschalom zu machen. Ohne große Umstände73 erklärt er ihm, als Begleiter auf der Flucht werde er eher eine Last als ein Gewinn sein (kluge Leute sind nicht immer sehr sportlich!); dagegen könne er sich äußerst nützlich machen, wenn er in die Stadt zurückkehre, sich in die Kreise um Abschalom einschleiche, die dort gefassten Beschlüsse mithöre und sie über die Priester und deren Söhne ihm, David, zur Kenntnis bringe. Es ist also ein Spionagenetz, das David aufzieht – jedenfalls nach der vom Amnon-AbschalomNovellisten geschaffenen Grundversion der Erzählung (33.34aa.35f). Der Höfische Erzähler lässt David durch Huschai ein noch weiter reichendes Ziel anstreben. Sein »Vertrauter« soll nicht nur heimlich bei Abschalom spionieren, sondern offen gegen Ahitofel opponieren und dessen Rat »zunichte machen« (34abgb)74. Wie genau er das bewerkstelligen soll, sagt David nicht – das muss er dessen Genius überlassen. (Es wird sich zeigen, dass Huschai diesen Genius wirklich besitzt.) In jedem Fall aber muss er das erwartbare Misstrauen Abschaloms überwinden. Am besten räumt er freimütig ein, dass er ein prominenter Gefolgsmann Davids sei, um dann aber zu betonen, dass es damit jetzt vorbei sei, dass er mit vollem Herzen auf der Seite Abschaloms stehe und nur noch sein »Diener« sein wolle.

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Einmal mehr spricht der David des Höfischen Erzählers auch in einer PDF 7: S.Situation 83 solch bedrängten, spannungsgeladenen eine geschliffene Sprache (bzw. legt sie Huschai in den Mund): A Diener deines Vaters B war ich C früher – C’ jetzt B’ bin ich A’ dein Diener

34bbg ist also ein formschöner Chiasmus, der das »Jetzt« scharf gegen das »Früher« setzt und in dem das Wort »Diener« (db[) betont am Anfang und am Schluss steht. Das wird Abschalom gefallen!

Obwohl dies ein gefährlicher Auftrag ist75, hört man nichts von irgendwelchen Bedenken oder Fragen des Mannes, nicht einmal, dass er sich einverstanden erklärt hat76, nein, im nächsten Satz bereits (37) 73  Bei Josephus (Ant. 7.204b) ist David höflicher und einfühlsamer, tröstet Huschai und fordert ihn auf, nicht gar so traurig zu sein. Erst dann erteilt er ihm den Auftrag. 74  Siehe oben bei »Ort«. 75  Firth 458 spricht von »the dangerous role of a double agent«. 76  Vgl. Campbell II 149: »Hushai is not given any profession of loyalty or even an acceptance of his commission. This is spare narrative at its sparest«.

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kommt »Huschai, der Vertraute Davids, zur Stadt – und [da] kommt [auch schon] Abschalom nach Jerusalem«. Die Satzkonstruktion gibt zu verstehen, dass Huschai eben noch durch das Stadttor schlüpfen konnte, ehe Abschalom einrückte77. Da Huschai nur den Weg vom Ölberg bis in die Stadt zurückzulegen hatte, muss Abschalom in dem Augenblick, da David Huschai losschickte, schon sehr nahe gewesen sein; das heißt, um Haaresbreite wäre der Rebell seines flüchtenden Vaters und der mit ihm abziehenden Getreuen ansichtig geworden78 – und hätte ihnen sofort nachsetzen können: mit unabsehbaren Folgen. Im vorliegenden Zusammenhang ist etwas anderes wichtig: Wäre Huschai gleichzeitig mit Abschalom angekommen oder gar nach ihm, wäre er mit dem Makel behaftet gewesen, mit seinem »Vertrauten« weggegangen, nunmehr aber zurückgekehrt zu sein – womöglich mit einem subversiven Auftrag. So aber befindet er sich bereits in der Stadt und kann vorgeben, er habe sich gar nicht wegbewegt, sondern habe auf Abschalom gewartet. Vertrauter (oder Freund) des Königs Die Bezeichnung Huschais als Davids ['rE hat verschiedene Erklärungen gefunden. In den meisten Fällen meint das Wort einfach den »Freund«, den »Gefährten«, den »Nächsten« oder schlicht den »anderen«79. So könnte im vorliegenden Fall lediglich an eine engere private Beziehung gedacht sein: Huschai und David waren, aus welchen Gründen auch immer, persönlich befreundet. Größerer Beliebtheit erfreut sich die Hypothese, »Freund des Königs« sei eine Amtsbezeichnung. Dafür spricht insbesondere, dass ein Träger dieses Titels in der Beamtenliste Salomos, 1Kön 4,5, auftaucht. Donner (Freund des Königs) zufolge ist die Wendung im prägnanten Sinn von »Vertrauter/ Freund des Königs« im AT nur viermal belegt (außer in 2Sam 15,37 und 1Kön 4,5 noch in 2Sam 16,16f und 1Chr 27,33) – also nur für die frühe Königszeit. Später sei sie wohl zugunsten der Amtsbezeichnung ≈[wy, »Ratgeber«, aufgegeben worden (270). Es handle sich um einen Titel, der aus Ägypten stamme und dort durch alle Epochen reichlich belegt sei; er sei sogar derart inflationär geworden, dass er mit der Zeit durch Zusätze habe aufgewertet werden müssen: »einziger Freund des Königs«, »oberster Freund« o.ä. (271). Laut Amarna-Korrespondenz habe offenbar schon Abdihepa von Jerusalem den Titel von Pharao Amenophis IV. verliehen bekommen (273f)80. Die Römer hätten ihn vom ptolemäischen Hof übernommen, sodass in Joh 19,12 Pilatus als »Freund des Kaisers« bezeichnet und mit dem Verlust dieses Titels bedroht werden könne (274). 77  Vgl. Textnote 37c und Bar-Efrat II 163: »Huschai trifft kurz vor Abschalom ein«. Auld 514 stellt richtig fest, dass die beiden aus unterschiedlichen Richtungen in die Stadt gelangen: Abschalom von Süden, Huschai von Nordwesten (m.E. eher von Nordosten). 78  So Fokkelman I 192. 79  Vgl. KAHAL 552b.553a. 80  Darauf verweist auch Hentschel II 68.

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2Sam 15,13–37 Tsumura II 241 wendet gegen die Titel-Hypothese ein, dass in 2Sam 16,17 David als ['rE Huschais bezeichnet werde, nicht umgekehrt – und natürlich sei David kein Beamter und Untergebener Huschais. Dieses Argument ist so stark, dass man wohl auch die »private« Deutung offenhalten muss.

Es fällt ins Auge, dass Huschai erst in 37 als »der Vertraute Davids« bezeichnet wird: nicht vorher, als er auf der Kuppe des Ölbergs vor David auftaucht und dieser in ihm den entscheidenden Unterstützer im Kampf gegen Abschalom erkennt, nein, jetzt, als er gleichsam unter den Händen Abschaloms in die Stadt gleitet. Vermutlich soll dadurch hervorgehoben werden, dass sich nun ein zuverlässiger und dabei hochrangiger Gefolgsmann Davids im Umfeld des Rebellen befindet. Man ist gespannt, was dieser Mann (im Verein mit den Jerusalemer Priestern) für den geflohenen König auszurichten vermag. Die Erzählung verlangt nach einer Fortsetzung. Ziel

Der Gesamttext: Eine Passionsgeschichte Die Erzählung von Davids Flucht aus Jerusalem ist eine Art Passionsgeschichte81. Dem so märchenhaft aufgestiegenen und erfolgreichen David werden plötzlich die Zügel der Herrschaft aus der Hand genommen. Er reagiert mehr, als dass er agiert. Er muss herunter vom Thron und hinunter zum Kidron und vom Ölberg noch weiter hinunter zum Jordan. Es ist ein steter Abstieg, und es ist eine öffentliche Demütigung. David nimmt das hin, ohne sich zu beschweren und aufzubegehren. Er ist leidensbereit und leidensfähig. David: barfuß, das Haupt verhüllt und weinend – ecce homo! Ps 3 wurde in diese Situation hineingestellt: »Ein Psalm mit Blick auf82 David, als er vor seinem Sohn Abschalom floh« (3,1). Einige Aussagen des Klagelieds passen genau zur vorliegenden Erzählung83: (2)    (5)    (7)   

Jhwh, wie zahlreich sind meine Bedränger; so viele stehen gegen mich auf. Ich habe laut zu Jhwh gerufen; da erhörte er mich von seinem heiligen Berg. [Sela] Viele Tausende von Kriegern fürchte ich nicht, wenn sie mich ringsum belagern.

Mit diesen Worten rückt König David neben ungezählte Beterinnen und Beter, denen Gleiches oder Ähnliches widerfahren ist wie ihm. 81  Vgl. Brueggemann 302: »like a passion narrative«. 82  So ist die Präposition l eher zu übersetzen als mit »von (David)«. 83  Andere, weniger gut passende Aussagen zeigen, dass der Psalm nicht wirklich aus dieser Situation stammt. Die folgende Übersetzung nach F.-L. Hossfeld / E. Zenger, Die Psalmen I, 1993 (NEB 29), 57.

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Wer den Psalm »mit Blick auf David« liest, lernt dessen Flucht nicht nur als einmaligen historischen Vorgang sehen, sondern als Sinnbild für das vielfältige Leiden von Gläubigen. Wie viele Menschen wurden schon aus scheinbar gesicherten Positionen vertrieben, mussten fliehen vor Feinden oder aus feindseligen Verhältnissen! Die Parallelen reichen von einzelnen Abstiegen vermeintlich fest Situierter bis zu den massenhaften Flüchtlingsströmen unserer Zeit. Reformationstheologen haben das Paradigmatische an 2Sam 15,13–37 erkannt. Johannes Calvin (1509–1564, Reformator in Genf) hielt das Ergehen und Verhalten Davids für beispielhaft. Wenn die Dinge anders laufen, als man es sich wünscht, dann, so Calvin, solle man Gott erlauben zu disponieren, wie er will. Gläubige Menschen sollten wie David sagen können: Möge Gott tun, was gut ist in seinen Augen! Edward Reynolds (1599–1676, anglikanischer Bischof von Norwich) kommt in einer Predigt über Hos 14 auf den David von 2Sam 15 zu sprechen: Christinnen und Christen sollten sich die Fähigkeit zur Selbstverleugnung erhalten, sollten zu ihren eigenen Wünschen sagen können: Geht weg, ihr Götzen!84 Marc Chagall hat das Paradigmatische von Davids Flucht aus Jerusalem in berührender Weise ins Bild gebracht: Im Vordergrund erkennt man den verzweifelten König, im Hintergrund die verlassene Stadt, dazwischen die verlorene Menge.

Marc Chagall (1887–1985): Davids Flucht aus Jerusalem 84  Vgl. zu beidem Cooper/Lohrmann, Reformation Commentary 224 bzw. 223.

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Der Text in der Novelle: eine Resilienzgeschichte Versetzt man sich in die Person des flüchtenden David, wie ihn die Amnon-Abschalom-Novelle schildert, erlebt man ein förmliches Psychodrama mit. Der König hört von dem Aufruhr und seinem Ausmaß und befiehlt den Abzug. Seine Begründung ist, dass es anders kein Überleben gibt. Besser Flucht als Tod. Kein Wort verlautet von einer möglichen Rückkehr. David verlässt Jerusalem möglicherweise mit dem Gedanken, die Stadt nie mehr wiederzusehen, steigt vom Thron in der Erwartung, dass dieser künftig von einem anderen besetzt sein wird. Doch lieber das, als gegen den eigenen Sohn zu kämpfen, lieber Rückzug als Kriegszug85. Vielleicht hat David zu Beginn des Dramas keine Hoffnung auf einen positiven Ausgang. Doch dann wecken mehrere Begegnungen in ihm möglicherweise andere Gedanken. Beim »letzten Haus« sieht er, wer alles mit ihm zieht, wird ihm bewusst, dass er nicht allein ist, dass er auch schlagkräftige Truppen bei sich hat: zahlenmäßig nicht stark, aber kampferprobt. Wenig später trifft er Zadok und Abjatar – und hat plötzlich den Einfall, sie könnten für ihn einen Nachrichtendienst bilden. Als dann Huschai auftaucht, wird ihm klar, dass eben dieser Mann den Priestern Interna zukommen lassen könnte. Nichts von alledem deutet auf die Vorbereitung einer bewaffneten Auseinandersetzung und gar auf einen Sieg Davids hin. Die Frage ist zunächst nur, ob er seine Haut retten kann. Das wäre nicht nichts. Einen solchen Absturz überlebt nur, wer Resilienz besitzt – und großen Einfallsreichtum. Und Unterstützer. Doch auch, wenn David davonkommt – was soll aus ihm werden, wohin wird ihn das Schicksal führen? Mit Spannung liest man weiter. Eine Illustration in der Wenzelsbibel (s. dazu Bd. 1, S. 413f) schildert die Geschichte eher nach ihrer resilienten Seite hin: rechts oben noch der trauernde Huschai, links oben der zwar ernste (und barfüßige!), aber energische David, der ihn in die Stadt zurück weist, und links unten die beiden Priester (sie selbst, nicht irgendwelche Leviten!), die die Lade durchs Stadttor zu tragen sich anschicken.

85  Laut Stoebe II 368 bewegt David zu dieser Haltung, dass in seinen Augen die »Zustimmung des Volks« essentiell ist; diese aber besitzt jetzt Abschalom, er selbst nicht mehr. Aus diesem Grund räumt er freiwillig seinen Platz. Er sieht das als sein »Schicksal«, dem er »verbindlich und unausweichlich zustimmt«. Die Formulierungen wirken etwas historistisch, doch treffen sie vermutlich die Vorstellungen des Novellisten.

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Wenzelsbibel (14. Jh.): David installiert eine Fünfte Kolonne in Jerusalem

Der Text im Höfischen Erzählwerk: eine Führungsgeschichte In die Darstellung der Novelle mischt der Höfische Erzähler neue Töne. David lässt zehn Nebenfrauen zurück, die seinen Palast bewachen sollen. Damit gibt er zu erkennen, dass er bei seinem Sohn mit einem Rest von Anstand und für sich selbst über kurz oder lang mit einer Rückkehr rechnet. Wenig später trifft er den Gatiter Ittai. Er begegnet ihm mit ausgesprochener Noblesse, und dieser erweist ihm unerschütterliche Treue. Darüber hinaus bringen die beiden Männer einen Aspekt zur Sprache, der in der älteren Erzählung ganz ausgeblendet war: David wünscht Ittai »Jhwhs Loyalität«, und Ittai beschwört seinen Entschluss, mit David zu gehen, beim »Leben Jhwhs«. Den Priestern Zadok und Abjatar öffnet David sein Herz. Entweder bringe Jhwh ihn zurück – oder nicht; beides will er ergeben hinnehmen, das heißt: Er ist ein von Grund auf gläubiger Mensch. Und war Israel nicht immer überzeugt, Gott helfe denen, die auf ihn

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trauen86? Auf die Schreckensnachricht vom Seitenwechsel Ahitofels weiß David zunächst nur mit einem Gebet zu reagieren – auf das Gott prompt mit der Sendung Huschais reagiert. In diesem sieht David mehr als nur einen Spion, nämlich eine wirksame Waffe im Kampf gegen Ahitofel87. Mit dem entsprechenden Auftrag an seinen »Vertrauten« zeigt David Kampf-, ja Siegeswillen. Und wirklich wird Gott »anordnen, dass der gute Rat Ahitofels zerbrochen« wird und »das Unheil über Abschalom« kommt (2Sam 17,14). So lässt der Höfische Erzähler das Geschehen nicht mehr nur von Menschen, sondern von Gott bestimmt werden. Und dieser führt es zu einem für David (und letztlich für Israel) guten Ziel. In eher erschreckender Weise setzt die Bible moralisée88 die Idee der die Geschichte durchwaltenden Hand Gottes in Szene. Die oberen beiden Medaillons der betreffenden Halbseite (fol. 47 unten) geben die Abschalom-David-Geschichte noch einigermaßen sachgerecht wieder. Der begleitende (ursprünglich altfranzösische) Text lautet89: –  Zu oben links: »Hier kommt Absalon und zieht gewaltsam mit allen seinen Leuten in Jerusalem ein und verjagt David, seinen Vater, und David geht weinend davon, er und seine Leute.« –  Zu oben rechts: »Hier kommt das Volk Davids und kommt über das Volk Absalons und bekämpft es und vernichtet alles, und Absalon verläßt die Schlacht und geht davon, fliehend.« Dann aber folgt die typologische und schier unerträglich antijüdische Anwendung auf die Passion Jesu und die angeblich ihretwegen erfolgte Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 n.Chr.: –  Zu unten links: »Daß Absalon in Jerusalem einzieht und seinen Vater David verjagt, bedeutet die Juden, die in Jerusalem einziehen und ihren Vater Jesus Christus [!] in seiner Passion verjagen.« –  Zu unten rechts: »Daß das Volk Davids auf Befehl Davids über das Volk Absalons kommt und es bekämpft, bedeutet, daß die guten Völker Jesu Christi, das sind die Römer [!], über die Juden gekommen sind und sie bekämpft und ihre Macht zunichte gemacht haben.«

86  Vgl. nur 2Sam 22,2 = Ps 18,3; dazu Ps 2,12; 11,1.7; 31,1–3; Nah 1,7 u.ö. 87  Alter 289 sagt beides: »Hushai is the immediate answer to David’s prayer« – und: »David is really answering his own prayer through his human initiative«. 88  Siehe dazu Bd. 1, S. 62f. 89  Zitate aus der Faksimile-Ausgabe der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt Graz, 31999, 133.

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2Sam 15,13–37

Bible moralisée (13. Jh.): Die Vertreibung Davids und Christi aus Jerusalem

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2Sam 16,1–14

David begegnet auf der Flucht Mitgliedern des Hauses Sauls (2Sam 16,1–14)

Literatur

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2Sam 16,1–14

2Sam 16,1–14 The Fate of Saul’s Progeny in the Reign of David, Eugene, OR 2011. – VanderKam, J.C., Davidic Complicity in the Deaths of Abner and Eshbaal: JBL 99 (1980) 521–539. – Whitelam, K.W., The Just King. Monarchical Judicial Authority in Ancient Israel, 1979 (JSOT.S 12). Siehe auch die Literatur oben zum Einleitungskapitel 2Sam 15--20.

  1 Und David war ein wenig weitergegangen von der Anhöhea aus, Text und siehe, Ziba, der Knecht Meribaalsb, [kam] ihm entgegen und ein Paar gesattelter Esel und auf ihnen zweihundert Brote und hundertc Rosinenkuchen und ‘ein Epha’d Früchtee und ein Schlauchf Wein.  2 Und der König sagte zu Ziba: »Wofür ist das?«a Und Ziba sagte: »Die ‘gesattelten’b Esel für das Haus des Königs,  zum Reiten, und cdie Brote und die Früchte ‘und die Rosinenkuchen’c zum  Essen für die jungen Leute und der Wein zum Trinken für den in der Wüste Ermüdeten.«  3 Und der König sagte: »Unda wo ist der Sohn deines Herrn?« Und Ziba sagte zum König: »Siehe, er sitzt in Jerusalem; dennb er hat gesagt: ›Heute wird mir zurückgebenc das Hausd  Israel das Königtum meines Vaters‹.«  4 Und der König sagte zu Ziba: »Siehe, dir soll alles gehören, was  Meribaal gehört!« Und Ziba sagte: »Ich werfea mich nieder! Ich findeb Gnade in deinenc Augen, mein Herr König.«  5 Und der König David kam nach Bahurima, und siehe, von dort ging ein Mann hinaus aus der Sippe des Hau ses Sauls, und sein Name war Schimi, Sohn des Gera, und bwährend er hinausging, stieß er fortwährendb Beleidigungen ausc.  6 Und er warf mit Steinen nach David und nach all ‘seinen’a Bediensteten. Und das ganze (Kriegs-)Volk und alle Elitesoldaten waren zur  Rechten und zur Linken ‘des Königs’b.  7 Und so sagte Schimi, als er [David] beleidigte: »Geh hinaus, geh hinaus, [du] Blutmensch und nichtswürdiger Manna!  8 Jhwh hat auf dich zurückgelenkt all das Blut des Hauses Sauls, an dessena Stelle du König geworden bist. Und Jhwh hat das Königtum in die Handb deines Sohnes Abscha lom gegeben. Und [nun] sieh dich in deinem Unheil, denn ein Blutmensch bist du!«

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2Sam 16,1–14

 9 Und Abischai, der Sohn der Zeruja, sagte zum König: »Warum beleidigt dieser totea Hund meinen Herrn, den König? Ich will doch hinübergehen und seinen Kopf abschlagenb.« 10 Und der König sagtea: »Was habe ich mit euchb zu schaffen, ihr Söhneb der Zeruja? ‘Lasst ihn!’c Dennd er stößt Beleidungen ause, weilf Jhwh ihm  gesagt hat: ›Beleidigeg David!‹ – h und wer will ‘ihm’ [dann] sagen: ›Warum hast du dasi getan?‹« 11 Und David sagte zu ‘Joab’a und zu allen seinen Dienern: »Siehe da, mein Sohn, der aus meinen Lenden hervorgegangen ist: Er trachtet mir nach dem Leben. Um wieviel mehr nun der Benjaminit! Lasstb ihn! Und er beleidigt [mich]c, weil Jhwh es ihm gesagt hat. 12 Vielleicht sieht Jhwh auf das mir zugefügte Unrechta und gibt mir ‘ ’b Gutes zurück für seine Beleidigungen heute.« 13 Und David ging unda seine Männerb auf dem Weg [weiter], und Schimi ging an der Seite des Berges dicht neben ihmc; dbeim Gehen beleidigte er [ihn] und warfd mit Steinen ‘nach ihm’e und warff mit Staub. 14 Und der König kam und das ganze [Kriegs-]Volk, das bei ihm war,  erschöpft ‘zum Wasser’a, und er erholte sich dort. 1a Im Targum Jonatan ein Constructus: »Höhe des Berges«. – b In M »Mefiboschet«, in GL »Memfibaal«, in GB »Memfibosthe«, in GA »Memfibosthai«. Zur Namensform vgl. oben bei 2Sam 9,1–13 Textnote 6a. – c GLMN (oijf[e]iv) lasen hier offenbar nicht eine Zahl, sondern ein Hohlmaß: Epha (Transkription!), evtl. auch Seah (vgl. 1Sam 25,18). – d Das Hohlmaß »Epha« (anstelle der hier wenig sinnvollen Zahl »100«) mit 4QSama; vgl. DJD XVII 158. – e ≈yq ist eigentlich der »Sommer«, auch die »Sommerfrucht«, also frisches Obst, zumeist Feigen (im Unterschied zu den zuvor genannten Kuchen aus »getrockneten Trauben«, µyqwmx); vgl. KAHAL 506a. – f Bar-Efrat II 164: 2 »lbn – Ledersack oder Tonkrug«. – 2a Wörtlich: »Was ist dir dieses?« – b Das Adjektiv bzw. Part pass. (vgl. 1: µyvbj) eingefügt mit GL (sesagmevnoi) und Vetus Latina (»asini sunt saginarii«). – c–c So mit GL. In M erwähnt Ziba nur die Brote (mit einem l im Ketib, das zum Verständnis »für den Kampf« führt, 3 im Qere aber getilgt wird) und die Früchte, nicht die Kuchen. – 3a In GL fehlt die Kopula. – b GL hat vielleicht nicht die Konjunktion yk, sondern die Kopula w und dann die Verbform nicht als finit, sondern als Part. gelesen (vgl. das vorangehende Part. bvwy): »er sitzt in Jerusalem und sagt sich«. – c Die meisten Textzeugen schreiben hier einen Plural; das ist bei dem kollektiven Subjekt »Haus« korrekt, im Deutschen aber nicht nachzuahmen. – d Einige Handschriften von M und GL haben ynb bzw. uiJoiv, »die Söhne Israels / die Israeliten«: wahrscheinlich zur Anpassung an die pluralische Verb1

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2Sam 16,1–14 form, s. die vorige Textnote. – 4a Das Hebräische hat hier ein (präsentisches?) Perfekt. – b Das Präsens bei M, während in GLMN vergangenheitliche Verbformen gebraucht werden. – c GL vereinfacht den Hofstil: »ich habe Gnade gefunden in den Augen meines Herrn, des Königs«. – 5a Die verschiedenen Textzeugen differieren in der Ortsangabe: GL: Corram; GM: Corran (vgl. Josephus: Cwranon); GB: Boureim; GA: Baoureim. – b–b Wörtlich: »Und er war hinausgehend, hinausgehen [Inf. abs.], und beleidigend«. GL (und ähnlich die anderen G-Versionen) gibt den hebräischen Text recht getreu wieder: ejxeporeuveto ejkporeuovmeno~ kai; kakologw`n. – c Normalerweise wird übersetzt mit »fluchen«; auch G hat das getan. Doch das Verb hat hier (und auch sonst oft) keinen prägnant religiösen Sinn. Mann (Run, David 106 u.ö.) gibt es mit »hurling insults« wieder. Siehe weiter bei »Wort«. – 6a So mit GL. Die übrigen Textzeugen haben »alle Bediensteten des Königs David«. – b So mit GLMN; in M zweimal das Singular-Suffix. – 7a Anderson (199) übersetzt eindrücklich: »you murderer and monster«, Stoebe (II 374): »du Blutmensch, du Auswurf«; McCarter II 362: »bloodstained fiend of hell«. – 8a GLN: »an deren Stelle«, bezogen auf das Kollektivum »Haus«. – b GL hat den Plural: »in die Hände«. – 9a GL und Theodoret machen aus dem »toten Hund« einen »verfluchten Hund«: immerhin ein kleiner Aufstieg! – b Wörtlich: »entfernen«. – 10a GLMN fügen hinzu: »zu Abischai«. – b,b GL und Theodoret passen die Ausdrucksweise durch Singularformen (»mit dir«, »Sohn der Zeruja«) an den Kontext an. – c So GAN (in GLMB geht noch die Kopula kaiv voran), hebräische Vorlage: wl wjnh(w), vgl. 16,11. Ohne dieses Sätzchen hängt die nachfolgende Konjunktion in der Luft. – d So das Ketib, gestützt von GL. Das Qere »verbessert« unnötig in hk, »so« (was aber nicht nur in GBA, sondern z.B. auch von Anderson 201 aufgenommen wird). Zu den beiden »Textstammbäumen« vgl. Kim, Textgeschichte 356f. Auch Langlamet (Maison 395–398) plädiert für Beibehaltung des Ketib. – e GL und Theodoret (katara`taiv moi) setzen hinter llqy, »er flucht« bzw. »er beleidigt«, ein Suffix masc. sing. voraus. – f Mit dem Qere bleibt die Kopula im Ketib besser weg. – g Ich fasse die Verbform als Imp., nicht als Inf. auf, wie die Übersetzer von G (abgesehen nur von GM) es getan haben. – h Einzufügen mit GL und Theodoret (aujtw/`); vgl. auch GN: pro;~ aujtovn. – i Eigentlich: »so«. – 11a So GL. Die anderen Textzeugen haben »Abischai« – was natürlich ebenfalls sinnvoll, jedoch die lectio facilior ist. – b Hier hat (nur) GL den Singular: »Lass ihn!« – c Nach GLAMN soll Schimi fluchen (kataravsqw). – 12a Das Ketib (ynw[b) kann eigentlich nur als ynI/[}B' gelesen werden, was sicher nicht »meine Schuld« meint (gegen Shepherd, Bloodguilt 158f, u.a.), sondern »die mir angetane Schuld« (Caquot / de Robert 519 übersetzen vorsichtig: »ma faute«). Dies missverstehend, meinte das Qere in ynIy[eB,] »auf mein Auge«, verbessern zu sollen, was aber keinen rechten Sinn ergibt (obwohl Tsumura II 245 diesen Ausdruck als »to examine my heart/intention« meint deuten zu können). Anders wäre es, wenn man ursprünglich ein anderes Suffix annehmen könnte: wyny[b »mit seinen (Jhwhs) Augen«; doch bleibt dies rein spekulativ. Einige Handschriften und rabbinische Zitationen sowie die Vorlage von GL (th;n tapeivnwsivn mou) lasen oder verstanden jedoch yyn[b = yyIn“[;B] »auf mein Elend«, was auch sinnvoll wäre; diese Lesung befürwortet mit Verweis auf Gen 29,32 und 1Sam 1,11 etwa Barthélemy, Critique I 277; desgleichen Langlamet, Maison 402, Anderson 201 und schon Wellhausen, Text 199. Mann (Run, David 111) deutet theologisch tiefsinnig: »Yhwh will deal with him [David] as he would with one who is afflicted (hn[)«. – b Die meisten Textzeugen wiederholen hier »Jhwh«,

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2Sam 16,1–14 13 doch fehlt eine Entsprechung dazu in GB. – 13a GLMN fügen hinzu: »alle (seine Männer)«. – b Drei Handschriften von GL fügen hier ein: »mit ihm«; andere Handschriften wie alle übrigen Textzeugen haben dies nicht. – c GL gibt wtm[l wieder mit ejcovmeno~ aujtou`, »sich an ihn haltend«. – d–d McCarter II 369 diagnostiziert »a most awkward construction«; ursprünglich habe da, wie es auch 4QSama zu belegen scheint, ein dreifacher Inf. abs. gestanden: hālôk wĕqallēl wĕsaqqēl (mit insgesamt durativer Bedeutung, vgl. unten Textnote 13f). – e So GL (ejp∆ aujtovn); Vorlage: wyl[. M hingegen wiederholt wtm[l, »dicht neben ihm«: wahrscheinlich eine Dittographie. Vielleicht führt die Übersetzung in GBAMN (ejk plagivwn aujtou`) auf wdxm, »neben ihm«, was die Neue Zürcher Bibel deutet als »(er warf Steine) an ihm vorbei«. Das wäre sinnvoll, wenn man an große Steine denkt, nicht hingegen bei Kieselsteinchen. – f rp[ Pi. bildet eine figura etymologica mit rp;[,; »Staub«, auf Deutsch also etwa »mit Staub einstäuben«; der Ausdruck begegnet nur hier. Die weqatal-Form deutet Tsumura II 246 14 durativ: »while throwing«. – 14a Nach Wellhausen (Text 199) stand hier ursprünglich ein Ortsname. Entsprechend findet sich bei Caquot / de Robert 519 an dieser Stelle ein »…«, sie rechnen also mit einem Textverlust. Anderson 202 liest »tentatively … at the fords of the wilderness«; die Wendung sei »dropped out due to a scribal error« (207). Joüon (Notes philologiques 312) nimmt an, µyp[, »als Erschöpfte«, sei eine Fehlschreibung aus µymh l[/d[, »am/ans Wasser«. Mit Langlamet (Maison 412) halte ich eine Haplographie für wahrscheinlicher. Auf den Jordan als Ziel bzw. Zwischenziel des Marsches tippen die allermeisten, s. weiter bei »Wort«. Form Aufbau

Struktur der Erzählung Die Perikope schildert zwei Begegnungen mit Personen aus dem Umfeld der Saul-Familie, die David kurz nach seinem Weggang aus Jerusalem hatte: eine mit Ziba, dem »Knecht« des Saul-Sohnes Meribaal, und eine mit Schimi, einem Mitglied der Sippe Sauls. Ziba und Meribaal sind der Leserschaft schon bekannt (aus 2Sam 9), Schimi ben Gera ist es noch nicht. Die beiden Episoden sind eingehängt in ein knappes Itinerar: David ist weitergegangen von der Anhöhe des Ölbergs aus (1aa) und trifft auf Ziba, kommt nach Bahurim (5a), von wo ihm Schimi entgegenkommt, und gelangt schließlich an einen Platz, an dem er »ausruhen« kann (wohl am Jordan: 14). Beide Begegnungsszenen enthalten (wenig) Narration und (viel) Figurenrede. Die erste wird eingeleitet durch die Mitteilung, dass Ziba mit einer erheblichen Menge Proviant auftauchte (1abb), worauf eine längere Wechselrede zwischen David und Ziba folgt (2–4). Die zweite hingegen ist gerahmt durch Erzählhandlung: Am Anfang und am Schluss heißt es, dass Schimi David beleidigt und ihn mit Steinen beworfen habe (5b.6 und 13); dazwischen hört man, was Schimi ruft, was Abischai dazu meint und was David diesem antwortet (7–12). Auffälligerweise kommt es in der zweiten Szene zu keiner Begegnung, nicht einmal zu einem verbalen Austausch zwischen Schimi und David.

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2Sam 16,1–14 Schimi kommt David nicht »entgegen« (wtarql), wie es Huschai (15,32) und Ziba (16,1) getan haben, er geht vielmehr nur aus seinem Dorf »hinaus« und ruft Verbalinjurien in Davids Richtung1. Und David spricht nicht mit Schimi, wie er mit Huschai und Ziba gesprochen hat, sondern mit Abischai über ihn2. Und am Ende laufen beide parallel nebeneinander her3, wahrscheinlich bis David die Gegend von95 Bahurim verlassen hat.

Eine schematische Darstellung PDF 8: der S. 95Textstruktur4 zeigt, dass hier eine sorgfältig gestaltete Komposition vorliegt. 1aa David zieht vom Ölberg aus weiter

5a

1abb Ziba kommt mit Proviant 2a David 2b Ziba 3a David 3b Ziba 4a David 4b Ziba

Szene A

David gelangt nach Bahurim

Itinerar

5b.6

Szene B

13 14

Itinerar

Schimi kommt schimpfend und Steine werfend auf David zu 7f Schimi 9 Abischai 10 David I 11f David II Schimi geht schimpfend und Steine werfend neben David her

David kommt [am Jordan] an und erholt sich

Itinerar

Der Anschein völliger Ebenmäßigkeit trügt allerdings. Die Szene B ist viel breiter angelegt als die Szene A, und Szene A ist nicht so vollständig narrativ gerahmt wie Szene B. Charaktere Figurenzeichnung Jede der beiden Szenen zeigt drei Charaktere. In Szene A stehen nur zwei auf der Erzählbühne, die über den dritten sprechen. In Szene B sind zwar alle drei präsent, aber nur zwei reden miteinander – wiederum über den dritten!

1  Vgl. Fokkelman I 201: Schimi »has no intention of a real encounter, but he is occupied wholly in an ego trip, acting out his own frustrations«. Auch nach BarEfrat II 164 ist Schimi »nicht gekommen, David zu begegnen«. 2  Vgl. Fokkelman I 200: David »does not wish to relate to this man. He can only talk over the Saulide«. 3  Wiederum treffend Fokkelman I 202: »Parallel lines never meet«. 4  Figurenrede ist in der Grafik durch Kursiva angezeigt.

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2Sam 16,1–14

In Szene A kommt zuerst Ziba ins Bild: Er bringt David zwei gesattelte Reittiere und viel Proviant. Auf die Frage Davids, was er mit alledem im Sinn habe, gibt er eine sachliche Erklärung ab, doch auf die nächste Frage Davids, wo denn Meribaal sei, antwortet er höchst maliziös. Statt seinen Herrn in ein möglichst günstiges Licht zu rücken, schwärzt er ihn an: Meribaal hoffe, von dem Aufstand Abschaloms zu profitieren. Ziba begründet diese Behauptung mit nichts; sie kann der Wahrheit entsprechen, kann aber auch pure Verleumdung sein5. Die überbrachten Geschenke erwecken den Anschein, als sei er ein loyaler Anhänger Davids, doch genauso gut könnte er auf seinen eigenen Vorteil bedacht sein. Sein Dank für Davids Gnadenerweis wirkt unangenehm unterwürfig, um nicht zu sagen: schleimig. So erscheint Ziba als ein recht verdächtiger, jedenfalls undurchsichtiger Charakter. Und David? Von den beiden Fragen, die er an Ziba richtet, erscheint die erste fast als überflüssig: Wozu sollte das, was Ziba mit sich führte, denn sonst dienen, wenn nicht als Geschenk für David? Die zweite Frage aber, die nach Meribaal, ist hintergründig und lauernd. Hinter ihr steckt ein Vorwurf, eine Verdächtigung: Er müsste hier sein, wenn er es mit mir hielte. Dass Meribaal gehbehindert ist, fällt für David nicht ins Gewicht. Kaum hat er gehört, was er zu hören erwartet hat, fällt er sein Urteil: Das Land der Sippe Sauls soll von Meribaal an Ziba fallen. Diesen Entscheid fällt David gewissermaßen aus dem Gefühl heraus, ohne die Umstände näher überprüft zu haben. Womöglich ist er auf einen Schmeichler und Denunzianten hereingefallen. In Szene B tritt als erster Schimi ben Gera auf. Je nachdem, wie man über David und sein Verhalten gegenüber den Sauliden denkt, sind Schimis Vorwürfe gegen ihn haltlos oder berechtigt. Doch wie Schimi sie vorbringt, wirkt wenig sympathisch, ist jedenfalls äußerst unvorsichtig. Er muss ja sehen, dass David von Bewaffneten begleitet ist, sodass er sich durch sein Verhalten in schwerste Gefahr bringt. Wofür soll man ihn halten: Ist er ein bewundernswert mutiger Mann, der dem König unerschrocken das ins Gesicht sagt, was er für die Wahrheit hält6? Oder ist er derart aufgebracht, dass er nicht mehr an sich halten kann, als er den (vermeintlich oder wirklich) Schuldigen am Unheil seiner Sippe vor sich sieht? Oder ist er schlicht ein ungehobelter, unbeherrschter Mensch, der weder über Urteilsvermögen noch über Umgangsformen verfügt? Abischai ist ein Gegenstück zu 5  Das meinte schon Lukas Osiander (vgl. Cooper/Lohrmann, Reformation Commentary 224f) und nach ihm viele andere, z.B. Fokkelman I 195. Doch so sicher ist das nicht. 6  Kipfer (Schimi der »Steine-Werfer« 288) vergleicht ihn mit dem »irakischen Journalisten Muntazer al-Zaidi, der am 14. Dezember 2008 US-Präsident George W. Bush in Bagdad mit seinen Schuhen bewarf«.

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Schimi7. Dessen Toben weckt in ihm hellen Zorn und pure Mordlust. Einen »toten Hund« schimpft er ihn, ungefähr das Niederste und Verabscheuungswürdigste, was man sich vorstellen kann. Die Frage, ob man den Mann nicht auch verstehen könne, ob er vielleicht sogar ein Stück weit Recht habe, kommt Abischai gar nicht in den Sinn. Ganz anders David. Er zeigt sich nachdenklich: Wenn doch sein eigener Sohn ihm nach dem Leben trachtet – was soll man dann von einem Benjaminiten (und gar einem aus der Sippe Sauls) erwarten? Womöglich habe gar Jhwh dem Mann seine Wut eingegeben, sodass er ihn beleidigen müsse! Das ist eine bemerkenswerte Reaktion eines Herrschers, der von einem Untertan öffentlich attackiert und gedemütigt wird. Obrigkeitsgläubige Menschen könnten meinen, David lasse sich zu viel bieten. Die Erzählung will ihn aber wohl als vorbildlich hinstellen: als selbstkritischen und selbstbeherrschten Mann, der bewusst auf Gewalt verzichtet – wie in der Erzähltrilogie 1Sam 24–26. Hamilton (Body Royal 207–210) macht darauf aufmerksam, dass Davids Begegnung mit Schimi in vielem an seine Begegnungen mit dem ihn verfolgenden Saul in 1Sam 24 und 26 erinnert. Auch dort war er auf der Flucht, aufs Leben bedroht; Saul war für ihn »dangerous«, zugleich aber von ihm »endangered«. Jetzt ist David wieder gefährdet, faktisch durch Abschalom, symbolisch durch Schimi, zugleich aber ist er für Schimi gefährlich. Sprach er damals von sich als einem »toten Hund« (1Sam 24,15), so nennt Abischai jetzt Schimi so. David jedoch entschließt sich, in dieser Situation nicht »Saul’s role as the dangerous monarch« anzunehmen, sondern sich »his Israelite subjects in a nonthreatening way« (210) zu zeigen. Er hat also, was er seinerzeit über Gewalt und Gewaltverzicht gelernt hat8, nicht wieder vergessen9. Stilmittel Sprachliche Gestaltung Die zahlreichen direkten Reden der Erzählung lassen diese ungemein lebendig erscheinen. Der Leser, die Leserin glaubt, an der Seite Davids zu gehen und jedes Wort zu hören, das er sagt und das zu ihm gesagt wird. Sie bekommen Anteil an seinem Ergehen, werden eingeladen, sich mit ihm zu solidarisieren, ja, zu identifizieren. Man meint, sie vor sich zu sehen und sie sprechen zu hören: den undurchdringlichen Ziba, den rasenden Schimi, den aufbrausenden Abischai, auch David selbst. Schimi in seiner Wut bringt eine regelrechte Inclusio zustande (zwischen »Blutmensch« und »Blutmensch«).

7  Vgl. Fokkelman I 198: Abischai »assumes the same level as Shimei«. 8  Vgl. Bd. 2, S. 688–698, sowie die dort folgende Auslegung von 1Sam 24–26. 9  Nota bene ist es der Höfische Erzähler, der diese Linie durch die Davidüberlieferung gezogen hat (s. die Abschnitte »Ort« zu 1Sam 24, 25 und 26 sowie gleich folgend zur hiesigen Perikope).

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Bar-Efrat II 165 erkennt sogar einen »chiastischen Aufbau« in Schimis Wutrede (was die Stilisierung durch versierten Schriftsteller erkennen PDF einen 9: S. 97f lässt): A Geh hinaus, geh hinaus, du Blutmensch B und nichtswürdiger Mensch! C Zurückgelenkt hat Jhwh auf dich all das Blut des Hauses Sauls, an dessen Stelle du König geworden bist. C’ Und Jhwh hat das Königtum in die Hand deines Sohnes Abschalom gegeben. B’ Und nun sieh dich in deinem Unheil, A’ denn ein Blutmensch bist du.

Man spürt fast etwas wie Befriedigung, mit der dieser Mann endlich einmal dem schlimmsten Feind seiner Sippe sagen kann, was er von ihm hält – und was er ihm wünscht: ein blutiges Ende nämlich. Der nicht weniger grobe Abischai bedient sich metaphorischer Rede: Ein »toter Hund« sei dieser Kerl, der David zu beschimpfen wage – als ob ein Hund, und gar ein toter, schimpfen könnte! Doch in Abischais Augen ist Schimi schon so gut wie tot – und eben ein elender Hund. David dagegen sieht in Schimi einen Menschen – sogar einen, der einen Auftrag von Gott erhalten haben könnte. Gott könnte ihm auf98 getragen haben, ihn, David, zu erniedrigen: ein höchst ungewöhnlicher, steiler theologischerPDF Gedanke. 10 formt David noch einen 10: S. 98In Mitte Chiasmus10: A »Was habe ich mit euch zu schaffen?« (rhetorische Frage) B »Er beleidigt [mich]« C »weil Jhwh ihm gesagt hat« B’ »Beleidige [ihn]!« A’ »Wer will ihm dann sagen, er soll das nicht tun?« (rhetorische Frage)

In der Schimi-Szene ist »beleidigen« (llq) ein Leitwort11. Die acht Belege verteilen sich auf alle drei Protagonisten: Schimi beleidigt David fortwährend (5.7.13), Abischai erregt sich über seine Beleidigungen (9), David ist bereit, diese Beleidigungen auf Jhwh zurückzuführen (10.11). In der Gesamtperikope hat der Wortstamm ˚lm Leitwortfunktion. Zweimal ist vom »Königtum« die Rede, jedoch nicht davon, dass David es innehabe, sondern dass es jetzt auf Meribaal (3) oder Abschalom 10  Vgl. Fokkelman I 199. 11  Auld 514 stellt fest, dass die Belegdichte in keinem anderen Passus des AT so hoch ist wie hier.

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(8) übergehe. Umso mehr fällt ins Auge, dass nicht weniger als dreizehnmal David »König« genannt wird – will heißen: Schreibt ihn nicht vorschnell ab12! Die Perikope beschreibt eine räumliche Bewegung Davids und sei- Ort ner Getreuen »von der Anhöhe« (gemeint ist die Kuppe des Ölbergs, Geographische 1) über das Dorf Bahurim (5) zu einem nicht genau benannten (Zwi- Verortung schen-)Ziel, wo sie »erschöpft« ankommen und sich »erholen« (14). Vermutlich ist dabei an das westliche Jordanufer gedacht, noch diesseits der Furten durch den Fluss. Dort wollte David Nachrichten über die weitere Entwicklung in Jerusalem abwarten (15,28), und von dort setzte er, kaum dass er sie erhalten hatte, zur Überquerung des Flusses an (17,21f). Auf dem Weg von Jerusalem zum Jordan sollen die Begegnungen mit Ziba und Schimi stattgefunden haben. Die zweite wird lokalisiert durch den Ortsnamen Bahurim. Dieser Ort wurde schon in 2Sam 3,16 erwähnt, im Zusammenhang mit der Einholung Michals an die Seite Davids (3,12–16). In Bahurim musste ihr Gatte Paltiël sich endgültig von ihr trennen – vermutlich, weil dies die letzte benjaminitische Ortschaft auf dem Weg in den judäischen Süden, nach Hebron, war. Sie wird gewöhnlich gleichgesetzt mit Rās eṭ-ṭmīm (MR 174.133)13, das knapp hinter der Kuppe des Ölbergs gelegen ist, etwa 3 km entfernt vom Tempelberg und weniger als 1 km östlich des modernen AugusteViktoria-Hospitals. Die Begegnung mit Ziba müsste dann noch näher beim Ölberg stattgefunden haben, d.h. sehr bald nach derjenigen mit Huschai (2Sam 15,32–36). Der Großteil des Weges zum Jordan lag zu diesem Zeitpunkt noch vor David. Literarischer Der größere Kontext Der Verfasser der Amnon-Abschalom-Novelle wählte zur Darstel- Ort lung des Abschalom-Aufstandes offensichtlich ein Verfahren, bei dem sich Passagen über David regelmäßig mit solchen über Abschalom abwechseln. 15,1–12 handelte von Abschalom, 15,13–36 von David. 15,37 führte wieder hinüber zu Abschalom – von diesem aber wird erst in 16,15–23 (und weiter in 17,1ff) erzählt. Die Sauliden-Episoden 16,1–14 schieben sich recht störend in dieses System. Sie gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zur Amnon-Abschalom-Novelle, sondern wurden in diese nachträglich eingesetzt14.

12  Vgl. Fokkelman I 196: »David, no matter how threatened, maintains his claim to the throne«. 13  Vgl. Bd. 3, S. 399, sowie Schley, Bahurim 568. 14  Diesem – m.E. zwingenden – Schluss widersprechen ausdrücklich, aber ohne überzeugende Begründung Caquot / de Robert 533.

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Die Perikope 16,1–14 stammt (im Grundbestand) aus dem »Erzählkranz vom Aufstieg und Niedergang der Sauliden«, den erst der Höfische Erzähler für sein Gesamtwerk fruchtbar gemacht hat. Diese Quelle ist einerseits nordisraelitisch bzw. benjaminitisch geprägt, weist andererseits aber bereits eine klar projudäische bzw. prodavidische Tendenz auf15. Saul und seine Familie sind von beachtlicher Statur, doch hatten sie nie die Chance einer dauerhaften Herrschaft; sie waren nicht mehr als Vorläufer Davids und des Davidhauses. Dazu passt, dass die Sauliden von 16,1–14, befeuert durch den Umsturzversuch Abschaloms, David zwar zu schaffen machen, ihm aber nicht wirklich schaden können. Bedrohlich für ihn ist die Rebellion aus dem eigenen Haus, nicht der Widerstand aus dem Haus Sauls. In der Fortsetzung beider Episoden in 19,17–31 werden die wahren Machtverhältnisse überdeutlich zutage treten. Literarkritik der Ziba-Szene Die recht kurze Ziba-Szene wirkt auf den ersten Blick einheitlich. Ein Satz folgt aus dem anderen, in 4 wird ein Abschluss dadurch erreicht, dass David ein besitzrechtliches Urteil fällt und Ziba das akzeptiert. Der große Abwesende ist Zibas Herr Meribaal; um ihn geht es insgeheim die ganze Zeit. Rudnig (Davids Thron 199–204) meint die Episode in zwei Schichten aufteilen zu können: die eine handle von der Versorgung des fliehenden Königs durch Ziba (1b.2), die andere von den Thronaspirationen Meribaals (1a.3f). Letztere Schicht sei die ältere (obwohl innerhalb des größeren Erzählzusammenhangs selbst schon sekundär). Sie berichte in kritischer Absicht von einem »despotisch und eigenmächtig« gefällten Urteil Davids gegen Meribaal und für Ziba. Dies sei das Werk einer »dynastiekritischen Bearbeitung«, der u.a. auch die Batscheba-Urija-Story zuzuweisen und die ins 5. Jh. zu datieren sei. Die jüngere Schicht »gleicht dieses Bild aus: Ziba empfängt nicht nur, er gibt auch!« Derlei Gedanken seien einer »Theodizeebearbeitung« zuzuschreiben, die sich des Stoffs (wohl im 4. und 3. Jh.) in mehreren Schüben angenommen habe. Damit gelangt man mit dem gesamten Text in die nachexilische Zeit – was von vornherein nicht sehr wahrscheinlich ist. Wer sollte in der Perserzeit an solchen Stoffen und Einzelheiten noch Interesse gehabt haben?

Das jetzige Einleitungssätzchen der Szene, David sei »von der Anhöhe aus weitergegangen« (1aa), schließt klar an 15,32 an, wo David auf der Höhe des Ölbergs angekommen ist. Diese Verbindung ist deutlich redaktionell; durch sie bindet der Höfische Erzähler die 15  Zu seiner Charakterisierung vgl. Bd. 2, S. 76, und die über das dortige Register (S. 843) auffindbaren Stellen. Eine neuere, zusammenfassende Beschreibung bei Dietrich, Der Mann 133–137.

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Episode in den größeren Zusammenhang ein. Wenn die Begegnung mit Ziba (wie auch die dann folgende mit Schimi) dem SaulidenErzählkranz entstammt, könnte am Anfang ein Satz gestanden haben wie: »Und es war, als David vor Abschalom aus Jerusalem floh …« Damals also tauchte Ziba mit einer erheblichen Menge Proviant auf dem Rücken zweier Esel auf (1abb). Davids Frage, für wen dies alles sei (2a), beantwortet Ziba bereitwillig: für das Königshaus und die Soldaten (2b). Daraufhin erkundigt sich David nach Meribaal. Aufschlussreich ist dessen Bezeichnung als »Sohn deines Herrn«: Zibas »Herr« ist bzw. war Saul, Meribaal ist Sauls »Sohn« – eine Filiation, die der Höfische Erzähler in 2Sam 9 geändert hat, indem er Meribaal zum Sohn Jonatans machte. Hier hingegen hat sich die ältere Version erhalten. Sehr viel kommt darauf an, wie man die Fragepartikel hya, »wo?«, versteht. Zibas jetzige erste Antwort: »Er sitzt in Jerusalem« fasst sie lokal auf. Doch etwa die Fragen »Wo ist Gott?« (z.B. Jer 2,6.8) oder »Wo ist Gottes Wort?« (Jer 17,15) fragen nicht nach einer Lokalität, sondern nach der Präsenz. So könnte auch David meinen: »Und wo, bitteschön, ist Meribaal?!« Die ursprüngliche Antwort darauf lautete: »Er macht sich Hoffnungen auf das Königtum [darum ist er nicht hier]«. Jetzt jedoch benennt Ziba zunächst den Aufenthaltsort Meribaals: »in Jerusalem«. Nun gab es in 2Sam 9 zwei Versionen von der weiteren Existenz Meribaals nach seiner Entdeckung durch David: a) abseits von Jerusalem, versorgt durch Ziba aus den Ländereien des Hauses Sauls, und b) in Jerusalem, versorgt am Tisch Davids. Die Version a) erwies sich als die ältere, im Sauliden-Erzählkranz gebotene, die Version b) als Korrektur von der Hand des Höfischen Erzählers16. Zibas Angabe in 3ba: »Er sitzt in Jerusalem« knüpft an die Version b) an und verrät sich damit als Einfügung des Höfischen Erzählers. Zum älteren Erzählkern gehört wieder 4: David glaubt Ziba und spricht ihm das Eigentumsrecht an den Saul’schen Ländereien zu, was dieser dankend akzeptiert. Somit ist festzuhalten: Die Ziba-Episode 1–4 stammt im Wesentlichen aus dem Saulidenerzählkranz; der Höfische Erzähler hat lediglich 1aa und 3ba beigetragen. Literarkritik der Schimi-Szene Eine radikale literarkritische Haltung nimmt hier Würthwein ein (Erzählung von der Thronfolge 43f): »Die Simei-Szene 16,5–14 ist, so wie sie berichtet wird, voller Rätsel und mutet teilweise geradezu unwirklich an«. Wie könne es sein, dass Schimi sich von Truppen, »die nachher eine Feldschlacht siegreich zu schlagen vermögen«, »nicht abschrecken« ließ? Vermutlich sei die Szene »aus 19,17ff herausgesponnen«, wo Schimi David um Vergebung 16  Siehe Bd. 4, S. 30f.

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2Sam 16,1–14 für eine Verfehlung bitte, die dort »nicht näher genannt« werde. Innerhalb von 5–14 sei der Passus 9–12, in dem »David wiederum in frommer Ergebenheit gezeichnet wird«, noch einmal sekundär. Seiler (Thronfolge Davids 142f) hat zu dieser These Stellung genommen. Er räumt ein, dass der Autor das Ziel verfolge, »die Gesinnung des Königs darzustellen«, doch diese Absicht gehöre zur »Grunderzählung«. Es lasse sich nämlich nicht erweisen, dass in 19,17ff eine andere Verfehlung Schimis gemeint sei als eben sein Verhalten in 16,5ff. Also sei die gesamte SchimiSzene alt. Das sehen Caquot / de Robert 534f ähnlich, doch halten sie 8–12 für einen (zweistufigen) Nachtrag. Ursprünglich habe David auf die Anschuldigungen Schimis (5–7) überhaupt nichts geantwortet, sondern sei einfach weitergegangen (13f). Rudnig (Davids Thron 204–212) differenziert stärker und datiert spät. »V.13 ist deutlich eine modifizierte Wiederaufnahme von V.5f; sie dient zur Verklammerung der Redeteile« (204). Der »Grundbestand« der Episode in 5.6aa rühre von der »dynastiekritischen Bearbeitung« her, die im 5. Jh. den von DtrH geschaffenen Text überformt habe. Der Redeteil 7–13 sei insgesamt von der noch später anzusetzenden »Theodizee-Bearbeitung« eingefügt worden, und zwar in zwei Schüben: zuerst 7–9.11f, dann 10. Der Sachverhalt bedarf einer neuen Beurteilung.

Der Passus 5–13 wirkt überfüllt und literarisch uneinheitlich. Besonders ins Auge fällt eine Reihe von Doppelungen. Am Anfang und am Schluss wird zweimal gleichlautend berichtet, dass Schimi ben Gera fortwährend David beleidigte und ihn mit Steinen bewarf (5f.13). Das könnte ein erzählerisches Kunstmittel sein, aber auch ein Fall von »Wiederaufnahme« (einer häufig begegnenden Technik zur Einbettung eines jüngeren Stücks in einen älteren Text). Träfe Letzteres zu17, hätte es ursprünglich einen knappen, nur die Verse 5 und 13bbg umfassenden Bericht über die unerquickliche Begegnung Davids mit Schimi ben Gera gegeben; der gesamte dazwischenliegende Passus mit seinen vielen direkten Reden (aus dem Mund Schimis, Abischais und Davids) wäre sekundär nachgetragen. Doch auch innerhalb dieses Dialogteils gibt es Doppelungen. Nicht als solche zu werten dürfte die Wiederholung des Begriffs »Blutmensch« (µymd[h] vya) in 7 und 8 sein. Hier hat man deutlich den Eindruck eines rhetorischen Stilmittels18: Zuerst bezeichnet Schimi David so, dann gibt er eine Begründung für sein Urteil, und anschließend bestätigt er noch einmal seine Einschätzung. Weniger gut lässt sich hingegen begreifen, dass David Abischai auf dessen Anerbieten, Schimi zu töten, zweimal antwortet (in 10 und in 11f) und dabei zweimal dasselbe sagt: »Lass(t) ihn, denn er beleidigt [mich], weil Jhwh es 17  So votiert ja auch Rudnig, s. oben. 18  Rudnig (Davids Thron 207) spricht von »der Stilform der Ploke, nach der man am Schluß einer Rede auf den Gedanken ihres Anfangs zurückkommt«.

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ihm gesagt hat« (10.11)19. Die Annahme liegt nahe, dass eine ältere Fassung nur die erste Rede an Abischai enthielt (10), während die zweite (in 11f) nachgetragen wurde20. Es zeichnet sich somit eine dreifache Stufung ab: I:  Bericht von Davids Begegnung mit dem ihn beschimpfenden und ihn mit Steinen bewerfenden Schimi ben Gera aus Bahurim (5.13bbg). II:  Der Wortlaut von Schimis Beschimpfungen, Abischais Anerbieten, ihn zu töten, Davids abweisende Antwort und sein Weitergehen Richtung Jordan (6–10.13aba.14). III:  Zweite Antwort Davids an Abischai zur Begründung der Verschonung Schimis (11f). Wie lassen sich diese drei Schichten zuordnen? I:  Der Grundbestand, der knappe Bericht in 5 und *13b, dürfte aus dem Sauliden-Erzählkranz übernommen sein. Vermutlich war er dort die unmittelbare Fortsetzung des ebenfalls knappen Ziba-Berichts in *1. Der Sammler hatte demnach Informationen über das Verhalten verschiedener Mitglieder des Hauses Sauls gegenüber David während der Abschalom-Krise: Ziba (vermutlich im Auftrag, mindestens mit Wissen Meribaals!) unterstützte den in Bedrängnis geratenen König, Schimi ben Gera hingegen beschimpfte ihn. II: Der Höfische Erzähler dürfte es gewesen sein, der diesen Quellentext in die David-Abschalom-Erzählung integriert hat21. Dazu fügte er einen Dialog hinzu, freilich einen ungewöhnlichen. Zuerst schreit Schimi etwas in Richtung Davids. Darauf reagiert Abischai, jedoch nicht, indem er sich an Schimi, sondern indem er sich an David wendet. David wiederum antwortet Abischai, nicht Schimi. Die Hand des Höfischen Erzählers ist anhand mehrerer Indizien zu erkennen. Schimi gebraucht den Ausdruck »nichtswürdiger Mensch« (l[ylbh vya, 7), der im Höfischen Erzählwerk »ein Leitwort für Negativfiguren«22, mit Vorrang für staatsgefährdende Elemente, ist; wenn Schimi den rechtmäßigen König so nennt, erweist er sich selbst als l[ylbh vya. Der Ausdruck »Blut des Hauses Sauls« (8) steht offenbar für die in 2Sam 1–4 berichteten Todesfälle, an denen aber nach der dortigen Darstellung David dezidiert nicht beteiligt war; wenn Schimi einen Unschuldigen beschuldigt, spricht er sich selbst das Urteil. Den mordbereiten 19  Fokkelman (I 197) beschönigt den Anstoß, wenn er 11f als »Vertiefung« von 10 bezeichnet (»David deepens«). 20  Die Verse 11f hält auch Seiler (Thronfolge Davids 143) für sekundär, Vermeylen (Loi 659) weist sie der perserzeitlichen Schlussredaktion zu. Nach Rudnig (Davids Thron 209) wird umgekehrt »V.11f durch V.10 vereindeutigt und entschärft«. 21  Mit 14 leitet er zum Itinerar der Novelle zurück. 22  So Bd. 2, S. 756 (mit den Belegen).

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Haudegen Abischai, der sich von David nur mit Mühe im Zaum halten lässt, hat der Höfische Erzähler schon in 1Sam 26,8–11 auftreten lassen23. Dort wie hier dient er als Kontrastfigur, gegen die David sich als friedfertig und fromm abheben kann. David gebraucht für Abischai, so als wäre auch Joab in der Nähe, die Anrede »Söhne der Zeruja«; schon in 2Sam 3,38f hat er sich von den »Söhnen der Zeruja« als ihm zutiefst wesensfremden Gewaltmenschen distanziert (obwohl sie ja höchste Posten in seiner Armee innehatten!), und auch dort war der Höfische Erzähler am Werk24. Ihm lässt sich also diese Textebene mit recht großer Sicherheit zuweisen. III:  Die jüngste Textstufe ist literarhistorisch schwer zu fassen25. David erklärt, dass ihn das Verhalten Schimis nicht wundert, wenn er an das seines eigenen Sohnes Abschalom denkt – ein naheliegender Vergleich. Und die Hoffnung, Jhwh werde ihm für das, was er jetzt erduldet, eines Tages Gutes erweisen, ist konventionell. Ein Glossator – wer immer das war und wann und wo er lebte26 – wollte David auch diese Gedanken noch aussprechen lassen. Historischer Ort

Frage nach der Historizität Die vom Höfischen Erzähler geschaffenen (und in einem Fall noch von einem Glossator erweiterten) Dialoge in 2–4 und 7–12 lassen sich historisch überhaupt nicht verifizieren. Damit wird manches sehr unsicher, was oft für zutreffend gehalten wird: dass Meribaal von Zibas Aktion zugunsten Davids nichts wusste, sie vielleicht sogar missbilligte; dass Ziba also möglicherweise mit Recht seinen Herrn der Konspiration, zumindest der Sympathie mit Abschalom bezichtigte und David daher mit gutem Grund die Ländereien der Saul-Familie Ziba übertrug; weiter, dass Schimi ben Gera David Bluttaten gegen das Haus Sauls zuschrieb, dass Abischai ihn dafür töten wollte, David ihm aber das Leben bewahrte; dass David mit seinen Offizieren Joab und Abischai uneins war in der Frage, welches Maß an Gewalt gegenüber Gegnern angebracht sei; schließlich, dass David an ihm geübte Kritik in demütig-frommer Manier hinzunehmen bereit war. All das unterliegt dem Verdacht, Erfindung eines Schriftstellers zu sein, der in der 23  Vgl. Bd. 2, S. 814. 24  Vgl. Bd. 3, S. 384. 25  McCarter II 368 sieht hier »an elaborate repository of variants and blended corrections«: eine doch wohl zu chaotische Vorstellung; es dürfte sich um einen Ergänzer handeln. Caquot / de Robert 535 sprechen, im Gefolge von Veijola, Ewige Dynastie 33, von einem »rédacteur deutéronomiste«, wogegen Stoebe II 379 dekretiert: »jedenfalls nicht deuteronomistisch«. 26 Da G den betreffenden Passus enthält, darf man nicht zu weit hinunterdatieren – höchstens in die hellenistische Zeit.

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vorliegenden Auslegung »Höfischer Erzähler« heißt und der von der Davidzeit durch Jahrhunderte getrennt ist. Älter sind nur vergleichsweise knappe Informationen: Ziba, der Hausmeier der Sauliden, habe wohl mit Wissen, vielleicht auf Veranlassung Meribaals dem vor Abschalom flüchtenden David den Rücken gestärkt. Ein gewisser Schimi ben Gera aus Bahurim aber – ein vermutlich eher weitläufiger Verwandter Sauls – habe Davids Krisis mit Schadenfreude und bitterer Wut quittiert. Diese Nachrichten enthielt der »Erzählkranz vom Aufstieg und Niedergang der Sauliden«. Wie nahe er an die Ereignisse heranführt und wie korrekt er diese wiedergibt, ist schwer einzuschätzen. Doch unplausibel ist es nicht, dass es im Hause Sauls unterschiedliche Einstellungen gegenüber David gab und dass diese gerade in einer politisch turbulenten Zeit wie der des Abschalom-Aufstands hervortraten. Historisch interessant ist auch, wie der Umgang Davids mit dem Grundeigentum des Hauses Sauls geschildert wird: In 2Sam 9,7 hatte er dieses gleichsam mit einem Federstrich Meribaal übereignet, in 16,4 nimmt er es ihm mit weniger als einem Federstrich wieder ab, in 19,30 wird er ihm die Hälfte davon zurückerstatten, das heißt: Als Nachfolger Sauls verfügt David nach freiem Ermessen über das Eigentum seines Vorgängers; dabei wird nicht unterschieden zwischen dem, was dieser als familiären Besitz (englisch: »private property«) geerbt und was er im Laufe seiner Herrschaft als Krongut (»crown property«) hinzugewonnen hat27. Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass es sich tatsächlich so verhielt. Die Erzählung begleitet David auf dem Weg vom Ölberg aus ost- Wort wärts, in Richtung Jordan. Gleich hinter der »Anhöhe« sehen die 1–2 Leserinnen und Leser einen Mann auf sich (bzw. auf den König) zukommen, der zwei mit Lebensmitteln vollbepackte Esel mit sich führt und dessen Identität für sie ebenso überraschend ist wie seinerzeit für David. Es ist Ziba, der Mann, den der König mit der Versorgung des Saulnachkommen Meribaal beauftragt hat (2Sam 9). Eine ganze Reihe Fragen stellt sich: Woher kommt Ziba, wohin will er? Kreuzt sein Weg zufällig den des fliehenden David, oder sucht er gezielt die Begegnung? Wofür bzw. für wen sind die mitgeführten Lebensmittel gedacht: für Zibas eigenen Bedarf oder für den Meribaals – oder für den Davids? Weiß Meribaal von Zibas Unternehmung, hat er ihn beauftragt – oder entzieht dieser sich der Kontrolle seines Herrn? Ist Meribaal, ist Ziba über die neuesten politischen 27  Vgl. Whitelam, Just King 147: »all property of the previous king was transferred to his successor«. Siehe weiter bei »Wort« zu 3–4.

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Entwicklungen informiert? Wo stehen sie in dem Machtkampf zwischen David und Abschalom? David nimmt mit geübtem Blick sofort wahr, welch nützliche Dinge ihm da unverhofft entgegenkommen. Abigajil hat ihm seinerzeit ganz Ähnliches entgegengesandt28: »zweihundert Brote und zwei Schläuche Wein29 und fünf zubereitete Schafe und fünf Sea geröstetes Korn und hundert Rosinenkuchen und zweihundert Feigenkuchen«, alles auf Esel geladen (1Sam 25,18). Anscheinend war dies damals die Art, wie begüterte Landbesitzer im Feld befindliche Truppen mit Proviant versorgten. So ahnen die Leserinnen und Leser (und weiß David) intuitiv, was Ziba vorhat. Trotzdem fragt »der König« scheinbar harmlos: »Wofür ist das?« – dem Wortlaut nach eine reine Sachfrage, die Ziba dann auch rein sachlich beantwortet: die Esel dafür, die Lebensmittel dafür30. Doch vielleicht geht es hier weniger um Information als um Deklaration; dann fragte David in Wirklichkeit: »Das ist doch sicher für mich?!«, und Ziba pflichtete dem mit seiner Antwort bei31. (Angesichts der David begleitenden Soldaten wäre ihm wohl kaum etwas anderes übrig geblieben.) Es folgt die zweite, wesentlich heiklere Frage. Mit ihr will David 3–4 »nicht nur klären, wo sich Mefiboschet aufhält, sondern auch, warum er abwesend ist«32. Der Name selbst fällt nicht, doch mit »Sohn deines Herrn« ist eindeutig Meribaal gemeint33; also sieht David in Ziba immer noch den Bediensteten Sauls, der aber jetzt dessen »Sohn« zu dienen hat34. Hinter der Frage nach Meribaals Aufenthaltsort stecken zwei andere Fragen. Erstens: Warum bist du hier und nicht Meribaal?, zweitens: Steht etwa dein »Herr« nicht loyal zu mir35? Wer von 2Sam 9 herkommt, wundert sich: Wie hätte der »an beiden Füßen lahme« Meribaal (vgl. 9,3) dem fliehenden David entgegenkommen oder gar 28  Campbell II 149 bemerkt aber, dass sie großzügiger war als Ziba. Nach Cartun (Topography 26) »the narrator … unfavorably contrasts his gift-giving motives with hers«: Abigajil wollte einen Fehler ihres Mannes gutmachen, Ziba macht seinen Herrn schlecht. 29  Ein »Schlauch Wein« fasste etwa 40 bis 50 Liter (Tsumura II 243). 30  Bar-Efrat II 164 interpretiert: »Aus Höflichkeit sagt er, dass die Dinge für das Königshaus und die Knechte sind, als wären sie für den König selbst nicht gut genug«. 31  So Mann, Speech Act Theory 326; auch Run, David 102. Mann nennt diese Redeweise »declarative« (statt nur »assertive«). 32  Bar-Efrat II 164 mit Verweis auf Gen 3,9. 33  Begg (David’s Flight 12) bemerkt, es könne außer Meribaal auch dessen Sohn Micha (vgl. 2Sam 9,12) gemeint sein; um dies auszuschließen, vereindeutige Josephus zu »Memphiboschet« (Ant. 7.206a). 34  Zu 2Sam 9 wurde festgestellt, dass Meribaal nach den älteren Quellen ein Sohn Sauls (und nicht Jonatans) war, vgl. Bd. 4, S. 29f. 35  So Mann, Speech Act Theory 326. Brueggemann 306 spricht von »political sympathies«.

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mit ihm ziehen können? Nun, zumindest unterstützen hätte er ihn können – zum Beispiel durch die Sendung von Lebensmitteln, wie Ziba sie gerade mit sich führt. Dann steckte hinter Davids Frage noch eine weitere: »Bringst du mir all dies auf Anweisung deines Herrn – oder ohne sein Wissen, gar gegen seinen Willen?« Ziba beantwortet Davids Frage zunächst nach ihrem Wortsinn: Meribaal »sitzt in Jerusalem«. Das heißt noch nicht viel36: Er könnte wegen seiner Körperbehinderung in der Stadt geblieben sein. Doch dann zeigt Ziba, dass er voll begriffen hat, was David wirklich wissen will. Meribaal, sagt er, hofft vom Aufstand Abschaloms zu profitieren – was heißt: Er steht nicht zu dir, und ich bringe dir all dies aus eigenem Antrieb, nicht weil mein Herr mich dazu angewiesen hat. Das ist ein verbaler Dolchstoß gegen den abwesenden Meribaal. In der Auslegung gehen die Meinungen auseinander, ob Ziba die Wahrheit sagt oder lügt. Die meisten meinen, Letzteres treffe zu und David hätte das sofort bemerken müssen. Denn wie hätte Meribaal ernsthaft meinen sollen, Abschaloms Aufstand könne zum Königtum nicht Abschaloms, sondern Meribaals führen? Andere halten für möglich, dass Meribaal an eine Machtteilung zwischen sich und Abschalom dachte; außerdem sei es immer möglich, dass ein Mensch unrealistische Hoffnungen hege. Nach Stoebe II 377 müsste Meribaal »in hohem Maße weltfremd« gewesen sein, wenn er derlei erwartete. Stolz 258 urteilt: »Zibas Auskunft ist seltsam – und nicht nur historisch, sondern gewiß auch für den damaligen Hörer unglaubwürdig. … Aber David fällt … auf Ziba herein«. Auld 514 nennt Zibas Auskunft schlicht »a lie«, Bodner (Rebellion 71) findet sie »incredible«, Alter 291 redet von »scheme« und von »flatly lying«. Cartun (Topography 26) findet einige »hints in the narrative that Tziva is lying«. Doch auch Gegenstimmen sind zu hören. Laut Tsumura II 243 ist durchaus denkbar, dass Meribaal sich in der derzeitigen chaotischen Situation Hoffnungen machte; doch war es »hardly a practical scenario«, das er sich ausmalte. Schroer 179 erwägt, ebenso wie Halpern (David’s Secret Demons 366), dass Meribaal gedacht haben könnte, Abschalom werde sich mit Juda zufriedengeben und Israel den Sauliden überlassen, die davidische Doppelmonarchie also faktisch wieder aufteilen37. Shepherd (Bloodguilt 153) verweist überdies auf den in 2Sam 9,12 erwähnten Meribaal-Sohn Micha, von dem anzunehmen sei, dass er durchaus »physically able« war, jetzt oder später die Herrschaft zu übernehmen. Eine Mittelposition vertritt Cohen (Rebellions 95): Unabhängig davon, ob Meribaal an die Wiederaufrichtung der Saulidenherrschaft glaube oder 36  Außer dass dies sein Wohnsitz erst nach der Bearbeitung von 2Sam 9 durch den Höfischen Erzähler war, s. oben bei »Ort«. 37  Dagegen wendet Geiger (Mefiboschet 113) ein, dass Meribaal in diesem Fall kaum in Jerusalem geblieben wäre. Hatte er aber schon Zeit, sich nach Norden abzusetzen?

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2Sam 16,1–14 nicht, sei plausibel, dass er sich mit Abschalom zusammentue »for the sake of overthrowing the common foe«.

Was Ziba über Meribaal sagt, ist im Grunde eine Anklage: Er beschuldigt seinen Herrn des Hochverrats. David befindet sich unversehens in der Rolle des königlichen Richters. Als solcher hätte er von Rechts wegen zu untersuchen oder zumindest abzuwägen, ob die Anschuldigung begründet ist – oder eine Verleumdung, aus welcher der Ankläger Vorteile zu ziehen hofft. Andererseits befindet sich David in einer Extremsituation; er ist noch kaum über den Ölberg gekommen, und Abschalom kann jeden Moment in Jerusalem eintreffen. Wie sollte er da die Gelassenheit für eine genaue Prüfung und eine ruhige Abwägung aufbringen? Also urteilt er, blitzschnell und rein impulsiv: Das Erbland der Familie Sauls soll nicht mehr, wie von ihm in 2Sam 9 entschieden, dem anscheinend illoyalen Meribaal gehören, sondern dem loyalen Ziba. Rex locutus, causa finita. Ziba reagiert überschwänglich begeistert: »Ich werfe mich nieder«. (Ob er das nur sagt oder auch tut, bleibt offen.) Betont nennt er David seinen »Herrn König« und unterstreicht damit, dass er »nicht Saul [oder auch Meribaal], sondern David als seinen Herrn begreift und ihn auch auf der Flucht als König ehrt«38. Cartun (Topography) sieht in Zibas Gaben nichts anderes als »a bribe«, eine Bestechung, um in den Besitz von Meribaals Gütern zu kommen (26); »David committed an act of bad judgment« (28). Auch Tushima (Fate) hält Davids Entscheidung für ein klares Fehlurteil; er spricht von »the king’s injustice to Mephibosheth« (227). Es sei »nothing other than pur chicanery« gewesen, was Ziba gegen Meribaal vorbrachte, mit dem klaren Ziel, in den Besitz von dessen »inheritance« zu gelangen (258). Am Ende sagt er zwar lauthals: »Ich werfe mich nieder«, doch »it is more likely that Ziba bowed with his mouth than with his body« (259)39. Außerdem rede er von sich betont in der ersten Person, wo doch im Hofstil die dritte Person angebracht gewesen wäre (259). Ziba, so Tushima, ist ein durch und durch verlogener und dreister Bursche, doch David geht ihm voll auf den Leim! Vorsichtiger urteilt Firth 459: Zwar sei Meribaals spätere Rechtfertigung (2Sam 19,27f) »probably correct«, habe Ziba also vermutlich gelogen, doch lege der Erzähler das eben nicht fest.

Die Episode ist sozialgeschichtlich von einiger Tragweite. Zumindest nach Meinung des Erzählers war der König befugt (oder konnte sich das Recht nehmen!), im Fall von Hochverrat Landbesitz zu enteignen und anderweitig zu vergeben40. Das ist sicher ein schwerwiegen38  Geiger, Mefiboschet 114. 39  Anders Mann (Run, David 103): »Ziba in effect bows«. 40  Das Folgende nach Ben-Barak, Land Grants 84–86. Ähnlich auch Anderson 205.

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der Eingriff in das Gewohnheits- und Sippenrecht Israels. Die Bibel berichtet nicht viele solche Fälle; besonders prominent ist derjenige von Nabots Weinberg in 1Kön 21. So gesehen zeigt David hier tyrannische Züge wie später der übel beleumundete König Ahab. Immerhin hat er es nicht, wie dieser, auf seinen persönlichen Vorteil abgesehen, sondern sorgt »nur« für die Durchsetzung dessen, was er für gerecht hält41. Nur wenig weiter auf dem Weg Richtung Jordan42 trifft David auf 5–6 jemanden, der ihm seine Abneigung und Feindschaft ganz offen zeigt, indem er ihn »beleidigt« und Steine (wohl eher Steinchen) nach ihm wirft43. Der Mann heißt Schimi, was wohl eine Abkürzung ist für »Jhwh hat gehört«44. Sein markanter Auftritt scheint keine reine Privatangelegenheit zu sein, wird er doch außer mit dem Vatersnamen (Gera) betont als Mitglied »der Sippe des Hauses Sauls« vorgestellt, was wohl heißen soll, dass er als deren Vertreter handelt45. Der Mann zeigt ziemlich viel Mut – oder er ist außer sich – oder verrückt; denn auch wenn der König auf der Flucht ist, ist er von Soldaten umgeben46. Doch Schimi lässt sich dadurch nicht beeindrucken: Sollen seine Abscheu gegen David ruhig alle zu spüren und zu hören bekommen47! Meist meint man, Schimi habe David »verflucht«. Laut KAHAL (507) Hat Schimi bedeutet llq im Qal »klein, gering«, auch »schnell« sein, im Pi. »als (zu »geflucht«? leicht, verächtlich) verflucht bezeichnen«. Die letztere Gleichsetzung ist fragwürdig; denn einen anderen »verächtlich machen« heißt nicht automatisch, ihm »fluchen«, d.h. ihm Gott oder den Teufel auf den Hals wünschen. Zwar wird llq zuweilen synonym mit rra, »fluchen« gebraucht (z.B. bei Bileam, vgl. Dtn 23,5; Jos 24,9 mit Num 22,6; 23,7; 24,9), jedoch fehlen dem Verb von Haus aus religiöse Obertöne; es ist vielmehr ein grundsätzlich profaner Terminus. Wo es das nicht sein soll, wird etwa µyhlab (so 1Sam 17,43) oder hwhy µvb (2Kön 2,24) beigefügt. Normalerweise aber ist es im Sinne von »herabsetzen, heruntermachen, beleidigen« zu verstehen. Dies ist das Ergebnis auch zweier Spezialuntersuchungen: 41  Nach Josephus (Ant. 7.206c) war David »ungehalten« über das, was er von Meribaal hörte, und schenkte Ziba Sauls Land, weil dieser es seiner Meinung nach viel eher verdiente als sein treuloser Herr, vgl. Begg, David’s Flight 13. 42  Zur Lage von Bahurim vgl. oben bei »Ort«. 43  Laut Stoebe II 378 ersetzt diese Handlung das wegen zu großer Entfernung nicht mögliche Anspucken. 44  Abzuleiten von [mv, »hören«; vgl. Noth, Personennamen 185. 45  So Bar-Efrat II 165. Diese Einschätzung bestätigt sich in 2Sam 19,17f, wo Schimi als Anführer von eintausend Benjaminitern erscheint. 46  Nach Alter 292 spielt er »a very dangerous game«, nach Rudnig (Davids Thron 205) ist er »in großer Rage«. 47  Bodner (Rebellion 71) redet von einer Frühform des Hooliganismus.

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2Sam 16,1–14 Schottroff (Fluchspruch 29) erklärt: llq, »das im qal ›klein, gering sein‹ … und darum: ›verächtlich sein/werden‹ … heißt, meint im pi. die geringschätzige Behandlung und die schmähende Herabsetzung, durch die ein anderer in seinem Ansehen und in seiner Geltung geschmälert und in seinem Gedeihen und in seiner Kraft gelähmt wird. Diese Weise ›schlechter Rede‹, die das Wesen eines anderen in seiner Integrität zu beeinträchtigen beabsichtigt, es aushöhlen will, findet sich im AT … als Schmähung von Personen, die in ihrer Rechtsstellung hervorgehoben sind«. Keller (llq) führt aus: »Jemanden als ›leicht‹, d. h. verächtlich, geringfügig, unbedeutend erklären, bedeutet nichts anderes als ihn zu einem verächtlichen Menschen machen«. »Obwohl das schmähende Wort an sich schon wirksam ist, treten doch gelegentlich noch das Wort unterstreichende Handlungen hinzu, so z. B. die gewissermaßen magischen Stein- und Erdschollenwürfe« Schimis (643). (h)llq meint die »Schmäh- und Lästerrede, mit welcher ein sich unsicher oder schwach fühlender Mensch sich über einen andern zu erheben sucht«; sie dient als »Ventil für Unmut und Frustration« (644). 7–8

Der Höfische Erzähler48 teilt mit, womit Schimi David beleidigt hat: »Hinaus! Hinaus!«, habe er geschrien – wobei nicht klar ist, ob er meint, dass David jetzt aus Jerusalem »hinaus« musste oder dass er sich bloß nicht nach Bahurim hinein wagen solle49. Weiter: David sei ein »Blutmensch« und »nichtswürdiger Mann«. Was mit »Blutmensch« gemeint ist, wird im nächsten Satz erläutert: Nicht um irgendwelche Bluttaten geht es – etwa den Mord an Urija oder die vielen Toten, die Davids Kriege gekostet haben müssen50 –, sondern einzig um »das Blut des Hauses Sauls«. Schimi bezeichnet David im Blick darauf nicht direkt als »Mörder« (jxr)51, doch macht er ihn verantwortlich dafür, dass viele Mitglieder seiner Sippe tot sind. Manche Exegeten meinen, die Formulierung setze die Massenhinrichtung von Sauliden in 2Sam 21,1–9 voraus, die David nicht direkt angeordnet, aber immerhin zugelassen haben soll; dieser Text sei ursprünglich 2Sam 9 vorausgegangen, sodass die Lesenden ihn bei Schimis Vorwurf sofort assoziierten52. Doch das ist eine unbewiesene Hypothese. Schimis Worte sind hinreichend gedeckt durch die in 2Sam 2 und 4 berichteten Morde an Abner und Eschbaal, dazu möglicherweise noch durch die Berichte vom Schlachtentod Sauls und Jonatans in 1Sam 31 und 2Sam 153. All 48  Siehe oben bei »Ort«. 49  Auf diese doppelte Möglichkeit weist Mann (Run, David 107) hin. Zutreffend ist jedenfalls Fokkelmans Deutung (I 197): »it is his most fervid wish to see David completely disappear«. 50  Gegen Stoebe II 379. 51  Das hebt Anderson 206 hervor. 52  So Stolz 258; Caquot / de Robert 534; VanderKam, Davidic Complicity 537f; McKenzie, Sons of Zeruiah 308. 53  So etwa Fokkelman I 198; Alter 292; Shepherd, Bloodguilt 156.

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diese Todesfälle gehen nicht unmittelbar auf das Konto Davids, geschweige denn, dass er selbst sich mit dem Blut der Genannten besudelt hätte; wohl aber konnte Schimi (wie damals und heute viele andere) meinen, dass David bei alledem seine Hand im Spiel hatte und zumindest mittelbar Schuld daran trug54. Für Schimi liegt Davids Motiv dafür auf der Hand: Er wollte »an Sauls Stelle König werden«; für dieses Ziel ging er über Leichen. Jetzt aber, wo Abschalom ihn entthront hat, bricht sich die göttliche Gerechtigkeit Bahn. Jhwh lenkt das von David an den Sauliden begangene Unrecht auf ihn zurück, indem das Königtum, das David Saul entrissen hat, jetzt wiederum David entrissen wird und an Abschalom fällt. Kurz: Davids Entmachtung ist die gerechte Strafe für seine unrechtmäßige Machtergreifung. Man muss zugeben: Im Rahmen des alttestamentlichen (und gemeinorientalischen) Tun-Ergehen-Denkens ist diese Argumentation von fast zwingender Logik – es sei denn, die Prämissen dieser Rechnung stimmten nicht, indem David gar kein Usurpator wäre und Abschaloms Aufstand nicht eine von Gott verfügte Vergeltung, sondern der Gewaltakt eines machthungrigen Prinzen. Verhielte es sich so, dann wäre nicht das, was David angeblich den Sauliden angetan hat, ein Unrecht, sondern das, was jetzt Abschalom seinem Vater antut – und dieses Unrecht wird sich rächen. On verra. Bächli (Was habe ich mit dir zu schaffen 70f) hört aus Schimis Anklagen einen formal-juridischen Ton heraus. Schimi leite ein »Hochgerichtsverfahren« ein, er lasse in Bahurim »das Tribunal« tagen, das über die Todeswürdigkeit von Davids Verbrechen entscheide. Er selber nehme das Urteil – Hinrichtung, Steinigung – durch sein Steinewerfen bereits vorweg. M.E. ist diese Interpretation überpointiert. Johannes Bugenhagen, der Reformationstheologe, nahm in dem imaginären Prozess klar Partei für den Angeklagten: David habe sich gegenüber den Sauliden überhaupt nichts zuschulden kommen lassen; wenn, dann sei Gott schuld an deren Unglück, sodass Schimi vordergründig David beschimpfe, hintergründig aber Gott55. Nach Grossman (Design 563f) kann die h[r, in der sich David laut Schimi befindet, nicht nur das derzeitige »Unheil« meinen, die Flucht vor Abschalom, sondern auch das von David angerichtete »Böse«; in 2Sam 12,9 werde Davids Tat an Batscheba [r genannt, wofür gemäß 12,11 Jhwh h[r über David bringen will. Diese Verknüpfung hat für sich, dass dort wie hier der Höfische Erzähler redet, jedoch gegen sich, dass Schimi dezidiert von der Verdrängung der Sauliden spricht, nicht von anderen Missetaten Davids, etwa der an Batscheba. 54  Nach Campbell II 151 ist Schimis bitterböse Version des Aufstiegs Davids »a totally different picture from what we might call the authorized Davidic tradition«. Es ist erstaunlich, dass die Bibel auch diese Negativdarstellung bietet! 55  Vgl. Cooper/Lohrmann, Reformation Commentary 226.

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Abischai, der offenbar direkt neben David hergeht, erklärt diesem, was er von Schimi hält und was dieser in seinen Augen verdient: Er ist ein «toter Hund», d.h. ein absolut verabscheuungswürdiges Wesen, ihm gehört der Kopf abgeschlagen56. So kennen wir Abischai – bzw. so porträtiert ihn der Höfische Erzähler wiederholt: als einen Mann, der bereit ist, mit missliebigen Personen kurzen Prozess zu machen57. Als er seinerzeit mit David ins Feldlager Sauls schlich und diesen schlafend fand, wollte er ihn kurzerhand mit einem Spieß »an den Boden nageln« (1Sam 26,8); auch damals hielt David ihn zurück. Abischai ist die verkörperte Gewalt- und Tötungsbereitschaft, gegen die David sich als großmütig und sanftmütig profilieren kann58. Man könnte freilich auch sagen: Abischai, der bewährte Truppenführer59, ist die verkörperte Staatsräson und Königstreue, die ein Verhalten wie dasjenige Schimis keinesfalls durchgehen lassen kann. Selbst die politische Sprache des demokratischen Deutschland kennt den Begriff der »Verfassungsfeindschaft«, gegen welche sich der »Rechtsstaat« zur Wehr setzen müsse. In einer Monarchie muss die öffentliche Anfeindung des Monarchen königstreue Kreise auf den Plan rufen. Nach Josephus60 war nicht nur Abischai über Schimi erzürnt, sondern alle Begleiter Davids – sollten es also auch die Leser sein. Wohin käme ein Staat, der Personen wie Schimi ungestraft an seinen Grundfesten rütteln ließe, und das in einer Situation, in der diese ohnehin bereits wanken? Wenn man schon Abschalom (im Augenblick) nicht Einhalt gebieten kann, so doch diesem absolut unerträglichen Sauliden, dessen Frechheit durch keine Machtmittel gedeckt ist61. Wäre David wirklich der, als den Schimi ihn beschimpft – ein »Blutmensch« –, dann gäbe er Abischai freie Hand. Doch indem er diesen wirklichen »Blutmenschen« zurückhält, straft er Schimi Lügen62. 56  Das von Abischai gebrauchte Adjektiv »tot« nimmt womöglich das in 1Kön 2,46 berichtete Ende Schimis vorweg; so Simpson, Paradigm Shift 61; Riede, David und der Floh 98. Shepherd (Bloodguilt 156f) erkennt in der von Abischai vorgeschlagenen Enthauptung Schimis ein im größeren Kontext immer wiederkehrendes Motiv (vgl. 1Sam 31,9; 2Sam 4,7; 20,22). 57  Brueggemann 307: »Abishai is always ready for a killing«. 58  Vgl. McKenzie, Sons of Zeruiah 293: »they function primarily as a contrast or foil to David«. 59  Vgl. 2Sam 10,10 und dann wieder 18,2; 20,6 60  Ant. 7.208b. 61  In 2Sam 19,18 rückt Schimi mit »1.000 Benjaminitern« an, hier aber scheint er allein zu agieren. 62  Dies heben Mann (Run, David 108f) und McKenzie (Sons of Zeruiah 309) hervor. Literarhistorisch müsste man sagen: Auf diese Weise bedeutet der Höfische Erzähler seiner Leserschaft, dass Schimis Vorwürfe haltlos sind.

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Davids Antwort an Abischai muss in den Ohren aller nicht anarchis- 10–12 tisch gesinnten Menschen unerhört klingen63. In unerwarteter Schärfe fährt er den treuen Gefolgsmann an: »Was habe ich mit dir zu schaffen?«, das heißt: Mit einem wie dir will ich nichts zu tun haben, du bist mir zutiefst wesensfremd64. Sehr bewusst redet David Abischai nicht als Individuum an, sondern als »(einen der) Söhne der Zeruja«65. Zeruja war seine Schwester, deren Söhne, Abischai und Joab (und der inzwischen gefallene Asaël), also seine Neffen. Doch so eng die familiäre Beziehung, so unüberbrückbar die charakterliche Differenz. Die Zerujasöhne sind Männer, denen das Schwert locker sitzt; David lässt es lieber in der Scheide. Natürlich ist es rätselhaft, dass er sich zeitlebens von diesen Zerujasöhnen nicht getrennt, sie nicht ihrer militärischen Führungspositionen enthoben hat. Vielleicht konnte er nicht auf sie verzichten – oder durfte nicht wagen, ernsthaft gegen sie vorzugehen. Oder der Dissens mit ihnen ist eher literarischer als historischer Natur. Doch auch das nur literarische Bild eines zu Gewaltverzicht bereiten Machthabers wäre kostbar. Gerade der David, der sich so verhält wie hier gegenüber Schimi und Abischai, konnte zur biblischen Königsikone werden. Auch in 2Sam 15,25f, in seiner (ebenfalls vom Höfischen Erzähler formulierten!) Rede an die Priester Zadok und Abjatar, hatte er sich ungemein sanft, einsichtsvoll und gottergeben gezeigt. Auch jetzt wieder, gegenüber Abischai, führt er nicht weniger als viermal den Gottesnamen Jhwh im Mund. Zweimal erklärt er es für möglich, dass Schimi seine Beleidigungen von Jhwh eingegeben worden seien. Damit will er wohl nicht sagen, Schimis Anwürfe gegen ihn seien gerechtfertigt66. Gerade darin, dass sie unberechtigt sind, könnte ihr Sinn liegen: Womöglich will Gott David prüfen, indem er ihn nicht nur in Leid stürzt, sondern ihn darin auch noch diffamiert werden lässt67. Kaum etwas ist schmerzhafter für einen Leidenden, als dass ihm gesagt wird, er sei selbst schuld an seinem Leid, er habe es nicht anders verdient. Doch auch auf rein menschlicher Ebene vermag David Schimi zu verstehen68. Dieser ist ein »Benjaminit« (und obendrein Saulide). Der 63  Alter 293 nennt sie »one of the most astonishing turning points in this story«. 64  Die Wendung meint nach McCarter II 374: »What issue or grievance is there between us that you should want to harm me?« Laut McKenzie (Sons of Zeruiah 307) drückt sie »disengagement and sometimes even hostility between parties« aus. 65  Es gibt fünf Belege dieser Wendung: 2Sam 2,18; 3,39; 16,10; 19,23; 1Chr 2,16. Dazu kommt eine Reihe von Stellen, an denen nur Joab oder nur Abischai als »Sohn der Zeruja« (Sing.) tituliert wird. 66  Mit McCarter II 376 gegen VanderKam, Davidic Complicity 536.539. 67  Mann (Run, David 110) geht noch einen Schritt weiter: David erwäge, dass Gott Schimi gesandt habe, damit dieser ihm Unrecht tue und damit ihm dieses Unrecht durch Gutes vergolten werden könne. 68  Nach Brueggemann 308 zeigt Davids Antwort seine »capacity to hold together

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Stamm Benjamin hat seine Vorrangstellung und viele Sauliden haben ihr Leben verloren – erklärt das nicht zur Genüge Schimis Erregung und Wut69? Wenn schon Abschalom, der in Davids Umgebung aufgewachsen ist und dem gegenüber er sich so milde gezeigt hat, ihm nach dem Leben trachtet70 – wie sollte er von Schimi Besseres erwarten? Freilich, auffälligerweise nennt David weder Abschalom noch Schimi mit Namen und gibt damit zu verstehen, dass in seinen Augen nicht sie die eigentlichen Subjekte des Geschehens sind, sondern Gott allein71. Dementsprechend kann einzig Gott das Unheil, das über ihn hereingebrochen ist, wieder zum Guten wenden. Von kaum zu überschätzender Bedeutung ist dabei das Wörtchen »vielleicht« (ylwa): Kein Glaubender, auch David nicht, hat Gott in der Hand. Möglich ist einzig die Hoffnung auf die Güte Gottes, der aber jederzeit in seinem Handeln frei bleibt. Kernstelle hierfür ist Am 5,15: »Vielleicht ist Jhwh Zebaot gnädig dem Rest Josefs«. Dem voran geht die Aufforderung, »das Böse zu hassen und das Gute zu lieben«. Selbst, wenn Israel das tut (was es bisher nicht getan hat!), bleibt Gott frei in seiner Reaktion. Und sollte er sich entscheiden, gnädig zu sein, wird nur noch ein »Rest Josefs« davon profitieren, nicht ganz Israel. Insofern ist das »Vielleicht« Davids ein wenig hoffnungsvoller als dasjenige des Amos. Eine ähnliche Haltung hatte David schon einmal an den Tag gelegt: als er mit Gott um Leben oder Tod des Erstgeborenen Batschebas rang (2Sam 12,22). Damals drang er nicht durch, diesmal schon.

Was David erhofft, ist die ausgleichende Gerechtigkeit Gottes. Dieser werde ihm, der jetzt unter Schimis Anschuldigungen unschuldig leidet, eines Tages vielleicht »Gutes zurückgeben anstelle des Unrechts«. David nimmt zwei zentrale Wörter Schimis auf72: bwv Hif., »zurückgeben«, und tjt, »anstelle von«; Schimi hatte diese Wörter gegen David gerichtet (8), David gibt ihnen einen positiven Gegensinn – bzw. er hofft, dass Gott dies tun werde. Keller (llq 646) versteht Davids Gedankengang so: Jhwh, »absoluter Herr über die Dinge, ist Herr auch über die Schmähworte der Menschen. Er kann Simei veranlassen, den gedemütigten König zu schmähen …, und außerdem das geduldige Ertragen solcher Schmähungen mit Gutem belohnen«. political realism and genuine piety«. Ähnlich Stolz 259: »Neben [der] theologischen Interpretation des Unglücks findet sich der ganz andersartige, auf menschlichem Verstehen basierende Gedanke, daß die Handlungsweise von Sauls Vetter angesichts des Verhaltens Absaloms durchaus begreiflich ist«. 69  Laut Shepherd (Bloodguilt 157f) ist Schimi aufgebracht vor allem über den von David nicht geahndeten Mord an Abner in 2Sam 3. 70  Wie kommt David darauf, woher weiß er es? Ist es »[c]ommonsense conviction«, oder hat er »inside information« (Campbell II 151)? 71  Vgl. Mann, Speech Act Theory 330: »This is a situation between David and Yhwh«. 72  Darauf verweist Simpson, Paradigm Shift 65.

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2Sam 16,1–14 Eine besonders tiefgründige Interpretation des Passus bietet Mann (Speech Act Theory) – freilich unter der problematischen Annahme, llq bedeute »fluchen«: Abischais Frage »Warum flucht dieser Kerl?« war eigentlich eine rhetorische, doch David nimmt sie als echte Frage und gibt eine unerwartete Antwort: Er flucht, weil Jhwh es ihm gesagt hat (329). Wenn aber durch Schimi Jhwh geredet hat, dann, so weiß David, hat man darauf nicht mit Gewalt zu reagieren (330). Der Fluch ist in die Welt gesetzt, und nichts, auch nicht die Tötung des Fluchenden, kann ihn aus der Welt schaffen; die einzige Hoffnung ist: »Yhwh could change his mind« (331). Und dann folgt eine höchst erhellende, zeitgemäße Analogie: Die Situation im Text ist vergleichbar damit, dass ein dir missgünstiger Kollege dir die Botschaft des Managements überbringt: »You’re fired«. Ein Freund bietet dir an, gegen den missliebigen Kollegen vorzugehen (»to punch the coworker«). Du lehnst das ab, weil du weißt, dass die Sache zwischen dir und dem Management entschieden werden muss – und zu deinen Gunsten nur entschieden werden kann, wenn man dort zu der Einsicht gelangt, dass du ein reifer und wertvoller Mitarbeiter bist. Darum hältst du dich zurück. Womöglich hat man jenen Mitarbeiter ja nur geschickt, um dich zu testen … »Perhaps there is a slim chance to save your job after all« (332).

Schimi scheint noch eine ganze Weile neben David hergelaufen zu 13 sein, ehe sich ihre Wege trennten. Infolge der wenig klaren topographischen Angaben sind die Mutmaßungen der Ausleger über den konkreten Hergang vage. Nach Stolz 258 geht Schimi »oben am Abhang eines Bachtales, dem entlang David wandert«, nach Hentschel II 69 »jenseits des Bachtales am Berghang auf halber Höhe«. Bar-Efrat II 166 lässt die Distanz etwas größer erscheinen: »Schimi geht parallel zum König auf der gegenüberliegenden Bergseite«.

Offenbar soll man sich vorstellen, dass der Abstand zwischen beiden Männern so gering ist, dass David hören kann, was Schimi ruft, aber doch groß genug, dass die von Schimi geworfenen Steine ihm nicht gefährlich werden73 und seine Männer den Störenfried nicht ohne Weiteres greifen können. Jetzt allerdings wirft Schimi außer »Steinen« auch noch »Staub«. Das bedeutet wohl nicht, dass er dadurch David unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen hätte74; denn dann müsste die Entfernung sehr gering gewesen sein, und die Soldaten hätten einschreiten müssen. Vermutlich handelt es sich um einen symbolischen Akt. Normalerweise wirft ein Trauernder oder ein sich mit 73  Oder wirft er absichtlich daneben? Das scheint Fokkelman I 202 sich vorzustellen: »The stones he throws do not appear to meet their goal«. 74  Verfehlt ist wohl Riedes Deutung (David und der Floh 99), wonach Schimi David »mit Steinen und Erdklumpen« bewerfe, »so wie man einen wilden, umherstreifenden Hund abwehrt«. Doch wieso »Erdklumpen«? Abischai hatte Schimi einen »Hund« genannt (9), nicht David.

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einem Trauernden Solidarisierender Staub auf sich selbst.75 Der David ergebene Huschai hatte eben dies angesichts des barfuß fliehenden Königs getan76. Schimi hingegen ist nicht traurig und solidarisiert sich nicht mit dem traurigen David, sondern bedeutet diesem, er solle »Staub auf sein Haupt werfen« (bzw. er tut das symbolisch schon für ihn) – will sagen: Es geschieht dir ganz recht, dass du trauerst, ja, ich freue mich darüber77! In dem Gestus drückt sich die hämische Verweigerung von Anteilnahme aus. David geht mit seinen Männern weiter, ohne sich weiter um den lästigen Widersacher zu kümmern78. Das kann man souverän finden, aber auch schmählich; die Erzählung legt sich nicht fest79. Irgendwann lässt Schimi von David ab. Man fühlt sich – zumal nach Abischais Rede – an einen Hofhund erinnert, der einen Vorübergehenden wütend verbellt, dann aber, wenn dieser sein Revier passiert hat, wieder umkehrt und höchstens noch leise knurrt. 14 Der nächste Vers zeigt David weitab von Bahurim und von Schimi. Wo genau er »angekommen« ist, bleibt im M-Text undeutlich. Die obige Übersetzung hat die Wörter »zum Wasser« ergänzt80, womit im Kontext sicher das Wasser des Jordans gemeint ist. An den Jordan als (vorläufiges) Ziel des Marsches denken die meisten, z.B. Stolz 259; Bar-Efrat II 166; Brueggemann 308; Cartun, Topography 29; Firth 460; Fokkelman I 202. McCarter II 369 verweist auf eine Handschrift von GL sowie auf Josephus, die beide den »Jordan« ausdrücklich erwähnen. Unplausibel ist Rudnigs Idee (Davids Thron 211), es gehe um das jenseitige Ufer des Kidron; dieses liegt längst hinter David. Auch Stoebe kann man schwerlich folgen, der meint, die textliche »Unbestimmtheit« sei »beabsichtigt« (II 376), wozu er später erklärt, David sei nunmehr »aus der Zone der Bedrängnis heraus« (II 380); nein, die Gefahr bleibt groß, wenn man allein an Ahitofels Rat denkt, von dem die nächste Perikope berichtet.

Bemerkenswert ist die Mitteilung, David und seine Begleitung seien bei der Ankunft »erschöpft« gewesen. Was soll man von einem Heer halten, das schon vor der Schlacht erschöpft ist81? Andererseits ver75  Vgl. 2Sam 13,19 (Tamar, mit dem Objekt rpa) bzw. Hi 2,12 (die Freunde Hiobs, mit rp[). 76  Vgl. 2Sam 15,32, mit dem Objekt hmda. 77  Olyan (Ritual Innovation 17) spricht von »a creative manipulation of a mourning rite«, aus der Schimi Vorteile zieht: Er kann auf diese Weise »add to David’s humiliation and enhance Shimi’s status if he can get away with this«. 78  Nach Josephus (Ant. 7.210a) nimmt David einfach keine Notiz mehr von Schimi. 79  Erwägenswert ist Shepherds Deutung der Verschonung Schimis: David möchte auf keinen Fall, dass noch mehr saulidisches Blut auf seinem Haus lastet (Bloodguilt 160). 80  Siehe dazu die Textnote 14a. 81  Das betont Brueggemann 309.

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weist die Ausdrucksweise zurück auf den Anfang der Perikope: In 2 hatte Ziba erklärt, der von ihm mitgebrachte Wein sei gedacht für den »in der Wüste Ermüdeten« (π[y); jetzt taucht das gleiche Wort, in Metathesis, wieder auf: David und seine Leute sind »erschöpft« (µypy[). Aus dem Anklang darf man wohl heraushören, dass die fliehende Truppe dank der von Ziba gelieferten Vorräte wieder zu Kräften kommt. Noch hat David nicht verloren! Die Erzählung schildert, wie Vertreter des Hauses Sauls auf das Ziel Unglück reagieren, das David gerade erleidet, und wie wiederum David darauf reagiert. Der direkte Saul-Nachkomme Meribaal hofft – jedenfalls nach der Aussage seines Untergebenen Ziba – nicht darauf, dass David die Herrschaft zurückgewinnt, sondern dass sie ihm, Meribaal, zufällt. Und Schimi drückt dem zur Flucht gezwungenen König nicht seine Anteilnahme aus, sondern Verachtung und grimmiges Einverständnis mit seiner Entmachtung. Die in der vorangegangenen Perikope, 2Sam 15,13–37, erzählte Passionsgeschichte gewinnt damit eine neue Dimension: David muss nicht nur leiden, er muss erleben, dass andere sich über sein Leid freuen oder hoffen, daraus Vorteile zu ziehen. Dass ein ins Wanken geratener Mensch die Missgunst von Mitmenschen erfährt, ist nicht selten. Derlei ereignet sich nicht nur zwischen Königsfamilien, sondern zwischen und in »normalen« Familien, ebenso zwischen rivalisierenden Unternehmen, zwischen gesellschaftlichen Gruppierungen u.a.m. Vor seinem südafrikanischen Erfahrungshintergrund erschließt sich Snyman (David and Shimei) eine ganz spezielle Dimension des Textes. Schimi sei einerseits ganz ohne sein Zutun, einfach als Saulide, gleichsam ein geborener Feind der herrschenden Ordnung. Andererseits lasse er sich auch persönlich mehr oder weniger schwerwiegende Vergehen zuschulden kommen: zuerst die Beschimpfung Davids (2Sam 16), dann die Missachtung des ihm von Salomo auferlegten Hausarrests (1Kön 2). Wenn er am Ende liquidiert werde, dann sei das einerseits »retribution for what he did wrong«, andererseits könne man in ihm ein unschuldiges Opfer sehen, einen »scapegoat«, dessen Tod »might be considered purificatory« (444). Analog dazu gebe es im heutigen Südafrika »a category of sacrificeable beings or entities« – ganz unabhängig von ihrer persönlichen Schuld, allein schon aufgrund der Merkmale »whiteness, maleness and Western culture« (452). Diese Überlegungen sind geeignet, auf Schimi ein milderes Licht fallen zu lassen. Auch Simpson (Paradigm Shift) wertet die üblichen Bewertungen der Hauptfiguren in der Schimi-Episode um, indem er diese »intertextuell« liest. Derjenige, der außer Schimi David »verflucht« (bzw. »beleidigt«) hat, ist Goliat (1Sam 17,43). Damals war David der »underdog«, jetzt ist er »the power figure, though he still reseives the insults«; »ironically« war er es, der damals Steine schleuderte (56). An Schimi lassen sich angeblich geradezu prophetische Züge entdecken: Er redet zu David ganz ähnlich wie Samuel

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2Sam 16,1–14 zu Saul (vgl. 1Sam 15,28), das Werfen von Steinen ist eine Symbolhandlung, wie Propheten sie oft geübt haben, er scheint sich in einer Art prophetischer Ekstase zu befinden. Auch Abischai ist nicht einfach der blutrünstige Haudegen, als den man ihn meist sieht. Seine Rede ist vielmehr »the voice of family honor«. Wann immer er zuschlug – und er tat es oft –, verteidigte er mit »deadly seriousness … the future of the clan«, etwas, was David weniger wichtig war (62). So nun auch gegenüber Schimi, wenn der seinen Onkel, den König, beleidigt. Zugleich tritt Abischai für die Tora ein (genauer: für das Verbot der Fürstenverfluchung in Ex 22,27). Er ist insgesamt »the representative of the old order« (63), wohingegen David eine neue Weltsicht verkörpert. Anders als Abischai fürchtet er den Fluch Schimis nicht, ist vielmehr fähig, als dessen Quelle Jhwh anzusehen – und Jhwh war sein unverbrüchlicher Alliierter. Auch wenn diese Lesart etwas Allegorisches hat, eröffnet sie doch neue, interessante Perspektiven.

Davids Reaktionen auf das Geschehen sind höchst bemerkenswert. Im einen Fall (Ziba und Meribaal) verhält er sich wenig souverän, handelt vielmehr emotional und überstürzt, ist einmal mehr ein fehlbarer Herrscher. Im anderen Fall (Schimi) zeigt er fast übermenschliche Größe. Natürlich könnte er diesem Mann, der ihn öffentlich attackiert und kränkt, den Mund stopfen, er tut es aber nicht. Was hält ihn zurück? Möchte er sich durch ein hartes Vorgehen gegen Schimi nicht noch weitere Feinde machen? Ist sein Gewissen gegenüber den Sauliden doch nicht so rein, wie es die biblische Darstellung haben möchte? Oder hat er zwar in dieser Hinsicht ein gutes Gewissen82, denkt aber, dass es Gott gefalle, ihn nun dieser Prüfung auszusetzen83? Ist womöglich Davids Ergehen Exempel einer göttlichen Pädagogie, die Gläubigen zuweilen klares Unrecht antut und von ihnen verlangt, es auszuhalten84? David (jedenfalls der literarische David) reagiert auf die ungeheure Provokation Schimis ungemein demütig und großmütig. Darin wird er zum Vorbild für alle Menschen, die gehässige Ablehnung erfahren und darauf nur allzu gern mit wütender Vergeltung antworten würden. Doch statt die Vergehen der anderen zu ahnden, sollten sie sich selbst fragen, was Gott ihnen auf diese schmerzhafte Weise möglicherweise sagen will. 82  Alter 293 erwägt, ob ihn nicht ein schlechtes Gewissen wegen Batscheba und Urija, Amnon und Abschalom plagt. Verwunderlich wäre es nicht! 83  Nach McCarter II 374 geht in David (der literarischen Figur!) Folgendes vor sich: Sein gegenwärtiges Ergehen zeigt, dass er unter einem Fluch steht. Das Unheil, das er erlebt, »must reflect the divine will. It is hardly surprising, therefore, that Yahweh should put a curse against David in the mouth of a Benjaminite«. 84  »The suffering of insult is a great part of the injury that Christ suffered and that the true members of Christ must bear« (so laut Cooper/Lohrmann [Reformation Commentary 226] der lutherische Reformationstheologe Johann Arndt [1555–1621]) in Auslegung unserer Stelle; Gott lasse die Seinen Unrecht erleiden, um zu prüfen, ob sie sanft und bescheiden oder stolz und zornmütig seien.

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In der Kunstgeschichte ist die Schimi-Szene immer wieder ins Bild Kunst­geschichte gesetzt worden. Offenbar erschien sie als paradigmatisch für schmerzhafte Erfahrungen, die viele Menschen machten, und für eine Haltung, wie mit ihnen umzugehen sei. In einer Bildzeile der illustrierten Davidgeschichte, die dem sog. »Bamberger Psalmenkommentar« vorgeschaltet ist85, sieht man links das von David verlassene »Syon«, in der Mitte David mit seinem Gefolge, der König nicht verhüllten Hauptes, sondern mit einer schweren Krone, seine Leute eher neugierig als traurig dreinblickend, keine Bewaffneten unter ihnen, rechts Schimi, der mit der Linken Steine in einem Gewandbausch bereithält (aber noch nicht wirft!) und mit der Rechten – im Stil eines neuzeitlichen Demonstranten – David ein Schild mit der Aufschrift entgegenhält: »Exgredere, vir sanguinis, exgredere« (»Geh hinaus, du Mann des Blutes, geh hinaus«). Dazu spitzt er den Mund, sicher um seine Beleidigungen auszustoßen. Die mittelalterlichen Betrachterinnen und Betrachter müssen Schimis Verhalten als einen ungeheuerlichen Affront und Davids Zurückhaltung als äußerst ungewöhnlich empfunden haben.

Bamberger Psalter (12. Jh.): Der David beleidigende Schimi Was mögen die Gründe gewesen sein, dass sich die Barockfürsten von Schloss Eggenberg (bei Graz) gerade die Schimi-Geschichte an die Decke eines Zimmers in der Beletage ihres Schlosses malen ließen86? Der Auftritt 85  Siehe dazu M. Stolz, Sichtweisen des Mittelalters. König David im Bilderzyklus eines Bamberger Psalmenkommentars aus dem 12. Jahrhundert, in: W. Dietrich / H. Herkommer, König David – biblische Schlüsselfigur und europäische Leitgestalt, Fribourg/Stuttgart 2003, 497–530. 86  Vgl. hierzu Kipfer, Der bedrohte David 411–488. Die dort 685–691 präsentierten Abbildungen des gesamten David-Bildprogramms auf Schloss Eggenberg lassen auf den ersten Blick erkennen, dass die Schlossherren diesen biblischen König in erster Linie als gefährdeten Herrscher gesehen haben bzw. sehen wollten – eine Sichtweise, die innerhalb der Wirkungsgeschichte der Davidgestalt eher die Aus-

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2Sam 16,1–14 Schimis nimmt hier durchaus bedrohliche Züge an, während David, umringt von seinen Soldaten, geradezu zum Abbild des sanft leidenden Christus wird87. Es scheint, als komme in der Darstellung zum Ausdruck, dass auch christliche Fürsten jederzeit durch Aufruhr und Widerstand in Gefahr geraten können, dass sie dann jedoch mit dem Einsatz von Gewaltmitteln zurückhaltend sein sollten: wie David, wie auch Christus.

Schloss Eggenberg bei Graz (18. Jh.): Der Steine werfende Schimi Neben der typologisch-christologischen gibt es laut Kipfer (Schimi der »Steine-Werfer«) eine weitere Deutungslinie, welche »das Verhalten Davids als Modell für eine der sieben geistlichen Tugenden, nämlich das ›Verzeihen von Beleidigungen‹« hinstellt (273). Bildbeispiele dafür finden sich in einem Deckengemälde von Isidoro Lozano aus dem 19. Jh. (274) und einer Buchillustration in der »Concordantiae caritas« des Ulrich von Lilienfeld aus dem 14. Jh. (275). Nach Kipfers Meinung hat diese Wirkungsgeschichte zu »voreingenommenen Positionen« in der exegetischen Forschung geführt (276): Allermeist werde David als nur ›gut‹, Schimi als nur ›böse‹ dargestellt. Dabei sei die Verschonung Schimis vielleicht weniger eine »friedfertige Geste« Davids gewesen als vielmehr eine »taktische Entscheidung«, die verhindern sollte, dass sich »weitere Sauliden auf Abschaloms Seite« schlugen (278.289). Das mag man erwägen – der Höfische Erzähler jedenfalls, der diesen Passus nahme darstellt, von der aber Kipfer den Nachweis führt, dass sie auf Eggenberg nicht das erste Mal entwickelt wurde. 87  Tatsächlich ist dem Gemälde ein Lemma folgenden Wortlauts beigegeben: »ONUS MEUM LEVE«, ein Christus-Wort aus Mt 11,30; vgl. Kipfer, Schimi der »Steinewerfer« 272.

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2Sam 16,1–14 weitestgehend formuliert hat, wäre mit dem, was die späteren Künstler seinem Text entnahmen, sicher zufrieden gewesen. Ein zeitgenössisches Bildzeugnis zum Steine werfenden Schimi stammt von Maria Hafner (1923–2018), einer Malerin aus dem Schweizer Kanton Zug. Sie schuf im Jahr 2012 eine neunzehnteilige Bildserie zu König David88, welche »die Facetten seines Charakters und die Phasen seiner Geschichte mit Jahwe, seinem Gott [spiegelt] – ›in Begeisterung, in Freude, aber auch durch Zweifel und eigene Schuld hindurch, bis zu seiner Läuterung‹«89. Das siebzehnte Bild heißt »Flucht« und verbindet die Erzählungen von 2Sam 15 und 2Sam 16. Rechts im Vordergrund sieht man David, der verhüllten Hauptes nach rechts aus dem Bild zu fliehen, links im Hintergrund eine nur angedeutete Gestalt, die große graue Brocken hinter David her zu werfen scheint. Die Künstlerin bemerkt dazu: »Auch durch die Schmähung, die lästernden Worte, hört David die Stimme von seinem Gott, von dessen Erbarmen«.

Maria Hafner, David auf der Flucht (2012)

88  Die Gemälde haben alle das Format 60 x 60 cm. Sie sind abgedruckt in dem 2017 beim Luzerner Rex Verlag erschienenen Buch: Maria Hafner, David. König, Sänger und Prophet. Mit einem Essay von Daniel Schönbächler OSB. 89  So Daniel Schönbächler am Schluss seines »Essays«, offenbar in Aufnahme eines Zitats der Künstlerin. (Das Buch ist nicht paginiert.)

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2Sam 16,15 – 17,23

Abschalom hört auf verhängnisvolle Ratschläge (2Sam 16,15 – 17,23) Literatur

Bar-Efrat, S., Wie die Bibel erzählt. Alttestamentliche Texte als literarische Kunstwerke verstehen, Gütersloh 2006. – Begg, C., Ahithophel versus Hushai according to Josephus: ASEs 22 (2005) 479–500. – Bodner, K., Motives for Defection. Ahithophel’s Agenda in 2 Samuel 15–17: SR 31 (2002) 64–78. – Bodner, K., David Observed. A King in the Eyes of His Court, Sheffield 2005 (Hebrew Bible Monographs 5). – Conroy, C., A Literary Study of 2 Sm 17,1–14, in: V. Collado / E. Zurro (eds.), El misterio de la Palabra, FS Luis Alonso Schökel, Madrid 1983, 177–192. – Dietrich, J., Der Tod von eigener Hand im Alten Testament und im Alten Orient. Eskapistische, aggressive und oblative Selbsttötungen (Teil II), in: A. Berlejung / B. Janowski (Hg.), Tod und Jenseits im alten Israel und in seiner Umwelt. Theologische, religionsgeschichtliche, archäologische und ikonographische Aspekte, 2009 (FAT 64), 177–198. – Dietrich, W., Die Fünfte Kolonne Davids beim Abschalom-Aufstand, in: ders. (Hg.), Seitenblicke. Literarische und historische Studien zu Nebenfiguren im zweiten Samuelbuch, 2011 (OBO 249), 91–120. – Dietrich, W., Israelite State Formation and Early Monarchy in History and Biblical Historiography, in: B.D. Kelle / B.A. Strawn (eds.), The Oxford Handbook of the Historical Books of the Hebrew Bible, Oxford 2020, 94–108. – Donner, H., Der »Freund des Königs«: ZAW 73 (1961) 269–277. – Grossmann, J., The Design of ›Dual Causality‹ Principle in the Narrative of Absalom’s Rebellion: Bib. 88 (2007) 558–566. – Harviainen, T., Hushai the Archite, a Gentile in the King’s Court: StudOr 55:12 (1984) 267– 275. – Hyman, R.T., Power of Persuasion. Judah, Abigail, and Hushai: JBQ 23 (1995) 9–16. – Johnstone, W., Old Testament Technical Expressions in Property Holding: Ug. 6 (1969) 309–317. – Joüon, P., Notes philologiques sur le texte hébreu de 2 Samuel: Bib. 9 (1928) 302–315. – Köhler, L., Ein Fachwort der Graupebereitung?: ZAW 40 (1922) 17–20. – Langlamet, F., Absalom et les concubines de son père. Recherches sur II Sam., XVI, 21–22: RB 84 (1977) 161–209. – Langlamet, F., Ahitofel et Houshaï. Rédaction prosalomonienne en 2 S 15–17?, in: Studies in Bible and the Ancient Near East, FS S.E. Loewenstamm, Jerusalem 1978, 57–90. – Lenzen, V., Selbsttötung in der Bibel. Für eine Ethik der Liebe zu den Leidenden: BiKi 47 (1992) 87–93. – McKane, W., Prophets and Wise Men, London 1983. – Müllner, I., Ahitofel und die Ambivalenz des Ratschlags, in: W. Dietrich (Hg.), Seitenblicke. Literarische und historische Studien zu Nebenfiguren im zweiten Samuelbuch, 2011 (OBO 249), 331–353. – Newkirk, M., Just Deceivers. An Exploration of the Motif of Deception in the Books of Samuel, Eugene, OR 2015. – Park, S.-M.S., The Frustration of Wisdom. Wisdom, Counsel, and Divine Will in 2 Samuel 17:1–23: JBL 128 (2009) 453–467. – Rofé, A., The Methods of Late Biblical Scribes as Evidenced by the Septuagint Compared with Other Textual Witnesses, in: M. Cogan / B.L. Eichler / J.G. Tigay, Tehilla le-Moshe. Biblical and Judaic Studies, FS Moshe Greenberg, Winona Lake, IN 1997, 259–270. – Schill, S., 2 Samuel 17, 3: ZAW 12 (1892) 52. – Schultheß, F., t/pyrI 2 Sam. 17, 19, t/prI Prov. 27,22: ZAW 25 (1905) 357–359. – Shemesh, Y., Suicide in the Bible: JBQ 37 (2009) 157–168. – Stansell, G., Honor and Shame

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2Sam 16,15 – 17,23

2Sam 16,15 – 17,23 in the David Narratives: Semeia 68 (1994) 55–79. – Stone, K., Sexual Practice and the Structure of Prestige. The Case of the Disputed Concubines: SBL. SP 32 (1993) 554–573. – Wagner, V., Beobachtungen am Amt der Ältesten im alttestamentlichen Israel, 1. Teil: Der Ort der Ältesten in den Epochen der Geschichte und in der Gliederung der Gesellschaft: ZAW 114 (2002) 391–411. – Westbrook, A.D., »And He Will Take Your Daughters…«. Woman Story and the Ethical Evaluation of Monarchy in the David Narrative, London 2015 (LHBOTS 610). Siehe auch die Literatur oben zum Einleitungskapitel 2Sam 15--20.

16,15  Und Abschalom und alles (Kriegs-)Volk, die Mannschaft Isra- Text elsa, waren nach Jerusalem hineingekommen und Ahitofel mit ihm. 16 Und es war, als Huschai, der Arkiter und Vertraute Davids, azu  Abschalom hineinkam, und da sagte Huschai zu Abschalom: »Es lebe der König! Es lebe der König!b« 17 Und Abschalom sagte zu Huschai: »Ist das deine Loyalität mit dei nem Vertrauten? Warum bist du nicht mit deinem Vertrauten gegangen?« 18 Und Huschai sagte zu Abschaloma: »Nein! Sondern mit dem, den Jhwh erwählt hat und diesesb Volk und die ganze Mannschaft Israels: Mit ihmc will ich sein, bei ihm will ich bleiben. 19 Und das Zweite: (Vor) wem werde ich dienena? Warum nicht vor seinem Sohnb? Wie ich vor deinem Vater gedient habe, so werde ich vor dirc sein.« 20 Und Abschalom sagte zu Ahitofel: »Gebt ihra einen Rat: Was sollen wir tun?« 21 Und Ahitofel sagte zu Abschalom: »Geh ein zu den Nebenfrauen  deines Vaters, a die er zurückgelassen hat, das Haus zu bewachen. Und ganz Israel wird hören, dass du dich stinkend gemacht hastb  bei deinem Vater, und stark werden die Hände allerc sein, die bei dir sind.« 22 Und man spannte für Abschalom ein Zelt auf dem Dach auf. Und Abschalom ging ein zu dena Nebenfrauen seines Vaters vor  den Augen ganz Israels. 23 Und der Rat Ahitofels, den er in jenera Zeit gabb, war, wie wenn manc nach dem Wortd Gottes fragte. So [viel galt] jeder Rat Ahitofels, David sowohl wie Abschalom. 17,1  Und Ahitofel sagte zu Abschalom: »Ich möchte ‘mir’a gern 12.000b Mann auswählen

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und mich aufmachen und David [noch] in der Nacht nachsetzen.  2 Und ich werde über ihn kommen, und er wird müde sein und schlaffe Hände habena, und ich werde ihn aufschrecken, und fliehen wird das gesamte (Kriegs-)Volk, das bei ihm ist, und ich werde den König ganz allein tötenb.  3 Und ich werde das gesamte (Kriegs-)Volk zu dir zurückbringena.b c‘Während du [nur] einem einzelnen Mann nach dem Leben trachtest’c, dwird das ganze Volk Frieden haben.«  4 Und das Wort war recht in den Augen Abschaloms und in den Augen aaller Ältestena Israels.  5 Und Abschalom sagte: »‘Ruft’a doch auchb nach Huschai, dem Arkiter, und wir wollen hören, was in seinem Mund ist ‘ ’ c.«  6 Und Huschai kam zu Abschalom. Und Abschalom sagte zu ihma Folgendes: »Ungefähr diesb hat  Ahitofel gesagt. c d Sollen wir sein Wort ausführen? Wenn nicht, dann sprich du!d«  7 Und Huschai sagte zu Abschalom: »Nicht gut ist dera Rat, den  Ahitofel diesmal gegeben hat.«  8 Und Huschai sagte: »Du kennst deinen Vater und seine Männera: Sie sind Heldenb! Und erbittert sind sie wie eine der Jungen beraubtec Bärin auf  dem Feld ‘und wie eine wütende Wildsau auf freiem Feld’d. Und dein Vater ist ein Mann des Krieges, und er wird mit dem (Kriegs-)Volk keine Nachtruhe haltene.  9 Siehe, jetzta wird er sich versteckt halten in einer der Schluchtenb  oder an irgendeinem Ort. Und es wird sein, wenn es unter ‘dem (Kriegs-)Volk’c zu Beginn  Gefallene gibt, und dann wird, wer davon hörtd, sagen: ›Es gab ein Massakere unter dem (Kriegs-)Volk, das hinter Abscha lom [geht]!‹ 10 Und ist era auch ein tapferer Mann, der ein Herz hat wie das Herz  eines Löwen – er wird bestimmt schwach werdenb; denn ganz Israel weißc, dass dein Vater ein Held ist, und dass esd tapfere Männer sind, die bei ihm sind. 11 Ich aber ratea: Ganz Israel soll zu dir versammelt werden,

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von Dan bis Beerscheba, so zahlreich wie der Sand am Meerb, und dein Antlitz soll mitten ‘unter ihnen’c gehen. 12 Und wir kommen ‘über’a ihn an irgendeinem Ort, wo er gefunden wirdb, und werden uns auf ihm niederlassenc, wie der Tau auf die Erde fällt. Und wir wollen von ihm und von allen Männern, die bei ihm sind,  auch nicht einen einzigen übriglassend. 13 Und wenn er sich in eine Stadt zurückgezogen hat, und dann wird ganz Israel um diese Stadt Seile legen, und wira schleifen sieb zum Bach hinunter, bis dort nichts, auch kein Steinchenc mehr, zu finden ist.« 14 Und es sagte Abschalom und die ganze Mannschaft Israels: »Besser ist der Rat Huschais, des Arkiters, als der aRat Ahitofels.« Und Jhwh hatte verfügt, dass der gute Rat Ahitofelsb zerbrochen wurde, damit Jhwh cdas Unheil über Abschalom brächte. 15 Und Huschai sagte zu Zadok und zu Abjatar, den Priestern: Das und das hat Ahitofel Abschalom und den Ältesten Israels geraten, und so und soa habe ich geraten. 16 Und nun sendeta eilends und meldet Davidb dies: ›Übernachtec heute Nacht nicht an den Wüstenfurtend, sonderne überquere ‘das Wasser’f unbedingt, damit nicht gverschlungen werde ‘der’ Königg und das ganze  (Kriegs-)Volk, das bei ihm ist.‹« 17 Und Jonatan und Ahimaaz hielten sich bei En-Rogel auf, und die Magd ging jeweilsa und machte ihnen Mitteilung, und sie gingen [dann] und machten dem König David Mitteilung; denn sie konnten [so] nicht gesehen werden, wieb sie in die Stadt kamen. 18 Und es sah sie ein Bursche und meldete es Abschalom. Und die beidena liefen eilends und kamen zum Haus eines Man nes in Bahurimb. c d Und dieser hatte eine Zisterne in seinem Hof, und sie stiegen dort hinein. 19 Und die Frau nahm und breitete aus über der Zisternen-‘Öffnung’a  die Decke und streute auf sie Getreideresteb – und nichts war mehr zu erkennenc. 20 Und die Kriegsknechte Abschaloms kamen zu der Frau ins Haus  und sagten: »Wo sind Ahimaaz und Jonatan?«

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Und die Frau sagte ihnena: »Sie sind ‘eilends’b vorbeigelaufen«c. Und sie suchten. Und sie fanden [sie] nicht, und kehrten zurück nach Jerusalem. 21 Und es war, nachdem sie gegangen waren, und da stiegen sie herauf aus der Zisterne und liefen los und erstatteten dem König David Meldung und sagten ‘ihm’a: »Macht euch auf und überquert eilends das Wasser, denn so hat Ahitofel gegen euch geraten.« 22 Und David machte sich auf und das ganze (Kriegs-)Volka, das bei  ihm war, und sie überschritten den Jordan bis zum Licht des Morgens, bis kein einziger mehr vermisst wurdeb, der den Jordan nicht überschritten hätte. 23 Und Ahitofel hatte gesehen, dass sein Rat nicht ausgeführt wurde. Und er sattelte dena Esel und machte sich auf und ging zu seinem Haus, zu seiner Stadt, und ordnete sein Haus und hängte sich auf und starb. Und er wurde beigesetzt im Grabb seines Vaters. 16,15 16 18

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16,15a M eigentlich: »der Mann Israels«. GL glättet etwas: pa`~ oJ lao;~ ajndrw`n Israhl, »das ganze (Kriegs-)Volk der Männer Israels«, während GA und GBMN stark vereinfachen: pa`~ oJ lao;~ Israhl bzw. pa`~ ajnh;r Israhl, »das ganze Volk Israel« bzw. »jeder Mann Israels«. – 16a GL fügt hinzu: »in die Stadt«. – b In G fehlt diese eindrückliche Wiederholung. McCarter II 380 rechnet mit Dittographie in M, hält aber auch Haplographie in G für möglich. – 18a GL hat nicht den Eigennamen, sondern den Titel: »zum König«. Wäre das ursprünglich, dann hätte der Erzähler gewissermaßen die Seite gewechselt. – b GL schreibt: »und dessen Volk«, also Jhwhs Volk. – c Im Ketib steht hier die Verneinung al. Das Qere, gefolgt von GBLMN, verbessert mit Recht in wl, vgl. etwa Hentschel II 71: »Ich gehöre zu dem, …«. – 19a GL: »Wem werde ich Diener sein?« Joüon (Notes philologiques 312) votiert hier und später im Vers mit Bestimmtheit für die Korrektur von (ynpl/l) db[ in (ynpl) dm[, »stehen (vor)« (im Sinne einer höfischen Redewendung): »Vor wem soll ich stehen? Nicht vor dem Sohn? Wie ich vor deinem Vater gestanden habe, so werde ich vor dir sein«. Das ist wohl elegant, aber keineswegs zwingend. – b Das Suffix ist etwas irritierend. Anscheinend knüpft es über Huschais Antwort wieder an Abschaloms Frage an. Die Peschitta hat einen abweichenden Text, dem hebräisch (taz) ydyb hyht al entspricht (»Das ist nicht in meiner Hand«). War das eine eigene Vorlage, oder hat sich der Übersetzer den schwierigen Text neu zurechtgelegt? – c GL: »mit dir«. – 20a Zur vorliegenden, im Deutschen kaum nachzuahmenden, Verwendung der Präposition l als »lamed revaluationis« vgl. KAHAL 263b: »aktualisie-

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2Sam 16,15 – 17,23 rende Näherbestimmung zum subj. (früher als dativus ethicus gedeutet), oft mit Imperativ«. wbh ist nicht, wie man denken könnte, eine Neben- oder Kurzform von awb Hif., sondern Plural des fixen Imperativs: bh' = »gib!«, vgl. KAHAL 124a. LXX-D 842 möchte verstehen: »Gebt einander Rat« (dovte eJautoi`~ boulhvn); ist es aber eine sachgemäße Vorstellung, dass sich die Berater gegenseitig beraten? – 21a Bis auf GB bieten hier alle LXX-Versionen »sein Haus«. – b So mit M. Demgegenüber bietet G (kat) ῃvscuna~, »du hast beschämt«, hat also tvybh (von vwb) statt tvabn (von vab) gelesen. – c GL: »deine und die Hände aller«. – 22a GL: »zu allen Nebenfrauen«. – 23a G: ejn tai`~ hJmevrai~ tai`~ prwvtai~, »in der ersten Zeit«. Das soll wohl dem Umstand Rechnung tragen, dass Abschalom hernach auf Huschai statt auf Ahitofel hörte; doch passt diese Aussage nicht zu der späteren, dass schon David Ahitofels Rat hochschätzte. – b Die qatal-Form ≈[y ist auffällig. Joosten (Verbal System 221f) führt etwa zwei Dutzend Fälle an, in denen auf diese Weise »authorial comments« angezeigt werden: Der Erzähler tritt aus der Erzählung heraus und erklärt etwas, das für das Verständnis des Erzählten wichtig ist. – c Die Textüberlieferung bietet verschiedene Varianten. Das Qere fügt das unbestimmte Subjekt vya, »man«, ein, was aber nicht nötig ist. Nach GL fragte man nicht nach dem »Wort Gottes«, sondern »befragte Gott« (ejrwta'/ ti~ dia; tou` qeou`, Vorlage: µyhlab lavy), was ursprünglich sein könnte. 17,1a Mit G: ejmautw'/. – b Diese Zahl haben die meisten Textzeugen; GL und Josephus (Ant. 7.215b) sprechen hingegen von 10.000 Mann. – 2a Wörtlich: »schlaff an den Händen«; nach KAHAL 558b bedeutet das soviel wie »verzagt« sein – was im Blick auf das nächstfolgende Verb wohl zu konkret und zu weitgehend ausgedeutet ist. – b Das ist mit »schlagen« natürlich gemeint. – 3a Diese Aussage von M und GBAMN passt zu dem selbstbewussten Stil Ahitofels; nach GL hingegen (ejpistrevyei pa`~ oJ laov~, vgl. auch die Vetus Latina) wird das Volk von sich aus zurückkehren. – b Hier findet sich ein G-Plus: kaqw;~/o}n trovpon ejpistrevfei nuvmfh pro;~ to;n a[ndra aujth`~, »wie eine Braut zurückkehrt zu ihrem Mann«; hebräische Vorlage wohl: bwvk hvya la hlk. Vielleicht lassen sich Bruchstücke davon in M noch erkennen: lkh (»jeder«) anstelle von hlk (»Braut«) und vyah (»der Mann«) anstelle von hvya (»ihr Mann«). Doch bemerken etwa Bar-Efrat II 171 und Kipfer (Der bedrohte David 157) mit Recht, dass so viel Bildhaftigkeit kaum in die Rede Ahitofels passt. McCarter II 381 folgt gleichwohl G. – c–c Nach GL (und ähnlich GBAMN): plh;n yuch;n ajndro;~ eJno;~ su; zhthvsei~. Als hebräische Vorlage lässt sich erschließen: vqbm hta dja vya vpn qr. In M wurde vya vpn qr infolge von Homoioteleuton übersprungen, womit in 3ba ein kaum übersetzbarer Text entstand: »wie die Rückkehr aller der Mann, den du suchst«. Manche Übersetzungen sind in Wahrheit Interpretationen, so die der neuen Zürcher Bibel: »Die Rückkehr aller ist den Mann wert, den du suchst«; oder die von Stoebe II 384: »So viel wie die Rückkehr des Ganzen bedeutet (ja schließlich für dich) der eine Mann, den du suchst«; oder die von Bar-Efrat II 171: »Ich werde das ganze Volk zu dir zurückführen, denn einen Mann suchst du, und dem ganzen Volk wird es wohl ergehen«. Wirklich verständlich wird die Aussage dabei freilich nicht. Mit einer Konjektur versuchte es Schill (2 Samuel 17,3): Statt lkh bwvk solle man twkhm ybwvk lesen und dies verstehen als: »wenn ich vom Erschlagen zurückgekehrt bin des Mannes, den du suchst« (52). Vermutlich haben die M-Tradenten einen Text weitergegeben, den sie selbst nicht wirklich verstanden. Es scheint, als führe die griechische Version näher an einen verstehbaren Ursprungstext heran,

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während M »nur Trümmer dieser Lesart« bietet (Wellhausen, Text 199). – d G (kai; panti; tw/` law/`) scheint lklw anstelle von lk gelesen zu haben. – 4a–a Beide Wörter, lk wie ynqz, fehlen in einzelnen hebräischen Handschriften und rabbinischen Zitaten. Sollte da einmal nur »in den Augen Israels« gestanden haben, oder »in den Augen ganz Israels« bzw. »der Ältesten Israels«? Diese letzte Version wäre akzeptabel, der Wegfall der »Ältesten« hingegen bedeutete einen ernsthaften Verlust. – 5a Der Plural mit G. M hat den Singular; dann redete Abschalom eine bestimmte Ordonnanz an. – b In zwei hebräischen Handschriften und in S fehlt das µg; Mc Carter II 382 folgt dem. – c In M sowie in GBAMN klappt hier noch ein awhAµg, »auch er«, nach. – 6a GL verdeutlicht: »zu Huschai«. – b Wörtlich: »Etwa dieses Wort«. – c Drei Handschriften von GL schreiben: »dieses Wort«. – d–d GL leicht abweichend: h] pw`~ su; levgei~, »oder wie sprichst du?«, das heißt: »Was empfiehlst du?« McCarter II 382 rekonstruiert als hebräische Vorlage: rbdm hta ˚ya µa. – 7a GBAMN schreiben: »dieser Rat«; doch reibt sich das dann für die Vorlage zu erwartende tazh mit dem am Ende des Verses. – 8a Kleines GL-Plus: »die mit ihm sind«. – b G hat statt des Personalpronomens ein sfovdra, »sehr«; hebräisch lässt sich aber dam mit µyrbg nicht verbinden. – c So M und GBAMN (a[rko~ hjteknwmevnh). GL macht daraus »rasende Bärinnen« (a[rkoi paroistrw`sai). LXX-D 843 erwägt, dahinter könne eine Hitp.-Form von [gv, »rasen«, anstelle von lwkv, »kinderlos«, stehen. – d Dies mit einem Plus in GB: kai; wJ~ u|~ tracei`a ejn tw/` pedivw/. Nach McCarter II 382, demzufolge in M eine Haplographie unterlief (hdcb – hdcb), wäre die hebräische Vorlage hswkr hryzjkw. Freilich ist ein Adjektiv swkr sonst nicht belegt; es gibt nur das Verb skr, »anbinden«, von dem hier dann ein Part. pass. anzunehmen wäre, vgl. KAHAL 548b. Wellhausen (Text 200) riet davon ab, »beide Vergleiche zusammen für ursprünglich zu halten«; Homer habe Bärin und Sau parallelisieren können, nicht aber ein Israelit, dem beim Schwein »nur die Eigenschaft der Unreinheit in den Sinn kam«. Eben dies könnte laut Rofé (Methods 264) der Grund dafür gewesen sein, dass ein »late Jewish copist« diesen in seinen Augen für David unehrenhaften Vergleich wegließ; Rofés Rückübersetzung lautet: tp[wz hryzjkw – und ein Verb I π[z, »toben, wüten«, gibt es, vgl. KAHAL 147a; hier wäre davon das Part. fem. sing. gebildet, das so sonst nicht belegt ist. – e Man könnte ˜yly auch als Hif. auffassen: »er wird dem (Kriegs-)Volk keine Nachtruhe gönnen«. – 9a Zu ht[ fehlt in zwei Handschriften von GL und in der Vetus Latina eine Entsprechung. – b So M und GLMN. Nach GBA hätte David sich möglicherweise auf einen »Hügel« (bounov~) zurückgezogen. Beim anschließenden Nomen µwqm, »Ort«, steht in M irrtümlich das maskuline Adjektiv dja, doch bieten laut BHS viele Handschriften das erwartbare Femininum tja. – c So GL (laov~). Bei M weiß man nicht recht, wer mit »(unter) ihnen« gemeint sein sollte. – d Wörtlich: »Und hören wird es der Hörende«. – e So mit Bar-Efrat II 173. – 10a Am Satzanfang hat GL kai; e[stai; das setzt hyhw anstelle von awhw voraus. – b So M und GBAMN. GL noch stärker: qrauomevnh qrausqhvsetai, »wird sicher zerschmettert werden«. – c Das Partizip zeigt an, dass Israel nicht nur jetzt weiß, sondern immer schon gewusst hat, wie tapfer David ist; die Abfolge Verb – Subjekt gibt dem noch eine zusätzliche »stative nuance« (Joosten, Verbal System 92). – d GLMN fügen ein: »alle«. – 11a Diese Wiedergabe des Sätzchens mit Bar-Efrat II 174. Die qatal-Form nennt Tsumura (II 252) ein »performatives Perfekt«, das nicht vergangenheitlich zu übersetzen ist. Das in M einleitende yk deutet G als »so« (ou{tw~ in GLMN bzw. o{ti ou{tw~ in GBA). GLMN haben am

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2Sam 16,15 – 17,23 Ende des Sätzchens noch ein betontes ejgwv, in GB ausgeweitet zu sumbouleuvwn ejgw; sunebouvleusa, was hebräisch ykna + Part. vorauszusetzen scheint: »Ich selber möchte raten«. Die hebräische Vorlage von GB lautete nach McCarter II 382 ytx[y ykna ≈[y hk yk, nach Wellhausen (Text 200) ytx[y ≈[y hk yk; diesem zufolge wurde in M verkürzt: »Nach yk fiel hk aus und ≈[y vor x[y« (gemeint ist ytx[y). – b Einige M-Handschriften schreiben formelhaft: »am Ufer des Meers«. – c So GBAMN: ejn mevsw/ aujtw`n (GL: eij~ mevson aujtw`n). Das suffixlose brqb, »im Innern«, von M ergibt kaum einen Sinn. Harviainen (Hushai 269f) sucht den Ausdruck als Aramaismus und inhaltlich als »in person« zu verstehen; es handle sich womöglich um eine altertümliche Lesart. – 12a GLAM setzen mit ejp’ aujtovn wyl[ voraus, während M wyla (und entsprechend GB pro;~ aujtovn), »zu ihm«, hat. – b So M (die Verbform verstanden als 3. Pers. masc. sing. qatal von axm Nif., wörtlich: »wo er gefunden worden ist«). G hingegen scheint die Form als 1. Pers. comm. pl. jiqtol Qal und dazu die suffigierte Akk.-Partikel wta gelesen bzw. ergänzt zu haben: ou} eja;n (bzw. a]n) eu{rwmen aujtovn, »wo wir ihn finden werden«. – c wnjnw ist kaum die abgekürzte Form des Personalpronomens »wir«, sondern eine Verbform, wahrscheinlich 1. comm. pl. weqatal Qal von jwn, »sich niederlassen, Rast machen«; von der Form her weniger wahrscheinlich ist eine Ableitung von hnj, »sich neigen, Lager beziehen«. Der Sinn wäre beide Male der gleiche: Das aufgebotene Massenheer wird sich über Davids Schlupfwinkel herabsenken und alles dort erdrücken. In GBAMN ist das verstanden: kai; parembalou`men ejp’ aujtovn, »wir werden uns über ihm lagern«. GL scheint freier zu deuten: kai; ejkqambhvsomen aujtovn, »und wir werden ihn überraschen«. – d Die Verbform ist doppeldeutig; sie kann 3. Pers. masc. sing. qatal von rty Nif. sein (»es soll kein einziger übriggelassen werden«) oder 1. Pers. comm. pl. jiqtol von rty Hif. Oben wurde zugunsten der zweiten Möglichkeit entschieden, erstens, weil eine qatal-Form hier wenig passend erscheint, zweitens, weil Verben in 1. Pers. comm. vorangehen. Damit aber handelt es sich hier um einen verneinten Volitiv. Ein solcher würde eigentlich die Verneinung la erwarten lassen, nicht al. Doch »the jussive (never the cohortative) turns up a few times with the particle alø« (Joosten, Verbal System 341). – 13a GL hat hier eine 3. Pers. pl. (ejpispavsontai, »sie werden [herunter]reißen«). – b Die »Stadt« (ry[) wird in M einmal als Femininum (ayhh), einmal als Maskulinum (wta) behandelt; manche hebräische Handschriften vereinheitlichen nach hierhin oder dorthin. HALAT 776b spricht von »d. f. pl. µyrI[«; , Ges.-K. von »einer Erschlaffung in der Differenzierung der Geschlechter« (§ 135o) und speziell von »Ansätze[n] zur Verdrängung der Femininformen durch die entsprechenden Maskulinformen« (§ 110k). Mittelhebräisch gibt es noch den Plural t/ry:[!} Kaum soll in M, wie Caquot / de Robert 538, Stoebe II 385 und Hentschel II 73 meinen, David das Objekt des »Hinunterschleifens« sein. – c GL hat hier überraschenderweise sustrofhv, was normalerweise »Ansammlung« bedeutet (wohl zurückzuführen auf I rrx, »zusammengedrängt sein«); laut LXX-D 843 ist dabei an »Aufruhr« gedacht, der erstickt werden soll. – 14a GB erweitert wenig sachgemäß zu: »der gute Rat Ahitofels«. – b GL und Vetus Latina fügen hinzu: »und der Rat Abschaloms«; doch Abschalom hat nicht beraten, sondern sich beraten lassen. – c GBA: »all das Unheil«. – 15a GL lässt hier, anders als im Vordersatz, das zweite ou{tw~ weg, also nur: »und so habe ich geraten«. – 16a Zu wjlv fehlt in GL ein Äquivalent; dort sollen die Priester »eilends melden«. – b GL und Vetus Latina: »dem König (David)«. – c GL schreibt hier mh; poreuvou, »geh nicht!«; vgl. eine

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2Sam 16,15 – 17,23 Vetus Latina-Handschrift mit nolite ire. Offenbar wurde ˜ltAla in ˚ltAla verlesen (oder, so LXX-D 843, war in der Vorlage »verschrieben«). – d GL hat twbr[, »Furten«, offenbar irrtümlich von br[, »Abend«, hergeleitet und mit kata; dusmav~ übersetzt, »nach Westen« (woran dann seltsam th`~ ejrhvmou, »der Wüste«, anschließt). – e Wörtlich: »und auch«, GL-Handschriften nur: »und« (kaiv) bzw. »sondern« (ajllav); GBAMN haben kaiv ge, typisch für die Kaige-Rezension (Kim, Textformen 158f). – f Dies mit GL (ta; u{data < µymh [ta]). GBA schreiben diabaivnwn speu`son (< rhm rb[), »überschreite eilends«. – g–g Die Verbform [Lb' uy“ ist verschieden erklärt worden. Am nächsten liegt die Herleitung von dem relativ häufigen Verb I [lb (»verschlingen«, im Pu. »verschlungen werden«), das heißt: David droht Gefahr. Das unterstellen HAHAT und die meisten Kommentare. Freilich stört dabei die anschließende Präposition l – wie kann »dem König verschlungen werden«? Es nützt nichts, wenn Wellhausen (Text 200) dekretiert: »˚lml ist Objekt zu [lby«. Angesichts der Schwierigkeit schlagen HALAT und KAHAL die Herleitung der Verbform von II [lb (»mitteilen«, im Pu. »mitgeteilt werden«) vor; hier passt das nachfolgende l, doch erstens ist dieses Verb äußerst selten, zweitens muss man dann annehmen, mit »dem König« sei Abschalom gemeint, und drittens bleibt unklar, was diesem gemeldet werden könnte. Der Aporie entgeht man am besten mit Hilfe von G. Dort wird durch die Wiedergabe mit katapivnw klar die Bedeutung »verschlucken, verschlingen« vorausgesetzt; des Näheren geht GL von einer passiven Verbform und einem Nominativ aus (mhv pote katapoqῇ oJ basileuv~, »damit nicht verschlungen werde der König«; dem ist oben gefolgt), GAMN hingegen von einem Akkusativ nach einer aktiven Verbform (o{pw~ mh; katapivῃ to;n basileva, »damit man den König nicht verschlinge«), während GB schreibt: mhv pote katapeivsh/ to;n basileva, »damit man den König nicht überzeuge«. McCarter II 388 meint ein arabisches Verb balaǵa beiziehen zu können, das »refers to exertion«; man habe zu übersetzen: »or else disaster will befall the king«; auch das ergibt guten 17 Sinn. – 17a Hier und im Folgenden signalisieren die weqatal-Formen den Iterativ (Tsumura II 254: »frequentative«). Daraus ergeben sich inhaltliche Schwierigkeiten, s. weiter bei »Wort«. – b M wörtlich: »sie konnten nicht gesehen werden zu kommen in die Stadt«. Die nicht ganz einfache Syntax suchten die G-Übersetzer unterschiedlich zu bewältigen: GL mit Hilfe einer Kopula (kai; eijselqei`n, »sie konnten nicht gesehen werden und [nicht] hineinkommen«), die übrigen durch einen nicht sehr eleganten, aber M nachempfundenen substantivierten Infinitiv (tou` eijselqei`n, wörtlich: »sie konn18 ten nicht gesehen werden des Hineinkommens«). – 18a Für µhynv fehlt in GL ein Äquivalent. – b GL hat einen anderen Ortsnamen: Baiqcorrwn, gestützt von zwei Vetus Latina-Handschriften mit Bethoron. Doch Bet-Horon liegt westlich von Jerusalem, nicht Richtung Jordan. – c rab bedeutet »Wasserstelle, Grundwasserbrunnen« (KAHAL 56a). Die Wiedergabe in G mit lavkko~ führt zu der im vorliegenden Fall wohl zutreffenden Bedeutung »Grube, Zisterne«; denn in Altisrael hatte kaum jemand auf dem eigenen Grundstück einen Brunnen mit fließendem Wasser – der ja auch als Versteck wenig geeignet gewesen wäre. – d Die Übersetzer von G scheinen das Suffix nicht 19 vorgefunden zu haben. – 19a M und GBAMN schreiben wörtlich: »über dem Antlitz des Brunnens / der Zisterne«, was immer man sich darunter vorstellen mag. GL indes bietet eine Alternative: Anstelle von ynp fand dieser Übersetzer offenbar yp vor und gab dies mit ejpi; tou` stovmato~ wieder; der »Mund« bzw. die (oft sehr kleine) »Öffnung« einer Zisterne ist gut vorstellbar. –

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2Sam 16,15 – 17,23 b KAHAL 546a gibt für twpyr die Bedeutung »Gerstengraupe« an. Das entspricht der Wiedergabe der Vulgata: quasi siccans ptisanas, »wie um Gerstenschrot zu trocknen«. Köhler (Fachwort) denkt, dass man in dem fraglichen Begriff »eine Beimengung zu der Körnerfrucht erblicken muß, die man in der Stampfe zu Graupe stampfte. Diese Beimengung dient der Erhöhung der Reibung …, sie wird nach beendetem Stampfen durch Aussieben entfernt« (19). Demnach ginge es nicht um die Graupe selbst, sondern um »einen feinen und scharfen Sand« (20), der zu ihrer Gewinnung eingesetzt und hier von der Frau über die Plane gestreut wurde. Ist das aber eine gute Tarnung? Schultheß (t/pyrI 357f) macht sich zunutze, dass der Begriff in Spr 27,22 noch einmal vorkommt und dort etwas wie Metallsplitter meint. Das Gemeinsame sei, dass es sich um Abfallprodukte handelt, »das, was beim Zermalmen oder Zerbröckeln abfällt« (358). Bauern hätten solche GetreideMahlreste vielleicht zum Trocknen ausgelegt: etwa auf Planen über Brunnenöffnungen. Dieser Mutmaßung folgt die obige Übersetzung, ohne dass hier völlige Sicherheit erreicht werden könnte. Der in M dem Wort vorangestellte Artikel kann vernachlässigt werden, zumal GL hier palavqa~ (ohne Artikel), d.h. »Feigenkuchen«, bietet – was in der Sache vermutlich geraten ist; die anderen griechischen Übersetzungen transkribieren das hebräische Wort nur: ajrafwvq o.ä. – c Wörtlich: »Und nicht mehr wurde erkannt eine Sache.« – 20a: GL ausführlicher: »sagte zu den Männern«. – b So mit GL (speuvdonte~; hebr. Vorlage laut McCarter II 383: µylhbm, entstanden aus dem von ihm als ursprünglich rekonstruierten µymh lbym). Nach M und GBAMN sagt die Frau, die beiden seien »an der Wasserstelle vorbeigelaufen«. (Alter 300 redet von einem »water reservoir«.) Aber warum sollte sie ohne Not auf das Versteck hinweisen, dessen Zugang sie ja sorgfältig getarnt hat? Tsumura II 254 meint aufgrund eines angeblich verwandten arabischen Wortes, dass »the term mîkal probably has something to do with the riverbank«. McCarter II 383 meint µymh lbym verstehen zu können als »in the direction of the watercourse«, also Bach- oder Wadi-abwärts, das heißt: ebenfalls in Richtung Jordan. Ungefähr dies mögen sich die Tradenten von M gedacht haben. – c Laut Josephus (Ant. 7.226) sagte sie noch, die Häscher würden sich, wenn sie sich nur beeilten, die Gesuchten sicher noch zu fassen bekommen; mit Recht meint McCarter II 384, das sei hergeleitet aus Jos 2,5. – 21a So mit GLMN und Vetus Latina. Die anderen Textzeugen wiederholen den Namen: »zu David«. – 22a GL: »alle, die mit ihm waren«. – b GL weicht ab: e{w~ tou` mh; ajpokalufqh`nai to;n lovgon; LXX-D übersetzt: »bis nichts mehr zu bemerken war« und ergänzt »als zurückgeblieben«; wo aber bleibt dann oJ lovgo~, »das Wort«? Es dürfte sich doch um eine Textverderbnis handeln. – 23a G: »seinen Esel«. – b Diese Lesart wird gestützt von 4QSama. GLA hingegen lassen Ahitofel »im Haus seines Vaters« begraben werden.

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Szenenfolge Form Hatten die beiden vorangehenden Perikopen, 2Sam 15,13–37 und Aufbau 16,1–14, von David und seinen Erlebnissen auf der Flucht von Jerusalem zum Jordan erzählt, so schwenkt der Erzählfokus jetzt zurück nach Jerusalem, zu Abschalom, der mittlerweile in der Residenzstadt eingetroffen und faktisch an die Stelle seines Vaters getreten ist. Man sieht ihn einen Kriegsrat darüber abhalten, wie mit dem vom Thron

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verdrängten, aber noch nicht endgültig besiegten (früheren) König am besten zu verfahren ist. Der erste Vers, 16,15, liefert die Exposition: Abschalom ist mit den aufständischen Truppen und dem Chefberater Ahitofel in Jerusalem eingetroffen. Die erste Szene, 16,16–19, zeigt, wie Davids Beauftragter Huschai sich das Vertrauen Abschaloms erschleicht. In der zweiten Szene, 16,20–23, hört man, wie Ahitofel Abschalom rät, den Harem Davids, soweit dieser ihn zurückgelassen hat, in Besitz zu nehmen, und man sieht, wie Abschalom diesen Rat befolgt. Der Erzähler erklärt dazu, Ratschläge dieses Mannes hätten so viel gegolten wie das Wort Gottes selber. In der dritten Szene, 17,1–4, gibt Ahitofel einen weiteren Rat, diesmal David persönlich betreffend: Er möchte diesem mit einer ausgewählten Streitmacht sofort nachsetzen, ihn von den ihn begleitenden Truppen isolieren und töten. »Abschalom und die Ältesten Israels« finden diesen Vorschlag gut. In der vierten Szene, 17,5–14, entwickelt Huschai, aufgefordert von Abschalom, einen Gegenvorschlag: Ahitofel verkenne die militärischen Fähigkeiten Davids und seiner Leute; besser führe man zuerst eine Generalmobilmachung durch, um dann mit überwältigender Heeresmacht über David und seine Getreuen herzufallen und sie zu vernichten, egal, wo sie sich aufhielten. Diesem Plan stimmen »Abschalom und die ganze Mannschaft Israels« zu. Kein anderer als Jhwh, teilt der Erzähler mit, habe die Dinge in dieser Weise zu Ungunsten Abschaloms gelenkt. Die fünfte Szene, 17,15–21, berichtet, wie die Priestersöhne Ahimaaz und Jonatan Nachrichten über die neueste Entwicklung zu David bringen sollen, um ein Haar von Abschaloms Leuten gefasst werden, dann aber doch entkommen und David informieren. Die Schlussverse, 17,22–23, bringen einen doppelten Ausklang: Einerseits bringt sich David samt seinen Leuten über den Jordan in Sicherheit, andererseits zieht Ahitofel aus seinem Scheitern die Konsequenz und nimmt sich das Leben. Dialoge

Dialogführung Den Kern der Perikope bilden ein Zwiegespräch zwischen Abschalom und Huschai in 16,16–19 und ein Dreiergespräch zwischen Abschalom, Ahitofel und Huschai in (16,20 +) 17,1–141. 1  Die Hauptakteure sind nicht allein, sondern jeweils umgeben von einem Hofbzw. Kriegsrat; er verbirgt sich in dem »wir« Abschaloms in 16,20 und tritt in 17,4 und 17,14 offen in Erscheinung.

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Der erste Dialog wird eröffnet nicht vom Höher-, sondern vom Nied132 eine Ovation entgegenbringt: riggestellten, der freilich dem Höheren »Es lebe der König, es lebe der König!« Abschalom reagiert mit einer PDF 11: S. 132/1 doppelten kritischen Frage: A Ist das deine Loyalität mit deinem Vertrauten? B Warum bist du nicht mit deinem Vertrauten gegangen?

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Huschai beantwortet die beiden Fragen in umgekehrter ReihenPDF 12: S. 132/2 folge, was die chiastische Struktur A – B – B’ – A’ ergibt: B’ Mit dem, den Jhwh erwählt hat, will ich sein (deshalb bin ich nicht mit David gegangen). A’ Wie ich deinem Vater gedient habe, so jetzt dir (das heißt: Ich habe meine Loyalität gewechselt).

Mit dieser Replik behält Huschai, der das erste Wort hatte, auch das letzte. Er ist in diesem Dialog die führende Person. Er wickelt, salopp gesagt, Abschalom um den Finger. Das Dreiergespräch wird (wenn dieser Zusammenzug erlaubt ist, s. bei »Ort«) von Abschalom eröffnet: »Gebt ihr einen Rat: Was sollen wir tun?« (16,20) Daraufhin äußert sich zuerst Ahitofel (17,1–3), dann Huschai (17,7–13). Darin spiegelt sich eine Rangordnung: Ahitofel ist der arrivierte Berater, der als erster das Wort ergreift und mit diesem auch Zuspruch findet (17,4). Aus nicht genannten Gründen will Abschalom dann aber noch Huschais Meinung hören (17,5f). Dieser widerspricht Ahitofel so behutsam wie entschieden (17,7), um dann zu einer Rede auszuholen, die etwa dreimal so lang ist wie die seines Kontrahenten2. Sie besteht aus zwei etwa gleich langen Teilen (8–10 und 11–13)3. Am Ende des Rededuells finden »Abschalom und die ganze Mannschaft Israels« den Plan Huschais »besser« als denjenigen Ahitofels (17,14a). Die Reden beider Berater folgen einem chiastischen Aufbau. Der »BeraterAhitofels Argumente ordnen sich nach dem bekannten Muster Auf- wettstreit« bruch – Schlacht – Rückkehr:

2  Die Verse 8–13 enthalten 129 Wörter, 1–3 dagegen 42. Dass der Umfang von Huschais Rede sich auch sekundärer Auffüllung verdankt, steht auf einem anderen Blatt; s. unten bei »Ort«. 3  Fokkelman I 215 zählt 65 Wörter für 8–10 und 62 für 11–13. Er charakterisiert die beiden Teile als »a sharp contrast. One is catastrophic concerning Ahithophel’s plan and represents David as being strong, while the other … is anastrophic and represents Absalom as being strong«.

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PDF 13: S. 133/1

2Sam 16,15 – 17,23 A Ich will David mit 12.000 Soldaten nachsetzen (17,1) B Ich werde ihn überraschen, seine Leute werden fliehen, ich werde ihn töten (17,2) A’ Ich werde das Kriegsvolk verlustfrei zurückbringen (17,3)

Huschais Rede bietet, nach einer 133ersten wirkungsvollen Ablehnung von Ahitofels Vorschlag (7), zwei chiastisch gegliederte Argumentationen4. In der ersten erklärt er,14: warum die von Ahitofel vorgesehene PDF S. 133/2 Taktik fehlschlagen wird: A Dein Vater und seine Männer sind Helden (17,8) B Deine Truppen werden Verluste erleiden und in Panik geraten 133 (17,9) A’ Dein Vater ist ein Held und seine Männer ungemein tapfer (17,10) PDF 15: S. 133/3

In der zweiten entwickelt Huschai einen alternativen Vorschlag:

A Ganz Israel soll sich zu dir versammeln (17,11) B Wir werden uns auf David niedersenken wie Tau (17,12) A’ Ganz Israel wird eine Stadt, in der er sich verschanzt, zu Tal schleifen (17,13)

Abschließend wird erklärt, es sei Jhwh gewesen, der Ahitofels »guten Rat zerbrochen« habe, womit der Leserschaft bedeutet wird: Eigentlich war Ahitofels Plan der bessere (nämlich für Abschalom), doch hielten infolge des Einwirkens Gottes Abschalom und seine Leute Huschais Rat für »besser« (was er aber nur für David war). Das ironische Spiel mit dem Adjektiv bwf, »gut«, wird mit dem Gegenbegriff h[r, »Schlechtes, Unheil«, abgeschlossen: Statt des »Guten«, das Abschalom erfahren hätte, wäre er dem Rat Ahitofels gefolgt, kommt, weil er denjenigen Huschais »besser« findet, »Unheil« über ihn. Die Reden der beiden Berater in 17,1–14 verdienen im Blick auf die in ihnen verwendete Psychologie und Rhetorik nähere Betrachtung5. Ahitofel spricht schnörkellos, militärisch knapp. Seine Darlegungen haben etwas Drängendes, was sich an knappen Sätzen und vielen Verben der Bewegung zeigt. Signifikant ist die Zeitangabe »noch in dieser Nacht«. Ein schneller, kurzer Kriegszug soll es werden. Siebenmal spricht Ahitofel von sich in der 1. Person: Ich möchte – ich werde. Er übernimmt die volle Verantwortung, er garantiert für den Erfolg. 4  Vgl. hierzu Kipfer, Der bedrohte David 160f. 5  Vorerst geht es um die durchgehenden Linien; eine Einzelversbetrachtung folgt dann bei »Wort«. Zwei prominente Autoren haben sich ausführlich zur literarischen Gestaltung des Abschnitts geäußert: Bar-Efrat, Wie die Bibel erzählt 242– 255, und Conroy, Literary Study 177–192. Die folgenden Ausführungen verdanken ihnen vieles.

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Von David redet er nicht viel, und wo doch, da in ziemlich abschätzigem Ton: Er ist »müde«, seine Hände sind »schlaff«. Davids Leute erscheinen nur als ihren Herrn im Stich Lassende. Noch ist David »König« – bemerkenswert, wo dies doch jetzt Abschalom sein möchte –, doch wird er demnächst tot sein: liquidiert von Ahitofel persönlich. Abschalom muss sich gar nicht persönlich in Gefahr begeben, er kann in Jerusalem bleiben und darauf warten, dass Ahitofel ihm »das ganze Kriegsvolk zurückbringt«6. Es gibt keinen langwierigen, blutigen Bürgerkrieg. Wenn nur David mit einem raschen, scharfen Schnitt entfernt wird, hat der Volkskörper nicht zu leiden. Alle – Abschaloms wie Davids Anhänger – werden »Frieden« haben. Mit dieser Aussicht endet Ahitofels Rede. Kein Wunder, dass »Abschalom und die Ältesten« ihr zustimmen. Doch gibt es noch einen Gegenredner. Huschai redet viel ausführlicher als Ahitofel7. Schon das entspricht Huschais seinem heimlichen Ziel: dem in Eile geflüchteten David Zeit zu ver- Redekunst schaffen8 – Zeit, die ihm Ahitofel nicht lassen will. Huschai eröffnet seinen Auftritt mit einem Donnerschlag, indem er den von Abschalom und den Ältesten soeben akzeptierten Ratschlag Ahitofels für »nicht gut« erklärt. Das ist kühn (und überdies falsch), und Huschai ist klug genug, die Fähigkeiten des Chefberaters nicht generell in Abrede zu stellen, nein, nur »diesmal« sei er unter seinen Möglichkeiten geblieben. Er selbst redet dann nicht kurz und trocken wie Ahitofel, sondern in großen Worten und starken Bildern. Er scheut sich nicht vor Wiederholungen, unterstreicht bestimmte Aussagen dadurch, dass er sie, in leicht variierendem Wortlaut, doppelt und dreifach bringt. Er ist ein Meister persuasiver Rhetorik, ihm steht das Wort geradezu im Übermaß zur Verfügung. Dabei redet er nicht, wie Ahitofel, unentwegt von sich selbst und seinen Absichten, sondern bezieht sich wiederholt ausdrücklich auf Abschalom (17,8.11)9 und spricht mehrfach von einem »Wir«, das ihn mit Abschalom und der Armee zusammenschließt (17,12.13)10. »Ich« sagt er nur einmal: »Ich rate« (17,11) – weiter will er, anders als Ahitofel, nichts tun. Im ersten Teil seiner Rede versucht er, die Ideen Ahitofels als unrealistisch, 6  Deutet sich darin an, dass er Abschalom nicht sehr viel zutraut? So sieht es Bodner, Motives 70. 7  Er hält die längste Rede in der gesamten Erzählung von Abschaloms Aufstand. 8  Vgl. Kipfer, Der bedrohte David 159: Huschais »Verzögerungstaktik zeigt sich bereits in der Länge seiner Rede«. 9  Nach Conroy (Literary Study 184) nennt Huschai David mehrfach Abschaloms »Vater«, um ihn auf »the enormity of patricide« hinzuweisen. 10  Conroy (Literary Study 186) bemerkt, dass er den Namen seines Kontrahenten nach 17,7 nicht mehr in den Mund nimmt. Bis heute gilt es in politischen Kreisen als besonders wirkungsvoll, Gegner zu attackieren, ohne sie beim Namen zu nennen.

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David als enorm gefährlich und seine rasche Verfolgung als höchst riskant hinzustellen. Jedermann wisse, dass David und seine Leute ungemein tapfer seien (»Helden«) und im Augenblick auch noch hoch gereizt (»wie eine Bärin«, »wie eine wütende Wildsau«). Sicher seien sie nicht so töricht, sich des Abends zur Ruhe zu legen und einfach so überfallen zu lassen. Sie würden stattdessen eine Gegenattacke führen, woraufhin die überraschten Angreifer in Panik davonliefen. So werde aus einem vermeintlich einfachen und schnellen Feldzug ein vollkommenes Desaster. Damit jagt Huschai Abschalom und seinen Gefolgsleuten gehörige Angst ein; er setzt darauf, dass seine Zuhörer noch immer gewaltigen Respekt vor David haben. Jetzt ist der Boden bereitet für den zweiten Teil seiner Rede, in dem er einen Alternativplan zu dem Ahitofels entwickelt. Er gaukelt seinem Publikum vor, mit einem riesigen Heer lasse sich ein leichter Sieg erringen, egal, wie tapfer David und seine Mannen sind. Das Ziel, das er vor Augen malt, ist weit umfassender als das Ahitofels. Er will nicht nur David auslöschen – ihn natürlich auch –, sondern mit ihm seine gesamte Anhängerschaft. Schlug Ahitofel eine kleine Operation vor, so Huschai eine große Amputation. Was er nicht sagt: Das wird einen gewaltigen Blutzoll fordern, und zwar auf beiden Seiten. Denn David wird, wenn man ihm die Zeit dazu lässt, seine Armee reorganisieren und den Entscheidungskampf gut vorbereiten. Huschais Plan ist also viel riskanter als der Ahitofels, doch das vernebelt er hinter einem Wortschwall. Er wechselt von Tierbildern, die er im ersten Teil seiner Rede gebraucht hat, zu Bildern aus der nichtbelebten Natur (Sand, Tau) – was den Effekt noch größerer Unwiderleglichkeit hat. Was immer David tut, nichts kann ihn retten11. Hält er sich weiterhin versteckt, wird die ausschwärmende Volksarmee ihn »finden« und sich wie Tau auf ihn »niederlassen«; ein wirklicher Kampf wird nicht nötig sein, die schiere Masse der Soldaten wird allen Widerstand ersticken. Sollte er sich in einer Stadt verschanzen – laut 2Sam 20,6 eine der größten Sorgen im Kampf gegen Aufständische12 –, dann käme es nicht etwa zu einer langen, verlustreichen Belagerung, sondern das Riesenheer Abschaloms würde die Stadt einfach mit Seilen ins Tal schleifen (was freilich noch keiner Armee gelungen ist!). Derart grandiose Aussichten lassen das Herz Abschaloms und seiner Leute höher schlagen – zu hoch, wie sich herausstellen wird. Huschai hat mit seinem rhetorischen Geschick seinen Zuhörern alle Unsicherheit und Angst genommen und ihnen ein 11  Vgl. Conroy, Literary Study 189: »wherever he [David] goes he is doomed, Absalom will win a glorious and total victory«. 12  Dass die Stadt befestigt sein könnte, erwähnt Huschai, anders als David in 20,6, lieber nicht.

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ungeheures Überlegenheitsgefühl eingehaucht13. So ist es nachvollziehbar, dass der Kriegsrat seinem Vorschlag den Vorzug gibt; derjenige Ahitofels wirkt ja in der von Huschai vermittelten Optik viel riskanter …14 Die Auslegung hat Huschais Redekunst intensiv untersucht. Nach Park (Frustration 455) war die geschickte sprachliche Verkleidung der Grund dafür, dass Huschais Rat demjenigen Ahitofels vorgezogen wurde: »the form of Hushai’s advice was responsible for its adoption over Ahithophel’s ›wiser‹ yet more sparsely worded counsel. Hushai’s counsel was more persuasive because of the association between form and content, between heightened speech and the semblance of wisdom. Hushai’s counsel, though ulitmately harmful to Absalom, sounded wiser than Ahithophel’s truly wise advice because it was put into a ›wise‹ form. The form of his speech thus worked to make the content sound more sagacious, thereby leading to its adoption«. Laut Hyman (Power of Persuasion 13) »Hushai employs colorful and easily understood language with methaphors and similes based on common animals, nature, and everyday life«. Aus den Reden Huschais, Judas (Gen 44,18–34) und Abigajils (1Sam 25,24–31) ließen sich fünf »guidelines« einer hebräischen Rhetoriklehre erheben (13–16): 1. Lege einen einleuchtenden Plan vor! 2. Vermeide den Eindruck von Selbstgefälligkeit! 3. Stell dich nicht gegen die Realität, akzeptiere die Fakten! 4. Schaffe eine enge Beziehung zu deinem Adressaten! 5. Achte auf eine geschliffene Sprache, d.h. verwende z.B. Bilder, Vergleiche, Alliterationen, Leitwörter, Wortspiele. Nach Campbell II 153 weckt Huschais Vorschlag »two emotions: fear and pride«. Firth 464f bemerkt recht kritisch, dass »Hushai offers bluster, but little strategy«; seine Rede sei »full of rhetoric but lacking military substance«, sie werde »progressively more bombastic« (468). Scheinbar kritisch äußert sich auch Newkirk (Just Deceivers 137): »The tactics Hushai used to deceive Absalom were lies, rhetoric, and possibly ambiguity«; doch am Ende werde all dies in 17,14b als gottgewollt gerechtfertigt (139)15. Brueggemann 312 formuliert plastisch: »The contrast could not be more clear: the simple, quick plan of Ahithophel versus the slow, grandiose strategy of Hushai«. Und dann folgt ein für diesen (US-amerikanischen) Kommentator typischer Gegenwartsbezug: »We have learned recently ourselves, … that grand strategies like mining harbors, fencing whole countries, and defoliating whole forests have a certain mesmerizing attraction in wartime«. Dies ist nach dem Vietnamkrieg geschrieben und vor dem Irak-, dem Afghanistanund dem Ukraine-Krieg.

13  Conroy (Literary Study 188) bezeichnet es als seine Taktik, »the emotions of the hearers« anzusprechen »while leaving the mind and judgment untouched«. Sie sollen aus einem Bauchgefühl entscheiden, nicht mit dem Kopf. 14  Nach Fokkelman I 220 bringt der Erzähler das Kunststück fertig, beides glaubhaft zu machen: dass Huschais Rat für Abschalom schlecht war, dass dieser ihn jedoch besser finden konnte als den Ahitofels. 15  Weiteres dazu unten bei »Ziel«.

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Charakterzeichnung Abschalom ist in dieser Perikope nicht, wie man denken sollte, die Haupt-, sondern eher eine Nebenfigur16. Er wirkt nicht gerade dumm, aber auch nicht besonders klug. Misstrauisch empfängt er Huschai, stellt ihm verfängliche Fragen, belässt ihn aber, ungeachtet seiner zweideutigen Antworten, in seiner nächsten Umgebung (16,16–19). Den ersten, höchst problematischen Ratschlag Ahitofels befolgt er ohne Zögern, dabei das Bild eines rücksichtslos Machtwilligen und sexistischen Machos abgebend (16,20–22). Ahitofels zweiten Rat findet er ebenfalls »recht«. Doch dann holt er von Huschai noch eine »Zweitmeinung« ein – was man vernünftig finden, aber auch als Unsicherheit deuten kann. Huschais Vorschlag, der Abschalom Sieg und Leben kosten wird, erscheint ihm als »besser« als derjenige Ahitofels. Damit ist er, noch vor dem ersten Schwertstreich, auf der Verliererstraße. David hingegen macht keinen Fehler. Er hat vorher die Fäden so gezogen, dass sich die Dinge zu seinen Gunsten wenden. Jetzt hat er nicht mehr viel zu entscheiden. Entweder er hört auf die Warnung Huschais, die ihn über die Priester und deren Söhne erreicht, oder er schlägt sie in den Wind. Mit der zweiten Option hätte er vermutlich sein Schicksal besiegelt, doch durch die Flucht über den Jordan rettet er nicht nur sein Leben. Er gewinnt auch Zeit, seine Truppen zu organisieren, und Gelegenheit, Ort und Zeitpunkt der bevorstehenden Schlacht zu bestimmen. (Der Kampf wird in einem Gelände stattfinden, in dem numerische Überlegenheit nicht viel zählt.) Ahitofel erweist sich als ein überaus professioneller Königsberater. Er »spricht« (rma: 16,21; 17,1; rbd: 17,6) und »berät« (≈[y: 16,23; 17,7.15.21), er hat seinen »Rat« zu geben und gibt ihn (hx[: 16,20.23; 17,7.14.23). Er ist der master mind hinter den Politikern und Militärs. Mit unverhohlenem Respekt teilt der Erzähler mit, sein Rat habe seinerzeit so viel gegolten wie das Wort Gottes. Heutige Lesende wird es irritieren, dass das erste Exempel seiner Beratungskunst ausgerechnet der Vorschlag ist, Abschalom solle von Davids Nebenfrauen sexuellen Besitz ergreifen. Immerhin versucht die Erzählung, hinter dieser Handlung eine halbwegs rationale Logik zu finden: Durch sie sei jede Möglichkeit einer Wiederversöhnung von Vater und Sohn verbaut – was tatsächlich kaum zu bestreiten ist17. Insgeheim aber erfüllt sich in Abschaloms fragwürdiger Tat die Strafansage Natans gegen David 16  So mit Recht Firth 464. 17  Josephus (Ant. 7,213b) unterstreicht diesen Zweck der Handlung nachdrücklich: Die Israeliten hätten bis dahin keine offen feindselige Haltung gegen David eingenommen, weil sie mit der Möglichkeit einer plötzlichen Aussöhnung mit Abschalom rechneten, die sie selbst ins Unrecht gesetzt hätte.

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(2Sam 12,11f). Ahitofels zweiter, kriegerischer Rat zeichnet sich inhaltlich wie sprachlich durch große Konsequenz und Klarheit aus18. Man mag es etwas befremdlich finden, dass er sich persönlich als Truppenführer anbietet (17,1–3), doch warum sollte ein überlegen kluger Mann nicht auch einmal zur wohlüberlegten Tat schreiten? Die Leserschaft ahnt, dass es um David, hätte Ahitofel freie Hand bekommen, geschehen gewesen wäre. Als der Berater aber erkennen muss, dass man seinen Vorschlag nicht befolgt und David sich in Sicherheit gebracht hat, gibt er seine (und Abschaloms) Sache umgehend verloren und scheidet aus dem Leben (17,23). Sein Suizid wird ohne (Ab-)Wertung oder Häme erzählt19. Eher erschrocken sehen die Lesenden eine glänzende Karriere schaurig enden. Huschai kann intellektuell und rhetorisch mit Ahitofel mithalten, nur ist er viel durchtriebener und skrupelloser als dieser. Mit zwei wohlgesetzten, unehrlich-schmeichelhaften Reden zieht er den neuen Möchtegern-König über den Tisch und in den Abgrund. Doch gerade in solcher Gerissenheit und Gewissenlosigkeit zeigt er höchste Treue gegen seinen wahren Herrn, David. Für diesen spielt er ein äußerst gewagtes Spiel; seine Enttarnung hätte ihn den Kopf gekostet. Die Erzählung ist so angelegt, dass man ihn bestaunt für sein Geschick und seinen Wagemut, dass man zuerst um ihn zittert und am Ende mit ihm triumphiert. Dabei würde seine Rede von Leuten, die bei klarem Verstand sind, als aufgeplustert und wirklichkeitsfern durchschaut20; doch dank seinem psychologischen Geschick und seiner Redekunst kommen Zweifel nicht auf. Auch hat er ja Gott auf seiner Seite, der es »angeordnet« hat, dass sein Ratschlag sich gegen den Ahitofels durchsetzt (17,14b). Die Priester und noch mehr ihre Söhne riskieren ebenfalls für David Kopf und Kragen, doch auch ihnen gelingt es, unentdeckt zu bleiben. Die beiden jungen Männer verdanken ihr Leben weniger sich selbst als der Hilfsbereitschaft und Kaltblütigkeit einer namenlosen Frau in dem Dorf Bahurim21 – eben dem Ort, in dem der erbitterte Davidfeind Schimi wohnt (vgl. 16,5). Schon dieser Umstand zeigt, an welch dün18  Vgl. Fokkelman I 221: »Ahithophel has spoken very pertinently, he required no manipulations, metaphors or other rhetorical artifices and pyrotechnics«. 19  Schon das Urteil »he descends to the grave as a bitter man« (Bodner, Motives 74) geht zu weit. 20  Fokkelman I 222 spricht im Blick etwa auf 17,13 von »hot air«. 21  Josephus (Ant. 7.226) gibt ihr mehr Stimme und Gewicht als der biblische Bericht. Er lässt sie den Häschern Abschaloms antworten: Ja, sie habe die Gesuchten tatsächlich gesehen, sie hätten sogar in ihrem Haus etwas getrunken, doch dann seien sie eilends davongegangen; wenn ihre Verfolger sich beeilten, würden sie sie bestimmt noch zu fassen bekommen. So kühn lügt die Frau, um die in ihrer Zisterne versteckten Priestersöhne zu schützen.

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nem seidenen Faden ihr eigenes Geschick, das ihrer Schützlinge und letztlich auch dasjenige Davids hing. Es sei in diesem Zusammenhang auch der ebenfalls namenlosen Magd gedacht, welche die geheimen Botschaften von den Priestern zu deren Söhnen brachte. Zwei Frauen aus dem »einfachen Volk« entscheiden hier (mit) über die Geschicke des Staates und seiner höchsten Repräsentanten. All diese wundersamen Fäden laufen zusammen in der Hand eines Akteurs, der nicht selbst die Erzählbühne betritt, der aber die Schritte und die Worte derer lenkt, die auf ihr agieren. Jhwh sei es gewesen, heißt es in 17,14b, der bewirkte, dass Abschalom ins Verderben lief und David gerettet wurde. Diese theologische Deutung ist bemerkenswert, wo doch das Handlungsgeflecht, welches die menschlichen Akteure aufziehen, derart dicht und plausibel ist, dass es die »Hypothese Gott« eigentlich nicht brauchte. Nicht Blitz und Donner, keine überirdischen Erscheinungen, keine Zauberei, schlicht die Handlungen von Menschen sind es, durch die Gott das Geschehen in die von ihm vorgesehene Richtung steuert. Aufgeklärt ist diese Sicht – und gläubig in einem. (Und überaus parteilich obendrein, doch das ist fast unvermeidlich, wenn Gott derart tief in irdisches Geschehen gezogen wird.) Ort

Die Perikope zeigt in sich und auch im größeren Kontext einige Unstimmigkeiten, die auf die Beteiligung von mehr als einer Hand an der Textentstehung schließen lassen. –  In 15,34 gab es eine Instruktion Davids an Huschai, was er vor Abschalom sagen solle: »Dein Diener, o König, will ich sein … Der Diener deines Vaters war ich früher, und jetzt bin ich dein Diener«. Eben dies sagt Huschai jetzt auch – aber erst in einer zweiten Hälfte seiner Selbstpräsentation vor Abschalom, eingeleitet mit »Und [jetzt] das Zweite« (16,19). Ursprünglich war dies das Erste (und Einzige), was Huschai auf Abschaloms Frage nach der »Loyalität« mit seinem »Vertrauten« David geantwortet hat: Ja, bisher habe ich ihm gedient, jetzt aber diene ich dir. Und im Grunde genügt das ja auch. Jetzt aber sagt Huschai noch einiges mehr: »Es lebe der König!«, ruft er eingangs gleich zweimal. Und dann wird er fromm und patriotisch: Wen »Jhwh erwählt hat und dieses Volk, bei dem will ich bleiben«. Beide Äußerungen haben etwas gemeinsam: Sie sind zweideutig. Huschai sagt nicht, wer für ihn »der König« ist und wer von Jhwh und dem Volk »erwählt« ist. Natürlich legt die Situation nahe und denkt gewiss auch der Angeredete, Abschalom sei gemeint – Huschai selbst aber und die Leserschaft können meinen, er denke an David. In diesem Fall spielt Huschai perfekt den Abtrünnigen und setzt seine Worte listig so, dass man merkt: Er ist es nicht! Er ist ein als Schaf verkleideter davidischer Wolf in Abschaloms Herde.

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–  In 16,20 knistert eine offensichtliche Spannung: Abschalom fordert Ahitofel auf: »Gebt ihr einen Rat!« Es kann wohl nur eines ursprünglich sein: entweder »Ahitofel« oder die pluralische Anrede22. Aller Wahrscheinlichkeit nach trifft Letzteres zu, sprach Abschalom ursprünglich also eine Mehrzahl von Beratern an (mindestens Ahitofel und Huschai), wollte ein Späterer jedoch allein Ahitofel angeredet sehen. Sein Motiv wird sogleich sichtbar: In der Folge gibt nur Ahitofel einen Rat, nämlich den zur Inbesitznahme der Haremsdamen (16,21f)23. Diese Aufforderung – und dass ihr Folge geleistet wurde – muss schon die Erstleserschaft so seltsam gefunden haben, dass eigens eine Begründung eingeschoben wurde: Ratschläge Ahitofels galten damals so viel wie Gottesworte. Dabei steht Ahitofels erster Rat in klarem Widerspruch zu seinem zweiten, sofort die Verfolgung Davids aufzunehmen24, was den Zuhörenden auch unmittelbar einleuchtet (17,1–4). Danach dann, in 17,5f, muss Huschai eigens wieder herbeigerufen und von Abschalom über den Inhalt des (zweiten) Rates Ahitofels aufgeklärt werden. Es ist mit Händen zu greifen, dass ursprünglich beide Berater vor Abschalom standen und der eine die Rede des anderen mit anhörte. Durch die Einschiebung der Nebenfrauen-Episode wird die Szene auseinandergerissen, Huschai gibt seinen Kriegsrat erst nach längerer Zeit, und jetzt ist er nicht mehr selbstverständlich dabei. –  In 17,7 und 17,8 heißt es zweimal kurz nacheinander: »Und Huschai sagte«. Die unnötige zweite Redeeinleitung verrät, dass der Passus 17,8–10 nachgetragen ist. Huschai gibt hier eine Begründung für seine negative Beurteilung von Ahitofels (zweitem) Rat – und er 22  Vergeblich sucht Firth die Spannung zu entschärfen: »Absalom addresses Ahithophel in the pl., perhaps seeing his representing a group of counsellors« (463). Auch Aulds Auskunft (520), Abschalom rede von sich im »royal plural« und übertrage dies auf Ahitofel, wirkt gesucht. 23  An den einschlägigen Textstellen (2Sam 12,12; 15,16) hat sich bereits gezeigt, dass dieser gesamte Erzählzug innerhalb der Daviderzählung sekundär, präziser: vom Höfischen Erzähler, eingefügt ist. McCarter II 385 widerspricht: Die Nebenfrauenszene sei nicht sekundär: »there is nothing foolish about the advice given in 16:21–22«. Doch selbst, wenn man diesem Rat einen vernünftigen Sinn abgewinnen kann (s. bei »Wort«), ist er nicht ursprünglich. 24  Diesen Widerspruch sehen die meisten. Kipfer allerdings (Der bedrohte David 158) versucht eine Harmonisierung: Die beiden Aktionen – die Inbesitznahme des Harems durch Abschalom und die Verfolgung Davids durch Ahitofel – könnten gleichzeitig stattfinden. Doch wären dann, wie Kipfer selbst feststellt, bei »ganz Israel«, das der Aktion auf dem Palastdach zusieht, die 12.000 Mann nicht dabei, die mit Ahitofel mitziehen. Zudem fänden beide Aktionen wohl in der Nacht statt (vgl. 17,1: »noch in der Nacht«), was dem Spektakel auf dem Palastdach das Demonstrative nähme und überdies der Vorhersage in 2Sam 12,11 (»vor den Augen dieser Sonne«) widerspräche.

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tut es wieder in jener zweideutigen Weise wie bei seiner Selbstvorstellung vor Abschalom in 16,18. Er schildert nämlich die kriegerische Tüchtigkeit Davids und das daraus resultierende Risiko eines überstürzten Angriffs so, dass der Respekt vor und die Sympathie mit seinem »Vertrauten« mit Händen zu greifen ist. Wäre Abschalom weniger von sich eingenommen und hörte die feinen Untertöne: Er ahnte, für wen das Herz dieses angeblichen Überläufers immer noch schlägt. Huschai indes muss so hart am Wind segeln, bis knapp vor dem Kentern, damit Abschalom und seine Leute Ahitofels Rat nicht befolgen. Doch Huschais Position ist auch ohne dieses gewagte Manöver verständlich und schlüssig: Ahitofels Vorschlag eines raschen Überfalls ist nicht gut (17,7), besser ist es, David mit der ganzen Heeresmacht Israels zu begegnen (17,11–13). Diese ursprüngliche Rede Huschais ist ungefähr gleich lang wie diejenige Ahitofels25. –  Völlig aus dem Erzählrahmen fällt das theologische Urteil in 17,14b – so wie die theologischen Urteile in 2Sam 11,27b und 12,25* aus dem dortigen Erzählrahmen fielen. Sie wurden an Ort und Stelle als leserlenkende Zugaben des Höfischen Erzählers identifiziert – und genau dies ist auch hier anzunehmen. Hinter dem Geschehen, wird uns bedeutet, wirkte Jhwh, der David retten und »Unheil über Abschalom« bringen wollte und deshalb den »guten Rat Ahitofels zerbrechen« ließ: genau wie David es von ihm erbeten (»Vereitle bitte den Rat Ahitofels!«, 2Sam 15,31) und wie dieser es Huschai aufgetragen hatte (»Du wirst mir den Rat Ahitofels zerbrechen«, 15,34). Auch dort hat man es mit Zusätzen des Höfischen Erzählers zu tun, wobei in 15,34 sogar das gleiche Verb benutzt wird wie in 17,14: rrp Hif., »zerbrechen«. Nachdem sie 17,14b zur Kenntnis genommen haben, müssen die Lesenden eigentlich um David und seine Sache nicht mehr fürchten. Doch in 17,15–22 geht die Erzählung äußerst spannend weiter. Man merkt: Alles hängt davon ab, dass die Nachrichten über den Kriegsrat möglichst rasch zu David gelangen und dieser richtig reagiert. Wären die Boten, die beiden Priestersöhne, abgefangen worden oder hätte David die von ihnen übermittelte Warnung in den Wind geschlagen: Die Sache hätte für ihn einen schlimmen Ausgang genommen – dabei ist nach 17,14b klar, dass ein solcher Ausgang gar nicht mehr in Frage kommt. Unverkennbar wird hier ein Ende vorweggenommen, das an diesem Punkt der Erzählung noch gar nicht erreicht ist. Man hat es also mit einem sekundär eingesetzten Urteil zu tun. 25  Das Urteil Kipfers (Der bedrohte David 162): »Beide Redeteile sind so aufeinander aufgebaut und eng miteinander verzahnt, dass es keinen Grund gibt, sie literarkritisch voneinander zu scheiden« trifft nicht zu.

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2Sam 16,15 – 17,23 Für Irritationen sorgt in der Forschung noch eine weitere scheinbare Unstimmigkeit: Laut 17,4 war »in den Augen Abschaloms und der Ältesten Israels« der Rat Ahitofels »recht«, laut 17,14a hielten »Abschalom und die ganze Mannschaft Israels« denjenigen Huschais für »besser«. Könnte dieses zweite Urteil nicht zusammen mit 17,14b nachgetragen sein? Dies scheint sich zu bestätigen, wenn bei der Nachrichtenübermittlung an David einmal mit zwei Ratschlägen an Abschalom gerechnet wird: demjenigen Ahitofels und dem Huschais (17,15), einmal aber nur mit demjenigen Ahitofels (17,21). Literarkritisch arbeitende Exegeten26 stellten daraufhin die These auf, der gesamte Ratschlag Huschais sei gegenüber demjenigen Ahitofels sekundär. Von daher erkläre sich auch der dringende Ton in der Mitteilung an David, er solle sofort den Jordan überqueren (17,16.21); denn Eile sei nur geboten, wenn Ahitofels Rat angenommen wurde (17,4), nicht Huschais (17,14a). Doch diese Anstöße können auch anders als literarkritisch gelöst werden. Hebräische Erzähler wiederholen direkte Reden oft nicht im Wortlaut, sondern kürzen sie im Wiederholungsfall ab, um die Leserschaft nicht zu langweilen. Und Huschai könnte fürchten, dass Abschalom sich wieder umbesinnt und sich gegen seinen und für Ahitofels Plan entscheidet, deshalb drängt er auf Eile.

Es scheint, als ließen sich die bezeichneten Sachverhalte durch die Annahme zweier Textschichten erklären. Der Anfang (16,15) und der Schluss (17,15–23) gehören ungeteilt zur Grundschicht, doch im Mittelteil, beim eigentlichen Wettkampf der Berater (16,16 – 17,14), hat sich darüber eine jüngere Schicht gelegt. Diese zeigt einen über den konkreten Erzählzusammenhang deutlich hinausweisenden Horizont: Die Nebenfrauen-Episode (16,21f) ist in 2Sam 12,11f vorbereitet worden, und der erste Teil der Huschai-Rede (17,8–10) setzt das kriegerische Davidbild der zweiten Hälfte des 1. Samuelbuches voraus. Nach den im vorliegenden Kommentar entwickelten Grundlinien dürfte der ältere Text zur Amnon-Abschalom-Novelle gehören (in der nachfolgenden Textwiedergabe in Normalschrift), die Zusätze zum Höfischen Erzählwerk (in Kursivschrift)27. (16,16) Und es war, als Huschai, der Arkiter und Vertraute Davids, zu Abschalom hineinkam, und da sagte Huschai zu Abschalom: »Es lebe der König! Es lebe der König!« (17) Und Abschalom sagte zu Huschai: »Ist das deine Loyalität mit deinem Vertrauten? Warum bist du nicht mit deinem Vertrauten gegangen?« (18) Und Huschai sagte zu Abschalom: »Nein! Sondern mit dem, den Jhwh erwählt hat und dieses Volk und die ganze Mannschaft Israels: Mit ihm will ich sein, bei ihm will ich bleiben.(19) Und das Zweite: (Vor) wem werde ich dienen? Warum nicht vor seinem Sohn? Wie ich vor deinem Vater gedient habe, so werde ich vor dir sein.« (20) Und Abschalom sagte zu Ahitofel: »Gebt ihr einen Rat: Was sollen wir tun?« (21) Und Ahitofel sagte zu Abschalom: »Geh ein zu den Nebenfrauen deines Vaters, die er zurückgelassen hat, 26  Insbesondere Würthwein, s. unten S. 148. 27  Vgl. die literarkritische Skizze in Dietrich, Davids Fünfte Kolonne 108f.113.

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2Sam 16,15 – 17,23 das Haus zu bewachen. Und ganz Israel wird hören, dass du dich stinkend gemacht hast bei deinem Vater, und stark werden die Hände aller sein, die bei dir sind.« (22) Und man spannte für Abschalom ein Zelt auf dem Dach auf. Und Abschalom ging ein zu den Nebenfrauen seines Vaters vor den Augen ganz Israels. (23) Und der Rat Ahitofels, den er in jener Zeit gab, war, wie wenn man nach dem Wort Gottes fragte. So viel galt jeder Rat Ahitofels, David sowohl wie Abschalom. (17,1) Und Ahitofel sagte zu Abschalom: »Ich möchte mir gern 12.000 Mann auswählen und mich aufmachen und David noch in der Nacht nachsetzen. (2) Und ich werde über ihn kommen, und er wird müde sein und schlaffe Hände haben, und ich werde ihn aufschrecken, und fliehen wird das gesamte (Kriegs-)Volk, das bei ihm ist, und ich werde den König ganz allein töten. (3) Und ich werde das gesamte (Kriegs-)Volk zu dir zurückbringen. Während du nur einem einzelnen Mann nach dem Leben trachtest, wird das ganze Volk Frieden haben.« (4) Und das Wort war recht in den Augen Abschaloms und in den Augen aller Ältesten Israels. (5) Und Abschalom sagte: »Ruft doch auch nach Huschai, dem Arkiter, und wir wollen hören, was in seinem Mund ist .« (6) Und Huschai kam zu Abschalom. Und Abschalom sagte zu ihm Folgendes: Ungefähr dies hat Ahitofel gesagt. Sollen wir sein Wort ausführen? Wenn nicht, dann sprich du!« (7) Und Huschai sagte zu Abschalom: »Nicht gut ist der Rat, den Ahitofel diesmal gegeben hat.« (8) Und Huschai sagte: »Du kennst deinen Vater und seine Männer: Sie sind Helden! Und erbittert sind sie wie eine der Kinder beraubte Bärin auf dem Feld. Und dein Vater ist ein Mann des Krieges, und er wird mit dem (Kriegs-)Volk keine Nachtruhe halten. (9) Siehe, jetzt wird er sich versteckt halten in einer der Schluchten oder an irgendeinem Ort. Und es wird sein, wenn es unter dem (Kriegs-)Volk zu Beginn Gefallene gibt, und dann wird, wer davon hört, sagen: ›Es gab einen Schlag unter dem (Kriegs-)Volk, das hinter Abschalom geht!‹ (10) Und ist er auch ein tapferer Mann, der ein Herz hat wie das Herz eines Löwen – er wird bestimmt schwach werden; denn ganz Israel weiß, dass dein Vater ein Held ist, und dass es tapfere Männer sind, die bei ihm sind. (11) So rate ich: Ganz Israel soll zu dir versammelt werden, von Dan bis Beerscheba, so zahlreich wie der Sand am Meer, und dein Antlitz soll mitten unter ihnen gehen. (12) Und wir kommen über ihn an irgendeinem Ort, wo er gefunden wird, und werden uns auf ihm niederlassen, wie der Tau auf die Erde fällt. Und wir wollen von ihm und von allen Männern, die bei ihm sind, auch nicht einen einzigen übriglassen. (13) Und wenn er sich in eine Stadt zurückgezogen hat, und dann wird ganz Israel um diese Stadt Seile legen, und wir schleifen sie zum Bach hinunter, bis dort nichts, auch kein Steinchen mehr, zu finden ist.« (14) Und es sagte Abschalom und die ganze Mannschaft Israels: »Besser ist der Rat Huschais, des Arkiters, als der Rat Ahitofels.« Und Jhwh hatte es angeordnet, dass der gute Rat Ahitofels zerbrochen wurde, damit Jhwh das Unheil über Abschalom brächte.

Das heißt: I.  Zur Amnon-Abschalom-Novelle gehören 16,15.16a.17.*18 (die Redeeinleitung).19b.*20 (ohne »zu Ahitofel«); 17,1–4.7.11–14a.15– 2328. 28  Dieser letzte Passus, da in sich völlig einheitlich, wurde in der vorangehenden Textwiedergabe weggelassen.

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II.  Dem Höfischen Erzähler zuzuschreiben sind 16,16b.*18 (ohne die Redeeinleitung).19a.*20 (»zu Ahitofel«).21–23; 17,5f.8–10.14b. Die Textstufe I scheint relativ nahe an die erzählten Ereignisse heranzuführen, die Textstufe II hingegen ist eine erhebliche Zeitspanne davon entfernt. Wie von ungefähr entschlüpft dem Höfischen Erzähler, als er Ahitofels ungeheure Autorität hervorheben will, ein »in jener Zeit« (16,23): So war es damals, zur Zeit Davids und Abschaloms. Und die Formulierung, dass Jhwh »das Unheil über Abschalom« habe bringen wollen (17,14b), erinnert bereits an Jeremia und die deuteronomistische Literatur, wo diese Wendung zur fixen Formel wird29. Die Hauptdifferenz zwischen Novelle und Erzählwerk liegt in der unterschiedlichen Charakterisierung der beiden Ratgeber. Die Amnon-Abschalom-Novelle zeichnet Ahitofel als einen glasklar denkenden, auf rasches Handeln drängenden, vielleicht etwas gar zu selbstbewussten bzw. selbstbezogenen Mann: Wie nur kann er Abschalom (oder einem von diesem beauftragten General) das Kommando über die Truppen, die David nachstellen sollen, aus der Hand nehmen? Sein David-treuer Widersacher Huschai schleicht sich in Abschaloms Umgebung als einer ein, der die Fronten gewechselt hat. Er stellt dem handfesten Plan Ahitofels einen eigenen entgegen: so bombastisch wie unrealistisch, auf seine ebenso ängstlichen wie eitlen Zuhörer aber offenbar Eindruck machend. Gleich anschließend lässt er das Verräter-Netz spielen, das David aufgespannt hat. So erfährt der geflüchtete König, welche Gefahr ihm droht, wenn Ahitofels Rat sich etwa doch durchsetzt. Der Höfische Erzähler lässt Ahitofel zunächst raten, Abschalom solle zu den von David zurückgelassenen Haremsdamen »eingehen«; dadurch werde der Bruch zwischen König und Königssohn unheilbar, Abschaloms Anhänger würden zu höchster Entschlossenheit angespornt. Das ist nicht unlogisch, doch kostet die Umsetzung Zeit – und steht damit in Widerspruch zu der wenig später von Ahitofel gezeigten Eile. Leserinnen und Leser werden diesen Rat zudem reichlich geschmacklos und frauenverachtend finden, um dann aber zu realisieren, dass durch ihn genau das in Erfüllung geht, was einst Natan nach dem BatschebaUrija-Skandal angekündigt hat (2Sam 12,11f). Ahitofel ist also ein von Gott zur Verwirklichung seiner Strafabsicht gebrauchtes, wenn auch wenig appetitliches Werkzeug. Huschai ist ebenfalls ein Werkzeug Gottes, freilich eines, das seiner Rettungsabsicht dient. Seine Worte sind 29  Vgl. z.B. Jer 4,6; 6,19; 19,15; 36,31; 49,37 bzw. 1Kön 9,9; 14,10; 21,21.29; 2Kön 21,12; 22,16.20 und dazu Dietrich, Prophetie und Geschichte 72f. Von der seinerzeit von mir (und jetzt etwa noch von Caquot / de Robert 539 und von Hentschel II 72f) vertretenen Meinung, auch 2Sam 17,14bb sei dtr, möchte ich jetzt aber abrücken.

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überaus listig und zweideutig, dazu von großer psychologischer Raffinesse. Er schmeichelt sich bei Abschalom ein, ohne David explizit zu verraten. Er macht Abschalom Angst vor seinem übermächtigen »Vater«, schildert dessen Tapferkeit und die seiner Männer so, dass daraus eine Hommage an seinen wahren Herrn wird, die aber getarnt ist als wohlmeinende Warnung an den Sohn. Dieser literarkritische Vorschlag unterscheidet sich von anderen, zumeist radikaleren, in gewisser Weise auch undifferenzierteren in der neueren Forschung. Würthwein (Thronfolge Davids 33–42) kommt ebenfalls mit zwei Textebenen aus: der, die er die »alte Thronfolgeerzählung« nennt, auf der einen, und einer Ahitofel (und später auch Joab) herabsetzenden, dadurch indirekt David (und Salomo) erhöhenden Bearbeitung auf der anderen Seite. Der letzteren weist er in der vorliegenden Perikope nebst der NebenfrauenEpisode in 16,21–23 den gesamten Auftritt Huschais in 17,5–14 sowie die Notiz von Ahitofels Suizid in 17,23 zu. Wie aber verträgt sich die Annahme, dass ursprünglich nur Ahitofel einen einzigen Rat gegeben hat (17,1–4), mit Abschaloms Aufforderung: »Gebt ihr einen Rat!« (16,20)? Und wie kann dann Huschai den Priestern sagen: »Das und das hat Ahitofel Abschalom … geraten, und so und so habe ich geraten« (17,15)? Natürlich kann man den zweiten Teil dieses Satzes flugs für zugesetzt erklären und dazu auf 17,21 verweisen, wo David nur gemeldet wird, was »Ahitofel gegen euch geraten« hat; doch diese Spannung lässt sich, wie oben gezeigt, auch anders erklären. In jedem Fall ist es für David ratsam, sich auf die für ihn gefährlichere Variante einzustellen30. Caquot / de Robert (535–540) bewegen sich weitgehend in den gleichen Bahnen wie Würthwein, meinen die beiden Textstufen aber näher benennen und beide in die frühe Königszeit datieren zu können: I.  Dem »historien ebyataride« gehören 16,15–17.19; 17,1–4.15–22. II.  Vom »rédacteur sadocide« stammen 16,18.20–23; 17,5–14.23. Auch hiernach also hat Ahitofel ursprünglich nur einen Rat erteilt und Huschai gar keinen. Langlamet (Ahitofel, vor allem 74.82) verschärft diese Hypothese noch etwas. Seiner Meinung nach sind neben dem Rat Huschais (17,5–14) auch die Bezugnahme darauf in 17,15b sowie der gesamte Bericht von Huschais Vorstellung vor Abschalom in 16,16–19 sekundär. In 16,21f sei ein noch späterer Ergänzer (»un rédacteur plus tardif«) am Werk. Dessen Spur war Langlamet in einer etwas früheren Studie (Absalom et les concubines, zusammenfassend 208) schon nachgegangen. In ihr war er zur Unterscheidung von vier Stufen gelangt: I.  ein »récit primitif«, der als Zeitzeuge die Geschichte des AbschalomAufstands darstellte und dem innerhalb von 16,20–23 nur 20abb und 23 zuzuschreiben ist (womit das Lob Ahitofels in 23 von dem Rat in 21 und seiner Ausführung in 22 abgetrennt ist); 30  So auch Seiler, Thronfolge Davids 155. Kipfer hingegen (Der bedrohte David 167f) folgt Würthwein.

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2Sam 16,15 – 17,23 II.  eine Bearbeitung, die diesen Bericht zum Teil einer umfassenden Thronfolgegeschichte machte (»S1«); III.  eine »deuxième édition«, welche die Chronologie des Ganzen leicht korrigierte (»S2«); IV.  eine »troisième édition« (»S3«), welche der bis dahin antisalomonischen Darstellung einen prosalomonischen Anstrich gab; ihr sei auch die Nebenfrauen-Episode 16,21f zuzuweisen. Vermeylen (La loi du plus fort 502.549.602.631) rechnet ebenfalls mit vier Entstehungsstufen, drei frühen und einer relativ späten: I.  »Les documents les plus anciens«: 16,16b.17a.18aa.*19.20abb; 17,1f. *3a.4.*15a.*16–20.22f; II.  »l’édition salomonienne principale«: 16,21–23; 17,3b.*5–14.15b; III.  »la deuxième édition salomonienne«: 16,15.16a; IV.  »l’histoire deutéronomiste«: 16,17b.18abb sowie einige kleinere Retuschen (in 16,19a das erste Wort, in 17,1 die hohe Zahl der von Ahitofel gewünschten Truppen und in 17,11 die Formel »von Dan bis Beerscheba«). Im Grunde bewegt sich auch dieser Entwurf noch im Schatten Würthweins: Der Grundbestand enthält weder die Nebenfrauen-Episode noch Huschais große Rede im Kriegsrat, immerhin aber die Nachricht vom Suizid Ahitofels. Was an den von Vermeylen so bezeichneten Passagen »deuteronomistisch« sein soll, ist unerfindlich. Rudnig (Davids Thron 213–233) vertritt eine wesentlich radikalere Position. Nach ihm geht die Perikope auf eine kaum mehr sicher zu bestimmende Anzahl allesamt sehr später Hände zurück: I.  Den Anfang machte die »Ratgeber-Bearbeitung I« (anzusetzen im 4. Jh.), die nur Ahitofel als Ratgeber Abschaloms auftreten und ihn einen strategischen Rat geben ließ: 16,15.20; 17,1–3a.4.22. II.  Eine »Ratgeber-Bearbeitung II« machte Huschai zu seinem Gegenspieler: 16,16.17a.18f; 17,5f.8–12.14a.23. III.  Eine »Theodizee-Bearbeitung I« (aus dem frühen 3. Jh.) zeigte auf, »daß es Jahwe ist, der hinter dem Untergang des Ratgebers Ahitofel steht« (353): 17,7.14ba. IV:  Eine »Ratgeber-Bearbeitung III« machte klar, das Huschai Davids Anweisung in 15,34, sich bei Abschalom einzuschleichen, tatsächlich nachgekommen ist: 16,16.17a.18f. V und VI:  Ein Zusatz unbestimmten Alters ist die Nebenfrauen-Episode in 16,21f, gefolgt von einer nachgeschobenen Erklärung über die Hochschätzung von Ahitofels Rat in 16,23. (Die verwandten Passagen in 12,11; 15,16 und 20,3 sollen von wieder anderen Händen nachgetragen sein, 222.) VII und VIII:  Eine zweistufige »Nachrichtendienst-Bearbeitung« (ebenfalls aus dem früheren 3. Jh.) fügte die Episoden vom Verrat der Pläne Abschaloms an David ein: Von »N1« stammt nur 17,15f, von »N2« dagegen 17,17–2131. Dieser Entwurf leidet an seiner wenig glaubhaften Spätdatierung wie auch an der kaum mehr an Textsignalen festmachbaren und zur Texterklärung nicht nötigen starken Textzersplitterung. 31  Auch Kipfer (Der bedrohte David 165) hält 17,18–21 für »eine sekundäre Ausschmückung«. Es gibt Schmuck, den man nicht ablegen sollte!

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2Sam 16,15 – 17,23 Historizität

Zur historischen Frage Die Perikope besteht größtenteils aus direkter Rede, und diese ist, da es keine Protokollanten (geschweige denn technische Tonträger) gab, nicht verifizierbar. Auszuklammern sind ohnehin diejenigen Erzählpartien, die erst der Höfische Erzähler eingebracht hat: die Nebenfrauen-Episode (16,21f mit 16,23) und Teile von Huschais Auftritten vor Abschalom (16,16–18; 17,8–10). Auf festerem historischem Grund dürfte man bei der Amnon-Abschalom-Novelle stehen. Ihr zufolge haben bei der Abschalom-Revolte und ihrer Niederschlagung zwei Königsberater eine Rolle gespielt: Ahitofel aus Gilo und der Arkiter Huschai. Welche Meinungen sie genau vertraten, wird sich nicht mehr eruieren lassen. Plausibel ist indes, dass damals eine Alternative anstand: David sofort nachsetzen oder zuerst eine allgemeine Mobilmachung durchführen. Die Erzählung macht nicht recht deutlich, wie Abschalom sich entschied. Vielleicht mischte er beides. Die Nachrichten in 17,22 und 17,24 erwecken den Eindruck, als habe er die erste Option gewählt, damit aber keinen Erfolg gehabt, weil David sich in Windeseile über den Jordan abgesetzt hatte. Von einem gesamtisraelitischen Heeresaufgebot verlautet zwar in der Folge nicht ausdrücklich etwas, doch könnte es ein solches durchaus gegeben haben32. Dass ein geheimer Nachrichtendienst David mit Informationen aus Jerusalem versorgte, ist glaubhaft, auch, dass Abschalom nicht zuletzt seinetwegen scheiterte. Die aufregende Story in 17,17–20 könnte so oder ähnlich passiert sein (und wäre womöglich eine alte Lokalüberlieferung), sie könnte sich aber auch purer Erzählfreude (und Vorbildern wie Jos 2 oder 1Sam 19,11–17) verdanken. Keine erzählerischen Vorbilder gibt es hingegen für die Notiz von Ahitofels Suizid in 17,23, und auch mit Erzählfreude ist hier nicht zu rechnen. Dieser Königsberater dürfte sich tatsächlich das Leben genommen haben; ob deswegen, weil er sich mit seinen Vorstellungen bei Abschalom nicht durchsetzen konnte, steht dahin.

Wort Offenbar konnte Abschalom in Jerusalem einziehen, ohne auf 16,15–20 Widerstand zu stoßen. Wer die Stadt gegen ihn hätte verteidigen

können, war mit David abgezogen. Die breite Bevölkerung wird die Gewaltlosigkeit des Machtwechsels mit Erleichterung aufgenommen haben. Und vermutlich war es das, was David mit seinem Abzug beabsichtigt hatte. Freilich, zehn Konkubinen ließ er zurück: leises und gewaltfreies Symbol eines nach wie vor aufrechterhaltenen Anspruchs. 32  Dann hätte Abschalom beide Ratschläge zu befolgen versucht. Vielleicht schickte er die ersten eintreffenden Milizeinheiten schon zur Verfolgung Davids mit.

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Abschalom hingegen kam mit der »Mannschaft Israels«, das heißt: mit einer großen Zahl Bewaffneter33, die dem neuen Herrscher Respekt verschafften. Eigens erwähnt wird als Galionsfigur des Umsturzes Ahitofel, der frühere Chefberater Davids. Abschalom, Ahitofel und die Armee – wer oder was hätte die neuen Machtverhältnisse noch in Frage stellen können? In diesem Augenblick betritt »Huschai, der Arkiter und Vertraute Davids« die Bühne. Die Leserin, der Leser denkt: Er steht auf verlorenem Posten! Und dann erlebt man mit, wie diese Schlange sich erfolgreich dem Herzen des Aufstands nähert. »Es lebe der König!«, ruft er gleich zweimal. Das ist nicht nur ein Wunsch, sondern eine förmliche Akklamation34. Freilich sagt Ahitofel nicht: »Es lebe König Abschalom!« Insgeheim könnte er nach wie vor dem König David huldigen35. Doch natürlich soll Abschalom denken, er sei gemeint. Dieser Mann, dem oft Eitelkeit unterstellt wird, bleibt indes misstrauisch. Zwei spitze Fragen stellt er seinem neuen Verehrer, und beide enden mit dem Ausdruck »dein Vertrauter«; die lang gewahrte, intime Nähe zu David klebt an Huschai, er kann diesen Teil seiner Identität nicht so leicht abstreifen. »Ist das deine Loyalität mit deinem Vertrauten? Warum bist du nicht mit ihm gegangen?« Hätte ein loyaler »Vertrauter« Davids nicht mit diesem fliehen müssen? In Wahrheit besteht Huschais Loyalität zu David gerade darin, dass er nicht geflohen, sondern in die Höhle des Löwen zurückgekehrt ist. Abschalom mokiert sich über einen scheinbaren Verräter – und hat vor sich den treuesten Anhänger Davids. Für Huschai ist die Situation äußerst heikel. Jede falsche Aussage kann ihn den Kopf kosten. So wägt er sorgfältig jedes Wort. Er antwortet auf beide Fragen Abschaloms, aber in umgekehrter Reihenfolge. Auf das »Warum bist du nicht mitgegangen?« reagiert er nicht mit einer Begründung, sondern mit einem emphatisch-abwehrenden »Nein«: Es kommt doch gar nicht in Frage, dass ich nicht bei dem »bleibe«, den Jhwh und das Volk »erwählt« haben! Das ist sehr geschickt, denn eine korrekte Antwort auf die Warum-Frage hätte lauten müssen: Weil David mich zurückgeschickt hat. Oder Huschai hätte kräftig lügen müssen: Es sei zu einem Bruch zwischen ihm und David gekommen, er halte diesen für unfähig. Stattdessen erklärt er, warum er es jetzt mit Abschalom hält. Seine Treue galt »nicht dem 33  Nach Caquot / de Robert 535 larcy vya »semble désigner les hommes en armes«. 34  Vgl. 1Sam 10,24 und 1Kön 1,34.39 sowie französisch »Vive le roi!«. 35  Brueggemann 309 nennt Huschais Ruf »ambiguous«. Ähnlich Fokkelman I 206, Auld 517 und viele andere.

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Menschen David …, sondern David als König«36 – und damit ist es jetzt ja vorbei. Dabei bleibt wieder eine bemerkenswerte Doppelbödigkeit: Huschai redet nicht von »König Abschalom«, sondern von dem von Gott und von Israel »Erwählten«. David hatte von sich gesagt, Jhwh habe ihn »vor Saul erwählt« (rjb)37; von einer Erwählung durch Israel verlautet auch bei ihm nichts. Über Abschalom gibt es keinerlei derartige Aussagen38. Huschai spricht ihm also etwas zu, was sonst nirgends über ihn gesagt wird – das heißt, er schmeichelt ihm, vorausgesetzt, Abschalom bezieht diese Aussage auf sich und nicht auf David. Dann folgt die Antwort auf die erste Frage, der nach seiner »Loyalität« (dsj). Wieder lautet die Auskunft: Sie war und ist nicht personenbezogen, sondern gilt dem Königshaus39; solange der »Vater« regierte, diente Huschai diesem, jetzt, wo der »Sohn« regiert – und nun kommt nicht: »diene ich diesem«, sondern: »bin ich vor ihm«. Darin steckt wieder eine »Zweideutigkeit«; denn man kann Huschai »so verstehen, dass er im Dienst Abschaloms genau so bleiben wird, wie er war, als er David diente«40. Abschalom soll das als Loyalitätsbekundung verstehen, die Lesenden aber wissen: Davids »Vertrauter« hat nur äußerlich, nicht innerlich die Seite gewechselt41. Der Text teilt nicht mit, wie Huschais Aussagen bei Abschalom angekommen sind42. Jedenfalls fordert er seine beiden Berater auf: »Gebt einen Rat!« Nach einer älteren Fassung der Erzählung erging diese Aufforderung an beide, Ahitofel und Huschai. Jetzt scheint es, als reagiere nur Ahitofel auf sie und sei Huschai vorerst weggeschickt worden, bis er in 17,5f wieder herbeigerufen wird. Diese Darstellung resultiert aus der sekundär in den Text gelangten Aktion 16,21f, die ja eine gewisse Zeit, jedenfalls einige Stunden, in Anspruch nahm. Erst danach konnte der eigentliche Kriegsrat beginnen, in dem Ahitofel (17,1–3) und Huschai (17,5–13) gegeneinander antreten. 36  Bar-Efrat II 169. 37  2Sam 6,21; vgl. noch 1Kön 8,16; 11,34 – dtr Stellen. Üblicherweise ist von der Erwählung Jerusalems durch Jhwh die Rede. Laut 1Sam 10,24 freilich hat er Saul erwählt, und in 1Sam 16,8.9.10 heißt es, er habe Davids Brüder nicht erwählt – womit indirekt doch eine Erwählung Davids ausgesagt ist. 38  Immerhin sagen in 2Sam 19,11 die Israeliten, sie hätten Abschalom »gesalbt«. 39  Josephus (Ant. 7.212) deutet dies aus und lässt Huschai sagen, er sehe keinen Grund zur Unzufriedenheit mit der Entwicklung der Dinge, sei doch das Königtum nicht zu einem anderen Haus übergegangen, sondern beim Haus Davids geblieben. 40  Bar Efrat II 168. Ebenso Fokkelman I 208: Wie ich deinem Vater gedient habe, so werde ich auch vor dir sein – nämlich nach wie vor loyal gegenüber David. 41  So Mann, Run David 118. Campbell II 152 bemerkt, dass Huschai scheinbar das Gleiche tat, was Ahitofel getan hatte: von David zu Abschalom überlaufen. 42  Josephus (Ant. 7.213) weiß, dass Abschalom »gewonnen wurde« (e[peiqen) durch Huschais Worte.

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2Sam 16,15 – 17,23 Ursprünglich folgte dieser Beraterwettkampf gleich auf Abschaloms Aufforderung in 16,20. Zur Begründung s. oben bei »Ort«.

Der erste Rat, den Ahitofel erteilt, ist geradezu monströser Natur. 16,21–22 Abschalom solle – Ahitofel sagt das tatsächlich in einem Imperativ – zu den zehn von David zurückgelassenen Konkubinen »eingehen«. Wie hat man(n) sich das vorzustellen? Soll man Abschalom für einen »sexual athlete« halten43, oder soll er nur eine symbolische Handlung ausführen: zum Beispiel demonstrativ das Zelt betreten, in das die Frauen geführt worden sind? Die Erzählung enthält sich jeder näheren Schilderung des Vorgangs; sie sagt auch nicht, was die zum Palastdach hinaufstarrende Menge zu sehen bekam. Vermutlich bedeutete das Geschehen für die Frauen eine entsetzliche Demütigung – und für Abschalom vielleicht eine gewaltige Genugtuung. Doch darauf liegt überhaupt nicht der Akzent. Entscheidend ist, was die von Abschalom verlangte Tat für diesen selbst und für Israel bedeutet – und zwar nicht moralisch, sondern politisch. Es geht gar nicht um Sex, es geht um – Krieg! Krieg nicht zwischen den Geschlechtern, sondern um die Macht im Staat. Ahitofel behauptet, jener (sexuelle) Akt mache den politischen und militärischen Kampf unausweichlich und unerbittlich: »Stark werden die Hände aller sein, die bei dir sind«. Heutiger Betrachtung erschließt sich die Logik dieser Erwartung nicht sofort. Was hat das bizarre Schauspiel auf dem Palastdach mit der Kampfbereitschaft der Gefolgsleute Abschaloms zu tun? Stone (Sexual Practice) bezweifelt mit gutem Grund die oft zu lesende Sexualität, Auskunft, der Griff nach Frauen eines königlichen Harems begründe den Macht Rechtsanspruch auf die Ablösung und Nachfolge des betreffenden Königs. und Ehre Ein solcher Begründungszusammenhang »is not actually stated in the Hebrew Bible« (558). Vielmehr solle man ernst nehmen, was der vorliegende Text über die Zielsetzung von Abschaloms Sexualakt sagt. Es geht darum, »to produce a negative effect upon his father and a positive effect upon his supporters« (559). Die Beziehung zu den betroffenen Frauen und deren Empfindung ist völlig unerheblich; ihre Subjektivität bleibt ja auch ganz ausgeblendet. »The text seems to inscribe male interests« (560). Um dies zu verstehen, muss man sich bewusst machen, welche Rolle in antik-mediterranen Kulturen die Sexualität von Frauen (bzw. der Zugang von Männern zu ihr) spielt: Das Prestige eines Mannes, sein Anerkanntwerden als »a real man« (562), hängt davon ab, inwieweit er sich in den Besitz von Frauen und ihrer Sexualität setzen kann. Und das Ansehen von Männern eines Clans hängt davon ab, inwiefern sie die Frauen, für die sie verantwortlich sind – insbesondere deren Sexualität –, vor dem unerwünschten Zugriff anderer Männer schützen können. Daher »a man attacks these kinsmen by showing them incapable of the vigilance required toward the sexuality of their kinswomen« 43  So Alter 296, mit der Alternative: »unrealistic«.

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2Sam 16,15 – 17,23 (563). »In other words, it is masculinity itself … that is at stake« (564). Dass »David has been unable to maintain control over sexual access to the women of his house«, hat ihn seiner »social masculinity« beraubt (566). Stansell (Honor and Shame) sieht die Nebenfrauen-Episode eingebettet in ein Thema, das sich durch die gesamte Davidgeschichte ziehe: das von Ehre und Scham. David begann als ein Mann »ohne Ehre« (1Sam 18,23) und arbeitete sich hoch zu einem weitherum geachteten Herrscher (2Sam 8,13). Die Ammoniter wagten, sein Ehrgefühl herauszufordern und bezahlten dafür teuer (2Sam 10). Dann aber nahm zuerst er der Frau Urijas und dann sein Erstgeborener Amnon seiner Halbschwester die Ehre (2Sam 12; 13). Und jetzt ist es Abschalom, der »utterly dishonors his father« (72). »Incest and rape become the symbol for the dishonoring of the royal family« (73). Erst in 1Kön 3,5–9 wende sich das Geschick des Davidhauses wieder zum Guten, indem dort Gott Salomo »Ehre« (dwbk) schenke. Fokkelman I 209 deutet den Vorgang im Blick auf David als Individuum so: »His [Abschaloms] sexual penetration of the women is a penetration of the father’s psyche«. Westbrook (He Will Take Your Daughters) richtet den Fokus mehr auf die zehn Nebenfrauen und fragt, wer eigentlich verantwortlich sei für das, was ihnen angetan wurde. Auf den ersten Blick ist es Abschalom, der sie missbraucht (Westbrook spricht von »rape«44). Auf den zweiten Blick ist es Ahitofel, der dazu rät; Westbrook nennt diesen ersten Rat Ahitophels geradeheraus »foolish« (200). Auf einer noch tieferen Ebene hat David mit seinem Verbrechen gegen Batscheba den Übergriff seines Sohnes auf seine Nebenfrauen provoziert (vgl. die Strafandrohung Natans in 2Sam 12,11f). Und ihre Zurücklassung erfolgte ja nicht aus edlen Motiven, sondern war ein Schachzug im politischen Machtkampf. So kommt nicht einfach Gewalt von Männern gegen Frauen zum Vorschein, nein, »members of the community are being violated by kings« (201). Im Tiefsten sei es also das politische System der Monarchie, das hier versage und dessen Schattenseiten insbesondere Frauen zu spüren bekämen.

Mit der öffentlichen Inbesitznahme von Davids (Neben-) Frauen hat Abschalom, dies die Meinung des Textes (oder jedenfalls des im Text dargestellten Ahitofel), zweierlei erreicht: Er hat sein eigenes Prestige bei den Männern, die dort unten stehen und zuschauen, erhöht und das Ansehen seines Vaters, der den Übergriff nicht verhindern kann, beschädigt. Als sich einige Zeit zuvor die Israeliten bei den Philistern und die Ammoniter bei David »stinkend gemacht« haben (1Sam 13,4; 2Sam 10,6), da wussten die Israeliten wie die Ammoniter: Das bedeutete Krieg! Das wird Israel auch jetzt wieder klar sein, wenn es der Vorgänge dort oben auf dem Palastdach gewahr wird. Nicht einem prickelnd erotischen Schauspiel wohnen die Leute bei, sondern einer aufreizend frivolen Kriegserklärung. Wie »stark« das ihre »Hände« machte, steht dahin; meist fürchten sich die Menschen vor Krieg. 44  So auch Firth 466.

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Gut möglich, dass Ahitofel der Einsatz- und Kampfbereitschaft der Anhänger Abschaloms nicht recht traute. Womöglich hatten sie sich nur einer »Bewegung« angeschlossen, weil das im Trend war, würden sich aber, wenn’s zum Hauen oder Stechen kam, lieber zurückziehen. Abschaloms Sexualakt mit Davids Frauen sollte ihnen klarmachen: Jetzt wird es ernst, todernst; jetzt gibt es kein Zurück mehr, kein Ausweichen, kein Appeasement45. Hinter Ahitofels Rat an Abschalom, zu Davids Nebenfrauen »einzugehen«, mag auch die Absicht stehen, eine Aussöhnung zwischen Vater und Sohn unmöglich zu machen46. Eine solche hatte es schon einmal gegeben, nach dem Mord an Amnon. Wie, wenn sich das wiederholte? Dann nähmen womöglich der Vater und der Sohn gemeinsam an denen Rache, die die Rebellion mitgetragen hatten – zum Beispiel Ahitofel! Darum soll David so schwer gekränkt und gedemütigt werden, dass er sich Abschalom nie mehr annähern kann. Doch der dafür notwendige Akt ist moralisch wie politisch derart monströs, dass es der fast überirdischen Autorität eines Ahitofel bedarf, um ihn in Szene zu setzen. Ahitofels Ansehen war ungemein hoch. Wenn er etwas vorschlug, 16,23 dann war es, als hätte Gott selbst es angeordnet. Mit dieser Aussage werden zwei Möglichkeiten verglichen, wie man sich damals der Zukunft zu vergewissern suchte. Dazu gab es in der Antike eine ganze Reihe von Methoden: die Sterndeutung, das Vogelflug-Orakel, die Traumdeutung u.a. In Israel (aber nicht nur hier) konnte bei Prophetinnen oder Propheten ein »Wort« Gottes »erfragt« werden (hebräisch ausgedrückt mit vrd), oder man konnte bei Orakeln »anfragen«, die von Priestern bedient wurden (ausgedrückt mit lav). In den vorangehenden Erzählungen der Samuelbücher haben sich sowohl Saul als auch David immer wieder des Mittels der Orakelanfrage bedient47, doch gelegentlich sprachen – meist ungefragt – auch Propheten zu ihnen48. An der vorliegenden Stelle scheinen mit den Begriffen lav und rbd diese beiden klassischen Methoden verschränkt zu werden, das heißt: Ahitofels Auskünfte waren so verlässlich wie die von Priestern und Propheten zusammen. Er ist aber weder Priester noch Prophet, sondern Vertreter (vielleicht Vorreiter) einer neuen Klasse: der professionellen Königsberater. In den Augen des hier formulierenden 45  Dies ist die Deutung von Stoebe II 381. Er vermutet die unsicheren Kantonisten vor allem unter den Nordstämmen. 46  Diese Interpretation findet sich bei vielen Auslegern, z.B. Campbell II 152; Mann, Run David 124; Alter 295. Bodner (Motives 67) findet die besonders gute Formulierung: »Ahithophel’s counsel is of a ›bridge-burning‹ nature«. 47  Von Saul etwa 1Sam 14,37; 28,6; von David 1Sam 23,2; 2Sam 5,19.23. 48  1Sam 13,13; 15,14ff; 22,5; 2Sam 7,5; 12,1; 24,11f.18.

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Erzählers bilden allerdings die religösen Arten der Zukunftssicherung noch den Maßstab49, doch Ahitofel vermag da mitzuhalten. Darf man aus der Formulierung, das habe man »in jener Zeit«, unter »David sowohl wie unter Abschalom« so gesehen, eine leise Distanzierung des Erzählers heraushören50? Will er sagen, man habe diesem Berater ein Gewicht beigemessen, das ihm nicht wirklich zukam51? McKane (Wise Men 55–62) reflektiert das Nebeneinander von »Rat (Ahitofels)« und »Wort (Gottes)«. Das Ratgeben war eine professionelle Tätigkeit der Weisen (µymkj); diese waren prinzipiell »empiricists« und ließen nicht zu, dass religiöse Faktoren (etwa »piety«) in Beratungsprozessen überhandnahmen (61). Freilich gab es schon immer bei politischen Entscheidungen auch die Möglichkeit, Religionsfachleute zu Rate zu ziehen: Priester eben und Propheten. In 16,23 würden die beiden Weisen politischer Beratung, die weisheitlich-rationale und die religiös-transrationale, miteinander verglichen, als stünden sie sonst unverbunden und unvergleichbar nebeneinander. Dem ist hinzuzufügen, dass es Propheten gab, die beanspruchten, nicht nur Mittler des Gotteswortes zu sein, sondern zugleich (bzw. in einem damit) den »Rat« Gottes zu kennen und daher selbst in politischen Dingen »Rat« geben zu können. Das markanteste Beispiel ist Jesaja52. Er weiß, dass Jhwh Zebaot »wunderbaren Rat« hat (Jes 28,29). Gottes »Ratschluss« geht zum Beispiel dahin, »Assur zu zerschmettern in meinem Land« (Jes 14,24–26). Wenn Aram im Verein mit Efraim »plant«, Juda in eine antiassyrische Militärkoalition zu zwingen, dann ist das »böse« (Jes 7,5). Und wenn Juda in Ägypten um Hilfe gegen Assur ansucht, dann verkennt man, dass auch Jhwh »weise« ist (Jes 31,2). Der Prophet erregt sich über einen »Plan«, den man vor Jhwh »verbergen« muss (Jes 29,15), über Leute, die spotten, es solle ruhig »kommen der Rat des Heiligen Israels« – in der Meinung, er treffe ohnehin nicht ein (Jes 5,19). Gott jedoch werde dafür sorgen, dass die »Ratgeber« mitsamt der ganzen führenden Kaste Judas düpiert würden (Jes 3,3). Er werde Jerusalem einem Läuterungsgericht unterziehen, in dem alles Minderwertige ausgeschmolzen werde, bis endlich wieder »Ratgeber« kommen und wirken könnten »wie am Anfang« (Jes 1,26). Und eines Tages werde er einen Spross aus dem Haus Davids aufsteigen lassen, der über einen »Geist des Rats« verfügt (Jes 11,2) und geradezu »wunderbarer Ratgeber« heißt (Jes 9,5). War der Verfasser von 16,23 vertraut mit dem hohen Anspruch der sog. Schriftpropheten und maß deshalb die Qualität eines Rates bzw. Ratgebers am »Wort Gottes«? Eine Illustration in der Wenzelsbibel setzt zwei Szenen aus unserer Erzählung ins Bild: unten die Haremsübernahme, in der Ahitofel den jungen 49  So auch Firth 467: »the oracle remains the measuring point«. 50  Dafür plädiert Polzin, David and the Deuteronomist 172f. 51  Polzin (David and the Deuteronomist 177) verallgemeinert wohl unzulässig: »Kingship contaminates Israel, royal counsel contaminates divine inquiry«. 52  Die Debatte, ob und inwieweit die im Folgenden aufgeführten Stellen dem »echten« Jesaja zuzuweisen sind, soll hier nicht eröffnet werden. Vielleicht handelt es sich um Äußerungen nicht nur einer Person, sondern eines durch eine bestimmte Haltung geprägten Personenkreises.

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2Sam 16,15 – 17,23 Abschalom zu den Damen lenkt, die im Inneren der Burg, bei einem Zelt, bangend auf das warten, was da kommen soll; oben den gleich nachfolgend berichteten Beraterwettstreit, eindrücklich dargestellt als »Kampf um das Ohr« des Prinzen.

Wenzelsbibel (14. Jh.): Der Beraterwettstreit und die Haremsübernahme

Es folgt der eigentliche »Kriegsrat« zur Beantwortung der von 17,1–3 Abschalom in 16,20 gestellten Frage: »Was sollen wir tun?« – nämlich im Blick auf den aus Jerusalem entwichenen alten König. Wie selbstverständlich ergreift zuerst Ahitofel das Wort. Sein Selbstbewusstsein ist hoch, er spricht knapp und präzise, verzichtet völlig auf höfliche Floskeln, vorsichtige Klauseln und rhetorische Kunstgriffe53. Seine 53  Vgl. Fokkelmans Charakterisierung (I 214): »no rhetoric, no flattery, not one flourish from the courtly style«.

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Rede, zusammengesetzt aus lauter kurzen Verbalsätzen, gliedert sich in drei Punkte: 1. Aufbruch zu einer militärischen Aktion (17,1), 2. Durchführung der Aktion (17,2) und 3. Rückkehr nach vollbrachter Aktion (17,3). Fast ist es, als spräche hier nicht ein Rhetor, sondern ein General. Der erste Satz lässt sich vielleicht noch als eine Bitte auffassen (»ich möchte gern«), es ist aber doch eher die Mitteilung eines Entschlusses (»ich will«)54. Was will Ahitofel? Dass ihm 12.000 Mann unterstellt werden – oder vielleicht zwölf Tausendschaften55, d.h. militärische Einheiten, deren tatsächliche Mannschaftszahl nicht mit der Sollstärke übereinstimmen muss. Doch auch dann bleibt die Streitmacht derjenigen Davids zahlenmäßig weit überlegen. Ahitofel will sie nicht militärischem Kommando unterstellen, auch nicht dem Abschaloms, sondern dem eigenen. »Noch in dieser Nacht« möchte er losziehen56. Der Grund für die Eile wird im nächsten Vers erkennbar: David sei jetzt gerade – wohl kurz nach der Flucht aus Jerusalem – »müde«, seine Hände »schlaff«. In 15,37 wurde sichtbar, dass Huschai, von David vom Ölberg aus nach Jerusalem zurückgeschickt, dort genau dann eintraf, als auch Abschalom einrückte, das heißt: Davids Abzug erfolgte nur knapp vor Abschaloms Einzug. Rechnet man die Nebenfrauen-Episode ein (was auf der Endtextebene angebracht scheint), dann mag seither vielleicht ein Abend und eine Nacht vergangen sein; zieht man sie ab (was aus literarhistorischen Gründen angezeigt ist), dann findet der Kriegsrat noch am Tag des Einmarschs in Jerusalem statt; »noch in dieser Nacht« möchte Ahitofel David nachsetzen! Wäre es so, dann entspräche seine Einschätzung des Zustandes Davids und seiner Truppen exakt dem, was uns in 2Sam 16,14 mitgeteilt worden ist: »Der König kam und das ganze [Kriegs-]Volk, das bei ihm war, erschöpft zum Wasser«. Ahitofel ahnt das, und er möchte die Gunst der Stunde nutzen. Ziel seiner Attacke ist allein David. Er will gezielt »über ihn kommen« und »ihn aufschrecken«. Hat der aber nicht Soldaten bei sich? Das schon, doch sie werden überrascht und verängstigt »fliehen«. Und dann wird er, Ahitofel, »den König ganz allein töten«. 54  So Bodner (Motives 70), der auf Gen 18,21 als Parallele hinweist, näherhin auf Gottes Entschluss »Ich möchte hinuntergehen und sehen …« 55  So etwa Firth 467. Caquot / de Robert 537 sprechen von einem »panisraelitischen Symbol«. Wer Zweifel hat an der Idee eines israelitisch-judäischen Zwölferbundes in relativ früher Zeit (hier schreibt der Amnon-Abschalom-Novellist), kann die »zwölf« einfach als Signal für »umfassend, vollständig, genug« verstehen. 56  Es ist nicht klar, zu welcher Tageszeit dies gesprochen ist, und auch nicht, am wievielten Tag nach dem Einmarsch in Jerusalem. Sollte es noch an eben diesem Tag sein, etwa am Nachmittag? Dann wäre man David wirklich sehr knapp auf den Fersen.

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2Sam 16,15 – 17,23 Heutige Leserinnen und Leser werden unwillkürlich an das Ende einer Reihe von Machthabern in neuerer und neuester Zeit denken: Hitler in Berlin durch Zyankali; Ceaucescu, zusammen mit seiner Frau erschossen in einem tristen Hinterhof; Muammar Gaddafi, der in Tripolis in einer Röhre entdeckt und erschlagen wurde; Saddam Hussein, der in einem Erdloch aufgestöbert wurde und immerhin noch einen Prozess bekam, ehe man ihn hängte; Osama bin Laden, den Elitekämpfer in seinem Wohnhaus überfielen und niederstreckten. Ähnlich stellte sich Ahitofel das Ende Davids vor.

Ahitofel plant kaltblütig einen Königsmord. Dieses Thema ist in den Saul-David-Geschichten intensiv diskutiert worden – mit dem Ergebnis, dass niemand seine »Hand ausstrecken« darf gegen den »Gesalbten Jhwhs«57. So gesehen spricht sich Ahitofel selbst das Urteil. Andererseits verfolgt er mit der Tötung allein Davids ein ehrenwertes Ziel. Sterben soll nur der »einzelne Mann«, dem Abschalom »nach dem Leben trachtet«. Unversehrt bleiben sollen hingegen nicht nur die »12.000« Mann, die mit Ahitofel ziehen, nein, »das ganze Volk« soll »Frieden« haben – also auch die Anhängerschaft Davids, ob nun mit ihm gezogen oder noch in ihren Orten lebend. Eine Generalamnestie schwebt Ahitofel vor58. Sein Ziel ist Schalom59 – nicht Sieg und Unterwerfung. Selten hat ein Befehlshaber klarer den »Frieden« als Kriegsziel benannt. Ahitofel zeigt sich als weiser Staatsmann. »Abschalom und alle Ältesten Israels« zollen den Darlegungen 17,4 Ahitofels Anerkennung: »Sein Wort war recht in ihren Augen«. Wie immer sich die Zustimmung geäußert haben mag – nach längerer Debatte per Abstimmung oder nur durch allgemeines, beifälliges Nicken: Es war nicht leicht, sich der Faszination dieses politischen und militärischen Strategen zu entziehen. Schnelles, entschlossenes Handeln, fast kein Blutzoll, am Ende allgemeiner Friede – wer würde das nicht attraktiv finden? Allerdings, wacher Verstand hätte auch Rückfragen an Ahitofels Plan haben können. Er sprach auffällig viel von sich selbst, von dem, was er vorhatte, wie er es durchführen wollte und welches Ergebnis er erzielen würde. Und würde wirklich alles so sicher kommen, wie von ihm vorausgesagt? Wie, wenn Davids Leute sich wehrten und es doch zu einem Gefecht käme? Man weiß freilich nicht, wie derartige Beratungen bei Hofe damals abliefen. Vielleicht wollten die einzelnen Votanten ihre Argumentation bewusst möglichst kraftvoll und unanfechtbar erscheinen lassen. Womöglich war es üblich, dass mehrere Meinungen gehört wurden, von 57  Vgl. 1Sam 24,7; 26,9; 2Sam 1,14. 58  Fokkelman I 213 und Firth 467 sprechen von »a general pardon«. 59  Ist das eine leise Anspielung auf Abschaloms Namen? Diese Frage stellt Conroy, Literary Study 181.

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denen jede möglichst scharf zugespitzt war. In 1Kön 12 erhält Rehabeam Ratschläge von zwei Seiten: zuerst von den älteren, dann von den jüngeren Ratgebern. (Er entscheidet sich für die falschen.) In Spr 18,17 heißt es: »Wer als erster eine Sache vertritt, bekommt Recht« – so war es im Fall Ahitofels; doch dann folgt die Fortsetzung: »es kommt aber ein anderer und prüft nach« – so wird es mit Huschai sein. Wenn also Abschalom und die Ältesten Ahitofels Vorschlag »recht« finden, dann vielleicht im Wissen, dass damit nicht das letzte Wort gesprochen ist. Die Erwähnung der »Ältesten Israels« erinnert an 2Sam 5,3, wo eben diese es waren, die David die Königsherrschaft antrugen. Es ist denkbar, dass Abschalom an diese Gründungsgeschichte des davidischen Königtums anschließen wollte. Man bewegt sich hierbei übrigens in einigermaßen authentischem Rahmen: Die Institution der »Ältesten« gab es nur während der Königszeit; im vorstaatlichen Israel ist sie nicht sicher nachweisbar, und im nachexilischen Juda wurde sie nicht restituiert60. Abschalom bezog also ein Gremium ein, das in der israelitischen Monarchie immer wieder mitzubestimmen hatte. Wieder sei es erlaubt, moderne Analogien beizuziehen. In Libyen etwa oder Afghanistan, in relativ herkömmlichen, autoritär geführten Gesellschaften also, werden gelegentlich eine Art Ältestenräte einberufen, um grundlegende politische Pläne zu diskutieren und zu legitimieren. In China veranstaltet die allmächtige Partei regelmässig »Volkskongresse« mit Delegationen aus allen Regionen des Reichs. Und lassen sich nicht auch in westlichen Demokratien die sog. zweiten Parlamentskammern in diesem Sinn verstehen? 17,5–6

Obwohl Ahitofels Rat als »recht« befunden worden war, will Abschalom noch Huschai zu Rate ziehen. War es, wie vorhin erwogen, üblich, eine »Zweitmeinung« einzuholen? Oder waren die Untiefen in Ahitofels Vorschlag doch bemerkt worden? Oder war Abschalom, der soeben erst an die Macht gekommen war und noch im Schatten seines Vaters stand, zu wenig selbstsicher, um schnell und entschlossen zu entscheiden61? Wie auch immer: Abschalom lässt Huschai herbeiholen62, eröffnet ihm kurz Ahitofels Absichten und fragt ihn, ob er einverstanden sei. 60  Vgl. Wagner, Beobachtungen 391–411. 61  Nach Fokkelman I 214 ist in Abschalom »a fatal doubt«, der anzeigt, dass er den Kontakt zur Realität zu verlieren beginnt. 62  Dass Huschai von den bisherigen Beratungen ausgeschlossen war, beweist laut Campbell II 152, dass er »has not been fully accepted into Absalom’s inner circle«. Ähnlich Firth 467. Es gilt freilich zu bedenken, dass 17,5f (wie 16,21–23) literarisch sekundär ist, vgl. oben bei »Ort«.

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Huschai lässt sich nicht zweimal bitten. Ahitofels Rat sei »nicht 17,7–10 gut«, setzt er ein. Ein Raunen muss durch die Reihen gegangen sein. Will dieser Mann klüger sein nicht nur als Ahitofel, sondern auch als Abschalom und alle Ältesten? Was übrigens heißt »nicht gut«? Für wen »nicht gut«? Insgeheim weiß Huschai (und wissen die Lesenden): Für Abschalom ist Ahitofels Plan sehr wohl gut – für David hingegen nicht63. Würde Ahitofel mit seiner ausgewählten Truppe noch in dieser Nacht ausrücken und etwa im Morgengrauen zuschlagen: Um David wäre es geschehen! Das muss verhindert werden. Der Hals über Kopf geflüchtete König muss Zeit gewinnen. Er muss den Jordan überqueren und sich ins Ostjordanland absetzen, damit er von dort aus das roll back organisieren kann. Zeitgewinn für David: Das ist Huschais Ziel. All seine Eloquenz und all sein psychologisches Geschick wird er einsetzen, es zu erreichen. Zunächst mildert er sein anfängliches scharfes Nein ab: Diesmal sei Ahitofels Rat nicht gut – sonst natürlich schon! Ihr habt völlig Recht damit, dass ihr ihm so viel zutraut, doch diesmal solltet ihr das nicht tun. Denn, so die erste Hälfte von Huschais Rede, David ist viel gefährlicher, der Angriffsplan Ahitofels viel riskanter, der Ausgang viel ungewisser, als dieser Starberater es euch vor Augen gemalt hat. »Du kennst deinen Vater und seine Männer«, redet Huschai Abschalom direkt an. Ahitofel hatte wohlweislich nicht von David als Abschaloms »Vater« geredet, sondern nur vom »König« (der er aber nicht mehr lange sein würde). Huschai dagegen rührt an Abschaloms Innerstes. Nicht, dass er seinen Vater ehren müsse, nein – aber er kenne ihn doch?! Und das stimmt natürlich. Niemand kennt einen Mann besser als sein Sohn, der sein Verhalten, seine Fähigkeiten sein Leben lang, Tag für Tag, hat beobachten können (und insgeheim immer noch viel zu viel Respekt, ja Angst vor ihm hat). Du bist doch erfahren und klug, Abschalom – du wirst dir doch nichts vorgaukeln lassen64? Und du weißt doch auch, von wem David begleitet wird: von seinen »Männern«! Ahitofel hatte nur, recht verächtlich, von dem »Kriegsvolk« bei David geredet, das im Ernstfall sofort fliehen werde. Nein, so Huschai, »dein Vater und seine Männer sind Helden«. Es folgen zwei eindrückliche Bilder: Sie sind »wie eine der Jungen beraubte Bärin«65 und »wie eine wütende Wildsau«. Was macht David und seine Leute denn derart wild und gefährlich? Dass man ihnen weggenommen hat, woran sie so sehr hingen: das schöne Leben in Jerusalem, die Machtmittel, die guten Posten und Pfründen, die Ehrfurcht seitens der Leute (und jetzt auch noch, 63  So auch Conroy, Literary Study 183; Brueggemann 311 u.a. 64  Richtig analysiert Conroy, Literary Study 184: Huschai gibt sich nicht belehrend, sondern »he merely reminds his intelligent hearer of what he already knows«. 65  Diese Metapher begegnet auch in Hos 13,8 und Spr 17,12.

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will man das in 16,21f Erzählte hinzunehmen, die Haremsdamen). Meint ihr, all das werde jemand kampflos hergeben? Nein, es wird »erbittert« darum gekämpft werden66. Wie wird dieser Kampf aussehen? Das erste ist, so Huschai, dass David »sich versteckt halten« wird, irgendwo, in einer Schlucht oder an einem anderen schwer zugänglichen Ort67. Die anrückenden Truppen werden ihn also gar nicht finden können. Dafür werden sie auf Widerstand stoßen bei seinen Soldaten, die sich selbstverständlich nicht einfach überfallen und verjagen lassen, sondern Wachen aufgestellt haben und Alarm schlagen. Es wird ein Gefecht geben, und dabei werden, unvermeidlich, Angehörige von Abschaloms Truppen fallen. Dann wird sich rächen, dass man den Leuten zuvor eingeredet hat, es bestünde gar keine Gefahr, der Feind werde einfach davonlaufen. Schon bei den ersten Verlusten werde es sofort zu Katastrophengerüchten kommen68. »Ein Massaker, ein Massaker!« Da wird auch ein Mann mit Löwenherz – leicht spöttisch räumt Huschai ein, einen solchen möge es unter Abschaloms Leuten geben69 – Angst bekommen und allen Kampfesmut verlieren, Panik wird sich ausbreiten. Kurzum: Kein leichter Sieg und kein toter König, sondern ein unauffindbarer König und eine militärische Niederlage! Dann appelliert Huschai noch einmal an das, was nicht nur Abschalom, was vielmehr »ganz Israel« wisse: dass David ein »Held« sei und seine Männer »tapfer«. Es ist ein gewagtes Spiel, das er spielt. Ist es nicht kränkend für sein Publikum, wenn er David und seine Mannen in den höchsten Tönen lobt, auf Abschalom und dessen Anhänger aber wenig bis nichts gibt70? Vermutlich rechnet er darauf, dass den Umstürzlern bei ihrem eigenen Tun nicht ganz wohl zumute ist und dass sie insgeheim fürchten, an seiner Schilderung sei etwas Wahres. Sie kennen David ja: seinen unaufhaltsamen Aufstieg, seinen unerbitt66  »Erbittert« bzw. »verbittert« waren auch die Kämpfer, die sich einst dem Bandenführer David anschlossen (1Sam 22,2). 67  Josephus (Ant. 7.217b–218a) zeigt sich selbst als erfahrener Truppenführer, wenn er Huschai annehmen lässt, dass David sich jetzt ausruhe, dass er aber dann, wenn es dunkel werde und die Gefahr eines Angriffs steige, sich an einen geeigneten Ort zurückziehe, um aus dem Hinterhalt zum Gegenangriff überzugehen. 68  Bar-Efrat II 173 bemerkt, dass Huschai das Gerücht in wörtlicher Rede wiedergibt – was seine Eindrücklichkeit erhöht. 69  Treffend bemerkt Kipfer, Der bedrohte David 160: »Den zahlreichen lyIjA' ynEb] auf Davids Seite steht ein einzelner lyIjA' ˜B, auf Absaloms Seite gegenüber«. 70  Fokkelman I 216 beobachtet, dass Huschai zu etwa gleich langen Teilen zuerst von Davids Leuten und ihrer Stärke (17,8.9a) und dann von Abschaloms Leuten und ihrer Schwäche (17,9b.10a) redet. Laut Brueggemann 312 malt er »a picture that elevates David and diminishes Absalom« (312); es sei erstaunlich, wie er es geschafft habe, im Feindeslager »a great tribute to David« laut werden zu lassen (311).

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lichen Machtwillen. Sie wissen, dass er kampferprobte Soldaten bei sich hat, während Abschaloms Truppen noch keinen Schwertstreich geführt haben. Und da sollten sie einfach so hingehen und einen wie David besiegen? Ließen sich Huschais Hörer nicht ins Bockshorn jagen, würden sie bemerken, dass er in seiner bisherigen Rede ziemlich dick aufgetragen und Vereinseitigungen, Pauschalisierungen und Übertreibungen nicht gescheut hat. David und seine Männer seien allesamt »Helden« – und wo sind die nicht so Heldenhaften unter Davids Gefolgsleuten, die Schreiber und Palastdiener, erst recht die Frauen und Kinder? David sei »ein Mann des Krieges« – in seinen jungen Jahren vielleicht; ist er aber nicht älter und bequemer geworden? Er habe sich in einer »Schlucht oder irgendeinem Ort« versteckt und lauere darauf, aus dem Hinterhalt anzugreifen – ist das aber sicher, und kann man sich notfalls einer Attacke nicht erwehren? Es werde bei einem Zusammenprall Gefallene unter den Leuten Abschaloms geben – ja, aber muss das sofort zu völliger Entmutigung führen? Doch bevor jemand solche Fragen stellen könnte, fährt Huschai sogleich fort. Nun hat er sich mit seinen bisherigen Ausführungen ein Problem 17,11–13 geschaffen, das er nicht leicht wieder beheben kann. Wenn David und seine Mannen wirklich so gefährlich sind und Abschaloms Leute wirklich so unterlegen, wie von ihm dargestellt, dann muss das eigentlich Mut- und Ratlosigkeit hervorrufen. Huschai muss sehr viel Überzeugungskraft und Rhetorik aufbringen, um die defätistischen Geister, die er rief, wieder loszuwerden. Das Zaubermittel, das er Abschaloms Kriegsrat anbietet, lautet: Übermacht, gewaltige, alles niederwalzende Übermacht! Jede noch so hohe militärische Qualität kann durch eine genügend hohe Quantität an Soldaten und Waffen niedergerungen werden71. »Ich rate«, setzt er an, und das soll stark und selbstbewusst klingen. Wozu rät er? Zu einer Generalmobilmachung »von Dan bis Beerscheba«. Die Formel begegnet nur in Texten über die frühe Königszeit72. Nur damals bestand eine Personalunion aus Israel und Juda, die vom Libanon bis in den Negev reichte73. Wenn Abschalom in diesem gesamten Raum Soldaten aufbieten konnte, dann zeigt das, 71  Das Begriffspaar etwa auch bei Bar-Efrat II 174. 72  Neben 2Sam 17,11 noch 1Sam 3,20; 2Sam 3,10; 24,2.15; 1Kön 5,5 sowie 2Chr 30,5. 73  Manche meinen, sie habe auch damals nicht bestanden, David (und Salomo) sei(en) König(e) nur von Israel oder nur von Juda oder gar nur von der Region um Jerusalem gewesen; doch gegen solch skeptische Annahmen s. Dietrich, Israelite State Formation, bes. 104.

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dass seine Rebellion nicht nur entweder den Süden oder den Norden, sondern die gesamte Doppelmonarchie erfasst hatte74 und dass er den Anspruch auf die Nachfolge seines Vaters in beiden Reichsteilen erhob. Die Mobilmachung in Israel und Juda wird ein Truppenaufgebot ergeben »wie Sand am Meer«. Das ist eine geläufige Metapher – ebenso wie die Formel »von Dan bis Beerscheba«; Huschai strebt also nicht nach besonderer Originalität, sondern nach allgemeiner Zustimmung75. Dass Abschaloms »Antlitz mitten unter ihnen gehen« solle, ist eine verbale Verneigung vor Seiner Majestät, dem König76. Ahitofel hatte alles in seine eigenen Hände nehmen wollen, Huschai lässt dem Prinzen den Vortritt und die Feldherrenehre77. Der Fortgang der Geschichte wird zeigen, dass dies eine Falle war. David zog nicht mit in die Schlacht, weil seine Soldaten ihn keiner Gefahr aussetzen wollten78; Abschalom dagegen wird von Huschai in die Schlacht – und in sein Verderben getrieben. Eingangs hatte Huschai von »irgendeinem Ort« gesprochen, an dem David sich verborgen halte (17,9). Jetzt (in 17,12) redet er erneut von »irgendeinem Ort«, wo Abschaloms Truppen ihn »finden« würden. Damit unterstellt er, dass David sich von dort, wo er sich im Augenblick aufhält, nicht wegbewegen wird79 – so als warte er darauf, irgendwann von Abschaloms Volksheer aufgespürt zu werden. Eine Chance auf Entkommen hat er nicht. So zahlreich sind Abschaloms Truppen, dass sie die ganze Gegend bedecken. Hier verwendet Huschai wiederum ein recht konventionelles Bild: das vom Tau, der sich des Nachts still und unaufhaltsam überall niederlässt. Freilich bekommt das Bild hier (und einzig hier) eine kriegerische, tödliche Färbung80. Gegen Tau kann man nicht kämpfen. Auch mit David und seinen Leuten wird es zu keinem ernsthaften Kampf kommen, vielmehr wird Abschaloms Riesenarmee jeden Widerstand einfach erdrücken. Freilich wird dies, anders als im Plan Ahitofels, nicht David allein betreffen, sondern 74  So mit Recht McCarter II 386. 75  Dies betont Bar-Efrat II 175. 76  Die Wendung bedeutet nach Caquot / de Robert 538 soviel wie »ta majesté«. Conroy (Literary Study 187) spricht von »courtly style«. 7776  Bakon (Absalom’s Revolt 123f) vermutet mit Recht, dass weniger der Inhalt von Huschais Ratschlag ihm zum Durchbruch verhalf, »but rather the fact that it centered on the person of Absalom, thus fanning his vanity, while Ahitophel, in a classic case of overreaching himself, mentions his own first person five times«. 78  Vgl. 2Sam 18,2–4. 79  So Conroy, Literary Study 188. 80  Bar-Efrat II 175 verweist auf Jes 7,18f als Parallele: Die von Jhwh herbeigeholten Bienen (gemeint sind die Assyrer) »werden sich alle niederlassen in den Felsschluchten, Felsspalten, Dornensträuchern und allen Tränken«.

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»alle Männer, die bei ihm sind«; von ihnen soll »nicht ein einziger übrigbleiben«. Huschai bedient sich eines mörderischen Populismus, der gegen alle Andersdenkenden, gegen alle Anhänger Davids, hetzt. Wollte Ahitofel mit seinem Plan auf allseitigen »Frieden« hinaus, so ruft Huschai zu maßlosem Blutvergießen auf81. In 17,13 folgt dann noch eine leise Selbstkorrektur. Es könnte ja sein, dass David doch nicht einfach an den Jordanfurten auf seinen Untergang wartet. Er könnte sich auch in eine befestigte Stadt zurückziehen. Doch nützen wird ihm das nichts. Das gewaltige israelitischjudäische Volksheer würde Stricke um die Stadtmauer legen und die ganze Stadt zu Tale schleifen: ein ebenso bombastisches wie unrealistisches Bild. Josephus (Ant. 7.220) lässt Huschai etwas weniger überschwänglich, dafür militärisch vernünftiger reden: Wenn David sich in eine Stadt zurückzieht, dann werden wir diese zerstören durch den Einsatz von Belagerungsmaschinen und das Unterminieren der Mauer (ojruvgmasin uJponovmoi~). Das wäre denkbar; um aber Huschai zu glauben, darf man nicht denken. Harviainen (Hushai 268–274) sucht nachzuweisen, dass Huschai gerade in Huschai als 17,11–13 – dem laut obiger Analyse (s. bei »Ort«) ältesten, schon der Amnon- Ausländer Abschalom-Novelle zugehörigen Teil seiner Rede – ein recht merkwürdiges Hebräisch spricht, das ihn als »gentile«, als Fremden, ausweist. Im Einzelnen nennt Harviainen: wnjn in 17,12, eine Form, mit der »an intentional contamination of Hebrew and Aramaic meanings« (270) von jwn, »ausruhen«, hnj, »Lager beziehen«, und tjn, »hinuntersteigen«, beabsichtigt sein dürfte; µg, das in 17,12 sehr seltsam verwendet werde; waychw in 17,13, eine ungewöhnliche Hif.-Form, die aramaisierend klinge; bjs in 17,13 (oben wiedergegeben als »hinunterschleifen«), ein seltenes Verb, das sonst im AT nie eine Stadt, sondern tote Tiere oder verschleppte Menschen zum Objekt hat; rwrx in 17,13 (oben übersetzt mit »Steinchen«), ein Nomen, das nur noch in Am 9,9 begegnet und dessen wahre Bedeutung »has been forgotten« (271); schließlich die Behandlung des femininen Nomens ry[, »Stadt«, als Maskulinum in 17,13 – vermutlich, weil die Pluralform µyr[ scheinbar maskulin ist82. Harviainen kommt zu dem Schluss, dass »Hushai’s mistakes are typically pseudocorrect forms of the type produced by every student of a foreign language« (272). Interessanterweise wurde in der Textnote 15,34e zur Perikope 2Sam 15,13–37 eine ähnliche Beobachtung an Sätzen gemacht, die David dem »Ausländer« Huschai in den Mund legte. Es handelt sich also um einen Erzählzug, der sich durchhält. Bis heute gilt es als große Kunst von Literaten, einzelne Protagonisten eine spezifische, nur ihnen eigene Sprache sprechen zu lassen. Der Amnon-Abschalom-Novellist beherrschte diese Kunst!

81  Stolz 262: Huschais »Pläne sind maßlos, ihre Verwirklichung wäre mit viel Blutvergießen verbunden«. Alter 299: »The bloodthirsty alternative evidently appeals to something in Absalom«. 82  Vgl. Textnote 17,13b.

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In 17,4 hatte der Erzähler gesagt, Ahitofels Rat sei akzeptiert worden. Jetzt lässt er die Zuhörer ihr Urteil in direkter Rede aussprechen, was eine Steigerung bedeutet. Es sind allerdings nicht mehr die gleichen Leute, die sich jetzt äußern: zwar noch »Abschalom«, aber nicht mehr die »Ältesten Israels«, sondern »die ganze Mannschaft Israels«. Statt eines zahlenmäßig begrenzten zivilen Führungsgremiums äußert sich jetzt die große Masse von Soldaten, sozusagen das Volk unter Waffen. Huschai hat einen effekthascherischen, populistischen, kriegerischen Ton angeschlagen – »Blut und Boden« könnte man sagen –, und der ist bei seinem Publikum angekommen83. Man kann sich die Zustimmung geschrien vorstellen: von den Rängen her über die Köpfe der gewählten Volksvertreter hinweg84. Und Abschalom? Er erfasst (wie es bei Politikern manchmal der Fall ist), dass der Wind gedreht hat, und stimmt in den Ruf ein: »Besser ist der Rat Huschais!« Und er ist ja auch wirklich »besser« – nur nicht für ihn, sondern für David. Abschalom hat die Neigung, »nichts zu überstürzen, sondern jede Handlung genau und gewissenhaft vorzubereiten«85; so könnte Huschais Plan seinem Wesen eher entsprechen als der zupackendschneidige von Ahitofel. (Es wird sich noch zeigen, dass er vermutlich weder den einen noch den anderen befolgt, sondern sich für ein Mittelding zwischen beiden entschieden hat.) In 17,14b wird der Erzählfluss plötzlich unterbrochen. Ein neues Subjekt tritt auf, und zwar, in einer x-qatal-Konstruktion, gleich am Satzanfang. »Jhwh hatte verfügt« heißt es. Es ist dies eine der wenigen Stellen in der Davidgeschichte, an denen eine Erzählstimme (nicht: eine Erzählfigur) mitteilt, wie Gott zu den geschilderten Geschehnissen steht – in diesem Fall nicht nur, wie er sie beurteilt, sondern dass er bereits die Weichen in die von ihm gewünschte Richtung gestellt hat. Gott will, dass über Abschalom »Unheil« kommt, dass er also nicht an die Stelle Davids tritt. Die Entscheidung wird nicht erst auf dem Schlachtfeld fallen, sie ist bereits in Abschaloms Kriegsrat gefallen. Und zwar nicht dadurch, dass Gott etwa dem Ahitofel unsinnige Ideen eingegeben hätte, nein, sein Rat war »gut«. Doch Gott bewirkte, dass sein Plan »zerbrochen« wurde. Wie? Dazu bedurfte es keiner wunderhaften Zeichen vom Himmel, keiner überirdischen Erscheinungen, nötig waren »nur« die hohe Beredtsamkeit und Geschicklichkeit

83  Vgl. Conroy, Literary Study 190: »It is not the wisdom of the elders but the facile and ephemeral enthusiasm of the mass of Absalom’s followers present at the scene«. 84  Der mittelalterliche jüdische Ausleger Gersonides bringt es (laut Bar-Efrat II 176) deutlich zum Ausdruck: Die Ältesten stimmten diesem Plan nicht zu! 85  Bar-Efrat II 176f.

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Huschais einerseits86 und die Verführbarkeit Abschaloms und seiner Anhänger andererseits. Die Fähigkeiten und die Unzulänglichkeiten von Menschen waren es also, derer sich Gott bediente, um sein Ziel zu erreichen87. Woher weiß das derjenige, der diesen Satz geschrieben hat (nach obiger Einschätzung: der Höfische Erzähler)? Er kann es nicht wirklich wissen, denn niemand schaut ins Innere Gottes. Es ist jedoch seine Überzeugung, sein Glaube. In seinen Augen ist es unfassbar, dass Huschais verschwommener Plan »besser« gefunden wurde als der höchst präzise Ahitofels, weshalb man dahinter einen höheren Willen annehmen muss88. Alles sprach für einen Sieg Abschaloms: seine eigenen Gaben und sein taktisches Geschick, die Verbrechen und die Schwächen seines Vaters, die antidavidische Stimmung im Volk, die zahlenmäßige Überlegenheit von Abschaloms Truppen, nicht zuletzt die enorme geistige Potenz seines Chefberaters Ahitofel. Wie konnte eine Bewegung, die sich derart auf der Siegesstraße befand, doch noch scheitern? Es lag an Gott, Gott hatte es so »verfügt«. Diese Mitteilung nimmt der Leserschaft jede Spannung im Blick auf den Ausgang des Geschehens89. Es wird nicht mehr darauf ankommen, wer die bessere militärische Strategie und die tapfereren Soldaten hat. Gott hat entschieden, noch ehe es zu irgendwelchen Kampfhandlungen kommt. Er setzt sich nicht im Schlachtgetümmel durch, sondern im geistigen Ringen zweier kluger Berater um die Seele Abschaloms und seiner Anhänger. Es findet allerdings noch ein anderes stilles Ringen statt, das wichtig 17,15–16 ist für den Ausgang des Abschalom-Aufstands: das zwischen der von David in Jerusalem installierten Fünften Kolonne und dem Sicherheitsdienst Abschaloms. Werden Informationen aus Jerusalem zu David gelangen und ihn zum richtigen Handeln veranlassen oder nicht90? Es ist eine Art Agententhriller, der sich jetzt vor den Augen der Leserschaft abspielt. 86  Vgl. Brueggemann 313: »Hushai is more than the agent of David. He is in fact the agent of Yahweh«. 87  Nach Conroy (Literary Study 191) »[t]he mysterious imponderables of human choice are exemplified here«. 88  Vgl. die wiederum treffende Formulierung Conroys, Literary Study 192: »Insincere rhetoric wins the day, but only because the Lord has willed it so«. 89  Vgl. Fokkelman I 206: »the narrator is not primarily interested in … the tension found in any adventure novel, or thriller, etc. He has no need of it and his goal is higher things«. 90  Laut Mann (Run David 132) schließt das Urteil in 17,14b dieses zweite Ringen mit ein: Ahitofels Rat wurde »zerbrochen« nicht nur durch Huschais Rede, sondern auch durch dessen nachrichtendienstliche Tätigkeit.

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Der am weitesten ans Herz der Revolution vorgeschobene Posten ist Huschai. Vielleicht war er Zeuge der Beratungen, die zu dem Urteil in 17,14a führten: dass sein Rat »besser« sei als derjenige Ahitofels. Wahrscheinlicher aber wurde er, nachdem er seine Rede gehalten hatte, hinausgeschickt, sodass er zunächst darüber im Unklaren blieb, wie Abschalom und seine Gefolgschaft entschieden91. Immerhin wusste er, was Ahitofel geraten hatte und was er selbst gesagt hatte. Beides teilt er umgehend den Priestern Zadok und Abjatar mit, von denen ihm David gesagt hatte, sie und ihre Söhne stünden zur Nachrichtenübermittlung bereit. Seinen Bericht verbindet er gleich mit einer taktischen Anweisung an David: »Übernachte nicht an den Wüstenfurten, überquere das Wasser sofort!« Das klingt, als fürchte Huschai, dass der Rat Ahitofels befolgt werde. Er hat also entweder den Beschluss des Kriegsrates in 17,14a wirklich nicht mitbekommen92; oder er denkt, Abschalom könne sich wieder umbesinnen und doch noch Ahitofels Rat folgen93; oder er rechnet nicht damit, dass die von ihm selbst vorgeschlagene Mobilmachung viele Tage oder gar Wochen dauere94, dass zumindest einige Truppenteile sehr schnell zur Verfolgung Davids bereitstehen könnten. Jedenfalls tut David nach Huschais Meinung gut daran, sich möglichst umgehend weiter nach Osten abzusetzen95. Es folgt eine spannende Schilderung der Schwierigkeiten und 17,17–22 Gefahren, unter denen diese Empfehlung an David gelangte. Die Priester instruieren ihre beiden Söhne – aber nicht direkt, sondern über eine Magd, die unauffällig die Stadt verlassen kann, um am Brunnen En-Rogel Wasser zu holen, wo Jonatan und Ahimaaz warten. Der erwähnte Brunnen liegt dort, wo Kidron- und Hinnom-Tal zusammentreffen, also ein Stück südlich von Jerusalem96. Für den Fall, dass die Magd doch aufgehalten würde, gibt es keine schriftlichen Kassiber, nur mündliche Mitteilungen. Die beiden Priestersöhne sind keine wuchtigen Krieger, sondern schlanke, flinke, pfiffige Jugendliche, nicht leicht zu entdecken und noch schwerer zu fassen. Ihnen spendet Josephus (Ant. 7.224) hohes Lob: Sie seien ihrer Aufgabe ohne Aufenthalt und ohne Zögern nachgekommen – »loyale und verlässliche Helfer« (eujsebei`~ kai; pistoi; diavkonoi), wie sie 91  So auch andere, z.B. Newkirk, Just Deceivers 136. 92  Nach Tsumura II 248 sendet Huschai, noch bevor er das Ergebnis der Beratungen erfahren hat, Botschaft an David. 93  So Campbell II 153, Alter 299 und manche andere. 94  So McCarter II 387. 95  Vgl. Fokkelman I 225: »As a good secret agent he [Huschai] excludes from the outset any risk«. 96  Wörtlich bedeutet der Name sinnigerweise »well of the Runner« (Fokkelman I 229). Die Wasserstelle heißt heute Bîr Ajjûb, »Hiobsbrunnen« (McCarter II 388).

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2Sam 16,15 – 17,23 sich ein militärischer Vorgesetzter (Josephus war hoher römischer Offizier) nur wünschen kann. Die Erzählung macht den Eindruck, als fände nicht jetzt das erste Mal eine Nachrichtenübermittlung auf diesem Weg statt. Die Verbformen sind iterativisch (weqatal, s. die Textnote 17,17a). Heißt das, dass bereits Informationen an David gelangt sind, ehe der entscheidende Kriegsrat mit den Auftritten Ahitofels und Huschais stattfand97? Oder wird hier nur beschrieben, wie der Nachrichtenweg grundsätzlich angelegt war und jetzt, nach dem Kriegsrat, zum ersten (und vielleicht letzten) Mal funktionierte98?

Doch die gute Planung und Tarnung nützt nichts. Die beiden Jungen werden bemerkt, und zwar von einem »Burschen«, der möglicherweise eigens für diesen Zweck abgestellt war99. Allerdings sind nicht sogleich Häscher zur Stelle, sodass die Meldung zunächst an Abschalom geht. Das erlaubt es den Priestersöhnen, die offenbar bemerkt haben, dass sie beobachtet wurden, sich eilends davonzumachen. Sie schlagen denselben Weg ein wie zuvor der flüchtende David mit seinem Tross: über den Ölberg nach Bahurim, um von dort hinunter zum Jordan zu gelangen. Die Abwehrleute Abschaloms antizipieren das, ein Greiftrupp geht direkt nach Bahurim. Das ist, wohlgemerkt, der Ort, in dem der erbitterte Davidfeind Schimi wohnte (vgl. 2Sam 16,5–13). Doch offenbar ist nicht die gesamte Bevölkerung seiner Meinung. Die beiden Botenläufer finden (oder kennen) einen Mann, der bereit ist, ihnen zu helfen. Sie verschwinden in einer im Hof seines Anwesens befindlichen Zisterne. Die Bauersfrau – es ist bemerkenswert, dass der Text ihrer eigens gedenkt – tarnt das Versteck. Als sie wieder im Haus ist, stürmen die Häscher herein und fragen nach dem Verbleib von Ahimaaz und Jonatan. Sie gibt umgehend Auskunft – aber eine falsche: Sie seien Richtung Jordan vorbeigelaufen. Genauso hat es Rahab gemacht, jene Prostituierte in Jericho, die zwei Spione Josuas versteckte (nicht in einer Zisterne, sondern auf dem Dach) und das Verhaftungskommando in die Irre schickte (Jos 2,1–7). Und auch Michal, Sauls Tochter, verhalf David zur Flucht vor den Häschern ihres Vaters und flunkerte diesem dann vor, sie sei dazu gezwungen worden (1Sam 19,11–17)100. Weibliche List gegen männliche Gewalt: Es scheint, als müssten Frauen, die den Mut haben, Verfolgten zu hel97  So Mann, Run David 128. Nach Firth 469 sind schon ein paar Tage seit Abschaloms Ankunft in Jerusalem vergangen, an denen das Nachrichtennetz gespielt habe. McCarter glaubt, David habe Informationen schon vor Abschaloms Einzug in Jerusalem erhalten. (Diese könnte dann aber nicht Huschai gesandt haben, vgl. 2Sam 15,37.) 98  So Tsumura II 254. 99  Das vermutet jedenfalls Hentschel II 73. 100  Mann (Run David 131) verweist auf beide Parallelen.

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fen, öfter zum Mittel der Lüge greifen101. Als Abschaloms Leute die Gesuchten nicht finden, kehren sie zurück nach Jerusalem. So erfährt Abschalom jedenfalls, dass es einen geheimen Nachrichtendienst für David gibt. (Ob und wie das seine weiteren Entscheide beeinflusst hat, ist unbekannt.) Die beiden Melder richten David getreulich aus, was ihnen aufgetragen wurde: David und die Seinen sollten schnell den Jordan überqueren, »denn so und so hat Ahitofel gegen euch geraten« (17,21). Hat aber nicht auch Huschai einen Rat gegeben, der David mehr zeitlichen Spielraum ließ, und wurde der nicht sogar »besser« befunden als der Ahitofels102? Oben wurde deutlich: Es ist nicht sicher, was Huschai wusste und was er dachte und was er durch die Priester und deren Söhne David ausrichten ließ. Jedenfalls gab es gute Gründe, auf Eile zu drängen. Und David hörte auf den ihm übermittelten Rat. Noch in der gleichen Nacht ließ er seine gesamte Begleitung übersetzen, sodass sich am Morgen kein einziger Mensch mehr auf der Westseite des Jordans befand. Das ist rein logistisch bzw. pioniertechnisch eine beachtliche Leistung, gleichgültig, wie stark oder wie schwach der Mond die Szenerie ausleuchtete. Jedenfalls hatte David damit zwischen sich und mögliche Verfolger aus dem Lager Abschaloms eine natürliche Barriere gelegt. Eines Angriffs kann man sich leichter erwehren, wenn man einen Fluss vor sich als ihn im Rücken hat. Auld 533 vermerkt, die Formulierung rqbh rwaAd[ (»bis zum Licht des Morgens«) sei ungewöhnlich; normalerweise hätte rqbhAd[, »bis zum Morgen«, genügt. Auffälligerweise fänden sich die Belege der längeren Form »only in Samuel and its immediate neighbors« (Ri 16,2; 1Sam 14,36; 25,34.36; 2Sam 17,22; 2Kön 7,9), während die kürzere auch in Ex, Lev, Spr und Rut begegne. Darf man daraus folgern, dass die umständliche Ausdrucksweise die ältere ist und man sich später eher mit der kürzeren begnügte? Firth 469 überlegt, was es bedeutet, dass David mit der Flussüberquerung bis zum Morgen gebraucht hat. Wäre Ahitofels Vorschlag, noch in der Nacht anzugreifen, aufgenommen worden, hätte es ungeachtet der am Ende doch gelungenen Nachrichtenübermittlung und der großen Eile bei der Flussquerung für David keine Rettung gegeben. Allerdings wird schon im übernächsten Vers (17,24) berichtet, dass Abschalom mit seinen Truppen den Jordan überschritten habe – anscheinend also 101  McCarter II 389 rechnet nicht mit literarischen Abhängigkeiten, sondern mit »a traditional story pattern«. 102  Für Würthwein (Geschichte von der Thronfolge) war dies ein Argument, dass es einen Rat Huschais ursprünglich nicht gegeben habe (s. oben S. 148). Dagegen wendet McCarter II 388 mit Recht ein, dass in hebräischen Erzählungen oft nicht die gesamten Botschaften mitgeteilt werden, wenn die Lesenden deren Inhalt schon kennen. Die Nachrichten von Huschai an David würden schon in 15f und dann noch einmal mehr in 21 verkürzt, sodass »only the most important parts of the message remain«.

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2Sam 16,15 – 17,23 ziemlich bald. Hat er Ahitofels Ratschlag doch berücksichtigt, nur nicht ganz so radikal, wie von diesem vorgeschlagen? Jedenfalls verlautet nichts von einer zeitaufwändigen Generalmobilmachung in der gesamten Doppelmonarchie, wie Huschai sie empfohlen hatte. Sollte diese trotzdem veranlasst worden sein, hätte Abschalom sie nicht zur Gänze abwarten müssen, sondern könnte mit den Männern der ersten Stunde und den ersten eingetroffenen Milizeinheiten sogleich losgezogen sein. Leider ist der Text in diesem historischen Detail wenig deutlich.

Es ist klar, dass Ahimaaz und Jonatan, die beiden enttarnten Spione, nicht mehr nach Jerusalem zurückkehren konnten. Wahrscheinlich blieben sie an der Seite Davids. Sie spielen später noch öfter eine Rolle als Meldeläufer103. Ob und wie Abschalom sich für ihr Entkommen an ihren Vätern – ja auch Mitgliedern des Spionagerings – schadlos gehalten hat, ist unbekannt. Immerhin sind Zadok und Abjatar bei Davids Rückkehr unversehrt und auf freiem Fuß104. Ahitofel – sein Name steht in einer Inversion betont am Satzan- 17,23 fang105 – erkannte sehr bald, dass er sich nicht hatte durchsetzen können. Vielleicht hatte er den Auftritt Huschais und den Entscheid des Kriegsrats miterlebt. Und natürlich hatte er realisiert, dass er nicht mit der Zusammenstellung von zwölf Tausendschaften beauftragt worden war, um sofort die Verfolgung aufzunehmen106. So war David das gelungen, was ihm auf keinen Fall hätte gelingen dürfen: über den Jordan ins Ostjordanland zu entweichen107. Das bedeutete, dass nunmehr nicht mehr die Aufständischen das Gesetz des Handelns in der Hand hatten. David konnte jetzt hingehen, wohin er wollte, konnte neue Unterstützung generieren, konnte seine Truppen reorganisieren, sie womöglich verstärken, konnte vor allem Zeitpunkt und Ort der Entscheidungsschlacht bestimmen. Einen David, den man so frei agieren lässt, besiegt man nicht, jedenfalls nicht einer wie Abschalom, der offenbar unzugänglich war für guten Rat und unfähig zu kluger Entscheidung. Vor Ahitofels innerem Auge wird sich bereits abgespielt haben, was nun folgen würde: der Kampf in einem für Davids Truppen günstigen Gelände, die Niederlage der Aufständischen, der Tod ihres Anfüh103  Vgl. 2Sam 18,18–30; 1Kön 1,42–48. 104  Vgl. 2Sam 19,12–14. 105  Laut Auld 537 zeigt das eine Parenthese an, wäre also der gesamte Vers 17,23 ein erzählerischer Einschub in eine Handlung, die von 17,22 nach 17,24 weiterläuft. Das ist nicht unmöglich, doch lässt sich 17,23 auch als Schlusspunkt eines Handlungsabschnitts sehen: eben desjenigen vom Ringen der beiden Berater. 106  Dies hält Bodner (Motives 73) für Ahitofels sicherstes Kriterium bei der Einschätzung des Geschehens. 107  Fokkelman I 229 redet von »[t]he old fox’s escape«.

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rers Abschalom, die Rückkehr Davids nach Jerusalem. Ahitofel war klar, was das für ihn persönlich, den Hochverräter, bedeutete: Hinrichtung. Auch das wusste er: dass Exekutierten die ehrenvolle Bestattung verweigert wird. Dem allem beschloss er zuvorzukommen108. Er ging auch diesen letzten Schritt seines Lebens so, wie man ihn kennt: wohlüberlegt, ruhig, entschlossen. Zuerst sattelt er seinen Esel. Dass dies erwähnt wird, kann man liebevolle Detailtreue nennen. Tatsächlich, Ahitofel befindet sich in Jerusalem und hat eine größere Reise vor sich. Wahrscheinlich gilt es auch, einiges Hab und Gut mitzunehmen. Als Mann von Rang besitzt er einen Esel. Mit ihm bricht er auf »zu seiner Stadt«, Gilo109. Von dort hatte Abschalom ihn gerufen (2Sam 15,12), dorthin kehrt er zurück. Der Weg mit Abschalom war, wie er jetzt weiß, ein Irrweg. Es bleibt ihm nur noch, »sein Haus zu ordnen«: etwas, das nicht jedermann rechtzeitig vor seinem Ableben zustande bringt. Allerdings weiß Ahitofel, dass er jetzt sterben wird, und er ist es gewohnt, umsichtig zu planen. Vielleicht regelt er noch ungeklärte Familienangelegenheiten, jedenfalls sein Erbe und sein Begräbnis. Einer wie er will, wenn er schon seine politischen Ziele nicht erreichen konnte, wenigstens im Privaten kein Chaos hinterlassen. Nachdem dies alles erledigt ist, »hängt er sich auf und stirbt«; das wird trocken und emotionslos mitgeteilt, so, als hätte es nicht anders sein können. Die Todesart verrät der Erzähler, nicht jedoch die näheren Umstände: nicht, ob die Familie wusste, was jetzt kam, ob sie das zu verhindern versuchte, wo und wie genau der Suizid vonstattenging, wer den Leichnam vorfand, was mit ihm geschah usw. Solche Einzelheiten verbirgt der Erzähler hinter einem Schleier der Diskretion und der Pietät. Sein letzter Satz ist eine Reverenz an den Toten. Ahitofel wird so ehrenvoll beigesetzt, wie es sich damals ein Mann nur wünschen konnte: »im Grab seines Vaters«. So bewahrte dem königlichen Ratgeber Ahitofel seine Familie ein ehrendes Andenken – und das sollten auch alle Späteren tun. Der Suizid Ahitofels und die Selbsttötung in der Bibel Dass der biblische Text die letzte Tat Ahitofels – und diesen Mann überhaupt – nicht verurteilt, sondern ihn bis zum letzten Atemzug Größe wahren 108  Demgegenüber meint Firth 466, der Erzähler fühle sich nicht verpflichtet, alle Einzelheiten in der genau »richtigen« Reihenfolge zu erzählen. Der Selbstmord Ahitofels habe vielmehr erst nach der Niederlage und dem Tod Abschaloms stattgefunden. Doch wer will das beweisen? Und warum sollte ein so urteilsstarker Mann den Ausgang der Dinge nicht sehr bald vorausgesehen haben? 109  Nach Johnstone (Property Holding 315f) hat ry[ hier nicht diese Bedeutung, sondern meint Ahitofels »heritable property«, gewissermaßen seine (Wohn-)Stätte. Doch eine solche Spezialbedeutung legt sich an dieser Stelle m.E. nicht nahe, weil sie bereits durch das vorangehende »in sein Haus« (wtybAla) abgedeckt ist.

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2Sam 16,15 – 17,23 lässt, hat die Auslegung von früh an beschäftigt und zu verschiedenen Stellungnahmen und Erklärungen veranlasst. Josephus (Ant. 7.229) weiß über den Vorgang mehr, als die Bibel berichtet. Ahitofel habe seiner Familie eine Abschiedsrede folgenden Inhalts gehalten: Nachdem Abschalom seinen wohldurchdachten Plan nicht angenommen habe, werde David ihn besiegen und den Thron wieder übernehmen. Für ihn selbst sei es besser, jetzt frei und in Würde aus der Welt zu scheiden, als demnächst für seine Unterstützung der Rebellion bestraft zu werden. Danach sei er ins Innere seines Hauses gegangen und habe sich aufgehängt. Seine Verwandten hätten ihn losgeschnitten (von der »Schlinge«, ajgcovnh) und ehrenvoll bestattet. Wie der biblische Bericht enthält sich Josephus jeder Beurteilung dieses Suizids. Dagegen hat er den Massenselbstmord der Verteidiger von Massada mit unverhohlener Sympathie beschrieben (Bell. Iud. 7.323–336 und 7.341–388), denjenigen der Verteidiger von Jotapata hingegen klar verurteilt (3.361–382)110. Fokkelman nennt den Vers 17,23 »one of the most impressive jewels of biblical narrative art« (I 229). Einem Mann, der ein erwiesener Feind Davids war und durch Suizid endete, werden acht Narrative gegönnt. Dadurch erscheint er bis zu seinem Ende als freies, souveränes Subjekt des Geschehens. »The iron consequence of his thought lasts to the final moment and makes Ahithophel a great and lonely figure« (I 230). Es ist dem prodavidischen Erzähler hoch anzurechnen, dass er das traurige Ende dieses Mannes mit »objectivity and even respect« beschreibt (I 231). Ähnlich äußert sich Stolz 263: »Der Selbstmord Ahitophels ist nicht als Verzweiflungstat dargestellt, sondern als Sterben eines Weisen, der seine ausweglose Situation überlegen überblickt und die Konsequenzen zieht«. Andere sehen den Bericht von Ahitofels Ende weniger positiv. Mann (Run David 129) meint, es bleibe doch kein Zweifel daran, dass dieser Mann, genauso wie sein Rat, gescheitert sei. Und nach Bodner (Motives 74) »he descends to the grave as a bitter man, with his desire for revenge unfulfilled«. Doch wo lässt der Text etwas von Bitterkeit erkennen? Einige Untersuchungen ordnen 2Sam 17,23 in die – nicht eben lange – Reihe von Suiziden in der Bibel ein: Shemesh (Suicide) nennt sechs Fälle von Selbsttötung im AT: Nebst Ahitofel noch Abimelech (Ri 9,54), Simson (Ri 16,25–31), Saul (1Sam 31,3f), Sauls Waffenträger (1Sam 31,5) und Simri (1Kön 16,18f). Sämtliche Selbstmörder befanden sich in einer irreversibel schlimmen Lage. Keiner wird für seine traurige letzte Tat verurteilt (sondern höchstens für früheres Fehlverhalten: etwa Abimelech, während Simson gerühmt wird). Drei erfahren ein ehrenvolles Begräbnis. Suizid ist »a legitimate option in exceptional and extremely difficult situations« (167). Was Ahitofel anlangt, so kam er durch seine Selbsttötung der Verurteilung und Hinrichtung als Hochverräter zuvor111; in diesem Fall wäre sein Besitz wohl an die Krone gefallen112, nun konnte er ihn regulär vererben113. Er ist bis zum Ende »a person who anticipates future events and does what he does out of level-headed consideration« (165). 110  111  112  113 

Vgl. Begg, Ahithophel 496. Das meinen manche, z.B. Firth 470. Vgl. 1Kön 21,15f. Dies steht wohl hinter der Formulierung: »Er ordnete sein Haus«.

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2Sam 16,15 – 17,23 Lenzen (Selbsttötung 91) nimmt außer den genannten Stellen noch 2Makk 10,12f; 14,41ff und Mt 27,5 in den Blick und stellt ganz ähnlich fest: »In der Bibel stoßen wir nicht auf eine grundsätzliche moralische Verwerfung und Bestrafung des Selbstgetöteten, sondern auf einen stillen, einfühlsamen Respekt vor der Selbsttötung als einem letzten ehrenvollen Ausweg in alternativloser Konfrontation« (91). Jan Dietrich (Tod von eigener Hand) unterteilt die biblischen Fälle von Selbsttötung (zu denen er noch Tob 3,10 rechnet – obwohl Sara, Tobits Tochter, sich nicht wirklich umbringt, sondern dies nur erwägt) in die Kategorien »eskapistisch«, »aggressiv« und »oblativ«. Zur ersten Gruppe gehören »Bilanzsuizide«, und für diese ist Ahitofel der Hauptexponent. Er kann, so Dietrich, den »Statusverlust in der Öffentlichkeit«, den er von 2Sam 16,23 bis 17,14 erleidet, nicht ertragen (179). Sein Freitod sei »kaum als Flucht vor abzusehender Unehre und Hinrichtung« anzusehen, sondern nur »als konsequentes Ende seines Scheiterns angesichts eingetretener öffentlicher Erniedrigung« (180) – eine Entgegensetzung, die m.E. weder nötig noch sachgemäß ist. Bodner (Motives)114 vermutet einen bestimmten Grund hinter Ahitofels Abfall zu Abschalom und seinem schließlichen Suizid. Er habe, als Großvater Batschebas115, persönliche Rache für deren Schändung und die Tötung ihres Gemahls Urija nehmen wollen. Dazu passe sehr gut der Ratschlag an Abschalom, Davids (Neben-)Frauen in Besitz zu nehmen, denn das treffe David auf eben dem Gebiet, auf dem er sich verfehlt hat (67: »David had had unlawful sexual relations with Ahithophel’s granddaughter …; so now, unlawful sexual relations with David’s harem would take place«). Deshalb auch bekundet Ahitofel in seinem zweiten Ratschlag die Absicht, David ganz persönlich, und nur ihn allein, töten zu wollen (71: »he bears a grudge against David alone, and therefore the king alone is his main target«). Als klar wird, dass sein Rat nicht angenommen wurde und David über den Jordan entweichen konnte, dass somit er, Ahitofel, ihn nicht mehr zu fassen bekommen würde, beschließt er, seinem Leben ein Ende zu setzen (73: »it is the frustration of this motive which leads to his final string of actions«). Diese Argumentation hätte einiges für sich, wenn die Hypothese von Ahitofel als Großvater Batschebas nicht über 2Sam 23,34 begründet werden müsste und wenn sein erster Ratschlag nicht von ihm selbst anders begründet würde (16,21) – und dazu ohnehin literarisch sekundär und schon von daher historisch nicht belastbar ist. Berührend ins Bild gesetzt hat das Ende Ahitofels ein Illustrator der Wenzelsbibel. Drei Szenen fasst er zusammen: Ahitofels Ritt auf dem Esel nach Hause, seine Selbsttötung durch Erhängen und seine geradezu liebevolle Bestattung durch die Angehörigen. Die Darstellung lässt tiefes Mitgefühl mit dem gescheiterten Ratgeber erkennen – der übrigens erstaunlich jung wirkt, gar nicht wie ein alter Mann: ein nachdenkenswerter Einzelzug im Blick auf die gesamte Ahitofel-Geschichte.

114  Ähnlich auch Bodner, David Observed, zusammenfassend 138. 115  Vgl. schon Bd. 4, S. 151, sowie oben S. 36, Anm. 19, und die Ausführungen bei »Wort« zu 15,9b–12.

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Wenzelsbibel (14. Jh.): Ahitofels Ende

Erzählerische Spannungsbögen Ziel Sicher will die Erzählung bei der Leserschaft zuerst eine hohe Span- Literarische nung erzeugen. David, der aus Jerusalem fliehen musste, konnte dort Unterhaltung einige Getreue positionieren: zehn Nebenfrauen, vor allem aber die (Ober-)Priester Zadok und Abjatar samt ihren Söhnen sowie den Königsberater Huschai. Bei sich hat er noch einige Bataillone tüchtiger Soldaten, im Übrigen aber vor allem Frauen, Kinder und Hofleute, während Abschalom mehr oder weniger das ganze Volk auf seiner Seite hat. Besonders schwer wiegt, dass der beste königliche Berater, Ahitofel, zu Abschalom übergelaufen ist. So sieht dieser zunächst wie der sichere Sieger aus. Die Erzählung schildert den Moment, in dem das Blatt sich wendet. Sie bietet Einblick ins Machtzentrum der Revolution, beschreibt, wie dort die Meinungen hin und her und ausein-

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andergehen, wie Abschalom zunächst auf Ahitofels Anraten Davids Nebenfrauen in Besitz nimmt, wie er dann von Ahitofel einen für David höchst gefährlichen Ratschlag erhält und Huschai diesen zu unterlaufen versucht – mit Erfolg, wie es scheint. Wird David über die Entwicklung der Dinge informiert, und wird er richtig reagieren? Die Priestersöhne, die ihm Nachricht bringen sollen, entkommen um Haaresbreite ihrer Verhaftung. Am Ende wird David doch gewarnt und macht sich aus dem Staub. Ahitofel erkennt, wozu das führen wird, und nimmt sich das Leben. Diese Darstellung hat etwas von einem Polit- und Agententhriller. Zugleich will die Erzählung das geistige Ringen zweier ausnehmend kluger und redegewandter Königsberater schildern: Der eine will David töten, der andere ihn retten. Wie gehen beide vor, welche Argumente und welche Worte wählen sie – und wie wirkt, was sie sagen, auf ihre Adressaten? Der erste Rat Ahitofels erscheint (heute) einigermaßen befremdlich, ja abstoßend116. Er hat aber in sich seine Logik, und seine Intention ist nachvollziehbar: Letzte etwa noch vorhandene emotionale Verbindungen zwischen David und Abschalom sollen zerrissen, David soll schwer gekränkt, die Aufständischen aber sich klar werden, dass der Krieg unvermeidlich ist und dass sie ihn entschlossen führen müssen. Unter dieser politischen liegt eine theologische Ebene: Gott hat durch Natan die Bestrafung von Davids Verbrechen an Batscheba und Urija angekündigt – und das tritt jetzt ein. Es kommt zu einem Beraterwettkampf, einem verbalen Schlagabtausch zwischen zwei Geistesgiganten. Der eine wird ob seiner Weisheit derart gerühmt, dass man sich fragt, wie der andere ihm noch Paroli bieten kann. Mit angehaltenem Atem hört man, wie zielsicher und unerbittlich Ahitofel David zu vernichten trachtet. Seine Ausführungen haben freilich etwas Egomanes; er wirft sich zum Truppenführer auf und scheint sich seines Erfolges allzu sicher. Hier setzt Huschai den Hebel an: Er sagt (fast) nie »Ich«, dafür umso öfter »Du«. Er erinnert Abschalom und dessen Leute an etwas ihnen Wohlbekanntes: dass David ein »Held« und keinesfalls zu unterschätzen ist. Nur ein riesiges, freilich erst noch aufzubietendes Heer kann ihn besiegen. Diese Erwartung lässt Abschalom in der Rolle des großen Führers schwelgen, die Aussicht auf einen gefahrlosen Sieg trübt ihm und seinen Leuten den nüchternen Blick. Huschai setzt sich durch, Ahitofel bringt sich um. Spätestens jetzt weiß man, dass der Aufstand Abschaloms scheitern wird. 116  Vgl. aber Stoebe II 383: »Man darf hier nicht die moralischen Maßstäbe des alten israelitischen Rechts anlegen« – schon gar nicht modernen Geschmacks. Ahitofels Rat »bezweckt die symbolische Für-tot-Erklärung Davids als Regent«.

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2Sam 16,15 – 17,23 Gottes Theologische Fragen Eine ernste theologisch-ethische Frage wirft der Passus 16,21–23 Zielsetzungen auf. Da ist zuerst das von Ahitofel empfohlene und von Abschalom vollzogene »Eingehen« zu den zehn Nebenfrauen Davids. Und gleich danach heißt es, Ahitofels Rat habe so viel gegolten wie das »Wort Gottes«. Soll das heißen, dass jene schlüpfrige, ja empörende Szene dem Willen Gottes entsprach117? Oder war sie eben nicht im Sinne Gottes, und Ahitofel hat seinen gewaltigen Einfluss missbraucht118? Hinter dieser liegt noch eine andere Frage: Der Mann, dessen Wort dem Wort Gottes nahezu gleichwertig war, ist von David zu Abschalom übergelaufen. Könnte das bedeuten, dass zusammen mit ihm auch Gott sich von David ab- und Abschalom zugewandt hat? Waren somit die wiederholten Versicherungen, Gott sei »mit David«, war die große David-Verheißung hinfällig? Die theologische Deutestelle 17,14b gibt darauf eine klare Antwort: Nein, Gott wollte nicht über David »das Unheil bringen«, sondern über Abschalom. Der, an dessen Autorität Ahitofel Anteil hatte, lenkte das Geschehen in diese Richtung. Ohne Gott wäre es vielleicht in die entgegengesetzte Richtung gelaufen. Denn eigentlich war es unmöglich, dass Huschai Ahitofels Rat »zerbrach« und dass danach der Aufstand Abschaloms fehlschlug und David auf den Thron zurückkehrte. Nach menschlichem Ermessen musste es eigentlich anders kommen. Doch um Gottes willen durfte und konnte es nicht so kommen, wie es zu erwarten war. Gott hat sich, um es so zu sagen, die Durchführung seiner Absichten selbst schwergemacht, indem er Ahitofel mit so hohen Gaben ausstattete und es dann zuließ, dass er auf die Seite Abschaloms wechselte. Er fand dann jedoch einen Mann, der mindestens ebenso hohe Gaben besaß und mit dessen Hilfe er Ahitofel neutralisieren konnte119. (Dass Huschai sich dazu fragwürdiger Mittel bediente, wird gleich zu bedenken sein.)

117  Kipfer (Der bedrohte David 156) bestreitet das vehement, Grossman (Design 561) scheint es zu bejahen: »Ahithophel’s advice to Absalom to lie with his father’s mistresses should be understood as the realization of God’s will«. Zwar ist hier von Ahitofels Rat, nicht von Abschaloms Tat die Rede, doch wäre diese Unterscheidung sophistisch. Interpreten sollten nicht mehr zu sagen wagen als der Text – und dieser bringt Gott noch nicht in 16,21f, sondern erst in 16,23 ins Spiel, und dort auch nur indirekt. 118  Alter 295 hält die Verbindung eines solchen Rates und einer solchen Tat mit der Kategorie des göttlichen Orakels für »a sour irony«; »Ahitophel, it seems, is a kind of Israelite Metternich or Bismarck«. 119  Mit Recht betont Bar-Efrat 167, dass Gott sich nicht »eines Wunders« bedient – »es werden ja keine Naturgesetze außer Kraft gesetzt«, vielmehr tritt ein Königsberater gegen den anderen auf.

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Die Erzählung lässt sich auch ohne die theologischen Aussagen in 16,23 und 17,14b lesen (und es gab sie einmal ohne sie). Sie ist auch dann glaubhaft und logisch. Ahitofel war ungeheuer klug – Huschai aber war ihm gewachsen, sogar überlegen (nicht moralisch, aber an Raffinesse). So kam es, dass sich das Geschick zuungunsten Abschaloms und zugunsten Davids wendete. Auch diese geschichtsimmanente Lesung ist möglich. Die Geschichte läuft nach ihren inneren Gesetzen ab – und wird doch von Gott gelenkt120. Das ist nicht zu verstehen als Synergismus, so als täte Gott noch etwas zu dem hinzu, was Menschen tun, sondern als Dialektik: In, mit und trotz dem, was Menschen tun, wirkt Gott121. Moralische Probleme Die beiden Hauptfiguren der Erzählung, Ahitofel und Huschai, sind so gezeichnet, dass jeder von ihnen die Sympathien, jedenfalls den Respekt, der Lesenden gewinnen könnte. Doch jeder hat einen schweren moralischen Makel: Der eine ist ein Verräter, der andere ein Betrüger. Ahitofel ist zweifellos ein Verräter an der Sache Davids. Über seine möglichen Motive wurde in der vorangehenden Auslegung nachgedacht. David Wohlgesonnene werden in jedem Fall seinen Übertritt auf die Seite des Rebellen Abschalom verwerflich finden. Und die Erzählung – spätestens deren jüngere Stufe mit den theologischen Deutestellen – bemüht sich nicht, ihre prodavidische Einstellung und damit ihre Abneigung gegen Abschalom und seinen Berater Ahitofel zu verbergen. Diese beiden konnten nicht anders als scheitern. Ahitofels Tod von eigener Hand ist die logische Konsequenz aus seiner Fehlentscheidung gegen David. Aus gesamtbiblischer Sicht liegt der Blick auf einen anderen Mann nahe, der seinen Herrn verriet und sich am Ende erhängte: Judas Ischariot (Mt 27,5)122. Viele Einzelzüge der beiden Geschichten ent120  Diesen Gedanken hebt auch Firth 471 hervor: Es sei »a narrow path emphasizing both God’s hidden purposes and the reality that human decisions are free«. Das exemplifiziert er an Abschalom, Ahitofel und Huschai: Jeder von ihnen agiere aus eigenem Antrieb – und erfülle doch eine Rolle in einer göttlichen Inszenierung. 121  Brueggemann 313f grenzt die Textaussage ab gegen einen flachen »positivism« (so als lasse sich alles erklären aus »human power and human cunning«) genauso wie gegen einen »reactive supernaturalism« (»in which God acts visibly and directly«). »Rather, insists the narrative, there are the hidden, powerful purposes from God that operate through Hushai«. Vgl. auch Fokkelman I 205: »divine providence and human action flow together in one undivided event«. 122  Auf diese Parallele verweist von den neueren Kommentatoren McCarter II 389. Doch schon der anglikanische Theologe Thomas Jackson (1579–1640) zog

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sprechen sich: Ein enger Vertrauter fällt seinem Herrn in den Rücken: einmal David, einmal einem Sohn Davids. Diese beiden gehen in ihrer Passion zum Ölberg (der Garten Getsemane kann nicht weit von dem Ort gelegen haben, an den 2Sam 15 gedacht ist). Freilich, auch die Unterschiede liegen auf der Hand: Judas lässt sich seinen Verrat bezahlen, Ahitofel nicht; Judas hat mit seinem Verrat ›Erfolg‹, Ahitofel nicht. Gleichwohl hat Matthäus offensichtlich die AhitofelGeschichte zum Vorbild für seine Judas-Geschichte genommen. Speziell dessen Name hatte in der Folge verhängnisvolle antijüdische Wirkungen: Judas, der Jude, sollte für den Tod Jesu verantwortlich sein. In neuester Zeit – nach dem Holocaust und auch dank jüdischer Literaten123 – hat Judas eine weniger ›schlechte Presse‹ als früher. Auch Ahitofel verdient in gewisser Hinsicht eine Rehabilitierung. Huschai gab sich ebenfalls als Verräter zu erkennen, d.h. als Überläufer von David zu Abschalom. Doch anders als Ahitofel war er das nicht wirklich, sondern täuschte es nur vor. In Wirklichkeit hielt er seinem Herrn die Treue, rettete ihm vermutlich sogar das Leben – aber um welchen Preis! Kann man es moralisch unbedenklich finden, wenn einer sich ins Feindeslager als vermeintlicher Freund einschleicht, den gegnerischen Anführer mit Uneindeutigkeiten und Schmeicheleien die Sinne vernebelt und ihm Ratschläge unterbreitet, die ganz offensichtlich nicht seinen Interessen dienen, ihm vielmehr schaden, ja ihn am Ende das Leben kosten124? Wiederum werden unbeirrbar David Zugeneigte Huschai für seine Raffinesse loben. Politisch realistisch Gesinnte werden sagen, so sei das eben im politischen Interessenkampf; es werde hier ein feiner Keil auf einen groben Klotz gesetzt. Um den Königsmord, den Ahitofel und Abschalom wollten, zu verhindern, war jedes Mittel recht. Sieht man es von der anderen, der Rebellenseite, her, dann hat der durchtriebene Huschai eine gerechte Sache zum Scheitern und einen disqualifizierten Herrscher zurück an die Macht gebracht. Dieser Mann war, in den Kategorien des 19. Jahrhunderts, ein Agent der Restauration und ein Totengräber der Revolution. Doch wie, wenn man das Ganze aus der Perspektive Gottes betrachtete? Das würde heute kaum mehr jemand wagen. Der Verin seinem Werk »The Humiliation of the Son of God« den Vergleich (s. Cooper/ Lohrmann, Reformation Commentary 232); bei ihm schneidet Judas freilich noch schlechter ab als Ahitofel, der immerhin ein Motiv für seinen Verrat habe: Rache für die Schändung seiner Enkeltochter Batscheba. Vgl. zudem das Referat der These Johnsons (Passion) im einleitenden Kapitel oben S. 10f. 123  Vgl. vor allem Amos Oz, Judas, Frankfurt a.M. 2015. Mit ähnlicher Thematik aber schon Stefan Heym, Ahasver, München 1981 = 2005. 124  Der Reformationstheologe Andrew Willet (1562–1621) erklärt jeden Betrug, auch den des Huschai, für ein Vergehen. Vgl. Cooper/Lohrmann, Reformation Commentary 228.

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fasser der beiden theologischen Deutestellen aber tat es und erklärte, so scheint es, Huschais Verhalten für faktisch gerechtfertigt125. Oder ist es anders: Verhielt sich Huschai verwerflich, doch Gott nutzte sein Verhalten zur Erreichung seiner Ziele? Auch hier bietet sich aus gesamtbiblischer Sicht eine Parallele an: die Erschleichung des Erstgeburtssegens durch Jakob, sehr zum Schaden Esaus (Gen 27): nach moralischen Gesichtspunkten ein unentschuldbares Fehlverhalten, das aber vorweg (Gen 25,22f) und hernach (Gen 28,10–15) für mit den Zielsetzungen Gottes übereinstimmend erklärt wird. Freilich, gelobt wird Jakob für seinen Betrug nie. Vielmehr muss er sich nach (oder in?) einem Kampf mit Gott zur Versöhnung mit Esau durchringen (Gen 32,23 – 33,16). Und der Prophet Hosea qualifiziert den Erzvater Israels unverblümt als den, »der seinen Bruder betrogen hat« (Hos 12,4). Alttestamentliche Geschichten sind manchmal moralisch uneindeutig, alttestamentliche Figuren häufig moralisch ambivalent. So ist der Mensch, so sind seine Geschichten. Gott aber wirkt in, mit und trotz ihnen. Nicht zuletzt das zu zeigen, dürfte das Ziel der vorliegenden Erzählung sein.

125  So sieht es, allzu einlinig, Newkirk, Just Deceivers 139: »Since Hushai’s deception was the means by which YHWH carried out this decree [gemeint ist das Verb hwx in 17,14b], the author’s evaluation of this deception is positive«.

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2Sam 17,24 – 18,5

David und Abschalom treffen Vorbereitungen zur Schlacht (2Sam 17,24 – 18,5) Begg, C., The Demise of Absalom according to Josephus: OTE 18 (2005) Literatur 482–502. – Dietrich, W., Hapaxlegomena in den Samuelbüchern, in: E. Bons u.a. (eds.), Biblical Lexicology. Hebrew and Greek, 2015 (BZAW 443), 103– 129. – Hamilton, M.W., At Whose Table? Stories of Elites and Social Climbers in 1–2 Samuel: VT 59 (2009) 513–532. – Haupt, P., Deal Gently with the Young Man: JBL 45 (1926) 357. – Hutton, J., Over the River and through the Woods. Historical and Narrative Geography in 2 Samuel 18, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 105–129. – Joüon, P., Notes philologiques sur le texte hébreu de 2 Samuel: Bib. 9 (1928) 302–315. – Karasszon, I., Ammon und Moab. Erwägungen zu Davids dynastischer Politik, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 439–447. – Kim, J.-H., Zur Textgeschichte von Sam-Kön anhand 2Kgt(Sam) 15,1–19,9, in: M. Karrer / W. Kraus (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, 2008 (WUNT 219), 353–368. – Knauf, E.A., Ismael. Untersuchungen zur Geschichte Palästinas und Nordarabiens im 1. Jahrtausend v. Chr., 21989 (ADPV). – Na’aman, N., Amasa the Asrielite (2 Samuel 17,25): Sem. 57 (2015) 177–183. – Noth, M., Das Land Gilead als Siedlungsgebiet israelitischer Sippen (1941): ders., Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde, Bd. 1, NeukirchenVluyn 1971, 347–390. – de Regt, L., Participant Reference Devices and the Characterisation of Personages in 1 and 2 Samuel, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 257–269. – Schmitt, R., Der König sitzt im Tor. Überlegungen zum Stadttor als Ort herrschaftlicher Repräsentation im Alten Testament: UF 32 (2000) 475–485. – Schmitt, R., Establishing Communitas. Royal Rites of Military Loyalty and Their Social-Religious Function, in: S.M. Olyan (ed.), Ritual Violence in the Hebrew Bible. New Perspectives, New York / Oxford 2015, 137–145. – Tamarkin Reis, P., Killing the Messenger – David’s Policy or Politics?: JSOT 31 (2006) 167–191. – Thompson, H.O., Art. Rogelim: ABD 5, 788f. – Willi-Plein, I., Barsillai der Gileaditer, in: M. Pietsch / F. Hartenstein (Hg.), Israel zwischen den Mächten, FS Stefan Timm, 2009 (AOAT 364), 455–472. – Willi-Plein, I., Kimham – Barsillais Protégé, in: W. Dietrich (Hg.), Seitenblicke. Literarische und historische Studien zu Nebenfiguren im zweiten Samuelbuch, 2011 (OBO 249), 354–373. Siehe auch die Literatur oben zum Einleitungskapitel 2Sam 15--20. Text 17,24 Und David war nach Mahanajima gekommen. Und Abschalom hatte den Jordan überschritten, er und die gesamte Mannschaft Israels mit ihm. 25 Und Abschalom hatte Amasa anstelle Joabs als Heerführer eingesetzt. 2Sam 17,24 – 18,5

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2Sam 17,24 – 18,5

Und Amasa war der Sohn ‘ ’a des Israelitenb Jitra, der eingegangen war zu Abigajilc, der Tochter ‘Isais’d, der Schwes ter Zerujas, der Mutter Joabs. 26 Und Israel und Abschaloma lagerten sich im Land Gilead. 27 Und es war, als David nach Mahanajim kam – und Schobi ben Nahasch aus dem Rabba der Ammoniter und Machir ben Ammiël aus Lodebar und Barsillai, der Gileaditer, aus Rogelim: 28  Liegebettena und Schalenb und Keramikgefäße und Weizenc und Gerste und Mehl und ‘ ’d Bohnen und Linsen und geröstetes Korn 29  und Honig und Butter und Kleinvieh und ‘Milchkälber’a brachten sie David und dem (Kriegs-)Volk, das bei ihm war, zum Essen. Denn sie sagten: »Das (Kriegs-)Volk ist hungrig und müde und durstigb gewordenc in der Wüste.« 18,1  Und David musterte dasa (Kriegs-)Volk, das bei ihm war, und setzte über ihm Tausendschafts- und Hundertschaftsführer ein.  2 Und David ‘teilte’ das (Kriegs-)Volk ‘in drei Teile’a: ein Drittel unter dem Kommando Joabs und ein Drittel unter dem Kommando Abischais, des Sohns der  Zeruja, des Bruder Joabsb, und ein Drittel unter dem Kommando Ittais, des Gatiters. Und der König sagte zum (Kriegs-)Volk: »Ich will unbedingt mit  euch ausrücken.«  3 Und das (Kriegs-)Volk sagte: »Du wirst nicht ausrückena. Dennb wenn wir fliehen müssenc, wird man nicht viel auf uns gebend. eUnd wenn die Hälfte von uns fällt, wird man nicht viel auf uns gebene. Fürwahr, ‘du’f bist wie zehn Tausendschafteng von unsh. Und nun: Es ist gut, wenn du von der Stadt aus uns zur Verfügung  stehst zur Hilfej.«  4 Und der König sagte zu ihnen: »Was gut ist in euren Augen, werde  ich tun.« a Und der König stellte sich an die Seite des Stadttors , und das gesamte (Kriegs-)Volk rückte aus nach Hundertschaften  und nach Tausendschaften.  5 Und der König befahl Joab und Abischai und Ittai dies: »Geht mir sanft uma mit dem jungen Mann, mit Abschalom!« Und alles Volk hörte, wie der König allen Kommandeuren Befehl  gab in Sachen Abschalom.

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2Sam 17,24 – 18,5 17,24a In GL ist der Eigenname verkannt und das Wort als »Lager« (Pl.: parembolaiv) übersetzt. – 25a So GL. In M (und GBAMN) eine umständliche Erweiterung: »Amasa war der Sohn eines Mannes, und dessen Name war Jitra«. – b »Israelit« mit M. In GM und einer Handschrift von GL wurde daraus ein »Jesreelit« (wobei vielleicht an das judäische Dorf Jesreel gedacht ist, aus dem Ahinoam, die Mutter Amnons, kam, vgl. 2Sam 3,2), in GA (wie in 1Chr 2,17) gar ein »Ismaelit«, d.h. ein Araber. Dieser falschen Fährte folgen viele, z.B. Stolz 266; McCarter II 393; Stoebe II 393; Campbell II 142; Bar-Efrat II 180; Alter 301. Einen ganz eigenen Weg schlägt Na’aman (Amasa 180–183) mit der Konjektur »Asrielit« ein. Siehe weiter bei »Wort«. – c Die G-Versionen bieten allesamt die Namensform »Abigaia«: laut Kim (Textgeschichte 359f) erklärbar aus der Verwechslung der griechischen Großbuchstaben Lambda und Alpha (L und A), zudem auch als Beispiel für die »Hellenisierungstendenz der semitischen Namen in der hellenistisch/frühjüdischen Zeit«. – d So mit GLMN (und offenbar auch 4QSama, vgl. DJD XVII 162), obwohl der Verdacht einer lectio facilior besteht. In M ist nämlich Abigajil rätselhafterweise eine »Tochter Nahaschs«. Hieß etwa ihre Mutter Nahasch? Oder war Isais Frau früher mit einem Nahasch verheiratet? All das wirkt recht bemüht. Einfacher ist die Annahme, dass die »Tochter Nahaschs« in den Text geriet, weil in 27 von einem »Sohn Nahaschs« die Rede war (so Wellhausen, Text 201, gefolgt von McCarter II 392, Alter 302 und Na’aman, Amasa 178). Bei Josephus (Ant. 7.232) fehlt jede Angabe über die Abkunft Abigajils (außer dass sie und Zeruja Schwestern Davids waren). – 26a Demgegenüber bietet GL die erwartbare Reihenfolge: »Abschalom und die Mannschaft Israels«, vgl. 24. – 28a So mit einer in HALAT 842 vorgeschlagenen Konjektur, die aus G gewonnen ist. Dort ist von devka koivta", »zehn Liegen«, die Rede; was sollen aber zehn Schlafstätten für so viele Leute? Es lässt sich vermuten, dass die Übersetzer die Constructus-Verbindung bkvm t(w)cr[ vorfanden und deren erstes Wort von cr[, »Bett«, zu rc[, »zehn«, verlasen. – b G weiß wieder von genau »zehn Kesseln«. – c Im Verlauf der griechischen Textgeschichte ist es offenbar zu einer Verwechslung von purov", »Weizenkorn« (so GBAMN), und pu'r, »Feuer« (so GL), gekommen. – d M bringt an dieser Stelle schon das Wort ylq, »Geröstetes«, das später noch einmal vorkommt. Bar-Efrat II 182 deutet mit Kimchi: geröstete Hülsenfrüchte und gerösteter Weizen, Willi-Plein (Barsillai 458f) meint: »Röstkorn«. In G indes liegt keine Doppelung vor. – 29a Das in M gebrauchte Wort twpv ist ein Hapaxlegomenon, das nach dem Targum und der Peschitta »(Kuh-)Käse« bedeuten könnte, vgl. HALAT 1496 sowie Bar-Efrat II 182, Stoebe II 393, Alter 302, Tsumura II 257 u.a. Caquot / de Robert 541 vermuten etwas »de la viande ou du fromage«. Willi-Plein (Barsillai 459) deutet auf »Rinderfladen« (als »Brennmaterial«). Am logischsten scheinen nach dem »Kleinvieh« indes »Milchkälber« (so GL). – b GL etwas abweichend: dass das Volk »hungert und vor Durst kraftlos wird« (so die Übersetzung von kai; ejkleluvsqai diyhvsanta in LXX-D 363). – c Joüon (Notes philologiques 312) betont, dass b[r, πy[ und amx keine Adjektive, sondern Perfekta sind. In Bezug auf πy[ und amx sieht KAHAL (408a bzw. 483b) das anders. 18,1a GLMN: »das gesamte (Kriegs-)Volk«. – 2a So GL (ejtrivsseuse) und entsprechend die Vetus Latina (et tripartivit). Das jlvyw in M, »er sandte aus« (Stoebe II 396, etwas abmildernd: »er setzte in Marsch«) kommt verfrüht. So auch Bar-Efrat II 184. Caquot / de Robert 543 hingegen wollen bei M bleiben, und Rudnig (Davids Thron 260) zieht aus dieser Lesart große literar-

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17,24 25

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18,1.2

2Sam 17,24 – 18,5 kritische Schlüsse: Mit 2a sei »der Vorgang bereits vollständig beschrieben und beendet«, alles Folgende sei sekundär. – b GL kehrt die Reihenfolge der 3 Attribute um: »Abischais, des Bruders Joabs, des Sohns der Zeruja«. – 3a Die Vetus Latina fügt verdeutlichend hinzu: »in die Schlacht«. – b In 4QSama fehlt das yk; laut DJD XVII 164 ist es in M (und den Versionen) zugesetzt. – c Mit »müssen« soll die Inf.-abs.-Konstruktion im Hebräischen angedeutet werden. – d Wörtlich: »nicht werden sie auf uns ein Herz setzen«. GL ändert den idiomatischen Ausdruck nicht unelegant ab: »Nicht wird in uns das Herz [fest]stehen«. Ähnlich schreibt 4QSama: bl wnl µ[y]ç[y al (DJD XVII 163f). – e–e Dieser gesamte Satz fehlt in einzelnen hebräischen und griechischen Handschriften sowie in der Peschitta; die Erklärung mit Homoioteleuton liegt nahe. – f Dieses »du« findet sich in GBA und in der Vetus Latina. M schreibt (und GL und Theodoret übersetzen): »denn jetzt«, worauf aber kein sinnhafter Satz folgt. Vermutlich unterlief hier eine Verschreibung von hta in ht[, begünstigt durch das ht[w wenige Worte später. Bar-Efrat II weist auf das gleiche Versehen in 1Kön 1,18 hin. – g McCarter II 405 und BarEfrat II 184 bemerken, dass die Zahl »zehntausend« µypla trc[ geschrieben würde (also im status constructus, vgl. Ri 1,4; Ez 45,3 u.a.); der status absolutus zeige an, dass es hier nicht um Zahlen, sondern um militärische Einheiten geht. – h GLM und Theodoret verrennen sich in einen völlig schrägen Satz: (o{ti) kai; nu'n ajfaireqhvsetai ejx hJmw'n hJ gh' devka ciliavsin, was laut LXX-D 363 bedeuten soll: »(denn) auch nun wird von uns das Land den Zehntausenden weggenommen werden«. – i Mit Stoebe II 398 ist anzunehmen, dass der Artikel versehentlich wegblieb. G schreibt: »in der Stadt«. Dem folgt McCarter II 400. – j M wörtlich: »zu helfen« (die fehlerhafte Schreibweise im Ketib wird im Qere korrigiert). Die griechischen Übersetzungen wählen einen nominalisierten Ausdruck mit bohqov", »Helfer« (GL), oder bohvqeia, »Hilfe« (GA), bzw. dazu noch den Infinitiv mit Artikel: bohvqeia tou' bohqei'n 4 (GB). – 4a Die Wortfügung begegnet auch in 1Sam 4,18 und 2Sam 15,2. Wahrscheinlich ist an ein bestimmtes architektonisches Element am Torbau, vielleicht ein relativ niedriges Steinpostament, gedacht (s. Bd. 1, S. 240f). In GL (para; to; klivto") wird daraus ein »Abhang« neben oder bei dem Tor, was in LXX-D 845 auf eine »Konfusion von Buchstaben« (nämlich zwischen r[v 5 und dva, »Absturz, Abhang«) zurückgeführt wird. – 5a Die Ausdrucksweise ist offenbar idiomatisch. KAHAL 21a gibt für fa an: »gedrückte Stimmung, Sanftheit«; dies wäre also ein Nomen, wo man doch einen Imperativ erwartet. Trotzdem bietet KAHAL 21b für drei Belege von fal verbale Übersetzungen an: »sanft (umgehen mit)« in 2Sam 18,5, »sanft (fließen)« in Jes 8,6 und »sanft (sprechen)« in Hiob 15,11. Haupt (Deal Gently 357) bezweifelt diese Möglichkeit und schlägt eine Ableitung von fwl, »verhüllen, einwickeln«, vor (so KAHAL 265b für fal in 2Sam 19,5; vielleicht könnte man für unsere Stelle etwas salopp sagen: »in Watte packen«); die vorliegende Form sei ein Inf. abs., welcher nach GK §113bb auch als Imperativ dienen könne. Folgt man dieser Erklärung, kommt man zu einer ähnlichen Übersetzung wie der oben gegebenen. Das heißt: Der Sinn ist klar, auch wenn die exakte philologische Erklärung schwierig bleibt.

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2Sam 17,24 – 18,5

Struktur Form Der Abschnitt ist keine in sich gerundete Erzählung, sondern eine Art Zwischenstück1, das der Leserschaft Informationen vermitteln soll, die sie zum Verständnis des Folgenden braucht2. Auffällig sind neben der hohen Zahl an Orts- und Personennamen die vielen x-qatal-Verbformen in 24 und 26–29, die etwas wie Nachholungen signalisieren: David hatte sich in Mahanajim festgesetzt, und Abschalom war ihm über den Jordan gefolgt (24). Abschalom hatte den Posten des Heerführers neu besetzt (25), und David war von örtlichen Notabeln mit Proviant versorgt worden (27–29). Es gibt freilich auch Narrative: in 26 (»und Abschalom lagerte«) sowie in 18,1–5. Die Plusquamperfekta und die Narrative lassen sich nicht separieren und je für sich fortlaufend lesen; vielmehr sind die Nachrichten alle ineinander verzahnt und zeichnen das Bild einer einige Zeit beanspruchenden3 beidseitigen Vorbereitung auf die nachfolgende Schlacht. Wie schon vorher, so ist auch jetzt das Prinzip der Abwechslung zwischen der Seite Davids und der Seite Abschaloms eingehalten4. Freilich sind die Nachrichten über David deutlich zahlreicher und detaillierter als die über Abschalom, worin sich andeutet, dass der Erzähler seine Position an der Seite Davids hat und die Gegenseite eher aus der Ferne sieht. Sollte Abschalom dem Rat Huschais (ganz oder teilweise) gefolgt sein, dann hätte er in ganz Israel-Juda ein großes Heer aufgeboten; doch »darüber verliert der Erzähler kein Wort«5. Im Gegenteil, die Erzählung wird hier äußerst wortkarg und schildert den Zug Abschaloms von Jerusalem über den Jordan nach Transjordanien in auffallender Knappheit, nämlich mit genau eineinhalb Versen (17,24b.26). David wurden für die gleiche Bewegung mehrere Kapitel zugestanden!

1  Bar-Efrat II 179 redet von einem »Bindeglied zwischen der Erzählung vom Kampf der Ratgeber und der Beschreibung des Kampfes auf dem Schlachtfeld«, Firth 470 von »a transition«, Campbell II 155 von »preliminaries«. 2  Fokkelman I 232: »The narrator contributes all the information that he wishes to impart to us before the battle«. Und Conroy (Absalom 45) diagnostiziert einen »straight reporting style« (45); von den rund neunzig Wörtern in 17,24–29 seien nur zehn Verben (52). 3  Richtig Conroy, Absalom 52: Man erhält »the impression of the passage of a period of time«. 4  Josephus (Ant. 7.230–232) vermeidet das Hin und Her, indem er zuerst David behandelt (17,24a + 17,27–29), dann Abschalom (17,24b–26); vgl. Begg, Demise 483f. 5  Bar-Efrat II 178.

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PDF 16: S. 182

2Sam 17,24 – 18,5 Davids Seite David ist in Mahanajim (17,24a)

Davids Truppen werden versorgt (17,27–29) David mustert seine Truppen (18,1) David ernennt drei Kommandeure (18,2a) David bleibt der Schlacht fern (18,2b–4a) Davids Truppen rücken aus (18,4b) David vermahnt seine Kommandeure (18,5)

Abschaloms Seite Abschalom überquert den Jordan (17,24b) Abschalom ernennt einen Heerführer (17,25) Abschalom lagert sich in Gilead(17,26)

Erzählerrede und Figurenrede Der Abschnitt besteht überwiegend aus Erzählermitteilungen. Die Informationen über David werden freilich durch direkte Reden unterbrochen (bzw. bereichert). Zuerst erklären die Unterstützer Davids ihren Einsatz für ihn (17,29b)6: Nicht aus Großzügigkeit handeln sie, auch nicht aus Furcht vor Repressionen, ebensowenig um bestimmter Gegenleistungen willen, die sie von David erwarten, nein, sie haben einfach den Bedarf seiner Leute wahrgenommen. Deren Notlage bedeutet für sie einen Imperativ, sie können gar nicht anders, als in dieser Situation zu helfen7. Auf ihre vornehme Rede antwortet niemand; sie wird – wie auch ihre Gaben – kommentarlos und dankbar entgegengenommen. Ein regelrechter Dialog entspinnt sich zwischen David und seinen Soldaten über die Frage, ob er mit in die Schlacht ziehen soll oder nicht. Wie man sich die Meinungsäußerung Tausender von Menschen vorstellen soll, bleibt unklar. David erklärt, er wolle an der Schlacht teilnehmen, die Soldaten lehnen das ab, er fügt sich (18,2b–4). Das ergibt das Muster A – B – A’; der König hat das erste und das letzte Wort (A – A’), doch alles Gewicht liegt auf der Meinungsäußerung der Soldaten (B). Sie dürfen ausführlich argumentieren, dürfen ihre Selbstlosigkeit und ihre Wertschätzung für den König zum Ausdruck bringen, dürfen sagen, dass sie fliehen, sogar fallen können, ihm 6  McCarter II 391 übersetzt wrma hier allerdings mit »they thought«, doch wäre ja auch ein ausformulierter Gedanke bzw. ein Selbstgespräch eine direkte Rede. 7  Nach Josephus (Ant. 7.231) haben sie Mitgefühl mit dem Exilsgeschick Davids.

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jedoch nichts zustoßen darf. Man gewinnt den Eindruck eines fast innigen Verhältnisses zwischen David und seinen Soldaten. Am Schluss steht ein Monolog, genauer: eine Anweisung Davids an seine Truppenkommandeure: Sie sollen Abschalom schonen (18,5). Angeblich hat dies »alles Volk« vernommen. Das ist szenisch schwer vorstellbar: Hat David den Befehl über den Appellplatz hinweg gerufen? Oder verbreitete er sich sozusagen von Mund zu Ohr? Er bleibt denn auch ohne Antwort. Haben die drei Generäle wenigstens genickt, oder »Zu Befehl!« gerufen – oder haben sie nichts gehört, nichts hören wollen? Am Ende wird einer von ihnen, Joab, dem Befehl klar zuwiderhandeln – ungeachtet der Warnung eines Soldaten, der Davids Anordnung vernommen und befolgt hat (2Sam 18,10–15). Ort Topographie Die Handlung verlagert sich von Jerusalem ins Ostjordanland. Ortsnamen David weicht dorthin zurück, und Abschalom folgt ihm. David bezieht Position in Mahanajim, einer Stadt, die König Eschbaal als Residenz gedient hatte (2Sam 2,8). Die Ortslage ist wohl unweit der Mündung des Jabbok in den Jordan im ostjordanischen Bergland zu suchen8. Abschalom und sein Heer lagern »im Land Gilead« (26) – eine etwas unklare Angabe. In der Regel heißt so die Region zwischen Jarmuk und Jabbok. Sie war seit jeher israelitisch besiedelt und bildete zusammen mit Benjamin und Efraim das Kernland Israel und das Herrschaftsgebiet (Sauls und) Eschbaals (vgl. 2Sam 2,9). In 17,27–29 werden drei ostjordanische Notabeln genannt, die David logistische Unterstützung gewähren. Zwei von ihnen sind offenbar Gileaditer (Machir und Barsillai). Der dritte ist Ammoniter (Schobi), kommt also aus dem südöstlich benachbarten Ausland. Von den beiden Gileaditern werden die Wohnorte mitgeteilt. Lodebar lag vermutlich in der Nähe Mahanajims – mehr und Genaueres lässt sich nicht sagen9. Rogelim ist noch weniger sicher zu lokalisieren. Laut Thompson (Rogelim 788) könnte der Name des Ortes auf den Umgang oder Handel seiner Bewohnerschaft mit Textilien hinweisen; möglicherweise erkläre sich Barsillais Reichtum daher. Das ist nicht recht zu verstehen, liegt dem Ortsnamen doch klar das Nomen lgr, »Fuß«, zugrunde. Thompson erwähnt die Identifizierung des Ortes mit Tell Barsina auf der 8  Einzelnes in Bd. 3, S. 308f. Dort werden zwei Lokalisierungsvorschläge erwähnt: auf den tulul eḏ-ḏahab am Jabbok (Hutton [Over the River 108–111] setzt sich mit Nachdruck für den westlichen der beiden Zwillingshügel ein) oder auf den 3 bis 4 km weiter südlich im Bergland gelegenen tell ḥed­schadsch (so Noth, Das Land Gilead 377, dessen Argumentation mir nach wie vor bestechend erscheint). 9  Vgl. Bd. 4, S. 38.

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2Sam 17,24 – 18,5 Südseite des Wadi er-Rujeileh (MR 223.215), die der Klangähnlichkeit mit »Barsillai« und »Rogelim« geschuldet zu sein scheine. Leider weist diese Ortslage aber keine Besiedlungsspuren vor der römischen Zeit auf. Noth (Das Land Gilead 379) redet denn auch von »ganz unbegründete[n] Einfälle[n]« und bekennt: »Wir haben … gar keine Möglichkeit, etwas über die Lage von Rogelim zu ermitteln«. Literarkritik

Literarhistorischer Ort 2Sam 17,24 – 18,5 ist, wie oben bei »Form« festgestellt, kein glatter, fortlaufender Erzähltext, sondern ein aus verschiedenen Informationen zusammengesetztes Zwischenstück. Gehörte dieses aber geschlossen zu einer Quelle, oder gibt es Hinweise auf literarische Uneinheitlichkeit? Der Wechsel zwischen x-qatal- und wajjiqtol-Formen wird sich kaum literarkritisch auswerten lassen: etwa so, dass die einen eine Grundschicht bildeten und die anderen nachgetragen wären. Zwar könnte 17,26 die Fortsetzung von 17,22 sein (zuerst setzt David über den Jordan, dann Abschalom), doch fehlt dann die Information über Davids Kommen nach Mahanajim. Und wo wären die Nachrichten von Ahitofels Suizid (17,23), von Amasas Ernennung (17,25) und von Davids Versorgung (17,27–29)? Es scheint doch, als griffe in dem Passus eins ins andere, und ein Autor habe sich die Freiheit genommen, gewisse Mitteilungen (im x-qatal) nachzuholen. Nimmt man dies an, dann ist jedenfalls 17,25–29 als zusammenhängender Text anzusprechen. Wie aber steht es mit 18,1–5? Klar ist, dass, bevor in 18,6ff die Schlacht beginnen kann, die Musterung und das Ausrücken der Truppen Davids und sein eigenes Fernbleiben kommuniziert werden müssen. All dies geschieht in 18,1.2a.4b (in lauter Narrativen). Die direkten Reden in 18,2b–4a.5 hingegen könnten zugesetzt sein. Tatsächlich lassen sich dafür tendenz-, z.T. auch handfeste literarkritische Gründe benennen. Wenn in der bald beginnenden Schlacht Abschalom zu Tode kommt, dann trägt rein faktisch David als Oberbefehlshaber des siegreichen Heeres die Verantwortung dafür. Wollte der Vater den Tod des Sohnes? Warum war er in der Schlacht nicht dabei, sodass er Abschalom hätte schützen können? Nun, er wollte dabei sein, doch seine Soldaten hinderten ihn (18,2b–4a). Und wenn Joab Abschalom umbrachte, dann gegen einen ausdrücklichen Befehl Davids (18,5)10. 18,5 hinkt im Erzählfortgang ohnehin nach. Die Einsetzung der drei Kommandeure war in 18,1.2a berichtet worden, das Ausrücken 10  Auch McCarter II 405 spricht hier von »apologetic writing«, sieht darin aber die Intention des Grundtextes. Stoebe II 403 bestreitet apologetische Absichten, ohne das aber zu begründen.

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der Truppen in 8,4b – und dann plötzlich legt David seinen Generälen noch die Schonung Abschaloms ans Herz, und zwar so, dass das ganze Heer es hört. Hier drängt sich der Eindruck eines Nachtrags förmlich auf. Sind diese Wahrnehmungen zutreffend, dann wurde der Passus 18,1–5 in davidfreundlicher Absicht überarbeitet. In den Bahnen der bisherigen Auslegung liegt es nahe, 17,24–29 + 18,1.2a.4b der AmnonAbschalom-Novelle und 18,2b–4a.5 dem Höfischen Erzählwerk zuzuweisen. Schon bisher war immer wieder zu beobachten, dass der Höfische Erzähler das Geschehen gern durch direkte Reden deutet, die er Erzählfiguren in den Mund legt. Im vorliegenden Fall möchte er David von dem Vorwurf entlasten, den Tod seines Sohnes gewollt oder doch billigend in Kauf genommen zu haben. Doch das geschieht nicht in plumper Form, sondern so, dass David zu einer tragischen Figur wird, der ein schweres Unglück widerfährt. Dieses Unglück kommt für die Lesenden nicht völlig überraschend, erinnern sie sich doch der Ankündigung Natans: »Nicht wird das Schwert weichen von deinem Haus für immer« (2Sam 12,10). Also muss David erleben, dass sich sein Sohn zuerst gegen ihn erhebt und dann mit dem Leben dafür bezahlt. Vermeylen (Loi 502.552.603.631) trifft eine andere literarkritische Einteilung. Ihm zufolge gehören –  zur Grundschicht 17,24.26; 18,1a.2b–4a.*5a (Befehl zur Schonung Abschaloms); –  zur »ersten salomonischen Redaktion« 17,25; 18,2a.*5 (Nennung der drei Kommandeure); –  zur »zweiten salomonischen Redaktion« 17,27–29; –  zur deuteronomistischen Bearbeitung 18,1b.4b. Auch wenn sich die in diesem Entwurf gezogenen Schnittlinien teilweise mit den oben festgestellten decken, erschließt sich die Ratio einer solchen Textschichtung nicht. Warum sind die Reden in 18,2b–4a.5 ursprünglich, die Faktenmitteilungen in 17,25.27–29 und 18,2a aber redaktionell, und warum ist die Nennung von Tausend- und von Hundertschaften in 18,1b.4b dtr? Langlamet (Pour ou contre Salomon 354f) hatte Vermeylen vorgearbeitet, indem er aus der vorliegenden Perikope drei Passagen als sekundär ausgrenzte: erstens die Notiz über Amasa in 17,25, weil sie den Zusammenhang zwischen 24 und 26 unterbreche und zudem Amasa im Schlachtbericht nicht mehr vorkomme (beides keine schlagenden Argumente), zweitens die Verse 17,27–29, die dazu dienten, die Barsillai-Szene in 2Sam 19,32–40 vorzubereiten (doch warum dann noch Schobi und Machir?), und drittens den Dialog in 18,2b–4a (dieser Entscheidung ist zuzustimmen11). Caquot / de Robert 540f halten ebenfalls 17,25 für nachgetragen, weil Amasa hier als Spross einer unehelichen Beziehung und zudem als ammonitischer 11  Auch Stolz 266 bemerkt: »die Reaktion der Truppe … darf bestimmt nicht als authentisches Zeugnis gewertet werden«.

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2Sam 17,24 – 18,5 Bastard verunglimpft werde (zu Letzterem vgl. aber Textnote 17,25c). Der Vers stamme von der »rédaction sadocide«. Hutton (Transjordanian Palimpsest 211) rechnet in 18,1–5 die Passagen 18,1.2a.4b zu einem »original battle-report« (*18,1 – 19,9), der die Grundlage für die gesamte Abschalom-Geschichte gewesen sein soll12; 18,2b–4a.5 seien demgegenüber sekundär13. Diese Aufteilung stimmt mit der oben vorgenommenen überein, nur dass Hutton mit anderen (und mehr!) Schichten rechnet als mit »Novelle« und »Erzählwerk« (vgl. 222). Schücking-Jungblut (Macht und Weisheit 192) beurteilt 18,2b–4a als Nachtrag, erstaunlicherweise aber nicht 18,5. Das ist inkonsequent und wenig logisch. Rudnig (Davids Thron 247–264) vertritt einmal mehr die radikalste Position. Ursprünglich sei im vorliegenden Textabschnitt nichts, solches finde sich lediglich in den Nachrichten vom Jordanübertritt Davids (2Sam 17,22), von der Musterung seines Heeres (18,1a) und dem Verlauf der Schlacht (mit einigen Sätzen aus 18,6ff). 17,24aba.26 sei von der »Itinerar-Bearbeitung« nachgetragen, darin sei 17,25 noch einmal sekundär, und 17,27–29 sei erfunden worden, um der Barsillai-Szene in 19,32–40 eine Basis zu geben (so schon Langlamet, s. oben); 18,2a.5 gehöre zur »Theodizee-Bearbeitung I«, 18,1b.2b–4 zur »Theodizee-Bearbeitung II«. Mit alledem bewegt man sich in tief nachexilischer Zeit! Historizität

Historischer Ort Was in dem Abschnitt 2Sam 17,24 – 18,5 ist historisch glaubhaft? Abzustreichen sind zunächst die Beigaben des Höfischen Erzählers in 18,2b–4a.5. David hat kaum mit seinen Soldaten über seine Teilnahme an der Schlacht diskutiert und auch seinen Kommandeuren nicht laut hörbar Anweisungen zur Behandlung Abschaloms gegeben. Fiktiv dürfte auch die Rede der drei Notabeln in 17,29 sein. Es bleiben fünf Sachmitteilungen: 1)  David setzte sich in Mahanajim fest, Abschalom folgte ihm über den Jordan nach Gilead. 2)  Abschalom ernannte Amasa ben Jitra zum Heerführer. 3)  Davids Truppen wurden von drei örtlichen Notabeln mit Gebrauchsgütern und Lebensmitteln versorgt. 4)  David musterte seine Truppen und unterstellte sie dem Kommando Joabs, Abischais und Ittais. 5)  David zog nicht mit in die Schlacht, sondern wartete deren Ausgang in Mahanajim ab. Alle fünf Mitteilungen dürfen historische Plausibilität beanspruchen. 1)  Die Nachricht scheint klar und unzweideutig: Das Ringen zwischen Abschalom und David verlagert sich (vorübergehend) ins Ost12  Diese These wurde oben im einleitenden Kapitel »Davids Ringen mit Abschalom und die Folgen (2Sam 15–20)« verhandelt. 13  Nach Hentschel (II 75f) hat nur 2b–4a ein »jüngerer Erzähler« verfasst, 5 hingegen »gehörte schon zur alten Überlieferung«.

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jordanland, weil David sich vor dem Ansturm der Rebellion nur über den Jordan ostwärts meint retten zu können und weil Abschalom, um den alten König völlig auszuschalten, sich ihm an die Fersen heften muss. Dieser einfachen Logik steht indes zweierlei entgegen. Erstens fand laut 2Sam 18,6 die nachfolgende Schlacht »im Wald Efraim« statt, den man normalerweise im Westjordanland suchen würde14. Das zweite Problem brachte erst die neuere Forschung auf mit der Hypothese, dass David nie in Mahanajim gewesen sei und Abschalom nie im Ostjordanland, dass dies vielmehr eine dem späteren Exil Judas nachgebildete Fiktion sei15. Damit ist zwar die geographische Spannung zwischen »östlich und westlich des Jordans« behoben, doch muss dafür der Text derart radikal seziert werden, dass er den Eingriff nicht zu überstehen droht – ganz abgesehen davon, dass man sich fragt, wie der kurzzeitige Aufenthalt des Königs David und seiner Gefolgschaft in Mahanajim (etwa 60 km entfernt von Jerusalem) das jahrzehntelange Exil der gesamten judäischen Oberschicht in Babylon (mehr als 1.000 km entfernt von Jerusalem) vorabbilden kann. 2)  Amasa figuriert noch in 2Sam 19,14 und 20,4f als Führer des Heerbanns – dann nicht mehr unter Abschalom, sondern unter David. Das heißt, diese Personalentscheidung seines Sohnes scheint David beibehalten zu haben. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. War dies ein Signal an die Teile der Armee, die gegen ihn aufbegehrt hatten und dem Kommando Amasas unterstanden? Oder nutzte David die Gelegenheit, den hochverdienten, ihm jedoch zunehmend unheimlich werdenden Joab abzulösen? Handelte es sich konkret um eine Sanktion für die von Joab zu verantwortende Tötung Abschaloms? Der Text sagt es nicht. Wohl aber lässt er ahnen, dass Amasas Einsetzung zum Heerführer ein geschickter politischer Schachzug war. Amasa war der Sohn einer Schwester Davids namens Abigajil – so wie Joab und Abischai Söhne der Davidschwester Zeruja waren. McCarter II 393f erwägt die Möglichkeit, dass diese Abigajil identisch sei mit derjenigen von 1Sam 25. Dagegen spreche, dass sich Nabal und Jitra kaum miteinander gleichsetzen ließen. Demgegenüber behauptet Hutton, Transjordanian Palimpsest 72, dass Nabal »should be associated with Ithra/ Jether the Jezreelite«. Das ist wenig einleuchtend.

14  Siehe dazu unten bei 2Sam 18,6–18, Abschnitt »Ort«. 15  Vgl. den Bericht namentlich über die Arbeit von A.A. Fischer (Flucht und Heimkehr) im einleitenden Kapitel »Davids Ringen mit Abschalom und die Folgen«. Es wurde dort auch erwähnt, dass Fischer in R.G. Kratz einen Vorläufer hatte. In Schücking-Jungblut (Macht und Weisheit 178–185) hat er nun jemanden gefunden, der ihn detailliert zu widerlegen vermag.

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Bewegt sich Amasas Ernennung zum Heereschef mütterlicherseits ganz in den Bahnen davidischer Clan-Politik, so stammte Amasas Vater nicht aus dem David-Clan, nicht einmal aus Juda oder Jerusalem, sondern aus »Israel«16. Er kam also aus dem Nordteil der Doppelmonarchie. Eben dies machte ihn zu einem attraktiven Kandidaten für den Posten des Armeechefs, stellte er doch in persona ein Bindeglied zwischen Nord und Süd im davidischen Reich dar. (Wie tüchtig er als Militär war, lässt sich schwer feststellen; diese Frage wird bei der Auslegung von 2Sam 20 zu bedenken sein.) 3)  Das Dreigestirn der Unterstützer Davids wirkt schwer erfindlich. Schobi ben Nahasch entstammt dem ammonitischen Königshaus, dessen Vertreter Hanun ben Nahasch sich mit David heftig angelegt hat und von ihm schwer aufs Haupt geschlagen worden ist17. Angeblich hat David sich die ammonitische Königskrone selbst aufgesetzt – anscheinend aber nicht lange, oder so, dass er sich durch ein anderes Mitglied des einheimischen Königshauses hat vertreten lassen18. Gleichwohl ist die Unterstützung Schobis für David nicht selbstverständlich, hätte er die Abschalom-Krise doch als Gelegenheit betrachten können, für die israelitische Aggression Rache zu nehmen. Andererseits mag er den geschwächten David für das kleinere Übel gehalten haben als den rabiaten Machtmenschen Abschalom19. Machir ben Ammiël20 hat gemäß 2Sam 9,4f dem Saul-Nachkommen Meribaal Unterschlupf gewährt. Auch von ihm war nicht unbedingt zu erwarten, dass er David zur Seite springen werde. Womöglich aber war seine Hilfe für die Sauliden gar nicht antidavidisch motiviert21. Sollte sie es doch gewesen sein, könnte er es umso angebrachter gefunden haben, David jetzt seine Ergeben16  Siehe Textnote 25b. 17  Vgl. 2Sam 10,1–14 + 12,26–31. Willi-Plein (Kimham 359) bezweifelt die Zugehörigkeit Schobis zum Königshaus. Er sei einfach ein »Notabler« aus Rabba gewesen. 18  Nach Stolz 266 hat David »die alteingesessene Dynastie in Ammon belassen, einen Prinzen seiner Wahl als Regenten eingesetzt und sich selbst als Oberkönig erklärt«. Ähnlich Stoebe II 394: »vielleicht war er [Schobi] von David als Gouverneur eingesetzt worden«. Auch nach Karasszon (Ammon und Moab 442) hat David zwar den aufsässigen König Hanun ausgeschaltet, jedoch »das Königshaus der Ammoniter auf seine Seite« gezogen und dafür gesorgt, dass fortan »die exekutive Macht in der Hand« Schobis lag. Hutton (Transjordanian Palimpsest 189) hält die Oberhoheit Davids über Ammon für die einfachste Erklärung, warum Schobi David jetzt unterstützt. 19  Dies eine Überlegung McCarters II 395. 20  Laut Josephus (Ant. 7.231) war er der führende Mann (prw'to") von Gilead. 21  Vgl. Bd. 4, S. 34, Anm. 55: »Seine Hilfe für Meribaal musste nicht antidavidisch motiviert sein, und wenn doch, konnte er danach noch zu David übergewechselt sein«.

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heit zu bezeugen22. Barsillai der Gileaditer ist vorher höchstens indirekt aufgetaucht: bei der Erwähnung eines Adriël ben Barsillai, der Sauls ältere Tochter Merab zur Frau bekommen haben soll (1Sam 18,19). Wären die beiden Barsillai identisch, dann wäre der Mann, der David half, mit dem Haus Sauls verschwägert gewesen. Genau wie Machir, so könnte auch er es gerade deshalb für geraten gehalten haben, David seine Reverenz zu erweisen. Der nicht eben hebräisch klingende Name »Barsillai«23 deutet nicht auf eine Erfindung durch judäische Geschichtsschreiber. Diese hätten die Person doch wohl auch mit etwas deutlicheren Konturen versehen. Willi-Plein (Barsillai 462f) erwägt die – naheliegende – Herleitung von lzrb, »Eisen«, also etwa »Eisenmann«. Das müsse »nicht … positiv konnotiert« sein, da Eisen damals noch nicht als hochwertiges Material galt; im Griechischen meine das davon abgeleitete Adjektiv »unbarmherzig«. Möglicherweise habe er oder seine Familie auch mit der Herstellung und der Verarbeitung des Metalls zu tun gehabt. Die Namensendung -ai begegne vorrangig (mit 61 Fällen) in nachexilischen Texten, doch fänden sich gerade in den Samuelbüchern Gegenbeispiele (14 an der Zahl). Ob mit einem »grammatischen (morphologischen) Aramaismus« zu rechnen sei oder eine »Karitativendung oder hypokoristische Namensform« vorliege, sei unsicher. Laut Noth (Das Land Gilead 378f) ist nicht einmal die Bezeichnung »der Gileaditer« belastbar. Dass er so genannt wird, könnte bedeuten, dass wohl seine Familie aus Gilead stammte, er selbst aber in einem nicht zu Gilead gehörenden Gebiet lebte. Barsillai ist ein insgesamt wenig beschriebenes Blatt. Etwas mehr über ihn wird man in der Erzählung 2Sam 19,32–40 erfahren.

Die Liste der Güter, welche die drei Männer zur Verfügung gestellt haben sollen, wirkt vollkommen zweckgerecht. Ihre Mitteilung hat tiefen Sinn. Wäre all dies David nicht geschenkt worden24, er hätte es sich in der Umgebung holen müssen – und sich damit sicher nicht beliebt gemacht. (Abschalom hingegen, mit seinem vermutlich viel größeren Heer, erfuhr solche Unterstützung anscheinend nicht25; ihm dürfte nichts anderes übriggeblieben sein, als das Benötigte in Gilead zu requirieren.) 22  So Noth, Das Land Gilead 378. 23  Laut HALAT 149a ist er gebildet aus dem Nomen lzrb (»Eisen«) »m. aram. gntl. Endung«. 24  Wie freiwillig dieses Geschenk war, kann man sich fragen. In 1Sam 25 genügten 400 Bewaffnete, um David das zu verschaffen, was er wollte; jetzt hat er wohl ein Mehrfaches an Truppen bei sich, allerdings auch mehr mögliche Gegner als damals. 25  Nach Bodner (Rebellion 90) muss Abschalom mit ansehen, wie die Versorgungskonvois aus der Umgebung nach Mahanajim ziehen – und eben nicht zu ihm.

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4)  Dass Truppen vor einer Schlacht gemustert und Kommandeuren26 unterstellt werden, ist von vornherein glaubhaft. Die drei Namen Joab, Abischai und Ittai erwartet man im Zusammenhang. Äußerst skeptisch in dieser Hinsicht zeigt sich Rudnig (Davids Thron 259): Die Dreiteilung des Heeres spiele im weiteren Schlachtbericht keine Rolle, und die Aufteilung in Tausend- und Hundertschaften setze ein »Riesenheer« voraus. Doch wer sagt, dass am Anfang einer Erzählung nur angesprochen werden kann, was im Fortgang ausdrücklich aufgenommen wird? Und wer sagt, dass die Truppenabteilungen numerisch voll besetzt waren? Wer schließlich sagt, dass David nur ein winzig kleines Heer zur Verfügung gehabt habe27? Man kann – wie Auld (539) es tut – auch umgekehrt argumentieren: Jene Angaben zeigten, »that his [Davids] forces are far from insignificant«.

5)  Dass David in der Schlacht nicht selbst dabei war, ergibt sich aus dem Fortgang der Erzählung: Er erfährt vom Todesschicksal seines Sohnes erst, als ihm Boten die Siegesnachricht nach Mahanajim bringen. Doch schon 18,4b sagt mit hinreichender Deutlichkeit, dass er beim Stadttor blieb, als die Truppen zur Schlacht ausrückten; der Dialog mit den Soldaten ist in der Sache nicht nötig. Dies gegen Seiler (Thronfolge Davids 171), in dessen Augen ohne 18,2b– 4a »bis V. 19 unklar [bleibt], ob der König selbst an der Schlacht beteiligt ist oder nicht«; seiner Meinung nach »lassen sich keine stichhaltigen Gründe finden, die zu einer Ausscheidung von V.2b–4(a) berechtigen«. Das ist m.E. anders zu sehen. Wort Die Verse 24 und 26 markieren den Aufmarsch der Truppen Davids 17,24–26 und Abschaloms im Ostjordanland. David, so heißt es, setzte sich in

Mahanajim fest, einer Stadt rund 60 km nordöstlich von Jerusalem. Sie war aller Wahrscheinlichkeit nach befestigt, sonst hätte sie sich als Residenz für Eschbaal kaum geeignet (vgl. 2Sam 2,8). Zudem wird hernach mehrfach ein »Tor« erwähnt (18,4.24; 19,1.9), das sicher Teil der Stadtbefestigung war. Der Positionsbezug in einer ummauerten Stadt gab David eine relativ sichere Basis für die weitere Auseinandersetzung.

26  Vielleicht würde man heute sagen: Generäle oder, genauer, Korpskommandanten. 27  Zu den 600 Gatitern Ittais kamen jedenfalls die »Kereter und Peleter« und die Eliteeinheit der »Dreißig«, dazu vermutlich Truppenkontingente, die zum Schutz der Hauptstadt ständig in Jerusalem stationiert waren. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass im Ostjordanland rasch neue Truppen rekrutiert wurden oder dass »David in Mahanaim Zuzug aus Juda und Jerusalem erhielt« (Stoebe II 396). Dennoch wird man an mehr als zwei- oder vielleicht dreitausend Mann kaum zu denken haben. Abschaloms Heer war vermutlich (um ein Mehrfaches?) größer – je nachdem, wie weit die von Huschai angeratene Generalmobilmachung vorangetrieben wurde. Auch hier empfehlen sich aber eher zurückhaltende Annahmen.

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Es fällt auf, dass Abschaloms Übergang über den Jordan sozusagen in einem Atemzug mit Davids Niederlassung in Mahanajim berichtet wird: so als wäre beides etwa gleichzeitig geschehen28. Wann genau David nach Mahanajim kam und wie lange er sich dort aufhielt, auch, wie lange es dauerte, bis Abschalom sein Heer (sammelte und) nach Gilead brachte, sagt der Text nicht. Vielleicht waren es ein paar Tage, höchstens einige Wochen, kaum Monate29. Die Formulierung, dass Abschalom »die gesamte Mannschaft Israels« bei sich hatte, lässt an ein eher großes Heer denken30. In 2Sam 18,7 wird dann mitgeteilt, dass davon 20.000 Mann gefallen seien; dies wäre, sofern es noch Überlebende gab, die zahlenmäßige Untergrenze31. Ist Abschalom also dem Rat Huschais (vgl. 2Sam 17,11) gefolgt32? Wie groß wäre die Armee nach einer Generalmobilmachung gewesen? Wie schnell ließ sich eine solche aber durchführen? Brach Abschalom auf, bevor sie ganz abgeschlossen war? Der Text macht hierzu keine präzisen Angaben. Recht vage ist auch die Mitteilung, Abschalom habe sich mit seinem Heer »im Land Gilead« gelagert. Allerdings wäre die Festsetzung in einer bestimmten Stadt auch nicht sinnvoll gewesen, ging es doch darum, David zu verfolgen. So mögen sich die Truppen über eine größere Region verteilt haben. Nahegelegen hätte freilich eine baldige Belagerung Mahanajims: mit mehr oder weniger lang dauernden Bemühungen, die Stadt zu erstürmen (wenn sie sich nicht, mit den großspurigen Worten Huschais, zu Tal schleifen ließ). Dazu kam es nicht, weil David sich in Mahanajim nicht stellen ließ. Vielmehr schickte er seine Truppen von dort weg zum »Wald Efraim« (2Sam 18,6), den man wohl im westjordanischen Bergland zu suchen hat33. Also musste Abschalom dem Gegner erneut hinterherjagen: zuvor vom westjordanischen Jerusalem ins ostjordanische Gilead, jetzt von dort wieder ins westjordanische Efraim. Er gleicht einem etwas schwerfälligen Jäger (oder Raubtier), dem eine flinke Beute immer wieder entwischt. Immerhin hat er sich einen prominenten ›Jagdhelfer‹ zugelegt: seinen Cousin und 28  Bodner (Rebellion 89) versteht 24 als »a note of simultaneity«. 29  Insofern wirkt Stoebes Mutmaßung (II 395), dass David in Mahanajim »so etwas bilden konnte, was man heute eine Exilregierung nennen würde«, doch übertrieben. 30  Conroy (Absalom 46) spricht von »an immense force«. Schon nach Josephus (Ant. 7.232) hatte Abschalom »eine große Armee von Hebräern« gesammelt. 31  Vgl. Fokkelman I 241: »the mass of the Israelite army is liquidated«. 32  So Firth 475. 33  Mahanajim lag am Ufer oder ein paar Kilometer südlich des Jabbok (s. oben bei »Ort«). Dieser mündet etwa auf der Höhe von Sichem, dem Zentralort Efraims, in den Jordan. Also befindet sich Davids Standort ziemlich genau gegenüber dem »Gebirge Efraim« bzw. dem »Wald Efraim«.

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Davids Neffen Amasa34. Die Verwandtschaftsrelationen machen es überdeutlich, dass die anstehende kriegerische Auseinandersetzung neben dem staatspolitischen einen stark familialen Charakter hat35. Erkennbar ist das Bestreben, die sicherheitsrelevanten Posten in der Königsfamilie zu lassen. Allerdings scheint Amasas Abkunft väterlicherseits mit gewissen Mängeln behaftet gewesen zu sein. Sein Vater Jitra hat seine Mutter anscheinend nicht regulär geheiratet36, sondern ist »zu ihr eingegangen«, hatte also nichtehelichen Geschlechtsverkehr mit ihr37. Handelte es sich um einverständlichen Verkehr – oder um eine Vergewaltigung38? Wollte Jitra Abigajil nicht heiraten – oder durfte er nicht, weil Abigajils Familie (die Königsfamilie!) das womöglich als nicht standesgemäß angesehen hätte? Immerhin hatte Jitra, wie man heute sagen würde, ›Migrationshintergrund‹. Amasas Vater

In Textnote 25b wurde die Möglichkeit erwogen, dass statt »Israelit« womöglich (mit GL) »Jesreelit« oder (mit 1Chr 2,17 und GA) »Ismaelit« zu lesen sei. Dazu ist bei Dietrich (Hapaxlegomena 112) vermerkt: »Offenbar konnte man sich schon früh nicht mehr vorstellen, dass inmitten der Daviderzählungen ein Mann als ›Israelit‹ bezeichnet wird, als wäre dies etwas Besonderes oder gar Fremdes. Es war aber etwas Besonderes, dass Abschalom einen israelitischen General bestellte«. Knauf (Ismael 12) stellt fest: Für alte Versionen wie für moderne Exegeten »ist die Bezeichnung eines Israeliten als ›Israelit‹ offensichtlich ein unverständlicher Pleonasmus. Das war zu Davids Zeit wahrscheinlich anders, als sich noch keineswegs alle jahwegläubigen Untertanen als ›Israeliten‹ gefühlt haben dürften«. Gegen die Ismaeliter-Lesung, der besonders viele Ausleger folgen, spricht ohnehin, dass diese Stammesgruppe sonst erst in Texten aus der späteren Zeit Israels auftaucht. In der frühen Königszeit wäre statt »Ismaeliter« »Midianiter« zu erwarten gewesen, waren diese doch gewissermaßen die (protoarabischen) Vorläufer der Ismaeliter. Na’aman (Amasa 180–183) unterbreitet neuerdings einen weiteren Vorschlag. Er geht davon aus, dass Amasas Vater nicht Jitra geheißen habe, sondern (gemäß 1Kön 2,5) Jeter. Das auslautende a in »Jitra« gehörte ursprünglich zum nachfolgenden Gentilicium. Dieses habe ylarca gelautet (was in M zu ylarcy verschrieben wurde). Die Asriëliter seien in Num 26,31; Jos 17,2; 34  Sein Name ist nach Noth (Personennamen 179) eine Kurzform von hysm[, »Jhwh hat geschützt«. 35  Conroy (Absalom 48) spricht von einer »intimate and familial dimension: son against father, cousin against cousin«. 36  Manche Kommentatoren (z.B. Stoebe II 394; Hentschel II 74; Firth 470) denken an eine Sonderform von Ehe, bei welcher die Frau im Herkunftshaus bleibt und der Mann sie nur gelegentlich aufsucht. So soll es bei Simson und Delila gewesen sein (Ri 15,1). Bei einer Philisterin und einem Israeliten macht das Sinn – ob auch bei einer Judäerin und einem Israeliten, ist die Frage. 37  So Bar-Efrat II 180 (es geht darum, Amasa »einen Makel anzuhängen«) und Caquot / de Robert 540 (»une union irrégulière«). 38  So Bodner, Rebellion 90.

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2Sam 17,24 – 18,5 1Chr 7,14 als manassitische Sippe belegt. Diese (oder Teile von ihr) seien aus dem Siedlungsgebiet Manasses (nördlich von Efraim) in die Gegend von Betlehem migriert – genauso wie die »Efratiter« (laut 1Sam 17,12 die Herkunftssippe Davids) aus dem Gebiet Efraims. Jeter habe seinen Sohn Amasa mit einer Tochter des Efratiters Isai verheiratet, um die beiden eingewanderten Sippen näher zusammenzuführen. Das ist ein innovativer Vorschlag, dessen Schwäche es ist, dass er sich auf keine überlieferte Textlesart (Israelit, Jesreelit, Ismaelit) stützen kann. Träfe er trotzdem zu, dann wäre Amasa, weil Asriël eine Teilgröße von Manasse und Manasse eine Teilgröße von Israel ist, auch so väterlicherseits ein (Nord-)Israelit gewesen – so wie er mütterlicherseits Judäer war.

Über seine Mutter gehörte Amasa zur Königsfamilie, wegen seines Vaters war er in dieser wohl ein Außenseiter. Vermutlich hatte er, wie seine Cousins Joab und Abischai, eine militärische Laufbahn absolviert, und dies so erfolgreich, dass Abschalom (wie später auch David) ihn für geeignet hielt, den Posten des Armeechefs einzunehmen39. Vielleicht ist in der Chronik eine Erinnerung an seine Karriere beim Militär erhalten. In 1Chr 12,17–19 taucht ein »Amasai« auf, der zu dem noch jungen David gestoßen und von diesem zum »Haupt einer Streifschar« und gar zum »Haupt der Dreißig« gemacht worden sei40. Sollte das nicht frei erfunden und jener Amasai identisch mit Amasa sein, dann wäre dieser ein schon lange bewährter Militär gewesen (und sein Übertritt zu Abschalom kaum weniger aufregend als derjenige Ahitofels!). In 26M fällt die Reihenfolge Israel – Abschalom auf. Zu erwarten wäre »Abschalom und Israel«41. Sollen durch die Umkehrung mangelnde Führungsqualitäten Abschaloms angedeutet werden42? Oder wird so hervorgehoben, dass wirklich er mit dem israelitischen Heer zog – ganz, wie Huschai es vorgeschlagen hatte (2Sam 17,11)43? Vielleicht sollte man die kleine Abweichung von der Norm nicht überbewerten, da ja GL die gewöhnliche Reihenfolge bietet44.

39  Hat möglicherweise Joab darauf gewartet, diesen Posten von Abschalom angeboten zu bekommen? Immerhin hatte er den Kronprinzen maßgeblich gefördert (2Sam 14). Andererseits könnte die Tatsache, dass Abschaloms Wahl auf Amasa fiel, anzeigen, dass Joab unnahbar davidtreu war. 40  Zu dieser Eliteeinheit vgl. 2Sam 23,24–39. 41  Vgl. de Regt (Participant Reference 263): Die Wortstellung in M verstößt gegen die »conventional order, in which an individual participant precedes a collective body«. 42  So Conroy, Absalom 54. Auch Bar-Efrat II 180 spricht von »einer gewissen Geringschätzung des Königssohns«. 43  So de Regt, Participant Reference 263. Es werde hier der vorangehende Vers relativiert: »Absalom, not Amasa … is the real commander«. 44  Vgl. Textnote 17,26a.

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2Sam 17,24 – 18,5 17,27–29

Truppenverschiebungen wie die hier angedeuteten verlangen logistische Anstrengungen. Davon erfährt man im Blick auf David etwas, im Blick auf Abschalom nicht. David soll, was er für den Unterhalt seiner Truppe brauchte, geschenkt bekommen haben45; Abschalom musste es sich wohl beschaffen – kaum zur Freude der Gileaditer. Über die drei Notabeln, die Gebrauchsgegenstände und Lebensmittel nach Mahanajim brachten, wurde oben bei »Ort« schon einiges gesagt. Das Auftreten aller drei im vorliegenden Zusammenhang ist eher überraschend. Der erste war ein Mitglied des Königshauses von Ammon, die anderen beiden scheinen (zumindest früher) Verbindungen zum Haus Sauls unterhalten zu haben. Hielt sich David gezielt an Leute, die ihm eher nicht wohlwollend gegenüberstanden? Handelten diese mehr zähneknirschend als aus Freundschaft? Wussten sie (bzw. war ihnen bedeutet worden46), dass Widerstreben und Widerstand böse Folgen haben könnte47? Das ist Spekulation. Der Text will (und lässt die drei sogar selbst sagen), dass sie schlicht aus Empathie mit David und seinen Leuten handelten. Die Liste der von ihnen gelieferten Güter umfasst nicht weniger als vierzehn Artikel48. »Die reichhaltige Aufzählung macht deutlich, daß es Davids Truppe an nichts mangelt«49. Dank der guten Versorgung kann sie sich rasch erholen und Kraft für die bevorstehende militärische Auseinandersetzung sammeln. Für Abschalom dürfte es schwer geworden sein, seine Leute in eine ähnlich gute Verfassung zu bringen.

18,1.2a.4b

Den Zeitpunkt und den Ort der Entscheidungsschlacht bestimmt David. Er ergreift die Initiative und mustert seine Truppen. Wie stark diese waren, erfährt man nicht; nach Josephus (Ant. 7.233) waren es rund 4.000 Mann. David teilt sie in »Tausendschaften« und »Hundertschaften« ein. Dabei werden weniger exakte Mannschaftsstärken als bestehende Beziehungsnetze ausschlaggebend gewesen sein: Wer kam aus welcher Ortschaft oder welcher Region, wer war mit wem verwandt, wer hatte mit wem welche Ausbildung durchlaufen, welche Gruppen waren aneinander gewöhnt, wie konnten vorhandene Stärken und Schwächen ausgeglichen werden, wie wurden spezielle 45  Hamilton (Whose Table 529) vermutet, es habe sich nicht um eine einmalige Gabe, sondern um wiederholte Zuwendungen gehandelt. 46  Stolz 266 vermutet: »Offensichtlich hatte David sofort bei seinem Auszug aus Jerusalem Boten in die Gegend geschickt«. 47  So McCarter II 395. 48  Zu einzelnen textlich oder philologisch nicht ganz sicheren Objekten s. die Textnoten 28a, b, c, d und 29a. 49  Stolz 266. Vgl. Fokkelman I 235: Die Aufzählung »expresses the extent and the depth of the allies’ loyalty«.

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Befähigungen und Waffengattungen am besten verteilt, wie ließ sich das optimale Zusammenwirken der Truppenteile organisieren? All das führt der Text nicht aus, er ist nicht an militärtechnischen Details interessiert. Er teilt lediglich mit, dass über die einzelnen Einheiten Offiziere gesetzt und dass sie zu drei Korps unter je einem Kommandeur zusammengeführt wurden. Die Aufteilung eines Heeres in drei Korps ist traditionell, vgl. Ri 7,16; 9,43; Truppen1Sam 11,11. Anscheinend war damit eine bestimmte militärische Taktik ver- abnahme bunden (Angriff von verschiedenen Seiten gleichzeitig). Wie Absprachen »im Tor« zwischen zwei Korps funktionieren können, demonstrieren vorbildlich Joab und Abischai in 2Sam 10,11f. Abischai wird, als Sohn der Zeruja und Bruder Joabs, vorgestellt, als ob er das erste Mal aufträte. Dabei kennt man ihn schon aus (1Sam 26 und) 2Sam 16,9. In der Amnon-Abschalom-Novelle jedoch war er noch nicht in Erscheinung getreten, musste also eingeführt werden. Aus dem Gegenüber von 17,25 und 18,2 ließe sich eine Überlegenheit der Seite Davids heraushören: »Absalom has one commander, whereas David has three« (Bodner, Rebellion 91). Doch soll es ja auch Fälle geben, in denen mehrere Köche den Brei verderben. Firth 476 erwägt ausdrücklich, dass es gar nicht nach Joabs Geschmack gewesen sein könnte, nur einer von dreien zu sein. Jedenfalls handelt er hernach, ohne seine beiden Mitkommandeure zu fragen. Auffällig ist eine wechselnde Reihenfolge: »Tausendschaften und Hundertschaften« in 18,1, »Hundertschaften und Tausendschaften« in 18,4b. Laut Fokkelman I 237 geschieht dies »to avoid monotony«. Bemerkenswert ist schließlich die Mitteilung, dass »der König sich an die Seite des Stadttors stellte«. Schmitt (Der König sitzt im Tor) ist diesem Hinweis nachgegangen und hat zuerst gefragt, wie man sich dies rein räumlich vorzustellen habe. Innerhalb des (in der Regel einzigen) Tores war wohl nicht genügend Platz für eine solche Aktion. Man kann an den (unbebauten) Raum zwischen dem Haupt- und dem Vortor denken (vorgefunden etwa in Megiddo VA und IVB sowie Beerscheba V; vgl. 2Sam 18,24: »David saß zwischen den beiden Toren«) oder an den Raum vor dem (Vor-)Tor, also außerhalb der Stadt. Gelegentlich wurden bei Ausgrabungen (z.B. in Dan) am Tor Postamente gefunden, auf denen ein Thron, überdacht von einem Baldachin, gestanden haben könnte. Auf einer Elfenbeinarbeit aus Megiddo aus der Spätbronzezeit sowie in verschiedenen neuassyrischen Reliefs wird in ritualisierter Form die Szene vom »König im/beim Tor« gezeigt. Eine »Truppenabnahme« an diesem Ort »scheint eine wechselseitige Loyalitätsgeste zu sein. Die Truppen erweisen vor der Schlacht ihrem Oberbefehlshaber Loyalität und dieser wiederum bezeugt sein Vertrauen in sein Heer, das für ihn zum Kampf ausrückt« (478). Im vorliegenden Fall handele es sich zudem um »einen inszenierten Akt der Delegation von Kommandogewalt« (479).

Wohlgeordnet rückt das Heer schließlich aus. David nimmt die Parade ab. Die Lesenden sehen gewissermaßen mit ihm die Kämpfer ausziehen – und fragen sich mit ihm und mit ihnen, wie der bevorstehende Kampf ausgehen und wer zurückkehren mag und wer nicht.

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In dieser Szene, wie sie der Amnon-Abschalom-Novellist ins Bild setzt, ist höchstens das Stampfen von Stiefeln und das Klirren von Waf18,2b–4a.5 fen zu ahnen. Der Höfische Erzähler indes trägt direkte Reden ein, die in das Geschehen einen mitmenschlichen Ton bringen. Zuerst spricht David – nein, betont: »der König« – mit seinen Soldaten. Er sagt, er wolle sie nicht einfach in den Kampf schicken, sondern mit ihnen ziehen. Das heißt, er gehört nicht zu jenen Kriegsherren, die andere für sich bluten lassen und sich selbst schonen. Er ist bereit, sich ins Schlachtgetümmel zu werfen und seine Haut zu Markte zu tragen. Vielleicht denkt er, durch seine Anwesenheit und sein Vorbild die Tapferkeit seiner Männer steigern zu können. Ganz im Geheimen mag ihn sogar Sorge um seinen Sohn umgetrieben zu haben: Vielleicht kann er, wenn er persönlich dabei ist, Abschalom vor Schaden bewahren. Statt sich zu Davids Motiven zu äußern, teilt der Text die Reaktion der Soldaten mit. Diese ist in einem ungemein entschiedenen, fast groben Ton gehalten. Nicht: »Der Herr König möge doch bitte bedenken …«, sondern: »Du wirst nicht ausrücken!« Das ist die Form des absolut verneinten Imperativs, wie ihn die Prohibitive des Dekalogs kennen (»Du wirst nicht töten«). Eigentlich dürfen Untertanen in diesem Ton nicht mit dem König reden! Doch was ungehörig klingt, ist in Wahrheit reine Fürsorge. Huschai, der Abschalom feindlich gesonnen war, wollte diesen in der Schlacht dabeihaben (2Sam 17,11) – Davids Soldaten ihren Herrn nicht, weil sie ihm freundlich gesonnen sind. In ihren Augen ist er zehntausendmal mehr wert als sie, ihm darf auf keinen Fall etwas zustoßen. Darin könnte sich Königsideologie äußern: der Monanrch als geradezu überirdisches Wesen. Es könnte aber auch damalige Kriegslogik dahinterstehen, die besagt, dass in dem Augenblick, in dem einer der Anführer fällt, die Schlacht entschieden und zu Ende ist. Die Bibel erzählt eine Reihe von Beispielen dafür. Abimelech fällt – und die Israeliten beenden den Kampf (Ri 9,54f). Goliat fällt – und die Philister fliehen (1Sam 17,51f). Saul und seine Söhne fallen – und Israel flieht (1Sam 31,7). Ahitofel will David töten – und dessen Soldaten werden flüchten (2Sam 17,2). Abschalom wird erschlagen – und Joab bläst ins Horn (2Sam 18,15f). Schebas Kopf fliegt über die Mauer – und Joab bläst erneut ins Horn (2Sam 20,22). Der König Israels (angeblich Ahab) stirbt an seinen Verwundungen – und das Heer Israels verläuft sich, »jeder in seine Stadt« (1Kön 22,35f). Vielleicht wollen Davids Soldaten die Schlacht nicht »nur« deswegen verlieren, weil der König fallen könnte. Josephus (Ant. 7.234) lässt Davids Soldaten etwas anderes denken: Falls eine Abteilung des Heeres geschlagen würde und die Überlebenden zu David nach Mahanjim flüchteten, werde dieser ihnen neuen Mut einflößen. Zudem würde der Feind meinen, der König halte noch frische Truppen in Reserve. Hier spricht mehr der Militär als der Exeget.

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2Sam 17,24 – 18,5 Moderne Ausleger vermuten nochmals anderes. Nach Alter 303 halten in Wirklichkeit die Soldaten ihren König für körperlich nicht mehr fit genug für den Kampf. Nach Bodner (Rebellion 92) wollten sie ihn womöglich nicht dabeihaben, weil er den Tod seines Sohnes nicht mit ansehen sollte. Beides erscheint an den Text eher herangetragen.

Zur Antwort von Davids Soldaten gibt es eine Parallele im sog. Anhang zu den Samuelbüchern. Dort wird in einer Anekdote erzählt, dass David – der junge David vermutlich – einst an einen besonders gefährlichen Philisterrecken geriet und von Abischai nur mit Mühe noch herausgehauen werden konnte. Damals hätten ihn seine Männer beschworen, nicht mehr mit in den Kampf zu ziehen, damit »die Leuchte Israels nicht ausgelöscht« werde (2Sam 21,16f). Dieser Kurzerzählung ist das Erschrecken darüber abzuspüren, dass David um ein Haar gefallen wäre; doch Israel brauchte ihn noch, darum durfte er sein Leben nicht mehr unnötig aufs Spiel setzen. Kannte der Höfische Erzähler diese Anekdote und wandelte sie ab? Gab es in Israel gelegentlich Verwunderung darüber, dass König David, der berühmte Krieger, nicht alle Schlachten seiner Soldaten persönlich mitschlug? Erhob sich im konkreten Fall die Frage, ob er nicht das Leben seines Sohnes hätte retten können, ja müssen? Jedenfalls haben die Worte, die hier Davids Soldaten in den Mund gelegt werden, einen apologetischen Unterton. David beugt sich dem Willen seiner Männer. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Monarchen haben die Macht, ihren Willen durchzusetzen. David aber vermag auf guten Rat zu hören. So hat man ihn schon früher erlebt – bzw. der Höfische Erzähler hat ihn bereits wiederholt so gezeichnet: David beugte sich Natan, der ihn für sein Vergehen an Batscheba und Urija kritisierte, und er beugte sich Joab und der Frau von Tekoa, die ihn zur Milde gegen Abschalom bewegen wollten. David, so wird uns bedeutet, war kein selbstherrlicher, absolutistischer Monarch, und nicht zuletzt darin liegt seine Besonderheit. Als weiteres Persönlichkeitsmerkmal hebt der Text Davids Bereitschaft hervor, Menschen, denen er sich verbunden fühlt, seine Zuneigung auch dann noch zu bewahren, wenn sie sich krass gegen ihn gestellt haben. Saul soll ihn erbittert gejagt und er ihn zweimal verschont haben, weil er der »Gesalbte Jhwhs« war (1Sam 24 und 26). Abschalom hat ihn vom Thron gestoßen, trachtet ihm gar nach dem Leben, doch er ist immer noch sein Sohn. Das bedeutet nicht, dass er tun darf, was er will. David setzt sich gegen seinen Angriff zur Wehr – zuerst mit friedlichen Mitteln: Er zieht sich aus Jerusalem zurück, er lässt, als letztes Warnsignal, wehrlose Frauen zurück, er flieht über den Jordan ins abgelegene Mahanajim. Irgendwann hätte Abschalom

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innehalten können. Doch nein, er nimmt jene Frauen und verfolgt den Vater mit großer Heeresmacht nach Gilead. David ist gezwungen, den Kampf anzunehmen – gerät dabei freilich in eine höchst ambivalente Situation: Den Aufruhr niederwerfen bedeutet unvermeidlich, seinen Sohn in Lebensgefahr zu bringen. David ist zwischen zwei Zielen hin und her gerissen. Also schickt er seine Truppen ins Feld – und vermahnt zugleich seine Kommandeure, sie müssten Sorge tragen »um den jungen Mann«. Das in 5 gleich zweimal verwendete Verb hwx, »befehlen«, ist ein strenges Wort. David »sagt« nicht nur, man solle mit Abschalom »sanft« umgehen, er befiehlt es. Das heißt: Wer Abschalom antastet, begeht Befehlsverweigerung50. Typisch für David (bzw. für den Höfischen Erzähler) ist es, dass der Befehl in ein gewinnendes sprachliches Gewand gekleidet wird. Die Wortfügung µwlvbal r[nl yl fal enthält einen vierfachen Stabreim auf Lamed51. Das Wörtchen yl hat einen andrängend-persönlichen Ton: Tut mir den Gefallen! Und die Bezeichnung Abschaloms als »junger Mann« (r[n) hat etwas Zärtliches52. Sie macht zugleich die tiefenpsychologische Dimension sichtbar, die dem Konflikt innewohnt: Ein Sohn ist im Begriff, den Vater zu töten – und der will es kaum wahrhaben. Noch eine Ebene tiefer kommt eine theologische Dimension zum Vorschein: In 2Sam 17,14 hieß es, Gott wolle über Abschalom »Unheil« bringen, jetzt aber versucht David, Unheil von ihm abzuwenden53. Schon einmal hat David sich gegen den von Gott beschlossenen Tod eines Sohnes gestemmt – und ist gescheitert (2Sam 12,15–18). Kann es dieses Mal anders sein? In diesen – allesamt vom Höfischen Erzähler eingetragenen – Textpassagen gerät David zu einer geradezu tragischen Gestalt. Josephus (Ant. 7.235) weiß noch Genaueres über Davids Ansprache an seine »Freunde, die Generäle«: Sie sollten tapfer und zuversichtlich und aller Vorzüge eingedenk sein, die er ihnen gewährt habe. Wenn jedoch sein Sohn 50  Es ist interessant, dass der Soldat, der Joab über den im Baum hängenden Abschalom Meldung erstattet, dies weiß (2Sam 18,12f), während es Joab offenbar nicht wissen will. In der Folge wird David Joab den Posten des Armeeführers entziehen (2Sam 19,14; 20,4–6) – aber nicht lange (2Sam 20,8–11). 51  Das hat Bar-Efrat II 185 bemerkt – und haben damals hoffentlich viele gehört! 52  Stoebe II 398 spricht vom »Ausdruck einer verhaltenen Zärtlichkeit«, McCarter II 405 von einer »demonstrably affectionate« Rede Davids, Tsumura II 258 von »a term with an affectionate tone«. Tamarkin Reis (Killing the Messenger 187) widerspricht: r[n sei »an emotionally neutral expression«, »a cool, arms-length way of denominating one’s own son«; David distanziere sich also gerade von Abschalom. Doch viel näher liegt ja die Erklärung, dass er die Bezeichnung »mein Sohn« in diesem Augenblick, da die Truppen zum Kampf ausrücken, scheut. 53  Vgl. Conroy, Absalom 51: »the reader knows that here David’s thoughts and Yhwh’s thoughts are not the same«. Ähnlich Smith, Fate of Justice 190.

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2Sam 17,24 – 18,5 zu Tode käme, werde er persönlich Rache nehmen. Und schließlich habe er noch vor den Ohren der Kommandeure und Soldaten um den Sieg gebetet54. Eine an Feinfühligkeit kaum zu übertreffende Auslegung von 5 bietet Brueggemann (317): Die Schonung Abschaloms »is to be done ›for my sake‹, not for the sake of the son … the narrative has no interest in Absalom or sympathy for him. What counts is David’s yearning to be a father and to have his fatherly sensitivity taken seriously. David avoids any direct expression of fatherhood and sonship … This is a commander who must have the coup smashed. In the mouth of the commander, the father speaks, but with restraint and with control … In that simple imperative are held together the requirements of state and the yearnings of a father … The narrator … does not tell us what the people thought about the king’s plea. Perhaps the people were moved by David’s pathos. Perhaps they resisted his footnote to battle as sentimental«.

Ziel des Abschnitts 2Sam 17,24 – 18,5 ist zunächst darzustellen, wie Ziel sich die beiden Kontrahenten David und Abschalom auf die Entscheidungsschlacht vorbereiten. Über Abschalom erfährt man vergleichsweise wenig: nur, dass er sich David über den Jordan hinweg an die Fersen geheftet und wem er das Kommando über seine Armee anvertraut hat. Gern wüsste man mehr: wieviel Zeit verstrich, bis sein Heer aufgestellt war, wie groß es war, wie es sich zusammensetzte, was er über die Gegenseite wusste, welche logistischen Vorkehrungen er traf, welche strategischen und taktischen Maßnahmen er erwog und ergriff. Die Ausführungen über David sind zahlreicher, aber auch nicht vollständig. Es wird eine konkrete Ortschaft genannt, in der er sich niederließ und wo drei namentlich genannte Notabeln aus der Region ihn versorgten. Detailliert wird aufgezählt, was sie brachten (allerdings ohne Mengenangaben). Dann sieht man David seine Truppen auf den Kampf einstellen: Musterung, Einteilung in Einheiten, Einsetzung von Offizieren und drei Kommandeuren. Das wirkt zielgerichtet und routiniert. Ob Abschalom Ähnliches unternommen hat, ob er überhaupt Gelegenheit dazu bekam, bleibt offen. Vielleicht stolperte er mit seinem Heer gleichsam in die Schlacht. David und seine Leute hingegen sind bereit. Vor dem Ausrücken gibt es einen Disput zwischen dem König und den Soldaten um die Frage, ob er persönlich mitziehen solle (Antwort auf Wunsch der Armee: nein) und eine ausdrückliche Anweisung an die Kommandeure, Abschalom zu schonen (Antwort seitens der Kommandeure: keine). Damit steigt die Spannung – nicht nur militärisch (wie wird die Schlacht ausgehen?), sondern auch menschlich (wird Abschalom etwas zustoßen?). 54  Vgl. Begg, Demise 489.

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Vielleicht ist die Quintessenz der beiden Textteile 17,24–29 und 18,1–5 unterschiedlich. Der erste zeigt, wie David, obwohl von der Macht vertrieben, seine Situation zu stabilisieren vermag. Er übernimmt das Heft des Handelns, ihm ordnet sich alles zum Guten, während Abschalom blass und passiv wirkt. Diese Polarität kennt man noch gut aus der Aufstiegsgeschichte Davids. Auch damals war er oft der hoffnungslos Unterlegene, doch konnte ihm letztlich keiner seiner Gegenspieler – Saul, Goliat, Doëg, Nabal, Achisch – etwas anhaben. Der zweite Teil rückt Davids Charakter ins Licht: Er ist nicht nur ein umsichtiger Oberbefehlshaber, er zeigt auch persönlichen Mut, will mit in die Schlacht ziehen, doch seine Soldaten schätzen ihn so sehr und wollen so unbedingt jede Gefahr von ihm fernhalten, dass sie das nicht zulassen – und er, er fügt sich. Danach hat er Gedanken nur noch für seinen Sohn: den ungestümen, rebellischen, der ihm ans Leben will55. David versucht, die damalige Kriegslogik – wer den Sieg will, schalte den feindlichen Anführer aus! – außer Kraft zu setzen, wird diesmal doch der Feind von seinem eigenen Sohn angeführt. Es deutet sich ein tragischer Konflikt an: politische und militärische Zwänge versus familiäre und persönliche Bindungen. Kommt Abschalom ums Leben, verliert David seinen wohl fähigsten Sohn, kommt dieser davon, behält David seinen ärgsten Feind. Möglicherweise ist diese Konstellation so einzigartig nicht, wie es zunächst scheinen mag. Ambivalente Empfindungen in harten Auseinandersetzungen (in der Familie, in der Gesellschaft, in der internationalen Gemeinschaft) gibt es so selten nicht. Da wird die eine Seite schwer gefordert, gerät in die Gefahr abzustürzen, gewinnt langsam die Kontrolle zurück – und hat doch Verständnis, ja Sympathie für Personen und Positionen auf der anderen Seite. Es gibt Siege, die erhofft und zugleich befürchtet werden56.

55  Hentschel geht soweit, David hier die Einhaltung der neutestamentlichen Ethik zu bescheinigen: Er will Böses nicht mit Bösem vergelten (vgl. Röm 12,17) und übt Feindesliebe (vgl. Mt 5,43–48). Schon in den Augen des englischen Reformators Andrew Willet (1562–1621) war David, indem er sich für Abschalom einsetzte, ein »Typus Christi«. Ganz anders der puritanische Prediger Daniel Dyke (um 1600): Er hält Abschalom für ein Exempel von »our darling sins« – und gegen die gelte es unbarmherzig vorzugehen, so wie Joab gegen Abschalom. Vgl. zu beiden Cooper/Lohrmann, Reformation Commentary 235. 56  Vgl. Brueggemann 318: »Victory and grief, power and defeat are left in unresolved tension«.

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2Sam 18,6–18

Abschalom verliert die Schlacht und sein Leben (2Sam 18,6–18) Begg, C., The Demise of Absalom according to Josephus: OTE 18 (2005) Literatur 482–502. – Bonatz, D., Syro-Hittite Funerary Monuments. A Phenomenon of Tradition or Innovation?, in: G. Bunnens (ed.), Essays on Syria in the Iron Age, 2000 (Ancient Near Eastern Studies Supplement Series 7), 189–210. – Brauer, A. Das Alte Testament, erzählt von Arik Brauer. Mit 60 Zeichnungen, Wien 2018. – Childs, B.S., A Study of the Formula »unto this day«: JBL 82 (1963) 279–292. – Dietrich, W., Hapaxlegomena in den Samuelbüchern, in: E. Bons a.o. (eds.), Biblical Lexicology. Hebrew and Greek, 2015 (BZAW 443), 103–129. – Eschelbach, M.A., Has Joab Foiled David?, Westminster 1999 (Studies in Biblical Literature 76). – Feldman, L.H., Josephus’ Portrait of Joab: EstB 51 (1993) 323–351. – Heller, J., Absaloms Zufluchtsstätte (1969), in: ders., An der Quelle des Lebens. Aufsätze zum Alten Testament, 1988 (BEAT 10), 33–38. – Hutton, J., Over the River and through the Woods. Historical and Narrative Geography in 2 Samuel 18, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 105–128. – Kim, E.C., Cult of the Death and the Old Testament Negation of Ancestor Worship: AJTh 17 (2003) 2–16. – Kim, J.-H., Zur Textgeschichte von Sam-Kön anhand 2Kgt(Sam) 15,1–19,9, in: M. Karrer / W. Kraus (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, 2008 (WUNT 219), 353–368. – Klopfenstein, M.A., Die Lüge nach dem Alten Testament. Ihr Begriff, ihre Bedeutung und ihre Beurteilung, Zürich / Frankfurt a.M. 1964. – LeonardFleckman, M., The House of David. Between Political Formation and Literary Revision, Minneapolis, MN 2016. – McCarthy, D.J., The Uses of wehinnēh in Biblical Hebrew: Bib. 61 (1980) 330–342. – Millard, A., Are There Anachronisms in the Books of Samuel?, in: G. Khan / D. Lipton (eds.), Studies on the Text and Versions of the Hebrew Bible, FS Robert Gordon, 2012 (VT.S 149), 39–48. – Naumann, T., Abschalom und die »Kinderzucht«. Spuren christlicher Abschalomrezeption in erzieherischer Absicht in Quellen des 15.–19. Jahrhunderts, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (eds.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History, 2016 (BEThL 284), 563–578. – Ockinga, B.G., A Note on 2 Samuel 18.18: BN 31 (1986) 31–34. – Polak, F., Conceptions of the Past and Sociocultural Grounding in the Books of Samuel, in: I.D. Wilson / D.V. Edelman (eds.), History, Memory, Hebrew Scriptures, FS Ehud Ben Zvi, Winona Lake, IN 2015, 117– 132. – Schmitt, R., »And Jacob Set up a Pillar at Her Grave …«. Material Memorials and Landmarks in the Old Testament, in: J. van Ruiten / J.C. de Vos (eds.), The Land of Israel in Bible, History, and Theology, FS Ed Noort, 2009 (VT.S 124), 389–403. – Schottroff, W., »Gedenken« im Alten Orient und im Alten Testament. Die Wurzel zākar im semitischen Sprachkreis, 1967 (WMANT 15). – Schroer, S., Zur Deutung der Hand unter der Grabinschrift von Chirbet el Qôm: UF 15 (1983) 191–199. – Shepherd, D.J. / Johnson, N.E., Bertolt Brecht and the David Fragments (1919–1921). An Interdisciplinary Study, London a.o. 2020 (Scriptural Traces 26 / LHBOTS 699). – Sheriffs, D., The Human Need for Continuity. Some ANE and OT 2Sam 18,6–18

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2Sam 18,6–18 Perspectives: TynB 55 (2004) 1–16. – Tamarkin Reis, P., Killing the Messenger – David’s Policy or Politics?: JSOT 31 (2006) 167–191. – Weiss, M., Weiteres über die Bauformen des Erzählens in der Bibel: Bib. 46 (1965) 181–206. – Wiggins, S., Between Heaven and Earth. Absalom’s Dilemma: JNSL 23 (1997) 73–81. – Zias, J. / Puech, É., The Tomb of Absalom Reconsidered: NEA 68 (2005) 148–165. Siehe auch die Literatur oben zum Einleitungskapitel 2Sam 15--20. Text  6 Und dasa (Kriegs-)Volk zog hinaus aufs Feldb, Israel entgegen.

Und es kam zur Schlacht im Wald Efraimc. 7 Und es wurde dort das (Kriegs-)Volk Israels geschlagen von den  (Kriegs-)Knechten Davids. Und es ereignete sich dorta ‘ein’b großer Schlag an diesem Tag, ‘und’c 20.000 ‘Männer fielen’c. 8 Und es geschah ‘ ’a, dass die Schlacht sich ausbreiteteb über die  ganze Gegendc. d e Und mehr fraß das Walddickicht vom (Kriegs-)Volk, als das  Schwert fraß an diesem Tag. 9 Und Abschalom traf aufa die (Kriegs-)Knechte Davids. Und Abschalomb ritt auf demc Maultier. Und das Maultier kam unter das Geäst ‘eines’d großen, mächtigen Baumse. Und sein Kopf blieb hängenf in dem mächtigen Baum, und er ‘hing’gh zwischen Himmel und Erdei. Und das Maultier ‘ ’ j unter ihm entschwand. 10 Und es sah [das] ein einzelnera Mann und erstattete Joab Meldung und sagte: »Sieh, ich habe Abschalom gesehen, hängend an dem mächtigen Baumb!« 11 Und Joab sagte zu dem Mann, der ihm Meldung erstattete: »Sieh, du hast [das] gesehen – unda warum hast du ihn nicht dortb zu Boden geschlagen? Und an mir wäre es gewesenc, dir zehn Schekeld Silber zu geben  und einen Gürtel!« 12 Und der Mann sagte zu Joab: »aUnd wenn ich auf meiner Hand  tausend Schekel Silber abwögea – b ich würde meine Hand nicht ausstrecken gegen den Königssohn. Denn vor unseren Ohren hat der König dir und Abischai und Ittai befohlen: ›Achtet ‘mir’c auf den jungen Mann, auf Abschalom!‹ 13 Oder [angenommen,] ich hätte Treubrucha an ihmb geübtc – und es bleibt doch nichts verborgen vor dem König! Und du, du hättest dich abseits gestellt.« 14 Und Joab sagte: »a‘Dann werde ich vor deinen Augen anfangen’a.«

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Und er nahm drei Stöckeb in seine Hand und schlug sie gegen das Herz Abschaloms. Er war noch lebendig inmitten des Baums. 15 Und es stellten sich zehn Burschen ringsum auf, die Waffenträger Joabsa, und sie erschlugen Abschalom und machten ihm den Garaus. 16 Und Joab blies ins Widderhorn, und das (Kriegs-)Volk kehrte um von der Verfolgung Israels; denn Joab schonte das (Kriegs-)Volk. 17 Und mana nahm Abschalom und warf ihn in dieb große Grube im Wald und türmte über ihm einen sehr großen Steinhaufen auf. Und ganz Israel floh, jeder zu seinem Zelt. 18 Und Abschalom hatte sich, als er noch lebte, die Mazzebe aufstel len lassena, die im Tal der Könige [steht]. Denn er sagte: »Ichb habe keinen Sohn, um meinesb Namens zu gedenken.« Und er benanntec die Mazzebe nach seinem Namen. Und sie wurde genanntd »Denkmale Abschaloms« bis auf diesen Tag. 6a Laut G war es das ganze (Kriegs-)Volk. – b So M, 4QSama und GL (pedivon) übereinstimmend. Nach GBAMN hingegen zog man hinaus in den »Wald« (drumov"), was aber angesichts des nachfolgenden Satzes lectio facilior ist. – c Diese (überraschende) Angabe in M und GBAN. Demgegenüber reden GL (Maainan) und GM (Maenan) anscheinend vom »Wald (von) Mahanajim«. – 7a Zu diesem zweiten µv fehlt in allen G-Versionen eine Entsprechung – Wellhausen (Text 201) meint: »wahrscheinlich mit Recht«. – b In M und GBAMN steht hier, unverständlicherweise, der direkte Artikel: »der große Schlag«. – c,c M schreibt lediglich: »20.000«; das ist ein unmöglich unvollständiger »Satz«. 4QSama und der Großteil der G-Tradition sind etwas vollständiger: »20.000 Männer«. In GL kommt hinzu kai; pivptousin, »und es fallen«; Josephus (Ant. 7.238) bietet den eigentlich zu erwartenden Aorist e[peson, »es fielen«. – 8a Das (nunmehr dritte) µv, »dort«, ist nun doch zuviel. In GL fehlt es. – b Das Qere korrigiert das irreguläre tyxpn des Ketib in ein korrektes Partizip Nif. von ≈wp. – c Eigentlich: »Land«. Nach GLMN breiteten sich die Kämpfe aus »über den ganzen Wald«; vgl. schon Textnote 6b. – d Die Wiedergabe von r[y einfach mit »Wald« wäre für mitteleuropäische Lesende irreführend. KAHAL 223a gibt denn auch drei Bedeutungen an: Dickicht, Gehölz und Wald. Gemeint ist die typische Fauna in mediterranen Berggegenden, oft bezeichnet als Macchia; in dieser können durchaus auch größere Bäume stehen: Korkeichen, Kiefern, Terebinthen u.a. – e M wäre wörtlich wiederzugeben mit »im« bzw. »unter dem Volk«; gemeint ist nichts anderes als in G mit ejk tou' laou', »aus dem Volk«. – 9a arqyw kann nicht bedeuten: »Und er rief«.

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2Sam 18,6–18 Wellhausen (Text 201) schlägt eine Konjektur zu aryyw vor, »und er fürchtete sich«. Dazu würde das nachfolgende ynpl gut passen. Will man dies nicht wagen, empfiehlt sich die Erklärung als Nif.-Form von II arq, das im Qal »treffen auf« bedeutet. Vielleicht darf man verstehen: »Abschalom wurde angetroffen im Sichtfeld von …«, das heißt: Er sah sich unversehens Soldaten der Gegenseite gegenüber, die womöglich gar nicht leicht als solche zu erkennen waren, sodass er die Gefahr spät bemerkte und umso hastiger davonstob – mit katastrophalen Folgen. GLMN haben einen unverständlichen Text: kai; h\n mevga" Abessalwm, »und Abschalom groß war«. In LXX-D 845 wird erwogen, dass in der Vorlage arqyw zu brqyw und dann im Griechischen EGGUS zu MEGAS verschrieben wurde. – b GL und 4QSama ersetzen den Namen durch aujtov" bzw. awh »er (selbst)«, was nach DJD XVII 164 die ursprüngliche Lesart ist. – c GBAMN: »auf seinem Maultier«. – d M mit Artikel, was nur Sinn machte, wenn man sich zu dieser Geschichte einen bestimmten Baum zeigte (so Firth 477: »the article may indicate a well-known tree«); doch dafür gibt es keine Anzeichen. – e Man ist gewohnt, hier eine Baumart zu nennen. Schon die Übersetzer von GBAM meinten zu wissen, dass es sich um eine »Eiche« (dru'") handelte. Lange meinte man, hla bedeute entweder »Eiche« oder, etwas südländischer wirkend, »Terebinthe«; doch jetzt wird in KAHAL (28b) vorsichtigerweise nur mehr angegeben: »mächtiger Baum« – was exakt dem devndron mevga in GL entspricht. – f Der Punktation nach ist qz"j‘Y